Erfolgskritische Standortfaktoren und

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Pharma-Standort deutschland
Erfolgskritische Standortfaktoren
und Wettbewerbsstrategien in
F&E- und wissensintensiven Branchen
Potenziale am Gesundheitsstandort Deutschland werden unterschätzt,
da bei internationalen Standortentscheidungen wichtige erfolgskritische Standortfaktoren häufig unzureichend berücksichtigt werden
und die Bewertung von Standortfaktoren oft nicht ausreichend in den
unternehmerischen Kontext zur Erzielung dauerhafter Wettbewerbsvorteile eingebettet ist.
1.Einleitung und Methodik
Die forschungs- und wissensintensiven Wirtschaftssektoren der Gesundheitswirtschaft (u. a. Pharma- und Medizintechnikindustrie, gesundheitsbezogene Dienstleistungen
im ersten und zweiten Gesundheitsmarkt) in Deutschland
stehen künftig vor großen Herausforderungen (u. a. [1],
Kap. IV, [2]): Neben dem demografischen Wandel, neuen
Technologietrends bei der Wissensbasis, einer zunehmenden Bedeutung von Innovationsnetzwerken, einem stark
zunehmenden Gesundheitsbewusstsein in vielen Teilen der
Bevölkerung sowie zukünftigen Engpässen beim qualifizierten Personal („Fachkräftemangel“) ist hier vor allem
die zunehmende Internationalisierung von (technologischem) Wissen, Produktionsprozessen und Absatzmärkten
zu nennen. Aus diesen Internationalisierungsprozessen ergeben sich viele Potenziale, aber auch Risiken.
Waren früher Internationalisierungsstrategien häufig
nur auf den internationalen Handel mit entsprechenden
Export- und Importstrategien ausgerichtet, so ist heute
zusätzlich auch die Internationalisierung der Produktion
sowie der Forschung und Entwicklung (F&E) zu erkennen (u. a. [3]). So haben z. B. deutsche Direktinvestitionen
im Ausland (u. a. im Zuge von Produktionsverlagerungen)
stark an Bedeutung hinzugewonnen ebenso wie transnationale F&E-Wissensspillover, u. a. durch die weltweit verteilten F&E-Tätigkeiten multinationaler Unternehmen.
Durch diese zunehmende Internationalisierung sieht
sich der Gesundheitsstandort Deutschland und die dort
ansässigen Akteure aktuell und künftig mit einem sehr
harten Innovationswettbewerb konfrontiert, sowohl mit
etablierten Standorten (u. a. USA, Großbritannien, Japan,
Frankreich, Schweiz) als auch mit neu aufstrebenden Ländern (u. a. China, Indien, Singapur). Diese Konkurrenzländer haben in den letzten Jahren vielfältige Anstrengungen unternommen, um sich in der Gesundheitswirtschaft
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Pharma-Standort deutschland
an der Weltspitze zu behaupten bzw. zur Weltelite aufzuschließen.
Ob der Gesundheitsstandort Deutschland den Herausforderungen gewachsen ist und seine derzeitige Position
als Standort z. B. für F&E, Produktion oder die Markteinführung neuer Gesundheitsgüter wird erhalten oder sogar
ausbauen können, hängt entscheidend von der Ausgestaltung der zentralen erfolgskritischen Standortfaktoren für
diese F&E- und wissensintensiven Wirtschaftssektoren ab.
Daher werden in Abschnitt 2 und 3 zunächst die Triebkräfte für Standortverlagerungen sowie die erfolgskritischen
Standortfaktoren untersucht, die eine Standortentscheidung maßgeblich beeinflussen. Anschließend werden
in Abschnitt 4 die Wirkungszusammenhänge zwischen
Standortfaktoren und Wettbewerbsstrategien genauer untersucht. In Abschnitt 5 wird am Beispiel der Pharmaindustrie dargestellt, welche Standortfaktoren am Standort
Deutschland derzeit als stark bzw. kaum innovationshemmend angesehen werden.
Die Ergebnisse in Abschnitt 2, 3 und 4 basieren auf
umfangreichen Literaturauswertungen (u. a. [3], [1], Kap.
III und die dort angegebene Literatur). Die Ergebnisse in
Abschnitt 5 basieren auf der Studie „Forschungs- und
wissensintensive Branchen: Optionen zur Stärkung ihrer
internationalen Wettbewerbsfähigkeit“[1], die vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI)
im Auftrag des Deutschen Bundestages durchgeführt wurde. In dieser Studie wurden u. a. die für die Pharmaindustrie erfolgskritischen Standortfaktoren untersucht ([1], Kap.
III.2.3, IV); hierzu wurde eine schriftliche Befragung von
77 Pharma- und Gesundheitsakteuren aus Industrie und
Wissenschaft sowie Experteninterviews durchgeführt.
2.Triebkräfte für Standortverlagerungen
F&E-intensive und wissensintensive Unternehmen denken fast immer in international miteinander verknüpften
Wertschöpfungsprozessen. Hinsichtlich der Frage, an welchen Standorten global agierende Unternehmen ihre Forschung, Entwicklung, Produktion und den Vertrieb ihrer
Produkte und Dienstleistungen durchführen, sind neben
verschiedenen Angebots- und Nachfragefaktoren zusätzlich auch Standortfaktoren mit Bezug zu rechtlichen und
politischen Rahmenbedingungen oder die Leistungsfähigkeit regionaler Cluster und nationaler Netzwerke sowie
die betrieblichen Rahmenbedingungen (u. a. Verhältnis
von Kapitalkosten zu Arbeitskosten, Produktkomplexität,
F&E-Intensität) von zentraler Bedeutung (u. a. [3]).
