Vorlesungsskript - Dr. Wolfgang Ruf

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PsychodiagnostikundPsychotherapie
DualeHochschuleVillingen-Schwenningen
AusbildungsbereichSOZIALWESEN
Wintersemester2016
GesundheitswissenschaftenI–Modul8
Dr.WolfgangRuf-Ballauf
FacharztfürPsychosomatischeMedizinundPsychotherapie
FacharztfürInnereMedizin
Psychotherapie–Sozialmedizin-Rehabilitationswesen
www.ruf-ballauf.de
Hinweis:
DiesesSkriptistausschließlichfürdieVerwendunginderVorlesung„PsychodiagnostikundPsychotherapie“konzipiert.
EineweitereVerwendungistnurmitErlaubnisdesAutorsgestattet.EineöffentlicheNutzungistnichterlaubt,damöglicherweiseUrheberrechteDritterverletztwerdenkönnten.
AusdidaktischenGründenwirdinderVorlesungzunächst„Psychodiagnostik“,dann„Psychotherapie“abgehandelt.
AblaufderVorlesungenimWintersemester2016:
Psychodiagnostik(4Termine),SkriptabS.45
Psychosomatik(8Termine)–eigenesSkript!
Psychotherapie(6Termine)
Tutorium(6.12.oder8.12.2015jeweils13:30Uhr–zurAuswahl)
DiesesSkriptkannüberdieInternetseitedesDozenten(s.o.)alspdf-Dateiheruntergeladenwerden
(http://www.ruf-ballauf.de/DualeHochschule.html).EswirdauchindieE-learningPlattformderDH
eingestellt.EsenthältdasBasiswissenbezogenaufPsychodiagnostikundPsychotherapieverfahren.
DieKenntnisdesSkriptswirdvorausgesetzt.InderVorlesungwirdaufdasSkriptnichtimDetail
eingegangen,vielmehrwerdeneinzelneAspektedurchFolienpräsentationundVideo-Beispielevertieft.
1
Inhalt
Seite
Psychotherapie
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Grundlagen
WasistPsychotherapie?VersucheinerDefinition
StettingundVerfahren(Übersicht)
WiewirktPsychotherapie?
PsychologischeundbiologischeGrundlagen
AbgrenzungPsychotherapie–sozialeArbeit
TiefenpsychologischePsychotherapie/Psychoanalyse
Historisches
Entwicklungsmodell(Phasentheorie)
Libidotheorie
Instanzenmodell
KonflikttheorieundNeurosenlehre
TherapeutischeBeziehung
TherapeutischeInterventionen
Verhaltenstherapie
Historisches
Lerntheorie
Konditionieren
Stimulus-Reaktionsketten
Verhaltensanalyse
Bedingungsgefüge
BetrachtungsebenendesVerhaltens
Verhaltenstherapie:Prozessmodell
VerhaltenstherapeutischeMethoden
AnderePsychotherapieverfahren
InterpersonellePsychotherapie
Gesprächspsychotherapie
SystemischeTherapie
Gestalttherapie
Psychodrama
Hypnose
ErgänzendeVerfahren
NonverbaleTherapieformen
Kunst-undKreativtherapie
Tanztherapie
WeitereVerfahren
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Psychodiagnostik
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Grundlagen
Einführung
diagnostischerProzess
Klassifikationssysteme
PsychometrieundSoziometrie
Testkonstruktion
Testformen
Gütekriterien
Testdurchführung
DiagnostischeVerfahren
Selbstbeurteilung
Fremdbeurteilung
Interviews
Verhaltensbeobachtung
Interaktionsdiagnostik(Grundsätze)
Leistungsdiagnostik
Felddiagnostik
ProjektiveVerfahren
DiagnostischeFragestellungen
Klinisch-biographischeDiagnostik
Soziodiagnostik
Netzwerke
sozialeUnterstützung
Anpassung
Belastungsbewältigung
Lebensqualität
Diagnostikder(prämorbiden)Persönlichkeit
DiagnostikbeiKindern,JugendlichenundälterenMenschen
Verlaufsbeobachtungen
StörungsbezogeneDiagnostik
DiagnostikspeziellerpsychischerStörungen
BeispielestörungsbezogenerDiagnostik
Persönlichkeitsstörungen
Hirnleistungsdiagnostik
Literatur
AnhangFallbeispiel
AnhangFPI-R
AnhangBECKDepressionsinventar
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Psychotherapie
Grundlagen
WasistPsychotherapie?VersucheinerDefinition
DieinderFachweltgängigeDefinitionlautet:
PsychotherapieisteinbewussterundgeplanterinteraktionellerProzesszurBeeinflussungvonVerhaltensstörungenundLeidenszuständen,dieinÜbereinstimmungzwischenPatientundTherapeutfürbehandlungsbedürftiggehaltenwerden,mitpsychologischenMitteln(durchKommunikation)meistverbalaber
auchaverbal,inRichtungaufeindefiniertes,nachMöglichkeitgemeinsamerarbeitetesZiel(Symptomminimalisierungund/oderStrukturänderungderPersönlichkeit)mittelslehrbarerTechnikenaufderBasis
einerTheoriedesnormalenundpathologischenVerhaltens.(Strotzka1978)
InderDefinitionwerdenVoraussetzungen,DurchführungundTheoriebasisvonPsychotherapiegenannt.AlsVoraussetzungkanndieÜbereinstimmunginBezugaufdieBehandlungsbedürftigkeitgenanntwerden.Diesmündetineinem(schriftlichenodermündlichen)Behandlungsvertrag.Inder
RegelistderLeidensdruckderBetroffenenAuslöservonPsychotherapie.Psychotherapiesolltenicht
imAuftragDritterdurchgeführtwerden.AlsweitereVoraussetzungwirdeineerlernte(undlehrbare)
Technikgenannt.PsychotherapiewirdalsinteraktionellerProzesszwischenzweiodermehreren
Menschen(Gruppenpsychotherapie)charakterisiert.InderDurchführungwerdenalsMittelderBehandlungverbaleundnon-verbaleKommunikationsformenerwähnt.AlswichtigesElementvonPsychotherapiesolltenTherapieziele(einvernehmlich)vereinbartwerden,diesehrunterschiedlichsein
können.SiereichenvonSymptomkontrolleoder–minimalisierungbishinzugrundlegendenÄnderungenvonEinstellungenundVerhaltensweisen(ÄnderungderPersönlichkeitsstruktur).Dieserso
beschriebene,komplexeProzesswirdaufdemBodeneinerwissenschaftlichbegründetenTheorie
durchgeführt.DieseTheorieumfasstErklärungsmodellenormalen(gesunden)undkrankhaften(pathologischen)Verhaltens.
AufdieGeschichtederPsychiatriekannhiernichteingegangenwerden.Siehatjedochwesentlichdazubeigetragen,dassPsychotherapiepatientenauchheutenochmitVorurteilenzukämpfenhabenundinderBevölkerungdieUnterscheidungvonpsychischenStörungen,diederPsychotherapiebedürfen,undpsychiatrischen
Erkrankungenwiez.B.Psychosennichtbekanntist.
PsychotherapieinheutigemSinnegibteserstseitknapp100Jahren.Als"Mutter"dermodernenPsychotherapieistwohldiePsychoanalysezubetrachten,welcheumdieJahrhundertwendedurchdenWienerPsychiater
undNeuropathologenSigmundFreud(1856-1939)entwickeltwurde.DiepsychologischeBasisderPsychoanalysealsBehandlungsverfahrenistdieTiefenpsychologie.DieklassischePsychoanalyseundTiefenpsychologie
wurdedurchSchülerFreudserweitert.DiebekanntestensindAlfredAdler'sIndividualpsychologie,C.G.Jung's
AnalytischePsychologiesowieWilhelmReich'sKörperpsychotherapie(ca.1930-1940).
Inden30-igerJahrenwurdeanamerikanischenUniversitätendersog.Behaviorismuspopulär.Thorndikeund
SkinnerentwickeltenaufBasisvonexperimentellentwickeltenLerntheoriendieerstenVorläuferderVerhaltenstherapie.Inden1980er-Jahrenfanddiesogenannte„kognitiveWende“statt,beidererstmalsauchinder
VerhaltenstherapieIntrospektion(Innenschau),GedankenundEmotionenstärkerindieTherapieeinbezogen
wurden.DarausentwickeltesicheineinsgesamterweiterteVerhaltenstherapie.
Inden40er-JahrenerforschtederUS-PsychologeCarlR.RogersdenZusammenhangzwischenhumanistischer,
personenzentrierterHaltungvonTherapeutenundkonstruktivenPersönlichkeitsveränderungenaufSeitender
Patienten.NachderAbsicherungseinerForschungsergebnissebegründeteeroffizielldiesog.GesprächspsychotherapieaufBasisderklientenzentriertenGesprächsführung.
DieDurchführungvonPsychotherapiewirdinDeutschlandseit1999durchdasPsychotherapeutengesetz(PsychThG)geregelt.SeitheristdieBerufsbezeichnung„Psychotherapeut“auchgeschützt.
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Früherdurftesichjeder„Psychotherapeut“nennen,wasvorallembeiHeilpraktikernhäufigderFall
war.GesetzlicheVoraussetzungzurDurchführungvonPsychotherapieisteineentsprechendeZusatzausbildung,diemanentwederalsArzt(->“ärztlicherPsychotherapeut“)oderalsPsychologe(>“psychologischerPsychotherapeut“)absolvierenkann.Diesgiltauchfür„Kinder-undJugendlichenpsychoptherapeut“,dieausnahmsweiseauchentsprechendweitergebildetePädagogenoderSozialpädagogenseinkönnen.DasPsychThGkannimInterneteingesehenwerdenz.B.unter
http://www.vpp.org/gesetze/psychthg/gesetzestext.shtml.
StettingundVerfahren(Übersicht)
Unter„setting“verstehtmandieäußereFormderDurchführungvonPsychotherapie.Diesekann
erfolgenals
• Einzelpsychotherapie
• Gruppenpsychotherapie
• Paar-undEhetherapie
• FamilienundsystemischeTherapie
ImambulantenRahmenwerdenamhäufigstenEinzelpsychotherapiendurchgeführt,wobeidieScheu
vielerPatientenvoreinerGruppentherapiezwarverständlich,aberunbegründetist.DieGruppenpsychotherapiezeichnetsichdurchzusätzlicheWirkfaktorenaus,diesiehäufigeffektivermachtals
Einzeltherapie.BestimmteStörungsbilder(z.B.dieposttraumatischeBelastungsstörung–PTBS)lassensichjedochnurinEinzeltherapiebehandeln.
FolgendePsychotherapieverfahrensindetablierteVerfahren,diejedochnichtallevondenKrankenkassenbezahltwerden.ImFolgendeneinedefinitorischeÜbersicht:
• TiefenpsychologischePsychotherapieundPsychoanalyse
Behandlungsform,dieauftiefenpsychologischenKonstruktenberuht(Libidotheorie,Phasentheorie,
Instanzenlehre,Konflikttheorie),diewesentlichdasUnbewussteeinschließen.NeurotischeSymptome
werdenalsFolgeungelösterinnererKonflikteverstanden,dieinwesentlichenAnteilenverdrängt
wordensind.Nichtakzeptable(Trieb-)WünscheoderImpulsewerdendurchAbwehrvorgängeinsUnbewussteverschoben,lassensichjedochdauerhaftnichtunterdrückenundzeigensichin(neurotischen)Symptomen.TiefenpsychologischePsychotherapieistdahereinkonflikt-zentriertesVerfahren,
die„Tiefe“beziehtsichaufdiezeitlicheDimension(WichtigkeitderfrühkindlichenEntwicklung)als
auchaufdiestrukturelleDimension(desUnbewussten).
TiefenpsychologischePsychotherapieundPsychoanalyseunterscheidensichdurchHäufigkeitderSitzungen,Interventionenbzw.AktivitätdesTherapeutenundformaleDurchführung(inderklassischen
Psychoanalysedie„Couch“).
SigmundFreud
C.G.Jung
WilhelmReich
AlfredAdler
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•
VerhaltenstherapieundkognitiveTherapie
DieVerhaltenstherapiebasiertaufderLerntheorie,diewiederumwesentlicherBestandteil
dessog.Behaviorismusist(engl.„behavior“=Verhalten).HistorischeGrundpositionendes
klassischenBehaviorismussind
BeschäftigungmitvonaußenbeobachtbaremVerhalten(wozumotorischeReaktionen,aber
auchsprachlicheReaktionengehören)
o VerhaltenbestehtausReflexen,d.h.Reiz-Reaktions-Assoziationen(Verbindungen)
o ReizesindStimuli,dieaußerhalbdesOrganismusaberauchinnerhalbdesOrganismusVeränderungenbewirken
o JederReaktionkannprinzipielleinsieauslösenderReizzugeordnetwerden
o ReizeundReaktionenwerdenüberPawlowschesKonditionierenassoziiert
o GefühleundGedankensindnichtvonaußenbeobachtbar.DeshalbsindsienichtGegenstand
wissenschaftlicherPsychologie(diesePositiongiltheutenichtmehr)
ImGrundsatzwirdunserVerhaltendurchverschiedeneVorgänge(Konditionierungen)erlernt,kann
auchwiederverlerntwerdenundkanndurchgeeigneteTechnikenauch„umgelernt“werden.Dieses
UmlernenoderGegenlernengeschiehtmittelsspezifischerverhaltenstherapeutischerInterventionen,
dieuntengenauerdargestelltwerden.DabeiwirdunterVerhaltennichtnurdieäußerlichsichtbare
AktivitätdesMenschenverstanden,sondernauchdieinnerenVorgängewieGefühle,Denkenund
körperlicheProzesse.
DiekognitivenTherapieverfahrenbasierenaufdemZusammenhangvonDenken,GefühlenundVerhalten.KognitionenumfassenunsereEinstellungen,Gedanken,BewertungenundÜberzeugungen.Die
KognitivenTherapieverfahren,zudenendieKognitiveVerhaltenstherapie(KVT)unddieRationalEmotiveTherapie(RET)gehören,gehendavonaus,dassdieArtundWeise,wiewirdenken,bestimmt,
wiewirunsfühlenundverhaltenundwiewirkörperlichreagieren.DiekognitiveVerhaltenstherapie
(BeckundEllis)greift„dysfunktionaleKognitionen“auf,d.h.irrationaleundunangemesseneEinstellungen,undkorrigiertdieseEinstellungenundversucht,diegeändertenEinstellungeninkonkretes(alternatives)HandelnumzusetzenmittelsverhaltenstherapeutischenInterventionen.
o
•
InterpersonellePsychotherapie
DieInterpersonellePsychotherapieisteineKurzzeittherapie,dieursprünglichfürdieAkutbehandlung
vonDepressionentwickeltwurde.AlsentscheidendenAnsatzrücktdieseTherapieformdietherapeutischeBeziehungindenVordergrund,diedurchpositivezwischenmenschlicheErfahrungenundpsychosozialeEffektehilfreichsei.DiefrühkindlicheEntwicklungwirdnichtindietherapeutischeArbeiteinbezogen,siekonzentriertsichaufdastherapeutischeArbeitenandenBeziehungenimHierundJetzt.
Dabeiwirdangenommen,dasssichfrüherezwischenmenschlicheundpsychischeErfahrungendesPatientenimaktuellenVerhaltenzeigen.DieTherapiefokussiertdaheraufinterpersonelleundimpsychosozialenKontextaktuellbedeutsameThemenderPatienten.EswerdenvoralleminterpersonellrelevanteTechnikeneingesetzt,wozuz.B.Rollenspiele,KlärungvonKommunikationsverhalten,GefühlsaktualisierunginInteraktionenundklärungsorientiertesHinterfragengehören.
•
Gesprächspsychotherapie
VerfahrenausdemBereichderhumanistischenTherapien(GesprächspsychotherapieoderklientenzentriertePsychotherapie,GestalttherapieundPsychodrama–s.u.),welchesvomamerikanischen
PsychologenCarlRogers(1902–1987)entwickeltwurde.DerKlientbestimmtimwesentlichendieGesprächsinhalte,währendderTherapeutaufdieseInhalteeingehtunddenKlientendabeiunterstützt,
sichselbstzuerforschen.EswerdenAnregungen,aberkeineRatschlägegegeben.ImMittelpunktdes
therapeutischenProzessesstehtdieKlient-Therapeut-Beziehung.DerTherapeutbemühtsichumdie
klientenzentrierteGrundhaltung,diedurchdreiDingegekennzeichnetist:
1.EinfühlendesVerstehen(Empathie):DerTherapeutversucht,sichindieinnereWeltdesKlienten
hineinzuversetzenundsichdessenGefühle,Gedanken,Wahrnehmungenzuvergegenwärtigen.
2.Wertschätzung:DerTherapeutbemühtsichumeinebedingungsloseAkzeptanz,Sympathie,Wärme
undRespektgegenüberdemKlienten.
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3.Echtheit:DerTherapeutbemühtsichumAufrichtigkeitgegenüberdemKlienten.Erverstelltsich
nicht,sondernnimmtseineeigenenGefühleimtherapeutischenProzessernstundteiltsiedemKlientenmit.
•
SystemischePsychotherapie
DiesystemischePsychotherapiegründetaufmodernenKonzeptensystemtheoretischerWissenschaft.
StörungenEinzelnerwerdenalsErgebnisgestörterinteraktionellerBeziehungenzwischendem„Symptomträger“unddenAnderenimSystemaufgefasst.DieseBetrachtungsweiseermöglichtes,komplexe
PhänomeneundStörungendesmenschlichesLebensundZusammenlebenszuverstehenundeine
passendeMethodikzuihrerBehandlungzuentwickeln.NachsystemischemVerständnisistder
MenschimmerzugleichalsbiologischesundalssozialesWesenzubetrachten.DiesystemischePerspektiverücktdeshalbdiedynamischeWechselwirkungzwischendenbiologischenundpsychischen
EigenschafteneinerseitsunddensozialenBedingungeninnerhalbeinerGruppe(System)andererseits
insZentrumderBetrachtung.IndividuelleSymptomewerdenalsErgebnisvonkrankheitserzeugenden
und-aufrechterhaltendenBeziehungsmusternimKontextderwichtigenBezugspersonenimSystem
gesehen.DiesePersonenwerdendeshalbnachMöglichkeitindentherapeutischenProzessmiteinbezogen.SystemischeTherapiekannaberauchalsEinzeltherapieundsystemischePaartherapiedurchgeführtwerden.ZentralesArbeitsmittelistderöffnendeDialog.DemKlientengegenüberbemühtsich
derTherapeutumeineHaltungdesRespekts,derUnvoreingenommenheit,desInteressesundder
WertschätzungbisherigerHandlungs-undLebensstrategien.
•
Gestalttherapie
DieGestalttherapieisteinVerfahren,dassowohlgesprächsorientiert,alsauchdarstellend-kreativund
körperorientiertist.SiewirdalsEinzel-,Gruppen-,Paar-undFamilientherapieangeboten.DieaktuellenErfahrungenundGefühlederKlientenstehenimVordergrund(Konzentrationaufdas"Hierund
Jetzt").VielAufmerksamkeitwirdaufKörperwahrnehmunggelegt;sowerdenKlientInnenaufWidersprüchezwischenihremkörperlichenundsprachlichenVerhaltenhingewiesen.SpielerischeoderkreativeMethodenwerdenverstärkteingesetzt,damitdieKlientenGefühle,KonflikteoderErlebnissein
derTherapiesituationausdrückenundvergegenwärtigenkönnen(Beispiele:Dialogmitvorgestellten
Personen,dieaufden"leerenStuhl"gesetztwerden;Rollenspiele;geleitetePhantasien;Übertreibung;
Konfrontationu.a.).EskönnenauchVerhaltensexperimentedurchgeführtwerden,indenendieKlientInnensichaufneueArterlebenkönnen.Hausaufgabensollendazudienen,dassErfahrungenausder
TherapieaufdenAlltagübertragenwerden.InderGestalttherapiekanneineVielfaltanMedieneingesetztwerden:Farben,Ton,Collagen,Masken,Puppen,Bewegung,Musik,Poesie.
•
Psychodrama
DaspersonenzentriertePsychodramaermöglichtdurchdieszenischeDarstellunggegenwärtiger,vergangener,zukünftigeroderphantasierterSituationen
dieKlärungproblematischerzwischenmenschlicherBeziehungen
dasErkennenundBehebenvonKommunikationsstörungenunddysfunktionalenInteraktionen
dieAufdeckungvonKonfliktursachen(unterschiedlicherSymptome)durchfreieAssoziationvon
SzeneninderpsychodramatischenAktion
dieEntwicklungfehlenderRollenundinnererFiguren
denAbbaubzw.dieUmwandlungdestruktiverRollenmuster
dasbewusstreflektierendeWiedererlebenabgewehrterGeschehnisseundGefühleimSpielund
ihreIntegrationindasgegenwärtigeErleben
dasErkennenundAkzeptierenvonGrenzenundBewältigungderdamitverbundenenKränkung
undFrustration
dasEinübenneuerVerhaltensweisenimRollenspiel
dasEntdeckenundErprobenbisherungenutzteroderunbekannterMöglichkeitenzurindividuellenEntfaltungundsozialenBegegnung.
