Integration braucht Bildung!

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Integration braucht Bildung!
Policy Paper der Bertelsmann Stiftung
Policy Paper | Seite 2
Integration braucht Bildung!
Policy Paper der Bertelsmann Stiftung
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Christiane Reusch
Kommunikationsmanagerin
Bertelsmann Stiftung
Telephone: 05241-81 81371
Fax:
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Internet:
www.bertelsmann-stiftung.de
Policy Paper | Seite 3
Inhalt
Integration braucht Bildung! .....................................................................................................4
Kurzfassung.............................................................................................................................. 5
Die Herausforderung ..................................................................................................................... 5
Der Veränderungsbedarf .............................................................................................................. 5
Die Lösungsansätze ...................................................................................................................... 5
I. Die Situation .......................................................................................................................... 7
II. 10 Lösungsansätze aus Sicht der Bertelsmann Stiftung ..................................................... 9
1. Interreligiöser und interkultureller Dialog......................................................................... 9
2. Investition in Integration ...................................................................................................... 9
3. Kinder früher fördern .......................................................................................................... 9
4. Sprachförderung ............................................................................................................... 10
5. Chancengerechtigkeit in der Bildung = Integrationsmotor........................................... 10
6. Berufliche Perspektive ..................................................................................................... 11
7. Perspektiven für Kinder mit Duldung und so genannter „Illegaler“............................ 12
8. Partizipation fördern ......................................................................................................... 12
9. Integrationsgipfel – partizipativ ....................................................................................... 13
10. Kommunales und regionales Integrationsmanagement............................................. 13
III. Fazit...................................................................................................................................14
Liste mit Ansprechpartnern Integration von Zuwanderern ..................................................... 15
Policy Paper | Seite 4
Integration braucht Bildung!
Deutschland muss sich endlich der gesellschaftspolitischen Herausforderung
"Integration" stellen. Integration kann nur gelingen, wenn unsere Gesellschaft
Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund Chancen einräumt.
Denn nur dann werden sie ihren Ort in unserer Gesellschaft finden und aktive
Bürger dieser Gesellschaft werden. Eine Schlüsselrolle spielt dabei ein
Bildungssystem, das kommunal und regional verankert ist. Deutschland
braucht ein Bildungssystem, das Chancen eröffnet und nicht – wie bisher –
Erfolge von sozialer Herkunft abhängig macht.
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Kurzfassung
Die Herausforderung
Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund sind die Verlierer in unserem
Bildungssystem. Sie gehören in Deutschland zu der Gruppe von Menschen, deren
Chancen auf gelungene Integration in das Berufsleben schon in Kindergarten und
Schule negativ entschieden werden. Diese Situation bedroht auf Dauer unseren
sozialen Frieden, die Fortentwicklung des Wirtschaftsstandortes Deutschland und
unsere Rolle in einer globalisierten Welt. Vor allem widerspricht sie dem Leitbild
einer toleranten, demokratischen und offenen Gesellschaft.
Der Veränderungsbedarf
Integration durch Beschäftigung bzw. Partizipation am Arbeitsmarkt und in der
Gesellschaft ist abhängig von gelingenden Bildungsprozessen. Das Bildungssystem
muss sich systematisch auf die dauerhafte Aufgabe Integration einstellen. In
Kindergarten, Schule, Ausbildungsbetrieben und Universitäten muss die Integration
als gesellschaftliche Herausforderung von Anfang an mitgedacht werden.
Die Lösungsansätze
1.
Integration
bedeutet
interkulturelle
und
„Einheit
in
interreligiöse
der
Vielfalt“.
Dialoge
Deshalb
müssen
Bestandteile
unserer
demokratischen Dialogkultur werden.
2.
Für die wirtschaftliche Zukunft und den sozialen Frieden unserer
Gesellschaft ist es unverzichtbar, in die Integration von Zuwanderern zu
investieren.
3.
Integration muss früh beginnen und setzt von Geburt an die enge
Kooperation von Medizinern, Migrantenorganisationen, Jugendhilfe und
Kindergärten voraus.
4.
Integration bedarf der Sprachförderung von Anfang an – nicht nur für
Deutsch,
sondern
auch
für
die
Muttersprache
der
Kinder
und
Jugendlichen.
5.
Chancengerechtigkeit in einem integrativen Bildungssystem ist ein
unverzichtbares Postulat für eine Gesellschaft, in der der Bildungserfolg
bisher stark von der sozialen Herkunft abhängt.
