Gedenkstätte Plötzensee - Gedenkstätte Deutscher Widerstand

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Gedenkstätte
Plötzensee
Brigitte Oleschinski
Gedenkstätte
Plötzensee
Herausgegeben von der
Gedenkstätte
Deutscher Widerstand
Berlin
Luftaufnahme, vor 1945
Plötzensee:
Ort der Opfer – Ort der Täter
»An dieser Stelle sind in den Jahren der Hitlerdiktatur
von 1933 bis 1945 Hunderte von Menschen
wegen ihres Kampfes gegen die Diktatur
für die Menschenrechte und politische Freiheit durch
Justizmord ums Leben gekommen. Unter diesen
befanden sich Angehörige aller Gesellschaftsschichten
und fast aller Nationen.
Berlin ehrt durch diese Gedenkstätte
die Millionen Opfer des Dritten Reiches, die
wegen ihrer politischen Überzeugung, ihres
religiösen Bekenntnisses oder ihrer rassischen
Abstammung diffamiert, mißhandelt
ihrer Freiheit beraubt oder ermordet worden sind.«
Gebäude der Richtstätte,
1965
Oben rechts:
Gedenkmauer und Urne
mit Erde aus ehemaligen
Konzentrationslagern
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© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
»Normalerweise kam der Henker zweimal in der Woche. Er hieß
Roettger. Er schlich mehr als er ging. Immer trug er eine dreiviertellange Joppe. Was mochte in ihm vorgehen? Tausende hatte er
hingerichtet. Unschuldige. Für jeden Kopf hatte er 80 Mark Prämie kassiert. Und Sonderrationen Zigaretten. Immer hatte er eine
Zigarette im Mund. Seine Helfer waren große und starke Männer.
Sie mußten die auf dem Rücken gefesselten Opfer auf das Schafott befördern!
Kein Gedenken
ohne Fragen
Zwei Wachtmeister führten die Todeskandidaten von der Zelle
zum Hinrichtungsschuppen! Dafür gab es für jeden acht Zigaretten. [...] Im Todeshaus wirkte als Vorsteher ein Mann namens Appelt. die Gefangenen nannten ihn den Fuchs. Er liebte es, plötzlich aufzutauchen, die Fesseln zu kontrollieren. Er lag stets auf
der Lauer.«
Was bleibt sichtbar? – Nicht viel. Ein langer breiter Gang mündet
auf einen Hof, in dessen Mitte eine graue Mauer aufragt, die als
Mahnmal »Den Opfern der Hitlerdiktatur 1933–1945« gewidmet
ist. Dahinter verborgen liegt ein roter Ziegelschuppen, unterteilt
in zwei Räume; im kahlen Inneren des einen zieht sich ein eiserner Träger mit fünf Haken von Wand zu Wand.
Das ist alles, was von der einstigen Hinrichtungsstätte des Strafgefängnisses Berlin-Plötzensee übriggeblieben ist. Erst wer sich
erklären läßt, was hier geschah, wird das Grauen nachempfinden
können, das diesen Ort geprägt hat. In dem unscheinbaren
Schuppen wurden zwischen 1933 und 1945 über zweitausendachthundert Menschen ermordet. Sie starben durch die Guillotine
oder durch den Strang. Viele von ihnen waren politische Gegner
der nationalsozialistischen Diktatur. Sie wurden vom Volksgerichtshof und von anderen Gerichten zum Tode verurteilt, weil sie
sich dem Regime widersetzt hatten. Manche gehörten zu kommunistischen Widerstandsgruppen, andere zählten zu den oppositionellen Netzen der Harnack/Schulze-Boysen-Organisation, des Kreisauer Kreises und der Verschwörung vom 20. Juli
1944. Aber es gab auch andere Opfer, die von der deutschen Justiz wegen kleinster Delikte hingerichtet wurden, und viele ausländische Gefangene aus den besetzten Ländern Europas, die
hier sterben mußten.
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© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Das Berliner Strafgefängnis am Plötzensee wurde in den Jahren
1869 bis 1879 gebaut. Die unverputzten Backsteingebäude gehörten zu einem über fünfundzwanzig Hektar großen Areal und
waren von einer sechs Meter hohen Mauer umgeben. Außerhalb
der Ummauerung lagen die Dienstwohnungen der Beamten. Innerhalb gab es fünf dreigeschossige Zellenhäuser, die rund tausendvierhundert Gefangene aufnehmen konnten. Die Bauweise
entsprach dem sogenannten panoptischen System, bei dem die
in der Mitte offenen Geschoßdecken und eine kreuzförmige Anlage der Zellenflügel für Übersichtlichkeit sorgen sollten. Zusammen mit den Arbeitsbetrieben, der Anstaltskirche und den ummauerten Innenhöfen bildeten die Zellenhäuser eine in sich abgeschlossene Welt. Sie war immer schon von unerbittlicher Kontrolle und Disziplin in der Tradition des preußischen Militärs bestimmt. Was hinter den hohen Mauern von Plötzensee geschah,
machten sich nur wenige Menschen »draußen« bewußt.
Haupteingang der
Strafanstalt Plötzensee,
1950
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© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Unter dem nationalsozialistischen Regime entwickelte sich - neben dem neugeschaffenenen System der Konzentrationslager,
das nicht der Justiz unterstand - auch der herkömmliche Strafvollzug zu einem politischen Instrument der Unterdrückung und
Ausgrenzung von sogenannten Volksfeinden. Ständige Überbelegung, militärischer Drill und mangelhafte Ernährung prägten
den Alltag in den Zuchthäusern und Gefängnissen des Dritten
Reiches. Aber die Leiden der Gefangenen fanden in der gleichgeschalteten Öffentlichkeit keinen Widerhall. Dazu trug nicht nur
die gezielte Propaganda bei, durch die die Gefängnisinsassen
von den Nationalsozialisten pauschal als »Gemeinschaftsfremde« und »Berufsverbrecher« diffamiert wurden. Viele Menschen hatten ohnehin tiefsitzende Vorurteile gegenüber Gefangenen und glaubten unbesehen, daß sie eine harte Behandlung
verdienten. Auch die nach der Reichsverfassung unabhängigen
Richter konnten oder wollten politische Gegner nicht vor dem Zugriff der staatlichen Verfolgung schützten. Drakonische Strafen
und die bewußte Gleichsetzung von kriminellen und politischen
Delikten wurden zur Regel. Immer häufiger und immer bedenkenloser verhängten die deutschen Gerichte die Todesstrafe. Die
Zahl der Todesurteile stieg von 1933 bis zum Kriegsende auf mindestens 16.560, von denen bis April 1945 über zwölftausend vollstreckt waren. Ein Viertel der Hinrichtungen fand in Plötzensee statt.
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Geländeplan der
Strafanstalt Plötzensee;
»Lagerschuppenrechts von »Gefängnis III«:
Gebäude der Richtstätte,
um 1935
© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Urne mit Erde aus
Konzentrationslagern zum
Gedächtnis an die Opfer,
1956
Zu den Ermordeten zählten Menschen aller sozialen Schichten
und politischen Richtungen, deren Absichten, Taten und Wünsche nicht in das nationalsozialistische System paßten. Von vielen kennen wir aus der Hinrichtungskartei kaum mehr als die Namen. Der gleichförmige Tod durch Enthaupten oder Erhängen
bildete den schrecklichen Schlußpunkt einer unerbittlichen, gefühllosen Prozedur. Sie war bis in die letzten Einzelheiten durch
Verordnungen geregelt und wurde mit der steigenden Zahl der
Hinrichtungen immer weiter »rationalisiert«. So wurden nach
Bombenangriffen im September 1943 in einer einzigen Nacht
hundertsechsundachtzig Gefangene erhängt, um ihr Entkommen aus dem halb zerstörten Gefängnis zu verhindern. (Dokumente Seite 56 bis 63.) Und ein knappes Jahr später starben hier,
neben zahlreichen anderen Opfern, die Beteiligten und Mitwisser des gescheiterten Attentats vom 20. Juli 1944, deren qualvolles Sterben Hitler eigens von Kameraleuten filmen ließ.
Im und um den ehemaligen Hinrichtungsschuppen befindet sich
heute die Gedenkstätte Plötzensee. Sie liegt mitten zwischen
den modernisierten Vollzugsanstalten der Berliner Justizverwaltung. Die im Krieg teilweise zerstörten Gefängnisbauten wurden
abgetragen - unter ihnen das Haus III, in dem die Todeskandidaten die letzten Stunden vor der Hinrichtung verbrachten – oder instandgesetzt, und später moderne Neubauten hinzugefügt.
Erste Pläne, in Plötzensee eine Gedächtnisstätte und ein Mahnmal einzurichten, entstanden im Sommer 1946 als der Hauptausschuß Opfer des Faschismus beim Magistrat der Stadt Berlin
hierfür einen Wettbewerb auslobte. Die Entwürfe wurden zwar im
Februar 1947 im Weißen Saal des Berliner Schlosses ausgestellt,
doch keiner von ihnen verwirklicht. Erst 1951 wurde der Hinrichtungsschuppen und das ihn umgebende Gelände von der Strafanstalt abgetrennt und als stiller Ort der Erinnerung in eine Gedenkstätte umgewandelt. Ein schmiedeeisernes Eingangsportal
am Hüttigpfad, das zwei hohe Steinpfeiler flankieren, eröffnet einen langgestreckten Zugang zu dem um drei Stufen erhöhten Hof
mit einer Gedenkmauer aus Steinquadern, die die Inschrift »Den
Opfern der Hitlerdiktatur der Jahre 1933–1945« trägt. Hinter ihr liegt
das Gebäude der Richtstätte. Im Nordwesten des Hofes steht eine
große steinerne Urne mit der Inschrift »Den Opfern der Konzentrationslager in ehrendem Andenken gewidmet«. Das Gebäude
selbst, ein eingeschossiger Ziegelbau mit flachgeneigtem Satteldach, enthält zwei Räume. Im nördlichen fanden die Hinrichtungen
statt; er ist heute Gedenkraum. Im Raum daneben wird die Praxis
der nationalsozialistischen Justiz dokumentiert. Am 14. September
1952 wurde die Anlage eingeweiht.
Es ist unumgänglich, am historischen Ort des zentralen Hinrichtungsgefängnisses Plötzensee an alle von der nationalsozialistischen Justiz Ermordeten zu erinnern. Dabei dürfen freilich die
tiefgreifenden Unterschiede zwischen den Absichten und Taten
der Opfer nicht verschleiert werden. Weder ihre vielfältigen, oft
kaum miteinander zu vereinbarenden politischen Ziele noch die
nach Zeitpunkt und Richtung unterschiedliche Verfolgung durch
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© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
das nationalsozialistische Regime erlauben einfache Gleichsetzungen. Damals wie heute rufen die Schicksale der einzelnen in
den oppositionellen Kreisen und geheimen Netzen des Widerstands beklemmende Fragen nach der Reichweite von politischem Engagement und persönlicher Verantwortung wach. In
zahllosen Facetten spiegeln sich darin die gewundenen Wege
der deutschen Gesellschaft in und durch die nationalsozialistische Diktatur, unter der Anpassung und Widerstand, Zustimmung und Verweigerung, Fahrlässigkeit und Ohnmacht oft dicht
beieinanderlagen.
Rund fünfzig Jahre nach Kriegsende wird mit Mahnmalen und
Gedenkstätten an zahlreichen Orten in Deutschland der Opfer
des Nationalsozialismus gedacht. Doch je größer der historische
Abstand wird, desto schemenhafter erscheint den meisten die
Katastrophe des Dritten Reiches. Immer mehr Menschen bezweifeln die Notwendigkeit, sich noch nach Jahrzehnten an die
millionenfachen deutschen Verbrechen in ganz Europa zu erinnern. Sie wollen nicht länger mit einer Vergangenheit identifiziert
werden, die durch die Nachkriegsentwicklung in den beiden
deutschen Teilstaaten überholt und abgegolten scheint.
Gebäude der Richtstätte,
im Hintergrund
das zerstörte Haus III,
um 1950
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© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Doch die Schrecken des nationalsozialistischen Terrors wirken
inner- und außerhalb der Bundesrepublik bis heute nach. Noch
immer ist die Gegenwart der europäischen Nachbarn von den
Narben des Zweiten Weltkrieges gezeichnet. Noch immer können wir in der eigenen Familie, der eigenen Stadt, dem eigenen
Land die Verstrickungen in Schuld und Versagen spüren. Überall in Deutschland finden sich gestern wie heute - neben der obligatorischen Ablehnung der nationalsozialistischen Verbrechen die Spuren heimlichen Einverständnisses und gedankenloser
Traditionspflege. Hierzu gehört auch der gespenstische Rückfall
in einen militanten Fremdenhaß und Antisemitismus.
Ohne Zweifel verurteilt die Mehrzahl der Deutschen heute die
staatliche Verfolgung politischer Gegner und ethnischer Minderheiten, wie sie seinerzeit das nationalsozialistische Regime praktiziert hat. Doch allzu selten ist damit die Einsicht verbunden, daß
das nationalsozialistische System inmitten der deutschen Gesellschaft der Weimarer Republik entstehen konnte. Es fiel nicht
vom Himmel, sondern entwickelte sich schrittweise aus politischen Fehlentscheidungen und nationalen Illusionen in einer
Zeit drückender sozialer Schwierigkeiten. Die Täter und die Nutznießer, die Mitläufer und die Zuschauer kamen aus denselben
Straßen und Städten, aus denen auch ihre ersten Opfer stammten. Von Anfang an bedienten sich die Nationalsozialisten nicht
nur der rohen Gewalt gegen Andersdenkende, sondern nutzten
zugleich die juristischen und bürokratischen Mittel eines autoritären, politisch einäugigen Rechts- und Verwaltungsstaates. Unter diesem Aspekt ist die Gedenkstätte Plötzensee nicht nur ein
Ort der Erinnerung an die Opfer. In den Schicksalen der hier Ermordeten werden auch die Verfahrensweisen der Täter in den
Amtsstuben und Gerichtssälen sichtbar. Es waren Richter und
Staatsanwälte, Ministerial- und Justizbeamte, Henker und ihre
Gehilfen, die Recht und Gesetz aus jeder Bindung an Menschenwürde, Freiheit und Demokratie herauslösten und in den Dienst
der nationalsozialistischen Machthaber stellten. Auch davon
muß die Rede sein, wenn wir der Opfer gedenken.
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© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Als Adolf Hitler im Januar 1933 zum Reichskanzler einer Koalitionsregierung ernannt wurde, bestand das demokratische System der Weimarer Republik noch. Zwar waren die parlamentarischen Regeln durch Notverordnungen und geheime Absprachen
der nationalkonservativen Parteien weitgehend außer Kraft gesetzt worden. Doch die NSDAP verfügte über keine parlamentarische Mehrheit und hatte kaum Einfluß in den staatlichen Verwaltungen. Erst eine verhängnisvolle Wechselwirkung zwischen
dem geduldeten Terror der »braunen Bataillone« und der freiwilligen »Gleichschaltung« in vielen Institutionen brachte die Nationalsozialisten endgültig an die Macht. Daran waren neben Politikern und Militärs auch Juristen und Verwaltungsfachleute maßgeblich beteiligt. Sie erst schufen, duldeten und handhabten jenes »nationalsozialistische Recht«, das Deutschland in eine tödliche Falle für alle diejenigen verwandelte, die eine falsche Gesinnung aufwiesen oder einer unerwünschten Rasse angehörten.
Die Strafjustiz im
Nationalsozialismus
Von Anfang an hatte dieses »nationalsozialistische Recht« mit
traditioneller Rechtsstaatlichkeit nichts gemein. Die neuen Gesetze beriefen sich nicht mehr auf die Reichsverfassung und besaßen keine parlamentarische Legitimation, sondern fußten auf
Rechtsquellen wie dem »Willen des Führers« oder der »nationalsozialistischen Weltanschauung«. Die sogenannten deutschen
Rechtswahrer setzten ihre Erlasse und Verordnungen als Waffe
gegen Andersdenkende, »Fremdvölkische« und politische Gegner ein. Sie forderten eine vollständige Abkehr vom »liberalistischen« Weimarer Verfassungsstaat: »Die ganze Vorstellungswelt der Grundrechte, der Entgegensetzung von Individuum und
Staat, der Idee eines ursprünglichen und unverletzlichen Freiheitsbereiches der Einzelperson [...] widerspricht der nationalsozialistischen Auffassung grundsätzlich.« Folgerichtig sollte
das nationalsozialistische Recht einzig dazu dienen, die »konkrete völkische Gemeinschaftsordnung zu wahren, Schädlinge
auszumerzen, gemeinschaftswidriges Verhalten zu ahnden und
Streit unter Gemeinschaftsmitgliedern zu schlichten«.