DurchdieArbeitamRollenverhalten(inderGruppe)wirdesmöglich,Stärkenzufördern,RollenfixierungenzulösenundFreiheitzurWahlneuerVerhaltensweisenundKontaktformenzuschaffen.Tech-
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nikenwieSoziogramme,GruppenskulpturenundsymbolischeBildererhellenCharakterundIntensität
derjeweiligenBeziehungsgefügeundderRollederEinzelnendarin.AusderBeschreibungergibtsich,
dassdasVerfahrenvorwiegendalsGruppenverfahreneingesetztwird.
•
SuggestiveundEntspannungsverfahren
DasbekanntestesuggestiveVerfahrenistdieHypnose.SiearbeitetmitSuggestionen,dieimZustand
derTrancegegebenwerdenundüberdieHypnosesitzunghinauswirksamseinsollen.Tranceistein
ZustandeingeengtenBewusstseins,welcherdurchverschiedeneTechnikenherbeigeführtwerden
kann.Tranceinduktionwirdz.B.durchEntspannungstechnikenoderFixation(aufeinenPunkt)bewirkt.
LeideristdietherapeutischeHypnosedurchfragwürdigePraktikenderShow-HypnoseundFalschinformationeninMisskreditgebrachtworden.HypnosekannunterverschiedenenZielvorstellungeneingesetztwerden:
- alstherapeutischeHypnose,eingebettetinPsychotherapie,meisttiefenpsychologischePsychotherapie;siedienthierdemErkenntnisgewinnunddemVorbereitenvonHandlungsalternativen
(zurKonfliktlösung)
- alstherapeutischeHypnosemitdemkonkretemZielderBeschwerdelinderungoderBeseitigung
bestimmterVerhaltensweisenwiez.B.Rauchen(„posthypnotischerAuftrag“)
- alsexplorativesVerfahrenzurErgründungunbewussteroderverdrängterbzw.vergessenerInhalte;wennz.B.durcheinedissoziativeStörungVergangenes„vergessen“wurde,kannesmanchmal
durchHypnosewiedererinnertwerden.
EinVorurteilgegenüberHypnoseist,dassdieHypnotisiertenwillenlosausgeliefertwärenoderdasssie
alsWerkzeugemissbrauchtwerdenkönnten.DiesistUnsinn.Menschenlassensichnichtgegenihren
Willenhypnotisieren.SuggestionenalsposthypnotischeAufträgewerdennurwirksam,wennsiedie
ethisch-moralischenGrundsätzedesHypnotisiertennichtverletzenundderBetroffeneausdrücklich
zugestimmthat.HypnoseistnurwirksambeiMenschen,dieausreichendsuggestibelsind.
EntspannungsverfahrenwurdenimRahmenderVorlesung„Psychosomatik“besprochen.AlsAutosuggestivesVerfahrenistdasautogeneTrainingambestendokumentiert.
•
KörperorientierteVerfahren
wurdenebenfallsbereitsbesprochen(TherapieansätzeinderPsychosomatik).Danebengibtesdie
KörperpsychotherapieimengerenSinne,derenAnsätzeaufeinenSchülerFreudszurückgehen(WilhelmReich,1897–1957).HierunterverstehtmaneinenganzheitlichenTherapieansatz,beidemder
KörperalsSpiegeldesmentalen,emotionalen,sozialenundspirituellenLebensbetrachtetwird.Viele
psychischebzw.psychosomatischeStörungensindmiteinerEntfremdungdeseigenenKörpersverknüpft.HäufigsinddieFolgenungelösterKonflikteaufgespalteninkörperlicheundseelischeFolgen.
KörpersignaleundseelischesBefindenwerdeninderpsychotherapeutischenKörperarbeitintegriert.
EswirddieintuitiveWahrnehmungsfähigkeitfürdiekörperlichenFolgenseelischerVorgängeverbessert(z.B.Übertragung,Gegenübertragung,Projektion,Widerstandusw.–zurdiesenBegriffens.u.bei
tiefenpsychologischerTherapie).DieDurchführungvonKörperpsychotherapiegliedertsichinkörperzentrierteÜbungsabschnittebzw.KörperwahrnehmungsübungenundGesprächsanteile.
ObeinPsychotherapieverfahrenalswissenschaftlichanerkanntesVerfahren(sog.RichtlinienVerfahren)indenLeistungskatalogderKrankenkassenaufgenommenwird,entscheidetderwissenschaftlicheBeiratnach§11PsychThG(http://www.wbpsychotherapie.de/).
WiewirktPsychotherapie?
LangeZeitglaubtenPsychotherapeuten,siemüsstenihreTherapieformennichtlegitimieren,dasie
offensichtlichwirksamseien.DieseempirischeFeststellungreichtespätestensdannnichtmehraus,
alsPsychotherapieindenLeistungskatalogdergesetzlichenKrankenversicherungübernommenwurde.DiePsychotherapieforschunghatinzwischenjedochgutbelegenkönnen,welchePsychotherapieverfahrenalswirksameingeschätztwerdenkönnenundwiedieWirkungenerklärtwerdenkönnen.
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DieEffektstärkevonPsychotherapieliegtimBereichvon0,7bis0,81abhängigvomStörungsbildund
angewandtemVerfahren.
AlsWirkfaktorenvonPsychotherapiewurdengefunden:
• Intensive,emotionalbesetztevertrauensvolleBeziehungzwischenHilfesuchendenundHelfer
• Erklärungsprinzip(Glaubenssystem,Mythos)bezüglichderUrsachenderErkrankungundeinedamitzusammenhängendeMethodefürihreBeseitigungbzw.Behebung
• Problemanalyse,diedemPatientenMöglichkeitenderBewältigungeröffnet
• VermittlungvonHoffnungmitdemZiel,dieDemoralisationdesPatientenabzubauen
• VermittlungvonErfolgserlebnissen,diesowohlderHoffnungweitereNahrunggebenalsauch
demPatientenzunehmendSicherheitundKompetenzvermitteln
• FörderungemotionalenErlebensalsVoraussetzungfüreineEinstellungs-undVerhaltensänderung
DiegenanntenFaktorenbeziehensichaufEinzel-undGruppenpsychotherapie.InderGruppenpsychotherapiekommenjedochweitereWirkfaktorenhinzu:
• AkzeptanzdurchdieGruppenmitglieder
• Kohäsion(Zusammengehörigkeitsgefühl)innerhalbderGruppe
• UniversalitätdesLeidens:auchAnderengehtesschlecht
• EinflößenvonHoffnung:Anderehabenesauchgeschafft
• Feedback:unterstützendeRückmeldungen
• Anleitung:VorschlägekonkreterHandlungsalternativen
• IdentifikationmitpositivenEigenschaftenAnderer
• SelbstöffnungimgeschütztenRaum
• Interaktion:FörderungderKommunikationsfähigkeitunddesSozialverhaltens
• WiedererlebenderprimärenFamilieinnerhalbderGruppe
• Katharsis2:„Läuterung“durchemotionaleEntlastung
• Einsicht:ErkenntnisgewinndurchSchlüsselerlebnisse
• Altruismus:selbstlosesVerhalteninderGruppesteigertAnerkennung,Beachtungund
Selbstwert.
Gruppenpsychotherapiekannsowohltiefenpsychologisch-psychoanalytischalsauchverhaltenstherapeutischdurchgeführtwerden.AuchdiemeistenanderenPsychotherapieverfahrenkönnenim
Gruppenformaterfolgen.BestimmteStörungsbilderwiez.B.dieposttraumatischeBelastungsstörung
odererheblichSchuld-undSchambesetzteThemenkönneninGruppenmeistnichtbehandeltwerden.AuchistdieIntegrationbestimmterPersönlichkeitenbzw.vonMenschenmitbestimmtenPersönlichkeitsstörungeninGruppenmanchmalunmöglich(z.B.Borderline-Persönlichkeit3,schizoide
1
EffektstärkeistdaswichtigsteMaßzurBestimmung/BerechnungderWirkungeinerBehandlung.Effektstärke
beziehtdieUnterschiedezwischenBehandlungsgruppeundKontrollgruppeaufdieStreuungderTestwerte,
versuchtalsoUnterschiedezwischendenBehandlungen,diedurchStreuungentstehen,auszuschließen.Die
EffektstärkeinklinischenStudienbeschreibtdasAusmaßderWirkungeinertatsächlichenBehandlunggegenüberdemeinerPlazebobehandlung.BeieinerEffektstärkevon0,2wirdvoneinenkleinenEffekt,0,5einen
mittlerenund0,8einenstarkenEffektausgegangen.
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DasAusagierenvon(blockierten)EmotionensollzueinerVerringerungderemotionalenSpannungundder
Konfliktspannungführen,wasdieproduktiveKonfliktbearbeitungerleichtert
3
KennzeichnendsindemotionaleInstabilitätundImpulsivität,extremesschwarz-weißDenken,rascheStimmungs-undMeinungswechsel,zahlreichepsychischeSymptomeundhäufigselbstverletzendesVerhalten
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Persönlichkeit4u.a.).ImambulantenBereichsindGruppentherapienauspragmatischenGründen
eherselten(Wartezeiten,Patientenerwartungenbzw.–ängste).
PsychologischeundbiologischeGrundlagen
PsychologischeGrundlagen
Informationsaufnahmeund–verarbeitung
PsychischeStörungenkönnenauchalseineStörungderInformationsaufnahmeund–verarbeitunggesehenwerden.Fehlwahrnehmungen,GedankensprüngeundgelockerteAssoziationen,grenzenloseSelbstüberschätzungenoderdasHerstellenvonnichtnachvollziehbarenBezügenundunberechtigten,selbstbezichtigendenUrsachenerklärungenillustrierendieStörungenderWahrnehmungundderInformationsverarbeitung.DieWahrnehmungbildetdieGrundlagefürSubjektivitätundWohlbefinden.WahrnehmungsstörungenkönnendirektundindirektzuBefindensstörungen,AffektstörungenundkognitivenLeistungsstörungenbeitragen.
Beispiel:Personen,dieanÄngstenund/oderDepressionenleiden,weisentypischeStörungenderAufmerksamkeit,derWahrnehmungundderReizverarbeitungauf.SiesehenüberallnurGefahrenbzw.Fehler,beachtennurMisserfolgesowieRisikenundgrübelnüberdieseWahrnehmungennach.Diesmachtsie
hoffnungslosundverleitetzupessimistischenVorhersagen.PatientenmitAngststörungenüberschätzen
Gefahren,Risiken,Körpersensationen,ObjekteundSituationen.
DenkenundGedächtnis
DenkenisteinerseitsdielogischeVerarbeitungvonInformationen,andererseitszählenauchProzesseder
Ursachenzuschreibung(Attributionsprozesse),EinteilungenundKonzepte(Schemata),Informationsverarbeitung,ErinnernundWiedererkennen(Gedächtnisleistungen)zumDenken(kognitiveProzesse).Beim
DenkengehenwirvonallgemeinenErfahrungenausundziehendarausSchlüsse(deduktiverProzess)oder
analvsierenEinzelerfahrungenaufihreRegelhaftigkeitundentwickelndarausPrinzipien(induktiverProzess).
DenkstörungenführenzuBeeinträchtigungeninderProblembewältigung.DieskannsichinunzureichendemProblemverstehen,DefiziteninWissensaufbauundWissensnutzung,lückenhafterHandlungskompetenz,negativerSituations-undSelbstwahrnehmungsowieunzureichenderEmotionsregulierungundImpulskontrolleäußern.FormaleDenkstörungenbeziehensichaufStörungendesdeduktivenDenkensund
zeigensichdarin,dassDenkenunorganisiertoderformalunlogischabläuftundinderFolgezueinemfehlerhaften,verzerrtenErgebnisführt.InhaltlicheDenkstörungenbetreffenv.a.dasinduktiveDenken.Dies
zeigtsichdarin,dassDenkenvonEinzelerfahrungenausgehend,durchfalscheVerallgemeinerungenzu
fehlerhaftenSchlüssenkommt.GestörtsindsodieEinordnung,dieKategorisierungunddieErklärungen
vonErfahrungenundEreignissen.
GedächtnisistdieFähigkeitzurBewahrungvonInformationen,KenntnissenundFertigkeiten.DabeiwerdenProzessederSpeicherung,derKonsolidierungdesGespeichertenunddesAbrufens(Erinnern,Wiedererkennen)unterschieden.DieswirdheutemiteinemMehrspeichermodellerklärt:
DiesensorischenSpeicherunddasArbeitsgedächtnishabenbegrenzteKapazitäten.Das(unbegrenzte)
LangzeitgedächtniswirdineinendeklarativenundeinennichtdeklarativenTypunterschieden.DasdeklarativeGedächtnisbeinhaltetpersonenbezogene,situativ,zeitlichundräumlichgebundeneInformationen
despersönlichenLebens(episodischesGedächtnis),aberauchFakten,Ereignisse,Regeln,Normen,Wissen,Fertigkeiten,Erkenntnisse(semantischesGedächtnis).DasnichtdeklarativeGedächtniskannindrei
Subsystemeunterteiltwerden,dieeinebreiteVielfaltvonerworbenenFähigkeitenundkognitivenOperationenumfassen.DieseGedächtnisinhaltesindnichtmitbewusstenundverbalisierbarenErinnerungen
verbunden.
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EmotionalundsozialzurückgezogeneMenschen,dieeinemisstrauisch-distanzierteGrundhaltungAnderen
gegenüberaufweisen;sieerscheinenkaltundunbeteiligt,sindjedochsehrempfindlichundkränkbar
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Mehrschichtenmodell
desGedächtnisses
(nachAttkinsonund
Shiffrin1968;Baddeley
1995)
Lernen
LernenisteinallgemeinerProzessderAneignungneuerErfahrungen,KenntnisseundFertigkeiten.Lernen
beruhtnichtnuraufindividuellenErfahrungen.VielmehrhatLernenauchimVerlaufderEvolutionineinerFormstattgefunden,diedemIndividuumnebendengegebenengenetischenRahmenbedingungen
auchVerhaltensmusterliefert,diefürdas(Über-)Lebengrundlegendsind.Lerntheorienwerdenweiter
unten(Verhaltenstherapie)besprochen.LernenkanninverschiedenenFormenstattfinden:
ErfahrungsabhängigesLernenbestehtinderEntdeckungvonZusammenhängenzwischenEreignissen
(äußereReize,innereZustände,AktionendesOrganismus)undihrenWirkungenaufdenOrganismus.
BeimassoziativenLernenerwirbtderOrganismuseineneueBeziehungzwischenzweiReizen(respondentesoderklassischesKonditionieren)oderzwischenVerhaltenunddendurchdasVerhaltenbewirktenKonsequenzen(instrumentellesoderoperantesKonditionieren).
BeimnichtassoziativenLernenführteinewiederholteReizdarbietungzurAbschwächung(Gewöhnung,
Habituation)oderVerstärkung(Sensitivierung)vonVerhaltensantworten.HabituationundSensitivierungverkörperndieeinfachstenFormendesLernens.SiespielenbeiphysiologischenRegulationsvorgängen(Orientierungs-undDefensivreaktionen)einewichtigeRolle.
RespondentesLernenoderklassischeKonditionierungerfolgtübereinewiederholtePaarungeinessog.
unkonditionierten(biologischvorgegebenen)Reizesundeinesursprünglichneutralen,sog.konditioniertenReizes(PawlowscherHundeversuch).DerLernprozessistalsodieerfahrungsabhängigeAkquisitioneinerneuenBeziehungzwischenReizundReaktion(Einzelheitens.unter„Verhaltenstherapie).
OperantesoderinstrumentellesLernengehtvonderBeobachtungaus,dassVerhaltensweisenohneerkennbarenAuslöser,spontanerfolgen.InderWirkungzielensiewenigeraufdieAnpassungdesOrganismusalsvielmehraufdieVeränderungderUmwelt.DasAssoziationslernenfindetaufgrundder(positivenodernegativen)Konsequenzenstatt,dieeinbestimmtesVerhaltenauslöst.InderTheoriedes
operantenLernenswerdendieKonsequenzenderUmweltaufeineoperanteVerhaltensreaktiondann
alsverstärkendoderbestrafenddefiniert,wennsieentwederdasAuftretenvonVerhaltenundErlebenwahrscheinlichermachenoderabschwächen.PositiveVerstärkung(Belohnung)liegtdannvor,
wenndieAuftretenswahrscheinlichkeiteinesVerhaltensdurchdennachfolgendenReiz(=„Antwort“
derUmwelt)erhöhtwird.NegativeVerstärkung(Bestrafung)liegtvor,wenndieAuftretenswahrscheinlichkeitdesgezeigtenVerhaltensoderErlebensnachDarbietungeinesnachfolgendenReizesreduziertwird.
LernendurchBeobachtung(Modelllernen)istdiedritteSäulederErfahrungsbildung.Hierbeiwirdaufdie
BeteiligungkognitiverProzessebeimLernenBezuggenommen.TiereundMenschenlernenneues
Verhalten,Mimik,Emotionen,EinstellungenundWerthaltungen,FurchtundanderepsychischePhänomene,indemsieandereIndividuenoderGruppenbeobachtenundderenVerhaltennachahmen.
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MotivationundEmotion
MotivationmeintdieGesamtheitderpsychischenProzesse,dieHandlungenanregenundbiszuderen
Abschlussaufrechterhalten.AlleMotivationstheorienkennenzweiArtenvonÜberzeugungen,diealsAntriebewirken:Wertüberzeugungen,d.h.Wünsche,einenbestimmtenSachverhaltherzustellenundHandlungsüberzeugungen,d.h.durchbestimmteMittelzumZielzukommen.Handlungenwerdenalsounternommen,umZielezuerreichenundWünschezuerfüllen.DiemeistenWünschesindausgrundlegenderenBedürfnissenabgeleitet.DieseGrundbedürfnisseoderBasismotivebesitztjederMensch,wenngleich
invermutlichunterschiedlichemAusmaß.DasStrebennachLustunddasVermeidenvonUnlust(Hedonismus)giltalseinesdieserBasismotive.DanebenwurdenjedochauchNahrung,Sex,Macht,sozialerAnschluss,LeistungundErkenntnisgewinnalsGrundmotivepostuliert.WährendWünscheerlerntsind,geltendieGrundmotivealsbiologischverankert(geerbt).
EmotionensindvorübergehendepsychischeZustände,dieimAlltagalsFreude,Ärger,Stolz,Furchtoder
Trauerusw.empfundenwerden.EmotionenmanifestierensichalsangenehmoderunangenehmErlebtes,
dasmeistmitkörperlichenReaktioneneinhergeht.DieFunktionenvonEmotionensindinformativerund
motivationalerArt.EmotionenstellenderPersonselbstoderdenInteraktionspartnernInformationenbereit,dieeineAnpassungbewirken(sollen).SoerhaltenanderedurchdenGesichtsausdruckgrobeInformationendarüber,wiediePersonsichfühlt(z.B.traurig);dieslöstdannbestimmteHandlungen(Unterstützung)beimGegenüberaus.DieWahrnehmungeigenerGefühleinformiertauchüberdieBedeutung
einerbestimmtenSituation.EmotionenbeeinflussenjedochauchdieMotivationzumHandelnundsomit
dasHandelnselbst.Dieskanndadurchgeschehen,dassGefühleselbstzumZielvonHandlungenbzw.zu
handlungsverursachendenWünschenwerden.
Kausalattribution
EsgehörtzudenGrundausstattungendesMenschen,Informationennichtnuraufzunehmen,sondernEreignisseundErfahrungenaufihrezugrundeliegendenUrsachenzurückzuführen,also»warum«zufragen.
WissenumkausaleZusammenhängeermöglichteszuverstehen,VorhersagenzutreffenunddarübersubjektivKontrollezugewinnen.UrsachenerklärungenspielennichtnurbeidenEmotionenundeffektiven
Störungen,sondernbeiallenpsychosomatischenErkrankungen,allenchronischenBehinderungenundgesundheitsbezogenenVeränderungeneinezentraleRolle.KausalattributionbestimmtsounserErlebenund
Verhalten.Hierbeispielentatsächliche(objektive)UrsacheneinegeringeRolle,vielmehrnehmenwireine
sehrsubjektiveUrsachenzuschreibungvor.Beispielsweiseneigenwirdazu,positiveEreignisse(z.B.Erfolge)eherdereigenenPersonzuzuschreiben,währendMisserfolgeeheraufAufgabenbesonderheitenund
variableäußereEinflüssezurückgeführtwerden.Mannenntdiesauchinternale(indereigenenPerson
liegendeUrsachen)undexternale(inderUmweltliegendeUrsachen)Attribution.InPsychosomatikund
PsychotherapieistdiesubjektiveKrankheitstheorieeinAusdruckvonAttribution.FürdenTherapeutenist
eswichtig,diesezukennen,umdenPatienten„dortabzuholen,woersteht“.
