Oft spät erkannt: HIV - Erkrankungen und Symptome

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Oft spät erkannt: HIV - Erkrankungen und Symptome
Hartwig Klinker
In Deutschland lebten Ende 2007 ca. 59.000 Menschen (ca. 49.000 Männer und ca. 10.000
Frauen) mit einer HIV-Infektion. Die Anzahl der Neuinfektionen hat in den vergangenen
Jahren trotz aller Aufklärungs- und Präventionsanstrengungen deutlich zugenommen und
betrug im Jahr 2007 etwa 3.000. Die wichtigsten Infektionswege der Neuinfektionen sind
homosexuelle Kontakte bei Männern (ca. 72%), heterosexuelle Kontakte (ca. 20%) und
intravenöser Drogengebrauch (ca. 7%).
Dank der Erfolge der hochaktiven antiretroviralen Therapie (HAART) ist die Anzahl von
AIDS-Erkrankungen in Deutschland zurückgegangen, liegt mit ca. 1.100 Fällen im Jahr 2007
aber nach wie vor in einem hohen Bereich. Dabei entfallen zahlreiche AIDS-Erkrankungen
auf Menschen, bei denen die HIV-Diagnose erst zum Zeitpunkt des Auftretens der ersten
opportunistischen Infektion gestellt wird.
In jeder allgemeinärztlichen oder internistischen Praxis sollte daher die Differenzialdiagnose
einer HIV-Infektion immer mit bedacht werden. Dies insbesondere bei Menschen mit
Risikoverhalten (homosexuelle Kontakte bei Männern, heterosexuelle Kontakte mit häufig
wechselnden Partnern, Sextourismus, Heroin- und Kokainkonsum) oder Migration aus
Hochprävalenzländern (z. B. Afrika, Karibik).
Die akute HIV-Infektion verläuft häufig asymptomatisch. Gelegentlich entwickelt sich
allerdings ein Mononukleose-ähnliches Krankheitsbild mit Fieber, Lymphknotenchwellungen
und
einem
makulopapulösen
Exanthem.
Hier
ist
insbesondere
bei
anamnestischem Risikoverhalten immer auch eine HIV-Infektion in Erwägung zu ziehen.
Im weiteren Verlauf können zahlreiche weitere Erkrankungen auftreten, die hinweisend auf
eine HIV-Infektion sind. Dazu gehören Mollusca contagiosa bei einem Erwachsenen oder
auch ein Mundsoor, wenn andere prädisponierende Faktoren wie eine vorangegangene
Antibiotika- oder Korticosteroid-Therapie ausgeschlossen sind. Eine typische, HIVassoziierte Veränderung ist die orale Haarleukoplakie, die sich in nicht schmerzhaften,
weißlichen, streifigen und nicht abwischbaren Belägen vor allem an den seitlichern
Zungenrändern äußert.
Ein Herpes Zoster ist immer als Zeichen einer mangelnden Immunitätslage zu werten und
sollte gerade bei jüngeren Menschen und mehrsegmentaler und/oder beidseitiger
Ausprägung Anlass für einen HIV-Antikörpertest sein.
Beweisend für eine HIV-Infektion sind Kaposi-Sarkome im Bereich der Haut oder
Schleimhaut, die auch bei noch nicht sehr weit fortgeschrittenem Immundefekt auftreten
können.
Auch bei schnell wachsenden Lymphknotenschwellungen, die histologisch als NonHodgkin-Lymphom klassifiziert werden, ist an eine zugrundeliegende HIV-Infektion zu
denken.
Patienten, die sich ihrer HIV-Infektion nicht bewusst sind, kommen häufig erst mit den
Symptomen einer opportunistischen Infektion zum Arzt. Oft sind es Krankheitsbilder, die
unerkannt rasch lebensbedrohlich werden oder mit schweren, z. T. auch irreversiblen
Gesundheitsschäden einhergehen. Im Sinne einer schnellen Diagnose sollte deshalb jeder
Arzt die wichtigsten Leitsymptome und die Diagnostik dieser Erkrankungen kennen.
Die
Pneumocystis-carinii-Pneumonie
(PCP)
ist
die
häufigste
AIDS-definierende
opportunitische Infektion bei unbehandelter HIV-Infektion. Fieber, eine zunehmende
Belastungs- und schließlich Ruhedyspnoe mit trockenem Husten sind die Leitsymptome. Der
Auskultationsbefund ist typischerweise unauffällig, die Inspirationstiefe jedoch erkennbar
eingeschränkt, die Atemfrequenz erhöht. Im Röntgen-Thorax finden sich milchglasartige
Trübungen mit Bevorzugung der Mittel- und Unterfelder, laborchemisch zeigt sich eine
isolierte Erhöhung der LDH. Am zweithäufigsten tritt eine cerebrale Toxoplasmose auf. Sie
ist charakterisiert durch Kopfschmerzen, fokal-neurologische Ausfälle, Fieber, Paresen oder
Krampfanfälle. Die CMV-Retinitis kann innerhalb kurzer Zeit zur Erblindung führen. Sie
imponiert
mit
einer
Visus-Beeinträchtigung
in
Form
von
„Schneetreiben“
oder
Gesichtsfeldausfällen. In diesen Fällen muss unverzüglich eine augenärztliche Untersuchung
veranlasst werden.
Eine weitere Erkrankung der fortgeschrittenen HIV-Infektion ist die Tuberkulose. Bei jeder
Tuberkulose, insbesondere bei Patienten aus HIV-Hochprävalenzländern, sollte ein HIVAntikörpertest durchgeführt werden! Bei weit entwickelter Immundefizienz werden gehäuft
auch atypische Mykobakteriosen beobachtet. Diese in der Regel generalisierten
Infektionen
führen
zu
uncharakteristischen,
aber
sehr
beeinträchtigenden
Allgemeinsymptomen in Form von Fieber, Diarrhoen, Nachtschweiß und Gewichtsabnahme,
häufig finden sich auch Lymphknotenschwellungen.
Seltenere, jedoch ebenso typische Komplikationen einer fortgeschrittenen HIV-Infektion
stellen die
Durchfällen,
Infektion mit Kryptosporidien oder Mikrosporidien mit profusen, wässrigen
die
Kryptokokken-Meninigitis
und
die
progressive
multifokale
Leukencephalopathie (PML) mit vielfältigen neurologischen Symptomen dar.
Bei frühzeitiger HIV-Diagnose und adäquater und konsequenter antiretroviraler Therapie
lassen sich viele der genannten opportunistischen Infektionen heute langfristig vermeiden.
Deshalb sollte neben der HIV-Prävention der Erkennung von HIV-Infektionen, am besten im
noch asymptomatischen Stadium, hohe Priorität eingeräumt werden!
Prof. Dr. med. Hartwig Klinker
Internist/Gastroenterologe/Infektiologe
Schwerpunkt Infektiologie
Zentrum Infektiologie DGI
Medizinische Klinik und Poliklinik II
Universitätsklinikum Würzburg
Josef Schneider-Str. 2
97080 Würzburg
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