Wirksamkeit

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Wirksamkeit
Trotz der vereinfachten Erklärungen ist dieses Thema ziemlich komplex und eher theoretisch. Auf
den nächsten vier Seiten werden viele Informationen auf gedrängtem Raum präsentiert. Vielleicht
ist es hilfreich sich nur einzelne kurze Sequenzen zu beherzigen. Mit etwas Geduld und gutem
Willen kann dadurch ein neuer Zugang zu diesem interessanten und wichtigen Aspekt des
Trainings entstehen.
Auch wenn es bei diesem Thema mehrheitlich um Physik geht, was nicht jedermann in Euphorie
versetzt, lohnt es sich doch sich etwas damit zu beschäftigen.
Aus der Perspektive des Kämpferischen sind alle Techniken, die nicht wirksam sind, verpuffte
Energie und würden besser ganz weggelassen.
Im Kushido können auch mit weniger wirksamen Techniken positive Auswirkungen erzielt werden.
So ist es auch wirksam, wenn im Training Glückshormone ausgeschüttet werden und sich danach
ein Hochgefühl einstellt.
Man kann auf verschiede Arten, z.B. durch Ausweichen oder den Gegner wegschieben, wirksam
sein. In diesem Kapitel geht es jedoch um die Wirksamkeit einer möglichst effektiv ausgeführten
Technik, um durch ideale Energieübertragung die grösste mögliche zur Verfügung stehende
Energie beim Gegner einwirken zu lassen.
Ein erster wichtiger Schritt in Richtung Wirksamkeit ist die korrekte Ausführung einer Technik. Ein
gebogenes Hand- oder Fussgelenk vermag nicht die gleiche Kraft zu übertragen wie ein gerades.
Sehr wichtig ist der Fokus am Ende der Technik. Eine gut ausgeführte Technik endet auf einem
einzigen Punkt. Ist die nicht der Fall, wird die zur Verfügung stehende Kraft in mehrere, jedoch
geringere Kräfte aufgeteilt.
Auch von entscheidender Bedeutung ist die Wahl der zu benützenden Technik - wie Faust,
Handballen oder Ellbogen - bezogen auf die zu treffende Körperregion. Ein Treffer mit dem
Oberschenkel verursacht sicher eine andere Wirkung als ein Treffer mit dem Knie. Ein
Fingerschlag auf die Schultern, wird nicht die gleiche Wirkung erzielen wie ein Fingerschlag in den
Hals.
Zusammenwirken mehrerer Kräfte
Für eine optimale Wirksamkeit ist weiter wichtig, dass alle beteiligten Körperregionen am gleichen
Strick ziehen. Im Beispiel eines Schlages, sollten das vordere Knie, die Hüfte, der schlagende Arm,
das Handgelenk und die Augen auf den Zielpunkt gerichtet sein. Ist dies nicht der Fall, wirken die
Kräfte nicht optimal zusammen, wie im Beispiel 1 ersichtlich ist.
Die resultierende maximale Kraft, fett gezeichnet, zeigt nicht in Richtung des Arms. Dadurch wirkt
die grösste mögliche Kraft nicht in Schlagrichtung. Im Beispiel 2 dagegen zeigen beide Kräfte in die
gleiche Richtung und addieren sich (Summe ist grösser als im Beispiel 1). Ebenfalls wirkt diese
resultierende Kraft, fett gezeichnet, genau in Schlagrichtung. Daher ist die Technik im Beispiel 2
effektiver.
Beispiel 1
Beispiel 2
Kraft und Masse
Nach diesen allgemeinen Gesichtspunkten folgen noch einige Erklärungen, die auf der Physik
aufbauen. Die nächsten drei Seiten benötigen etwas mehr Aufwand, vermitteln dafür einige
grundlegende Zusammenhänge.
Die Kraft, die Masse und die Beschleunigung sind unmittelbar miteinander verknüpft.
Kraft (F) = Masse (m) * Beschleunigung (a)
F=m*a
Kraft und Masse können nur langfristig gesteigert werden, durch entsprechendes Training und
Essverhalten.
Für einen bestimmten Zeitpunkt sind die Masse und die Kraft gegeben. Dadurch ist auch die
maximale Beschleunigung gegeben.