Policy Paper | Seite 6
6.
Benötigt werden neue Formen der Kooperation zwischen Bildungs- und
Beschäftigungssystem bzw. Wirtschaft, um Kindern und Jugendlichen mit
Migrationshintergrund berufliche Perspektiven zu eröffnen.
7.
Die Gesellschaft, die sich in ihrem Verhalten an den Menschenrechten
orientiert, kann die Augen vor der schwierigen Situation von Menschen
mit ungesichertem Aufenthaltsstatus nicht verschließen. Auch Kinder und
Jugendliche, die nur einen Duldungsstatus haben oder sich illegal in
Deutschland aufhalten, besitzen das Menschenrecht auf Bildung.
8.
Integration setzt die politische Partizipation von Migranten in lokalen und
überregionalen Entscheidungsprozessen voraus.
9.
Integration muss Chefsache sein. Ein regelmäßiger Integrationsgipfel auf
höchster
politischer
Ebene,
der
Kommunen,
Länder
und
Bund
berücksichtigt, muss ein fester Bestandteil unserer politischen Kultur
werden, um Integration als Herausforderung der gesamten Gesellschaft
im Bewusstsein der Öffentlichkeit zu verankern.
10. Integration geschieht in Städten und Landkreisen, Stadtteilen und
Wohnvierteln und bedarf deshalb erprobter Strategien der kommunalen
Integrationspolitik, die allen Akteuren Partizipationsmöglichkeiten bietet
und eng mit der kommunalen Bildungslandschaft vernetzt ist.
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I. Die Situation
Die Integration von Zuwanderern ist eine der wichtigsten gesellschaftlichen
Herausforderungen. Diese Erkenntnis kommt oft erst dann, wenn Versäumnisse
öffentlich werden: zum Beispiel als Hilferuf einer Schule. Obwohl die ersten so
genannten „Gastarbeiter“, die bereits vor ca. 50 Jahren nach Deutschland kamen,
inzwischen Kinder, Enkelkinder und teilweise schon Urenkel haben, ist die Aufgabe
der Integration bislang nicht systematisch und nachhaltig bearbeitet worden.
Erst seit fünf bis sechs Jahren besteht – auf Grundlage des Berichtes der
Zuwanderungskommission – der politische Konsens, dass Deutschland ein
Einwanderungsland ist. Seitdem verbreitet sich langsam die Einsicht, dass
Integration eine der wichtigsten Aufgaben von Kommunen, Ländern und Bund ist.
Allerdings ist dieser Paradigmenwechsel noch längst nicht in den Köpfen der
Menschen angekommen. Wir müssen uns von der Illusion einer homogenen
Gesellschaft verabschieden. Es geht darum, die Vielfalt der Gesellschaft als Chance
zu erkennen und zu gestalten.
Das Bildungssystem spielt eine Schlüsselrolle für gelungene Integration. Gerade
Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund werden jedoch im deutschen
Bildungssystem systematisch benachteiligt. Die Pisa-Studien belegen, dass in kaum
einem Land der Bildungserfolg so sehr von der sozialen Herkunft bestimmt wird.
Trotzdem gibt es bis heute keine systematische Herangehensweise zur Herstellung
von Bildungsgerechtigkeit. Der Besuch des Bildungsexperten Vernor Muñoz aus
Costa
Rica
im
Auftrag
der
UN
im
Februar
2006
hat
erneut
diesen
gesellschaftspolitischen Skandal der Bildungsbenachteiligung in Deutschland
dokumentiert.
Integration ist ein Prozess, der Anforderungen an die Integrationsbereitschaft beider
Seiten stellt: Die Zuwanderer bemühen sich um das Verstehen von Sprache und
Kultur des Aufnahmelandes, die Aufnahmegesellschaft heißt die Zuwanderer
willkommen und bemüht sich um Integration. Abschreckungs- und Drohgebärden
sind kontraproduktiv, da sie Gegenreaktionen provozieren und als Signal
mangelnder Integrationsbereitschaft verstanden werden, die zwangsläufig zu
mangelnder Integrationsbereitschaft führt. Forderungen nach Abschiebung sind
eher als Populismus zu verstehen. Sie richten sich überwiegend gegen Jugendliche,
die größtenteils hier geboren und aufgewachsen sind und für die die deutsche
Gesellschaft ebenfalls Verantwortung trägt. Integration darf nicht als reine
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Anpassung verstanden werden, sondern ist als gegenseitige Verständigung zu
sehen, die – erfolgreich umgesetzt – einen Mehrwert für beide Seiten bringt.
