Mobile und standortbezogene Dienste für digitale Baumkataloge

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Fachbereich VI – Informatik und Medien
Mobile und standortbezogene Dienste für digitale Baumkataloge
Dipl.-Inf. Oguz Ibram, Prof. Dr. Petra Sauer
Kooperationspartner: Meelogic Consulting, FEZ Berlin; Projektlaufzeit: 08.11.2012 - 31.12.2013
Kurzfassung
Baumkataloge dokumentieren Baumbestände, rechtlich vorgeschriebene Baumkontrollen und durchgeführte
Baumpflegemaßnahmen. In den letzten Jahren geht der Trend immer mehr zu mobilen Anwendungen, einerseits
haben sich neuartige mobile Endgeräte am Markt durchgesetzt, andererseits passt sich die Softwareentwicklung
diesem Trend durch neue Programmiersprachen und Frameworks an. Der folgende Bericht stellt innovative mobile
Dienste für einen zeitgemäßen Baumkatalog vor.
Abstract
Tree catalogues document tree inventories, judicially ordered tree controls and performed tree maintenance measures. In the last years the trend in software development goes towards mobile applications. On the one hand
novel mobile end devices have emerged in the market, on the other hand software development adapts to this
trend by new programming languages and frameworks. The following report introduces innovative mobile services
for a modern tree catalogue.
Einleitung
In Baumkatalogen werden Baumbestände mit definierten Sach- und Positionsdaten gehalten sowie die Daten zu den rechtlich vorgeschriebenen Baumkontrollen
und Baumpflegemaßnahmen vorgehalten. Je größer
ein Baumbestand umso schwieriger ist es, ihn ohne
Informationstechnik zu verwalten. Digitale Baumkataloge veränderten die bis dahin papierlastige Arbeit rund
um die Verwaltung von Baumbeständen. Der Fortschritt
in der Mobilfunkkommunikation wie schnellere Verbindungen, kostengünstige Endgeräte wie Smartphones
und Tablets verändert diese Branche erneut, indem mobile, ortsbasierte Dienste in den Vordergrund rücken.
Im nachfolgend vorgestellten Projekt wurde das Ziel
verfolgt, Kerndienste und neuartige Dienste digitaler
Baumkataloge zu identifizieren, zu definieren und eine
Auswahl der Dienste prototypisch umzusetzen. Ausgewählte Zwischenergebnisse werden im Folgenden vorgestellt.
Agile Softwareentwicklung mit Scrum
Scrum ist ein Vorgehensmodell zur Softwareentwicklung, welches inkrementelle und iterative Softwareentwicklung fokussiert. Software wird quasi häppchenweise entwickelt, sofort produktiv eingesetzt und danach
wird zur Entwicklung des nächsten „Häppchens“ iteriert.
Eine solche Iteration, an deren Ende ein neues „Häppchen“ Software freigegeben wird, heißt Sprint. Die agilen Modelle stehen damit im Gegensatz zu den klassischen Modellen wie dem Wasserfallmodell, die es
vorsehen, erst nach vollständigem Abschluss einer
Softwareentwicklungsphase mit der nächsten zu beginnen, d.h. erst nach Erstellung der finalen Version des
Modells mit der Entwicklungsphase zu beginnen. Nach
deren vollständigem Abschluss beginnt die Testphase
usw. Bei Missverständnissen mit dem Kunden führt dieses Vorgehensmodell zu ggf. teuren Korrekturen. Aspekte der Entwicklung innovativer Dienste für einen
digitalen Baumkatalog
Zur Entwicklung der Dienste wurde das Softwareentwicklungsframework Oracle Application Express (APEX)
eingesetzt und sollte hinsichtlich der effizienten Nutzbarkeit für die Realisierung derartiger Dienste entsprechend evaluiert werden. Die praktische Arbeit mit dem
in jungen, innovativen Unternehmen verstärkt eingesetzten Vorgehensmodell Scrum zu analysieren, war ein
weiteres zentrales Projektthema.