Die Umgestaltung der bereits schwer angeschlagenen Weimarer
Demokratie in eine Diktatur vollzog sich 1933 in den Bahnen einer »legalen Revolution«. Gesetzlichkeit und Terror griffen auf
unheilvolle Weise ineinander. Obwohl damit Geist und Buchstaben der Reichsverfassung verletzt wurden, stimmten die im
Reichstag noch vertretenen Parteien - mit Ausnahme der SPD am 24. März 1933 dem »Gesetz zur Behebung der Not von Volk
und Reich« zu. Die Mandate der KPD waren bereits für ungültig
erklärt und zahlreiche kommunistische Abgeordnete in Haft genommen worden. Dieses »Ermächtigungsgesetz« übertrug der
Regierung das Recht der Gesetzgebung ohne parlamentarische
Bestätigung. Damit war eine »Brücke vom alten zum neuen
Staat« geschaffen, die der Rechtsphilosoph Carl Schmitt 1934
offen begrüßte: »Es war von großer praktischer Bedeutung, daß
dieser Übergang legal erfolgte. Denn [...] die Legalität [ist] ein
Funktionsmodus des staatlichen Beamten- und Behördenapparates und insofern von politischer und juristischer Bedeutung.«
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© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Das »Ermächtigungsgesetz« setzte die republikanische Grundrechtsordung, die schon durch die »Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat« vom 28. Februar 1933
suspendiert war, außer Kraft. Die Freiheit der Person, das Recht
auf Meinungsäußerung und andere Grundrechte galten nicht
mehr. Eine beispiellose Verhaftungs- und Verfolgungswelle gegen Kommunisten, Sozialisten, Juden, Sozialdemokraten, Gewerkschafter und andere mißliebige Personen, unter denen sich
auch gewählte Politiker und Abgeordnete befanden, begann. An
vielen Orten wurden SA-Schlägertrupps offiziell zu Hilfspolizisten
gemacht. Sie verschleppten, mißhandelten und ermordeten ihre
Opfer, ohne bei Polizei und Justiz auf nennenswerten Widerstand
zu stoßen. Die Justiz reagierte nur, wenn ihre eigenen Belange
berührt wurden. So empörten sich 1933 zwar einige Gerichtspräsidenten, als die SA in Gerichtsgebäuden jüdische Richter und
Anwälte überfiel. Doch als das »Gesetz zur Wiederherstellung
des Berufsbeamtentums« vom 7. April 1933 die Entlassung der
jüdischen Beamten vorschrieb, rührte sich dagegen kein Protest
mehr.
Wie ein Großteil der deutschen Bevölkerung fühlten sich auch die
Justiz- und Verwaltungsbeamten mitgerissen von der »nationalen Erhebung«. Eine weit verbreitete staatsgläubige Haltung
beeinträchtigte vielfach die Fähigkeit der Menschen zu Kritik.
Zwar wich das nationalsozialistische Rechtsdenken von der hergebrachten Berufsauffassung ab. Doch die meisten Beamten
fügten sich ohne Bedauern der neuen Rechtsordnung. Die wenigsten von ihnen waren darin geübt, Zivilcourage zu zeigen. Je
deutlicher sich abzeichnete, daß in Zukunft der berufliche Aufstieg von der »bedingungslosen Gefolgschaft« für den »Führer«
abhängen sollte, desto häufiger wählten sie den Weg der Anpassung, ja den des »vorauseilenden Gehorsams«. Bestärkt wurden
sie darin durch das »Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei
und Staat« vom 1. Dezember 1933, das die traditionelle Staatstreue der Beamtenschaft ganz in den Dienst der NSDAP stellte:
»Nach dem Sieg der nationalsozialistischen Revolution«, heißt
es im Paragraph 1, »ist die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei die Trägerin des deutschen Staatsgedankens und
mit dem Staat unlöslich verbunden.«
Eine besondere Rolle bei der Durchsetzung und Festigung der
nationalsozialistischen Diktatur spielte die Strafjustiz. Dabei
überschnitten sich langfristige Entwicklungslinien in Strafrecht
und Strafvollzug mit den neuen Instrumenten des nationalsozialistischen Polizeirechts. Bezeichnend waren dafür die Schutzhaftverordnungen der Innenministerien der Länder. Danach konnten
beliebige Menschen von der Geheimen Staatspolizei ohne gerichtliche Anordnung und Kontrolle auf unbestimmte Zeit in Konzentrationslagern und Haftanstalten gefangengehalten werden.
Für diese Opfer versagten die rechtsstaatlichen Bindungen der
Justiz von Anfang an. Weder Gerichte noch Justizverwaltungen
vermochten die politische Polizei oder SA und SS in die Schranken zu verweisen. Statt dessen bemühten sich die leitenden Beamten des Reichsjustizministeriums sogar, politische Gegner
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und Andersdenkende durch ein neues Gesinnungsstrafrecht zu
Fall zu bringen, um damit ihren Einfluß auf die Bekämpfung von
»Volksfeinden« zu erhöhen. So zählte bei der Strafzumessung
häufig nicht mehr das tatsächliche Ergebnis einer Tat, das heißt
der eingetretene Schaden, sondern der »verbrecherische
Wille«, der sich im Versuch oder der bloßen Absicht der Tat ausdrücken konnte. Ebenso wurden politische Motive für ein- und
denselben Straftatbestand als strafverschärfend gewertet.
In Konkurrenz zur Gestapo und den Konzentrationslagern wurden seit April 1933 in allen Oberlandesgerichtsbezirken Sondergerichte geschaffen. Ein Jahr später kam der Volksgerichtshof
hinzu, der wie die Sondergerichte politische Delikte verfolgte.
Hier wurde erstmals die später auch an anderen Gerichten geübte Einschränkung prozessualer Rechte der Angeklagten und
ihrer Verteidiger institutionalisiert. Vor den Sondergerichten entfielen die gerichtliche Voruntersuchung und die Pflicht, dem
Angeklagten die Anklageschrift zuzustellen. Die Richter wurden
ermächtigt, entlastende Beweisangebote für den Angeklagten
zurückzuweisen. Seit 1935 konnten die zugunsten des Angeklagten eingelegten Rechtsmittel auch dazu führen, daß der Angeklagte zu einer härteren Strafe als vorher verurteilt wurde. Ab
1939 gab es darüber hinaus die Möglichkeit, zu »milde« Urteile
durch den »außerordentlichen Einspruch« der politischen Exekutive zu kassieren und eine Nachverhandlung zur Verhängung
eines höheren Strafmaßes anzuordnen.
Doch es ging nicht nur um die von ideologischer Willkür bestimmte Ahndung politischer Gesinnungen. Auch für andere
Gefangene änderten sich seit 1933 die Verhältnisse in den
Zuchthäusern und Gefängnissen, die den Justizverwaltungen
unterstanden. Während in der Weimarer Republik eine lebhafte
Diskussion um die Reform des Strafvollzugs stattfand, in der
vor allem nach Wegen zur Resozialisierung und Besserung von
Strafgefangenen gefragt wurde, setzten die Nationalsozialisten
ganz auf die publikumswirksame Härte von Abschreckung,
Sühne und Vergeltung. Doch der Meinung, im Dritten Reich sei
durch rigorose Strafen die Kriminalität deutlich gesunken, widersprechen die Statistiken. Sie zeigen, daß die Abnahme nur für
wenige Delikte galt. Viel bedeutsamer war offenbar, daß die
Berichterstattung über Verbrechen eingeschränkt und nach politischen Kriterien gelenkt wurde. So prägen geschönte Bilder die
Erinnerung der Zeitgenossen.
Der Alltag in den Haftanstalten des Dritten Reiches war von drakonischer Strenge bestimmt. Für die Gefangenen begann mit Hitlers Machtantritt eine qualvolle Zeit. Zwar gab es in den Gefängnissen und Zuchthäusern keine ständigen Mißhandlungen und
Ermordungen wie in den Konzentrationslagern, doch schufen
verschärfte Arrestregeln, ungenießbares Essen, militärischer
Drill in den Freistunden, mangelnde Hygiene und vielfältige Schikanen in den überbelegten Anstalten unerträgliche Verhältnisse.
Im Strafvollzug blieb ein Teil der früheren Vollzugsvorschriften in
Kraft. Auch die Beamten wurden zum großen Teil aus der Weima13
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rer Republik übernommen. Viele von ihnen ließen jedoch die politischen Gefangenen besondere Härte spüren. Nur ein geringer
Teil der Gefangenen galt den Nationalsozialisten als »besserungsfähig« und sollte nach Verbüßung seiner Strafe in die
»Volksgemeinschaft« zurückkehren dürfen. Die meisten Gefangenen, unter ihnen vor allem die politischen Verurteilten und
»Gewohnheitsverbrecher«, auch »Asoziale«, hatten nach der
Entlassung aus der Haft weitere Repressalien zu fürchten. Ihre
überwiegende Zahl wurde anschließend in Konzentrationslager
verschleppt und später auch als »Sicherungsverwahrte« bei den
Mordaktionen an Kranken in Heil- und Pflegeanstalten getötet.
Gang mit den Gefängniszellen
in Plötzensee
Die tatsächlichen Verhältnisse in den Strafanstalten verschärften
sich mit Beginn des Zweiten Weltkriegs noch einmal deutlich.
Zwölfstündige Arbeitszeiten, zusätzliches militärisches Exerzieren und eine noch mangelhaftere Ernährung gehörten bald zum
Üblichen. Die systematische Eskalation des Tötens an den Fronten stumpfte auch das Gefängnispersonal im Inland ab. Unter
dem Druck der Kriegswirtschaft entwickelte sich in den Haftanstalten eine immer schärfere Selektion der Gefangenen. Nur ein
Teil erhielt überhaupt noch eine Chance zum Überleben. Viele
andere wurden bewußt der Vernichtung durch Hunger, Krankheit
und Überanstrengung preisgegeben. Gleichzeitig mit der Einrichtung von Vernichtungslagern in den besetzten Ländern des
Ostens und den Massenmorden an vielen Orten Europas weitete
sich auch im Inneren Deutschlands der nationalsozialistische
Terror aus. In den staatlichen Verwaltungen ging das Verständnis dafür verloren, daß die permanent erweiterten »Maßnahmen«
im In- und Ausland Hunderttausende von Menschen das Leben
kosteten. Die Opfer galten in den Augen der Beamten nichts.
Sie waren »Juden«, »Marxisten«, »Ausländer«, »Parasiten«,
»Staatsfeinde«, »Volksschädlinge«. Immer bedenkenlosere Vorschriften beschleunigten ihre physische Ausgrenzung und Vernichtung. Daran beteiligte sich der gesamte Justizapparat. Allein
in den Kriegsjahren wurden in Deutschland von den zivilen Strafgerichten mindestens fünfzehntausendachthundertundsechzig
Todesurteile gefällt. Doch diese Verbrechen verübten nicht SS
und Gestapo. Es waren Juristen und Justizbeamte, deren Handeln nach dem Krieg in der Bundesrepublik ungebrochen als
rechtmäßig galt. Nahezu unbekannt blieben auch die über dreißigtausend Todesurteile, die von den Wehrmachtgerichten gegen Militärangehörige verhängt wurden. Hinzu kamen die zahllosen Morde von SS und Gestapo in den Konzentrationslagern und
polizeilichen Gewahrsamen, die bis heute nicht beziffert werden
können.
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© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
»Man muß also sehen - das muß durch Belehrung geschehen
und durch einen Eingriff der obersten Justizbehörden -, daß man
die Nation in Kenntnis setzt davon, daß der Staat entschlossen
ist, mit den barbarischsten Mitteln jeden Versuch der Störung
auszulöschen, wobei man immer die zwangsläufige Geringschätzung des menschlichen Lebens an der Front und die Überschätzung des Lebens der schlechten Elemente als eine gegebenheit vor Augen haben muß, die eine Gesamtgefahr bedeutet:
Der Richter ist der Träger der völkischen Selbsterhaltung. [...]
Wenn ich auf der anderen Seite nicht rücksichtslos das Geschmeiß ausrotte, dann tritt eines Tages eine Krise ein. [...] Es
gibt gewisse Gesinnungsverbrechen, damit scheidet ein Mensch
aus der Volksgemeinschaft aus. [...] Ausrotten muß man den Gedanken, der Richter sei dazu da, ein Recht zu sprechen, selbst
auf die Gefahr hin, daß darüber die Welt zugrunde geht.«
Hinrichtungen in
Plötzensee
Plötzensee ist der Ort, an dem diese Drohungen Hitlers verwirklicht wurden, die er in einem Tischgespräch am 20. August 1942
gegenüber seinem Reichsjustizminister ausstieß.
Zu einer der schlimmsten Waffen der Justiz unter dem Nationalsozialismus entwickelte sich die Todesstrafe. Zwar gab es die
Todesstrafe in Deutschland schon, bevor die Nationalsozialisten
1933 die Macht übernahmen, doch wurde sie seit Mitte des 19.
Jahrhunderts restriktiv gehandhabt und in der Regel nur wegen
Mordtaten verhängt. In den vierzehn Jahren der Weimarer Republik wurden im Deutschen Reich tausendeinhunderteinundvierzig Todesurteile ausgesprochen, von denen hundertvierundachtzig tatsächlich vollstreckt wurden. Damals bezweifelten
bedeutende Fachleute allerdings die ethische Zulässigkeit und
den kriminalpolitischen Nutzen der Todesstrafe. Sie forderten,
sie abzuschaffen. Publikumswirksam verlangten hingegen Nationalsozialisten wie Alfred Rosenberg oder Roland Freisler das uneingeschränkte Recht des Staates, mit »Strick und Galgen« eine
politische »Säuberung« vorzunehmen und so in der Gesellschaft
eine »Aussonderung fremder Typen und artfremden Wesens«
durchzusetzen. Dafür fand die NSDAP breite Zustimmung bei
den Wählern. Als Hitler im Januar 1933 an die Macht kam, wurde
die Todesstrafe ein bevorzugtes Mittel, um staatliche Härte zu
demonstrieren und mit politischen Gegnern abzurechnen.
In der »Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk
und Staat« vom 28. Februar 1933, die der nationalsozialistischen
Regierung erstmals freie Hand für die diktatorische Umgestaltung des öffentlichen Lebens verschaffte, wurden unverzüglich
neue Straftatbestände mit dem Tode bedroht, so vor allem Hochverrat, Brandstiftung und Sabotage. Einen Monat später folgte
ein Gesetz, das neben der Hinrichtung durch das Handbeil die
Vollstreckung von Todesurteilen durch Erhängen gestattete. Es
erlaubte außerdem die rückwirkende Anwendung dieser Bestimmung und verletzte damit einen der zentralen Grundsätze eines
jeden Rechtsstaates. Zur selben Zeit begann die Einrichtung von
Sondergerichten, die zunächst für die Ahndung politischer
Delikte nach dem »Heimtückegesetz« vom 20. Dezember 1934
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© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Kirche der Strafanstalt und
Gebäude der Richtstätte (links),
im Vordergrund das zerstörte
Haus III, das »Totenhaus«,
nach 1945
zuständig waren. Damit wurden Angriffe gegen die NSDAP vom
politischen Witz bis zum Mißbrauch der Uniform unter schwere
Strafen gestellt. Die Sondergerichte und der im Mai 1934 eingerichtete Volksgerichtshof konnten Todesurteile aussprechen.
Aber auch für andere Straftaten wurde in neuen Verordnungen
und Gesetzen zunehmend die Todesstrafe angedroht oder zwingend vorgeschrieben.
Von den ersten Maßnahmen der NSDAP zur Vereinnahmung der
Justizverwaltungen und der Gerichte bis zu den staatlichen Massenhinrichtungen der Jahre 1943 und 1944 führte allerdings ein
langer Weg. Bei demVersuch, mit der Zahl der Todesurteile auch
die Zahl der Vollstreckungen zu erhöhen, gab es zunächst praktische Schwierigkeiten. Im ganzen Reich fehlte es an festen Hinrichtungsstätten. Viele Monate brachten deshalb die Beamten
der Justizverwaltungen damit zu, die Vollstreckungsverfahren in
anderen Staaten zu studieren und sich ein Bild von alten und
neuen Hinrichtungsmethoden zu machen. So dauerte es bis zu
einer einheitlichen Regelung des Vollstreckungsvorgangs, an
der dem Reichsjustizministerium besonders lag, zweieinhalb
Jahre. Im Oktober 1935 bestimmte schließlich eine Rundverfügung des Reichsministers der Justiz Franz Gürtner den Vollzug
der Todesstrafe für das gesamte Reichsgebiet nach ein- und
demselben Muster. Allerdings zählte das Berliner Strafgefängnis
Plötzensee schon vorher zu den Hinrichtungsstätten des Dritten
Reiches. Erstmals 1933 vollstreckte hier in einem Hof der Scharfrichter mit dem Handbeil die Todesurteile an vier Raubmördern.
Insgesamt wurden 1933 in Deutschland vierundsechzig Todesurteile vollstreckt (davon vier in Plötzensee), 1934 waren es
neunundsiebzig (davon zwölf in Plötzensee) und 1935 bereits
vierundneunzig (davon zwanzig in Plötzensee).
