Musizieren – die Entfaltung von Vitalität, Glück

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PPT 1
Montag, 24. Sept. 2012, 19:30 h, vhs Wiesbaden, Villa Schnitzler
Kann oder soll Musik schön sein?
Vortrag mit Diskussion
Daniel Schmicking (Universität Mainz, Studium generale)
Als einer meiner Bandkollegen den Titel dieses Vortrags las, meinte er spontan: Na, das wird
aber wohl der kürzeste Vortrag aller Zeiten: „Kann oder soll Musik schön sein? Ja, Danke und
auf Wiedersehen“! Und er hat ja irgendwo Recht: Ist Musik denn nicht für viele Menschen die
schönste, und für viele weitere mindestens die zweitschönste Sache der Welt? Dann ist Musik
doch wohl schön, puctum.
Aber so einfach ist das nicht. Zunächst: das Wort „schön“ ist ganz schön trügerisch aufgrund
seiner scheinbar einfachen Verwendung. Wir wissen doch alle, was wir schön nennen und
was nicht. Aber was heißt „schön“ – anziehend („schöne Beine“), formvollendet, elegant
(„schöne Pirouette“), sinnlich angenehm („schönes Liegegefühl“), prototypisch („schöner
Apfel“), positiv, angenehm („schönen Tag noch“), etwas einer Regel gemäß ausführen („das
hast du schön gemacht“), präzise („schöner Pass“), moralisch lobenswert („schöner Zug“),
Präferenzen konform („schön eingerichtet“)? – und das ließe sich noch fortsetzen. Ist damit
das Faszinosum, das Rätsel Musik angemessen zu fassen?
Ist Musik schön in einem dieser Sinne? Sicher auch das: ein schönes Lied ist meist von klarer
Form, hat eine singbare Melodie usw. Wir sagen auch „das war ein schönes Konzert“, „Ihr
habt heute schön gespielt“. Aber was noch hinzu kommt: Ausdrucksweisen wie „ein schönes
Lied/Konzert“ oszillieren in ihrer Bedeutung hoffnungslos zwischen zwei Polen: dem
musikalischen Gegenstand einerseits und dem Empfinden und Befinden meinerseits, das mir
der musikalischen Gegenstand beschert. Aber muss deshalb immer die Musik schön sein? Ich
habe mich einfach „sinnlich-seelisch-empfindungsmäßig ringsherum“ wohlgefühlt
(Eggebrecht). Und allzu häufig wird wohl letzteres gemeint sein, wenn wir davon sprechen,
dass die Musik schön sei.
Aber meinen wir nicht mehr, wenn wir von der Schönheit von Musik sprechen? Und: muss
Musik überhaupt schön sein, um hörenswert zu sein? Ist Samuel Barbers Adagio for Strings
„schön“? Ist ein Solo von Charlie Parker oder John Coltrane „schön“? Ist Joe Cockers Stimme
„schön“? Ist Jimi Hendrix‘ Version der amerik. Nationalhymne „schön“?
Um zur letzten Frage vorab kurz zu antworten: Musik muss nach meiner Auffassung nicht
"schön" sein. Sie muss interessant, bewegend sein, authentisch, über Intensität, Dynamik
verfügen, evtl. zum Tanzen anstiften, sie sollte einen Dialog (der beteiligten Stimmen bzw.
MusikerInnen) bilden und uns als Hörer in einen Dialog hineinziehen, sollte auf eine Weise
Bezug nehmen auf (andere, vorausgegangene) Musik, die uns einen Grund gibt, ihr
zuzuhören. Das sind Gründe, die es interessant machen, auf Musik zu achten, sie anzuhören.
Und sie werden mich – häufig unbewusst – dazu bringen, auf Strukturen der Musik zu achten.
Das ist zugegebenermaßen eine Liste recht persönlicher Präferenzen. Aber wahrscheinlich
findet sich unter Ihren Präferenzen auch der eine oder andre Punkt davon wieder.
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Wenn es einem Musikstück gelingt, eine oder mehrere dieser Eigenschaften zu erzeugen,
ohne solche musikalischen Mittel, die üblicherweise als „schön“ empfunden werden (schöne
Melodie, schöne Stimme, schöne Instrumentalklänge etc.), dann ist zumindest mir das genug,
verhilft mir vielleicht zu einem tiefen, beeindruckenden, emotionalen Musikerlebnis. Die
Beispiele, die ich eben nannte (Barber, Parker, Hendrix, Cocker), haben es zu großer
Popularität geschafft, ohne dem Bild „schöner“ Musik zu entsprechen.
Aber ich glaube trotzdem, dass es auch Struktureigenschaften von Musik gibt, die als „schön“
empfunden werden, z.B. Proportionalität von Klängen (Harmonie, Rhythmus), Teilen eines
Ganzen, melodische Gestalt, Symmetrie, Qualitäten der menschlichen Stimme. Zumindest
Korrelate dieser als schön empfundenen Eigenschaften finden sich objektiv in den
physikalischen Ereignissen, die unserem Hören zugrunde liegen.