Die Motive für die F&E-Auslandsinvestitionen werden
maßgeblich durch die Unternehmensgröße beeinflusst (u. a.
[1], Kap. III.2.1): Für Großunternehmen ist besonders die
Nähe zum Kunden und den Markterfordernissen und die
Ergänzung zu bereits existierenden Produktionsstandorten
im Ausland das Hauptmotiv. Sie verlagern dabei vorrangig
fertigungsnahe F&E-Aktivitäten wie z. B. die technische
Entwicklung. Dies untermauert die häufig getroffene These, dass die Verlagerung von F&E oft Folge einer Produktionsverlagerung ist. Kleine Unternehmen werden hingegen
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vor allem aufgrund von niedrigeren Lohnkosten, weniger
Bürokratie und der besseren Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften im Ausland tätig, denn diese Unternehmen haben in Deutschland oftmals Schwierigkeiten bei der
Rekrutierung z. B. von Wissenschaftlern. Darüber hinaus
geben kleine Unternehmen oft eine bessere Wissenschaftsund Forschungsstruktur als Motiv an.
Hinsichtlich der Produktionsverlagerungen ins Ausland werden oft acht Motivationsbündel genannt, die diese Verlagerungen begünstigen (u.a. [3]): (1) Zugang zu
kostengünstigen Produktionsfaktoren (z.B. Arbeit), (2)
Zugang zu Märkten und Handels- und Vertriebskanälen,
(3) Nähe zu Kunden und unterstützenden Vor-Ort-Serviceleistungen, (4) Zugang zu Technologien und Know-how,
(5) Zugang zu Ressourcen und Materialien, (6) die Möglichkeit, Wettbewerber anzugreifen, (7) Steueranreize und
-zuwendungen (8) sowie der Zugang zu einer exzellenten
Infrastruktur. Die Bedeutung unterschiedlicher Motive ist
teilweise von der Firmengröße abhängig: So gewinnt z.B.
die Erschließung neuer Absatzmärkte wie auch die Nähe
zu Großkunden mit steigender Firmengröße als Produktionsverlagerungsmotiv an Bedeutung.
Motive, die den Verbleib der Produktion am heimischen Standort Deutschland begünstigen, sind vor allem
eine hohe Prozess- und Produktqualität, eine sehr hohe
Produktkomplexität, eine hohe Technologieintensität der
Produkte in Form eines hohen Anteils der F&E-Aufwendungen am Umsatz oder ein hoher Bedarf an qualifizierten
Arbeitskräften ebenso wie ein hoher Automatisierungsgrad
und eine hohe Standardisierbarkeit der Produktionsprozesse (z. B. bei einer sehr einfachen Produktkomplexität), da
hier z. B. der Anteil der Personalkosten an den Gesamtkosten eine untergeordnete Rolle spielt (u. a. [3]). Ähnlich
positiv wirken ein guter Beschaffungsmarkt, eine hohe
Lieferantenqualität, das Vorhandensein regionaler Cluster
und Netzwerke, ein großes Marktvolumen und -potenzial,
die Nähe zu Schlüsselkunden in Deutschland sowie hohe
Transportkosten und hohe Transaktionskosten für die Betreuung, Koordination, Kontrolle ausländischer Standorte.
Demnach zeichnen sich vor allem Prozesse, Produkte
und Dienstleistungen der F&E- und wissensintensiven
Wirtschaftsbranchen (z. B. Gesundheitssektoren) durch
Charakteristika aus, die den Verbleib der Produktion am
Standort Deutschland eher begünstigen. Damit haben diese Sektoren ein sehr hohes Potenzial, Innovationen, Wertschöpfung und Beschäftigung am Standort Deutschland zu
generieren. Über Ausstrahleffekte aufgrund von Lieferverflechtungen wirken sie zudem positiv auf deren Zuliefererbranchen im Inland.
3.Erfolgskritische Standortfaktoren
für F&E- und wissensintensive Branchen
Um die Standortbedingungen in Deutschland so zu verbessern, dass Standortverlagerungen ins Ausland vermieden
werden und entsprechende Innovations-, Wertschöpfungsund Beschäftigungspotenziale am Wirtschaftsstandort
Deutschland besser ausgeschöpft werden können, ist die
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Transparenz bezüglich der entscheidenden Einflussfaktoren bei internationalen Standortentscheidungen, z. B. in
Form von Standortfaktorenlisten, sehr hilfreich.
Viele Standortfaktorenlisten greifen allerdings zu
kurz.[3] Sie beschränken sind meist nur auf die klassischen quantitativen Produktions- und Marktfaktoren wie
z. B. Lohnkosten oder Marktvolumen. Wichtige qualitative Einflussgrößen (u. a. rechtliche und politische Rahmenbedingungen) werden häufig unzureichend berücksichtigt.
Darüber hinaus wird zudem oft ein gegebener Ist-Zustand
der extern vorgegebenen Standortfaktoren suggeriert, die
vom Unternehmen selbst nicht bzw. kaum beeinflusst werden können.
Aktiv gestaltbare Performancefaktoren, die die erreichbare Leistungsfähigkeit eines Unternehmens (u. a. dauerhafte Innovationsfähigkeit, schnelle Durchlaufzeiten) am
jeweiligen Standort stark beeinflussen können, werden
hingegen meist nicht bzw. unzureichend berücksichtigt.