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© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
In der Regel fanden Vollstreckungen in Plötzensee wie in anderen Hinrichtungsstätten am frühen Morgen statt. Die bevorstehende Hinrichtung mußte den Verurteilten am Abend vorher von
einem Staatsanwalt im Beisein von weiteren Beamten mitgeteilt
und darüber ein Protokoll angefertigt werden. Danach wurden
die Todeskandidaten in einem besonderen Flügel des Hauses III,
dem »Totenhaus«, streng bewacht, später auch gefesselt, und
erhielten nur noch den Besuch ihres Anwalts und des Anstaltsgeistlichen. Bei Tagesanbruch führten Gefängnisbeamte die Gefangenen einzeln, mit auf dem Rücken gefesselten Händen, in
den Hinrichtungsschuppen unmittelbar neben dem Haus III. Dort
wurde vor den Anwesenden das Urteil verlesen und dem Geistlichen Gelegenheit für ein kurzes Gebet gegeben. Danach ergriffen die Gehilfen des Scharfrichters das Opfer, und der Henker tat
seine Arbeit. Die eigentliche Enthauptung dauerte nur wenige
Sekunden. Anschließend wurde wieder ein Protokoll aufgesetzt
und der Leichnam dem Anatomisch-Biologischen Institut der
Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität übergeben.
Dieses Verfahren wurde in den folgenden Jahren erheblich verkürzt und vereinfacht. So wurde die Anwesenheit der Anstaltsgeistlichen in Plötzensee, denen wir wichtige Zeugenaussagen
verdanken, am 15. Oktober 1942 durch eine Rundverfügung des
Reichsministers der Justiz verboten. Je mehr Hinrichtungen
stattfanden, desto rascher und effizienter sollten sie gehandhabt
werden. (Dokument Seite 46/47.)
Am 28. Dezember 1936 verfügte Reichsjustizminister Gürtner,
daß die Todesurteile künftig mit dem Fallbeil zu vollstrecken
seien. Nicht einmal die zuständige Abteilung im Reichsjustizministerium war davon unterrichtet worden und erfuhr erst nachträglich davon. Die neue Bestimmung ging offenbar auf einen
persönlichen Befehl Hitlers zurück. Unter den erstmals festgelegten elf Hinrichtungsgefängnissen des Reiches war Plötzensee offiziell für die Vollstreckungen im Kammergerichtsbezirk
Berlin, im Oberlandesgerichtsbezirk Stettin und in verschiedenen angrenzenden Landgerichtsbezirken zuständig. (Dokument Seite 43.) Gleichzeitig wurde eine Scharfrichter-Ordnung
erlassen, die in allen Einzelheiten die Pflichten und Ansprüche
der zunächst drei hauptamtlichen Henker in Deutschland regelte. Danach erhielten die Scharfrichter ein Jahresgehalt von
dreitausend Reichsmark und für jede Hinrichtung eine Sondervergütung von sechzig bis fünfundsechzig Reichsmark, die auch
den Gehilfen zugestanden wurde.
Das Fallbeilgerät nach
der Befreiung des Gefängnisses
durch sowjetische Truppen,
Mai 1945
Am 17. Februar 1937 traf das aus dem ehemaligen Hinrichtungsgefängnis Bruchsal stammende Fallbeil in Berlin-Plötzensee ein
und wurde im Hinrichtungsschuppen aufgestellt. Seitdem nahmen hier und anderswo die Hinrichtungen rasch zu. Bis zum März
1940 waren es in Plötzensee bereits zweihundertsiebenundsiebzig Vollstreckungen seit 1933. Doch drei Jahre später rechnete
der Berliner Scharfrichter solche »Leistungen« längst nicht mehr
jährlich sondern in Monatsfrist ab: hundertvierzehn Hinrichtungen im März, hundertvierundzwanzig im Mai 1943. Ende 1942
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© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
wurde darüber hinaus im Hinrichtungsschuppen die Möglichkeit
geschaffen, bis zu acht Menschen gleichzeitig zu erhängen. Die
ersten Opfer, die auf diese Weise ermordet wurden, waren Angehörige des Widerstandskreises Harnack/Schulze-Boysen.
Als in der Nacht vom 3. auf den 4. September 1943 bei einem
Bombenangriff das Fallbeil in Plötzensee beschädigt wurde, befanden sich im gleichzeitig stark zerstörten Haus III über dreihundert Menschen, die auf ihre Hinrichtung warteten. Während des
Angriffs konnten drei von ihnen fliehen, die jedoch kurz darauf
gefaßt wurden. Das wirkte wie die Bestätigung einer erst am 27.
August 1943 ergangenen Rundverfügung des neuen Reichsministers der Justiz Otto Thierack, in der wegen der Gefahr durch
die Luftangriffe eine beschleunigte Vollstreckung von Todesurteilen angeordnet worden war. Am 7. September 1943 beschloß
daher das Reichsjustizministerium auf Hitlers persönlichen
Wunsch, den Gnadenweg in der von Thierack vorgeschlagenen
Weise zu verkürzen und alle in Plötzensee inhaftierten Todeskandidaten hintereinander hinrichten zu lassen. Um bei der Übermittlung von Vollstreckungsanordnungen Zeit zu sparen, wurden
die Namen aus dem Reichsjustizministerium telefonisch durchgesagt und vom zuständigen Staatsanwalt in Plötzensee mit vorbereiteten Listen verglichen. Dabei kam es zu folgenreichen Mißverständnissen, so daß in der ersten Nacht unter den hundertDer zerstörte
Gebäudeflügel des Hauses III,
des »Totenhauses«,
um 1950
18
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sechsundachtzig Ermordeten auch vier Menschen hingerichtet
wurden, deren Begnadigungsverfahren noch nicht abgeschlossen war. Die an diesem Irrtum beteiligten Beamten durften jedoch bei der nachfolgenden disziplinarischen Untersuchung auf
das Wohlwollen ihrer Vorgesetzten rechnen. Ihnen geschah
nichts, und zwar »mit Rücksicht darauf, daß die Todesurteile gegen die vier Verurteilten ohnehin binnen kurzem zu vollstrecken
gewesen wären«. (Dokumente Seite 60 bis 63.)
Weil das Fallbeil erst einige Wochen später repariert werden
konnte, wurden die Gefangenen erhängt. Über die Hinrichtungen in der Nacht vom 7. auf den 8. September haben Augenzeugen später berichtet. Zu ihnen gehörten auch die beiden Gefängnisseelsorger, der evangelische Geistliche Harald Poelchau
und sein katholischer Amtskollege Peter Buchholz. Von Harald
Poelchau stammt eine eindringliche Beschreibung dieser furchtbaren Nächte, in denen über zweihundertfünfzig Menschen ermordet wurden:
»Mit Einbruch der Dunkelheit am 7. September begann der Massenmord. Die Nacht war kalt. Ab und zu wurde die Dunkelheit
durch Bombeneinschläge erhellt. Die Strahlen der Scheinwerfer
tanzten über den Himmel. Die Männer waren in mehreren Gliedern hintereinander angetreten. Sie standen da, zunächst ungewiß, was mit ihnen geschehen sollte. Dann begriffen sie. Immer je
acht Mann wurden namentlich aufgerufen und abgeführt. Die Zurückbleibenden verharrten fast bewegungslos. Nur hin und wieder ein Flüstern mit mir und meinem katholischen Amtsbruder.
[...] Einmal unterbrachen die Henker ihre Arbeit, weil Bomben in
der Nähe krachend niedersausten. Die schon angetretenen fünf
mal acht Mann mußten für eine Weile wieder in ihre Zellen eingeschlossen werden. Dann ging das Morden weiter. Alle diese
Männer wurden gehängt. [...] Die Hinrichtungen mußten bei Kerzenlicht durchgeführt werden, da das elektrische Licht ausgesetzt hatte. Erst in der Morgenfrühe, um acht Uhr, stellten die erschöpften Henker ihre Tätigkeit ein, um sie am Abend mit frischen Kräften wieder aufnehmen zu können.«
Peter Buchholz
Harald Poelchau
In den folgenden Monaten wurden die meisten Hinrichtungen
aus Plötzensee in das Zuchthaus Brandenburg-Görden verlegt.
(Dokument Seite 58.) Erst als der Volksgerichtshof im August
1944 mit der Verurteilung der Beteiligten des gescheiterten Attentats vom 20. Juli 1944 begann, stieg die Zahl der Vollstrekkungen in Plötzensee wieder deutlich an. Die Hinrichtungen wurden bis in die letzten Kriegstage fortgesetzt. Noch am 18. April
1945, wohl dem letzten Tag, an dem Hinrichtingen stattfanden,
wurden achtundzwanzig Menschen hingerichtet. Wenige Tage
später, am 25. April, besetzten sowjetische Truppen das Gefängnis und befreiten die Häftlinge.
19
© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Menschen im Widerstand
gegen den
Nationalsozialismus
Zellengänge im Haus III,
vor 1940
20
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Die über zweitausendachthundert Menschen, die zwischen 1933
und 1945 in Plötzensee ermordet wurden, kamen aus den unterschiedlichsten sozialen Schichten, politischen Gruppen und
weltanschaulichen Richtungen. Nicht alle waren Gegner der nationalsozialistischen Diktatur, obwohl die Richter sie als angebliche Staatsfeinde zum Tode verurteilten. Wichtiger als die politischen Ansichten waren oft menschliche Bindungen oder das
persönliche Schicksal, das ihren Widerstand gegen den Nationalsozialismus bestimmte. Vielen gab aber darüber hinaus ihre
politische oder religiöse Überzeugung den entscheidenden
Rückhalt. (Dokument Seite 65.)
Zu den ersten Opfern der nationalsozialistischen Herrschaft gehörten Kommunisten und Sozialdemokraten. Zehntausende Kommunisten wurden nach dem Reichstagsbrand vom
27. auf den 28. Februar 1933 von SA und Polizei verhaftet und in
die provisorisch für diesen Zweck eingerichteten Konzentrationslager verschleppt, wo sie grausam mißhandelt wurden.
Schon in der Weimarer Republik hatten die Nationalsozialisten
den schrankenlosen Haß auf Andersdenkende propagiert. Die
gezielte Gewalt gegen schwächere und wehrlose Gegner gehörte zum politischen Alltag der »Bewegung«. Seit dem 30. Januar 1933 gab es für Kommunisten, Sozialisten, Sozialdemokraten, Juden und andere, die die NSDAP willkürlich zu ihren Feinden erklärte, keinen rechtlichen Schutz mehr.
Auch die Justiz beteiligte sich gleich nach der Machtergreifung
an der Verfolgung von politischen Gegnern der Nationalsozialisten. Mit drakonischen Urteilen gegen die Mitglieder der kommunistischen und sozialdemokratischen Organisationen setzten die
Richter auf verschärfte Weise eine lange Tradition der politischen Einseitigkeit fort. Die ersten politischen Hinrichtungen in
Plötzensee betrafen Kommunisten. Am 14. Juni 1934 wurde Richard Hüttig in einem Hof des Gefängnisses unter freiem Himmel
mit dem Handbeil enthauptet. Zu diesem Zeitpunkt war Hüttig
sechsundzwanzig Jahre alt. Er gehörte dem kommunistischen
Rotfrontkämpferbund an und wurde vor dem Sondergericht Berlin angeklagt, weil er im Februar 1933 bei einer »Strafexpedition«
von SA und SS in seinem Wohnbezirk einen SS-Führer erschossen haben sollte. Das Sondergericht gestand in der Urteilsbegründung ein, daß dem unbewaffneten Hüttig die Tat nicht nachzuweisen war. Dennoch wurde Richard Hüttig am 16. Februar
1934 »wegen schweren Landfriedensbruchs« und »versuchten
Mordes« zum Tode verurteilt.
Kommunisten, Sozialisten
und Sozialdemokraten
Richard Hüttig
Viele Kommunisten, Sozialisten und Sozialdemokraten wählten
nach 1933 den Weg in die Illegalität. Trotz der ständigen Verfolgung wurden regionale Parteiverbindungen oder Gesinnungsgemeinschaften aufrecht erhalten, heimlich Flugblätter verteilt und
Broschüren aus dem Ausland nach Deutschland geschmuggelt.
In großangelegten Verhaftungswellen versuchte deshalb die Gestapo mit Hilfe der Polizei und der SA, illegale Parteigruppen aufzuspüren. Soweit die Verhafteten nicht in Konzentrationslager
eingeliefert wurden, wurden sie der Justiz zur Aburteilung über21
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geben und oft zu unverhältnismäßig hohen Gefängnis- oder
Zuchthausstrafen verurteilt. Zur Abschreckung erhielten wichtige Funktionäre die Todesstrafe, auch wenn der ihnen vorgeworfene »Hoch-« oder »Landesverrat« einer Prüfung nach rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht standgehalten hätte.
Am 4. November 1937 wurden Adolf Rembte und Robert Stamm
in Plötzensee hingerichtet. Sie gehörten der deutschen Landesleitung der KPD in Berlin an und verfügten über gute Verbindungen zu den kommunistischen Exilgruppen in Moskau und anderswo. Ihnen wurde »Vorbereitung zum Hochverrat« zur Last
gelegt. Diese Anschuldigung reichte aus, um das Todesurteil zu
begründen. Zur Zeit der Urteilsvollstreckung war Stamm siebenunddreißig und Rembte fünfunddreißig Jahre alt. Beide entstammten traditionellen Arbeiterfamilien und beeindruckten ihre
Umgebung durch persönliche Geradlinigkeit und Überzeugungstreue. Pfarrer Harald Poelchau berichtete später, daß die
Hinrichtung von Menschen, die wie Stamm und Rembte nur ihre
politische Arbeit fortgesetzt hatten, selbst die hartgesottenen
Gefängnisbeamten nachdenklich gestimmt habe.
Lilo Herrmann
Ein anderer Fall, der im In- und Ausland große Bestürzung
weckte, war die Hinrichtung von Lieselotte Herrmann. Sie war
achtundzwanzig Jahre alt und Mutter eines vierjährigen Sohnes.
Als Jugendliche hatte sie sich dem Kommunistischen Jugendverband angeschlossen, studierte seit 1931 in Berlin Biologie
und wurde 1933 von der Friedrich-Wilhelms-Universität relegiert,
weil sie der KPD angehörte. Nach der Geburt ihres Sohnes arbeitete sie in Stuttgart im Ingenieur-Büro ihres Vaters und beteiligte
sich an der kommunistischen Untergrundarbeit. Im Dezember
1935 wurde sie von der Gestapo verhaftet. Man fand den Grundriß eines Rüstungsbetriebs bei ihr, der ins Ausland gelangen
sollte. Nach anderthalbjähriger Polizei- und Untersuchungshaft
wurde Lieselotte Herrmann am 12. Juni 1937 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt.
Ebenfalls zum Tode verurteilt wurden ihre Mitangeklagten Stefan
Lovasz, Josef Steidle und Arthur Göritz. Auch sie gehörten der
KPD an. Nach dem Urteil entfachten kommunistische Exilgruppen eine internationale Solidaritätskampagne. Hunderte von
Menschen aus zahlreichen Ländern schrieben Briefe an die
deutsche Regierung, in denen sie eine Begnadigung von Lieselotte Herrmann forderten. Doch alle Bemühungen blieben ohne
Erfolg. Noch nach dem Todesurteil verhörte die Gestapo Lieselotte Herrmann in einem weiteren Verfahren. Als diese Ermittlungen abgeschlossen waren, wurde sie am 20. Juni 1938 unter dem
Fallbeil enthauptet. Auch Lovasz, Steidle und Göritz wurden an
diesem Tag hingerichtet.
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Schon in der Weimarer Republik versuchten die Nationalsozialisten gezielt, den großen Jugendorganisationen der sozialistischen Parteien, der bündischen Bewegungen und der Kirchen
Konkurrenz zu machen. Nach 1933 wurden die meisten Jugendverbände verboten oder gleichgeschaltet und in die neugeschaffene Hitler-Jugend integriert. Dagegen beteiligten sich
kommunistische und sozialistische Jugendliche schon in den ersten Tagen und Wochen nach dem Machtantritt Hitlers entschlossen am Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime. Gestapo und Gerichte antworteten darauf mit Härte und
verurteilten die jungen Funktionäre zu hohen Strafen. Dennoch
gelang es einigen Gruppen, die sich zum Teil von den illegalen
Parteiführungen abgespalten hatten, noch über Jahre hin, ihre
verbotene Arbeit fortzusetzen. Als nach Kriegsbeginn die Richter
immer häufiger Todesurteile verhängten, fielen auch zahlreiche
junge Menschen dem Terror der Justiz zum Opfer.