Abb. 1: Scrum mit Redmine Backlogs : der Anforderungskatalog
Beuth Hochschule für Technik Berlin
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Beim Scrum-Prozess beginnt ein Softwareprojekt mit
der Erstellung des Product Backlogs, einer Liste von
Anforderungen (User Story) an das Produkt. Diese Liste wird vom Product Owner (dem Kunden) erstellt, sie
kann jederzeit erweitert oder auch verkürzt werden.
Auch können die Prioritäten jederzeit vom Kunden geändert werden. Die Entwickler entnehmen der Liste die
vom Kunden priorisierten Anforderungen, zerlegen sie
unter der technischen Sichtweise in Tasks, schätzen
den Aufwand ab und beginnen ihre Arbeit. Das gute
Funktionieren des Scrum-Prozesses überwacht der erfahrene Scrum Master. Scrum kennt viele Arten von
Meetings, die wichtigsten sind wohl das Sprint Review
Meeting (Vorführung der neuen Funktionalität gegenüber dem Kunden) und das tägliche, kurze Daily Scrum
Meeting zur Kommunikation innerhalb des Teams. Es
gibt Tools, die den Scrum-Prozess unterstützen. Im Projekt fiel die Wahl auf das intuitiv zu bedienende Tool
Redmine Backlogs. Redmine Backlogs ist ein Plugin für
Redmine, einem klassischen Projektverwaltungstool,
das aus dem Ticketing-System von Redmine ein ScrumProduct-Backlog macht und die Ticket-Kategorie Task
hinzufügt. Um aus Redmine ein Scrum-Tool zu machen,
bringt Redmine Backlogs außerdem visuelle Effekte
mit, wie z.B. die einfache Veränderung der Prioritäten
im Product Backlog durch Neusortierung, die Anzeige
der Tasks auf einer für Scrum typischen weißen Tafel
uvm. Mit Redmine Backlogs wurden im Projekt der erstellte Anforderungskatalog und die Entwicklungsarbeit
verwaltet. Herauskristallisiert haben sich die im Folgenden beschriebenen inhaltlichen Schwerpunkte für die
Realisierung innovativer Dienste für Baumkataloge.
Baumkontrolle und Baumpflege
Für die Baumkontroll- und Baumpflegevorgänge existieren die in der grünen Branche anerkannten Regelwerke
der FLL (Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V.). Bei [FLL 10] handelt es sich
um Richtlinien, die die Durchführung von Baumkontrollen und die Erstaufnahme des Bestands regeln. Es wird
u.a. festgelegt, welche Daten bei beiden Vorgängen erhoben werden sollten. [FLL 06] spricht Empfehlungen
aus, wie die fachgerechte Umsetzung der Pflegemaßnahmen erfolgen sollte. Es wird u.a. beschrieben, wie
fachgerechte Kronenschnitte auszusehen haben, wie
Kronensicherungen angebracht werden sollten, wie mit
Rinden- und Holzschäden umzugehen ist usw.
Diese Vorgänge sind klassische Außendiensttätigkeiten.
Es bot sich an, sie als mobile Dienste eines digitalen
Baumkatalogs umzusetzen. Als Softwareentwicklungsframework kam die Rapid Application Development
(RAD)-Umgebung APEX von Oracle zum Einsatz. APEX
unterstützt das deklarative Entwickeln von Softwarekomponenten, indem wiederkehrende Arbeiten
automatisiert werden und sich der Entwickler auf die
Geschäftsprozesse konzentrieren kann. Die Geschäftsprozesse werden in APEX mit SQL und PL/SQL erstellt
und bei Bedarf als Web-Service für beliebige andere
Clients zur Verfügung gestellt. Seit der Version 4.2 unterstützt APEX auch die Entwicklung mobiler Applikationen deklarativ. Für diesen Zweck ist jQuery Mobile in
APEX integriert. jQuery Mobile bzw. APEX unterstützen
den Entwickler beim Erstellen Browser-basierter sogenannter Web-Apps. Der Vorteil der Browser-basierten
Web-Apps liegt darin, dass sie plattformübergreifend
verwendet werden können, d.h. es macht keinen Unterschied, ob das Betriebssystem des Endgeräts Android,
iOS oder Windows Phone ist. Der Nachteil ist die etwas
schlechtere Performance im Vergleich zu nativen Apps.