Dadurch werden bestehende Möglichkeiten für Qualitätsverbesserungen einzelner Standortfaktoren am Standort
Deutschland, z. B. durch entsprechende unternehmerische
Modernisierungsaktivitäten am bisherigen Unternehmensstandort (sogenanntes „Upgrading“), nicht angemessen
einbezogen.
Zudem wird dem Bedarf an funktionierenden Netzwerken für den spezifischen Standorterfolg häufig keine
adäquate Bedeutung beigemessen. Gerade aber in der
Gesundheitswirtschaft mit ihren zunehmend interdisziplinären, interaktiven und kollektiven Innovationsprozessen
sind die Vernetzung und das Zusammenspiel mit anderen
Akteuren von zentraler Bedeutung für eine erhöhte Inno-
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StandortStandortStandortfaktoren
faktoren
faktoren
Abgaben
Abgaben
und
und
Abgaben
und
Incentives
Incentives
Incentives
vations- und Wettbewerbsfähigkeit (u. a. [2]). Der Netzwerkbedarf gilt dabei nicht nur für die Beschaffungs- und
Absatznetzwerke, sondern muss auf alle wesentlichen
Unternehmensfunktionen (u. a. Forschung, Entwicklung,
Produktion, Marketing und Vertrieb) übertragen werden.
Bereits genutzte Kooperationen am bestehenden Standort
Deutschland müssen dabei ebenso wie die Kosten und der
Aufwand für den notwendigen Aufbau ähnlich leistungsstarker Netzwerke an neuen Standorten im Ausland berücksichtigt werden.
Eine Standortfaktorensystematik, die all die obigen Aspekte berücksichtigt und sich daher gut für die F&E- und
wissensintensiven Branchen der Gesundheitswirtschaft
eignet, ist in Abbildung 1 dargestellt.
Bei dieser Standortfaktorensystematik werden quantitative Standortfaktoren durch wichtige qualitative Faktoren und Bewertungen (z. B. szenariobasierte dynamische Standortbewertung, K.O.-Kriterien, vergleichende
Checklisten, Risikoindizes) ergänzt. So wird z. B. die betriebliche Flexibilität (z. B. für eine schnelle Anpassung
der Produkte an spezifische Kundenwünsche vor Ort) oft
durch institutionelle Rahmenbedingungen rechtlicher und
politischer Natur stark beeinflusst.
Zudem werden die klassischen Kategorien Produktionsund Marktfaktoren um die Kategorien Performancefaktoren und Netzwerkbedarf erweitert, da diese für die Unternehmen häufig zentral sind für die Generierung dauerhafter
internationaler Wettbewerbsvorteile: Beispielsweise kann
eine strategische Kostenführerschaft nur durch Exzellenz
bei den Performancefaktoren Produktivität und Prozessgüte erreicht und erhalten werden. Wichtiger für die F&E- und
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Infrastruktur
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Prozessgüte
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Netzwerkaufbau
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Abbildung
Abbildung111 Standortfaktorensystematik.
Standortfaktorensystematik.
Standortfaktorensystematik.(Quelle:
(Quelle:
(Quelle:[3])
[3])
[3])
Abbildung
Abbildung 1 Standortfaktorensystematik.
(Quelle: [3])
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wissensintensiven Branchen der Gesundheitswirtschaft ist
die Differenzierung über einen hohen Technologie- und
Innovationsgehalt sowie eine herausragende Qualität der
neuen Prozesse, Produkte und Dienstleistungen. Um über
diese Differenzierungsmerkmale erfolgreich im Wettbewerb bestehen zu können, ist eine überlegene Performance
erforderlich bei der Produktqualität und Prozessgüte sowie
der eigenen Fähigkeit, Innovationen hervorzubringen und
erfolgreich im Markt zu platzieren.
In der Perspektive Netzwerkbedarf werden die am jeweiligen Standort bereits genutzten lokalen Kooperationen
und funktionierenden Netzwerke bewertet, da diese gerade
für die F&E- und wissensintensiven Gesundheitssektoren
einen zentralen Erfolgsfaktor darstellen. Die Akteure der
Gesundheitswirtschaft sollten daher bei ihrer Standortwahl
genau berücksichtigen, welche Netzwerke an potenziellen
neuen Standorten in welcher Qualität und mit welchem
Aufwand aufgebaut werden können. Hierbei ist zu betonen, dass der Stellenwert von „gewachsenen Kooperationen und Netzwerken“ am Standort Deutschland für den
Erfolg und bereits realisierte Vorteile sowie noch vorhandene Möglichkeiten zur Ausweitung dieser Netzwerkpotenziale bei internationalen Standortentscheidungen häufig
nicht adäquat berücksichtigt werden.[3]
Neben der Berücksichtigung der „richtigen“ Standortfaktoren ist ein weiterer Aspekt entscheidend. Häufig
werden sich dynamisch ändernde erfolgskritische Standortfaktoren seitens der Unternehmen nur unzureichend berücksichtigt (u. a. [3]). Langfristige Standortentscheidungen sind oftmals einmalige Entscheidungsprozesse unter
stabilen Standort-, Nachfrage- und Planungsbedingungen.
Ein regelmäßiges Überprüfen getroffener Standortentscheidungen ist methodisch häufig nicht verankert. Dabei
sollte gerade für erfolgskritische Standortfaktoren, die
einen langfristigen Einfluss auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens haben, ein systematisches Erfolgscontrolling der Standortfaktoren (u. a. regelmäßiges Monitoring) aufgebaut werden.
