Wenn es im Kopf hämmert - Neuro-Kopf

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STIEFS SPRECHSTUNDE
KOPFSCHMERZEN .................................................................................................................................................................................................................................................................................
Leser fragen – Experten antworten
Wenn es im Kopf hämmert
Prof. Christian Stief
Liebe Leserinnen und Leser, als Chefarzt im Münchner
Klinikum Großhadern erlebe ich täglich, wie wichtig
medizinische Aufklärung ist. Doch im hektischen Alltag
von Klinik und Praxis bleiben manchmal Fragen offen.
Und: Geht es um ein „Tabuthema“, trauen sich Patienten häufig gar nicht erst nachzufragen. Meine Kollegen
und ich wollen Ihnen daher Antworten geben. Haben
Sie auch eine Frage zu einem medizinischen Thema?
Dann schicken Sie uns diese zu! Bitte fassen Sie Ihr Anliegen in wenigen Sätzen zusammen und geben möglichst Ihr Alter an. Schicken Sie uns keine Krankenakten
zu. Die Antworten werden auf dieser Seite anonymisiert
veröffentlicht – aber nicht persönlich zugeschickt.
Haben Sie Fragen an unsere Ärzte? Schreiben Sie uns!
Per Mail: [email protected]
Per Post: Münchner Merkur, Redaktion Gesundheit,
Paul-Heyse-Straße 2-4, 80336 München
Kopfschmerzen gehören
heute zu den häufigsten
Gründen, einen Arzt
aufzusuchen – und
gelten somit auch als
häufigste neurologische
Erkrankung. Doch was
lässt sich gegen sie
unternehmen? Ein
Experten-Gespräch mit
Prof. Thomas R. Tölle.
Wie viele Menschen
leiden an Kopfschmerzen?
Weltweit geht man davon aus,
dass etwa die Hälfte der Bevölkerung immer wieder darunter
leidet. Eine repräsentative Umfrage zeigt für Deutschland,
dass etwa jede dritte Frau und
jeder fünfte Mann innerhalb einer Woche von Kopfschmerzen berichtet; allein im vergangenem Jahr waren es zwei Drittel der Frauen und die Hälfte
der Männer.
-
Was sind die häufigsten
Ursachen?
Experten unterscheiden mehr
als 150 Kopfschmerzarten. Besonders wichtig ist die Differenzierung in primäre und sekundäre Kopfschmerzen: Primäre Kopfschmerzen sind eine
eigenständige Erkrankung, ein
sogenanntes Kopfschmerzleiden. Hierzu zählen die Spannungskopfschmerzen und die
Migräne. Die sekundären
Kopfschmerzen sind extrem
selten, machen nur etwa zwei
bis drei Prozent aus – und sind
Folge einer anderen Erkrankung, etwa eines Schlaganfalls,
eines Tumors, einer Stoffwechselerkrankung oder einer Medikamenten-Einnahme. Diese
Unterscheidung ist dennoch
extrem wichtig, da sie zum Beispiel als Notfall eine ganz andere Vorgehensweise in der
Behandlung erfordert.
-
Leserin: Bei mir wurden die Diagnosen Schizophrenie
und Manie gestellt. Ich fühle mich aber dennoch
leistungsfähig und gesund. Als Medikamente nehme
ich „Risperdal“ und „Clozapin“, habe 60 Kilogramm
zugenommen. Liegt es an den Tabletten? Und wie
entgehe ich einem lebenslangen Heimaufenthalt?
Zugenommen: Sind die Tabletten schuld?
Dass Sie sich leistungsfähig und gesund fühlen, ist
doch ein gutes Zeichen. Es ist aber schon auch den
Medikamenten zu verdanken. Sie sollten diese also
unbedingt weiter einnehmen. Da wir heute sehr gute
wirkungsvolle Arzneien zur Verfügung haben, ist ein
Heimaufenthalt nur noch sehr selten notwendig. Das
Mittel „Clozapin“ ist zwar in der Tat für eine gewisse
Gewichtszunahme verantwortlich. Die 60 Kilogramm
sind aber keinesfalls allein auf die Medikamente
zurückzuführen!
Dr. Kristina Bain-Bold.
Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie
mit eigener Praxis in München
DIE ZAHL DER WOCHE
24,5%
Den Feierabend unbeschwert genießen? Laut einer
Umfrage der Apotheken-Umschau können das nur
wenige. Knapp jeder Vierte (24,5 Prozent) plagt sich
mit Schmerzen im Schulter-Nacken-Bereich, weitere
23,8 Prozent leiden oft an Rückenschmerzen. Gerade
einmal 13,2 Prozent der Befragten fühlen sich nach
der Arbeit noch voller Energie und Tatendrang.
Leserin, 69: Ich habe auf dem Kopf viele Schuppen,
teils bilden sich richtige kleine „Nester“. Der Arzt hat
mir eine Lösung (Triamcinolon 0,05g – Cloderm Liquid
1% LOE 49,95 g) verordnet. Die Schuppen wurden
dadurch noch größer und fettiger. Zudem juckte die
Kopfhaut und bekam rote Flecken. Durch „MomeGalen-Lösung“ wurden die Schuppen kleiner, dafür
juckt die ganze Kopfhaut. Ein erster Pilztest war negativ, ein zweiter steht noch aus. Haben Sie einen Rat?