Die neuesten Entwicklungen im HTML-Standard HTML5
unterstützen Web-Apps in vieler Hinsicht. Zu nennen
seien hier das Web Storage, womit die lokale Speicherung von Daten im Browser gemeint ist, das schneller
und sicherer als Cookies ist, oder der App Cache, der
es ermöglicht, dass auch Web-Apps offline im Browser
laufen können. Abb.2 zeigt einen Ausschnitt aus einem
im Projekt als Web-App entwickelten FLL-konformen
Baumkontrollformular. Mit diesem Formular auf dem
mobilen Endgerät kann der Baumkontrolleur die Bäume kontrollieren und erfasst direkt die Daten. In Zeiten
der immer leistungsfähigeren Mobilfunkangebote sollte
diese bzw. auch die native Herangehensweise die bisher in der Branche stark verbreiteten Offline-Lösungen
ablösen. Die Offline-Lösungen liefen auf teuren, für die
Arbeit auf dem Feld entworfenen, Handheld-Geräten
(z.B. von Trimble). Mit der neuen, innovativen WebApp wird einerseits jedes Smartphone bzw. Tablet zum
kostengünstigen Arbeitsgerät, andererseits kann nun
Online – also unter Nutzung der Internetverbindung –
gearbeitet werden, wodurch Synchronisierungsaufwand
und -konflikte entfallen. Weitere Unterstützung können
aus räumlichen Abfragemöglichkeiten und Visualisierungen auf Karten resultieren.
Abb. 2: Mobiles Baumkontrollformular
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Räumliche Abfragen und thematische Karten
Es gibt verschiedene Ansätze, geodatenbasierte Dienste umzusetzen, z.B. kann ein Geoinformationssystem
(GIS) oder eine Geodatenbank integriert werden. Je
mehr Logik bereits in der Datenbankschicht verarbeitet
wird, desto performanter sind Applikationen. Im Projekt
wurde daher die Geodatenbank Oracle Spatial eingesetzt. Oracle ist eine objektrelationale Datenbank, d.h.
dass das klassische relationale Datenmodell um objektorientierte Funktionalitäten erweitert wurde. Spatial
führt den objektrelationalen Datentyp SDO_GEOMETRY
ein, der u.a. die Koordinaten und die Geometrie, also
die geometrische Form eines räumlichen Objekts, speichert. Die Sachdaten befinden sich im gleichen oder in
einem Datensatz, zu dem eine relationale Verknüpfung
besteht. Mit dieser Herangehensweise sind sowohl
Geodaten als auch Sachdaten in derselben Datenbank
gespeichert. Eine Geodatenbank wie z.B. Oracle Spatial
kann räumliche Abfragen beantworten, wie beispielsweise Abfragen nach den nächsten Nachbarn eines Objekts oder die Entfernungsabfrage zwischen Objekten.
Darüber hinaus können die Abfrageergebnisse visualisiert werden. Hierfür bieten sich thematische Karten
an, d.h. Karten, die ein Thema (z.B. alle Bäume, deren
Baumkontrolle ansteht) visuell hervorheben. Das ganze
wird als Presentation Service oder Mapping bezeichnet
und ist unter diesem Begriff Teil der OGC-Spezifikation
OpenLS – ein Web-Service-Standard für ortsbasierte
Dienste (Location Based Services). Im Projekt wird das
Mapping mit Oracle MapViewer gelöst. Als Basiskarte
bietet sich das freie Projekt OpenStreetMap an. Für die
Realisierung von Applikationen, die ohne Lizenzkosten auskommen müssen, kann für Geoabfragen Oracle
Locator anstelle von Spatial eingesetzt werden. Statt
Oracle MapViewer und Oracle Maps kann das freie
OpenLayers zum Einsatz kommen.