Aber diese „schönen“ Eigenschaften sind weder notwendig noch hinreichend für ein
beglückendes, ein lohnendes Musikerleben. Sowenig z.B. ein goldener Schnitt allein eine
Grundrisszeichnung zu einem „schönen“ Kunstwerk macht, sowenig macht Symmetrie allein
eine Aneinanderreihung von Klänge zu einem schönen Musikstück. -- Und: Ganz Genres und
Stile leben davon, dass sie nicht „schön“ sind, oder jedenfalls nicht übermäßig danach
streben, solche Eigenschaften zahlreich zu realisieren. Der Blues etwa ist m.E. wohl die
ehrlichste Form von populärer oder (ursprünglich) Volksmusik. Er ist Ausdruck des Lebens
mit all seinen Spannungen, Enttäuschungen, Härten. Es findet sich zwar auch im Blues hin
und wieder eine schöne Stimme, es häufig eine relativ strenge Ordnung der Taktanzahl und
der Harmonien, aber Blues kann eigentlich nicht „schön“ sein, wenn er seiner spezifischen
Ehrlichkeit treu bleibt. Der Schwerpunkt (der musikalischen Mittel, Eigenschaften) wird hier
immer auf Reibungen, Spannungen, Dissonanzen liegen.
Wir müssen die angesprochenen strukturellen Eigenschaften wohl auch sehr weit fassen, denn
unterschiedliche Musikstile und –kulturen bzw. Strukturen werden von ihren jeweiligen
„Liebhabern“ (oder denjenigen, die schlicht damit aufgewachsen sind) präferiert, als „schön“
empfunden, während dieselben Menschen andere Stile kalt lassen oder abschrecken, die
wieder andere heiß und innig lieben. Es ist auch noch nicht sicher zu entscheiden, ob solche
Strukturmerkmale wie die Oktave oder Quinte, die in fast allen Musikkulturen anzutreffen
sind, natürlich sind im Sinne von biologisch vorbedingt (universal, angeboren), oder ob sie
doch kulturelle Gewohnheiten bilden.
Es scheint mir daher nicht sinnvoll, von der Musik allgemein als „schön“ zu sprechen. Dazu
tendiert auch etwa der große alte Musikwissenschaftler Hans Heinrich Eggebrecht, auf dessen
Betrachtungen Die Musik, und das Schöne (1997) ich für diesen Vortrag, neben vielen
anderen Quellen und Disziplinen, dankbar zurückgreife.
„Wenn wir an die Musik insgesamt denken, so fällt es uns schwer zu sagen, das Schöne sei ihr
allumfassendes Bestimmungsmerkmal als Kunst, sie sei insgesamt „schöne Kunst“.“
(Eggebrecht, p. 46) <Eggebrecht nennt als Beispiele Wagner, Liszt, Mahler, Schönberg>
Aber Eggebrecht meint, auch wenn wir, innerhalb der Musikästhetik, häufig am Begriff des
Schönen „vorbei denken“, kommen wir ohne diesen Begriff nicht leicht aus. Eine Chance
allerdings, die aus dem Verzicht auf den Schönheitsbegriff entsteht, liegt in Folgendem: „Wir
werden dann keinen Begriff mehr haben, der das Wesentliche der Musik mit einem Wort zu
bezeichnen vermag, aber wir werden beim Denken über Musik freier dastehen und reicher,
weil wir von einer geschichtlichen Auffassung befreit sind in Richtung einer systematisch
möglichen Auffassung“. <Er hat diese Position aber wieder zugunsten der Schönheit als
systematischer Wesensbestimmung der Musik modifiziert!>
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PPT - Fragen
Was ist Musik?
Was bedeutet "schön"?
Von da aus bewegen wir uns dann weiter zu den Fragen, die den Bogen schließen:
Worin besteht „Schönheit“ in der Musik?
Soll Musik überhaupt schön sein?
PPT – Was ist Musik? (Titel)
Musik ist nicht definierbar. Warum dann überhaupt diese Frage stellen?
Weil wir nicht anders können. Wir haben doch hier ein Wort, mit dem wir uns ganz offenbar
auf gewisse Ereignisse beziehen, die wir sogar gemeinsam wahrnehmen, wenn auch nicht
gleich empfinden. Aber dann sollte man auch danach fragen können, was das ist, worauf wir
uns beziehen.
Häufig findet man eine Antwort wie: Musik ist organisierter Klang. Nun gibt es Arten von
Klang, die organisiert sind, aber keine Musik, z.B. Sprache. Und es gibt nicht-organisierte
Klänge, die aber Musik sind (ausschließlich oder als Teil von Musikstücken). Deshalb
versucht man, den Umfang des Ausdrucks „organisierter Klang“ durch Ergänzungen
einzugrenzen, um so die Musik übrigzubehalten, indem man auf Eigenschaften wie Tonalität,
Tonhöhe, Rhythmus oder ästhetische Qualitäten der Klänge oder des Erlebnisses der Klänge
zurückgreift.
Aber hier gerät man auch schnell ins Stocken: Was ist mit Instrumenten oder ganzen
Musikstücken, die nicht über klare Tonhöhen verfügen? Setzt ein Begriff von Rhythmus, der
Musik von z.B. Maschinengeräuschen unterscheiden soll, nicht schon den Begriff von Musik
als eines seiner Merkmale voraus? Dann drehten wir uns im Kreise… Und wissen wir etwa,
was ästhetisch ist, unabhängig davon, was Musik ist? Oder ist uns schon klar, ob es
Eigenschaften der Klänge sind, oder des Erlebens von Klängen, die wir ästhetisch nennen?