Geschwindigkeit
Dem Faktor Geschwindigkeit kommt eine grosse Bedeutung zu, vor allem als dies ein Faktor ist,
dessen Grösse direkt beeinflusst werden kann. Um die grösst mögliche Geschwindigkeit zu
erreichen ist es wichtig jede Technik vom Ursprung bis zum Ziel in einer gleichförmigen fliessenden
Bewegung auszuführen. Bewegungen ausserhalb diesem Bewegungsfluss verhindern dies, weil
sie die Beschleunigung negativ beeinträchtigen.
Geschwindigkeit (v) = Beschleunigung (a) * Zeit (t)
v=a*t
Aus obigem Zusammenhang ist auch ersichtlich, je länger die Zeit um zu beschleunigen, um so
grösser wird die erreichte Geschwindigkeit. Oder anders ausgedrückt, je mehr Weg zur Verfügung
steht, umso länger ist auch die zur Verfügung stehende Zeit, um eine Technik zu beschleunigen.
Im Beispiel eines Schlages wird durch eine zusätzliche Hüftdrehung der Weg einer Faust
verlängert. Dadurch kann länger beschleunigt werden, was eine grössere Endgeschwindigkeit zur
Folge hat.
Momentum und Impuls
Wichtig ist der Zusammenhang von Masse und Geschwindigkeit. Je grösser die Masse und die
Geschwindigkeit, umso grösser ist das Momentum der ausgeführten Technik. Je „schwerer“ die
Faust und je schneller der Schlag, umso grösser ist das Momentum mit dem der Gegner bei einem
Schlag getroffen wird.
Momentum (p) = Masse (m) * Geschwindigkeit (v)
p=m*v
Um das Momentum einer Masse zu verändern braucht es einen Impuls. Jede Masse möchte
grundsätzlich in ihrem Bewegungszustand verharren. Einen ruhenden Körper in Bewegung zu
versetzen braucht Kraft. Je grösser diese Kraft und je länger sie wirkt, umso grösser ist der Impuls.
Befindet sich der Körper anschliessend in Bewegung, so hat dieser ein bewegendes Momentum.
Um ein Auto anzuschieben, braucht es eine gewisse Zeit in der eine Kraft wirkt. Eine kleine Kraft
über eine längere Zeitspanne erzeugt einen genügend grossen Impuls das Auto zu bewegen.
Umgekehrt kann mit einem Schlag kein Auto bewegt werden. Wird dieses Auto durch eine Wand in
sehr kurzer Zeit wieder zum Stillstand gebracht resultiert daraus eine sehr grosse Kraft. Wird das
Auto jedoch langsam abgebremst wirkt nur eine kleine Kraft.
Das Produkt einer kleinen Kraft mit einer langen Zeit, ist gleich dem Produkt einer sehr kurzen Zeit
mit einer sehr grossen Kraft.
Impuls (p) = Kraft (F) * Zeit (t)
p=F*t
Impuls und Momentum können gleichgesetzt werden:
Impuls (p = F * t) = Momentum (p = m * v)
F*t=m*v
Nach der Kraft (F) umgeformt:
F=m*v/t
Durch oben genannte Zusammenhänge ist ersichtlich, dass das Momentum einer Technik, wenn
sie innerhalb sehr kurzer Zeit beim Gegner einwirkt, eine sehr grosse Kraft zur Folge hat.
Bei einer Verteidigung, falls ein Ausweichen unmöglich ist, muss dieses Konzept genau umgekehrt
angewandt werden. Dort gilt es das gegnerische Momentum, durch elastisches Annehmen und
Zurückweichen, über eine möglichst lange Zeit aufzunehmen, um dadurch die Krafteinwirkung zu
verringern.
Arbeit und Energie
Zum Schluss sei noch anhand eines Beispiels, das Zusammenspiel von Arbeit und Energie erklärt.
Wird Wasser zu einem Stausee hinauf gepumpt, so wird eine Arbeit verrichtet. Die Masse des
Wassers muss beschleunigt werden, damit es sich in Richtung Stausee bewegt.
Dazu braucht es eine Kraft. Je grösser die Kraft die aufgewendet wird und je höher das Wasser
transportiert wird, umso mehr Arbeit wird verrichtet. Dieses Wasser hat nun eine potentielle
Energie der Lage, da es jetzt höher liegt als zu Beginn.
Fliesst dieses Wasser wieder herunter, wird diese Energie in kinetische (bewegende) Energie
umgewandelt.
Werden die Verluste weggelassen, so ist die kinetische Energie des Wassers beim
herunterfliessen genau gleich gross, wie die Arbeit die verrichtet wurde, um es auf diese Höhe zu
pumpen. Arbeit kann also mit Energie gleichgesetzt werden.