Schädlingsmonitoring, HeatMaps, CO2-Fußabdruck,
Historienverwaltung
Mit den vielen, bei Baumkontrollen erfassten Daten
können verschiedene Erkenntnisse über den Baumbestand gewonnen werden. Ein zentraler Punkt ist die
Visualisierung des Befalls mit Schädlingen z.B. mit dem
Eichenprozessionsspinner. Mit verschiedenen Ansätzen
wird im Projekt versucht, den Schädlingsbefall zu visualisieren. Durch neue Möglichkeiten in der HTML5Spezifikation können mit Canvas HeatMaps im Browser
gezeichnet werden. HeatMaps zeigen mit Farbwerten
unterschiedliche Konzentrationen an. Ein weiterer
Dienst, der in Umweltfragen wertvolle Unterstützung
bieten kann, ist die Berechnung des CO2-Fußabdrucks,
den ein Baumbestand aufnehmen kann. Historienverwaltung befasst sich damit, Datensätze in einer Datenbank auch nach ihrer Überschreibung aufzuheben. Dies
ist unter rechtlichen Aspekten von großer Bedeutung.
Es bietet sich das Oracle Auditing-Feature an.
Abb. 3: Darstellung der Baumstandorte auf einer digitalen Karte
Beuth Hochschule für Technik Berlin
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Zusammenfassung
Der erstellte digitale Baumkatalog dient als Basis für
die Entwicklung weiterer innovativer Dienste. In [Doob
08] wurden noch 2008 die zähen Zugriffszeiten im Mobilfunk beklagt. Mit ihrer Verbesserung werden auch
im Bereich der Grünflächeninformationssysteme und
Baumkataloge zunehmend mobile Online-Lösungen zur
Anwendung kommen. Ob sich die plattformübergreifenden mobilen Lösungen (z.B. jQuery Mobile), die im
Projekt verwendet wurden, gegen die nativen Lösungen durchsetzen werden, wird die Zeit zeigen. Mobile,
ortsbasierte Dienste unterstützen den Außendienst im
grünen Bereich enorm und je größer der Baumbestand
umso größer ist die Unterstützung. Für Einrichtungen
mit mittlerem Baumbestand und begrenztem Budget
ist eine auf kostenfreie Oracle-Technologien gestützte
Version eines Baumkatalogs ein gutes Arbeitsmittel.
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1 Scrum mit Redmine Backlogs:
der Anforderungskatalog
Abb. 2 Mobiles Baumkontrollformular
Abb. 3: Darstellung der Baumstandorte auf
einer digitalen Karte
Literatur
[Czar 11] Czarski, Carsten: Oracle Application Express,
in: Database Pro, S. 90 – 94, Neue Mediengesellschaft Ulm mbH, 02/2011.
[Doob 08] Doobe, Gerhard: Digitales Baumkataster –
Empfehlungen des Arbeitskreises Stadtbäume der GALK für Aufbau und Fortschreibung,
in: Stadt + Grün, S. 14 – 19, Patzer Verlag
Berlin-Hannover, 10/2008.
[FLL 06] Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V.: ZTV-Baumpflege –
Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen
und Richtlinien für Baumpflege, Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau Bonn, 2006.
[FLL 10] Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V.: Baumkontrollrichtlinien – Richtlinien für Regelkontrollen
zur Überprüfung der Verkehrssicherheit von
Bäumen, Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau Bonn, 2010.
[Hart 13]Hartman, Roel; Rokitta, Christian; Peake,
David: Oracle Application Express for Mobile
Web Applications, Apress New York, 2013.
[Reid 11] Reid, Jon: jQuery Mobile – Building CrossPlatform Mobile Applications, O’Reilly &
Associates Sebastopol, 2011.
[Saue 11]Sauer, Petra: Datenbank- und Anwendungsentwicklung für digitale Baumkataloge, in:
Forschungsbericht 2011, S. 152 – 156, Beuth
Hochschule für Technik Berlin, wvb Wissenschaftlicher Verlag Berlin, 2011.
60 Nachhaltige Forschung in Wachstumsbereichen – Band iv
Kontakt
Prof. Dr. Petra Sauer
Beuth Hochschule für Technik Berlin
Fachbereich VI
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Telefon: (030) 4504-2691
E-Mail: [email protected]
Kooperationspartner
Meelogic Consulting AG
Dr. Friedrich Echternacht
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Sabine Jahn
Straße zum FEZ 2, 12459 Berlin
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