Kopfschuppen: Was hilft dagegen?
Schuppen gehören zu den häufigen Beschwerden bei
vielen Menschen. Sie können – wie bei Ihnen – sehr
lästig sein. Sie sind nicht nur ästhetisch störend. Auch
der begleitende Juckreiz kann ein Problem sein, das
die Lebensqualität mindert. Die bisherige Therapie,
die Sie bekommen haben, ist an und für sich richtig
gewesen, insofern sollten weitere Untersuchungen
nach möglichen Ursachen erfolgen. Hier wäre die
Abklärung bei einem erfahrenen Hautarzt anzuraten –
oder in spezialisierten Sprechstunden, wie es sie in den
Münchner Kliniken gibt. Da mehrere Krankheiten zu
dem Symptom Kopfschuppung führen können, ist es
besonders wichtig, die genaue Ursache zu finden. Nur
so ist auch eine gezielte Therapie möglich.
Prof. Thomas Ruzicka
Facharzt für Dermatologie und Direktor der
Klinik für Dermatologie und Allergologie der
Ludwig-Maximilians-Universität München
LIEBE LESER
Besten Dank für Ihre vielen Fragen, die Sie uns
geschickt haben. Wir möchten Sie um ein wenig Geduld bitten – es wird etwas dauern, bis Sie zu Ihrem
Anliegen eine Antwort hier, in dieser Rubrik, finden.
Wo verläuft die Grenze
zwischen Spannungskopfschmerzen und Migräne?
Für Spannungskopfschmerzen sind dumpfe, drückende
Schmerzen charakteristisch.
Der Patient empfindet das häufig wie ein einengendes Band
um seinen Schädel, er legt
meist spontan beide Hände auf
den Kopf, wenn er nach typischen Schmerzen gefragt wird.
Bei körperlicher Aktivität zeigt
sich indes oft nur eine geringe
Zunahme der Beschwerden.
Im Gegensatz dazu sind die
Beschwerden bei Migräne
überwiegend halbseitig und
von pochendem, pulsierendem Charakter. Bei der Frage
nach dem Ort der Beschwerden legt der Patient seine Hand
häufig auf ein Auge und die
Schläfe, um zu beschreiben,
wie die Migräne-Attacke sich
zeigt. Er berichtet, dass jede
Bewegung zur Qual wird, nur
der Rückzug in ein abgedunkeltes Zimmer, Entspannung
und Ruhe echte Erleichterung
bringen – und die Kopfschmerzen von Übelkeit, ja bisweilen
Erbrechen, begleitet werden ...
-
Kann man die Schmerzarten stets so streng
auseinanderhalten?
In der Tat verschwimmen die
Angaben zwischen Spannungskopfschmerzen und Migräne bei einigen Patienten insbesondere dann, wenn zu viele
Medikamente für die Behandlung eingesetzt werden und
sich ein „medikamenten-induzierter“ Kopfschmerz entwickelt hat. Für diese Mischung
der Beschwerden, die dann
häufig weder vom Patienten
präzise geschildert, noch vom
Arzt sauber auseinandergehalten werden können, wurden
verschiedene Begriffe geprägt –
wie transformierte Migräne
oder chronische Migräne.
-
Wie geht der Arzt vor?
Die Grenze zwischen beiden
Erkrankungen zieht er bei genauer Analyse des Patienten
über die Zeit und die Charak-
-
Schmerz lass’ nach: So wie dieser jungen Frau geht es vielen in Deutschland – sie leiden an Kopfschmerzen.
teristik seiner Angaben. Es ist
daher extrem wichtig, die
Kopfschmerzform und ihre
Auslöser möglichst genau zu
kennen. Daher sollten Patienten ein Kopfschmerztagebuch
führen, wenn zu Beginn der
Behandlung noch Unsicherheit in der Zuordnung der Beschwerden besteht – oder sich
im Verlauf eine Änderung des
Beschwerdebildes eingestellt
hat. Darin werden Dauer, Intensität, Art der Kopfschmerzen sowie mögliche Auslöser
notiert. Außerdem sollte eingetragen werden, welche Medikamente angewandt wurden –
und ob sie geholfen haben.
Wann sollte man Medikamente einnehmen?
Für die Behandlung verschiedener Kopfschmerzen bestehen Leitlinien der Deutschen
Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft, der DMKG. Wichtig
ist, dass der Patient die Wirkungsweise der Medikamente,
die Dosierung und die zu erwartenden Nebenwirkungen,
sowie den Einsatz-Zeitpunkt,
aber auch die Höchstdosierungen und den maximalen Einsatz pro Monat kennt. Die Einnahme ist immer dann sinnvoll, wenn aus dem Gespräch
mit dem Arzt die Kriterien dafür erreicht sind.
-
Welche Medikamente
sind für welche Schmerzen?