Ich schlage Ihnen einen Weg vor, der zwar keine Definition von Musik verspricht, aber
zumindest den Blick öffnet, welche Faktoren zu berücksichtigen sind, um von Musik
sprechen zu können. Wir können dann zumindest so etwas wie die Möglichkeitsbedingungen
von Musik formulieren.
PPT Clifton
„Musik ist die Verwirklichung der Möglichkeit irgendeines Klangs, einem Menschen
als Bedeutung zu dienen, die dieser mit seinem Leib erlebt – … mit seinem Geist,
seinen Gefühlen, seinen Sinnen, seinem Willen und Stoffwechsel.
… derselbe Klang kann unter verschiedenen Umständen als Musik oder als NichtMusik interpretiert werden. … Der Unterschied liegt in den verschiedenen Formen
des menschlichen Verhaltens. (p.1)
… Musik ist kein Fakt oder Ding in der Welt, sondern eine von Menschen
konstituierte Bedeutung. (p. 5) … Musik ist eine bestimmte wechselseitige
Beziehung, die sich zwischen einer Person, deren Verhalten und einem klingenden
Objekt bildet.“ (p.10)
PPT
Clifton Diagramm
3
PPT
Beispiel
PPT Möglichkeitsbedingungen von Musikerleben
Musik zu erleben setzt voraus, dass wir, abhängig vom situativen subjektiven
Verhalten, eine Bedeutung konstituieren. Dazu dient uns eine in innerer (erlebter)
Zeit und leiblichem Erleben wahrgenommene Folge von auditiven (oder taktilen)
Ereignissen und Pausen, die in der äußeren (messbaren) Zeit stattfinden. Die Folgen
von Klängen und Pausen richten sich meist nach Normensystemen, die notwendig
eine intersubjektive und historische Genese haben.
Daran zeigt sich, Musik ist nicht hinreichend durch ihre objektiven Strukturen zu erklären
(deren akustisches Korrelat wir untersuchen können), sondern Musik ist immer auch situativ
zu betrachten: damit hängen mindestens einige ihrer Eigenschaften, so auch was schön ist an
ihr, mit von individuellen und häufig variablen Faktoren ab. Dieses Zugeständnis an die
Subjektivierung von Musik macht unsere Betrachtungen nicht gerade einfacher, aber ich
glaube, es ist nur ehrlich und angemessen, davon auszugehen, dass eben ein und dieselben
Klänge für verschiedene Wesen nicht notwendig Musik sind, ja dass auch nicht für dieselbe
Person zu unterschiedlichen Zeitpunkten ihres Lebens oder in unterschiedlichen Situationen
dieselbe Musik dieselben Eigenschaften hat (oder nicht).
Ein Hund, der eine immer gleiche Musik hört (z.B. die Erkennungsmelodie einer
Fernsehserie), verbindet damit wahrscheinlich nicht Musik, sondern ein Signal, dass Herrchen
jetzt im Wohnzimmer sitzt und nicht äußerln gehen will.
Unser Empfinden und Wahrnehmen variiert teils dramatisch. Dasselbe Stück in
unterschiedlichen Situationen kann mich glücklich oder zum Zerreißen nervös machen, kann
mir Vertrautheit oder Peinlichkeit bedeuten etc. Aber noch wichtiger: Im Laufe meines
Lebens lerne ich in mancher Musik erst Eigenschaften zu hören und wertzuschätzen, die mir
zuvor verschlossen blieben.
<Nicht: Man hört nur, was man weiß; aber: man hört mehr, wenn man etwas weiß.>
PPT - Was bedeutet „schön“? <Titel-frage>
Schönheit ist ein ähnlich undefinierbarer Begriff, den wir jetzt also mit dem der Musik
zusammenbringen wollen, die uns bereits in eine Menge von Relationen und Faktoren zu
zerfließen droht.
Aber wir wollen auch nicht das Kind mit dem Bad ausschütten und abstreiten, dass es „da
draußen“ in den Objekten (Instrumenten, Lautsprechern, den akustischen Ereignissen, die mit
diesen Gegenständen produziert werden) Eigenschaften gibt, die wir (wahrscheinlich nicht
erst durch entsprechende kulturelle Prägung) wahrnehmen und als schön empfinden. Wir
müssen uns abfinden mit einer Mehrdimensionalität des Schönen / der Schönheit (ich tue so,
als wären zumindest diese Ausdrücke synonym). Schönheit kann nur unter Berücksichtigung
verschiedener Dimensionen und Theorien angemessen diskutiert werden: naturalistische
Erklärungen, kulturabhängig, psychologisch, historisch, individuell, soziologisch etc. Ich
werde Ihnen einen Ausschnitt davon präsentieren.