Jugendgruppen
Am 3. Dezember 1942 wurden in Plötzensee der einundzwanzig- Rütli-Gruppe
jährige Hanno Günther sowie seine Freunde Elisabeth Pungs,
Wolfgang Pander und Bernhard Sikorski hingerichtet. (Dokument
Seite 68.) Nach dem Sieg der deutschen Wehrmacht über Frankreich hatten Günther, die Kommunistin Pungs sowie Pander, ein
Jungkommunist jüdischer Abstammung, Flugblätter hergestellt
und verteilt, die sie »Das Freie Wort« nannten und als »Deutsche
Friedensfront« unterzeichneten. Darin verbreiteten sie Nachrichten über die Kriegslage, verlangten Frieden und Meinungsfreiheit und forderten Rüstungsarbeiter zur Sabotage auf. Später
zog Günther zusammen mit Sikorski, Emmerich Schaper und anderen ehemaligen Schülern der Neuköllner Rütli-Schule, einer
Reformschule, einen kleinen Widerstandskreis auf. Im Juli und
August 1942 wurden alle mit Günther in Kontakt getretenen Personen verhaftet. Die jungen Leute unter ihnen bezeichnete die
Gestapo wegen ihrer gemeinsamen Schulzeit als »RütliGruppe«.
Bekanntmachung der
Hinrichtung von Hanno Günther,
Plakat
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Der Oberreichsanwalt beim Volksgerichtshof warf den Beteiligten in seiner Anklage vom 26. Mai 1942 Hochverrat und das Abhören ausländischer Sender vor. Ein besonders schlimmes Verbrechen der jungen Leute sah er darin, daß sie bei regelmäßigen
Zusammenkünften marxistische Schriften gelesen und mit Hilfe
von Elisabeth Pungs Kontakte zu dem im Widerstand tätigen Herbert Bochow, einem KPD-Funktionär, aufgenommen hatten. Bochow, der in den Vernehmungen schwer mißhandelt wurde, hatte
die Gestapo auf die Spur der jungen Leute gebracht. Am 9. Oktober 1942 wurden von den sieben Angeklagten sechs zum Tode
verurteilt, Dagmar Petersen erhielt sieben Jahre Zuchthaus. Auch
Herbert Bochow wurde zum Tode verurteilt und am 5. Juni 1942
in Plötzensee hingerichtet.
Gruppe Baum
Zur selben Zeit befanden sich die Angehörigen einer Gruppe jüdischer Kommunisten um das Ehepaar Herbert und Marianne
Baum in Gestapo-Haft. Herbert Baum sammelte seit Mitte der
dreißiger Jahre Gleichgesinnte um sich, die wie er jüdischer Herkunft waren. Weil sie in den geheimen Netzen der illegalen KPD
als besonders gefährdet galten, blieben sie von den Verbindungswegen der Partei weitgehend isoliert. Dennoch bemühte
sich die Gruppe, gegen das nationalsozialistische Regime gerichtete Flugschriften herzustellen. Im Mai 1942 verübte sie einen Brandanschlag auf die antikommunistische PropagandaAusstellung »Das Sowjetparadies« im Berliner Lustgarten. Kurz
darauf wurden Herbert und Marianne Baum, Werner Steinbrink,
Hildegard Jadamowitz und zahlreiche andere Mitglieder der
Gruppe verhaftet. Herbert Baum und zwei weitere Menschen begingen nach Mißhandlungen in der Haft Selbstmord. In sechs
großen Prozessen wurden über zwanzig Beteiligte zum Tode verurteilt. Andere, deren Schicksal nie geklärt wurde, kamen vermutlich in Konzentrationslagern um. Die Verurteilten der BaumGruppe wurden in mehreren Gruppen am 18. August 1942, am
4. März 1943, am 11. Mai 1943, am 18. Juni 1943 und am 7. September 1943 in Plötzensee hingerichtet.
Kundgebung zur
Eröffnung der Ausstellung
»Das Sowjetparadies«
im Berliner Lustgarten,
8. Mai 1942
24
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Zwischen dem 22. Dezember 1942 und dem 5. August 1943 wurden in Plötzensee die meisten Angehörigen eines weitverzweigten Widerstandskreises, der Harnack/Schulze-Boysen-Organisation, hingerichtet, der später unter dem Namen »Rote Kapelle«
bekannt wurde. Diesen Namen benutzte ursprünglich die Gestapo. Die Gruppen umfaßten mehr als hundert Mitglieder. Sie
entstanden Mitte der dreißiger Jahre um den Berliner Wissenschaftler und Regierungsrat im Reichswirtschaftsministerium Arvid Harnack und den Oberleutnant im Reichsluftfahrtministerium
Harro Schulze-Boysen. Das gemeinsame Interesse an Alternativen zum nationalsozialistischen System führte Harnack und
Schulze-Boysen erstmals 1940 zu Gesprächen im geselligen
Kreis zusammen, aus denen sich bald vielfältige Verbindungen
und politische Vorhaben entwickelten.
Der Widerstandskreis
Harnack/Schulze-Boysen
Arvid Harnack und seine amerikanische Frau Mildred HarnackFish, die ihm 1929 nach Deutschland gefolgt war, bildeten vor
1933 den Mittelpunkt eines Studienkreises, der sich auf Anregung Arvid Harnacks mit Fragen der sowjetischen Planwirtschaft
beschäftigte. Die beiden lebten seit 1930 in Berlin. 1935 trat
Harnack in das Reichswirtschaftsministerium ein und wurde dort
für wirtschaftspolitische Grundsatz- und Amerikafragen zuständig. Mildred Harnack arbeitete als Literaturdozentin und Übersetzerin für die 1940 eingerichtete Auslandswissenschaftliche
Fakultät der Friedrich-Wilhelms-Universität. Beide verstanden
sich als entschlossene Gegner der Nationalsozialisten. Sie such-
ten deshalb ihren privaten Gesprächskreis, dem der ehemalige
preußische Kultusminister und religiöse Sozialist Adolf Grimme,
der Schriftsteller Adam Kuckhoff, seine Frau Greta und auch der
Arbeiter Karl Behrens angehörten, durch Kontakte zu anderen
Regimegegnern zu erweitern.
Einen ähnlichen Kreis sammelten Harro Schulze-Boysen und
seine Frau Liberias geborene Haas-Heye seit ihrer Heirat im Jahr
1936 um sich. Schulze-Boysen stand vor 1933 nationalrevolutionären Gruppierungen nahe. Er war Redakteur der Zeitschrift
»gegner«, die nach Hitlers Machtantritt alsbald verboten wurde.
Schulze-Boysen und sein Freund und Mitarbeiter Henry Erlanger
wurden von der SA in ein Konzentrationslager verschleppt und so
schwer mißhandelt, daß Erlanger an den Folgen starb. Nach der
Freilassung begann Schulze-Boysen eine Ausbildung an der
Verkehrsfliegerschule in Warnemünde und erhielt im April 1934
Harro und seine Frau
Libertas Schulze-Boysen
geb. Haas-Heye
eine Anstellung im Reichsluftfahrtministerium. Libertas SchulzeBoysen arbeitete zunächst als Presseassistentin eines amerikanischen Filmkonzerns, dann freiberuflich und wurde 1941 Dramaturgien in der Kulturfilmzentrale des Reichsprogagandaministeriums. Ebenso wie ihr Mann nutzte sie ihre beruflichen Verbindungen, um Regimegegner zu finden und den gemeinsamen
Kreis zu erweitern.
Anfang 1942 begannen die Organisation um Arvid Harnack und
Harro Schulze-Boysen mit der Produktion von Flugschriften, die
neben Harnack und Schulze-Boysen vor allem Wilhelm Guddorf,
Adam Kuckhoff und John Sieg verfaßten. Darin wurden die
25
© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Clara, Mildred und Arvid Harnack
in Neubabelsberg, 1931
Greuel beschrieben, die die Einsatzgruppen und einzelne Einheiten der Wehrmacht hinter den Fronten an Kriegsgefangenen
und Zivilisten der besetzten Gebiete begingen. Die Texte riefen
zu Kritik und Zivilcourage auf und prophezeiten einen schlimmen
Ausgang des Krieges, der von dem Regime nicht zu gewinnen
sei. Es gelang der Gruppe, die regelmäßig erscheinenden Flugblätter in viele Gegenden Deutschlands und bis an die Front zu
versenden.
Zu den Mitteln der illegalen Arbeit, die einige Mitglieder der
Gruppe nutzten, gehörte auch die Zusammenarbeit mit der Sowjetunion. Harnack stand mit Angehörigen der sowjetischen und
amerikanischen Botschaft in einem vertraulichen Meinungsaustausch. Er und Schulze-Boysen warnten die sowjetische Führung
vor dem für den Juni 1941 geplanten Angriff. Um eine Beendigung des Krieges zu beschleunigen und einer außenpolitischen
Verständigung mit der Sowjetunion den Weg zu bahnen, bereiteten sie auch eine Funkverbindung nach Moskau vor, die Hans
Coppi übernahm, der damit aber über Versuche nicht hinauskam. Im Herbst 1941 schickte der sowjetische militärische Nachrichtendienst seinen Brüsseler Residenten nach Berlin. Die Informationen aus einem Gespräch mit Schulze-Boysen funkte er von
Brüssel nach Moskau. Die Dechiffrierung eines Funkspruchs mit
Berliner Adressen aus Moskau durch die deutsche Abwehr im
Spätsommer 1942 besiegelte das Schicksal der Organisation mit
ihre unterschiedlichen Freundeskreisen.
26
© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Nicht alle Gefährten der Ehepaare Schulze-Boysen und Harnack
wußten von den Kontakten mit der Sowjetunion oder waren an
den Flugblattaktionen beteiligt, mit denen zum Beispiel im Mai
1942 der Anschlag auf die antisowjetische Propaganda-Ausstellung »Das Sowjetparadies« unterstützt wurde. Manche von ihnen
suchten lediglich das Gespräch über politische und soziale Themen oder waren bereit, ihren Freunden ohne Fragen nach dem
Woher und Wohin zu helfen, indem sie etwa Briefe versandten,
Sendegeräte bei sich versteckten oder unbekannte Menschen
bei sich aufnahmen. Dazu zählten unter anderen Frida und Stanislaus Wesolek, Klara Schabbel, Else Imme oder Anna Krauss.
Andere wie der Schriftsteller Adam Kuckhoff oder die Journalisten Walter Husemann, Günter Weisenborn und John Graudenz
beteiligten sich maßgeblich an der Abfassung von Flugschriften,
die in den Wohnungen und Ateliers von Kurt und Elisabeth Schumacher, Oda Schottmüller, Cato Bontjes van Beek und anderen
Gefährten abgeschrieben und vervielfältigt wurden.
An einzelnen Aktionen oder Gesprächskreisen waren Menschen
mit unterschiedlichsten politischen und religiösen Anschauungen beteiligt. Eine wichtige Rolle spielte der Journalist und
Reichsbahnarbeiter John Sieg, der der KPD angehörte und lange
in den Vereinigten Staaten gelebt hatte. Er arbeitete eng mit
Harnack und Schulze-Boysen zusammen und nutzte vor allem
Verbindungen zu Zellen der illegalen KPD. Ein anderer Kreis
hatte sich um den Arzt und Psychotherapeuten John Rittmeister
gebildet, dem sich junge Leute wie Ursula Goetze, Liane Berkowitz und Fritz Rehmer zurechneten. Sie unterstützten französische Zwangsarbeiter und waren an Flugblattaktionen beteiligt.
Religiöse und philosophische Motive bestimmten Menschen wie
Marie Terwiel, Heinz Himpel und Eva-Maria Buch. Marie Terwiel
etwa versandte Hunderte von Nachschriften der Predigten des
katholischen Bischofs von Münster, Clemens August Graf von
Galen, der sich im Sommer 1941 in klaren Worten gegen die nationalsozialistischen Morde an Kranken und Hilflosen (»Euthanasie«-Aktionen) gewandt hatte.
Hans und Hilde Coppi
beim Zelten
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© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Im August 1942 wurden die Gruppen um Harnack und SchulzeBoysen von der Gestapo aufgedeckt. Über hundert Menschen
wurden innerhalb weniger Wochen verhaftet. Eine Sonderkommission der Abteilung Sabotageabwehr des Reichssicherheitshauptamtes führte die Ermittlungen und ließ einzelne Beschuldigte bei verschärften Vernehmungen grausam foltern. Unter
dem Druck der Mißhandlungen wurden von einigen Opfern Aussagen erpreßt. Andere Gefangene verwickelten sich in Widersprüche und verrieten unabsichtlich entscheidende Einzelheiten. Im Dezember 1942 klagte der Oberkriegsgerichtsrat Manfred Roeder in einem ersten Prozeß die wichtigsten Mitglieder der
Organisation vor dem Reichskriegsgericht an, das in Fällen von
Spionage zuständig war. Darunter befanden sich die Ehepaare
Harnack und Schulze-Boysen, Coppi und Schumacher. Bis auf
Mildred Harnack und Erika Gräfin von Brockdorff wurden sie alle
am 19. Dezember 1942 zum Tode verurteilt und bereits am 22.
Dezember in Plötzensee hingerichtet.
Hitler weigerte sich, das vergleichsweise milde Urteil gegen Mildred Harnack und Erika von Brockdorff hinzunehmen. Auf seinen
Befehl hin verhandelte das Reichskriegsgericht erneut gegen die
beiden Frauen und verurteilte sie diesmal zum Tode. Mildred
Harnack wurde am 16. Februar und Erika von Brockdorff am 13.
Mai 1943 in Plötzensee enthauptet. Nach weiteren Prozessen im
Januar und Februar 1943 starben in mehreren Gruppen rund
vierzig Menschen unter dem Fallbeil, die meisten davon in Plötzensee. Zu ihnen gehörten am 13. Mai und am 5. August 1943
auch die zahlreichen Frauen der Gruppe, die stets kurz vor der
Hinrichtung aus dem Frauengefängnis Barnimstraße im Bezirk
Friedrichshain nach Plötzensee gebracht wurden. (Dokumente
Seite 52 und 66/67.) Hilde Coppi und Liane Berkowitz hatten im
Gefängnis Kinder geboren, die ihnen bald nach der Geburt fortgenommen wurden. Die Leichen der hingerichteten Frauen erhielt das Anatomisch-Biologische Institut der Berliner FriedrichWilhelms-Universität; an den Leichen nahm anschließend der
Anatom Hermann Stieve gynäkologische Sektionen vor.
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© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Einen Kernpunkt der nationalsozialistischen Weltanschauung
bildete die Verachtung anderer Völker und Nationen. Im Laufe
des Krieges schufen die Fachleute der Reichsjustizverwaltung
eine Fülle von Bestimmungen, die wie etwa die »Polenstrafrechtsverordnung« den Einwohnern der von Deutschen besetzten Gebiete Europas nur sehr eingeschränkte Rechte zubilligten
und als »dauerhaftes Fremdvolkstrafrecht« auch nach dem
»Endsieg« fortbestehen sollten.
Ausländische Gefangene
Besonders gefährdet waren ausländische Zwangsarbeiter und
die Angehörigen von Widerstandsorganisationen in den besetzten europäischen Ländern, die zum Teil nach ihrer Verhaftung in
das sogenannte Altreich gebracht und hier zum Tode verurteilt
wurden. Hierfür bildete der geheime »Nacht-und-Nebel-Erlaß«
vom Dezember 1941 – von Hitler befohlen und vom Chef des
Oberkommandos der Wehrmacht unterzeichnet – die Grundlage:
Alle des Widerstands verdächtigen Personen, deren Verurteilung an Ort und Stelle nicht wahrscheinlich war, wurden bei
»Nacht und Nebel« nach Deutschland deportiert. Während für
viele Widerstandskämpfer in den osteuropäischen Gebieten
Sonderregelungen galten, nach denen sie ohne irgendein Verfahren an Ort und Stelle erschossen oder erhängt werden durften, wurden westeuropäische Gefangene in deutsche Haftanstalten verschleppt. Ihre Verurteilung durch die Sondergerichte
oder den Volksgerichtshof wurde ebenso geheimgehalten wie
ihre Hinrichtung. Teilweise waren diese Gefangenen nur in provisorischen Listen erfaßt und wurden oftmals bereits bei den geheimzuhaltenden Transporten von Gestapo und SS willkürlich ermordet.