Für
die
Spannungskopfschmerzen sind dies sogenannte Antirheumatika und
für die Migräne ebenfalls –
oder, bei mangelndem Erfolg,
Triptane. Antirheumatika sind
in der Apotheke auch ohne Rezept erhältlich, Triptane werden in aller Regel über ein Rezept ausgegeben. Die Einnah-
-
me der Medikamente ist bei
Beachtung der Warnhinweise
und Einhaltung der Dosierungen in aller Regel ohne Risiken
und ohne langfristige Schäden
möglich. Allerdings könnten
sich bei unkontrollierter Einnahme und Dosisüberschreitung Komplikationen entwickeln, etwa eine Abhängigkeit.
Daher ist eine enge Kontrolle
durch den Patienten und eine
Rücksprache mit einem Arzt
stets nötig. Der kann unter
Umständen auch eine Kopfschmerzprophylaxe einleiten;
hierzu werden ganz andere
Gruppen von Medikamenten
eingesetzt – je nachdem, ob ein
Spannungskopfschmerz oder
eine Migräne vorliegen.
Was kann ich denn
selbst aktiv tun, um Kopfschmerzen vorzubeugen?
Für den Patienten ist es zunächst wichtig, sehr viel über
seine Erkrankung zu wissen:
Er muss lernen, dass er an einer
Krankheit leidet, die ihm häufig auch durch Vererbung mit
in die Wiege gelegt wurde – und
dass Lebensumstände wie
Stress, häusliche oder berufliche Überbelastung zur Verstärkung der Beschwerden oder
zum häufigeren Auftreten führen können. Dadurch kann er
verstehen, warum die Beschwerden sich ändern, mal
stärker, mal milder sein Leben
begleiten. Er muss erkennen,
dass Nikotin, Alkohol, Koffein,
Bewegungsmangel,
Schlafstörungen und Stress
wichtige Ursachen für die Verschlimmerung sein können.
Und: Er muss lernen, diese zu
vermeiden, sich Wege zu suchen, wie er mit seelischer Belastung umgehen kann, welche
Maßnahmen er ergreifen kann,
-
die Auslöser für seine Kopfschmerzen zu vermeiden.
Was zählt noch dazu?
Die Vermeidung von bestimmten Lebensmitteln, wenn man
nachweislich an Unverträglichkeiten leidet, die Kopfschmerzen verstärken. Zudem
sollten Patienten ausreichend
Flüssigkeit zu sich nehmen,
Phasen extremen Hungerns
vermeiden, da dies alle Arten
von Kopfschmerzen auslösen
kann. Ausreichend Schlaf ist
wichtig, Sport treiben und seelischen Ausgleich schaffen –
wie das Pflegen von sozialen
Aktivitäten, Treffen mit Freunden, Kino, Kultur. Wenn alle
diese Bemühungen nicht zum
Erfolg führen, sollte der Patient
mit seinem Arzt über die Teilnahme an einem mehrwöchigen Therapieverfahren der sogenannten
multimodalen
Schmerztherapie
nachdenken. Dort werden alle diese
Dinge vermittelt, zudem die
richtigen Medikamente und eine notwendige Prophylaxe eingesetzt. Hier übt man auch
Verhaltensmaßnahmen – wie
Sport und Entspannung – ein.
-
Wann genau sollte
man zum Arzt gehen?
Immer dann, wenn die Kopfschmerzen in irgendeiner Weise untypisch sind, also eine extreme Heftigkeit erreichen,
plötzlich häufiger oder aus anderen Ursachen auftreten. Zudem wenn sich der Charakter
der Beschwerden verändert
und bei Kopfschmerzen längere Einschränkungen der Leistungsfähigkeit auftreten. Spätestens dann sollte ein Neurologe eingeschaltet werden, der
nach der Analyse der Beschwerden entscheidet, ob es
-
PANTHERMEDIA
sich um ein einfaches Kopfschmerzleiden handelt – oder
ob ein akut behandlungsbedürftiger Notfall vorliegt.
Kann
man
Kopfschmerzen
auch
„verschleppen“ – so wie eine
Erkältung?
Wenn Kopfschmerzen über
längere Zeit unbehandelt bleiben, obwohl die Beschwerden
immer wieder oder dauernd
auftreten, schränkt dies die Lebensqualität und Leistungsfähigkeit nachhaltig ein. Dadurch besteht die Gefahr, dass
der ganze Mensch im Sinne einer psychischen Überbelastung in eine depressive Stimmung gerät – oder andere psychosomatische Beschwerden
entwickelt. Schon lange bevor
dieser Zustand eingetreten ist,
müssen die schützenden Gegenmaßnahme für eine solche
Entwicklung erkannt und umgesetzt werden. Daher sollte
der Patient früh um Beratung
und die Entwicklung eines
langfristigen
Behandlungsplans bei seinem Arzt nachsuchen. Und dann auch nach
Kräften versuchen, eigene Ressourcen für die Umgestaltung
von Belastungen seines Lebens in die Wege zu leiten.
-
Interview: Barbara Nazarewska
Unser Experte:
Prof. Thomas R.
Tölle, Leiter des
Zentrums für
Interdisziplinäre
Schmerzmedizin
(ZIS) am Rechts
der Isar
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