Selbstaufmerksamkeit
SelbstaufmerksamkeitoderdieAusrichtungderAufmerksamkeitaufdieaktuelleLageführtzurIntensivierungaktuellerGefühlszustände,aberauchdazu,dassDiskrepanzenzwischendeneigenenWünschen,Zielen,ErwartungensowieAnsprüchenundderRealität,dentatsächlichenLeistungen,demaktuellenAussehen,derverworrenenLageusw.bewusstwerden.ErhöhteSelbstaufmerksamkeitführtzueinerAbnahme
derpositivenundeinerErhöhungdernegativenGefühle.Personen,dieeineTendenzzurvermehrten
Selbstaufmerksamkeithaben,befindensichdaherhäufigbzw.chronischineinemnegativenGefühlszustand.PsychischeStörungen,wieSozialangst,Depressionen,somatoformeStörungen,Schmerzen,Essstörungen,oderSubstanzmissbauchbzw.-abhängigkeitführenzueinerexzessivenSelbstaufmerksamkeit
undbeinegativenErfahrungenzueinemVerharren(Selbstbeobachtung,Grübeln)inderaktuellenLage.
EntwicklungundBindung
PsychischeStörungenhabenihrenUrsprungoftinEntwicklungsstörungenbzw.demNichtgelingenvonaltersbezogenenEntwicklungsaufgaben.DiesführtzuVerletzbarkeit(Vulnerabilität)undDefiziten,dieunter
bestimmtenAnforderungen(Belastungen)psychischeStörungenentstehenlassen.DiefolgendeTabelle
gibteinenÜberblicküberphasentypischeEntwicklungsaufgabenundStörungsmöglichkeiten.
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EntwicklungsaufgabenundmöglicheStörungsquellen(nachHavinghurst1982)
AusderSäuglingsforschungweißman,dassStörungenderfrühenSozialbeziehungen(meistenszurMutter)einewesentlicheGrundlagefürdieEntstehungpsychischerStörungeninderKindheitundimErwachsenenaltersind(Bowlby1953),weilzentraleBindungsbedürfnisse(z.B.Nähe,Sicherheit,Unterstützung)
frustriertwurden.AnfänglichhatBindungeineSchutzgewährendeFunktionundwirktaffektregulierend
inneuenbzw.un-sicherenSituationen.InUnsicherheitssituationenrichteteinKindseinVerhaltenaufdie
Bindungsperson(Mutter)aus,suchtNäheundKontakt.DieMutteristdieSicherheitsbasis;dieshilftdem
Kind,Angst,VerunsicherungundHilflosigkeitzuüberwinden.WenndieMutternichtinderLageist,diese
Sicherheitsbasiszugarantieren,kommteszuBindungsstörungen,dieinderfolgendenTabellezusammengefasstsind:
a
BindungstypenbeimVerhaltenstestinderMutter-Kind-Situation (nachAinsworth1978)
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StressundCoping
Stress(Belastungen)undCoping(Belastungsbewältigung)(Coping)sindzentraleKonstruktefastjeder
psycho-pathologischenTheorie.Stresskannimpsychologischenbzw.klinischenZusammenhanginAlltagswidrigkeiten,kritischeLebensereignisse(»lifeevents«)bzw.TraumatisierungenundchronischeBelastungenunterteiltwerden.DieStresserfahrungenkönnenpositiveodernegativeBedeutungbesitzenund
unterschiedlichenAufwandbzw.unterschiedlicheZeit(Augenblicke,Stunden,Monate,Jahre)beiderAnpassungerfordern.WeiterewichtigeDimensionensind:Intensität,Vorhersagbarkeit,Kontrollierbarkeit,
Mehrdeutigkeit,NeuheitsowieAusmaßderAuswirkungen.KörperlicheStressfolgensindReaktionendes
vegetativenNervensystems,desImmunsystems,hormonellerSystemeundVeränderungenimzentralen
Nervensystem.Einzelheitens.SkriptPsychosomatik(neurobiologischesModell).
DieBewältigungvonStresswirddurchinstrumentelleRessourcen(Fertigkeiten,Handlungsalternativen,
Problemlösestrategien),sozialeRessourcen(Unterstützung,Netzwerk,Familie,Partner)undpersönliche
5
Ressourcen(Persönlichkeit,Einstellung,Verarbeitung,Attribution,Resilienz ,Vulnerabilität)determiniert.
Belastungen(Stress),Belastungsverarbeitung(Coping)undbeeinflussendeFaktoren.(nachHautzinger
1990)
Persönlichkeit
UnterPersönlichkeit(auchCharakterbzw.Temperament)werdendieüberdauernden(stabilen),konsistenten(situationsunabhängigen),verhaltensrelevanten,individuellenBesonderheitenvonMenscheninnerhalbeinerbestimmtenPopulationverstanden.EsgibtverschiedenePersönlichkeitstheorienmitjeweilsunterschiedlicherAnzahlvonPersönlichkeitseigenschaften.ImgängigenModell(CostaundMcCrae
1986)werdenfünfHauptdimensionengenannt:
1. Neurotizismus,Ängstlichkeit,emotionaleLabilität,Anpassung
2. Extraversion,„Sociability“,ambitioniert
3. OffenheitfürErfahrungen,Kultur,intellektuell,Unabhängigkeit
4. Verträglichkeit,Freundlichkeit,Unterordnung,Beliebtheit
5. Gewissenhaftigkeit,Selbstkontrolle,Leistungsbereitschaft
DanebensindEigenschaftenwieAbhängigkeit,Gehemmtheit,fehlendeOffenheit,Rigidität,Handlungsorientierung,Pessimismusu.a.wichtig.
PersönlichkeitseigenschaftensindfürdieDurchführungvonPsychotherapieunmittelbarrelevant(z.B.wärefehlendeOffenheitaufDauereineKontraindikation).
DerUnterschiedzwischenbestimmtenPersönlichkeitseigenschaftenundeinerPersönlichkeitsstörungist
gelegentlichfließend.PersönlichkeitsstörungwerdenimICD-10definiertals„tiefverwurzelte,anhaltende
Verhaltensmuster,diesichinstarrenReaktionenaufunterschiedlichepersönlicheundsozialeLebenslagenzeigen.SieverkörperngegenüberderMehrheitderbetreffendenBevölkerungdeutlicheAbweichungenimWahrnehmen,Denken,FühlenundindenBeziehungenzuanderen.SolcheVerhaltensmustersind
meistensstabilundbeziehensichaufvielfältigeBereichedesVerhaltensundderpsychologischenFunkti-
5
UnterResilienzverstehtmandieseelischeWiderstandsfähigkeiteinesMenschen.DerBegriffkommtausdem
EnglischenundbedeutetElastizität,Schwung,Unverwüstlichkeit.
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onen.HäufiggehensiemiteinemunterschiedlichenAusmaßpersönlichenLeidensundgestörtersozialer
Funktionsfähigkeiteinher."DieBeeinträchtigungensindmeistpersönlicher(Leistungsfähigkeit,subjektive
Beschwerden)undsozialerNatur.EineICD-10-ÜbersichtderPersönlichkeitsstörungengibtz.B.
http://www.btonline.de/krankheiten/persoenlichkeit/pkstoerungen.html
BiologischeGrundlagen
NervensystemundSignalübertragung(Neurotransmitter)
DieGrobstrukturdesNervensystemswurdebereitsdargestellt(Skript:EinführungindieGesundheitswissenschaftenS.32-33).DasGehirnistinseinerStrukturundFunktionweitgehenderforscht.Allebewussten
VorgängebeteiligendieGroßhirnrinde,andersausgedrückt:nurVorgängeinnerhalb(vonTeilen)der
GroßhirnrindekommenzumBewusstsein.AlleübrigenSignalübertragungen–unddasistdieMehrzahl
derVorgänge!–bleibenunbewusst.UnserGehirn„arbeitet“alsoständig,ohnedasunsdasbewusstist.
FürdiePsychotherapiesindGehirnarealebesonderswichtig,dieEmotionen,Gedächtnis,vegetativeZentrenundHormonsystemesteuern(s.u.).
DaslimbischeSystemwirdheutealsSitzdesemotionalenErlebensangesehen.Reaktionenimlimbischen
Systemsindzunächstbewusstseinsfern.EmotionenkommennurzumBewusstsein,wennsievegetative
oderhormonelleodermotorische(z.B.Schreckreaktionen)Reaktionen,alsokörperlicheErscheinungen,
hervorrufen,diedannwahrgenommenwerden.EinspeziellerTeildeslimbischenSystemssinddiesog.
Mandelkerne(Amygdala),diefürbesondereEmotionen(Furcht,Angst,Panik)undTraumafolgestörungen
verantwortlichsind.DieMandelkernesteuerndamitinZusammenhangstehendehormonelleundvegetativeReaktionen.
EineweitereStruktur,dersog.Hippocampus,istfürLernenunddeklarativesGedächtniswichtig,während
dieAmygdaladieimplizitenInhaltenundEmotionendenErinnerungenbeifügen.MassiveStressreaktionenschädigendurchdasStresshormonCortisoldenHippocampus.DieskannzuGedächtnisproblemen
undkognitivenDefizitenführen.
DasautonomeNervensystem(„Stress-System“:Sympathikusund„Erholungs-System“:Parasympathikus)
reagiertaufSignaledesGehirnsimSinnederAnpassunganveränderteUmgebungsbedingungen.Bei
StresswirdvorallemderSympathikusaktiviert,wasu.a.inderNebennierezurProduktionderStresshormonenAdrenalinundNoradrenalinführt.
NervenzellenkommunizierenuntereinanderdurchKontaktstellen(Synapsen),diemittelschemischerStoffe(Neurotransmitter)dasSignalweiterleiten(elektrischerImpuls->chemischerImpuls->elektrischerImpuls).BestimmtepsychischeundpsychosomatischeStörungengehenmiteinerVeränderungvonNeurotransmitterneinher(z.B.kommtesbeiDepressionzureinemMangelanSerotoninundNoradrenalinin
bestimmtenRegionendesGehirns).DieSignalübertragungistinhohemMaßevariabel,d.h.siekanngehemmtoderstimuliertwerdendurchzahlreicheFaktoren.Synapsensind„lernfähig“:bereitsdiezweite
oderdritteSignalübertragungführtzueinereffektiverenÜbertragungandieserSynapse.DasistdieneuronaleBasisdesLernens.DieVerknüpfungvonNervenzellenuntereinanderdurchSynapsenbezeichnet
manalsneuronalesNetzwerk.DieseNetzwerkeunterliegeneinemdynamischenProzess:durchintensive
NutzungvonNetzwerkenerhöhtsichdieSynapsendichteunddieSignalübertragungandeneinzelnenSynapsenwirderleichtert.BeifehlenderNutzungverkümmerndieNetzwerke.BeiDemenznimmtdieSynapsendichteextremab.
Mankonnte(durchfunktionelleMagnetresonanztomographie)nachweisen,dassdurch(erfolgreiche)PsychotherapiedieSynapsendichteinbestimmtenHirnarealenzunimmt.
EndokrinesSystem
HormoneundhormonproduzierendeOrganewurdenimSkript:EinführungindieGesundheitswissenschaftenS.28-29dargestellt.DieHormonproduktionunterliegtletztlicheinerzentralenSteuerung(Hypothalamus–TeildesZwischenhirns).AndasGehirnweitergeleiteteSignaledesKörperswerdenverarbeitet
undveranlassendenHypopthalamuszurFreisetzungvoninderHirnanhangsdrüsegespeichertenSteuerhormonen.EinesdieserSteuerhormoneistdasACTH(AdrenocorticotropesHormon),welchesdieNe-
15
bennierezurCortisolproduktion(Stressreaktion!)anregt.WeitereSteuerhormoneregelndieSchilddrüse
unddieGonaden(Keimdrüsen).DieProduktionvonHormoneninNebenniere,Schilddrüse,Gonadenusw.
bewirktletztlicheineAnpassunganveränderteUmweltbedingungen,alsomeisteineVerhaltensänderung.
Immunsystem
DieBeeinflussungdesImmunsystemsdurchdasGehirngeschiehtaufzweiWegen:überdasvegetative
NervensystemunddasendokrineSystem.NervenendigungendesautonomenNervensystemsfindensich
inallenOrganen,diezurImmunabwehrgehören(Knochenmark,Thymus,LymphknotenundMilz).ImmunzellenhabenKontaktstellen(Rezeptoren)fürdieStresshormoneAdrenalinundNoradrenalin.Ferner
hemmtdasStresshormonCortisolbestimmteImmunreaktionen.AkuterStressfördertzwarzunächstdie
Immunabwehr,chronischerStressjedochschädigtsie.
Verhaltensgenetik
DieserWissenschaftszweiguntersucht,welcherAnteildesmenschlichenVerhaltensundErlebensdurch
GeneundwievieldurchUmwelteinflüssebedingtist.Beispielsweisekonntegezeigtwerden,dassbei
MenschenmiteinergenetischenBelastungfüraffektiveStörungenbelastendeLebensereignissezuDepressionenführen,währenddasbeinichtgenetischbelastetenPersonennichtderFallwar.
AbgrenzungPsychotherapie–sozialeArbeit
PsychotherapieundsozialeArbeitweiseneinigeGemeinsamkeiten,jedochauchUnterschiedeauf,
diedieAbgrenzungprofessionellenHandelserfordern.
GemeinsamistdieHinwendungzurpsychosozialenLagederBetroffenen,inderPsychotherapieauf
derSymptom-bzw.Störungsebene,indersozialenArbeitaufderEbenederdarausresultierenden
Beeinträchtigungen,alsoderStörungsfolgen.GemeinsamsindbestimmteGrundhaltungenund
TechnikenwieEmpathie,Unvoreingenommenheit,AkzeptanzundklientenzentrierteGesprächsführung.AuchdienotwendigeFähigkeitzureigenenAbgrenzunggegenüberdenSchicksalenderPatienten/KlientenunddieKontrolleeigener,negativeremotionalerReaktionen(Gegenübertragung)sind
vergleichbar.
JedochgibteszahlreicheUnterschiedezwischenbeidenFachgebieten,dieinderfolgendenTabelle
zusammengefasstsind.
Psychotherapie
SozialeArbeit
Klassifikation
ICD-10
(InternationalCodeofDisease)
ICF
(InternationalCodeofFunctioning)
Störung/
Beeinträchtigung
seelischund/oder
seelisch-körperlich
sozialeBeeinträchtigung
Methode
TherapieentsprechendderPsychotherapie-Definition
Beratung,
Gespräch,
Intervention
Ziele
Verbesserungderseelisch-geistigen
Funktionen,Verhaltensänderung
VerbesserungdergesellschaftlichenTeilhabe
Ergebnis
persönlicheEntwicklung,Bewältigung
schwierigerLebenssituationen
sozialeAnpassung,Verringerung
sozialerDefizite
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TiefenpsychologischePsychotherapie/Psychoanalyse
Historisches
DerBegriff"Tiefenpsychologie"wurdezuerstvonEugenBleuler(1857-1939)imJahre1910alsSynonymfürdieFreudschePsychoanalysegebraucht.TiefebeziehtsichaufdieTiefedesVergangenen
(Biographie)wieaufdieTiefederPersönlichkeitbiszumUnterbewussten.DieTiefenpsychologieist
diepsychologischeTheoriederPsychoanalyse.PsychoanalysemeintehereinspeziellesBehandlungsverfahrenauftiefenpsychologischerGrundlage.BeideBegriffewerdenhäufigsynonymgebraucht.
SigmundFreud(1856bis1939)giltalsderVaterderPsychoanalyse.Biographisches:
6.Mai1856SigmundFreudwirdalsSohndesjüdischenTextilkaufmannsJacobFreudunddessenebenfallsjüdischer
EhefrauAmalia(geb.Nathanson)inFreiberg(heute:Pribor/Tschechien)geboren.
1873-1881FreudstudiertMedizinanderWienerUniversität.PromotioninMedizin.
1882-1885AnstellungamAllgemeinenKrankenhausinWien.FreudistanderEntdeckungderschmerzstillendenWirkungdesKokainsbeteiligt.
1885HabilitationinNeuropathologieinWien.
1885-1902EristDozentfürNeuropathologieanderWienerUniversitätundbeschäftigtsichmithirnanatomischenForschungen.
1885/86FreudbeobachtetanderPariserNervenklinikSalpêtrièreFrauenmitseelischenErkrankungenohneorganischenBefund(Hysterien).Jean-MartinCharcot(1825-1893)behandeltdiesePatientinnenmittelsHypnoseoderSuggestion.
1886FreuderöffneteineneurologischePraxisinWien.HeiratmitMarthaBernays,TochtereinerHamburgerjüdischen
Familie.AusderEhestammen6Kinder.
1895GemeinsammitJosefBreuer(1842-1925)stellterin"StudienüberdieHysterie"dieMethodederfreienAssoziationvor.DadieUrsacheseelischerStörungenverdrängtetraumatischeErfahrungenseien,kannderAnalytikerdurch
DeutungspontanerÄußerungenvonPatientenaufderenverschlüsselteÄngsteschließenunddenPatientenvonseiner
Neurosebefreien.
1897Freudformuliertden"Ödipus-Komplex":ErbemerktseineVerliebtheitinseineMutterbeigleichzeitigerEifersuchtgegendenVaterundhältsiefürallgemeingültig.
1900"DieTraumdeutung"erscheint.FreudführthierdiegrundlegendenBegriffederfrühenPsychoanalyseein.TräumeseienverschlüsselteHinweiseaufdenKonfliktzwischenmenschlichenWünschenundVerboten.DerHauptantrieb
menschlichenVerhaltensentspringeunterbewusstenkindlichenSexualphantasien,denengesellschaftlicheNormierungengegenüberstehen.Mittels"Sublimierung"kannderMenschdieunterdrückteLibidoinkulturelleLeistungenumwandeln.
1902FreuderhältdieProfessurfürNeuropathologieanderWienerUniversität.
1905In"DreiAbhandlungenzurSexualtheorie"beschreibtFreuddiesexuelleKomponentedesnormalenunddesabweichendenVerhaltens.ErbetontnochmalsdenSexualtriebalsdiegrößteAntriebskraftmenschlichenVerhaltens.
1910Gründungdes"ZentralblattsfürPsychoanalyse"undder"InternationalenPsychoanalytischenVereinigung".Auf
FreudsVorschlagwirdCarlGustavJung(1875-1961)zumPräsidentengewählt.
1913InderSchrift"TotemundTabu"analysiertFreudInzestverbotebeidenAborigenes.DiereligiöseAnbetungeines
TotemsunddersozialeZusammenhaltseienErgebnisverdrängterInzestwünscheundAggressionen.
1923BeiFreudwirdKrebsdiagnostiziert.BiszuseinemTodmußersich33Operationenunterziehen.
1923-1930FreudmodifiziertdieStrukturdes"psychischenApparats"indas"Es"(Unterbewusstsein),indas"Ich"(Vermittlungsinstanzzwischendem"Es"undderAußenwelt)unddas"Über-Ich"(auferlegteNormenundVerhaltensmuster).
1930ErerhältdenGoethepreisderStadtFrankfurt(Main).AntisemitischeOrganisationenprotestieren.
1933DiegemeinsammitAlbertEinsteinverfassteSchrift"WarumKrieg?"erscheint.
1938NationalsozialistischeRepressionennachdem"Anschluß"ÖsterreichsandasDeutscheReichzwingenFreudin
dasExilnachGroßbritannien.BiszuseinemTod(1939)praktizierterinLondon.
BerühmteSchülerFreuds,mitdenenersichteilweiseüberworfenhatte,warenCarlGustavJungund
AlfredAdler,dieeigeneFormenderpsychologischenTheorieundBehandlungentwickelten.
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Entwicklungsmodell(Phasentheorie)
AlseineSäulederPsychoanalysegiltdastiefenpsychologischeEntwicklungsmodellmitderEinteilung
indieorale,analeundödipalePhase.DiefolgendeTabellefasstdieszusammen.DerEinschubeiner
Lösungs-IndividuationsphaseerfolgtinAnlehnunganC.G.JUNG.Hierbeiwirdsystematischdifferenziertin
-
-
Objektbeziehungen:BeziehungzudenfrühenBezugspersonen(ObjektesindstetssozialeObjekte,also
PersonenmitsozialerBedeutung)
Internalisierung:„Hereinnahme“äußererObjekteoderObjektanteilezuinnerenObjekten,densog,.