Bereits die Geschichte des westlichen Denkens zeigt mehrere Dimensionen des Begriffs
Schönheit: Von der Antike bis in die frühe Neuzeit hinein ging man davon aus, dass es
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objektive Eigenschaften der Gegenstände gibt, die deren Schönheit konstituieren, so etwa
Proportionalität der Teile zueinander. Gleichzeitig bestand eine enge Verbindung zwischen
dem Schönen und Moralischen (Gerechtigkeit), aber auch der Wahrheit (kalokagathía, „das
Schöne, Wahre, Gute“). Aber spätestens(!) seit dem 18. Jh. ist diese Grundannahme der
Debatte gewichen, ob Schönheit in objektiven Eigenschaften oder vielmehr in subjektiven
Voraussetzungen liege, also in der psychischen und physiologischen Konstitution des
Menschen. Dahin schwingt das Pendel dann im 17./18. Jh. vornehmlich aus.
PPT
„schön“-Diagramm
Ich rufe wenige Stationen stichpunktartig in Erinnerung – das ist kein Vortrag über die
Geschichte der Musikästhetik…
Antike:
deutliche Tendenz zu objektiver Auffassung – pythagoreische Lehre von Proportionen, Zahl
als Wesen der Dinge, schließt Musik ein, diese ist geradezu das Paradigma des Prinzips von
Proportionalität. Bei Platon und Aristoteles wird Musik meist im Zusammenhang von
Erziehung betrachtet. Ihre emotionale Wirkung kann gezielt eingesetzt werden.
(Das geht natürlich auch über Erziehung hinaus. Wir kennen aus der Geschichte Beispiele (Trommler und
Bläser, die Heere anfeuern), aber ebenso aus unserem Alltag (private Party oder Weinfest – Musik soll die
Stimmung heben, erzeugen, wachhalten etc., Einschlaflieder sind für manche Eltern unentbehrlicher Teil des ZuBett-geh-Rituals).
Auch bei Boethius wird die Musik noch im Zusammenhang mit der Mathematik behandelt,
Schönheit der Musik besteht nach solcher Auffassung am ehesten in der Eigenschaft von
Musik, dank ihrer Proportionen die Harmonie des Kosmos abzubilden.
Mit der Renaissance tritt die mathematische Betrachtung der Musik in den Hintergrund. In
der Verbindung mit Sprache rückt die Musik nun, wie auch die darstellenden Künste, aus dem
bis dato hauptsächlich sakralen Bereich heraus: Entstehung der Oper. Monodie, einfacher
erfassbar als die ältere kunstvolle Polyphonie. <klare Figur-Grund-Gliederung>
Mit E. T. A. Hoffmann rückt die Dimension der „reinen, absoluten Tonkunst“ in das
Zentrum der romantischen Musikästhetik. Wichtig wird hier der Gedanke, dass die Musik das
Unaussprechliche ausdrücken könne, das über die Sprache hinausreiche.
Ab Mitte 19. Jh. Debatte zwischen Vertretern der Programm-Musik und der Absoluten
Musik (Hanslick, Schuhmann, Wagner).
Im 20. Jh. schließlich haben wir bald ein Nebeneinander von musiktheoretischen,
soziologischen, psychologischen, philosophischen, politischen, kognitionswissenschaftlichen
u.v.a. Theorien und Sichtweisen…
(zur Geschichte der Musikästhetik vgl. Fubini 1997)
PPT
Welche Eigenschaften von Musik können als schön empfunden werden?
Stellvertretend eine wichtige klassische Position, die bis heute in den Diskussionen über
Musik und das Schöne behandelt wird, dann bewegen wir uns von der Ebene komplexer
mehrsätziger Kompositionen hinunter bis zum Einzelklang:
„schön“ im Sinne formaler Strukturen (Hanslicks Lösung)
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Der Wiener Eduard Hanslick (Musikkritiker, ab 1861 auch Prof. für Ästhetik, erster Lehrstuhl
für Geschichte der Musik an der Univ. Wien) setze sich in seiner Schrift Vom MusikalischSchönen die „Revision der Ästhetik der Tonkunst“ zum Ziel. Nach dem Vorherrschen der von
ihm als unwissenschaftlich bewerteten Empfindungs-Ästhetik sah Hanslick die Zeit
gekommen, eine der „induktiven naturwissenschaftlichen Methode verwandte Anschauung“
(p. 1) in die Musikästhetik einzuführen. Zuerst sei das „schöne Objekt“ zu erforschen, nicht
das empfindende Subjekt. Ästhetischer Wert liege allein in den formalen Beschaffenheiten
eines Werks. Hanslick entwickelt in seiner Schrift eine Verteidigung der absoluten Musik,
indem er zu zeigen versucht, dass die Musik keinen außermusikalischen Inhalt oder Bezug
habe. Weder Zweck noch Inhalt der Musik sei es, „schöne Gefühle“ zu erwecken.
„Das Schöne hat seine Bedeutung in sich selbst, es ist zwar schön nur für das
Wohlgefallen eines anschauenden Subjects, aber nicht durch dasselbe“ (Hanslick,
p.3) Hier scheint Hanslick geradezu die konstitutive Rolle des Hörers zu bestreiten, die ich
unter die Bedingungen des Musikerlebebens zähle.
Hanslick hebt stattdessen nun die Rolle des Verstandes für die ästhetische Musik-Anschauung
hervor:
PPT Hanslick-Diagramm
Kann Musik also etwas ausdrücken? Was fassen wir nun in diesem musikalischen Anschauen
auf, wenn wir Musik hören?