4.Zusammenhang zwischen Wettbewerbsstrategien
und Standortfaktoren
Eine Studie[4] zu den Wettbewerbsstrategien von Innovationsaktivitäten zeigt, dass in Deutschland fast die Hälfte der Unternehmen, und hier besonders kleinere Unternehmen, individuelle maßgeschneiderte Lösungen für
einzelne Kunden und ca. 30 % eine Spezialisierung auf
einzelne Marktsegmente anstreben. Jeweils 20 - 25 % der
Unternehmen, und hier besonders größere Unternehmen,
verfolgen das Ziel der Technologieführerschaft, der Kostenführerschaft und/oder der Einführung neuer Produkte
als Branchenerster.
Verlagerungen ins Ausland bzw. die Umsetzung internationaler Standortstrategien verlaufen nicht immer
erfolgreich. Dies deutet auf strategische Fehlentscheidungen bei unternehmerischen Standortentscheidungen hin
wie z. B. eine zu geringe Passfähigkeit von Standort- und
Wettbewerbsstrategien (u. a. [3]). Häufige Gründe für das
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Scheitern, insbesondere im Produktionsbereich, sind Qualitätsprobleme, Flexibilitätsverluste, verringerte Lieferfähigkeit und -zuverlässigkeit am neuen Standort sowie
hohe Koordinationskosten und lange Anlaufzeiten, um die
erforderliche Qualität und Produktivität zu erreichen. Dies
deutet darauf hin, dass die Unternehmen zentrale erfolgskritische Standortfaktoren unzureichend berücksichtigen.
Hinsichtlich dieser erfolgskritischen Standortfaktoren
sind viele gängige Standortfaktorenlisten meist wenig hilfreich, weil es sich um lange und unübersichtliche Aneinanderreihungen von potenziell infrage kommenden Kriterien
handelt, die insbesondere nicht danach differenzieren, für
welche Wettbewerbsstrategien (z. B. Kostenführerschaft
oder Technologieführerschaft) welche Standortfaktoren
tatsächlich erfolgskritisch sind. Dabei sollten Standort- und
Wettbewerbsstrategien in der Weise „strategisch stimmig
bzw. passfähig“ sein, dass die zentralen erfolgskritischen
Standortfaktoren sehr genau in den unternehmerischen
Kontext zur Erzielung dauerhafter Wettbewerbsvorteile
eingebettet sind. Diese Zusammenhänge werden im Folgenden ausführlicher dargestellt (u. a. [3]).
Technologieführerschaft und Qualitätsvorteile
Vor allem Akteure aus der F&E- und wissensintensiven
Gesundheitswirtschaft müssen im Wettbewerb stark auf die
Qualität und den Technologie- und Innovationsgehalt ihrer
Prozesse, Produkte und Dienstleistungen setzen. Daher orientieren sie sich bei Standortentscheidungen vorrangig an
dem zentralen Erfolgsfaktor Innovationspotenzial, den sie
durch kontinuierliche Technologie- und Wissensimpulse
an attraktiven Standorten weiter zu verbessern suchen. Die
bei dieser Wettbewerbsstrategie „Technologieführerschaft
und Qualitätsvorteile“ zu berücksichtigenden zentralen
erfolgskritischen Standortfaktoren werden im Folgenden
skizziert (u. a. [3]).
I) Analyse der nachfrageseitigen Innovationspotenziale
An erster Stelle steht dabei oft die Nähe zu sogenannten
Vorreitermärkten vor Ort („Lead Markets“). Dabei gilt es
zu prüfen, inwieweit solche Vorreitermärkte geprägt sind
durch sehr anspruchsvolle industrielle und private Nachfrager (sogenannte „Lead User“) mit hohen Qualitätsansprüchen, hoher Technikakzeptanz und großer Bereitschaft, innovative Produkte aufzunehmen. Denn dadurch
werden immer wieder neue nachfragebedingte Innovationsimpulse generiert („Technology Pull“), und es entsteht
die Notwendigkeit eines raschen „Time to Market“, um so
schnell die Kundenbedürfnisse zu befriedigen. Solche Vorreitermärkte weisen aufgrund des „innovationstreibenden
Problemdrucks“ oftmals z. B. wegweisende Zulassungsstandards und innovationsfreundliche Rahmenbedingungen sowohl für Anbieter als auch für die Nutzer auf.
II) Analyse der angebotsseitigen Innovationspotenziale:
Zudem von zentraler Bedeutung ist die Analyse, inwiefern eine intensive Einbindung des neuen Standortes
in innovative Cluster und Netzwerke möglich ist. Diese
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sind durch „befruchtende“ Zuliefer-Abnehmer- und Konkurrenzbeziehungen in einem räumlich konzentrierten
Geflecht vertikal und horizontal vernetzter Unternehmen
und Institutionen charakterisiert („konzentrierter Innovationswettbewerb“). Derartige Cluster und Netzwerke umfassen meist eine Reihe von interagierenden Teilbranchen
sowie kompetente Lieferanten für spezielle Einsatzgüter
(z. B. Komponenten, Maschinen, Werkzeuge) und Anbieter spezieller Dienstleistungen (u. a. Finanzintermediäre,
Risikokapitalgeber, Service, Logistik, Infrastruktur). Dadurch werden immer wieder neue angebotsseitige Innovationsimpulse generiert („Technology Push“). Erfolgreiche
Cluster und Netzwerke entstehen meist in der Nähe weltweit führender F&E-Zentren. Derartige Zentren sind ein
guter Indikator für die Standortattraktivität.