Repräsentanzen;durchdieseVorgängeentstehtdieInnenweltunddiePersönlichkeit(das„Selbst“)
Triebdifferenzierung:nachderTriebtheorieFreudswird–nebenanderenTriebenwieHungeretc.-in
LibidoundAggressionstriebunterschieden(vgl.„Libidotheorie“)
Abwehrmechanismen:sindintrapsychische(unbewusste)Vorgänge,diedazudienen,Stress,Unlust
undUnstatthafteszuverdrängen;dasErgebnisderAbwehristofteineRegression,d.h.zurückfallen
aufeinefrühereEntwicklungsstufe
Angstniveau:AngstformenentsprechendEntwicklungsstufe
Störungsbilder:möglicheFolgengestörterEntwicklungsphasen
Ebene
Beschreibung
Frühe orale Phase (Geburt bis 2. Monat)
Objektbeziehungen
Internalisierung
Triebdifferenzierung
Abwehrmechanismen
Angstniveau
Störung
Noch keine differenzierte Wahrnehmung von Mutter und Umwelt
Selbst und Objekt (Mutter) sind symbiotisch verschmolzen
verschiedene Triebe werden einheitlich empfunden,
Triebabfuhr nach innen (Körperreaktionen, Somatisierung)
Primär körperliche Überflutungs- oder Entspannungsphänomene
Undifferenzierte Wahrnehmung; Reizüberflutung wird als „katastrophaler
Einbruch“ erlebt
Autismus
Späte orale Phase (2. – 7. Monat)
Objektbeziehungen
Internalisierung
Triebdifferenzierung
Abwehrmechanismen
Angstniveau
Störung
Verlangen nach Bedürfnisbefriedigung („Mutterbrust“), bedeutsame Objekte sind (körperliches) Eigentum, Subjektivität taucht auf, eigene Bedürfnisse stehen im Vordergrund und überschatten die Anderer
Selbst und Objekt werden noch als Einheit empfunden, jedoch beginnt die
Differenzierung („Zwei-Einheit“)
Triebe (Libido und Aggression) differenzieren sich, Libido überwiegt (lustvollen Saugen am Daumen), primärer Narzissmus
Regression, symbiotische Verschmelzung, Verleugnung
Furcht vor Objektverlust
Psychosen (Schizophrenie)
Lösungs-Individuations-Phase (5. – 9. Monat Differenzierungsphase, 9. – 14. Monat Übungsphase,
14. – 24. Monat Wiederannäherungsphase)
Objektbeziehungen
Internalisierung
Triebdifferenzierung
Das Selbst wächst und grenzt sich von der Mutter ab, Lösung von der
Mutter und Erforschung der Umwelt, Idealisierung und Bedrohung der
wichtigen Objekte (Ambivalenz), Frustration narzisstischer Größenphantasien wird nicht toleriert
Mutter wird zur „bedeutsamen Anderen“ und wird bewacht, Beginn und
Verfestigung der Abgrenzung, erstes (primitives) Körperbild
Libido und Aggression halten sich die Waage, bei Internalisierung des
“bösen Objekts” (d.h. von „bösen“ Anteilen der sozialen Objekte) wird das
Ich evtl. von Aggression überflutet und Wutanfälle ausgelöst
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(Auf-)Spaltung (in „gute“ und „böse“ Objektanteile), Verschmelzung mit
bedeutsamen Objekten wird gewünscht und gefürchtet, Regression, Ungeschehen machen
Furcht vor Selbstverlust und Verlust der Objektbeziehung, ungebundene
Angstniveau
(„frei flottierende“) Ängste
Störung
Borderline- und narzisstische Störungen
Anale Phase (14 Monate bis ca. 2 ½ Jahre)
Abwehrmechanismen
Objektbeziehungen
Internalisierung
Triebdifferenzierung
Abwehrmechanismen
Angstniveau
Störung
Entwöhnung und Sauberkeitserziehung „der Mutter zuliebe“, die nun deutlich als Person unterschieden wird, erhöhte Ambivalenz, Aufsässigkeit,
Wut, masochistische Tendenzen
Selbst und Andere sind klar abgegrenzt, Selbst- und Objektrepräsentanzen (als Bausteine der Persönlichkeit) sind entstanden
Entwicklung von Frustrationstoleranz, Befriedigungsaufschub durch Kontakt mit dem liebevollen Objekt möglich, Auftreten von Ambivalenz, evtl.
sehr aggressiv oder sehr passiv, Analerotik
Scham und Ekel, extreme Schuldgefühle oder Verantwortungslosigkeit,
Rationalisierung (beginnender Einsatz der „Vernunft“), Isolieren vom Affekt
Strafangst
Neurotische Störungen (Angst, Depression, Zwang)
Ödipale („phallische“) Phase
Objektbeziehungen
Internalisierung
Triebdifferenzierung
Abwehrmechanismen
Angstniveau
Störung
Objektkonstanz ist erreicht, trotz Frustration und Enttäuschung kann das
Objekt geliebt werden. Evtl. übertriebene Gleichgültigkeit oder Idealisierung, überschwänglicher aber flacher Affekt, Sexualisierung
Identität und Selbstbewusstsein entstehen
Ödipuskomplex, Identifikation mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil,
Masturbation, evtl. starke Verdrängung von Triebwünschen, Sublimierung
möglich
Verdrängung, betonte Erotisierung, übertriebene Beschäftigung mit Masturbation oder völliges Leugnen der Sexualität
„Kastrationsangst“, Angst vor Verlust der körperlichen Integrität, das eigene Über-ich wird gefürchtet, Angst ist jedoch nicht mehr überwältigend
Neurotische Störungen (Konversion), sexuelle Funktionsstörungen
DieödipalePhasehatkeindefiniertesEnde,dauertmeistensbiszum5.–7.Lebensjahr.Danach
schließtsichdiesog.Latenzphasean,dievonderPubertätsphasebeendetwird.EineSchwächeder
tiefenpsychologischenEntwicklungslehreist,dasssieimGrundemitderödipalenPhaseabschließt.
JedochkommtesauchdanachnochzubedeutsamenEntwicklungsschrittenund–möglichkeiten.Aus
SichtdesDozentenistEntwicklungbisindashoheAltermöglich(undnotwendig).
Libidotheorie
DieLibidotheorieistTeilderTriebtheoriederPsychoanalyse.TriebesindTeilunsererMotivationssysteme.SiedienenderSicherungunsererGrundbedürfnisse(Primärmotivation).Charakteristischist,
dasssichzyklischeineTriebspannungaufbaut,dieaufTreibbefriedigungdrängtundMotivdesHandelsdarstellt.NebendenphysiologischenGrundbedürfnissensindinderTiefenpsychologieinsbesonderedieemotionalenGrundbedürfnisseentscheidend.TriebbefriedigungwirddurchzweiKomponentenbestimmt:GerichtetesHandeln(Richtung)undEnergieniveau(Triebstärke).
DiezyklischsichaufbauendeTriebspannungwirddurchdieLibidobewirkt.Anfangsbezeichnet
FREUDalsLibidodiesexuelleTriebenergie,späterverstanderdarunter(wieauchJUNG)dieallge-
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meineTrieb-undLebensenergie,vergleichbardemenergetischenKonzeptandererKulturkreise(z.B.
ChioderPrana).DieheuteüblicheVerwendungdesBegriffesmeintzumeistdiesexuelleAppetenz.
DieLibidotheoriewirddurchBeobachtungengestützt,dassSexualitätimweitestenSinneistauchfür
dasKleinkindrelevant(=Lustgewinnausverschiedenen„erogenen“ZonendesKörpers).DiesezunächstimBereichverschiedenerKörperzonengetrenntentstehenden(unreifen)BefriedigungsmöglichkeitenwerdenspäterindiereifegenitaleBefriedigungdesErwachsenenintegriert.
DieLibidotheoriewirdheuterelativiert,dafürdieAusbildungbestimmterErlebens-undVerhaltensmustersichernichtalleindieperipherenkörperlichenLustquellenbzw.Befriedigungsmöglichkeiten
maßgebendsind.
EinemoderneWeiterentwicklungderPsychoanalyseistObjektbeziehungstheorie.Dortwirdvon
libidinöserBesetzungeinesObjektesgesprochen,wennsich(verdrängte)Triebwünscheauffrühe
Bezugspersonenbeziehen.DieserschwertdieLoslösungvomObjekt.
Instanzenmodell
DasInstanzenmodelloderStrukturmodellderklassischenPsychoanalyseistdieDifferenzierungin
ICH,ESundÜBER-ICH.
InstanzdesEs(Primärvorgänge,Lustprinzip)
DasEswirdalsunorganisiertes,primäresTriebenergie-Reservoirverstanden,dasvomBestreben,die
TriebbedürfnissezubefriedigenunddasLustprinzipeinzuhalten,bestimmtwird.DieVorgängeimEs
folgenkeinenlogischenGesetzen,WidersprüchlichkeitoderWertungen(inGutoderBöse)existieren
nicht.DasEsgehörtquasizurbiologischenGrundausstattungdesMenschen.
IndermodernenObjektbeziehungstheoriespieltdasEseinewichtigeRolle:imZusammenhangmit
TriebwünschenwerdenObjekte(z.B.dieprimärenBezugspersonen)vomEslibidinösbesetzt.Der
VorgangderlibidinösenBesetzungwirdvorwiegenddanneingeleitet,wenneinsolchesObjektaufgegebenwerdenmuss(Trennung).DurchIdentifikationwerdenEigenschaftendesbetreffendenObjektesübernommen.Dadurchentstehtein„Idealbild“desObjektesimInnern,dielibidinöseBesetzungwirddadurchabgelöst,bleibtimWeiterenunbewusst.DasIdealbildwirdimIchbzw.Über-ich
angesiedelt,währenddie(unbewusste)libidinöseObjektbesetzungimEsverankertbleibt.
EinZielpsychoanalytischer/tiefenpsychologischerBehandlungistes,verdrängteTriebwünschebewusstzumachenunddieihneninnewohnendeEnergiepositivzunutzen.
InstanzdesIch(Sekundärvorgänge,Realitätsprinzip)
DasIchentstehtausdenBerührungspunktenmitderRealitätundausderNotwendigkeiteiner
Selbst-erhaltendenAnpassung.EsumfassteinzusammenhängendesSystemvonFunktionen,dieder
AnpassungandieUmweltdienen.DiewichtigstenIch-Funktionenentsteheninderspätenoralen
PhaseundinderanalenPhase.
DasIchhatauchVermittlerfunktion.EsvermitteltzwischendenReizenderäußerenRealitätundder
innerenRealität.DieInnenweltwirdrepräsentiertdurchTriebwünsche,Affekte,Beziehungswünsche
und-modalitäten.DieUnterscheidungzwischenInnenundAußen,zwischenPhantasieundWirklichkeitisteinewichtigeIch-Funktion.AlsweitereVermittlungsaufgabedesIchwirdderAusgleichzwischenEs(Triebwünsche)undÜber-ich(gesellschaftliche/moralischeNormen)genannt.
Eineweitere,bedeutsameIch-FunktionstelltdieAbwehrvonTriebimpulsenund-wünschendar.Im
ErgebniskommteszuBefriedigungsaufschub,sowiezuUmweg-undErsatzhandlungen.Diesisteine
normaleundrealitätsgerechteLeistung.NeurotischeAbwehrliegtdannvor,wenndieabgewehrten
Triebimpulsealsunvereinbar,unerlaubtoderpeinlichempfundenwürden(wennsiezumBewusstseingelangenwürden).
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AlsspezielleAbwehrleistungistdieAbwehrvonAngstzuverstehen.NachderObjektbeziehungstheorieentstehtAngstdann,wennunverträglicheTeilbilderäußererObjekteimInnernnebeneinander
bestehen(sog.Objektrepräsentanzenz.B.als„guteMutter“undals„böseMutter“).Angstwird
dadurchvermieden,dassdiesegegensätzlichenRepräsentanzenimIchgetrenntgehaltenwerden
(Spaltung).
InstanzdesÜber-ich(Gewissen,Moral)
DasÜber-IchalsUnterstrukturdesIchsmodifiziertdasIchbzw.dessenVerhaltendurchzahlreiche
Interventionen(Drohungen,Verbote,Aufforderungen,Belohnungen).AlsGewissensinstanzentsteht
dasÜber-Ichsehrfrüh(analePhase),seineendgültigeAusprägungistungefährmitdem7.Lebensjahr
abgeschlossen(EndederödipalenPhase).DasÜber-IchstelltalsVehikelderMoraldenBezugzur
Gesellschaftallgemeinher.
VoralleminderödipalenEntwicklungsphasestellensichheftigeKonfliktezwischenEsundIchein,
diedurchIdentifikationmitdemgleichgeschlechtlichenElternteilgelöstwerden.ImRahmendieser
KonflikteentstehenAffektewieSchuld,Scham,Stolz,Depressionu.a.,diedenEntwicklungsstanddes
Über-ichwiderspiegeln.DieseAffektspannungenstelleneinestarkeMotivationmenschlichenVerhaltensdar,siesindletztlichErgebniseinesautonomgewordenenÜber-ich.
KonflikttheorieundNeurosenlehre
DieKonflikttheorieistidentischmitdemKonfliktmodellderPsychosomatischenModelle(s.Skript
PsychosomatikS.10).KonfliktesindzunächstäußereKonfliktemitdenfrühenBezugspersonen.Sich
ständigwiederholendeKonfliktmusterwerdeninternalisiert(genausowieObjekteigenschaften–
s.o.)undführenimInnernsozusageneinEigenleben,sieverselbstständigensich.AusäußerenKonfliktenwerdeninnereKonflikte.DieseinnerenKonfliktesindihrerNaturnachAmbivalenzkonflikte,
z.B.stehensichLiebezurMutterundHassaufdieMutterdiametralgegenüber.DurchdieAnpassungsleistungdesIchs(s.o.)gelingtesunsinderRegel,dieseAmbivalenzkonflikte,diejederMensch
insichträgt,auszuhaltenundzuregulieren.
WennjedochdergegensätzlicheTriebwunsch(z.B.HassaufdieMutter)rigideunterdrückt,sanktioniertundverbotenwird,müssendieseImpulseunterdrücktwerden,dasiedieLiebeundZuwendung
desObjektsgefährdenwürden.DieentsprechendenImpulse,Wünsche,Bedürfnisse…werdenverdrängt,d.h.durchAbwehrvorgängeinsUnterbewussteverschoben.Ausdem(normalen)inneren
AmbivalenzkonfliktentstehtderneurotischeKonflikt.Charakteristischistalsodie„Ausblendung“
einesKonfliktpols.
DieVerdrängungunliebsamerKonfliktanteilehatihrenPreis:dasneurotischeSymptomz.B.alsAngststörungoderDepression(jedochsindnichtalleDepressionenneurotischerNatur!).DurchVerdrängungwurdederKonfliktjanichtgelöstunddieKonfliktspannungbleibtbestehen,führtdannzur
Symptombildung.SymptometretenmeistdanninErscheinung,wennder(verdrängte)innereKonfliktdurchäußereEreignissere-aktualisiertwird(vgl.FallvignietteSkriptPsychosomatikS.10-11).
NeurosenwerdeninderTiefenpsychologiedefiniertalsmisslungeneVerarbeitungs-undLösungsversucheunbewusster,inihrerEntstehunginfantilerKonflikte,diedurcheineauslösendeSituationreaktiviertwerden.DieneurotischeSymptombildungistAusdruckdiesesunbewusstenKonfliktesundstellt
einenKompromisszwischen(nichtakzeptablem)TriebimpulsundseinerAbwehrdar.
NeurosensindalsoPseudo-LösungenverdrängterinnererKonflikte.DerKerntiefenpsychologischer
PsychotherapieistdieBewusstmachungderverdrängtenKonfliktanteile,dieBearbeitungdesKonfliktsunddieEntwicklung„reifer“Konfliktlösungen.Dazuisteserforderlich,dieAbwehrmechanismenaufzudeckenundaufzuweichen.
21
SystematikderneurotischenKonflikte:
EsgibteineVielzahlvonKonfliktvariationen,jedochnureinebegrenzteAnzahlvonGrundkonflikten.
AufdieseGrundmusterlassensichdiemeistenKonfliktezurückführen.Dargestelltwerden
- derGrundkonflikt
- dieentwicklungsgeschichtlicheEntstehung
- diekonflikttypischenVerhaltensextreme
• Abhängigkeit–Autonomie
„oraler“Konflikt:GrundmusterentsteheninderoralenPhase
->übertriebenesAnlehnungsbedürfnis/extremeBetonungvonEigenständigkeit
•
Anpassung(Kontrolle)–Auflehnung
„analer“Konflikt:Grundmusterentsteheninderanalenbzw.Trotzphase
->extremeAnpassung,Leistungsorientierung,Zwanghaftigkeit/nichtadäquatesProtestverhalten,Querulantentum
•
Versorgung–Autarkie
„Individuationskonflikt“:GrundmusterentsteheninderLösungs-Individuations-Phase
-> Versorgungswünsche, Unselbstständigkeit / übertriebene Selbstständigkeit, Ablehnung von Unterstützung
•
Keuschheit–Triebhaftigkeit
„ödipalerKonflikt“:GrundmusterentsteheninderödipalenPhase
->Lustfeindlichkeit,übertriebeneMoralvorstellungen/Zügellosigkeit,(sexuelle)Ausschweifungen
•
Selbstwertkonflikt
geringesSelbstbewusstseinalsErgebnisgestörterInternalisierungz.B.infolgedefizitärerSpiegelung
undmangelnderAnerkennungdurchdieObjekte;
->führtspäterzumVersuch,durchäußereKompensationdiesenMangelauszugleichen(z.B.durchTätigkeitinsozialenBerufenoderdurchExtremleistungen)
•
Identitätskonflikt
RollenkonfliktedurchnichtausreichendeIdentifikationmitObjekten,fehlendeVorbilder;
->UnsicherheitüberdieGeschlechterrolle,dieElternrolle,diegesellschaftlicheRolleusw.
Zusammenfassung:
- KonfliktegehörenuntrennbarzumLeben
- äußereKonflikte(=interpersonelleKonflikte)sindhäufigFolgeinnererKonflikte
- innereKonfliktesindinderRegelAmbivalenzkonflikte,alsodasSchwankenzwischengegensätzlichenWünschenundBedürfnissen
- verdrängteinnereKonfliktewerdenauchneurotischeKonfliktegenannt;inderRegelführennur
dieseKonfliktezueinerseelischenoderleib-seelischenStörung
- KonfliktlösungsstrategiensollenimmereinenoffenenUmgangmitKonfliktenzumZielhaben
- dort,woinnereKonflikteunbewusst(sind)bleiben,kannpsychotherapeutischeHilfeeinerster
SchrittzurKonfliktlösungsein.
TherapeutischeBeziehung
DietherapeutischeBeziehungindertiefenpsychologischenPsychotherapieunterliegtbestimmten
GesetzmäßigkeitenundistoftGegenstandderTherapieselbst:siekanndiagnostischgenutztwerden
(z.B.durchGegenübertragungsphänomene)undtherapeutischbearbeitetwerden(Therapeut:„Sie
erwartenvonmirdieAnerkennung,dieSiesichfrühervonIhremVatergewünschthätten“).Inder
therapeutischenBeziehungre-inszenierensichdieneurotischenKonfliktenotwendigerweise.Diesist
fürdieBearbeitungderKonflikteförderlich,jaunerlässlich.SolcheRe-InszenierungenkommenbesondersinGruppentherapienvor,dadurchdieVielzahlderGruppenmitgliedermitihrenÄhnlichkei-
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tenzudenfrühenObjekteneinehoheWahrscheinlichkeitbesteht,aufbekannteKonfliktmusterzu
treffen.
DreiPhänomenebzw.KonstruktekennzeichnendietherapeutischeBeziehung:
1. Übertragung
Darunterverstehtmandie(unbewusste)ProjektionvoninfantilenWünschenundErwartungenaufden
Therapeuten.SolcheÜbertragungswünschekönnensein:ständigeAnerkennung,bedingungsloseLiebe,
umfassendeVersorgungusw.DasAusmaßderErwartungenistzumeistunrealistisch.Dietherapeutische
Situationführt(zumindestzuBeginn)inderRegelzueinerRegression,d.h.einemRückschrittaufein
früheresEntwicklungsniveau,wasÜbertragungenfördert.DadieserVorgangunbewusststattfindet,
könnenÜbertragungswünschezwarvermutet,abernicht„bewiesen“werden.AlsErgebnisseinerAusbildungistderTherapeutjedochinderLage,Übertragungsphänomenezuverstehen.InfortgeschrittenenTherapiesituationenkanndiesthematisiertwerden(Therapeut:„IchhabedasGefühl,dassSiesich
wünschen,ichmögestetsfürSiedasein.DiesenWunschversteheich,zumalIhrVaterfürSienieZeit
hatte“).
2.
Gegenübertragung
DarunterverstehtmandieSummerderemotionalenReaktionendesTherapeutenaufdie(intuitivgespürten)ÜbertragungswünschedesPatienten.DiesegefühlsmäßigeReaktionhängtvonzweiFaktoren
ab:zumeinenvondenÜbertragungswünschenselbst,zumanderenvonderPersönlichkeitdesTherapeuten,seinereigenenBiographieundKonflikthaftigkeit.IndertiefenpsychologischorientiertenTherapieausbildungwirddahergroßenWertaufSelbsterfahrunggelegt.DiesehatzumZiel,eigeneKonflikte
undReaktionsweisenzuerkennenundkontrollierenzukönnen.AufdieseWeisewirdvermieden,in
„Kommunikationsfallen“unbewussterÜbertragungswünschezugeraten.DieGegenübertragungsollte
stetsreflektiertwerde;siekannauchdiagnostischverwendetwerden.Beispiel:WenneinTherapeutin
seinereigenenBiographiebesondersaufAutonomiebedachtwar,wirderaufabhängigeWünschedes
PatienteneineaggressiveRegungspüren.Andersherum:DieWahrnehmungaggressiverImpulsealsReaktionaufdenPatientenkönnteindiesemFalleinHinweisaufeinenAbhängigkeitskonflikt(desPatienten)sein.
3. Widerstand
AlsWiderstandimtiefenpsychologischenSinnewerdenalleunbewusstenVorgängebezeichnet,dieden
therapeutischenFortschrittverhindern.VerdrängteKonfliktemüssenständigabgewehrtwerden,damit
sienichtzumBewusstseingelangen,weildiesbedrohlichundschmerzhaftwäre.Wenndaherinder
Therapieversuchtwird,dieAbwehrzuhinterfragenundaufzuweichen,umBewusstwerdungzufördern,
empfindetderPatientdiesalseineinnereBedrohung,dieeszuvermeidengilt.SchließlichistAbwehrja
eineSchutzmaßnahme,umdiebedrohlichen,schambesetzten,aggressivenusw.AnteileeinesKonflikts
nichtspürenzumüssen.WennderPatientdiesesSchutzmechanismusberaubtwird,kanneszueiner
Labilisierungkommen.DaheristdasPhänomendestherapeutischenWiderstandesverständlich.Hier
giltes,sorgsamabzuwägen,wieweitInterventionenzurAufdeckungunbewussterInhaltegehendürfen.