PPT
Hanslick-Zitat
„Frägt es sich nun, was mit diesem Tonmaterial ausgedrückt werden soll, so lautet
die Antwort: Musikalische Ideen. Eine vollständig zur Erscheinung gebrachte
musikalische Idee aber ist bereits selbstständiges Schöne, ist Selbstzweck und
keineswegs erst wieder Mittel oder Material zur Darstellung von Gefühlen und
Gedanken […]. Tönend bewegte Formen sind einzig und allein Inhalt und
Gegenstand der Musik.“ (Hanslick 1854, p.32)
Eine weitere Aussage Hanslicks zeigt uns dann, dass er doch auch eine gewisse konstitutive
Rolle des Menschen ansetzt:
„Das befriedigend Vernünftige, das an und für sich in musikalischen Formbildungen
hegen kann, beruht in gewissen primitiven Grundgesetzen, welche die Natur in die
Organisation des Menschen und in die äußern Lauterscheinungen gelegt hat. […]
Alle musikalischen Elemente stehen unter sich in geheimen, auf Naturgesetze
gegründeten Verbindungen und Wahlverwandtschaften. Diese den Rhythmus, die
Melodie und Harmonie unsichtbar beherrschenden Wahlverwandtschaften verlangen
in der menschlichen Musik ihre Befolgung und stempeln jede ihnen widersprechende
Verbindung zu Willkür und Häßlichkeit.
<Sie leben, wenngleich nicht in der Form wissenschaftlichen Bewußtseins, instinctiv
in jedem gebildeten Ohr, welches demnach das Organische, Vernunftgemäße einer
Tongruppe, oder das Widersinnige, Unnatürliche derselben durch bloße Anschauung
empfindet …>“ (Hanslick, p. 35)
Hanslick scheint der Sache nach geradezu die kognitionswissenschaftlichen Forschungen,
einschließlich der Neuropsychologie der Musik, die sich erst in den letzten Jahrzehnten des
20. Jhs. ausgebildet haben, zu antizipieren.
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„So hätte die "philosophische Begründung der Musik" vorerst zu erforschen, welche
nothwendigen geistigen Bestimmtheiten mit jedem musikalischen Element verbunden
sind, und wie sie mit einander zusammenhängen. Die doppelte Forderung eines
streng wissenschaftlichen Geripps und einer höchst reichhaltigen Casuistik machen
die Aufgabe zu einer sehr schwierigen, aber kaum unüberwindlichen, es wäre denn,
daß man das Ideal einer "exacten" Musikwissenschaft, nach dem Muster der Chemie
oder Physiologie erstrebte!“ (Hanslick, p.40)
Hanslick hat gewissermaßen die klassische Lehre von der Form als Inbegriff des Schönen auf
die Musik übertragen. Und zunächst verfolgen wir diesen Strang einmal an unserer
traditionellen klassischen westl. Musik.
Ebenen Gesamtkomposition - einzelner Satz - Motive/Melodie (Periode) – Klang
(einzelklang, Akkord) <mündliche Ausführungen>
PPT – Goldberg Variationen
PPT – Aria (Noten)
PPT – Aria (Struktur)
PPT – Periode (Struktur)
PPT – Periode (Bspl. Beethoven)
PPT – Pythagoras‘ Traum
Ich kann und will keine eingehenden Erklärungen zur Akustik geben. Sie alle kennen
vielleicht die Legende um Pythagoras, der an einer Schmiede vorbeigeht und auf die
unterschiedlichen Tonhöhen der Hämmergeräusche aufmerksam wird. Einige klingen
konsonant, andere dissonant. Pythagoras geht in die Schmiede und beobachtet, dass Hämmer
unterschiedlicher Größe bzw. Gewichte zum Einsatz kommen, die zu den unterschiedlichen
Intervallen (Abstände zwischen zwei Tönen) führen. Pythagoras ist der Überzeugung, dass
die Größenverhältnisse und damit die Intervalle ganzzahligen Zahlenverhältnissen
entsprechen und durch solche darstellbar sind.
Die Legende ist wahrscheinlich falsch (aber nicht willkürlich), und konnte als physikalisch
nicht haltbar erweisen werden. Aber lange Zeit galt Pythagoras als der Begründer der
Musiktheorie. Und tatsächlich lassen sich die von Pythagoras formulierten
Größenverhältnisse auf gespannte Saiten übertragen. Ob Pythagoras oder einer seiner Schüler
dies durchführte, auf jeden Fall gingen aus den Experimenten vier grundlegende Intervalle
hervor, die auch heute noch Teil unseres Tonsystems sind. <…Tabelle in PPT>
Die lange weitere Geschichte kürze ich nun brutal ab. Man bildete auf Grund der Kenntnis,
wie Intervalle zu bilden sind, zunächst eine diatonische Tonskala (sieben Tönen) und
schließlich eine chromatische (12 Halbtonschritten). Damit diese aber brauchbar waren,
musste man gewisse Abweichungen in der Stimmung vornehmen, um Dissonanzen zu
vermeiden, die durch die einfachen ganzzahligen Verhältnisse entstehen.