Dabei ist auch zu prüfen, ob in den regionalen Clustern geeignete Kooperationspartner mit einem innovativen Ergänzungsprofil vorhanden sind. Gerade kleine
und mittlere Unternehmen (KMU) und F&E-Akteure
können dadurch ihr Angebotsspektrum um ergänzende
Komponenten, Dienst- und Serviceleistungen ausweiten,
und sich so zum Problemlöser ihrer Kunden entwickeln
(z. B. als Anbieter kompletter Systemlösungen). Zudem
bieten derartige Kooperationen Chancen, gemeinsam mit
anderen Firmen finanziell, personell und technisch ausreichend ausgestattete „Horchposten“ in ausländischen
Innovationsregionen einzurichten und so den internationalen Wissens- und Technologietransfer zu beschleunigen. Gerade kleinere Akteure sind aufgrund von Ressourcenbeschränkungen ohne derartige Kooperationen meist
nicht in der Lage, diesen Transfer effektiv und effizient
durchzuführen.
III) Analyse von Risiken: Schattenseiten innovativer Cluster
und Netzwerke zeigen sich, wenn durch die räumliche
Konzentration der Branche z. B. das Personalangebot im
lokalen Arbeitsmarkt verknappt wird mit der Folge höherer
Löhne für qualifiziertes Personal oder aber strategisches
Wissen abfließt, weil z. B. die Fluktuationsraten übermäßig hoch sind oder aber (unbewusst) wettbewerbskritisches Know-how preisgegeben und so der internationalen
Konkurrenz die Tür zur Imitation von eigenen Prozessen,
Produkten oder Dienstleistungen geöffnet wird. Vor diesem Hintergrund sind bei einem technologieorientierten
Auslandsengagement in solche Cluster und Netzwerke
die relevanten Teilarbeitsmärkte vor Ort ebenso wie die
Möglichkeiten zum Schutz von Technologien, Patenten,
Lizenzen und Marken detailliert zu analysieren und zu bewerten. Der Schutz geistigen Eigentums in der anvisierten
Zielregion sollte z. B. durch rechtliche Rahmenbedingungen ausreichend garantiert sein.
Unternehmen können die Gefahr eines Verlustes von
Kernkompetenzen zudem dadurch begrenzen, indem sie
über eine „Technologiedifferenzierung“ nie das gesamte
technologische Know-how auf einen Standort im Ausland konzentrieren, sondern strategisches Wissen auf verschiedene Standorte verteilen und mindestens ein zentrales Know-how-Teil am Stammsitz belassen. Damit kann
verhindert werden, dass Konkurrenten z. B. Prozesse oder
Produkte als Ganzes kopieren können.
IV) Analyse weiterer wichtiger Standortfaktoren bei einer
Wettbewerbsstrategie „Technologieführerschaft und Qualitätsvorteile“: Da die Anforderungen an eine ausdifferen-
zierte informations- und kommunikationstechnologische
Infrastruktur in F&E- und wissensintensiven Wirtschaftsbranchen meist sehr hoch sind, ist die Verfügbarkeit einer
entsprechenden IuK-Infrastruktur zu bewerten.
Zudem sind mögliche Sprachbarrieren und kulturell
bedingte Verständigungsprobleme zu beachten. Wichtige
Dimensionen eines solchen „Cultural Bias“ sind u. a. unzutreffende Zwischenberichte sowie unterschiedliche Vorstellungen über realistische Planwerte, Berichtsgenauigkeit
und Zeithorizonte. Sprachbarrieren und Verständigungsprobleme können hohe Kommunikationskosten sowie
Informationsdefizite aufseiten des deutschen Stammsitzes
bewirken. Dies kann den Umfang des ursprünglich beabsichtigten Technologie- und Wissenstransfers in die Heimat erheblich einschränken.
Schließlich ist bei der Bewertung eines technologieorientierten F&E-Auslandsengagements zu prüfen, ob
die oftmals damit einhergehende räumliche Trennung von
F&E und Produktion langfristig tragfähig ist, da deren
räumliche Entkopplung durchaus mit Nachteilen durch
entgangene Synergieeffekte einhergehen kann. Ist geplant,
F&E und Produktion am neuen Standort anzusiedeln, so
muss man gerade bei Auslandsstandorten in den innovativsten Regionen einer Branche aufgrund der starken Konkurrenz vor Ort eine ausreichende Zeit einkalkulieren, bis
ein ausreichendes Absatzniveau erreicht wird, bei dem
Lernkurven- und Skaleneffekte erzielt werden können und
sich die Produktion vor Ort lohnt.
Kostenbasierte Wettbewerbsstrategien
Auch wenn meist keine Kostenführerschaft im klassischen Sinne angestrebt wird, spielen aufgrund des hohen internationalen Wettbewerbsdrucks natürlich auch bei
den F&E- und wissensintensiven Branchen (z. B. in der
Gesundheitswirtschaft) die Preise für ihre Produkte und
Dienstleistungen und damit auch die Reduktion von Kosten entlang der gesamten Wertschöpfungskette eine nicht
zu vernachlässigende Rolle.