Zuwanderung ist längst kein Minderheiten-Thema mehr. In großen Städten haben
rund 30 Prozent der Jugendlichen einen Migrationshintergrund, in manchen
Stadtteilen sind es bereits 40 Prozent und mehr, in manchen Schulklassen 80
Prozent und mehr. Ein Teil dieser Jugendlichen – Zuwanderer der zweiten und
dritten Generation – ist zwar in Kultur, Wirtschaft oder Wissenschaft erfolgreich, ein
Besorgnis erregend großer Teil hingegen ist ohne Chancen: Jeder fünfte
ausländische
Jugendliche
verlässt
die
Schule
ohne
Schulabschluss.
Die
Arbeitslosenquote von Menschen mit Migrationshintergrund ist doppelt so hoch wie
die von Deutschen. Noch deutlicher sind die Zahlen bei Hartz-IV- bzw.
Sozialhilfeempfängern.
Diese erschreckenden Zahlen dürfen nicht den Blick dafür verstellen, dass
Deutschland in Zukunft verstärkt auf Zuwanderung angewiesen ist, nicht zuletzt, um
dem absehbaren Fachkräftemangel zu begegnen. In der EU nimmt die Zahl der
Arbeitsemigranten zu. Im Segment der qualifizierten Arbeitsemigranten hinkt
Deutschland gegenüber anderen Industrienationen jedoch hinterher. Zwar wurden
bis Ende 2003 ca. 15.600 IT-Experten mit der „Greencard“ nach Deutschland
geholt. Seit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes allerdings ist die Zahl der
qualifizierten Arbeitsemigranten rückläufig. Bei denen, die zuziehen, fehlen die
„High Potentials“. Die Qualifikation der jungen Zuwanderer wird zur Schlüsselfrage.
Es wird immer wichtiger, stärker in Bildung und Ausbildung der Kinder und
Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu investieren. Die Konzepte müssen bei
der Sprachförderung beginnen und dann die Kompetenzen ausbilden, die für ein
Vorankommen in Gesellschaft und Arbeitsmarkt notwendig sind.
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II. 10 Lösungsansätze aus Sicht der Bertelsmann Stiftung
1. Interreligiöser und interkultureller Dialog
Die Gestaltung der deutschen Gesellschaft in Vielfalt setzt einen interreligiösen und
interkulturellen
Dialog
sowie
einen
inhaltlichen
Austausch
zwischen
Aufnahmegesellschaft und Zuwanderern voraus. Diesen Dialog müssen alle
gesellschaftlichen
Akteure
Religionsgemeinschaften,
organisieren
Kommunen
und
und
führen:
Zivilgesellschaft,
Kirchen
und
Politik
und
Wissenschaft, Wirtschaft und Medien. Bisher häufig zu vernehmende gegenseitige
Schuldzuweisungen helfen nicht weiter. Vielmehr müssen nicht nur die jeweiligen
kulturellen Sichtweisen, sondern auch klare Umgangsregeln sowie die Rechte und
Pflichten für alle Beteiligten transparent gemacht werden. Auf dieser Grundlage
kann kulturelle Vielfalt für alle gewinnbringend sein.
2. Investition in Integration
Wir sind zu einer erfolgreichen Integration verpflichtet, um Kindern und
Jugendlichen mit Migrationshintergrund eine faire Chance zu geben, eine aktive
Rolle in unserer Gesellschaft zu spielen. Wer sich mit Bildungsbenachteiligung
abfindet, die zu mangelnder Beschäftigung und damit zu Integrationsdefiziten führt,
gefährdet den sozialen Frieden. Deshalb hat Integration Priorität. Für diese
gesellschaftliche Priorität müssen die notwendigen Mittel bereit gestellt werden. Es
geht darum, nach über 50 Jahren endlich in die Zukunft zu investieren, damit
Kindertagesstätten und Schulen die zusätzlichen Aufgaben wahrnehmen können:
die Potenziale der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund fördern und
nicht länger brachliegen zu lassen.