Überhaupt ist die Geschichte der Stimmungen, und das heißt der Tonskalen eine Geschichte
der Verstimmungen und spiegelt Hörpräferenzen wieder, die von Epoche zu Epoche stark
abweichen können. Was zur Dominanz der sog. „wohltemperierten“ Stimmung geführt hat, ist
u.a. die Gewöhnung an die Terz als konsonant, und die Motivation der Musiker und
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Komponisten, dadurch ein Tonsystem zu haben, das ihnen größte Freiheiten bot, sich
innerhalb einer Komposition durch alle möglichen Tonarten zu bewegen.
Wir haben mit den Gewichten und Spannungsstärken von Saiten die objektive Seite von
Konsonanz und Dissonanz behandelt. Solche Eigenschaften meinte ich, wenn ich sagte, es
gebe „da draußen“ etwas, das unserem Empfinden (schön) entspricht. Wie sieht das von der
subjektiven Seite aus? Eben sagte ich, das Empfinden richtet sich nicht durchwegs nach der
Mathematik. Kulturelle Gewohnheiten und Präferenzen haben hier großes Gewicht. Trotzdem
ist es seit Ende des 19. Jh.s gelungen, wenigstens teilweise die physiologischen Bedingungen
zu entziffern, die dazu führen, dass Menschen – offensichtlich universell, nicht
gewöhnungsbedingt – Intervalle – und Klänge überhaupt – als konsonant oder dissonant
empfinden.
PPT - Fritz et al. 2009
Helmholtz‘ Gedanke, dass Obertöne sich stören können, wenn sie zu nahe beieinander liegen.
PPT – Spektrogramm
Eine Schwäche der Helmhotzschen „Störtheorie“ ist, dass die Theorie eine starke
idealisierende Tendenz hat – wie bereits die pythagoreische. Unsere Instrumente heute sind
zumeist gleichschwebend gestimmt. Damit sind bereits die Quinten nicht mehr rein. Nur für
reine Intervalle funktioniert aber die Helmholtzsche Theorie gut.
Überhaupt ist unser Gehör recht großzügig im Umgang mit unsauberer Intonation. Wir hören
sozusagen, wie etwas gemeint ist – und dann klingt es uns auch konsonant – und ignorieren
dabei die Unreinheiten.
Heute weiß man, dass auch ein ganz anderer Mechanismus für die Wahrnehmung von
Tonhöhe und Konsonanz wirksam ist: Bei Tönen bis etwa 1000 Hz dekodiert das auditorische
System die Perioden der Schwingungen der Töne, d.h. die Anzahl der eingehenden
Nervenimpulse wird der empfundenen Tonhöhe korreliert. Auf dieser Basis kann das Gehirn
auch Konsonanzen „berechnen“ (vgl. Drösser, p. 163f.). Von einer umfassenden Erklärung
der Konsonanz sind wir aber noch weit entfernt.
PPT - „schön“ ist, was vertraut klingt!
Die folgende Facette könnte leicht eine Zumutung werden für alle, die noch hehre ästhetische
Ideale haben („Those who find beautiful meanings in beautiful things are the cultivated. For
these there is hope.“ O. Wilde)
Es scheint aber eine unbestreitbare Wahrheit, dass ein Hauptgrund, warum wir Musik
genießen, darin zu liegen, dass sie uns vertraut klingt. Unser Gehirn ist besessen davon,
Ordnung in der Information aus der Welt zu finden. So drückt der Neurowissenschaftler Keith
Lehrer die Grundlage für die Wahrnehmung von Musik aus: Ein psychologischer Instinkt –
die verzweifelte neuronale Suche nach Mustern, nach irgendwelchen Mustern – das sei die
Quelle von Musik.
PPT Lehrer & Huron
Haben wir gelernt, aus den akustischen Ereignissen eines Schlafliedes oder einer Symphonie,
Ordnungen zu hören, können wir Musik genießen. Beim geringsten Anzeichen eines Musters,
einer Regularität, struktureller Ordnung, fängt das Gehirn an zu antizipieren: Fortsetzungen
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dieses Musters bzw. weitere mögliche Verläufe, die aber auch Mustern entsprechen. (Vgl.
Lehrer, 130)
Und ungleich mehr als Sprache und vergleichbare Kommunikationsmittel finden sich in der
Musik Wiederholungen.
<PPT %  Hurons Analyse>
Bevor wir diese Ordnungsmuster bilden, klingt uns Musik ähnlich amorph wie eine
vollkommen fremde Sprache, in der sich dem Ohr nicht einmal die einzelnen Wörter
voneinander segmentieren. Das hat viel mit dem Belohnungssystem innerhalb des Gehirn zu
tun: wir sind neurophysiologisch sozusagen darauf hin vorbestimmt, der Ungewissheit von
Neuem negativ gegenüber eingestellt zu sein. Neues zu hören bedeutet Arbeit, bringt uns in
Nöte, wir finden uns nicht zurecht, können keine Bedeutungen erkennen und zuweisen.
(Lehrer, p. 140ff.)