EsgibtbestimmtTechnikenundSituationen,diedieAbwehraufweichen,soz.B.SituationenmitdeutlicherRegressionodernonverbale,emotionsgeleiteteTherapieverfahren.
TherapeutischeInterventionen
NebenallgemeinenRegelnvonPsychotherapie(Vereinbarung,Therapieziele,Verschwiegenheit,
Settingusw.)sindjedemPsychotherapieverfahrenvordemjeweiligenTheoriehintergrundbestimmte
Technikeneigen,diealstherapeutischeInterventionengeplanteingesetztwerden(vgl.Psychotherapie-Definition).
TiefenpsychologischeTherapiefindetimEinzel-oderGruppengesprächstatt.EsgibtauchnonverbaletiefenpsychologischeTherapieformen(Körpertherapie,Kunsttherapieusw.),beidenenjedochdieErfahrungenletztlichverbalisiertundsobearbeitetwerden.
23
DasallgemeineTherapieprinzip
inderTiefenpsychologie
Erinnern
unbewussterInhalte
Wiederholen
des(infantilen)Konfliktes
Durcharbeiten
zureifenLösungen
Dr. W. Ruf-Ballauf Reha-Klinik Hüttenbühl
Konflikt-zentrierteTherapie:
- UmwelcheninnerenKonflikthandeltessich?
- WieerklärtsichderKonfliktaus
derLebensgeschichte?
- WelcheAbwehrmechanismenliegenvor?
- BewusstmachungdesKonfliktes
- ArbeitenanreifenKonfliktlösungen
26
DietiefenpsychologischeDiagnostikseihiernurkurzerwähnt:ErhebungderbiographischenAnamnese,DurchführungvonmehroderwenigerstrukturiertenInterviews,Psychometrie,d.h.DurchführungvonTests,AusfüllenvonFragebögen(sieheauchDiagnostikteil).
FrüherwurdentherapeutischeInterventioneninstützendesoderaufdeckendesVorgehenunterschieden.AmAnfangeinerPsychotherapiebedarfderPatientmeistderwohlwollendenUnterstützung,daeineEntlastungvomhohenLeidungsdruckvordringlichist.ErstwenndadurcheineStabilisierungeingetretenunddietherapeutischeBeziehungtragfähigist,kannmitdereigentlichentherapeutischenArbeit,die„aufdeckendenCharakter“hat,begonnenwerden.
HäufigeTherapieansätzeundTherapiezieleinderTiefenpsychologiesind:
- „Eigenanteil“interpersonellerKonfliktereflektieren
(zwischenmenschlicheKonfliktesindoft–nichtimmer–einIndikatorinnererKonflikte!)
- EigenwahrnehmungundFremdwahrnehmungvergleichen
(wieseheichmich?–wiesehenmichdieAnderen?)
- Realitätswahrnehmungprüfen
(wiesubjektivistmeineRealität?)
- unangenehmeGefühlewahrnehmen,nichtleugnen
- zulassen,dassesauchverborgene(unbewusste)BeweggründefürmeinHandelngibt–geben
kann
- InnereKonflikteaufdeckenundbearbeiten
ImGesprächkönnendabeidreiArtenvonInterventionenerfolgen:
1. Klärung(->Erinnern)
DurchgezieltesNachfragenwerdenInformationenergänzt.VomPatientenwerdenhäufigkonfliktbelasteteThemenausgespart(unbewussteAbwehr),wichtigeDingenurimNebensatzerwähnt.ZielvonKlärungist,dasPuzzlederErinnerungenvollständigzusammenzusetzen.
FragensollenstetsinoffenerFormgestelltwerden.Inhaltemüssenvorbewusst6sein,umsie
durchgezieltesNachfragenzuklären.
2. Konfrontation(->Wiederholen)
KonfrontationistdereinfühlsameundverträglicheHinweisaufoffensichtlicheWidersprüche
imVerhaltendesPatienten.DieseWidersprüchesindAusdruckdesneurotischenKonfliktsund
werdenzunächst–genauwiederKonfliktselbst–ausgeblendetodernegiert.DieserTeilder
therapeutischenArbeitgehtdahin,dassderPatientnichtumhinkann,dieWidersprüchezuer
6
ZwischenunbewusstundbewusstgibtesdieStufedesVorbewussten;vorbewussteInhaltekönnendurch
geeigneteFragenoderdurchEvidenz(„Aha-Erlebnisse“)bewusstwerden
24
kennen.Die„Konfrontationsdosis“musssorgfältigabgewogenwerden.Voraussetzungisteine
tragfähigeundbelastbaretherapeutischeBeziehung.ZurascheundzuheftigeKonfrontation
endetinderRegelmitTherapieabbruch.
3. Deutung(->Evidenzerlebnisse)
Deutungenzielendaraufab,vorbewussteInhalteeinleuchtendzuerklären.WenndieErklärungzutrifft,führtdieszueinemEvidenzerlebnis(„Aha-Effekt“).Wennsienichtzutrifft,stößt
sieaufUnverständnis(richtetabermeistauchkeinenSchadenan).DeutungensinddieStärke
dertiefenpsychologischenundanalytischenPsychotherapie.SieorientierensichanderKonflikthypothesebzw.denverdrängtenWünschen.MitDeutungensolltemansparsamumgehen
undsienurdanneinsetzen,wennderBodendafürvorbereitetwurde.EineFlutvonDeutungenwirktlediglichverwirrendundnichthilfreich.WiederPatientaufDeutungenreagiert,
kannmandurchsog.Probedeutungentesten.
Beispiel(FallvignietteSkriptPsychosomatikS.10/11:DerPatientahnt,dassseineErkrankung(Bluthochdruck,Depression)mitderneuenChefinzutunhat.Therapeut:„SiesindenttäuschtvonderneuenChefin.MicherinnertdieseEnttäuschungdaran,dassSiealsKindvonIhrerMutteroftenttäuschtwurden…“
WenndieseDeutungeinleuchtet,wirdderPatientseineletztlichunrealistischenErwartungenandie
neueChefinerkennenundkorrigierenkönnen.Erwirdverstehen,dassfrühereDefiziteinderMutterbeziehung,diezumKonfliktgeführthaben,nichtdurchdieChefinheutekompensiertwerdenkönnen.
Psychoanalyse.PsychoanalytischeEinzel-oderGruppentherapieweisteinigeGemeinsamkeitenund
einigeUnterschiedezurtiefenpsychologischenTherapieauf.DieUnterschiedebeziehensichaufdas
settingunddiedeutlichzurückhaltendereRolledesAnalytikersals„Spiegelplatte“.
- PsychoanalysebasiertaufdenselbenKonstruktenwiedietiefenpsychologischfundiertePsychotherapie
- HochfrequenteSitzungen(2oder3SitzungenproWoche)
- Speziellessetting(„Couch“)zurRegressionsförderung;dasklassischesettingwirdheutezunehmendverlassen
- MethodedesFreienAssoziierens(Analysand)
- Haltungder„freischwebendenAufmerksamkeit“(Analytiker)
- ErkenntnissedesAnalytikerswerdenals„Deutung“demAnalysandenmitgeteilt
- InderÜbertragungsbeziehungzumAnalytikerwerdentypischeemotionaleMusterbzw.MotivedesAnalysandensichtbar;siewerdeninterpretiert(gedeutet)unddamiteinerVeränderung
zugänglichgemacht.
Verhaltenstherapie
Historisches
VerhaltenstrainingzurVerhaltensänderunghatesimmerschongegeben.VonGoethewissenwir
beispielsweise,dasserseineHöhenangstdurchÜbungenpositivveränderte.KinderundJugendliche
überwindensichoftzuverschiedenenÜbungen,dieeineArtVerhaltenstrainingdarstellen,wennsie
sichzumBeispielalleinundmitAngstindendunklenKellerwagen,odersichdochüberwindenmüssen,alleinEinkäufezutätigen.DieMethodenderVerhaltenstherapiehabenvielfältigeWurzeln.Mit
denErgebnissenderexperimentellenLernpsychologiekannauchderBeginnderVerhaltenstherapie
gesetztwerden.SystematischeErkenntnissedesrussischenPhysiologenIwanP.Pawlow(1849-1936)
entdeckte1904dasPrinzipderklassischenKonditionierung.AusdiesenErgebnissenfolgtenweitere
25
ErgebnisseinderVersuchsanordnungmitTierenundMenschen.JohnB.Watson(1878-1958)begründete1913denBehaviorismusdiesogenannteReiz-Reaktions-Psychologie.Thorndike,Pawlow
undWatsonformuliertenLerngesetze,diesieinverschiedenenVersuchsreihenentdeckthaben.Mitte1950forscheninEngland(Eysenk,Shapiro,Jones),inSüdafrika(Wolpe,Lazarus)undindenUSA
(Lindsly,Skinner,Mowrer,Dollard,Miller)überdasLernenvonVerhalten,sieformuliertenlerntheoretischePrinzipien.
Anfang1970wurdenKognitionen7alsverhaltenssteuerndeKomponentenentdeckt,wasbisdahin
bestrittenwordenwar.EinigenamhafteVerhaltenstherapeutenwarenandiesemParadigmenwechselmaßgeblichbeteiligt:BANDURA(Modelllernen),MEICHENBAUM(Selbstinstruktionstraining),LAZARUS(multimodaleTherapie),KANFER(Selbstregulation)sowieMAHONEY.
DiepsychologischenProzessekonntenimmerdetaillierterbeschriebenundauchwissenschaftlich
erfasstwerden.EswurdenVerhaltensanalysennachklarenStrukturenaufverschiedenenEbenen
(motorisch,kognitiv,emotional,physiologisch)systematischaufbereitet,Bedingungenbeschrieben,
diediezubehandelndeStörungaufrechterhielt,undTherapiekonzepteentwickelt,dieeineVeränderungbewirkten.
Seitca.1970findetderBegriffVerhaltenstherapieundVerhaltensmodifikationAnwendung.Heute
basiertdieVerhaltenstherapienichtnuraufderLerntheorie,sondernauchaufErkenntnissender
Motivations-,Kognitions-,Sozial-,Entwicklungs-undPersönlichkeitspsychologie.AufgrunddermultidisziplinärenSichtweisefürmenschlicheStörungenundProblemewerdenauchInhalteausderNeuropsychologie,derMedizin,derPsychophysiologie,derBiologie,derBiochemieundderSozialwissenschaftengenutzt.
Lerntheorie
LerntheorienuntersuchenVeränderungendesmenschlichenVerhaltensundDenkens,dienichtauf
angeboreneReaktionen(z.B.Reflexe)oderdienormaleEntwicklungzurückzuführensind.Mehrals
100JahremoderneLernforschunghabendabeinichtzueinereinheitlichenpsychologischenLerntheoriegeführt.InPsychologieundPädagogikfindensichverschiedeneVarianten,dieunterschiedlichen
theoretischenAnsätzeinübergeordneteKategorienzusammenzufassen.EinegängigeUnterteilung,
dieauchimKontextdesLernensmitNeuenMedienhäufiganzutreffenist,istdieinbehavioristische,
kognitivistischeundkonstruktivistischeLerntheorien.
Behaviorismus
ImBehaviorismuswirdLernenalsReaktiondes
IndividuumsaufUmweltreizeerklärt;LernprozessekönnengemäßdieserModellvorstellung
vonaußengesteuertwerden.Bewusstseinsvorgängebleibendabeiunberücksichtigt.Beim
BehaviorismuswirddasGehirnalseineArt
"blackbox"gesehen,d.h.dieinternenVorgänge
imGehirninteressierennicht.Vielmehrgehen
dieVertreterdesBehaviorismusdavonaus,dass
mandasmenschlicheGehirnnuraufeinegeeigneteArtundWeisereizenmuss,umdiegewünschteReaktionauszulösen.Dietheoreti-
7
UnterKognitionenverstehtmanjeneVorgänge,durchdieeinOrganismusKenntnisvonseinerUmwelterlangt.ImmenschlichenBereichsinddiesbesonders:Wahrnehmung,Vorstellung,Denken,Urteilen,Sprache.
DurchKognitionwirdWissenerworben.
26
schenSchwierigkeitenbestehenvorallemdarin,diegeeignetenStimulizuerforschenundsiemitadäquatem
Feedback(BelohnungbeirichtigerAntwort,"Strafe"beifalscherAntwort)zuunterstützen,umdierichtige
Verhaltensweisezuverstärken.
FrüherwardiebehavioristischeSichtweiseweitverbreitet(z.B.als"ProgrammierterUnterricht"indenfrühen
sechzigerJahren).Heuteweißman,dassdasReiz-Reaktions-SchemadieKomplexitätdermenschlichenLernprozessenichtausreichenderfassenkann.
Kognitivismus
HistorischistderKognitivismusalsGegenreaktionaufdenBehaviorismusentstanden.DerKognitivismusrückt
dieinneren,bewusstenVorgängedesLernprozessesindenVordergrund.UntersuchtwerdenOrganisationsprozesse,InformationsverarbeitungundEntscheidungsvorgänge,beidenendurchaktiveBeteiligungdesIndividuumsderWissenserwerberfolgt.Andersausgedrückt:wasinder„blackbox“passiertistentscheidend.Es
wirdversucht,fürdieseVerarbeitungsprozessetheoretischeModellezuentwickeln.DerProzessdesDenkens
kannalseinProzessderInformationsverarbeitunggesehenwerden.AufdieserabstraktenEbenesindmenschlichesGehirnundComputerähnlich,d.h.beideerscheinenals"Geräte"zurInformationsverareitung.ImVordergrundstehtdasProblemlösen:Esgehtnichtmehrdarum,aufgewisseStimulidie(einzig)richtigeAntwort
zufinden,sondernessollvielmehreineMethodeodereinVerfahrengefundenwerden,derenAnwendung
dannerstdierichtige(n)Antwort(en)ergeben.
EinSchwachpunktist,dassLernvorgängeganzalsgeistigeVorgängeaufgefasstwerdenundkörperlicheLernvorgängenichtguterklärtwerdenkönnen.
ModerneCBT-Software(computerbasedtraining)beruhtaufderkognitivistischenLerntheorie.BeiderinteraktivenSoftware(z.B.Vokabeltrainer,Abfrageprogramme,Infotainment,Hyperbooks,Tutorensysteme,Wissensdatenbanken,Spiele,Animationenu.a.)gehtesnichtmehrum(einzigrichtige)Antworten,sondernumdie
dialogischeEntwicklungvonLösungs-bzw.Lernstrategien.
Konstruktivismus
KonstruktivistischeAnsätzegehendavonaus,dassWissendurchsubjektiveInterpretationundKonstruktion
entsteht.Lernenwirdalsselbstgesteuerter,aktiverProzessbegriffen,derdurchWerte,Überzeugungen,MusterundVorerfahrungenbeeinflusstwird.Jeder„konstruiert“sichdarausseineeigeneWelt.DieGrundpositionenderkonstruktivistischenLerntheoriensind(Wolff1997):
- Eskannnurdasverstandenundgelerntwerden,wassichmitbereitsvorhandenemWissenverbindenlässt.
- DieeingesetztenKonstruktionsprozessesindindividuellverschieden;deshalbsindauchdieErgebnissevon
Lernprozessennichtidentisch.
- Wissenistimmer"subjektives"Wissen,dassichselbstfürLernende,dieimgleichensozialenKontextlernen,beträchtlichunterscheidenkann.AuchdeshalbsinddieErgebnissevonLernprozessenindividuellverschieden.
- NeuesWissenimpliziertdieUmstrukturierungbereitsvorhandenenWissens.DersozialeKontext,diesozialeInteraktionsindinsofernbeimLernendenvonwesentlicherBedeutung.
- WeildieKonstruktionvonneuemWissenanbereitsvorhandenesWissenangebundenist,müssenLernprozesseineinegeeigneteundhilfreicheLernumgebungeingebettetwerden.
- VonbesondererBedeutungistdasPrinzipderSelbstorganisation.DerMenschalsinsichgeschlossenesSystemorganisiertsichselbstundorganisiertdamitfürsichdieWelt.
- SelbstorganisationverbindetsichmitEigenverantwortlichkeit.DerMenschistfürdaseigeneLernenverantwortlich,weilerdamitseinÜberlebenalsSystemsichert.
KonstruktivistischeLerntheorienbetonenalsoEigenverantwortungundAutonomiedesMenschen.
Konditionieren
EinStimulusS(synonym:Reiz)ruftüblicherweiseeineReaktionRhervor.DiesistdieGrundannahme
desBehaviorismus(s.o.):
S->„blackbox“->R („blackbox“wirdimWeiterenweggelassen).
27
Stimulisindzunächstbeliebigundneutral(unkonditioniert).BeimklassischenKonditionierenistLernendieVerknüpfungvonunkonditioniertemStimulus(Su)undReaktion:
Su->Ru (z.B.Essen->Speichelfluss,RuistdieunkonditionierteReaktion)
Konditionierenistdie(mehrfache)KoppelungeinesursprünglichneutralenReizes(Sn)aneinenunkonditioniertenStimulus,wodurchdieserReizeineAuslösefunktionfürdieursprünglicheReaktion
bekommt:
Su+Sn->Rk (z.B.Essensgong->Speichelfluss,RkistdiekonditionierteReaktion)
DasklassischeKonditionierungsexperimentistderPawlowscheHund(s.Vorlesungsfolien),beidem
derMagensaftschonbeimEssensgongproduziertwirdundnichterstbeimEssen.
DieVerknüpfungvonReizenkannauchübermehrereStufenerfolgen:
Su1+Su2+Su3+…+Sun+Sn->Rk DerinitialeReizSu1istderSchlüssel-oderTriggerreiz.
Stimulus-Reaktionsketten
VieleVerhaltensweisensindklassischkonditioniert.DieErfahrungzeigtjedoch,dassunsereReaktionenAntwortenderUmwelthervorrufen,diewiederumalsStimuliunserVerhaltenmodifizieren.Das
geänderteVerhaltenruftwiederumeinebestimmteReaktionderUmgebunghervorusw.Diesnennt
manStimulus–Reaktionskette.
DieHerausbildungsolcherStimulus–ReaktionskettenwirdalsoperantesKonditionierenbezeichnet:
S0->R1->S1->R2->S2->R3->usw. S0=Auslösereiz,dersehrunscheinbar(oderunbewusst)seinkann
R1=gezeigtesVerhalten(operanteReaktion)
S1=VeränderungderUmweltdurchR1(auch:Verhaltenskonsequenz)imSinnepositiver
(Belohnung)undnegativer(Sanktion)Verstärkung
R2=ReaktionaufdieUmweltveränderung(geändertesVerhalten)
S2=VeränderungderUmweltdurchR2
usw.
Beispiel: operantes Konditionieren mit positiver Verstärkung
S0 ?
R1
R2
S1
S0 = Auslösereiz bleibt
unsichtbar oder
unbewusst
R1 = gezeigtes
(konditioniertes)
Verhalten („lasst
Blumen sprechen“)
S1 = Veränderung der
Umwelt durch R1 ->
positive Verstärkung
(Kuss)
R2 = Reaktion auf die
Umweltveränderung > größerer
Blumenstrauß
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Verhaltensanalyse
VoraussetzungvonVerhaltenstherapieistdieDurchführungeinerVerhaltensanalyse(Diagnostik).
Zielesind,dieBedingungenundWirkungenvonVerhaltengenauzubeschreibenundMöglichkeiten
derVerhaltensmodifikationabzuleiten.
EsgibtverschiedeneSchemata,diezurVerhaltensanalyseangewandtwerden.Verhaltenwirdals
ErgebnisverschiedensterBedingungen(biologischer,sozialer,ökonomischer,lerngeschichtlicher
usw.)verstanden,wasauchalsBedingungsgefügebezeichnetwird.ZweiwichtigeSchematawerden
vorgestellt,diealsLeitfadeneinerVerhaltensanalysegeltenkönnen.
Bedingungsgefüge
SORCK-Schema(KanferundPhillips1970)
S Reizbedingungen:AllemitdemProblemverhaltenverknüpftenphysikalischenund
sozialenReize.
O Organismusvariablen:BiologischeZustandeinerPerson.Z.B.organischeParameter
einerErkrankungodergenetischeDeterminanten.
R Reaktions-bzw.Verhaltensrepertoire:AlleVerhaltensweisendesPatienten,dieim
weitestenSinnemitdemProblemzusammenhängen,aufdermotorischeEbene
(z.B.Schonverhalten,Medikamenteneinnahme,Arztbesuche...),derphysiologischen
Ebene(Körperreaktionenz.B.desvegetativenNervensystems)unddersubjektiveEbene
(z.B.EmotionenundKognitionen)
C Kontingenzverhältnis:Räumlich-zeitlicheBeziehungzwischenProblemverhaltenund
Konsequenzen.Fürkrankheitsbezogenebzw.gesundheitsbezogeneVerhaltensweisen
istdieräumlich-zeitlicheNähevonVerhaltenundpositiverodernegativerVerstärkung
entscheidend.