3. Kinder früher fördern
Die Förderung und Integration von Kindern mit Migrationshintergrund sollte
grundsätzlich so früh wie möglich beginnen. Hier haben Kindertageseinrichtungen
eine besonders wichtige Funktion, weil Kinder spielerisch nicht nur den Umgang mit
Gleichaltrigen lernen, sondern auch ihre Sprache und Kultur.
Professionelle Elternarbeit muss bereits mit Geburt der Kinder ansetzen, um die
Eltern zu unterstützen und in die Integration der Kleinsten mit einzubeziehen. Sie
erstreckt sich aber auch auf die gesundheitliche Prävention, beispielsweise bei den
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Vorsorgeuntersuchungen (U1 – U9). Hier empfiehlt sich die Zusammenarbeit der
zuständigen Institutionen mit Migrantenselbstorganisationen, die ihrerseits für
Integrationsbereitschaft werben, beispielsweise durch Hausbesuchsprogramme.
Langfristig treten wir ein für einen Rechtsanspruch auf einen kostenlosen
Kinderbetreuungsplatz vom zwölften Lebensmonat an. Vor dem Hintergrund der
kommunalen Haushaltsprobleme allerdings sollten Investitionen in die Qualität
vorhandener frühkindlicher Betreuungseinrichtungen Vorrang haben.
Diese Qualität setzt allerdings eine bessere Ausbildung, insbesondere die
interkulturelle
Weiterbildung
sowie
die
Einstellung
von
mehrsprachigen
Erzieherinnen voraus.
4. Sprachförderung
Sprache ist der wichtigste Schlüssel zur Integration, wobei sich Integration nicht in
Sprachförderung erschöpfen kann, sondern auch alle Dimensionen Interkultureller
Kompetenz vermitteln sollte. Sprachförderung muss so früh wie möglich, das heißt
spätestens in Kindertagesstätten einsetzen. Flankierend sollten den Eltern dieser
Kinder entsprechende Angebote zur Verfügung gestellt werden, beispielsweise
„Mama-lernt-Deutsch-Kurse“. Zur kulturellen Vielfalt zählt auch der Respekt vor der
Muttersprache der jeweiligen Kultur, sie ist das Bindeglied zwischen den Kindern
und den Eltern. Sprache muss in die Alltagswelt der Kinder und ihrer Familien
eingebunden sein. Im Sinne eines ganzheitlichen Sprachförderungsansatzes baut
die Vermittlung neuer Sprachen auf der muttersprachlichen Kompetenz auf – hier
sind integrative, handlungsorientierte Sprachangebote gefragt.
5. Chancengerechtigkeit in der Bildung = Integrationsmotor
Auch wenn Integration eine Aufgabe aller gesellschaftlichen Akteure ist, sind
Bildung und frühkindliche Förderung zentrale Handlungsfelder der Gesellschaft.
Benachteiligung beim Zugang zur Bildung aufgrund gesellschaftlicher Zugehörigkeit
ist ungerechte Chancenvergabe und trifft Migrantenkinder besonders hart. Es geht
nicht an, dass sich Migrantenkinder in „Restschulen“ konzentrieren. Deutschland
muss sich bei der Suche nach einem besseren und gerechten Schulsystem aus
seiner
ideologischen
Sackgasse
heraus
bewegen.
Das
Hinterfragen
der
Legitimation eines gegliederten Schulsystems, dessen Selektionsmechanismen de
facto nicht begabungsfördernd, sondern diskriminierend wirken, darf kein Tabu sein.
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Deutschland braucht einen breiten gesellschaftlichen Konsens darüber, dass die
Schule jedes Kind und jeden Jugendlichen mitnehmen und fördern soll.
Folgende Veränderungen leisten einen Beitrag zu dieser Entwicklung zugunsten der
Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund:
• Ein integratives Schulsystem, das mittelfristig die auch demographisch
unhaltbare Drei- und Mehrgliedrigkeit der Schulen überwindet.
• Eine professionelle Elternarbeit für Eltern mit Migrationshintergrund, damit
Schulen und Eltern gemeinsam die Förderung und Integration der Kinder
auch unter Bedingungen kultureller Differenz unterstützen.
• Einstellen von Lehrern mit Migrationshintergrund in den Schulbetrieb sowie
interkulturelle Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften.
• Berufswahlorientierung
in
der
Schullaufbahn
von
Anfang
–
eine
flächendeckende Einführung von Kompetenzfeststellungen empfiehlt sich
zudem von der siebten Klasse an.