Zu den Ausländern, die seit Kriegsbeginn bis zu den »Blutnächten« im September 1943 in Plötzensee hingerichtet wurden, zählten auch polnische und tschechische Widerstandskämpfer. Unter den polnischen Verurteilten in Plötzensee befanden sich Angehörige und Helfer der geheimen polnischen Heimatarmee (Armia Krajowa), denen Waffen- und Sprengstoffbesitz, Sabotage
und Hochverrat vorgeworfen wurde. Andere waren entflohene
Kriegsgefangene oder Zwangsarbeiter, die von der Gestapo im
Reich aufgegriffen und zunächst noch den Sondergerichten
übergeben wurden. Auch Polen, die verfolgten Landsleuten zu
helfen versucht hatten, wurden zum Tode verurteilt und in Plötzensee hingerichtet. Von der großen Gruppe der tschechischen
Verurteilten gehörten viele einer militärisch organisierten Widerstandsorganisation an, die den Namen »Volksverteidigung«
(Obrana Národa) trug und sich aus ehemaligen Offizieren der
aufgelösten tschechoslowakischen Armee rekrutierte. Allein zwischen April 1942 und September 1943 starben rund achtzig
tschechische Offiziere in Plötzensee. lm selben Zeitraum wurden
über zweihundertzwanzig weitere Tschechen hingerichtet, von
denen etwa achtzig kommunistischen und rund hundertvierzig
anderen zivilen Widerstandsgruppen zuzurechnen waren. Sie
kämpften mit verschiedenen Mitteln für eine unabhängige Tschechoslowakei, was die deutschen Gerichte nach der Annexion der
Tschechei und der Errichtung des Protektorates Böhmen und
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Mähren im März 1939 als besonders verwerflich betrachteten.
Unter den Verurteilten, die in der Nacht vom 7./8. September
1943 ermordet wurden, befand sich der tschechische Kommunist Julius Fucik, der umfangreiche Aufzeichnungen unter dem
Titel »Reportagen, unter dem Strang geschrieben« hinterließ.
Julius Fucik
Eine andere Gruppe von ausländischen Verurteilten in Plötzensee bildete rund ein Dutzend junger Belgier und Franzosen, die
wegen Einbruchdiebstählen zum Tode verurteilt worden waren.
Sie gehörten zu den großen Kontingenten von Zwangsarbeitern,
die aus vielen besetzten ost- und westeuropäischen Ländern
teils nach Deutschland verschleppt, teils mit falschen Versprechungen dorthin gelockt worden waren. Die meisten von ihnen
waren um die zwanzig Jahre alt und hatten sich unterschiedlich
lange in Berlin aufgehalten, ehe die Gestapo ihnen eine Serie von
Einbrüchen und Diebstählen zur Last legte. Zwei von ihnen, der
Franzose Gaston Deflin und der Belgier Richard Havron, hatten
noch nicht einmal das achtzehnte Lebensjahr erreicht. Deflin arbeitete schon seit seinem fünfzehnten Lebensjahr in Deutschland und war, wie die meisten anderen, nicht vorbestraft. Er litt
sichtbar an Unterernährung und ließ seinen Dolmetscher in einem Fragebogen versichern, daß er nur aus Hunger gestohlen
habe. Dennoch beantragte der Anklagevertreter des Sondergerichts beim Landgericht Berlin im April 1943, Deflin und Havron
zum Tode zu verurteilen, weil sie »unter Berücksichtigung ihrer
frühreifen südländischen Erbanlage« den über achtzehn Jahre
alten Personen »offenbar gleichzuachten« seien. So wurden am
23. Juli 1943 elf Verurteilte in Plötzensee hingerichtet, darunter
auch Deflin und Havron.
Auf ungeklärten Wegen hatte inzwischen die Mutter Deflins in
Frankreich von der Verhaftung ihres Sohnes erfahren und wandte
sich in einem eindringlichen Schreiben an den Gefängnisdirektor
in Plötzensee mit der Bitte um Auskunft und Hilfe. Im August 1943
ließ der Direktor ihr durch die deutsche Botschaft in Paris eine
Antwort übermitteln, die in ihrer glatten Kälte für sich spricht:
»Die durch den Kriegszustand gebotene besondere Abschreckung der Allgemeinheit zum Schutze der öffentlichen Sicherheit hat dieses Opfer von Ihnen verlangt.«
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© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Nicht alle, die während des Dritten Reiches in Plötzensee und
den übrigen deutschen Hinrichtungsgefängnissen ermordet
wurden, waren politische Gegner der nationalsozialistischen
Diktatur. In den Kriegsjahren starben auch Tausende von Menschen, die wegen geringfügiger Delikte – kleinen Diebstählen
etwa, Mundraub oder »Schwarzschlachten« – zum Tode verurteilt worden waren. Andere wurden als »Defätisten« denunziert
und verwirkten ihr Leben, weil sie in privaten Gesprächen an Hitlers Kriegsführung zweifelten oder politische Witze erzählten. Immer wieder gerieten der Gestapo auch Menschen ins Netz, die
aus ganz persönlichen Motiven handelten. Sie versteckten verfolgte Juden oder wehrflüchtige Soldaten bei sich, unterstützten
ausländische Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene mit Lebensmitteln oder sabotierten entschlossen die nationalsozialistischen
»Durchhalteparolen«. (Dokumente Seite 65, 70 und 72.)
Jugendliche Opfer gab es auch unter den Verurteilten, die sich
keiner größeren politischen Widerstandsgruppe zuordnen lassen. Im August 1942 verhandelte der Volksgerichtshof gegen die
siebzehn- und achtzehnjährigen Freunde Helmuth Hübener, KarlHeinz Schnibbe, Rudolf Wobbe und Gerhard Düwer aus Hamburg, die seit 1941 mit Streuzetteln und Flugblättern die Öffentlichkeit aufzurütteln versuchten. In ihren Texten schilderten sie
die Kriegslage entsprechend ausländischen Rundfunkberichten
und kommentierten die Propagandalügen der deutschen Führung. Helmuth Hübener gehörte der Religionsgemeinschaft Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen) an
und kannte Rudolf Wobbe und Karl-Heinz Schnibbe aus diesem
Kreis. Im Februar 1942 wurden die vier Jugendlichen von der Gestapo festgenommen und bei den Vernehmungen schwer mißhandelt. Als angeblicher Rädelsführer wurde Helmuth Hübener
zum Tode verurteilt, während seine Freunde langjährige Haftstrafen erhielten. Am 27. Oktober 1942 starb Hübener unter dem
Fallbeil in Plötzensee.
Zu den über dreihundert Hinrichtungen, die mit den »Blutnächten« im September 1943 zusammenhingen, gehörte der schreckliche Fall des jungen Pianisten Karlrobert Kreiten. 1916 in Bonn
als Sohn eines niederländischen Musikers und seiner französischen Ehefrau geboren, galt er schon in sehr jungen Jahren
als Klaviervirtuose und errang internationale Musikpreise. Wie
viele andere Menschen fiel er einer Denunziation aus seiner privaten Umgebung zum Opfer. Im Gespräch mit einer Bekannten
äußerte er im März 1943 Zweifel an der Kriegsführung Hitlers und
wurde daraufhin an die Gestapo verraten. Der Volksgerichtshof
verurteilte ihn am 3. September 1943 zum Tode. Als seine Familie
sich um die Unterstützung durch hohe staatliche Stellen bemühte und den Eltern aus der Reichskanzlei eine Begnadigung
zugesichert wurde, war das Urteil jedoch schon vollstreckt. Kreiten gehörte zu jenen Fällen, für die in der Nacht vom 7. auf den 8.
September 1943 in Plötzensee nicht einmal ein Vollstreckungsbefehl vorlag. Seine Hinrichtung war ein »Versehen«, für das freilich keiner der beteiligten Beamten zur Rechenschaft gezogen
wurde.
31
Widerstand im Alltag
Helmuth Hübener (Mitte),
Rudolf Wobbe (links)
und Karl-Heinz Schnibbe,
Hamburg, vermutlich 1941
Karlrobert Kreiten
© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Mit ebenso rücksichtsloser Härte gingen Justiz und Militärjustiz
auch gegen Wehrdienstflüchtige oder Deserteure vor, die in der
Regel zum Tode verurteilt wurden. Dasselbe Schicksal konnte
auch Menschen treffen, die ihnen halfen. Am Morgen des 9. Juni
1944 wurde die vierundvierzigjährige Emmy Zehden aus dem
Frauengefängnis in der Barnimstraße zur Hinrichtung nach Plötzensee gebracht. Um 13.00 Uhr war das Urteil vollstreckt. Emmy
Zehden gehörte zu den Ernsten Bibelforschern (Zeugen Jehovas), und der Glaube bestimmte ihr Leben. Diese Religionsgemeinschaft wurde im Dritten Reich verboten und ihre Anhänger
wurden verfolgt. Emmy Zehden versteckte 1942 ihren Pflegesohn Horst Günter Schmidt und zwei seiner Glaubensgefährten
und Freunde in einem Quartier in Gatow, weil die jungen Männer
sich aus religiösen Gründen dem Wehrdienst entzogen hatten.
Ihr Mann Richard Zehden, der jüdischer Herkunft war, mußte zu
dieser Zeit bereits schwere Zwangsarbeit leisten. Im Dezember
1942 wurde Emmy Zehden mit anderen Zeugen Jehovas denunziert. Der Volksgerichtshof verurteilte sie am 19. November 1943
wegen »Wehrkraftzersetzung« zum Tode. Richard Zehden
wurde in Auschwitz ermordet. Von den drei ebenfalls zum Tode
verurteilten Wehrflüchtigen überlebte nur Schmidt das Kriegsende. (Dokument Seite 69.)
Elisabeth von Thadden
Im Dritten Reich wurden viele Menschen von Nachbarn oder Bekannten politisch denunziert. Darüber hinaus schleuste die Gestapo Spitzel in private Freundeskreise oder kirchliche Gruppen
ein, um regimefeindliche Äußerungen aufzuspüren. Im Herbst
1943 verriet ein Spitzel den Kreis um Hanna Solf, die Witwe des
Diplomaten Wilhelm Solf. Hanna Solf gab in Berlin regelmäßig
Teegesellschaften für Angehörige des Auswärtigen Amtes und
andere Bekannte oder Freunde, mit denen gemeinsam sie sich
auch um die Hilfe für Verfolgte bemühte. Zu ihrem Kreis gehörte
unter anderem die evangelische Pädagogin und Sozialpflegerin
Elisabeth von Thadden. Anfang 1944 wurden Hanna Solf, der frühere Gesandte Otto Carl Kiep, Elisabeth von Thadden und weitere Angehörige dieses Kreises verhaftet. Der Volksgerichtshof
verurteilte zwei von ihnen – Elisabeth von Thadden und Otto Carl
Kiep – aufgrund von Spitzelaussagen zum Tode. Erst nach der
Verurteilung erfuhr die Gestapo von Kieps Beteiligung an der
Verschwörung vom 20. Juli 1944 und mißhandelte ihn bei erneuten Vernehmungen schwer. Kiep wurde schließlich am 15. August und Elisabeth von Thadden am 8. September 1944 in Plötzensee hingerichtet.
32
© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Nachdem bei den Bombenangriffen im September 1943 die Hinrichtungsstätte in Plötzensee schwer beschädigt worden war,
wurde das Zuchthaus Brandenburg-Görden zur neuen zentralen
Hinrichtungsstätte des Kammergerichtsbezirks Berlin erklärt. In
Plötzensee sollten in der Regel nur noch die Urteile des Volksgerichtshofs und der Berliner Sondergerichte vollstreckt werden.
Durch die Massenhinrichtungen nach dem Attentat vom 20. Juli
1944 rückte Plötzensee jedoch noch einmal in das Zentrum der
nationalsozialistischen Hinrichtungspraxis. Zwischen August
1944 und April 1945 wurden, zusammen mit weiteren Urteilen,
sechsundachtzig Todesurteile gegen Beteiligte und Mitwisser
des gescheiterten Anschlags vollstreckt.
Beteiligte am Umsturzversuch
des 20. Juli 1944
Der Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 hatte eine lange Vorgeschichte. Er zielte nicht allein auf die Beseitigung Hitlers durch
einen Tyrannenmord. Vielen Mitverschwörern ging es ebenso um
die Planung für eine gesellschaftliche Ordnung nach dem Sturz
Hitlers, der auch das Ende des Krieges und der nationalsozialistischen Diktatur bringen sollte. Die daran beteiligten Personen
und Gruppen repräsentierten vielfältige politische und weltanschauliche Traditionen in Deutschland, in denen sich Widerstandshaltungen und -bestrebungen aus der gesamten Zeit des
Dritten Reiches bündelten. In der Vorbereitung des Staatsstreichs fanden sich zivile und militärische Oppositionsgruppen
unterschiedlichster Prägung zusammen. Zu ihnen gehörten die
konservativen Kreise um Carl Friedrich Goerdeler, Ulrich von
Hassell und Johannes Popitz, aber auch die sozialen Fragen gegenüber aufgeschlossenen Mitgliedern des Kreisauer Kreises,
die wichtige gewerkschaftliche und sozialdemokratische Verbindungen pflegten. An der militärischen Verschwörung um Ludwig
Beck, Henning von Tresckow und Claus Schenk Graf von Stauffenberg beteiligten sich Offiziere aus allen Teilen des Reiches
mit vielfältigen Motiven, unter denen wie in den meisten Gruppen
auch die christliche Gedankenwelt eine große Rolle spielte.
Die Abstimmung der verschiedenen Kreise untereinander blieb
immer schwierig, denn was die Mitwisser in geheimen Treffen
und familiär wirkenden Zirkeln diskutierten, galt im nationalsozialistischen Staat als Hochverrat. Nicht zuletzt deshalb kam der
Versuch, den weit fortgeschrittenen Krieg mit seinen millionenfachen Verbrechen durch einen Umsturz zu beenden, so spät.
Doch wäre er gelungen, hätte er selbst zu diesem Zeitpunkt noch
große Opfer und viele Verbrechen verhindern können.
Der über Monate hinweg geplante Anschlag am 20. Juli 1944
scheiterte. Bereits wenige Stunden nachdem die von Stauffenberg eingeschmuggelte Bombe im Führerhauptquartier Wolfschanze bei Rastenburg in Ostpreußen detoniert war, stand fest,
daß Hitler das Attentat überlebt hatte. Damit war an ein Gelingen
des Staatsstreichs nicht mehr zu denken. Noch in der Nacht auf
den 21. Juli wurden in einem Innenhof des Bendler-Blocks in Berlin, dem Sitz des Befehlshabers des Ersatzheeres, Stauffenberg
und drei seiner engen Mitverschwörer – Werner von Haeften, Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim und Friedrich Olbricht – er33
© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
schossen. Ludwig Beck, der militärische Kopf der Verschwörung, starb in einem Dienstzimmer des Gebäudes, nachdem er
sich selbst schwer verwundet hatte, durch Erschießen.
Am folgenden Tag begann die Gestapo mit systematischen Verhaftungen von Verdächtigten und ihren Angehörigen. Eine von
Ernst Kaltenbrunner, dem Chef des Reichssicherheitshauptamtes, persönlich geleitete Sonderkommission nahm die Ermittlungen auf und berichtete darüber laufend Martin Bormann, dem
Sekretär des Führers und Leiter der Parteikanzlei. Fahndung und
Festnahmen umfaßten mehrere hundert Personen, die in Berlin
und umliegenden Haftstätten gefangengehalten wurden. Die
Vernehmungen waren von schweren Folterungen begleitet und
trieben einige Gefangene in den Selbstmord.
Mit einem ersten Schauprozeß vor dem Volksgerichtshof in Berlin
unter Leitung des Präsidenten Roland Freisler begann am 7. und
8. August 1944 eine Welle von Todesurteilen gegen die Beteiligten des 20. Juli 1944. Doch weder die Gesamtzahl der Angeklagten noch die der Verhandlungstermine und der gefällten Urteile
oder Todesurteile haben sich nachträglich genau feststellen lassen. Mit Sicherheit kann nur gesagt werden, daß zwischen dem 8.
August 1944 und dem 9. April 1945 in Plötzensee mindestens
sechsundachtzig Menschen in Folge des 20. Juli 1944 ermordet
wurden.
Bendlerblock, Flügel an
der Bendlerstraße
(heute Stauffenbergstraße),
1944 Sitz des Befehlshabers
des Ersatzheeres,
1942
34
© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Die ersten acht Hinrichtungen von Hauptbeteiligten des Staatsstreichsversuchs fanden am 8. August 1944 statt. Ihnen ging
eine zweitägige Verhandlung vor dem Volksgerichtshof voraus,
die in Teilen (wie einige weitere Verhandlungstage) als Filmdokument erhalten ist. Nichts könnte den Unrechtscharakter der Verhandlungen deutlicher vor Augen führen als diese Filmaufzeichnungen. Die Angeklagten waren sichtbar von den Verhören und
Mißhandlungen gezeichnet. Freisler ließ sie dem Gericht in schäbiger Kleidung vorführen und jeden auf Schritt und Tritt von zwei
Wachtmeistern begleiten. Keiner von den Angeklagten durfte
ausreden, wenn ihm überhaupt das Wort erteilt wurde. Die Verteidiger fanden sich zu keiner deutlichen Unterstützung für ihre Klienten bereit. Alle acht Angeklagten wurden zum Tode verurteilt
und sofort nach der Urteilsverkündung zur Vollstreckung nach
Plötzensee gebracht. Dort begannen die Hinrichtungen als sogenannte Sonderaktion, die im gesamten Gefängnis Unruhe und
Schrecken auslöste.