K Konsequenzen:SämtlicheReize,dieaufdasProblemverhaltendesPat.folgen.
(VerhaltendesPatientenselbstundderUmwelt.)
BOLP-Schema
EinähnlichesSchemamitetwasanderenBegrifflichkeitenundFaktorenistdasBOLP-Schema.Zur
vollständigenVerhaltensanalysewirddiesesSchemaergänztdurchdieBetrachtungsebenendesVerhaltens(BAMMPI–s.u.).
B biologische,physiologische,biochemische(medizinische)Bedingungen
O sozialeundökologischeBedingungen
L Lerngeschichteundsituative(psychologische)Bedingungen
P dispositionelle,persönlichkeitsstrukturelle,affektiveundkognitive(psychologische)
Bedingungen
BetrachtungsebenendesVerhaltens
UmVerhaltenvollständigverstehenzukönnen,istnichtnurdasBedingungsgefügewichtig,sondern
auchdieBetrachtungdesVerhaltensunterverschiedenstenBlickwinkel.EinesystematischeAufgliederungwirdimBAMMPI-Schemavorgenommen.
B biologisch-medizinischeZugangs-undBeschreibungsebene(z.B.Symptome)
A affektiveEbene(Gefühlsebene)
M motorisch-verhaltensmäßigeEbene(beobachtbaresVerhalten)
M motivationaleEbene(innereBeweggründe)
P perzeptiv-kognitiveEbene(WahrnehmungundDenken)
29
I interpersonelleEbene(interaktionelle,zwischenmenschlicheEbene)
Fallbeispiel(„Reizblase“)imAnhang!KonditionierungundHerausbildungvonReiz-Reaktionsketten
werdeninfolgendemSchemadeutlich:
Verhaltenstherapie: Fallbeispiel „Reizblase“ (s. Anhang)
UCSunkonditionierterStimulus
UCRunkonditionierteReaktion
CSkonditionierterStimulus
CRkonditionierteReaktion
0
S initialeStimuli
EKognitionen
V1Symptome
V2Verhalten
K+pos.Verstärker
K-neg.Verstärker
•Alle werden
mich auslachen
•Ich habe keine
Kontrolle
Psychotherapie - W. Ruf-Ballauf
DieBetrachtungsebenendesVerhaltenskönnensobeschriebenwerden:
B
A
M
M
P
I
Symptome(biologischeEbene):Harndrang,Unruhe,Furcht
Affekte:Angst,Scham
beobachtbaresVerhalten(motorischeEbene):Toilettengang,Vermeidungsverhalten
Motivation:„ichmussgehorchen“,VermeidungeinerBlamage
Wahrnehmung(PerceptiveEbene):„allebeobachtenmich“,Kognition:„dieLeutedenkenschlecht
übermich,ichmachemichlächerlich“,„ichhabekeineKontrolle“
KonflikthafteInteraktionmitdervorwürfigenMutterunddemReiseleiter
Verhaltenstherapie:Prozessmodell
DerAblaufeinerVerhaltenstherapiegliedertsichprinzipiellnachfolgendenSchritten:
• Eingangsphase:SchaffunggünstigerAusgangsbedingungen
• Aufbauvon»Änderungsmotivation«undvorläufigeAuswahlvonÄnderungsbereichen
• VerhaltensanalyseundfunktionalesBedingungsmodell
• VereinbarentherapeutischerZiele
• Planung,AuswahlundDurchführungspeziellerMethoden
• EvaluationtherapeutischerFortschritte
• Endphase:ErfolgsoptimierungundAbschlussderTherapie
• »Follow-Up«/Katamnese(Nachbefragung)
EinKernpunktistdieVeränderungsmotivation,d.h.dertatsächlicheWilledesPatienten,Dingeauch
tatsächlichzuverändern.DieMotivationmussgrundsätzlichvorhandensein,kannaberauchdurch
gezielteStrategienaufgebautundgefestigtwerden.Hierzuzählen
- Nutzungvon»inhärenten«MotivationsbedingungendesSelbstmanagement-Konzepts(vgl.
auchinternaleKontrollüberzeugungen:„ichhabeesinderHand,meinLebenzuverändern“)
30
-
ReduktionvonDemoralisierungundResignation:HinweisaufpositiveAspekte(bisherigeErfolge),„auchanderehabendasgeschafft“,„Rückschlägekommenvor“,usw.
EinsatzspeziellerMotivierungsstrategien:RückgriffaufpersönlicheRessourcen(z.B.Kreativität,Fleiß,Intelligenz…)
ErsteAnsätzeeiner»Ziel-undWerterklärung«:HinweisaufSinngebung,Bereicherungund
neueFreiheitendurchVeränderung
(Vorläufige)sachlicheundmotivationsabhängigeAuswahlvonÄnderungsbereichen:kleineZieleoderEtappenziele,dieerreichbarsind,stärkendenMut,weiterzugehen.
VerhaltenstherapeutischeMethoden
SystematischeDesensibilisierung
DiesystematischeDesensibilisierungschafftBedingungen,unterdeneneinPatientmitAngststörungenseinemassivenAngstreaktionenunddasdamitverbundeneVermeidungsverhaltenschrittweise
überwindenkann.
PatientenwerdenlangsamandieangstauslösendenSituationenherangeführt.
DiedreinotwendigenundhinreichendentherapeutischenMaßnahmen(Wolpe1958)sind:
→ Entspannungstraining,
→ ErstellungeinerodermehrererindividuellerAngsthierachien,
→ DarbietungderhierarchisiertenAngstreizeunterEntspannung,zunächstinderVorstellung(„in
sensu“),späterdannauchinderRealität(„invivo“).
FlorinundTunner(1975)weisendaraufhin,dasszuBeginnderTherapieeinesorgsameInstruktion
zustehenhat,damitdiePatientenVertrauenindieTherapiegewinnen.Nursokannausreichende
Motivationgeschaffenwerden,umdienotwendigeMitarbeitzusichern.
Angstbewältigungstraining
MitdemAngstbewältigungstraininglernenPatienten,aufkommendeAngstdurchEntspannungzu
kontrollierenundzureduzieren.
DerAblaufeinesAngstbewältigungstrainingserfolgtinvierStufen:
1. ZunächsterlernendiePatientendasVerfahrenprogressivenMuskelentspannung.Dabeisoll
gleichzeitigschondieWahrnehmungvonMuskelspannungenalsAnzeichenaufkommender
AngstundErregungsensibilisiertwerden.
2. ZumZweitenistdieInstruktionwichtig,beidenerstenAnzeichenvonErregungEntspannung
einzusetzen,umsoKontrolleüberdieAngstzugewinnen.
3. WährendderTherapiesitzungenwirddieBewältigungderAngstdurchEntspannungtrainiert.
4. SchließlichistdieAnwendungdesgelerntenVorgehensinderAlltagsrealitätentscheidend.
ExpositionundReizkonfrontation
BeiderExpositionoderReizkonfrontationwerdenPatientenmitverschiedenenAngststörungenderenaversiven8Reizen,dergefürchtetenSituationbzw.dengefürchtetenObjektendirektausgesetzt.
Beim»flooding«(Reizüberflutung)werdendiePatientenmitdenStimuliinderRealität(invivo)direktundinhöchsterIntensitätkonfrontiert.DurchdieAnwesenheitdesTherapeutenkanndiestoleriertwerden.BeimHabituationstraining(Habituation=Anpassung,Gewöhnung,Abschwächung)
8
AversiverReiz:ImSinnederLernpsychologie,handeltessichumeinennegativenReiz,beidemdieKonsequenzeineVermeidungsreaktionauslöst(z.B.schimpfenmiteinemKind,wennesetwasgeklauthat).Aversive
ReizehabenbeimoperantenKonditionierendieFunktionnegativerVerstärker.
31
werdenPatientendirekt,dochinabgestufterWeise(imSinneeinerAnnäherungshierarchie)mitden
angstauslösendenStimulikonfrontiert.
FortsetzungFall-Beispiel(FrauH.–„Reizblase“):
DiePatientinH.willigtein,ihrmassivesVermeidungsverhaltenunddieÄngstevorKontrollverlustüberihre
Blasekonfrontativ,dochgraduiertanzugehen.
DerersteSchrittderKonfrontationbestehtdarin,»dieVerpackung«alseineärztlichverordneteFormvon
VermeidungwegzulassenundsoihreWohnungzuverlassen,mitdemRadzurTherapiezufahrenundsich
dortmitdemTherapeutenzuunterhalten.WeitereSchrittesinddann,ineinenSupermarktzugehen(erst
mitwenig,späterdannmitvielBetrieb),einkaufenzugehen(zunächstnurwenigeDinge,dannmiteiner
langenListe),ihrBüroaufzusuchen,dortzubleiben,zutelefonieren,mitKollegenundKolleginnenzureden,
Seminarezubesuchen,Buszufahren,ineinKinozugehen(zunächstnachmittagsbeiwenigBetrieb,später
dannineinvollbesetztesKino),ineinCafezugehen(zunächstbeiwenigBetrieb,dannmitvielBetrieb),in
einebekannte,dannineineunbekannteKneipezugehen,einKonzertzubesuchenunddortamRand,dann
inderMitteeinerReihezusitzenusw.
OperanteMethoden
OperantelnterventionsmethodenbewirkenVeränderungendurchdieManipulationvonVerhaltenskonsequenzen.EsgibtimWesentlichenfünfTechniken:
1. »shaping«(ZielverhaltenundwirksameVerstärkergenaufestlegen)
2. »Chaining«(komplexesVerhaltenwirdinkleineEinheiten(Ketten)zerlegt)
3. »fading«und»prompting«(KontrollederrelevantenStimuli)
4. positiveVerstärkung(wirksamsteMethode)
a. ZunächstmüssendierelevantenVerstärkeridentifiziertwerden.
b. DaszuverstärkendeZielverhaltenistgenauzudefinieren.
c. Verstärkungsolltekontingentundsofortverabreichtwerden.
d. „tokeneconomy“(Belohnungs-Währung):BeimEinsatzvon»token«alsVerstärkeristentscheidend,dassdieUmtauschbedingungen(bestimmteAnzahlvon»token«gegenz.B.
FernsehzeitoderAutobenutzung)eindeutigfestgelegtsind.
e. NachkontinuierlicherVerstärkunginderAnfangsphasesollte(zurStabilisierungdesVerhaltens)aufintermittierendeVerstärkungübergegangenwerden.
5. NutzenderStimuluskontrolle(KontrollederStimuliinbestimmtenSituationen)
Kontingenzmanagement
Kontingenz:einembestimmtenVerhaltenfolgteinebestimmteKonsequenzinzeitlich-räumlichem
Zusammenhang.DieKonsequenzistallerdingskeinenotwendigeFolgedesVerhaltens.
KontingenzmanagementbezeichnetdiesystematischeDarbietungpositiverbzw.EntfernungaversiverStimuliimklarerkennbarenZusammenhangmitdemproblematischenVerhalten.
Modelllernen
ModelllernenbeschreibtdenProzessderzeitökonomischenAneignungkomplexerVerhaltensweisen
durchNachahmung.BeimVorgangdesModelllernenssindzuunterscheiden:
- BeobachtererwerbenneueVerhaltensweisen,dieimRepertoirebishernichtvorhandenwaren.
- DurchdasVerhaltendesModellswerdenvorhandeneVerhaltensweisengestärktoderabgeschwächt.BeobachtungnegativerVerhaltenskonsequenzenführtzurHemmung,Beobachtung
positiverKonsequenzenzurStimulationdesentsprechendenVerhaltens.
32
-
DasModellverhaltenbesitztHinweisfunktion(diskriminativerReiz);hierdurchwirddasAuftretenschonvorhergelernterVerhaltensweisenerleichtertbzw.verstärkt.
SelbstsicherheitstrainingundRollenspiele
UntersozialenFertigkeiten(Selbstsicherheit)verstehtmanverbale,motorischeundmimischgestischeFähigkeiten(Verhaltensweisen),dieaufdiesozialeUmweltgerichtetsindundvondieserim
SinnesozialerVerstärkungaufrechterhaltenwerden(Ullrichetal.1974).SozialkompetentePersonen
habendieFähigkeiten,»nein«zusagen,Bitten,WünscheundForderungenzuäußern,positiveund
negativeGefühlezuäußernsowieGesprächeanzuknüpfen,siefortzuführenundzubeenden.
Beispiel:Salter(1949)entwickeltefürdenAbbauvonsozialerAngstunddenAufbauvonSelbstsicherheiteinTraining,dasfolgendeVerhaltensregelnbeinhaltet:
- explizitesÄußernvonerlebtenEmotionen,speziellimBereichsozialerBeziehungen;
- explizitemimischeundgestischeDarstellungerlebterGefühle;
- widersprechenundangreifen;hierbeiwerdenerlebteDifferenzeniminterpersonalenBezug
explizitzumAusdruckgebracht;
- gezielterGebrauchdesPronomens»ich«;
- ZustimmungundLobdurchanderesollenangenommenwerden,dazugehörenauchSelbstlob
undAnerkennungeigenerLeistungen;
- FähigkeitzurImprovisationundFlexibilität;dieserforderteinenaktivenundspontanenHandlungsvollzug.
Problemlösetraining
ProblemelassensichalseineSituationdefinieren,aufdiePersonenreagierenmüssen,umeffektiv
funktionierenzukönnen,fürdiejedochunmittelbarkeineReaktionsalternativezurVerfügungsteht
(D'Zurillau.Goldfried1971).
ProblemlösenwirdvonverschiedenenAutorenalseinkognitiverundVerhaltensprozessdefiniert,
durchdeneffektiveHandlungsmöglichkeitenfürdieproblematischeSituationerarbeitetunddie
EntscheidungfüreinedieserAlternativengefördertwird.
WelcheFähigkeitenbenötigtmanzumadäquatenProblemlösen?
ImEinzelnenunterscheidenD'Zurillau.GoldfrieddiefolgendenfünfGrundprozessebeimProblemlösen:
(1)
generelleOrientierung(akzeptieren,dassProblemealltäglichundmeistenslösbarsind...)
(2)
DefinitionundFormulierungdesProblems,
(3)
ErarbeitungvonAlternativen,
(4)
EntscheidungzwischenAlternativen,
(5)
ÜberprüfungderVeränderungenunddesErgebnisses.
KognitiveUmstrukturierung
DiekognitivenKomponenten(Gedanken,Einstellungen,Erwartungen,Attributionen),diealsverantwortlichfürdieEntstehungunddieAufrechterhaltungderjeweiligenProblemeangesehenwerden,
werdenmöglichstdirektverändert.
- DermenschlicheOrganismusreagiertv.a.aufdiekognitive(innere)Repräsentation,alsodie
DarstellungoderdieAbbildungseinerUmgebungundnichtaufdieUmgebungselbst.
- DiesekognitivenRepräsentationensindfunktionalmitdenLernprozessenverbunden.
- MenschlichesLernenistzumGroßteilkognitivvermittelt.
- Gedanken,GefühleundVerhaltensindinteraktivundsiebedingeneinander.
33
AnderePsychotherapieverfahren
InterpersonellePsychotherapie(Kurzbeschreibungs.Seite6)
BeiderinterpersonellenPsychotherapie(IPT;nachKlermanetal.1984;Schramm1998)handeltes
sichumeineursprünglichzurBehandlungunipolarerDepressionenentwickelteKurzzeittherapie.Die
IPTbasiertaufdentiefenpsychologischorientiertenArbeitenderinterpersonellenSchule,diezwischenden1930er-und1940er-JahrenindenVereinigtenStaatengegründetwurde.Alsbekanntester
VertreterdieserRichtunggiltnebendemBegründerAdolphMeyerauchHarryStarkSullivan.
DertherapeutischeProzesskonzentriertsichaufdieBehandlungderaktuelleninterpersonellen
SchwierigkeitendesPatienten,diemiteinerpsychischenStörunginVerbindungstehen.Dieselassen
sichmeistineinemoderzweiderviervorgegebenenProblembereichefinden.
• Trauer
BeipathologischerTrauerreaktion,beiderkörperlicheSymptomeimVordergrundstehen,
währendaffektiveZeichenausbleiben.EsistdieUnfähigkeit,dieverschiedenenPhaseneines
normalenTrauerprozesseszudurchlaufen,gemeint.
• InterpersonelleAuseinandersetzungen
LangandauerndeoffeneoderauchverdeckteKonfliktemeistmitdemEhepartneroderauch
mitAngehörigen,Freunden,Vorgesetzten,Kollegenusw.InhaltlichgehtesumunterschiedlicheErwartungenhinsichtlichderBeziehungen.DerDisputmusseinewesentlicheBedeutung
fürdieEntstehungoderdieAufrechterhaltungderderzeitigenKrankheitsepisodehaben.
• Rollenwechsel
SchwierigkeitenbeimAufgebeneineraltenoderbeiderÜbernahmeeinerneuensozialenRolle,wiebeispielsweisedurchVerlustdesArbeitsplatzes,GeburteinesKindes,Scheidung,Umzug,AuszugausdemElternhaususw.DabeiwerdenmeisttiefgreifendeVeränderungender
LebenssituationnurunzureichendbewältigtundsindmiteinerdeutlichenMinderungdes
Selbstwertgefühlsverbunden.
• SozialeDefizite
EinsamkeitundsozialeIsolationimZusammenhangmiteinerlangfristigenVorgeschichtesozialerVerarmungoderinadäquaterBeziehungen.PatienteninnerhalbdiesesProblembereichs
sindmeistschwerergestörtalsindenübrigenBereichen,dasozialeDefizitehäufigmiteiner
StörungderPersönlichkeiteinhergehen.
DerAblaufderBehandlung(amBeispielDepression)gliedertsichindreiPhasen:
1. initialePhase(1.-3.Sitzung):DiagnoseerhebenunddenPatienten(undggf.Angehörige)über
diedepressiveStörungunddieIPTinformieren.DemPatientendieKrankenrollezuteilen,ihn
entlastenundHoffnungvermitteln.MitHilfederBeziehungsanalysediederzeitigedepressive
EpisodeineineninterpersonellenKontextsetzen.ImBehandlungsvertragdenFokus(Trauer,
Konflikte,Rollenwechsel,odersozialeDefizite)unddieTherapiezielemitdemPatientenverhandeln.
2. mittlerePhase(4.-13.Sitzung):BearbeitungdesFokusdurchBetrauerndesVerlustes,eine
günstigereAnpassunganeineneuesozialeRolle,KlärungundBewältigungvonzwischenmenschlichenKonfliktenund/oderdenAufbauneuervertrauensvollerBeziehungen.DieBindungs-bzw.Beziehungsmuster,KommunikationsstrategiensowiedieEmotionendesPatienten
stehenbeiderBearbeitungimVordergrund(BeispielRollenkonflikt:Betrauernundakzeptie34
rendesVerlustesderaltenRolle,positivereSichtweisederneuenRolle,Wiederherstellendes
Selbstwertgefühls)
3. Beendigungsphase(14.-16.Sitzung):ThematisierendesTherapieendesalsAbschiedsprozess
unterBerücksichtigungdamitverbundenerEmotionen(z.B.Trauer,Angst,Wut,Ärger);ZusammenfassungdesinderTherapieErlerntenundAusblickaufdieZukunft.
DieInterpersonellePsychotherapiewirdalsEinzel-undGruppentherapiebeiErwachsenenundJugendlichendurchgeführtDieTherapeutenrolleisteheraktiv,sichaufdieSeitedesPatientenstellend.
Gesprächspsychotherapie(Kurzbeschreibungs.Seite6)
AlsGrundhypothesegilt:JedemMenschenhateinWachstumspotential,dasinderBeziehungzu
eineranderenPerson(etwaeinemTherapeuten)freigesetztwerdenkann.Voraussetzungist,dass
diesePerson(derTherapeut)ihreigenesrealesSein,ihreemotionaleZuwendungundeinhöchst
sensibles,nichturteilendesVersteheninsichselbsterfährt,zugleichaberdemKlientenmitteilt.
DasBesonderediesestherapeutischenAnsatzesbestehtdarin,dassseinSchwerpunktmehraufdem
ProzessderBeziehungselbstalsaufdenSymptomenoderihrerBehandlungliegt.DieBedeutungder
therapeutischenBeziehungistjabereitsausderTiefenpsychologiebekannt.
DieHypothesenstützensichaufMaterial,dasaustherapeutischenundanderenzwischenmenschlichenBeziehungengewonnenwurde,insbesondereaufTonband-undFilmaufzeichnungenvonInterviews.
DieGrundelementederGesprächspsychotherapie(GT)lassensichsozusammenfassen:
- EinanderExistenzphilosophieorientiertesphilosophischesMenschenbild,diePhänomenologiealsErkenntnismethode,
- WahrungdesPrinzipsderSparsamkeitbeidentheoretischenPostulaten,
- VerzichtaufdieAnnahmespezifischerbiologischdeterminierterVorgänge(Triebtheorie)als
HauptfaktoreninderpsychischenEntwicklungvonMenschen,
- AufgabedespsychoanalytischenStrukturmodells,stattdessenPostulateinesimPrinzipoffenenpsychischenSystems:dasSelbstbzw.dasSelbstkonzept
- VorranghatdiedemMenscheninnewohnendeEntwicklungstendenz(»Aktualisierungstendenz«und»Selbstaktualisierungstendenz«)gegenüber(vonaußensystematisch)angeleiteten
Lernprozessen.
