21 Zeitabhängige Ladungs

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21
Zeitabhängige Ladungs- und Stromverteilungen
In den letzten Kapiteln haben wir die elektromagnetischen Wellen als Lösungen der
Maxwell’schen Feldgleichungen im Vakuum kennengelernt. In diesem Kapitel werden
wir uns nun mit der Lösung der Maxwell-Gleichungen bei Anwesenheit von zeitlich
veränderlichen Ladungs- und Stromverteilungen beschäftigen. Anders als bei den
Vakuum-Lösungen werden wir hier auf die elektromagnetischen Potentiale zurückgreifen und aus ihrer Lösung die Felder bestimmen.
21.1
Elektromagnetische Potentiale und Eichtransformationen für
zeitabhängige Felder
Zunächst müssen wir jedoch die Maxwell-Gleichungen noch einmal genauer betrachten, um die Potentiale im Fall zeitabhängiger Felder neu zu definieren.
Die Gleichung
~ =0
divB
behält auch für zeitabhängige Situationen ihre Gültigkeit, so dass wir weiterhin fordern können, dass
~ = rotA.
~
B
Elektrische Felder sind bei Anwesenheit zeitlich veränderlicher Magnetfelder jedoch
nicht mehr rotationsfrei, so dass sie sich nicht länger als Gradient eines skalaren
Potentials darstellen lassen. Betrachten wir daher das Faraday’sche Gesetz etwas
genauer:
~ = 0.
~+ ∂B
rotE
∂t
~ =∇
~ ×A
~ ein, so erhalten wir
Setzen wir hier B
~+
rotE
∂
~ = 0.
rotB
∂t
Vertauschung der partiellen räumlichen und zeitlichen Ableitungen liefert dann
!
~+ ∂A
~ = 0.
rot E
∂t
~ + ∂A
~ rotationsfrei und kann daher
Demnach ist das Vektorfeld in den Klammern, E
∂t
als Gradientenfeld dargestellt werden. Das verallgemeinerte Skalarpotential erfüllt
daher die Gleichung
~ =E
~+ ∂A
~
−∇ϕ
∂t
Entsprechend gilt dann für das elektrische Feld
~ = −∇ϕ
~ − ∂ A.
~
E
∂t
21.2
Eich-Transformationen und die allgemeine Lösung der Elektrodynamik im ganzen Raum
Ersetzen wir in den Maxwell-Gleichungen die Felder durch die Potentiale, so erhalten
wir
!
∂ ~
1
~
~
∇ · −∇ϕ − A = ρ
∂t
0
sowie
!
~ ×A
~ = µ0~j + ∂ −∇ϕ
~ × ∇
~ − ∂A
~ .
∇
∂t
∂t
~ = ∇(div
~
~ − ∆A
~ ergeben sich so die BewegungsgleichunMit der Beziehung rot rotA
A)
gen für die elektromagnetischen Potentiale
∂
~ ·A
~ = −1ρ
∆ϕ + ∂t
∇
0
~ − µ0 0 ∂ 22 A
~−∇
~ ∇
~ ·A
~ + µ0 0 ∂ ϕ = −µ0~j.
∆A
∂t
∂t
Diese Form der Bewegungsgleichungen ist höchst unsymmetrisch und komplex.
Im Fall des Vektorpotentials haben wir bereits gesehen, dass eine gewisse Eichfreiheit besteht dieses Potential festzusetzen. Wenn sich zwei Vektorpotentiale nur um
ein Gradientenfeld unterscheiden, so beschreiben sie (wegen rot(grad~
χ) = 0) dasselbe
Magnetfeld. Eine Umeichung des Vektorpotentials beeinflusst jedoch nach unseren
obigen Betrachtungen das elektrische Feld. Dies kann durch eine gleichzeitige Umeichung des Skalarpotentials neutralisiert werden.
Die elektromagnetischen Felder sind gegenüber Eich-Transformationen
∂
~0 = A
~ + ∇χ
~
A
and ϕ0 = ϕ − χ
∂t
invariant.
Für das Magnetfeld haben wir dies bereits gezeigt, für das elektrische Feld finden
wir
~ 0 = −∇ϕ
~ 0− ∂A
~ 0 = −∇ϕ
~ +∇
~ ∂ χ− ∂ A
~ − ∂ (∇χ)
~
~ − ∂A
~ = E,
~
= −∇ϕ
E
∂t
∂t
∂t
∂t
∂t
d.h. dass auch das elektrische Feld bei Umeichungen gemäß den Eich-Transformationen
invariant bleibt.
21.3
Coulomb-Eichung
Diese Eichinvarianz haben wir bereits in der Magnetostatik ausgenutzt, um eine einfache Form der Differential-Gleichungen für das Vektorpotential zu erhalten. Wir
haben dort die Coulomb-Eichung benutzt, in der das Vektorpotential die Bedingung
~ ·A
~=0
∇