Am 8. August starben in Plötzensee durch Erhängen Erwin von
Witzleben, Erich Hoepner, Helmuth Stieff, Albrecht von Hagen,
Paul von Hase, Robert Bernardis, Friedrich Karl Klausing und Peter Graf Yorck von Wartenburg. Der in der Gefängnisbibliothek
von Plötzensee beschäftigte Gefangene Viktor von Gostomski
notierte später seine Beobachtungen:
Erwin von Witzleben
»Man raunte im Haus von einer Sonderaktion. Sonderaktion – das
sind Prominente. Wachtmeister redeten von einer großen Sache.
Ich vermutete, es seien Männer, die am 20. Juli beteiligt waren.
Alle Gefangenen wurden gegen sechs Uhr abends in die Zellen
eingesperrt. Keiner arbeitete mehr. Auch wir Bibliothekare waren
in der Zelle. Wir stellten den Tisch unters Fenster und spähten auf
den Hof. Es mochte sieben Uhr sein. Die schweren Eisentüren
des Gefängnisses öffneten sich. Männer in gestreiften Sträflingskleidern, an den Händen gefesselt, die nackten Füße in klappernden Holzpantoffeln, ohne Kopfbedeckung traten heraus. Jeder wurde von zwei Wachtmeistern geführt. Aber sie gingen aufrecht, sie brauchten keine Stütze. Hinter den Todeskandidaten
gingen viele Zivilisten, vermutlich Gestapo. SS-Männer filmten.
Ein Wachtmeister hatte uns am Fenster entdeckt; er brüllte: >Von
den Fenstern weg! <. Wir hielten einen kleinen Spiegel so, daß wir
wieder beobachten konnten. Wieviel Zeit war vergangen? Zehn
oder fünfzehn Minuten? Ich war zu erregt, um darauf achten zu
können. Das war die Sonderaktion. Wieder klapperten die Holzpantinen. Wieder die traurige Prozession. Sie kamen aus dem
Gefängnisinnern. Vermutlich war der Hinrichtungsbeschluß verlesen worden. Einer nach dem anderen wurde in den Hinrichtungsschuppen geführt, die Hände auf dem Rücken gefesselt,
die Jacke lose übergeworfen. Es dauerte etwa fünf Minuten, bis
der nächste an der Reihe war. Die Gestapo-Leute waren im
Schuppen, der Filmmann auch. In gut vierzig Minuten war alles
vorbei.«
35
© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Carl Friedrich Goerdeler
Ludwig Beck
Aus der Sicht des Gerichts gehörten alle acht Verurteilten zum
militärischen Umfeld der Verschwörung. Generalfeldmarschall
Erwin von Witzleben, der ebenso wie Generaloberst Ludwig Beck
seit 1938 gegen Hitler konspirierte, war nach den schriftlich ausgearbeiteten Plänen der Militäropposition als Oberbefehlshaber
der Wehrmacht vorgesehen. Auch Generaloberst Erich Hoepner
und Generalmajor Hellmuth Stieff gehörten zu den militärischen
Köpfen der Verschwörung, die an den Planungen mitgewirkt hatten. Der Firmenjurist Albrecht von Hagen, der kein Berufsoffizier
war, hatte sich bereits bei einem früheren Attentatsversuch an
der Beschaffung von Sprengstoff beteiligt. Die Stabsoffiziere
Friedrich Karl Klausing und Robert Bernardis erfüllten Verbindungsaufgaben im Rahmen der Operation Walküre, die unter der
Federführung des schon am 20. Juli 1944 erschossenen Generals Friedrich Olbricht und seines Stabschefs Oberst Albrecht Ritter
Mertz von Quirnheim im Bendlerblock ausgearbeitet worden
war. Generalleutnant Paul von Hase war Stadtkommandant von
Berlin und der Vorgesetzte eines nationalsozialistischen Majors,
der befehlswidrig die Abriegelung des Regierungsviertels und
die Verhaftung der nationalsozialistischen Führungsspitze in
Berlin verhinderte.
36
© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Peter Graf Yorck von Wartenburg, der zusammen mit Helmuth James Graf von Moltke den Kern des Kreisauer Kreises bildete,
wurde zu einem Zeitpunkt hingerichtet, als die Bedeutung dieser
Gruppe den Ermittlern der Sonderkommission noch nicht bewußt
war. Moltke befand sich bereits seit einem guten halben Jahr in
Haft, weil er mit den Ermittlungen gegen den früheren deutschen
Gesandten Otto Carl Kiep in Zusammenhang gebracht wurde.
Dennoch wußte die Gestapo weder von Moltkes führender Rolle im
Kreisauer Kreis noch von den Verbindungen zur Attentatsplanung,
an der er sich aus religiösen Gründen nicht beteiligte.
Auch die Rolle von zwei Opfern, die zwei Tage später nach der
Verurteilung in Plötzensee hingerichtet wurden, war der Gestapo
noch nicht völlig deutlich. Der Völkerrechtler und Marineoberstabsrichter Berthold Schenk Graf von Stauffenberg war nicht allein der Bruder des am 20. Juli 1944 ermordeten Attentäters
Stauffenberg, sondern hatte bereits weit früher als dieser Kontakte zur militärischen und zivilen Opposition. Ebenso wirkte der
Verwaltungsjurist Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg, der als
Oberleutnant der Reserve zum Kriegsdienst eingezogen war, an
den Verfassungsentwürfen der Gruppe um Carl Friedrich Goerdeler, dem ehemaligen Oberbürgermeister von Leipzig und
designierten Reichskanzler, mit und vermittelte zwischen den
verschiedenen Oppositionskreisen. Nach dem Staatsstreich
sollte entweder Schulenburg oder der Sozialdemokrat Julius
Leber Innenminister der neuen Regierung werden. (Dokument
Seite 74.)
Weitere Beteiligte starben zwischen dem 15. und 25. August
1944 in Plötzensee. Zu ihnen zählten der Berliner Polizeipräsident Wolf Heinrich Graf von Helldorf, der über Jahre hinweg ein
überzeugter Nationalsozialist gewesen war, verschiedene Offiziere und der Legationsrat Hans-Bernd von Haeften, ein Bruder
Werner von Haeftens. Auch Otto Carl Kiep wurde nun unter den
Verschwörern des Attentats abgeurteilt und hingerichtet. Zu den
wichtigsten Köpfen des Kreisauer Kreises zählte der im Auswärtigen Amt beschäftigte Adam von Trott zu Solz, der sich als außenpolitischer Botschafter der Oppposition verstand und für den Fall
des Umsturzes Verhandlungen mit den Kriegsgegnern zustande
bringen wollte. Er wurde am 26. August 1944 in Plötzensee hingerichtet.
Peter Graf Yorck von Wartenburg
Helmuth James Graf von Moltke
Mit Carl-Heinrich von Stülpnagel wurde am 30. August 1944 der
frühere Militärbefehlshaber in Frankreich verurteilt, in dessen Pariser Wehrkreis am 20. Juli 1944 die Operation Walküre wie geplant ablief und die örtlichen SS- und Gestapo-Führer verhaftet
wurden, ehe sich herausstellte, daß Hitler noch lebte. Mit ihm
starben am selben Tage die ebenfalls in Paris stationierten Obersten Eberhard Finck und Hans-Otfried von Linstow sowie Oberstleutnant Karl Heinz Rahtgens, der mit dem Oberbefehlshaber
West, Generalfeldmarschall Hans Günther von Kluge, verwandt
war. Kluge verweigerte am 20. Juli 1944 den Verschwörern die
Unterstützung, obwohl sie ihn für die Mithilfe gewonnen glaubten.
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© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Die am 4. September 1944 hingerichteten sieben Beteiligten gehörten zu den Nachrichtenexperten und Verbindungsoffizieren,
die in den Walküre-Befehlen für die einzelnen Wehrkreise genannt wurden. Vier Tage später starben neben zwei Generalstabsoffizieren auch der Diplomat Ulrich von Hassell und der Offizier Ulrich Graf Schwerin von Schwanenfeld. Hassell hatte 1940
versucht, mit dem britischen Außenminister Lord Halifax Kontakt
aufzunehmen und ihm das sogenannte Arosa-Memorandum
überreichen lassen, in dem er die Vorstellungen der deutschen
Opposition für einen nach Westen orientierten Friedensschluß
beschrieb. Am selben Tag wurde auch der katholische Rechtsanwalt Josef Wirmer hingerichtet, der während seines Prozesses
dem Volksgerichtshofpräsidenten Freisler mit überlegener Ruhe
standhielt, wie es ein erhalten gebliebener Filmausschnitt dokumentiert.
Ulrich von Hassell
Wilhelm Leuschner
Unter den am 14. September 1944 hingerichteten Beteiligten befand sich der katholische Geistliche Hermann Wehrle, dessen
einzige Beziehung zur Verschwörung vom 20. Juli 1944 darin bestanden hatte, daß er bei einem Beichtgespräch von dem geplanten Attentat erfahren und davon nicht abgeraten, sondern
die Frage dem Gewissen des einzelnen überlassen hatte. Als
Ludwig Freiherr von Leonrod sich vor Gericht auf diese Auskunft
berief, wurde Wehrle zunächst als Zeuge geladen, kurz darauf jedoch selbst wegen Mitwisserschaft angeklagt und zum Tode verurteilt. Seine Hinrichtung fand drei Wochen nach der Hinrichtung
Leonrods statt.
Am 29. September 1944 starb unter anderen der Gewerkschaftler und Sozialdemokrat Wilhelm Leuschner, der ebenso
wie sein Parteifreund Julius Leber eine Schlüsselrolle in den Verhandlungen von Carl Friedrich Goerdeler um eine Beteiligung
der Gewerkschaftsführungen aus der Weimarer Republik an einer neuen Regierung spielte. Nach mehreren Verbindungsoffizieren, die am 12. und 13. Oktober hingerichtet wurden, traf dasselbe Schicksal am 20. Oktober auch den sozialdemokratischen
Pädagogen Adolf Reichwein, der den Gesprächen und Schriften
des Kreisauer Kreises wesentliche Impulse gegeben hatte.
Reichwein befand sich wie Leber am 20. Juli 1944 bereits in Haft,
weil seine Kontaktaufnahme mit der Führung der illegalen KPD
von einem Spitzel in den Reihen der Kommunisten verraten worden war.
Der frühere deutsche Botschafter in Moskau, Friedrich-Werner
Graf von der Schulenburg, wurde am 10. November 1944 hingerichtet. Er oder Hassell sollten in der neuen Regierung das Amt
des Außenministers übernehmen. Am 14. November 1944 starben die ersten Beteiligten eines Kreises, der sich in Köln um die
ehemaligen katholischen Gewerkschaftsführer Bernhard Letterhaus und Nikolaus Groß gebildet hatte und von Carl Friedrich
Goerdeler in die Umsturzplanung einbezogen wurde. Einen anderen erschütternden Fall bezeichneten die Hinrichtungen am
30. November 1944. Mit dem Ehepaar Elisabeth und Erich Gloeden und der Mutter von Elisabeth Gloeden, Elisabeth Kuznitzky,
38
© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Adam von Trott zu Solz
Julius Leber
wurden drei Menschen ermordet, die nichts anderes getan hatten, als auf Bitten eines Freundes den auf der Flucht befindlichen
General Fritz Lindemann bei sich zu verstecken. Dafür wurden
sie zum Tode verurteilt.
Der ehemalige sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Julius Leber wurde am 5. Januar 1945 hingerichtet. Wie seine
gleichgesinnten Freunde Theodor Haubach und Carlo Mierendorff hatte er mehrere Jahre in Konzentrationslagern zubringen
müssen. Nach seiner Freilassung knüpfte er neue Verbindungen
zu früheren Sozialdemokraten und trat in engen Kontakt zum
Kreisauer Kreis um Moltke und Yorck. Moltke und Haubach wurden gemeinsam mit acht weiteren Beteiligten des Umsturzversuchs, darunter Nikolaus Groß und der ehemalige württembergische Staatspräsident Eugen Bolz, am 25. Januar 1945 in Plötzensee ermordet. Ebenfalls an diesem Tag starb der Studienrat Hermann Kaiser, der seine ausgedehnten Reisen in Deutschland
dazu nutzte, für Goerdeler Kontakte zu knüpfen.
Zu den letzten Hinrichtungen von Beteiligten des 20. Juli 1944 in
Plötzensee zählte die Vollstreckung der Todesurteile gegen Alfred Delp, Johannes Popitz und Carl Friedrich Goerdeler. Der Jesuitenpater Alfred Delp war am engsten mit dem Kreisauer Kreis
verbunden. Wie seine Ordensbrüder Lothar König und Augustin
Rösch wirkte er maßgeblich an den sozialpolitischen Entwürfen
der Kreisauer mit. Während der langen Haftzeit im Zellengefängnis Lehrter Straße schrieb er trotz Handfesseln und strengen Verboten Hunderte von Seiten über theologische und philosophische Fragen, die mit Hilfe verschiedener Personen aus dem Gefängnis hinausgeschmuggelt werden konnten. Während einer
kurzen gemeinsamen Haftzeit im Strafgefängnis Tegel vertiefte
er mit seinen evangelischen Mitgefangenen Moltke, Eberhard
Bethge und Eugen Gerstenmaier die ökumenischen Grundüberzeugen, die auch die Schriften des Kreisauer Kreises beeinflußt
hatten.
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© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Die Richtstätte,
Februar 1955
Die Einweihung des Mahnmals
zum »Gedenken der Opfer der
Hitlerdiktatur der Jahre 1933–1945«
am 14. September 1952
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© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Der ehemalige preußische Finanzminister Johannes Popitz, der
im April 1933 in sein Amt gekommen war und auch nach der Auflösung der deutschen Länder hohe Staatsämter innehatte, blieb
unter den Verschwörern des 20. Juli 1944 immer umstritten. Als
Mitglied der konservativen Mittwochsgesellschaft in Berlin arbeitete er für den Umsturz ein restauratives »Vorläufiges Staatsgrundgesetz« aus, das bei den anderen Widerstandskreisen auf
Ablehnung stieß. Popitz setzte sogar auf eine Mitwirkung der SS
unter Heinrich Himmler beim Staatsstreich. Als er nach dem 20.
Juli 1944 verhaftet wurde, nutzten ihm die persönlichen Beziehungen zu Himmler nichts.
Als einer der letzten Hauptbeteiligten starb am 2. Februar 1945 in
Plötzensee Carl Friedrich Goerdeler. Nach seinem spektakulären Rücktritt vom Amt des Leipziger Oberbürgermeisters im Jahr
1937 wirkte er ab 1938 mit dem Aufbau eines Widerstandsnetzes, aus dem die Planung für den Staatsstreich nach einem gelungenen Attentat auf Hitler hervorging. In Denkschriften und
Entwürfen kritisierte Goerdeler die nationalsozialistische Wirtschafts- und Rüstungspolitik und legte seine heftig diskutierten
Vorschläge für eine Neuordnung nach dem Sturz Hitlers vor. Als
einer der führenden Köpfe der Verschwörung sollte er das Amt
des Reichskanzlers übernehmen. Bereits vor dem 20. Juli 1944
schöpfte die Gestapo einen Verdacht gegen Goerdeler, der sich
seitdem auf der Flucht befand. Nach dem gescheiterten Anschlag konnte er zunächst entkommen, wurde jedoch später denunziert und verhaftet. Nach seinem Todesurteil am 8. September 1944 behielt ihn die Gestapo noch monatelang in Haft, um
von ihm Aussagen über das Ausmaß der Verschwörung zu erpressen.
An alle diese Menschen erinnert der historische Ort Plötzensee.
Das Gedenken schließt ebenso die Opfer der unmenschlichen
Strafpraxis unter dem Nationalsozialismus ein, wie es denen gilt,
die bewußt und entschieden zum Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime beigetragen haben. Ihre Wünsche und
Ziele für ein »anderes Deutschland« lassen sich nicht auf einen
einzigen Nenner bringen. Gemeinsam blieb ihnen jedoch die
Hoffnung auf die Nachgeborenen. Ihnen schulden auch wir die
Zukunft.
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© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Dokumente
Von der Ausnahme
zur Regel:
Die Todesstrafe
im Dritten Reich
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© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Der Reichsminister der Justiz legt
1936 erstmals vierzehn Hinrichtungsgefängnisse fest.
Bis 1945 erhöht sich die Zahl auf
einundzwanzig Vollstreckungsorte.
Rundverfügung,
28. Dezember 1936
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© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
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© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Seit 1933 nehmen die Hinrichtungen in Plötzensee von Jahr zu Jahr
zu. Einen steilen Anstieg zeigt die
Statistik in den ersten Monaten des
Jahres 1940.
Aktenvermerk der Justizverwaltung,
8. April 1940
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© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Im Herbst 1942 werden die Hinrichtungen in Plötzensee vom frühen
Morgen auf den Abend verlegt.