Bei den Kosten der Herstellung sind neben den wichtigen Lohn- und Gehaltskosten auch die Nebenkosten
(u. a. Energie, Wasser), die Material- und Vorleistungskosten sowie die Transportkosten (u. a. von Zwischenprodukten oder von Endprodukten zum Kunden) zu bewerten. Der Abschätzung der zukünftigen Entwicklung
des Lohnniveaus und der Preise vor Ort (z. B. der Neben- und Transportkosten) kommt hierbei eine zentrale
Bedeutung zu, denn eine rasche Angleichung z. B. von
Löhnen in Niedriglohnländern an das westeuropäische
Niveau oder stark steigende Rohölpreise und damit
steigende Transportkosten können Kostenreduktionspotenziale schmälern und eine ursprüngliche Kalkulation
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schnell zunichte machen. Nicht selten entstehen auch
sehr hohe Kosten durch den Transport von Material und
Komponenten von Deutschland ins Zielland, da diese
vor Ort häufig nicht sofort in einer geeigneten Mindestqualität verfügbar sind.
Da absolute Kostenanalysen oft irreführend sein können, müssen die durchschnittlichen Stückkosten am jeweiligen Standort genau analysiert werden. Dazu muss
das lokale Produktivitätsniveau vor Ort bewertet werden.
Hierbei müssen notwendige Such- und Anlernkosten sowie die Verfügbarkeit und Fluktuation der benötigten Arbeitskräfte vor Ort mitberücksichtigt werden. Anlaufzeiten
und -kosten zur Sicherung der notwendigen Qualität und
Produktivität an einem neuen Standort dürfen nicht unterschätzt werden. Erfahrungen zeigen, dass man gängige
Planzahlen mit dem Faktor 2,5 multiplizieren sollte, um
der Realität näher zu kommen.[3]
Auch die in der Realität oftmals sehr hohen Gemeinkosten, die für Aufbau, Betreuung, Koordination und Kontrolle eines neuen Standorts im Ausland anfallen, müssen
gut abgeschätzt und dem Standort richtig zugewiesen werden ebenso wie Qualifizierungs- und Trainingskosten zur
Sicherstellung des notwendigen Qualitätsniveaus.
Auch Kosten der Technologieanpassung (z. B. Technologie mit höherer Arbeitsintensität, um so Personalkostenvorteile voll auszuschöpfen) sind adäquat zu bewerten,
ebenso wie die Kosten für den Aufbau ausreichend leistungsfähiger Netzwerke vor Ort (u. a. für die Auswahl und
Entwicklung örtlicher Lieferanten mit ausreichender Qualität und Zuverlässigkeit).
Auch potenzielle Konflikte, Motivationsprobleme und
Vertrauensbrüche am bisherigen heimischen Standort in
Deutschland können Kosten verursachen (z. B. höhere
Fehlzeiten oder Ausschussraten). Im Ausland aktive Unternehmen warnen zudem bei kostenorientierten Auslandsengagements davor, Standortentscheidungen vorrangig bzw.
alleine auf Basis von Subventionen, Fördergeldern oder
Steuerbelastungen zu treffen, da sich diese Vorteile in der
Kostenbelastung oft sehr schnell nivellieren.[3]
Globale Markterschließungsstrategien
Kürzer werdende Marktzyklen von Produkten und
Dienstleistungen und zum Teil stark steigende F&E-Kosten führen bei den Unternehmen der F&E- und wissensintensiven Branchen, so auch in der Gesundheitswirtschaft,
oftmals dazu, dass die F&E- und kapitalintensiven Geschäftsmodelle nur dann rentabel sind, wenn die schnelle weltweite Erschließung von Auslandsmärkten parallel
bzw. zeitnah zur Binnenmarkterschließung erfolgt, um so
schnell die hohen absoluten F&E- und Produktionskosten
zu amortisieren.
Das zentrale Kriterium stellt das realistisch ausschöpfbare Marktpotenzial dar. Hierbei sind mehrere Aspekte
zu berücksichtigen. In manchen Märkten (z. B. Indien)
kaufen Kunden ihre Güter eher von örtlichen Produzenten („buy local“), selbst wenn Qualität oder Lebensdauer
eigentlich dagegen sprechen. Um Potenziale daher nicht
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zu optimistisch zu überschätzen, sind genaue Marktanalysen zum Status quo und zur zukünftigen Entwicklung des
konkret anvisierten Marktsegments erforderlich. Potenzialschätzungen zum Gesamtmarkt einer Branche auf Basis
allgemein zugänglicher Daten oder gar Bevölkerungszahlen sind häufig nicht zielführend, sondern konkrete Abschätzungen von Volumen, Wettbewerbssituation, Reife
und Kaufkraft der spezifischen Nischen sind geeigneter
(z. B. durch detaillierte Marktinformationen oder eigene
Eindrücke durch Reisen vor Ort).
Auch eine fundierte Wettbewerbsanalyse ist dabei unerlässlich: Wenige Wettbewerber mit großer Marktmacht
können ebenso wie eine hohe Anzahl potenzieller Konkurrenten oder nicht-tarifäre Handelshemmnisse (z. B. gezielte staatliche Subventionierung inländischer Konkurrenzunternehmen) Ausschlusskriterien für ein Engagement
im betrachteten Zielmarkt sein. Hierbei gilt es auch zu
prüfen, ob das eigene Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil (z. B. technologischen Vorsprung) gegenüber den
lokalen Wettbewerbern hat, den es bei den Kunden vor
Ort zur Geltung bringen kann. Die Höhe der versunkenen
Investitionen (z. B. bereits getätigte hohe Marketingaufwendungen oder Investitionen in Maschinen und Anlagen)
sind ein guter Indikator für die Bereitschaft eines lokalen
Konkurrenten, einen strategischen Preiswettbewerb bzw.