erfüllt. Im Fall der zeitabhängigen Felder führt diese Nebenbedingung (Eichung) zu
den Bewegungsgleichungen in Coulomb-Eichung,
1
∆ϕ = − ρ
0
~ − µ0 0
∆A
∂2 ~
∂ ~
A = −µ0~j + µ0 0 ∇ϕ.
2
∂t
∂t
Dies vereinfacht die Gleichungen aber nur dann in sinnvoller Weise, wenn die rechte
Seite der zweiten Gleichung verschwindet.
21.4
Lorentz-Eichung
Eine Eichung, die für die Probleme der Elektrodynamik besser geeignet ist, wird
durch die Bedingung
~ ·A
~ + µ0 0 ∂ ϕ = 0
∇
∂t
definiert. Mit dieser Nebenbedingung vereinfachen sich die Bewegungsgleichungen
zu
∂2
1
ϕ = − ρ
2
∂t
0
2
~ − µ0 0 ∂ A
~ = −µ0~j,
∆A
∂t2
∆ϕ − µ0 0
Diese inhomogenen Wellengleichungen für die Potentiale haben nun eine
sehr symmetrische Struktur. Darüber hinaus spiegeln sie die höchst erstaunliche
Symmetrie von Ort und Zeit in der Elektrodynamik wider.
21.5
Integraldarstellung der Potentiale
Analog zur freien Lösung der Poisson-Gleichung in der Elektrostatik ist die zeitabhängige Lösung für das Skalarpotential durch
r0 , t − Rc )
1 Z
0 ρ(~
dV
ϕ(~r, t) =
,
4π0
R
~ = |~r − ~r0 | den Abstand zwischen den Raumpunkten ~r und ~r0
gegeben, wobei R = |R|
bezeichnet und c−2 = µ0 0 .
Den Beweis dafür, dass dies tatsächlich eine Lösung der inhomogenen Wellengleichung darstellt, werden wir an dieser Stelle nicht führen. (→ Vorlesung über Klassische Elektrodynamik)
Analog ist das Vektorpotential durch
Z
R
~ 0
~ r, t) = µ0 dV 0 j(~r , t − c )
A(~
4π
R
gegeben.
Interpretation
√
Elektromagnetische Signalen bewegen sich mit der Geschwindigkeit c = 1/ µ0 0 im
Vakuum aus. Das Potential, das von einer Ladung (oder auch von einem Strom) zur
Zeit t0 am Ort ~r0 erzeugt wurde, erreicht einen Beobachter am Ort ~r erst zu einem
späteren Zeitpunkt t = t0 + R/c. Daher “sieht” ein Beobachter zur Zeit t am Ort ~r
eine Überlagerung aller Potentiale, die von (verschiedenen) Quellen erzeugt wurden,
die sich in der Vergangenheit zu Zeiten t0 an Orten ~r0 aufgehalten haben, von denen
aus das Signal (Potential) eine Zeit t − t0 = R/c zum Beobachter unterwegs war.
(Beachte: Das Licht, das wir heute von einem Stern sehen, ist bereits vor langer
Zeit ausgesandt worden. Wir sehen also stets die “Vergangenheit” des Sterns.)
Formal sehen die Ausdrücke für die Potentiale der zeitlich veränderlichen Ladungsund Stromverteilungen denjenigen sehr ähnlich, die wir im statischen Fall gefunden
haben. Man muss aber nun sehr aufmerksam sein und die Ströme und Ladungen zu
den retardierten Zeiten in das Integral einzusetzen. Das wirkt sich auch auf die
Lösungen für die Felder aus:
Das elektrische Feld erhalten wir aus
~ = −∇ϕ
~ − ∂ A.
~
E
∂t
Beachte, dass die Variable ~r sowohl im Nenner des Integranden als auch in der
retardierten Zeit auftritt. Daher gilt:
~
∇ϕ
=
1 Z
|~r − ~r0 | ~
1
dV 0 ρ(~r0 , t −
)∇
4π0
c
|~r − ~r0 |
Z
1
1
|~r − ~r0 |
∂
1~
0
0
0
+
dV
ρ(~r , t −
) − ∇|~r − ~r | .
4π0
|~r − ~r0 | ∂t
c
c
Daraus ergibt sich das elektrische Feld zu
~ r, t) =
E(~
1
4π0
˙
ρ(~r , tr ) ~ ρ̇(~r , tr ) ~ ~j(~r0 , tr ) 

R+
R−
,
R3
cR2
c2 R

Z
dV 0
0

0
~ = ~r − ~r0 und tr = t − R/c benutzt wurden. Dieser Ausdruck
wobei die Abkürzungen R
stellt die Modifikation des Coulomb’schen Gesetzes bei Anwesenheit von
zeitabhängigen Strömen und Ladungen dar.
Für das magnetische Feld erhält man die zeitabhängige Verallgemeinerung
des Biot-Savart-Gesetzes,
Z
~˙ 0
~ 0
~
~ r, t) = µ0 dV 0  j(~r , tr ) + j(~r , tr )  × R̂.
B(~
4π
R2
cR


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