DieGTistalsovom„theoretischenBallast“derPsychoanalysebefreit,indemKonstruktewiedie
Trieb-bzw.LibidotheorieunddieInstanzenlehreabgelehntwerden.Gleichzeitignutztsiebestimmte
GrundlagenundWeiterentwicklungenderPsychoanalysewiedietherapeutischeBeziehungunddie
moderneSelbst-Psychologie.
FürRogerssindMenschengrundsätzlichgut.Wennsiesichschlechtverhalten,istdieseineFehlanpassung,dieausMissachtungderSelbstverwirklichungsbedürfnisseinderKindheit,aberauchim
Erwachsenenalterresultiert.EinweitererKernpunktistdieÜberzeugung,dassderMenschgrundsätzlichnachSelbstverwirklichung,WachstumundAutonomiestrebt.PsychischeStörungenentstehendurcheineHemmungoderUnterdrückungdieserWachstumsbedürfnisse.
InderTherapiesolldieursprünglicheFähigkeitzurSelbstverwirklichungdadurchwiederhergestellt
werden,dassdieRahmenbedingungenderGTgenaudenBedingungenentgegengesetztseinsollen,
diezuderFehlanpassunggeführthaben.FürdietherapeutischeSituationbedeutetdas,dassdie
KlientinalsExpertinfürihreeigenePersonangesehenwird.DurchEmpathie,Wertschätzungund
EchtheitsolleinangstfreierRahmengeschaffenwerden,derdenKlientinnenermöglichensoll,mit
sichselbstwertschätzendumzugehenundihreGefühleundWahrnehmungenernstzunehmen.
35
Behandlungsmodell der Gesprächspsychotherapie
Psychotherapie - W. Ruf-Ballauf
DieBehandlungkannalsEinzel-,Paar-oderGruppentherapiedurchgeführtwerden.
DietherapeutischenGrundhaltungenseiennochmalszusammengefasst:
-
Empathie:DerTherapeutversucht,sichindieinnereWeltdesKlientenhineinzuversetzenundsichdessenGefühle,Gedanken,Wahrnehmungenzuvergegenwärtigen.
Wertschätzung:DerTherapeutbemühtsichumeinebedingungsloseAkzeptanz,Sympathie,Wärmeund
RespektgegenüberdemKlienten.
Echtheit:DerTherapeutbemühtsichumAufrichtigkeitgegenüberdemKlienten.Erverstelltsichnicht,
sondernnimmtseineeigenenGefühleimtherapeutischenProzessernstundteiltsiedemKlientenmit.
EsgibtzunehmendDifferenzierungeninnerhalbderGT,wobeieinigeTherapeutendurchausstärker
strukturierendindenTherapieprozesseingreifen.VieleGT-TherapeutenintegrierenElementeaus
anderenTherapierichtungeninihrklientenzentriertesKonzept,sodassdieGTheutenichtmehrausschließlichaufGesprächenberuhenmuss.
SystemischeTherapie(Kurzbeschreibungs.Seite7)
EinSystemkannalsein»SatzvonElementenundObjektenzusammenmitdenBeziehungenzwischendiesenObjektenundderenMerkmalen«verstandenwerden(Hallu.Fagan1965)
SystemischeTherapie/FamilientherapielässtsichalseineFormvonPsychotherapiedefinieren,deren
FokusaufdemsozialenKontextpsychischerStörungenliegtunddiezusätzlichzueinemodermehrerenPatienten(„Indexpatienten“,IPoder„Symptomträger“genannt)weitereMitgliederdesfür
den/diePatientenbedeutsamensozialenSystemseinbeziehtund/oderaufdieInteraktionenzwischenFamilienmitgliedernundderensozialerUmweltfokussiertist.Systemischbedeutetalso,die
ProblemeeinesEinzelnenimSystemnichtisoliertzubetrachten.
DerBlickrichtetsichaufbestehendeMuster,ZusammenhängeundDynamikendesSystems,ausgehendvondemGrundgedanken,dasssichdieHandlungenvonMitgliederneinesSystemswechselseitigbeeinflussenundspezifischeInteraktionendasentscheidendeBandzwischenTeilenundGanzem
einesSystemssind.DasVerhaltendesSystemsalsGanzesistErgebnisderVerhaltensweisenderEinzelnenbzw.derInteraktionenzwischendenEinzelnen.Daherwirdbesondersdaraufgeachtet,was
sichzwischendeneinzelnenSystemmitgliedernabspieltundwiediesemiteinanderumgehen.
36
JedesSystemhatgewisse,oftunausgesprochene»Spielregeln«,nachdenensichdieMitgliederaustauschenundzumindestnachaußenhineinGleichgewichtherstellen.HatjedesMitgliedgenügend
Freiraum,dannsinddieGrenzendesSystemsklarunddurchlässig,d.h.eskannaufVeränderungen
flexibelreagieren.SinddieGrenzenjedochzustarroderunklar,wirddasSystemkrank.Dannkönnen
sichbeispielsweisedieGroßelternindieAufgabendesElternpaareseinmischen,oderderVaterbeantwortetineinemGesprächdieFragen,dieeigentlichanseinenSohngerichtetsind.MancheProblemewerdenüberGenerationenhinweg»vererbt«:MöglicherweiseversuchendieKinder,dieLebensträumeihrerElternoderGroßelternzuverwirklichen.
IstdieFamilienbalancegestört,dannwirdhäufignureinFamilienmitglied»auffällig«.Meistsindes
dieKinder,dieVerhaltensstörungenzeigenundsoaufStörungenimSystemaufmerksammachen.In
diesemFallsindsiediesogenanntenSymptomträger,diehäufigauchzumSündenbockgemacht
werden,diedurchihreSymptomedasgesamteSystembeschäftigen.
DerMenschwirdimsystemischenAnsatznichtvonseinenDefektenherbetrachtet,sondernvon
seinenFähigkeitenundRessourcen-dieselbstinproblematischenVerhaltensweisen,wennauch
verdeckt,zumAusdruckkommen.InderSystemischenTherapiewerdendieProblemeundSymptomederSystemmitgliederdementsprechendneuinterpretiertundalspositivundstabilisierendherausgestellt.
SystemischeTherapiekannauchalsEinzeltherapieerfolgen,dieStärkeliegtjedochinderEinbeziehungmehrererbzw.allerMitgliedereinesSystems.VordertherapeutischenInterventionstehtdie
BeobachtungdesSystemsmit„Systemdiagnose“.Siewirdermöglichtdurch
-
DirekteBeobachtungderInteraktionenzwischendenFamilienmitgliedern
AussagenderBetroffenenzuihremaktuellenBeziehungserleben
BeobachtungundAnalysederInteraktionenzwischendenFamilienmitgliedernunddemTherapeuten
(ÜbertragungundGegenübertragung)
RekonstruktionerlebterundgemeinsamgeschaffenerFamiliengeschichte
InformationenüberdieobjektivematerielleundsozialeLebenslagederFamilie
InderDurchführungistdieSystemischeTherapielösungsorientiert.Problemewerdenzwareindeutig
benannt,derFokusliegtaberaufderProblemlösung,nichtaufderProblemgeschichte.
DieZielewerdenanfangszwischendenMitgliederndesSystemsunddenTherapeutenbesprochen.
ZielekönnensichimLaufederTherapieändernundwerdenimmerwiedergemeinsamüberprüft.
JenachSituationwerdendieSitzungenmitdemganzenSystem,mitUntergruppen(z.B.nurdieEltern,Geschwister)oderauchmiteinzelnenMitgliederndurchgeführt.BeiGruppensitzungenentscheidendieTherapeuten,werandenSitzungenteilnimmt.
DieTherapeutenregendaszuSystembzw.dessenMitgliederan,überihreBeziehungsmusterzu
sprechen,underschließenausdenAntworten,nachwelchenRegelndasSystemfunktioniert.Eine
besonderswirksameTechnikhierfürsinddiesogenannten»Familienskulpturen«:EinePersonsollihr
inneresBildvonderFamilie(odereinerSituation)mitHilfevonHolzfigurenundStühlen(oderden
Personenselbst)widerspiegeln.DurchdiebesondereArt,indersiedieseanordnet,werdendiesozialenPositionen,BeziehungskonstellationenundKonfliktefüralleanschaulich.
DasSystemsollmitHilfevontherapeutischenInterventioneninBewegunggeratenundsichmittels
seinerselbststabilisierendenEigenschaftenneuausrichtenbzw.neuarrangieren.DieseInterventionenerfolgenmanchmalalssog.paradoxeInterventionen9.AlteRegelnundMusterkönnenaufdiese
9
paradoxeInterventionensindAufträge,diedasGegenteildessenbezwecken,wassiebesagen.Beispieleinem
streitendenPaarwirdderAuftraggegeben,jedenAbendeineStundelangvordemAbendessentüchtigzu
streiten-abernurdann.
37
WeiserevidiertundneueindasSystemeingeführtwerden.ZieletherapeutischerInterventionensind
beispielsweise
Ø StarreoderunklareGrenzenundRegelnimSystemaufzeigenundneujustieren
Ø KonflikteimSystembenennen(Machtkämpfe,Schuldzuweisungen,Beziehungs“clinch“)
Ø neueSichtweisenentwickeln
Ø Lösungenangstfreiausprobieren
Ø Lebensphasenbewältigen
SystemischeTherapiewirdinderRegelmiteherwenigenSitzungeningrößerenAbständendurchgeführt.DievorgeschlagenenInterventionenbenötigenZeit,bissichdadurchVeränderungenderBeziehungeninnerhalbdesSystemsergeben.
Gestalttherapie(Kurzbeschreibungs.Seite7)
DieGestalttherapieisteinVerfahrendersog.humanistischenPsychotherapieundwurdeinden40erJahrenvomdeutschstämmigenEhepaarLauraundFritzPERLSindenUSAentwickelt.Seitden70erJahrenwirdGestalttherapieauchinDeutschlanddurchgeführtundgehörtinzwischenzudenhäufigangewandtenTherapieverfahren.
linksundMitte:
FritzPearls1893–1970
rechts:
LauraPearls1905–1990
(dieEheleutesindaufdemjüdischen
FriedhofinPforzheimbegraben)
DieGestaltpsychologiebegreiftKörper,SeeleundGeistalsGanzheit.PsychischeGesundheitbedeutetinderTheoriederGestalttherapiedieFähigkeitzukreativerAnpassung,zulebenslangemWachstumundReifunginlebendigemAustausch(Kontakt)mitderUmwelt.PsychischeStörungensollen
ihreUrsachedarinhaben,dassdiesesWachstumgehemmtist-derKontaktmitTeilendereigenen
Personund/oderderUmweltwirdvermieden.JenachAusmaßderpsychischenStörungwerdendieseAnteileentwedergarnichterstwahrgenommenoderzwarwahrgenommen,aberbewusstabgelehnt.PsychischeGesundheitsollerreichtwerden,indemdieseunerwünschtenAnteilewahrgenommen,inderTherapiesituationintensiverlebtundschließlichakzeptiertwerden.DiesesKonzept
weistvieleGemeinsamkeitenmitdertiefenpsychologischenVerdrängungshypotheseundKonfliktarbeitauf,jedochwirdinderGestalttherapieaufder„HierundJetzt“konzentriert.
Eine»Gestalt«imSinnederGestaltpsychologieisteineunteilbareEinheit,diezumeistalseingegliedertesGanzesimSinneeineskomplexen,geordnetenMustersinErscheinungtritt.Inihmstehendie
TeileuntereinanderunddieTeilezuihremGanzenineinemganzspezifischenVerhältnis.Gestalten
sindalsganzheitlicheInformationseinheitenübertragbareBeziehungsgefüge.Siekönnenverkleinert
odervergrößert,sowievoneinemTrägermediumaufeinanderesübertragenwerden,z.B.wirdein
bestimmtesGesichtwiedererkannt,egal,obesuns-vielleichteinweniggealtert-»live«begegnet
oderalsFotografie,ZeichnungoderSkulptur.
GestalttherapiewirdalsEinzel-,Gruppen-,Paar-undFamilientherapieangeboten.GestalttherapeutenschlagenverschiedenespielerischeoderkreativeMethoden-auchausanderenTherapierichtungen-vor,damitdieKlientenGefühle,KonflikteoderErlebnisseinderTherapiesituationausdrücken
undvergegenwärtigenkönnen.HäufigangewandteTechnikensindz.B.:DialogmitabgelehntenPersönlichkeitsanteilen(Technikdes"leerenStuhls“)oderimaginiertenPersonen;Rollenspiel;IdentifikationmitTraumfiguren/Traumgegenständen;geleitetePhantasien;Übertreibung;Konfrontation;
38
sprachlicheUmformungen(z.B."ichwillnicht"statt"ichkannnicht").EskönnenauchVerhaltensexperimentedurchgeführtwerden,indenendieKlientenneueRolleneinübenundsichaufneueArt
erlebenkönnen.Durch„Hausaufgaben“sollenErfahrungenausderTherapieaufdenAlltagübertragenwerden.InderGestalttherapieistKreativitätundMedienvielfaltangesagt.
Psychodrama(Kurzbeschreibungs.Seite7)
DasPsychodramawurdevondemWienerPsychiaterJacobLevyMoreno(1890-1974)abden20er
JahrenaufderBasisdaskindlicheRollenspielsunddesStegreiftheatersentwickelt.Morenogiltals
BegründerderGruppenpsychotherapie.WeilMoreno1925indieUSAemigrierte,wurdedasPsychodramaerstabden50erJahreninEuropabekannt.NebenMorenosklassischemPsychodramagibtes
mittlerweileSonderformenwiez.B.tiefenpsychologischfundiertesPsychodrama.
ZielevonPsychodramatherapiesind:HeilungpsychischerundpsychosomatischerStörungen;BewusstmachenundLösenvonzwischenmenschlichenundinnerseelischenKonflikten;Steigerungvon
Aktivität,SpontaneitätundKreativität;ErweiterungdesHandlungsspielraums;FörderungvonsozialenFähigkeiten(ausführlichdargestelltaufSeite7).
DasPsychodramaistinersterLinieeingruppentherapeutischesVerfahren.EinePsychodramagruppe
bestehtmeistaus8bis12GruppenmitgliedernundzweiTherapeuten(LeiterderGruppeundAssistent).DertypischeAblaufeinerGruppensitzunggliedertsichindreiPhasen:
1.
2.
3.
DieErwärmungsphasedientderEinstimmungaufdieGruppeundderSuchenacheinemThemaoder
Problem,dasdieGruppepsychodramatischbearbeitenmöchte.
InderSpielphasewirddasThemaaufderBühnemitHilfepsychodramatischerMethodenszenischdargestellt.DiehäufigsteFormistdasProtagonistenspiel.HierbeiwirddasGruppenmitglied,dessenProblemausgewähltwurde,zurHauptperson(Protagonistin)undkannandereGruppenmitgliederalsMitspielerinnenbestimmen.DieübrigenGruppenmitgliederschauenzu.EineandereMöglichkeitist,dass
diegesamteGruppezueinembestimmtenThemaausdemStegreifspielt.
InderAbschlussphaseteilendieGruppenmitgliederderProtagonistineigeneErlebnissemit,diedem
dargestelltenThemaoderKonfliktähneln.DieMitspielerinnengebenAuskunftüberihrErlebeninden
einzelnenRollen.DanebenkönnendieimpsychodramatischenSpielsichtbargewordenenBeziehungsmusterundunbewusstenKonflikteweiterergründetwerden.
DerPsychodrama-TherapeuthatdieAufgabe,denVerlaufderSitzungzusteuern.ErhilftderGruppe
beiderAuswahlderProtagonistinoderdesThemas.InderSpielphasebegleitetundunterstützter
dieProtagonistinbeiderInszenierungihrespersönlichenProblems.AberauchdieGruppenmitglieder
übernehmenfüreinandertherapeutischeFunktionenz.B.wennsiesichbeiderTechnikdesDoppelns
indieProtagonistinhineinversetzenundinderIch-Formaussprechen,wasdieProtagonistingerade
empfindenkönnte.EineandereTechnikistdasSpiegeln,wobeieinGruppenmitgliedeinanderesin
KörperhaltungundSprachenachahmt.EsgibtvieleverschiedenepsychodramatischeTechnikenund
auchPsychodramaformen,beidenenbeispielsweiseMärchen,TräumeoderGruppenkonflikteim
Spieldargestelltwerden.
NachdentheoretischenVorstellungendesPsychodramakönnenUrsachenpsychischerStörungen
fehlendeRollen,RollenunsicherheitoderRollenkonfliktesein.InderTherapiesolldiekrankheitsverursachendeSituationimSpielvergegenwärtigtundimDetailbetrachtetwerden.SchondasnochmaligeErlebeneinerbelastendenSituationunddasAuslebenderdazugehörigenintensivenGefühle
solleneineerleichterndeundheilendeWirkunghaben(Katharsis).AufderBühnewirddieinnere
WeltderSpielerinnenkonkret,sichtbar,begreifbarunddamitauchveränderbar.ImSpielkönnenz.B.
durchRollentauschGegensätzeintegriertundneueVerhaltensmustergefundenunderprobtwerden.
DaimPsychodramadirektgehandeltwird,solldieUmsetzungvonneuenErkenntnisseninAlltags-
39
handelnerleichtertwerden.DieGruppehatzudemeinetherapeutischeWirkungdurchdasErleben
vonZusammengehörigkeit(Kohäsion),dasimgemeinsamenSpielentsteht(vgl.Wirkfaktorender
Gruppentherapie).
Hypnose(Kurzbeschreibungs.Seite8)
HypnosegehörtzudensuggestivenVerfahren.Suggestionistdie„affektiveBeeinflussungderkörperlich-seelischenGanzheitaufderGrundlageeineszwischenmenschlichenGrundphänomens:deraffektivenResonanzwirkung“.Einfachergesagt:Gefühlesteckenan.Wennjemandherzhaftlacht,lacht
man„automatisch“mit.Dieses„Mitschwingen“istdieBasishypnotischerWirkungen.DieneurobiologischeBasisdesPhänomenssinddiesog.Spiegelneurone(z.B.www.spiegelneurone.de).
Hypnotische„Aufträge“werdenimZustandderTranceerteilt,umsieauchimUnterbewusstenzu
verankern.Tranceistgekennzeichnetdurch
-
EinengungdesBewusstseins,
AusblendenderUmgebung,
engerRapportzumHypnotiseur,
starkeBeeinflussbarkeitderpsychischenundpsychophysischenProzesse,
intensivierteEmotionalität,
veränderteZeitwahrnehmung,
IntensivierungderSinneswahrnehmungundVeränderungderKörperwahrnehmung
TherapeutischeHypnosekannbeieinerVielzahlvonStörungeneingesetztwerden,z.B.bei
psychosomatischenStörungen
funktionelleMagen-undDarmbeschwerden,PsychogeneEssstörungen,ChronischeMüdigkeit,Herzangstsyndrom,Schlafstörungen,Depressionen(alsBelastungsreaktion),SpezielleHauterkrankungen(wieNeurodermitis),Burnout/Erschöpfungskrisen,Schmerzen,Tinnitus,Schwindel,,Bluthochdruck,Rheuma,Fibromyalgie,Magengeschwür,Allergien,Migräne
undpsychischenStörungen
Angststörungen,insbesonderePhobien,Zwangsstörungen,Persönlichkeitsprobleme,Süchte.
VoraussetzungisteineklareAbspracheundeinefachkundigeDurchführungsowiedieEinbettungin
eintherapeutischesSetting.HypnotischeAufträgewerdenzuvorbesprochen,siekönnensichauf
Symptomlinderung,Verhaltensänderungen,Erkenntnisgewinn,Entscheidungsfindungusw.beziehen.
ÜberErfahrungundErgebnissehypnotischerSitzungenmussgesprochenwerden.DaimZustandder
TrancedieAbwehr(imtiefenpsychologischenSinne)starkvermindertist,istderZugangzuunbewusstenInhaltenerleichtert.WennsolcheInhaltezuTagetreten,müssensieimfolgendenTherapiegesprächverarbeitetd.h.auchtherapeutischgenutztwerden.Therapeuten,diemitHypnosearbeiten,habenmeisteinetiefenpsychologischeAusbildung.
FürPatientenisteswichtig,vorherumfassendaufgeklärtzuwerden,umVorurteileundÄngstezu
beseitigen,dieleidermitdemHypnosebegriffverbundenwerden.Mankannniemandgegenseinen
Willenhypnotisieren,auchkannderHypnotiseurkeine„Macht“überdenAnderenerlangen.EntsprechendeMedienberichtesindbeigenauemHinsehenblankerUnsinn.Showhypnoseistwirklich
nurShowundwirdvonallenseriösenHypnotherapeutenabgelehnt.
InerfahrenenundseriösenHändenistdieHypnoseeinwirksamesVerfahren,welchesdenZugangzu
unbewusstenInhaltenfördertundseineStärkeinderTherapie-unterstützendenFunktionhat.