• Erziehung zu Demokratie, Toleranz und Interkultureller Kompetenz,
Umsetzung von Partizipation und Vermittlung der Prinzipien individueller
Freiheit
und
der
Grundwerte
als
interkultureller
Auftrag
der
Bildungsinstitutionen; dieser Bildungsauftrag schließt die Sensibilisierung
der Mehrheitsgesellschaft und der Zuwanderer für die Vielfalt der Kulturen
ein.
Ausgangspunkt
dafür
ist
aus
unserer
Sicht
die
Menschenrechtserziehung.
• Anwendung
neuer
Erkenntnisse
der
differenzierten
Koedukation
insbesondere auf Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund – dazu
gehört die Reflektion traditioneller Rollenmuster in der Mädchen- sowie in
der Jungenarbeit.
• Behandlung des Islam als gleichberechtigte Religion in Kindergärten und
Schule – beispielsweise durch Angebot islamischen Religionsunterrichtes
in staatlichen Einrichtungen, wie beispielsweise in Niedersachsen.
6. Berufliche Perspektive
Eines der dringlichsten Probleme ist die hohe Arbeitslosigkeit von Jugendlichen mit
Migrationshintergrund. Mangelnde berufliche Zukunftsperspektiven führen zu
individueller Frustration und können in letzter Konsequenz auch den sozialen
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Frieden gefährden. Auch Migranten mit guter Qualifikation haben häufig schlechtere
Chancen auf dem Arbeitsmarkt als deutsche Jugendliche, sie schneiden darüber
hinaus bei Einstellungstests trotz hoher Begabung häufig schlechter ab aufgrund
mangelnder Sprachkenntnisse. Hier sind alle beteiligten Akteure gefordert,
Problemlösungen zu entwickeln, denn nur gemeinsame Anstrengungen von
Unternehmen, Politik, Schulen, Ausbildern und Eltern können die Integration von
jungen
Menschen
mit
Migrationshintergrund in
die
Arbeitswelt
nachhaltig
verbessern. Diese Notwendigkeit ergibt sich nicht nur aus gesellschaftspolitischen
Gründen. Auch im Hinblick auf den drohenden Fachkräftemangel: Im internationalen
Wettbewerb sind qualifizierte Arbeitskräfte das wichtigste Kapital der Unternehmen
und damit der gesamten Volkswirtschaft. Daher appellieren wir an die Bereitschaft
aller Akteure, die am Übergangsprozess von der Schule in die Arbeitswelt beteiligt
sind, auch Jugendlichen mit Migrationshintergrund gleiche Bildungschancen und
berufliche Perspektiven zu geben.
7. Perspektiven für Kinder mit Duldung und so genannter „Illegaler“
Besonders schwierig ist die Situation für Jugendliche mit Duldungsstatus. Sie haben
keinen rechtlichen Zugang zu Ausbildung und Arbeit und damit auch keine
berufliche Perspektive. Für sie stellt sich subjektiv die Frage „Wofür soll ich lernen?“
– wie teilweise bei den arabischen „staatenlosen“ Jugendlichen in der Rütli-Schule
in Berlin deutlich wurde. Aufgabe der Politik ist daher, Jugendlichen mit
Duldungsstatus gesetzlich eine Ausbildungs- und Arbeitserlaubnis zu ermöglichen.
Inakzeptabel ist zudem, dass Kinder von so genannten „Illegalen“ nicht einmal einen
rechtlichen Zugang zu Kindergarten und Schule haben. Auch für sie sollte die
Schulpflicht gelten, solange sie sich in Deutschland aufhalten.
8. Partizipation fördern
Die Beteiligung an Entscheidungsprozessen in Schule und Gemeinwesen ist ein
wirksames Instrument zur Verbesserung der Integration und Teilhabe gerade für
benachteiligte Kinder und Jugendliche. Insbesondere junge Menschen mit
Migrationshintergrund erfahren durch die aktive Einbeziehung in Beteiligungs- und
Gestaltungsprozesse eine Stärkung ihrer Kompetenzen und Schutzfaktoren sowie
gesellschaftliche Anerkennung. Ein Königsweg zur Verstärkung sozialer Integration
sowie zur Vermeidung und Bekämpfung von Ausgrenzung ist die Ausweitung von
Partizipationsmöglichkeiten.