-kampf einzugehen.
Zudem ist der Zugriff auf vorhandene Vertriebswege
oder eingespielte Vertriebsnetzwerke genau zu analysieren.
Für Unternehmen können neben eigenen Auslandsvertretungen vor Ort die Akquisition eines geeigneten Partners
mit geeigneten Vertriebswegen oder Vertriebskooperationen eine probate Strategie sein.
Auch die erreichbaren Zielpreise und Margen, die
maßgeblich von den gewählten Vertriebswegen determiniert werden (z. B. „Mass Market“ vs. Nischensegmente),
sind exakt zu bewerten, da sie entscheidend die mittelfristige Rentabilität eines neuen Marktes bestimmen.
Des Weiteren sind Anpassungsnotwendigkeiten bei den
eigenen Produkten an die spezifischen Anforderungen der
lokalen ausländischen Kunden zu berücksichtigen ebenso
wie Anwendungsberatungsbedarf und Serviceansprüche
dieser Kunden, da sie die Chance bieten, neben dem Sachgutverkauf vor Ort neue Geschäftsfelder mit produktbegleitenden Dienstleistungen aufzubauen. Zu prüfen sind
auch die landesüblichen Produkthaftungsvorschriften, da
hier u. a. entsprechende Risikozuschläge oder Versicherungsdienstleistungen erforderlich sind.
Auch tarifäre Handelsbarrieren gilt es zu analysieren.
Denn eine Auslandspräsenz kann oft die einzige Möglichkeit darstellen, tarifäre Handelsbarrieren (z. B. sehr hohe
Importzölle) durch eine Produktion im Zielland zu umgehen.
Auch dem Wechselkurs muss, wie z. B. in den USA
oder in den stark dollargebundenen Regionen in Asien, oft
eine hohe Bedeutung zugemessen werden. Diesbezügliche
Analysen z. B. zur Volatilität des relevanten Wechselkurses, zu möglichen Währungsvorteilen auf der Beschaffungsseite oder aber zu Wettbewerbsnachteilen bei hohen
Pharma-Standort deutschland
Abbildung 2 Innovationshemmende Standortfaktoren am
Pharma-Standort Deutschland.
(Quelle: [1], Kap. III.2.3)
Abbildung (insb.
2 Innovationshemmende
Standortfaktoren
am Pharma-Standort
Deutschland.
ten Fragen,
differenziert nach Indikationsgebieten (z. B.
Eurokursen
geringere Exporte)
oder zu Kosten
für
(Quelle: [1], Kap. III.2.3)
Krebs- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen), abgefragt und
Wechselkurssicherungsgeschäfte sind rechtzeitig durchzubewertet. Diese Ergebnisse werden hier nicht ausführlich
führen.
beschrieben, da sie Bestandteil eines früheren DZKF-Beitrages sind[5]; die Ergebnisse lassen sich kurz wie folgt
5. Innovationshemmende Standortfaktoren
zusammenfassen: In vielen wichtigen Krankheitsklassen
am Pharma-Standort Deutschland
sind hinsichtlich der Qualität der Grundlagenforschung,
der Qualität der klinischen Forschung sowie der Qualität
Im Rahmen der Fraunhofer ISI-Studie wurden
der Kooperationen zwischen Wissenschaft und WissenPharmaunternehmen und F&E-Einrichtungen mit Pharschaft (u. a. zwischen öffentlichen F&E-Einrichtungen
mabezug gefragt, welche Standortfaktoren am Pharmawie z. B. Max-Planck-Instituten und Fraunhofer-InstituStandort Deutschland innovationshemmend wirken. Die
ten) Wettbewerbsvorteile im Vergleich zu wichtigen Konbefragten Akteure sehen zunächst eine Vielzahl an Standkurrenzländern zu erkennen. Hinsichtlich der Qualität der
ortfaktoren als bedeutend für die Innovationsaktivitäten an
Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft
(vgl. [1], Anhang Abb. 42 und Abb. 43); dies spiegelt die
sind jedoch in einigen Bereichen Optimierungspotenziale
große Komplexität des Innovationsprozesses im Pharmazu erkennen.
sektor wider.
Andererseits wurden Fragen zu weiteren wichtigen
Bei der nachfolgenden Ergebnisdarstellung ist FolgenStandortfaktoren ohne Bezug zu einzelnen Indikationsgedes zu berücksichtigen: Einerseits wurden im Rahmen der
bieten gestellt; diese Ergebnisse werden im Folgenden darStudie einige sehr wichtige Standortfaktoren (z. B. Quagestellt. Dabei zeigen sich mehrere erfolgskritische Standlität der Grundlagenforschung, Qualität der klinischen
ortfaktoren, die am Pharma-Standort innovationshemmend
Forschung oder Qualität der Kooperationen zwischen
wirken (Abb. 2). Die hohen F&E-Kosten werden bei allen
Wissenschaft und Wirtschaft) im Fragebogen in gesonderdzkf 9/10-2010
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Pharma-Standort deutschland
Akteuren als innovationshemmend wahrgenommen, insbesondere die Kosten in der klinischen Forschung. Daneben
werden die Bürokratie, spezielle rechtliche und gesundheitspolitische Rahmenbedingungen (insb. deren Stabilität
und Transparenz) als innovationshemmend empfunden.
Große Unterschiede bei den Akteuren zeigen sich bei der
Einschätzung der Finanzierungsinfrastruktur. Forschungseinrichtungen geben einen Mangel an internen und externen Finanzierungsquellen als stark hemmend an, bei KMU
scheinen hier ebenfalls erhebliche Engpässe zu bestehen.