Das Klassik-Publikum hört am liebsten die Stücke des Kanons, der die massive Mehrheit der Konzertprogramme
bildet. Pop-, Rock-, Jazzfans folgen irgendwann nicht mehr den neueren Entwicklungen, weil ihnen die nicht
mehr behagen. Die wenigsten Menschen suchen ihr Leben lang nach neuer, d.h., ungewohnter Musik – Musik,
die durch lange Gewohnheit gebildete Erwartungen durchkreuzt, die unser (intuitives) Musikwissen wertlos
macht. Und: Sind Künstler erst einmal für einen bestimmten Stil bekannt geworden, haben Erfolg damit, dann
dürfen sie kaum von diesem Stil abweichen, um die Erwartungen (der Produzenten, des Publikums) nicht zu
enttäuschen. Histor. Bspl.: Für viele Bob Dylan-Fans war bereits der Wechsel zu einem elektrischeren Sound,
den Dylan 1965 beim Newport Folk Festival vollzog, Grund genug, sich von Dylan abzuwenden (vgl. Drösser,
190).
Gewohnheit, Vertrautheit kann sich allerdings relativ schnell einstellen: nur wenige Jahre,
nachdem die Uraufführung von Strawinskys Sacré du Printemps zu einem solchem Tumult
im Publikum geführt hatte, dass die Pariser Polizei eingreifen musste, wurde Strawinsky im
wörtlichen Sinne auf Schultern getragen (vgl. Lehrer, ???? oder andere Quelle?).
Inzwischen lässt sich eindrucksvoll zeigen, dass das Gehirn ganz ähnlich auf
Strukturunregelmäßigkeiten in musikalischen Strukturen reagiert wie auf syntaktische
Irregularitäten bzw. Verletzungen. Im EEG von Personen, denen ungrammatische Sätze
präsentiert wurden, lassen sich spezifische negative Ausschläge feststellen (etwa nach 100 ms
ELAN early left anterior negativity). Koelsch stellte an Beispielen mit irregulären Kadenzen
eine vergleichbare Reaktion des Gehirn im EEG fest, allerdings spiegelverkehrt (ERAN early
right anterior negativity). Das läst sich bei fast jedem Menschen nachweisen. (Vgl. Koelsch
& Schröger in Bruhns 2009, 393-412.)
<BSPL MELODICA> Drösser, S. 195
<Hörbeispiele aus dem Buch von Dröser finde Sie auf:>
www.droesser.net
Die Fähigkeit, sich an neue, „fremde“ musikalische Strukturen zu gewöhnen, könnte begrenzt
sein: Aber hier sind sich die Experten, Musiker wie Wissenschaftler nicht einig. Keith Lehrer
etwa scheint die Plastizität unseres Gehirns als geradezu grenzenlos einzuschätzen:
PPT Lehrer & Drösser
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„As neuroscience now knows, our sense of sound is a work in progress. Neurons in the
auditory cortex are constantly being altered by the songs and symphonies we listen to.
Nothing is difficult forever” (Lehrer, 125).
Andere Forscher sind skeptisch oder glauben vielmehr, dass das auditive System immer auf
gewissen tonale und zeitliche Ordnungen hinauswill. Christoph Drösser scheint dieser
Haltung näher zu stehen, wenn er schreibt:
[PPT %]
„[Kunst] darf schocken, ängstigen, sogar beleidigen. Und natürlich sind die Erwartungen des
Publikums nichts Statisches: allein dadurch, dass man gewissen Klängen ausgesetzt ist, fügt
man sie seinem inneren ,musikalischen Lexikonʻ hinzu, und beim nächsten Hören sind sie
schon gar nicht mehr fremd. Die Vorstellung allerdings, man könne das Publikum
musikalisch umerziehen und dazu bringen, Zwölftonmusik auf der Straße zu pfeifen, muss
irrig bleiben, dazu ist unsere biologische Sucht nach der Erfüllung unserer Erwartungen
einfach zu groß“ (Drösser, 192f.).
Noch ein ernüchternder Gedanke:
„schön“ klingt, was dem Durchschnitt entspricht
PPT - Hinweis auf Repp
Sie haben vielleicht von Experimenten zum Empfinden der Schönheit von Gesichtern gehört.
Diese Experimente gehen bereits auf Sir Francis Galton, der davon ausging, dass es einen
systematischen Zusammenhang zwischen der durchschnittlichen Ausprägung eines Merkmals
(wie der Länge der Nase) und dem Empfinden dieses Merkmals als schön gebe. Galtons
Experimente (1883) legten nahe, dass das Schönheitsideal nahe beim Durchschnitt messbarer
Eigenschaften liegt. Jüngst haben Langlois und Roggman (1990) mittels Computertechnik
erstellte Durchschnittbilder zu Experimenten verwendet, die die Experimente Galtons
bestätigt haben: Die Vpn fanden die Durchschnittsbilder schön, gerade im Vergleich zu
Einzelbildern.
Perrett und Mitarbeiter zeigten dann 1994, dass wiederum ein Durchschnittsgesicht, das aus
Gesichtern, die bereits als schön beurteilt wurden, als schöner empfunden wird, denn ein
Durchschnittsbild aus allen Gesichtern.
Jetzt zur Musik: Bruno Repp hat 1997 diese Fragestellung aus die ästhetische Wahrnehmung
von Musik übertragen. – Zehn Musikstudierende spielten Schumanns Träumerei auf dem
Klavier. Repp produzierte dann eine elfte Version mittels Mittelwertbildung aus diesen zehn
Aufnahmen. In einem zweiten Schritt beurteilten dann zwölf Pianisten die elf Versionen. Die
Durchschnittsversion erlangte immerhin den zweiten Platz.