Die Leichen erhält das AnatomischBiologische Institut der FriedrichWilhelms-Universität. Wegen
der steigenden Zahl von Urteilsvollstreckungen soll eine weitere Hinrichtungsstätte eingerichtet werden.
Schreiben, 23. Oktober 1942
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© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
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© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
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© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Auf Betreiben des Reichsministers
der Justiz Otto Thierack wird im
Dezember 1942 der Hinrichtungsschuppen in Plötzensee mit acht
eisernen Haken ausgestattet,
um die Todesstrafe an mehreren
Personen gleichzeitig durch Erhängen vollziehen zu können.
Am 22. Dezember 1942 sterben
Arvid Harnack, Harro und Libertas
Schulze-Boysen sowie andere
Beteiligte der sogenannten Roten
Kapelle durch den Strang.
Vermerk, 12. Dezember 1942
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© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
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© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Am 13. Mai 1943 werden dreizehn
Angehörige der Harnack/SchulzeBoysen-Organisation auf persönliche Weisung Hitlers ermordet.
Bibliotheksbuch Plötzensee mit
Eintrag vom 13. Mai 1943
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© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Seit seinem Amtsantritt als
Reichsminister der Justiz im August
1942 will Otto Thierack das
Gnadenverfahren weiter verkürzen.
Auch aus der Umgebung Hitlers
wird immer wieder nachdrücklich
die raschere Vollstreckung von
Todesurteilen verlangt.
Schreiben, 3. September 1943
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© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Während des Krieges werden
im Deutschen Reich immer häufiger
Todesurteile verhängt. Dabei stehen
die als Hoch- und Landesverrat
geahndeten Delikte an erster Stelle.
Auch Widerstandshandlungen
in den besetzten Gebieten werden
häufig mit dem Tode bestraft.
Informationsdienst des
Reichsministers, Anfang 1944
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© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Massenhinrichtungen
in Plötzensee:
Die „Blutnächte" im
September 1943
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© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
In der Nacht des 3./4. September
1943 wird das Strafgefängnis
Plötzensee bei einem Bombenangriff
halb zerstört. Drei Tage später besichtigen hohe Beamte des Reichsjustizministeriums und der Berliner
Generalstaatsanwaltschaft die
Schäden. Sie empfehlen, die rund
dreihundert zum Tode Verurteilten in
Plötzensee sofort hinzurichten.
Aktenvermerk, 6. September 1943
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© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Das Fallbeilgerät in Plötzensee ist
bei dem Bombenangriff am
3./4. September 1943 beschädigt
worden und muß in der Strafanstalt
Tegel repariert werden. Deshalb
wird im Reichsjustizministerium am
7. September 1943 vorgeschlagen,
die Todesurteile im Hinrichtungsgefängnis Brandenburg-Görden zu
vollstrecken. Gleichzeitig erteilt der
Oberreichsanwalt beim Volksge-
58
richtshof einen Vollstreckungsbefehl
für vierunddreißig Fälle, in denen
das Gnadenverfahren bereits abgeschlossen ist. Die Verurteilten sollen
am selben Abend in Plötzensee
erhängt werden.
Ministervorlage, 7. September 1943
© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Die Hinrichtungen in Plötzensee
beginnen am Abend des 7. September 1943. In der ersten Nacht
werden hundertsechsundachtzig
Menschen erhängt, darunter einige,
für die noch kein Vollstreckungsbescheid vorlag. Neben den vom
Oberreichsanwalt schriftlich vorgelegten Vollstreckungsbefehlen
übermittelt das Reichsministerium
der Justiz nach einer mündlichen
Gnadenentscheidung weitere Vollstreckungsbefehle telefonisch nach
Plötzensee. Dabei kommt es zu
Fehlern. Am Morgen des 8. September 1943 wird der Reichsminister
der Justiz Otto Thierack von allen
Vorgängen unterrichtet. Trotz der
empörenden Verwechslungen
verlangt er die Fortsetzung der
Hinrichtungen.
Aktenvermerk, 8. September 1943
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© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
In der Nacht des 7./8. September
1943 leitet ein Staatsanwalt in
Plötzensee die Vollstreckungen, die
das Reichsministerium der Justiz
telefonisch anordnet. Die übermittelten Namen werden im Ministerium
zunächst handschriftlich festgehalten und mit dem Aktenzeichen
versehen, unter dem eine Begnadigung des Verurteilten abgelehnt
worden ist. Diese handschriftliche
60
Liste wird später im Reichsministerium der Justiz in einem versiegelten
Umschlag verwahrt und in den Akten
durch eine nachträglich angefertigte
maschinenschriftliche Liste ersetzt.
Seite der handschriftlichen Liste,
7./8. September 1943
© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Am Morgen des 8. September 1943
berichtet Staatsanwalt Stoltz dem
Reichsministerium der Justiz über
die „versehentlichen" Hinrichtungen.
Sie gehen vor allem auf die unübersichtlichen Listen zurück, die von
den beteiligten Beamten die ganze
Nacht über handschriftlich angefertigt und ergänzt wurden.
Trotzdem werden die Vollstreckungen an den verbliebenen Todeskan-
didaten in den nächsten Nächten
fortgesetzt. Ein später vorgelegter
Untersuchungsbericht des Generalstaatsanwalts beim Kammergericht
Hanssen entschuldigt die Irrtümer
unter anderem damit, daß vor allem
die tschechischen Namen oft einen
einander ähnlichen Klang hätten.
Aktenvermerk (Zwischenbericht)
des Generalstaatsanwalts,
8. September 1943
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© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
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© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Zwar wird nach den rund zweihundertfünfzig Vollstreckungen vom
7. bis 12. September 1943
eine disziplinarische Untersuchung
angestrengt, um die peinlichen
„Verfahrensfehler" aufzuklären. Doch
weder die beteiligten Ministerialbeamten noch die ausführenden
Vollstreckungsbeamten haben
irgendwelche Konsequenzen zu befürchten. Dem Reichsjustizministe-
rium scheint es lediglich notwendig,
nach außen hin den schlechten
Eindruck wettzumachen, der durch
den verspäteten Abtransport der
Leichen entstanden ist.
Aktenvermerk des Generalstaatsanwalts, 15. September 1943
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© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Vom Todesurteil
bis zur Kostenrechnung:
Die Hinrichtung
als Verwaltungsvorgang
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© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Über sechzehntausendfünfhundert
Todesurteile, von denen mehr als
drei Viertel vollstreckt wurden, fällt
allein die zivile Strafjustiz des Dritten
Reiches. Vom Urteilsspruch bis zur
Hinrichtung führt ein Verwaltungsvorgang, der von bürokratischer
Unbarmherzigkeit gegen die Opfer
geprägt ist. Im April 1944 beispielsweise genügt es bereits, sich das
65
Ende des Krieges zu wünschen,
um – wie der kommunistische Eisendreher Walter Erich Kluge – wegen
sogenannter Wehrkraftzersetzung
und Hochverrat zum Tode verurteilt
zu werden.
Erste Seite der Abschrift
des Todesurteils, April 1944
© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Nach jedem Todesurteil wird von
Amts wegen ein Gnadenverfahren
eingeleitet, in dem die Verurteilten
und ihre Angehörigen um die
Begnadigung zu einer Freiheitsstrafe
bitten dürfen. Das Gnadenrecht
liegt allein bei Hitler. Das Reichsjustizministerium bereitet die Gnadenentscheidung vor und empfiehlt
in der Mehrzahl der Fälle die Ablehnung der Gesuche. Hitler stimmt
diesen Vorschlägen in der Regel zu,
greift aber in einzelne Verfahren
auch persönlich ein. Die Ablehnung
der Gnadengesuche für siebzehn
Verurteilte der Harnack/SchulzeBoysen-Organisation im Juli 1943
trägt seine eigenhändige Unterschrift.
Ablehnung des Gnadengesuchs,
21. Juli 1943
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© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Mit der Ablehnung des Gnadengesuchs wird der Vollstreckungstermin
festgesetzt und allen mitgeteilt, die
an der Hinrichtung teilnehmen
sollen. Wenige Stunden vor dem
Termin erfahren die Verurteilten,
wann sie sterben müssen. So verkündet der zuständige Staatsanwalt
im vorgeschriebenen Beisein anderer Beamter dem zweiundzwanzigjährigen Hanno Günther, der als
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Angehöriger der sogenannten
Rütli-Gruppe zum Tode verurteilt
worden ist, am 3. Dezember 1942
um 13.00 Uhr, daß die Hinrichtung
für 20.00 Uhr bevorstehe.
Protokoll der Eröffnung
des Hinrichtungsverfahrens,
3. Dezember 1942
© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Der Verlauf jeder Hinrichtung muß
schriftlich protokolliert werden.
In einem Formular werden die
Namen der Hingerichteten und der
dabei Anwesenden eingetragen und
die Hinrichtungszeit festgehalten.
Die Behauptung, die Verurteilten
seien »ruhig und gefaßt« gewesen,
ist in den Akten bereits vorgedruckt.
Wie bei der als Zeugin Jehovas zum
Tode verurteilten Emmy Zehden,
die ihren Pflegesohn und zwei
weitere Wehrdienstflüchtlinge bei
s i c h versteckt gehalten hatte,
dauert die Urteilsvollstreckung mit
dem Fallbeil nur wenige Sekunden.
Protokoll der Hinrichtung am
9. Juni 1944
69
© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Die drei amtlich beauftragten
Scharfrichter und ihre Gehilfen dürfen Hinrichtungen nur vornehmen,
wenn ihnen ein schriftlicher Auftrag
der Vollstreckungsbehörde vorgelegen hat. William Bauer ist am
31. März 1943 vom Volksgerichtshof
zum Tode verurteilt worden, weil er
»einem ihm nicht näher bekannten
Ehepaar gegenüber, damit öffentlich, vor allem durch die Äußerung,
es gebe nur zwei Möglichkeiten,
entweder mache uns Hitler tot oder
wir machten Hitler tot, den Willen
des deutschen Volkes zur wehrhaften Selbstbehauptung zu zersetzen
gesucht« habe.
Auftrag zur Vollstreckung des
Todesurteils, 2. September 1943
70
© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
In der Vollstreckungsordnung
war genau geregelt, welche Personen bei den Hinrichtungen anwesend sein dürfen. Vorgeschrieben
ist die Teilnahme von verschiedenen Justizbeamten und dem
Gefängnisarzt. Für die Rechtsanwälte der Verurteilten und andere
Besucher müssen Teilnahmekarten
Der katholische Zeichner Hermann
Schmetz ist am 11. Oktober 1940
wegen angeblicher Zusammenarbeit
mit dem belgischen Nachrichtendienst zum Tode verurteilt worden.
Zwei Einlaßkarten zur Teilnahme
an den Hinrichtungen am 30. März
und 18. Dezember 1940
ausgestellt werden. Im Oktober
1942 verbietet der Reichsminister
der Justiz den Gefängnisgeistlichen, die bis dahin bei den Urteilsvollstreckungen zugelassen waren,
die Verurteilten bis in den Hinrichtungsraum zu begleiten.
71
© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Für die Kosten der Hinrichtung
müssen die Angehörigen der Hingerichteten aufkommen. Mit buchhalterischer Genauigkeit werden
sowohl die Einzelvergütung des
Scharfrichters wie Tagessätze für
die Untersuchungshaft und die Zeit
in der Todeszelle in Rechnung
gestellt. Selbst das Porto für die
Versendung der Kostenrechnung
fehlt nicht. Zum Schicksal des
wegen Wehrkraftzersetzung zum
Tode verurteilten Gustav Neubauer
sind keine weiteren Hinweise
bekannt.
Kostenrechnung für die
Angehörigen des Hingerichteten,
Mai 1944
72
© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Eine knappe Mitteilung über die
Vollstreckung des Urteils ist – neben
der Kostenrechnung – oft die einzige Nachricht, die Angehörige
über die letzten Stunden der Hingerichteten erhalten. In vielen Fällen verbleiben Abschiedsbriefe und
letzte Grüße bei den Vollstreckungsakten und werden den Familien
nicht ausgehändigt. Wie andere
Hinterbliebene bemüht sich nach
Kriegsende die Witwe von Hasso
von Boehmer, der wegen seiner
Beteiligung am Attentat vom 20. Juli
1944 zum Tode verurteilt worden ist,
vergeblich, Genaueres über die
Todesumstände ihres Mannes zu
erfahren.
Mitteilung an die Angehörigen
über die Vollstreckung
der Todesstrafe, 8. März 1945
73
© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Alle von der Justiz vollzogenen
Hinrichtungen werden im sogenannten Mordregister festgehalten, von
dem nach Kriegsende nur Teile aufgefunden werden können. Die auf
Tausenden von Karteikarten verzeichneten Namen sind heute oft
der einzige Hinweis auf Menschen,
die von der nationalsozialistischen
Justiz hingerichtet worden sind.
74
Von anderen – wie den Beteiligten
am Attentat vom 20. Juli 1944 –
erfährt die Öffentlichkeit schon vor
dem Ende des Dritten Reichs, daß
sie als aktive Gegner des nationalsozialistischen Regimes gehandelt
haben. Zu ihnen gehören die
Mitverschwörer Erich Fellgiebel,
Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg, Berthold Schenk Graf von
Stauffenberg und Alfred Kranzfelder.
Seite des offiziell so bezeichneten
Mordregisters, 10. August 1944
© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Nur wenn die Angehörigen genügend Hartnäckigkeit aufbringen,
gelingt es ihnen in den letzten beiden Kriegsjahren, die Herausgabe
der persönlichen Hinterlassenschaften der Hingerichteten durchzusetzen. Die Witwe des ehemaligen württembergischen Staatspräsidenten Eugen Bolz, der als
Mitverschwörer des 20. Juli 1944
am 23. Januar 1945 hingerichtet
worden ist, erhält erst nach über
eineinhalb Monaten die amtliche
Erlaubnis, die Nachlaßstücke ihres
Mannes im Strafgefängnis Plötzensee abzuholen. Über Bestattungsart
und -ort der meisten Hingerichteten
gibt es bis heute keine Klarheit.
Bescheid über die Herausgabe
von Nachlaßstücken, 5. März 1945
75
© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Literatur
Alt, Karl, Todeskandidaten,
Erlebnisse eines Seelsorgers im
Gefängnis München-Stadelheim mit
zahlreichen im Hitlerreich zum Tode
verurteilten Männern und Frauen,
München 1946
Améry, Jean, Jenseits von Schuld
und Sühne, Bewältigungsversuche
eines Überwältigten,
Stuttgart 1966 [2. Auflage 1980,
auch als Taschenbuch]
Anatomie des SS-Staates,
herausgegeben von
Hans Buchheim, Martin Broszat,
Hans-Adolf Jacobsen und
Helmut Krausnick, Band 1-2,
Freiburg im Breisgau 1965
[auch als Taschenbuch]
Bonhoeffer, Dietrich, Widerstand
und Ergebung, Briefe und
Aufzeichnungen aus der Haft,
herausgegeben von
Eberhard Bethge, Neuausgabe,
München 1985
Bracher, Karl Dietrich, Die deutsche
Diktatur, Entstehung, Struktur,
Folgen des Nationalsozialismus,
7.Auflage, Köln 1983
Brinkmann, Elisabeth,
Der letzte Gang, Ein Priesterleben
im Dienste Todgeweihter,
Münster 1950
Delp, Alfred,
Gesammelte Schriften,
herausgegeben von Roman Bleistein,
Band 4: Aus dem Gefängnis,
Band 5: Briefe, Texte, Rezensionen,
Frankfurt am Main 1984 und 1988
Deutschland 1933-1945,
Neue Studien zur nationalsozialistischen Herrschaft, herausgegeben
von Karl Dietrich Bracher, Manfred
Funke und Hans-Adolf Jacobsen,
Schriftenreihe der Bundeszentrale
für politische Bildung Band 314,
Bonn 1992
Du hast mich heimgesucht bei
Nacht, Abschiedsbriefe und
Aufzeichnungen des Widerstandes
1933-1945, herausgegeben von
Helmut Gollwitzer, Käthe Kühn und
Reinhold Schneider, 2. Auflage,
München und Hamburg 1966
Gruchmann, Lothar, Hitler über
die Justiz, Das Tischgespräch vom
20. August 1942, in: Vierteljahreshefte
für Zeitgeschichte 12, 1964,
Seite 86-101
Gruchmann, Lothar, Justiz im
Dritten Reich 1933-1940, Anpassung
Düsing, Bernhard,
Abschaffung der Todesstrafe in der
Bundesrepublik Deutschland,
Offenbach am Main 1952
Ehrenbuch der Opfer von
Berlin-Plötzensee, Zum Gedenken
der 1574 Frauen und Männer, die
wegen ihrer politischen oder weltanschaulichen Einstellung und wegen
ihres mutigen Widerstandes gegen
das faschistische Barbarentum
in der Strafanstalt Berlin-Plötzensee
von 1933-1945 hingerichtet wurden,
herausgegeben vom Verein der Verfolgten des Naziregimes Westberlin,
Berlin 1974
Das Gewissen steht auf,
Lebensbilder aus dem deutschen
Widerstand 1933-1945, gesammelt
und herausgegeben von
Annedore Leber in Zusammenarbeit
mit Willy Brandt und Karl Dietrich
Bracher, neu herausgegeben von
Karl Dietrich Bracher in Verbindung
mit der Forschungsgemeinschaft
20. Juli, Mainz 1984
Gostomski, Victor von und
Walter Loch, Der Tod von Plötzensee, Erinnerungen, Ereignisse,
Dokumente 1942-1945,
Freising 1969
Gostomski, Victor von und
Walter Loch, Der Tod von Plötzensee, Erinnerungen, Ereignisse,
Dokumente 1942-1944,
und Unterwerfung in der Ära Gürtner,
München 1988
Haase, Norbert,
Das Reichskriegsgericht und der
Widerstand gegen die nationalsozialistische Herrschaft, herausgegeben
von der Gedenkstätte Deutscher
Widerstand mit Unterstützung
der Senatsverwaltung für Justiz,
Berlin 1993
Hassel, Ulrich von,
Die Hassel-Tagebücher 1938-1944,
Aufzeichnungen vom anderen
Deutschland, Nach der Handschrift
revidierte und erweiterte Ausgabe,
herausgegeben von Friedrich
Freiherr Hiller von Gaertringen,
Berlin 1988
Haushofer, Albrecht, Moabiter
Sonette, [Erstausgabe Berlin 1946],
München 1989
Hoffmann, Peter, Widerstand
Staatsstreich, A t t e n t a t , Der Kampf
der Opposition gegen Hitler,
4. Auflage, München 1985
Im Namen des Deutschen Volkes,
Justiz und Nationalsozialismus,
Katalog zur Ausstellung des Bundesministers der Justiz, Köln 1989
Just-Dahlmann, Barbara und
Helmut Just, Die Gehilfen.