Für Großunternehmen stellt der Zugang zu Finanzierungsquellen hingegen kein Hemmnis dar. Für diese
Unternehmen wirken allerdings die Nutzenbewertung,
Kostenerstattung und Preisbildung sowie das hohe wirtschaftliche Risiko zum Teil stark innovationshemmend.
Viele wichtige Standortfaktoren wirken am PharmaStandort Deutschland jedoch nicht bzw. kaum innovationshemmend (Abb. 3): Vor allem die Informationsbasis
hinsichtlich Markt-, Kosten- und Technologiedaten, das
Finden geeigneter Kooperationspartner oder interne Faktoren (z. B. starre Organisationsstruktur, interne Widerstände, fehlende Innovationskultur) werden in der Regel
als nicht innovationshemmend angesehen. Auch beim
Marktvolumen und der Marktdynamik werden keine größeren Hemmnisse benannt. Allerdings wird von einigen
Industrievertretern, vor allem aus den Großunternehmen,
die Marktdynamik als leicht innovationshemmend bewertetet. Als Standortvorteil wird derzeit zudem die gute
Verfügbarkeit an geeignetem Fachpersonal gesehen. Allerdings werden sich voraussichtlich zukünftig die bereits
existierenden Personalengpässe beim hoch qualifizierten
Personal (u. a. bei Naturwissenschaftlern, Ingenieuren,
Technikern, Mathematikern und Informatikern) auch in
der Gesundheitswirtschaft deutlich bemerkbar machen
und verschärfen (u. a. [1], Kap. IV.4.1.2, [2], [5]).
6.Zusammenfassung
Bei internationalen Standortentscheidungen in den
F&E- und wissensintensiven Gesundheitssektoren sollten
hinsichtlich der zu bewertenden Standortfaktoren neben
den klassischen Kategorien Produktions- und Marktfaktoren (z. B. Lohnkosten, politische Rahmenbedingungen),
die vom Unternehmen selbst kaum beeinflusst werden
Abbildung 3 Weniger innovationshemmende Standortfaktoren am Pharma-Standort
Deutschland.
(Quelle: [1], Kap. III.2.3)
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dzkf 9/10-2010
Abbildung 3 Weniger innovationshemmende Standortfaktoren am Pharma-Standort
Deutschland. (Quelle: [1], Kap. III.2.3)
Pharma-Standort deutschland
können, zusätzlich auch die am Standort Deutschland aktiv gestaltbaren Performancefaktoren (z. B. Innovationsfähigkeit, Produktqualität) und der Netzwerkbedarf (z. B.
F&E-Kooperationen) stärkere Berücksichtigung finden.
Zudem sollte stärker geprüft werden, ob die Standort- und
Wettbewerbsstrategie strategisch passfähig sind. Hierzu
sollten die zentralen erfolgskritischen Standortfaktoren
sehr genau in den unternehmerischen Kontext zur Erzielung dauerhafter Wettbewerbsvorteile (z. B. Kosten- oder
Technologieführerschaft) eingebettet sein.
Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass viele der für
die Gesundheitswirtschaft erfolgskritischen Standortfaktoren am Gesundheitsstandort Deutschland positiv zu bewerten sind (z. B. hohe Qualität der Grundlagenforschung
und klinischen Forschung, aktuell gute Verfügbarkeit von
qualifiziertem Personal und geeigneten Kooperationspartnern, großes Marktvolumen). Insgesamt scheint der Pharma-Standort Deutschland im internationalen Vergleich gut
positioniert zu sein. Allerdings sind bei einigen wichtigen
Standortfaktoren auch erhebliche Optimierungspotenziale
zu erkennen (u. a. hohe Kosten der klinischen Forschung,
Zugang zu Finanzierungsquellen, Transparenz und Stabilität der gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen). Hier
müssen zukünftig Anstrengungen unternommen werden,
um die Standortqualität Deutschlands weiter zu verbessern, um so die erheblichen Innovations-, Wachstums- und
Beschäftigungspotenziale der Gesundheitswirtschaft ([1],
Kap. II.4) vollständig ausschöpfen zu können.
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Literatur
Nusser, M., Wydra, S., Hartig, J., Gaisser, S., Forschungs- und wissensintensive Branchen: Optionen zur Stärkung ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen
Bundestag - TAB-Arbeitsbericht 116 (2007).
Die Gesamtstudie des Fraunhofer ISI ist als Download verfügbar unter
http://publica.fraunhofer.de/documents/N-67169.html
Nusser, M., Technologietrends, zukünftige Herausforderungen und
Qualifizierungsbedarf in der Gesundheitswirtschaft, in: DZKF – Deutsche
Zeitschrift für Klinische Forschung 13 (11/12) (2009), S. 22-31
Kinkel, S. (Hrsg.), Erfolgsfaktor Standortplanung: In- und ausländische
Standorte richtig bewerten. Berlin (2004).
Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Innovationen in
Deutschland: Ergebnisse der Innovationserhebung 2003 in der deutschen
Wirtschaft, in: ZEW Wirtschaftsanalysen Band 78. Mannheim (2005).
Nusser, M., Wydra, S., Hartig, J., Wissensbasis, Technologietransfer und
Marktattraktivität – Wettbewerbsposition Deutschlands im internationalen Vergleich, in: DZKF – Deutsche Zeitschrift für Klinische Forschung 12
(11/12) (2008), S. 22-33
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