In einem weiteren Experiment wurden wiederum Pianisten gebeten, diesmal 30 Versionen des
Beginns der Etüde in E-Moll von Chopin zu beurteilen. Die Versionen stammten sowohl von
Profi-als auch Hobbypianisten. Drei Durchschnittsversionen befanden sich auch unter den 30
Versionen, eine Ds.version der Professionellen, eine der Laien, und der Gesamtdurchschnitt.
Der Ds. der professionellen Pianisten wurde als am schönsten empfunden. (wie das schönere
Gesicht aus dem Gesamtpool)
(Vgl. zu diesen drei Absätzen Spitzer, Musik im Kopf, 294f.)
Ich habe nicht geradehin ästhetisch mit schön gleichgesetzt, allerdings wird im
Sprachgebrauch vieler Menschen eine „schöne Darbietung“ der Träumerei mit einer
„ästhetischen“ m.o.w. gleichbedeutend sein.
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PPT „schön“ im Sinne von sozialer Harmonie, Ordnung, Gleichheit und Respekt
Von Schönheit der Musik zu sprechen wäre hier eine façon de parler, aber das war es
eigentlich in allen Fällen durch all die Jahrhunderte.
Ich habe andernorts drei Thesen zum Musikmachen formuliert, die sich übrigens unmittelbar
aus der Philosophie Spinozas ableiten:
Im Musikmachen kann man einen Einklang von Körper und Geist, ein Höchstmaß an
Aktivität, Vitalität und sozialer Harmonie erleben, das in vergleichbarer Intensität nur
selten in anderen Tätigkeiten und sozialen Interaktionen zu verwirklichen ist.
Im Musikmachen ist ein Grad der Freiheit zu erreichen, der ebenfalls außerhalb des
Musizierens nur in wenigen Handlungen oder Situationen zu erzielen ist.
Das gemeinsame Musizieren ist ein Vorbild für das Streben nach vernünftiger,
tugendhafter, gemeinsamer Bewältigung unseres Lebens überhaupt.
Vgl. dazu auch:
Robert Jourdain, Das wohltemperiert Gehirn, S. 368.
PPT - Kann Musik also „schön“ sein? <zusammenfassend>
PPT – Soll Musik überhaupt schön sein?
Ich denke, dass gerade die Mischung aus bitter und süß vornehmlich den Reiz von Musik
ausmacht. Das trifft auf eine Mahler-Sinfonie ebenso zu wie auf einen Song von Ray Charles.
Der Grund dafür könnte dann darin liegen, dass es einerseits „schöne“ Elemente in dieser
Musik gibt z.B. klare, oft symmetrische Formen, melodiöse eingängige Motive, weiche
Klangfarben usw.) Aber andererseits gibt es ebenso Elemente, die aus diesen Schemata
ausbrechen. Es sind diese Elemente, die uns die Musik von einem bloß angenehmen
Klangteppich unterscheiden lassen, es sind die Ecken und Kanten und Brechungen, die
Dissonanzen, die rhythmischen Reibungen und Ambiguitäten usw., die uns wirklich zuhören
lassen. Und schließlich gibt es, zumindest seit dem 20. Jh. Musik, die sich vollkommen der
Schönheit verweigert, Avantgarde, Punk u.a. Musik muss also nicht schön sein.
Ich schlage nun noch eine Strategie vor, die an Eggebrechts Gedanken anknüpft, dass uns die
Loslösung vom Schönheitsbegriff Freiheit schafft:
PPT <Begriffliche Strategie … 1 >
PPT <Begriffliche Strategie … 2 >
SO, der Vortrag ist dann doch etwas länger geworden... Ich komme nun zu einem wirklich
kurzen Schlusswort:
Wenn wir sagen, diese oder jene Musik ist (uns) schön, dann sagen wir damit so gut wie
nichts aus – aber oft meinen wir damit das, was uns das Wesentliche ist. Und mit dieser
Paradoxie müssen wir uns wohl weiterhin abfinden.
PPT - Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
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Material/ Literatur:
Bruhn, Kopiez, Lehmann (Hg.) 2008. Musikpsychologie. Das neue Handbuch. 2. Aufl. 2009.
Reinbek b. Hamburg, Rowohlt.
Clifton, Th. (1983): Music as Heard. A Study in Applied Phenomenology. New Haven,
London: Yale University Press.
Drösser, Ch. 2011. Der Musikverführer. Warum wir alle musikalisch sind. Reinbek b.
Hamburg: Rowohlt. Orig. 2009 als Hardcover u. d. Titel: Hast du Töne? Warum wir alle
musikalisch sind.
Eggebrecht, H. H. 1997. Die Musik und das Schöne. München, Zürich: Piper.
Fubini, E. 1997. Geschichte der Musikästhetik. Von der Antike bis zur Gegenwart. Stuttgart,
Weimar: Metzler.
Lehrer, J. 2007. Proust Was A Neuroscientist. Boston, New York: Houghton Mifflin.
Huron, D. 2006. Sweet Anticipation. Music and the Psychology of Expectation. Cambridge,
London: MIT Press.
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