NS-Verbrechen und die Justiz nach
1945, Frankfurt am Main 1988
Frankfurt am Main 1993
Griebel, Regina, Marlies Coburger
und Heinrich Scheel, Erfaßt?
Das Gestapo-Album zur
Roten Kapelle, Eine Fotodokumentation, herausgegeben in Verbindung
mit der Gedenkstätte Deutscher
Widerstand, Halle 1992
76
Kaltenbrunner-Berichte siehe
»Spiegelbild einer Verschwörung«
Majer, Diemut, Grundlagen des
nationalsozialistischen Rechtssystems, Führerprinzip, Sonderrecht,
Einheitspartei,
Stuttgart und Berlin 1987
© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Metzger, Max Josef,
Für Frieden und Freiheit, Briefe aus
der Gefangenschaft, 3.Auflage,
Meitingen bei Augsburg 1964
Moltke, Helmuth James von,
Briefe an Freya 1939-1945, herausgegeben von Beate Ruhm von
Oppen, München 1988
Nationalsozialistische Diktatur
1933-1945, Eine Bilanz,
herausgegeben von Karl Dietrich
Bracher, Manfred Funke und HansAdolf Jacobsen, Schriftenreihe der
Bundeszentrale für politische Bildung
Band 192, Bonn 1983
Oleschinski, Brigitte, Der »Anatom
der Gynäkologen«, Hermann Stieve
und seine Erkenntnisse über Todesangst und weiblichen Zyklus, in:
Beiträge zur nationalsozialistischen
Gesundheitspolitik, herausgegeben
von Götz Aly und Susanne Heim,
Band 10, Berlin 1992
Schlabrendorff, Fabian von,
Offiziere gegen Hitler, Neue, durchgesehene und Erweiterte Ausgabe,
herausgegeben von Walter Bußmann
[Text der deutschen Originalausgabe
1946, ergänzt durch Passagen
der amerikanischen Ausgabe 1965],
Berlin 1984
Schriftenreihe Widerstand in Berlin
1933-1945, herausgegeben von der
Gedenkstätte Deutscher Widerstand,
Berlin, 1983-1994 [wird fortgesetzt].
Heft 1: Sandvoß, Hans-Rainer,
Wedding, 1983;
Heft 2: Ders., Steglitz und
Zehlendorf, 1986;
Heft 3: Ders., Spandau, 1988;
Heft 4: Ders., Neukölln, 1990;
Ortner, Helmut, Roland Freisler,
Mörder im Dienst Hitlers, Wien 1993
Poelchau, Harald, Die letzten
Stunden, Erinnerungen eines
Gefängnispfarrers aufgezeichnet von
Graf Alexander Stenbock-Fermor,
Berlin (Ost) 1949
[3.Auflage, Berlin (Ost) 1987]
Recht, Verwaltung und Justiz
im Nationalsozialismus, Ausgewählte
Schriften, Gesetze und Gerichtsentscheidungen von 1933-1945,
herausgegeben und erläutert von
Martin Hirsch, Diemut Majer und
Jürgen Meinck, Köln 1984
Schimmler, Bernd, Recht ohne
Gerechtigkeit, Zur Tätigkeit der
Berliner Sondergerichte im Nationalsozialismus, Berlin 1984
Wagner, Walter, Der Volksgerichtshof im nationalsozialistischen Staat,
Quellen und Darstellungen zur
Zeitgeschichte Band 16,3, Stuttgart
1974
Die Weimarer Republik 1918-1933,
Politik, Wirtschaft, Gesellschaft,
herausgegeben von Karl Dietrich
Bracher, Manfred Funke und
Hans-Adolf Jacobsen, Schriftenreihe
der Bundeszentrale für politische
Bildung Band 251, 2. Auflage,
Bonn 1988
Heft 5: Wörmann, Heinrich-Wilhelm,
Charlottenburg, 1991;
Heft 6: Sandvoß, Hans-Rainer,
Pankow und Reinickendorf, 1992;
Heft 7: Bothe-von Richthofen,
Felicitas, Wilmersdorf, 1993
Weinkauff, Hermann, Die deutsche
Justiz und der Nationalsozialismus,
Ein Überblick, Quellen und
Darstellungen zur Zeitgeschichte
Band 16,1, Stuttgart 1968
Heft 8: Sandvoß, Hans-Rainer,
Mitte und Tiergarten, 1994
Oleschinski, Brigitte, Mut zur
Menschlichkeit, Der Gefängnisgeistliche Peter Buchholz im Dritten
Reich, Königswinter in Geschichte
und Gegenwart, Heft 4,
Königswinter 1991
Thamer, Hans-Ulrich, Verführung
und Gewalt, Deutschland
1933-1945, Die Deutschen und ihre
Nation Band 5, Berlin 1986
Sinzheimer, Hugo und Ernst
Fraenkel, Die Justiz in der
Weimarer Republik, Neuwied 1968
»Spiegelbild einer Verschwörung«,
Die Opposition gegen Hitler und der
Staatsstreich vom 20. Juli 1944 in
der SD-Berichterstattung, Geheime
Dokumente aus dem ehemaligen
Reichssicherheitsamt, herausgegeben von Hans-Adolf Jacobsen,
Band 1-2, Stuttgart 1984 [Sonderausgabe 1989]
Steinbach, Peter, Nationalsozialistische Gewaltverbrechen,
Die Diskussion in der deutschen
Öffentlichkeit nach 1945,
Beiträge zur Zeitgeschichte Band 5,
Berlin 1981
Weisenborn, Günther,
Der lautlose Aufstand. Bericht über
die Widerstandsbewegung
des deutschen Volkes 1933-1945,
Hamburg 1953
Widerstand, Ein Problem zwischen
Theorie und Geschichte,
herausgegeben von Peter Steinbach,
Köln 1987
Widerstand gegen den Nationalsozialismus, Die deutsche Gesellschaft
und der Widerstand gegen Hitler,
herausgegeben von Jürgen Schmädeke und Peter Steinbach,
Publikation der Historischen
Kommission zu Berlin und der
Gedenkstätte Deutscher Widerstand,
2. Auflage, München und Zürich
1986
Steinbach, Peter, Widerstand gegen
den Nationalsozialismus, in:
Machtverfall und Machtergreifung,
herausgegeben von Rudolf Lill
und Heinrich Oberreuter, 2. Auflage,
München 1986, Seite 305-338
77
© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Inhalt
4
5
11
15
Plötzensee:
Ort der Opfer – Ort der Täter
Kein Gedenken ohne Fragen
Die Strafjustiz im Nationalsozialismus
Hinrichtungen in Plötzensee
20
Menschen im Widerstand gegen den
Nationalsozialismus
21
23
Kommunisten, Sozialisten und Sozialdemokraten
Jugendgruppen
23
Rütli-Gruppe
24
25
29
31
33
Gruppe Baum
Der Widerstandskreis Harnack/Schulze-Boysen
Ausländische Gefangene
Widerstand im Alltag
Beteiligte am Umsturzversuch des 20. Juli 1944
42
Dokumente
42
Von der Ausnahme zur Regel:
Die Todesstrafe im Dritten Reich
Massenhinrichtungen in Plötzensee:
Die »Blutnächte« im September 1943
Vom Todesurteil bis zur Kostenrechnung:
Die Hinrichtung als Verwaltungsvorgang
56
64
76
78
Literatur
© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Gedenkstätte
Deutscher Widerstand
Die Gedenkstätte Plötzensee gehört
zur Stiftung
Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Stauffenbergstraße 13-14
Eingang über den Ehrenhof
D-10785 Berlin-Mitte
Telefon 030 / 26995000
Telefax 030 / 26995010
Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen für Lehrerinnen und
Lehrer sowie andere Multiplikatoren
in der Bildungs- und
Ausbildungsarbeit (Umfang und
Dauer: nach Absprache).
Projektveranstaltungen zur
Erarbeitung von Sonderausstellungen
Internet http://www.gdw-berlin.de
zu einzelnen Themen des
E-mail: [email protected]
Widerstandes gegen den
Nationalsozialismus (Umfang und
Dauer: nach Absprache).
Öffnungszeiten der
Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Montag bis Mittwoch,
Freitag 9 - 18 Uhr
Donnerstag 9 - 20 Uhr
Sonnabend, Sonntag
und an Feiertagen 1 0 - 1 8 Uhr
Eintritt frei
Termine zu Vortrags- und anderen
auch die vielfältigen Formen des
Widerstehens aus christlicher
Überzeugung, die militärischen
Umsturzversuche zwischen 1938 und
1944, die aktive Konspiration
entschiedener Regimegegner im
Zentrum der Macht, aber auch die
Opposition von Jugendlichen und
den Widerstand im Kriegsalltag. Dies
schließt die Darstellung unterschiedlicher Traditionen und
Denkhaltungen sowie der Situationen
und Ziele ein, die zwischen 1933 und
1945 Widerstand ermöglicht und
öffentlichen Veranstaltungen der
geprägt haben.
Gedenkstätte Deutscher Widerstand
werden in der Presse und im Internet
veröffentlicht. Auf Wunsch wird Ihre
Anschrift in den Veranstaltungsverteiler der Gedenkstätte Deutscher
Widerstand ist ein Ort der Erinnerung,
der politischen Bildungsarbeit und
des Lernens. Sie will zeigen, wie sich
Widerstand aufgenommen.
einzelne Menschen und Gruppen in
Die Gedenkstätte Deutscher
Widerstand bietet nach vorheriger
Anmeldung (mindestens vier Wochen
vor dem gewünschten Termin)
unterschiedliche Veranstaltungen für
Gruppen an:
Führungen durch ausgewählte
Bereiche der Ausstellung mit
Informationsgesprächen über
beispielhafte Widerstandshandlungen
einzelner Menschen oder von
Gruppen oder deren Motive und
Die Gedenkstätte Deutscher
Widerstand befindet sich im
historischen Bereich des ehemaligen
Die Gedenkstätte Deutscher
den Jahren 1933 bis 1945 gegen die
nationalsozialistische Diktatur
gewehrt und ihre Handlungsspielräume genutzt haben.
Oberkommandos des Heeres in der
Stauffenbergstraße
(bis 1955: Bendlerstraße).
Veröffentlichungen der Gedenkstätte
Deutscher Widerstand
Seminare nach vorheriger Absprache
über Themen und Ablauf nach den
Interessen der Teilnehmenden
(Umfang und Dauer: nach
In den Räumen der heutigen
Ausstellung befand sich mit dem
Arbeitszimmer von Claus Schenk
Graf von Stauffenberg die Zentrale
des Umsturzversuches vom 20. Juli
1944. Nach dessen Scheitern und
dem erzwungenen Freitod von
Generaloberst Ludwig Beck wurden
im heutigen Ehrenhof der
Gedenkstätte noch in derselben
Nacht Oberst Claus Schenk Graf von
Stauffenberg, General Friedrich
Olbricht, Oberstleutnant Albrecht
Ritter Mertz von Quirnheim und
Absprache, mindestens
Oberleutnant Werner von Haeften
Forschungsergebnisse und
3,5 Stunden).
erschossen.
Quelleneditionen.
Die 1989 eröffnete ständige
Ausstellung Widerstand gegen den
Nationalsozialismus dokumentiert mit
über 5000 Fotos und Dokumenten in
26 Bereichen die gesamte Breite und
Vielfalt des Kampfes und der
Die Reihen werden fortgesetzt. Auf
Wunsch wird ein Verzeichnis der
Publikationen zugeschickt.
Ziele. Die Themen können bei der
Anmeldung oder vor der
Veranstaltung abgesprochen werden
(Dauer: 90 bis 120 Minuten).
Begleitmaterial zur Ausstellung
Widerstand gegen den Nationalsozialismus: Raumblätter und
Faksimiles zu Einzelthemen.
Beiträge zum Widerstand
1933-1945: Vorträge oder Aufsätze
von Zeitzeugen und Wissenschaftlern
zu verschiedenen Aspekten des
Widerstandes.
Schriften der Gedenkstätte
Deutscher Widerstand: Neue
Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus. Sie behandelt nicht nur
den politischen Widerstand gegen
den Nationalsozialismus, sondern
79
© Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Quellennachweise
Herausgeber
Impressum
Die Gedenkstätte Plötzensee
liegt am Hüttigpfad,
13627 Berlin-Charlottenburg
Telefon 030 / 344 32 26 (Plötzensee)
oder Telefon 030 / 26 99 50 00
und Telefax 030 / 26 99 50 10
Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Abbildungen und Dokumente
Bundesarchiv: 43/44, 45, 46-49,
50/51, 53, 54/55, 56/57, 58, 59, 60,
61/62, 63, 65, 66/67, 68, 69, 74.
Öffnungszeiten:
März bis Oktober
9 - 17 Uhr
November bis Februar 9-16 Uhr
(geschlossen 24., 25., 26., 31. Dezember und
1. Januar)
Eintritt frei
Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz,
Berlin: 34.
Diözesanarchiv, Regensburg: 52.
Gedenkstätte
Deutscher Widerstand, Berlin:
2/3,7, 14, 16, 19(2), 21,22, 23, 24,
25, 26, 30, 31 (2), 32, 35, 36 (2),
37 (2), 38 (2), 39 (2), 70, 71 (2), 72.
Landesbildstelle, Berlin: 4, 5, 6, 8, 9,
17, 18,20,40(2).
4. Auflage 2002
Klaus Lehnartz: Titel.
©1994, 1995, 1997,2002
Privatbesitz: 27, 73, 75.
by Gedenkstätte Deutscher Widerstand,
Stauffenbergstraße 13-14,
10785 Berlin-Mitte
Längere Zitate
Redaktion:
Seite 4: Text der vom Regierenden
Ferdinand Schwenkner
Dr. Johannes Tuchel
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Baltmannsweiler
Druck:
Moellerdruck Berlin
Bürgermeister Ernst Reuter
unterzeichneten Urkunde im Grundstein der Gedenkstätte Plötzensee,
September 1951.
Seite 5: Gostomski/Loch,
Der Tod von Plötzensee, 1993,
Seite 106.
Alle Rechte vorbehalten
Printed in Germany 2002
Seite 15: Gruchmann,
Hitler über die Justiz, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 12, 1964,
Seite 96.
ISBN 3926082054
Die Deutsche Bibliothek -
CIP-Einheitsaufnahme
Seite 19: Poelchau,
Die letzten Stunden, 1987,
Gedenkstätte Plötzensee/
Seite 48, 49, 50.
Brigitte Oleschinski. Hrsg. von der
Gedenkstätte Deutscher Widerstand Berlin. 4. Aufl. -
Seite 35: Gostomski/Loch,
Berlin: Gedenkstätte Dt. Widerstand, 2002
Der Tod von Plötzensee, 1969,
Seite 185.
ISBN 3-926082-05-4
NE: Oleschinski, Brigitte;
Gedenkstätte Deutscher Widerstand Berlin <Berlin>
80
Die Broschüre darf nicht zur Werbung
für Parteien verwendet werden.
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