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Dabei kommt der Verbesserung der Teilhabe erwachsener Zuwanderer am
gesellschaftlichen Leben eine Schlüsselfunktion zu. Als wichtige Brückenbauer und
Multiplikatoren haben sich dabei Migrantenselbstorganisationen, Migrationsräte,
Schlüsselpersonen der Zuwanderergruppen erwiesen.
9. Integrationsgipfel – partizipativ
Die Bertelsmann Stiftung begrüßt das Vorhaben der Bundesregierung, einen
Integrationsgipfel einzuberufen, der regelmäßig wiederholt wird. Dieser macht
jedoch nur dann Sinn, wenn Organisationen der Zuwanderer partizipieren und auf
Augenhöhe mitreden werden. Andernfalls werden die auf dem Integrationsgipfel zu
diskutierenden Handlungsansätze die Akzeptanz der Zuwanderer und ihrer
Organisationen nicht erreichen.
10. Kommunales und regionales Integrationsmanagement
Integration von Zuwanderern kann nicht allein in Schulen erfolgen. Hier sind
vielmehr alle politischen und gesellschaftlichen Akteure sowie Institutionen gefragt:
kommunale Politik und Verwaltung, Wirtschaft, Kindergärten, Zivilgesellschaft sowie
Bundes- und Landespolitik. Integration ist eine gesamtgesellschaftliche und – auf
lokaler Ebene – eine gesamtstädtische Querschnittsaufgabe, die systematisch
angegangen werden muss. Gefragt sind Handlungskonzepte und klare Prioritäten.
Eine erfolgreiche kommunale, strategische Integrationspolitik setzt die Vernetzung
aller Beteiligten voraus, insbesondere die Kooperation der Kommunen mit Schulen,
Jugendhilfe, Wirtschaft, Migrantenselbstorganisationen und Verbänden. Dazu
gehört vor allem auch ein kommunales Bildungsmanagement, das effektive und
intelligente Antworten auf besondere Herausforderungen am Ort bietet, zum
Beispiel die Konzentration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund
in bestimmten Schulen oder soziale Verwahrlosung und Gewalttätigkeit in
Problemstadtteilen. Auf diese Weise ließen sich unter anderem Sozialarbeiter in
betroffenen Schulen zielgerichtet einsetzen. Unabdingbar im Rahmen des
kommunalen Schulmanagements ist zudem eine koordinierte Vernetzung von
Schulen
mit
ortsansässigen
Betrieben
Berufsorientierung der Schulen stärkt.
und
Unternehmen,
die
auch
die
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III. Fazit
In Deutschland ist Integrationspolitik aufgrund politischer und ideologischer
Fehleinschätzungen über Jahrzehnte vernachlässigt worden. Vor allem im
Bildungssystem,
das
Kinder
und
Jugendliche
mit
Migrationshintergrund
systematisch benachteiligt, besteht mittlerweile dramatischer Reformbedarf. In
Deutschland – und in fast allen EU-Mitgliedsstaaten – müssen wir uns von
Vorstellungen einer homogenen Gesellschaft verabschieden und wirkungsvolle
Modelle für eine Gesellschaft des kulturellen Miteinanders entwickeln, die Einheit in
der Vielfalt ermöglichen und Konflikte produktiv bearbeiten. Dies wird nur möglich
sein, wenn Integration als Querschnittsaufgabe in allen wichtigen gesellschaftlichen
Feldern begriffen und insbesondere im Bildungssystem Chancengerechtigkeit
hergestellt wird.
Policy Paper | Seite 15
Liste mit Ansprechpartnern Integration von Zuwanderern
Integration von Zuwanderern
Michael Seberich
05241 / 81 81 267
[email protected]
Strategien der Kommunen
Claudia Walther
05241 / 81 81 360
[email protected]
Kinder früher fördern
Petra Klug
05241 / 81 81 347
[email protected]
Anette Stein
05241 / 81 81 274
[email protected]
Integration in der Bildung
Ulrich Kober
05241 / 81 81 598
[email protected]
Ausbildung
Clemens Wieland
05241 / 81 81 352
[email protected]
Partizipation von Jugendlichen
Projekt MitWirkung
Sigrid Meinhold-Henschel
05241 / 81 81 252
[email protected]
Martin Biebricher
05241 / 81 81 379
[email protected]
Policy Paper | Seite 16
Gesundheit und Qualität an Schulen
Rüdiger Bockhorst
05241 / 81 81 508
[email protected]
Kulturdialog
Malte Boecker
05241 / 81 81 368
[email protected]
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