„50 Millionen Schummel-Eier pro Jahr – vorsichtig geschätzt“

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Eier auf den Markt kommen
(siehe Kasten).
Die Konsumenten sind
mittlerweile völlig verunsichert. Welchen Produkten
kann noch getraut werden? Ist,
wenn „bio“ draufsteht, auch
tatsächlich „bio“ drin? Und:
Was ist eigentlich mit Österreichs Lebensmittelkontrolle
los, dass solche Betrügereien
jahrelang unentdeckt bleiben?
Politischer Eiertanz.
NEWS fragte bei den zuständigen Politikern nach. Das Ergebnis: Wenig konkrete Antworten, stattdessen ein verbaler Eiertanz.
Rohe Eier fallen in das Ressort von Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich,
ÖVP, heißt es aus dem roten
Gesundheitsministerium. Darum wolle man sich dazu nicht
Causa „Toni’s Freilandeier“. Toni
Hubmann bestreitet alle Vorwürfe
vehement. Er hat Einspruch gegen
die Anklage eingelegt.
äußern. Hätte sich ein Mensch
durch den Genuss eines Eies
mit einer Krankheit wie Salmonellen infiziert, dann, und
nur dann, wäre es Aufgabe des
Gesundheitsministers, Stellung
zu nehmen.
Im Landwirtschaftsministerium gibt man sich ähnlich
zugeknöpft. Es wird – wieder
einmal – auf die Forderung
nach einem EU-Reisepass für
Lebensmittel verwiesen. Konkrete Antworten zu Eier-Fragen sind aber nicht zu erhalten.
Dabei war Berlakovich bis vor
kurzem noch gar kein Freund
der Kennzeichnung. „Jetzt
schreit Berlakovich groß nach
dem Lebensmittelpass. Im Jahr
2009, als ich einen Antrag zur
Kennzeichnungspflicht im Parlament einbrachte, habe ich
dazu jedoch nichts von ihm gehört“, so der grüne Agrar-
EIN INSIDER PACKT AUS
„50 Millionen Schummel-Eier
pro Jahr – vorsichtig geschätzt“
NEWS: Sie sind seit vielen Jahren in der Eiererzeuger-Branche
tätig und wissen, was hinter den
Kulissen vorgeht. Wie läuft das
Geschäft mit Schummel-Eiern in
Österreich ab?
Gerhard F.: Man kann nur in
dem Bereich schummeln, der
nicht von der freiwilligen EierDatenbank erfasst ist. Außerhalb kann aber jeder Eier einfach importieren und schauen,
dass keine Kennzeichnung drauf
ist. Man kauft einfach unbeschriftete Eier und deklariert
diese als österreichisch. Das
haben wir – wenn man sich die
Fälle der letzten Jahre anschaut
– in jeder Menge.
NEWS: Wie läuft das in der
Praxis ab?
Gerhard F.: Es gibt Eierhändler
in Wien, die Lkws über die Grenze fahren lassen und unbeschriftete Eier zu österreichischen
machen. Dann fahren sie von
einer Gastronomiestätte und
einem Markt zum nächsten. Wir
wissen schon seit vielen Jahren,
dass das passiert, können es
aber nicht abstellen. Sie können
nur in dem Bereich schummeln,
der nicht in der österreichischen
Eierdatenbank erfasst ist. Das
betrifft alle, die in einem gewissen Graubereich unterwegs
sind. Es gibt Händler in Wien,
die herumfahren und sagen:
„Ich bin ein Bauer, willst du
nicht die Eier kaufen?“ Wir
wissen, wie das passiert.
NEWS: Wie viele Schummel-Eier
kommen auf diese Art und Weise
in Österreich auf den Markt?
Gerhard F.: Da gibt es eine Drehscheibe in Wien, über die zwei
bis drei Lkws pro Woche laufen.
Das sind so um die 50 Millionen
Eier pro Jahr. Es können aber
durchaus auch dreimal so viele
sein. Das ist eine sehr vorsichtige Schätzung. Großimporteure
holen die Eier herüber, andere
kaufen sie ihnen ab und verteilen sie zum Beispiel an Gastronomiebetriebe oder sonst in
Bereichen, wo niemand nachschaut und wo keine Aufzeichnungen existieren – zum Beispiel auch am Wochenmarkt.
NEWS: Wie umgehen korrupte
Eierproduzenten die Behörden?
Gerhard F.: Es gibt einen Fall,
wo jemand die letzten 10 bis
15 Jahre in der Gastronomie in
ganz Österreich herumgefahren
ist und ohne Kontrollen Eier an
die Betriebe verkauft hat. Und
wir haben zugeschaut, wie er
die Lkws aus dem Ausland herübergeführt und die Eier umbeschriftet hat. Auch die Kontrollorgane in der Verwaltung haben
das gesehen. Aber die haben
keine Mittel gehabt und keine
Gesetze, dass das wegkommt.
Der sagt bei einer Kontrolle einfach, er macht den Lkw nicht
auf. Außerdem ist vieles Landeskompetenz. Ich kenne einen,
der sich ein Lagerhaus in Niederösterreich genommen hat,
damit ihn die Steirer nicht
erwischen.
NEWS: Aus welchen Ländern
kommen diese Eier?
Gerhard F.: Die holen die Eier
aus Polen, Lettland, Slowenien,
Ungarn und auch aus Spanien.
NEWS: Spielt Deutschland, wo
es gerade einer Eier-Skandal
gibt, ebenfalls eine Rolle?
Gerhard F.: Aus Hochpreisländern wie Deutschland oder Holland werden nur weiterverarbeitete Produkte hereingeholt.
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