Arbeit (w) = Kraft (F) * Weg/Höhe (s)
w=F*s
Arbeit (w) = kinetische Energie (Ek)
w = Ek
Je mehr Arbeit verrichtet wird, das heisst je mehr Kraft während einer möglichst langen Distanz
einsetzt wird, desto grösser ist auch die daraus resultierende kinetische Energie der Bewegung. Im
Beispiel eines Schlages mit Hüftdrehung muss für die zusätzliche Hüftbewegung mehr Kraft
während einem längeren Weg aufgebracht werden. Somit muss mehr Arbeit geleistet werden, was
wiederum die kinetische Energie des Schlages erhöht.
Wie bereits gezeigt wurde, spielt die Geschwindigkeit stets eine wichtige Rolle. Im Zusammenhang
mit der kinetischen Energie ist sie der wichtigste Faktor überhaupt. Dies zeigt die folgende
Gleichung wunderbar.
Kinetische Energie (Ek) = ½ * Masse (m) * Geschwindigkeit (v) 2
Ek = ½ * m * v2
Die kinetische Energie ändert sich im Quadrat der Geschwindigkeit. Das bedeutet, wenn die
Geschwindigkeit verdoppelt wird, so vervierfacht sich die kinetische Energie. Eine Verdoppelung
der Masse hingegen bewirkt nur eine Verdoppelung der Energie.
Vor allem für leichtere Personen und das weibliche Geschlecht ist dies ein sehr wichtiger
Zusammenhang. Durch eine Steigerung der Geschwindigkeit kann ein grösserer Energiegewinn
erzielt werden, als durch eine Vergrösserung der Masse.
Eine Pistolenkugel kann keinen Lastwagen stoppen, dazu ist ihr Momentum zu klein. Sie kann
jedoch grossen Schaden verursachen. Genauso kann ein Faustschlag einer kleinen Person, trotz
grosser Geschwindigkeit und somit grosser kinetischer Energie, das Momentum einer schweren
Person nicht stoppen. Da allerdings die kinetische Energie die Eigenschaft hat sich ungehindert
durch Massen fortzubewegen, durchdringt sie den Körper des Gegners und verursacht somit eine
grosse Wirkung.
Ein schönes Beispiel dazu sind die fünf sich berührenden aufgehängten Stahlkugeln. Die erste
Kugel wird angehoben (potentielle Energie der Lage). Sie wird auf die zweite Kugel fallen gelassen
(potentielle Energie der Lage wird in kinetische Energie umgewandelt). Die kinetische Energie
durchdringt die Kugeln zwei bis vier und hebt die letzte Kugel auf die gleiche Höhe, aus der die
erste Kugel fiel. Verluste sind dabei nicht berücksichtigt.
Die Kugeln zwei bis vier wurden nicht bewegt. Die kinetische Energie hat sich ungehindert durch
diese hindurch fortgesetzt und erst bei der letzten Kugel ihre Wirkung gezeigt.
Genau so kann auch die kinetische Energie einer effektiven Technik den getroffenen Körper
durchdringen.
Wirksam über längere Zeitspanne
Muss die zur Verfügung stehende Energie, im Beispiel eines länger dauernden Kampfes, sparsam
eingesetzt werden, kann durch gutes Timing ein Teil der Energie vom Gegner beigesteuert
werden. Läuft der Gegner in die ausgeführte Technik, kann infolge der kürzeren Distanz weniger
beschleunigt werden. Es kann weniger lang eine Kraft wirken. Das schont die eigenen Energie
Reserven. Damit ist jedoch auch das Momentum der ausgeführten Technik schwächer. Dafür
steuert der Gegner durch seine Masse, die der Technik entgegen kommt, seinen Teil dazu bei. Mit
weniger Kraftaufwand kommt durch gutes Timing die gleiche Wirksamkeit zustande.
Resümee
Zusammenfassend wird in all diesen Erklärungen deutlich gezeigt, dass dem Faktor
Geschwindigkeit, den wir direkt beeinflussen können, eine enorme Bedeutung zukommt. Daher ist
für eine maximale Wirksamkeit wichtig, sämtliche Techniken nicht mit viel Kraft, sondern mit
grosser Geschwindigkeit und als zusammengehörende Einheit, zielgerichtet auszuführen. Das
heisst, die zur Verfügung stehende Kraft sollte möglichst nur zur Beschleunigung der Techniken
verwendet werden.
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