40
ErgänzendeVerfahren
NonverbaleTherapieformen
VielePsychotherapieverfahrensindanVerbalisierunggeknüpft.Wahrnehmung,Erleben,KommunikationhabenjedochauchnonverbaleAnteile,situationsabhängigoftsogarüberwiegend.Daherliegt
esnahe,nonverbaleFormendesErlebensundVerhaltenstherapeutischzunutzen.
AlsnonverbaleVerfahrenkönntemanalleTherapieformenbezeichnen,beidenendieSprachenicht
vorrangigesMitteldesErkenntnisgewinnsoderderKommunikationist.Allerdingsgliedernsichfast
alledieseTherapieformenineinennonverbalenundeinenverbalenAnteil.ImAnschlussaneine
nonverbalerlangteErfahrung(Gefühl,Evidenzerlebnisusw.)erfolgtdietherapeutischeAufarbeitung
dieserErfahrunginderRegelverbal.Diesistauchkaumanderszubewerkstelligen.Verfahren,diedie
verbaleKommunikationweitgehendaussparen,sindwenigereffektiv,inbestimmtenSituationen
(z.B.ausgelöste,starkeAffekte)sogarproblematisch.
DerVorteilnonverbalerTherapieverfahrenistdererleichterteZugangzuunbewusstenInhaltenund
Gefühlen,weil–meistkognitivstrukturierte–Abwehrmechanismenausgeschaltetwerden.EinweitererVorteilentstehtfürPatienten,derenVerbalisierungsfähigkeitbegrenztistoderdiewenig
ÜbungimVerbalisierenhaben.PatientenmitKommunikationsschwierigkeitengelingtesleichter,
diesezuüberwinden,wennsiez.B.übereinBildsprechenkönnen.
WeitereVorteilenonverbalerTherapieverfahrensinddieFreilegungvonRessourcenundEntdeckung
eigenerKreativität.VielenonverbaleVerfahrensindkörperorientiert:Körpererfahrungund–
wahrnehmungzustärkenistbeipsychosomatischenStörungenwichtigundfastnurnonverbalmöglich.
NichtfürallePatientensindnonverbaleVerfahrengeeignet.ManchelehnenausUnwissenheit,oder
weilsieBefürchtungenhaben,dieTeilnahmeab.Ausgesprochenrationalstrukturierteodergar
zwanghafteMenschensprechenaufdieVerfahrenoftgarnichtan.
NachteilenonverbalerVerfahrenentstehennurdann,wennüberdieErfahrungennichtgesprochen
wird,derPatientmitseinenErfahrungenalleingelassenwird.GefährlichsindsolcheVerfahren,wenn
heftigeAffektemobilisiertwerdenundnichtaufgefangenwerden(können).InsolchenSituationen
istesschonzuSuizidengekommen.DaheristauchfürdieseVerfahreneinequalifizierendeAusbildungnotwendig,siekönnenunddürfennichtvonLaiendurchgeführtwerden.
ImFolgendenwerdenzweiVerfahrenkurzdargestellt,Verfahren,diesichimmultimodalenBehandlungskonzeptvonPsychosomatischenKlinikengutbewährthaben.
Kunst-undKreativtherapie
„Ichkanndochnichtmalen“,wendenPatientenoftein.OftmusszunächstdasVorurteilausgeräumt
werden,esgehedarum,Kunstzuproduzieren.
BildnerischesunddarstellendesGestaltenkanndazudienen,dasUnbewussteimMenschensichtbar
werdenzulassen,umesindieeigeneBiographieintegrierenzukönnen.Dabeigehteszumeinen
darum,die(heilsame)WirkungderGestaltungsprozessezuerfahrenundzumanderen,dassichtbar
GestaltetemitdemeigenenFühlenundDenken,mitBauchundKopfzuverknüpfen.Jederkannlernen,wiedasschöpferischePotenzialfürdieLebensgestaltungundfürdasseelischeHeilgenutzt
werdenkann.
AlseineMethodederHumanistischenPsychologiebasiertdieKreativtherapieaufeinemressourcenorientiertenAnsatz,dasheißtsiewecktundfördertinnereStärkenundFähigkeitenunddieseeli41
schenSelbstheilungskräftedesMenschen.DieWurzelndieserMethodefindensichinderTiefenpsychologieundderSystemischenTherapie.SieverbindetkünstlerischemittherapeutischenMethoden.
DabeinutztsiezusätzlichzumBildoderderPlastikkörperliche,spielerische,musischeunddarstellendeMittel.
DurchdienonverbaleMethodenvielfaltsetztKreativtherapiedortan,woSpracheaufhört.Sohilft
sie,diebiographischenHintergründevonKrisenundKonfliktenzuerkennenundzubewältigen.UnbewussteswirdimGestaltensichtbarunddamitbewusstgemacht.DieSeelenlandschaftdesMenschenkannsortiert,strukturiertundneugeordnetwerden.
KreativtherapeutischeArbeitermöglichtzudemvielenMenschen,StressabzubauenundeinenAusgleichzumanstrengendenAlltagzufinden.
DurchdieEntfaltungdereigenenAusdrucksmöglichkeiten,durchdasBewusstwerdendereigenen
kreativenFähigkeiten,durchdasWachstumdesVertrauensinsichselbstundinandere,unddurch
sozialesLernenwerdenIch-Stärke,IdentitätundSelbstbewusstseingestärkt.DurchdieAufdeckung
schädigenderErfahrungenausderVergangenheit(z.B.Konflikte,Traumata,Störungen)undanschließendetherapeutischeAufarbeitunggelingtoftderentscheidendeFortschritteiner(paralleldurchgeführten)Psychotherapie.
Inpflegerischen,sozialenundpsychosozialenArbeitsfeldernwerdenzunehmendMethodenangewandt,umverloreneHandlungsfähigkeitenvonKlientenoderPatientenwiederzuaktivieren.KreativtherapeutenfindenihrenEinsatzz.B.imklinischenBereich.AuchinZusammenarbeitmitÄrzten,
PsychologenundPädagogenwerdenTherapiengeplantunddurchgeführt.Kreativtherapiekannaber
auchimSinnederPsychohygienezurPräventionderGesunderhaltungmitdemZiel,seelischeund
körperlicheGesundheitzuschützen,zukräftigenundzuerhalten,eingesetztwerden.
InderKreativtherapiestehtdasMediumalsKommunikationsformimVordergrund.Diesesvermittelt
dieEmotionen,GedankenundHandlungsweisenandenTherapeuten,woraufderTherapeutsprachlichund/oderauchimMediumeingeht.WährenddesGestaltungsprozessesundbeimNachgesprächwerdenErfahrungenoderErkenntnisse,welchediePatienteninderTherapiegemachthaben,
besprochen.
Tanztherapie
DieTanztherapiehatsichausdemAusdruckstanzentwickelt(TanzalsKörpersprache).DieWurzeln
liegenschoninden20-igerJahren.ErstspäterhatmandentänzerischenKörperausdruckmitpsychologischenKonstruktenverknüpft.HierbeidientmeistensdieTiefenpsychologiealsGrundlage.
SeelischeVerletzungenundEnttäuschungenebensowieglücklicheundbefriedigendeAugenblicke
unseresLebenssindauchinunserBewegungs-undAusdrucksrepertoireeingegangen.Erlebteskann
intanz-undausdruckstherapeutischenProzessenzwischenMenschenwiederbelebtwerden.Esspielensichnonverbale,rhythmisch-dynamischeHandlungsdialogeab.TänzeundszenischeHandlungen
werdensozuSymbolen.SieenthaltenBedeutungenundGeschichten.Diesezuerschließenistein
Zieltanz-undausdruckstherapeutischerInterventionen.Imimprovisatorischenundgestaltenden
UmgangmitBewegungenundTanzsowiemitMusikundBildernalskreativenWahrnehmungs-und
AusdrucksmöglichkeitenkönnenMenschenganzheitlicherreichtwerden.
MittelderTanz-undAusdruckstherapiesind
• TanzundkreativeGestaltungalsganzheitlichesErleben
ImimprovisatorischenundgestaltendenUmgangmitBewegungenundTanzsowiemitMusikundBildernalskreativenWahrnehmungs-undAusdrucksmöglichkeitenkönnenMenschenganzheitlicherreichtwerden.
42
•
BewegungsbeobachtungundBewegungsanalyse
DasdifferenziertediagnostischeSystemderBewegungsanalyse(durchR.v.Labanbegründetundin
denUSAvorallemdurchI.BartenieffundJ.Kestenbergweiterentwickelt)bieteteinzusätzlichesInstrumentfürDiagnoseundIntervention.
•
BiographischeundkontextbezogeneEinordnung
DieSprachezurAufarbeitungvonbewegtemMaterialistebensowichtigwieBewegungundspontaner
GefühlsausdruckimTanz.ReflektierendeGesprächeerfolgenindertiefenpsychologischenTanz-und
AusdruckstherapiemitBezugaufpsychoanalytischeGrundpositionen.
TrudiSchoop
1903inZürichgeboren
1999inKalifornienverstorben
Eineder„Mütter“dermodernen
Tanztherapie
SehenswertdieFilm-Protraits:
DieEroberungderLeereund
Komm,tanzmitmir,derTrudy
SchoopbeiderArbeitmitPatientinnenderPsychiatrieMünsterlingen
(Schweiz)zeigt
WeitereVerfahren,vorwiegendKörperorientierteVerfahren(systematischeÜbersicht)
EinigeVerfahren(Feldenkrais,Tanztherapie)wurdenausführlicherdargestellt.Diemeistenderunten
aufgeführtenVerfahrenwerdennachdenPsychotherapierichtliniennichtvondenKrankenkassen
bezahlt.
•
•
TiefenpsychologischbeeinflußtekörperorientierteVerfahren(unterEinsatzunterschiedlicherVorgehensweisen-darunterbewegungs-,atem-undberührungsorientierten),wie
o
VegetotherapienachReichundderenWeiterentwicklungSKAN(ausderSprachederLakotaIndianer:„Das,wassichbewegt«).AufGrundderzahlreichentheoretischenAnnahmenbeiderVerfahren,diedaswissenschaftlicheGerüstpsychologischfundierterVerfahrenüberschreiten,könntensowohldieVegetotherapiealsauchSKANunterdieSpirituellenVerfahreneingeordnetwerden.Wegen
ihrertiefenpsychologischenWurzelnwerdensieaberandieserStelleaufgeführt
o
BioenergetischeAnalysenachLowen
o
BiodynamiknachBoyesen
o
BiosynthesenachBoadella
o
einigeanderewenigerbekannteVerfahren,diemitdenvorgenanntenengverwandtsind,darunterBioreleaseundPsychorganischeAnalyse
o
undeinigeneueretiefenpsychologisch-körperorientierteAnsätze,wiedievonTilmanMoser
undanderen,diesichengeramklassischtiefenpsychologischenAnsatzorientieren
BewegungsorientierteVerfahren,wie
o
IntegrativeBewegungstherapie(IBT),einVerfahrenmitengenVerbindungenzurGestalttherapie-TextinVorbereitung-
o
KonzentrativeBewegungstherapie(KBT)-TextinVorbereitung-
43
o
o
o
o
o
o
•
o
o
o
o
•
o
o
o
•
o
o
FocusingnachGendlin(mitengenVerbindungenzurklientenorientiertenGesprächspsychotherapie)
Hakomi-Therapie(mitVerbindungenzurTiefenpsychologie)
EutonienachGerdaAlexander
Feldenkrais®
Tanztherapie
aberauchwenigerbekannteVerfahrenwieAlexander-Technik,BewegungsanalysenachLabanundanderemehr
AtemorientierteVerfahren,wie
AtemtherapienachMiddendorf(»DererfahrbareAtem«)
AtemtherapienachSchlaffhorst-Andersen
PsychotoniknachGlaser
PrimärtherapienachJanov(»UrschreiTherapie«):Vorsicht,Hyperventilationstechnikenkönnengefährlichsein!
BerührungsorientierteVerfahren(mitdemZiel,diemenschlichePsychezubeeinflussen),wie
Rolfing(Massage)
Akupressur
andere,meistschlechtdefinierteVerfahrenbzw.Vorgehensweisen,wiez.B.»Tiefenmassage«,»Entspannungsmassage«,»IntuitiveMassage«
AnderekörperorientierteVerfahren,wie
»Schreitherapie«nachCasriel(Bonding,NewIdentity),häufigimZusammenhangmitDrogentherapieeingesetzt
andere,meistschlechtdefinierteVerfahrenbzw.Vorgehensweisenwiez.B.»Körperarbeit«
44
Psychodiagnostik Grundlagen
Psychodiagnostik(psychologischeDiagnostik)istdefiniertalseine
„wissenschaftlicheDisziplin,derenMethodologieVerfahrenbegründet,mitderenHilfeDatenfür
EntscheidungszweckevonMerkmalsträgern,Gruppen,Institutionenusw.gewonnenwerden.“
(JägerundPetermann1999).
Einführung
PsychologischeDiagnostikistkeinSelbstzweck.SowohlinMedizinundPsychotherapiewieauchin
dersozialenArbeitsinddiagnostischeEinordnungausverschiedenenGründenwichtig.
DieFunktionenderPsychodiagnostikkönnensozusammengefasstwerden:
- Beschreibung(z.B.BeschwerdenundKlagen)
- Klassifikation(ZuordnungzueinerdiagnostischenEinheitnachverschiedenenKlassifikationssystemen,z.B.ICD-10,DSMIV,ICF)
- Erklärung(durchMerkmalsdefinitionenträgtDiagnostikzurErklärungpsychischerStörungen
bei)
- Prognose(VorhersageüberdenwahrscheinlichenVerlaufeinerStörung)
- Evaluation(Bewertungz.B.vonVersorgungsmodellenoderInterventionen)einschließlich
Qualitätssicherung
DiagnostikmussimEinzelfallimmereinklaresZielhaben.DieZielsetzungenwerdenamBeispiel
„Depression“10erläutert:
- ErfassungdesIst-Zustandes:Statusdiagnostik
LiegteineDepressionvor?
-
Veränderungsmessung:Prozessdiagnostik
VerlaufderDepressionz.B.währendBehandlung.
-
ErfassunginterindividuellerUnterschiede:normorientierteDiagnostik
VerteilungvonDepressivitätinnerhalbeinerPopulation.
BestimmungderindividuellenPositionrelativzueinemKriterium:kriteriumsorientierteDiagnostik
LiegtdasErgebnisoberhalboderunterhalbeinesSchwellenwertes?
-
-
BestimmenvonEigenschaftswertenaufgrundvonVerhaltensstichproben:Testen
TestdurchführungzurErfassungvonDepressivitätalsEigenschaft.
BestimmeneinesVerhaltensbereiches:Inventarisieren
Erfassen,obdasErgebnisz.B.innerhalbdesNormalbereichesliegt
SchätzungvonEigenschaftswerten,ausdenenBehandlungsaussagenabgeleitetwerden:DiagnostikalsMessung
MessungdesAusmaßesanDepressivitätundEntscheidungüberBehandlungsnotwendigkeit
Entscheidungs-undBehandlungsoptimierungdurchInformationsgewinnung:Diagnostikals
InformationfürundüberBehandlung
SchweregradderStörung,Behandlungskonzept,Verlaufskontrolle
10
GemessenwirddasMerkmal„Depressivität“mitdemBDI(BeckschesDepressions-Inventar).AbeinembestimmtenPunktwertwirdimZusammenhangmitdemklinischenBilddieDiagnose„Depression“bestätigt.
45
DiagnostiksolltenachMöglichkeit„multimodal“erfolgen.Diesbedeutet,stetsmehrereDatenebenen,DatenquellenundUntersuchungsverfahreneinzubeziehen.
DieDatenebenenorientierensichamganzheitlichenbio-psycho-sozialenStörungsmodell:
- Biologische(somatische,physikalische)Ebene:oftunterteiltinbiochemische,neurophysiologischeundpsychophysischeEbene;imVordergrundkörperlicheVorgänge,diephysikalisch
oderchemischerfassbarsind.
- PsychischeEbene:imVordergrundstehenindividuellesErlebenundVerhalten,ebenfallsbestimmtepsychischeoderkognitiveLeistungen.
- SozialeEbene:SchwerpunktsindgesellschaftlicheRahmenbedingungenundinterindividuelle
Systeme
- ÖkologischeEbene:beinhaltetdiemateriellenRahmenbedingungen
AlsDatenquellensollten,wennmöglich,mehrereQuellenverwendetwerden.DiesdürfteinderPraxiswegendeshohenAufwandsnichtimmermöglichsein.
Selbstbeobachtung->Selbstbeurteilung
DatenquelleistdiebefragtePersonselbst,beidereineSelbstbeobachtungzueinerSelbstbeurteilungen(z.B.bezüglichStimmung)oderSelbstregistrierungdesVerhaltens(z.B.Zigarettenkonsum)führt.
Fremdbeobachtung->Fremdbeurteilung
DatenquellensindanderePersonen(Bezugspersonen,geschulteBeurteiler[innen],Therapeut[inn]en
etc.),derenFremdbeobachtungzueinerFremdbeurteilungbzw.Verhaltensbeobachtungführt.Auch
institutionellanfallendeDaten(z.B.ZahlderKrankenhaustage)sindvonanderenPersonenfestgehaltenworden,sodasssiederFremdbeobachtungzugeordnetwerdenkönnen.
ApparativeVerfahren
DiessindVerfahrenderLeistungs-undIntelligenzdiagnostik(mittelsPapier/BleistiftoderComputer)
dieFunktions-undLeistungskennwerteerbringen,diederPatient/Klientgeneriert;.DieseDaten
basierenabernichtaufderSelbstbeobachtung,sondernstelleneineeigeneDatenquelledar.Vielfach
erfolgtheutedieErfassungdieserDatenmittelsComputerunterstützung.
ZudenapparativenVerfahrengehörenauchdiephysiologischenVerfahrenwieEEG,EKGetc
InderMedizinwerdenetwa80%derDatendurchSelbst-undFremdbeobachtungerbracht,apparativeVerfahrentragennurzu20%zurDiagnosebei.
DiagnostischerProzess
DerDiagnostischeProzesslässtsich
in4Schrittenbeschreiben:
1. Fragestellung
2. Datenerhebung
3. Diagnose
Psychodiagnostische Fragestellung
4. Konsequenz
EineklareFragestellungistdieVoPsychodiagnostische Datenerhebung z. B. Gespräche,
Beobachtungen, Tests
raussetzungeinerpräzisenDiagnostik.Diagnostiksolltegrundsätzlich
Diagnose
nurdannerfolgen,wennausdem
ErgebnisKonsequenzenabgeleitet
Beratung Behandlung Gutachten
werdenkönnen.InderPraxisist
Diagnostikentbehrlich,wennsich
keinerleiHandlungsmöglichkeiten
ergeben.
46
HinsichtlichdesdiagnostischenProzessesergebensichUnterschiedezwischenMedizin/PsychotherapieundsozialerArbeit:
Psychotherapie
Sozialarbeit
Fragestellung
PsychischeoderPsychosomatischeStörung
SozialeBeeinträchtigung
oderDefizit
BiographischeAnamnese,GeDatenerhebung spräch(Interview),Beobachtungen,Tests
PsychosozialeAnamnese,Gespräch(Interview),Beobachtungen,Tests)
Diagnose
ICD-10,DSMIV
ICF
Konsequenz
Behandlung(z.B.Psychotherapie),Medikation,Kriseninterventionusw.
Beratung,Intervention,Aktivierung,EinbezugvonInstitutionen
Klassifikationssysteme
DieKlassifikationssystemeICD-10undICFderWHOwurdenbereitsbesprochen.FürdiesozialeArbeitistdieICFalsKrankheitsfolgen-Modellmaßgebend.HierbeigehtesnichtumeineDiagnoseim
herkömmlichenSinne,sondernumdiequalitativeundquantitativeBeschreibungvongestörtenKörperfunktionenund–strukturen,EinschränkungenderAktivitätenundTeilhabesowieUmweltfaktoren.
PsychometrieundSoziometrie
DieDurchführungvonTestszur(quantitativen)MessungvonMerkmalenbzw.Eigenschaftenwird
auchPsychometrie(imBereichPsychologie/Psychotherapie)genannt.SoziometrieistdieErfassung
derBeziehungeninnerhalbeinersozialenGruppebzw.einesSystems.Dieskannbspw.dieMessung
dersozialenIntegrationsein.
DefinitioneinesTests:
•
EinTestist
einwissenschaftlichesRoutineverfahrenzurUntersuchungeinesodermehrererempirisch
abgrenzbarer(Persönlichkeits-)MerkmalemitdemZieleinermöglichstquantitativenAussageüberdenrelativenGradderindividuellenMerkmalsausprägung.
BevoreinTestangewandtwerdenkann,müsseneinigeGrundsatzfragengeklärtsein.
DiemeistenTestssindabhängigvonSprache.EsgibtzwarauchaverbaleTestverfahrenwiez.B.projektiveTests,jedochistdieTestanweisungunddieErgebnisbesprechungstetsanSprachegebunden.
47
DaheristeingewissesSprachverständnisVoraussetzungzurDurchführungvonTests.Ggf.sollteauf
muttersprachlicheTestversionenausgewichenwerden.
HäufigeFehlerquellenmüssenbekanntsein.VieleTestfragenimBereichsozialenVerhaltenswerden
ehernachsozialerErwünschtheitbeantwortet,d.h.nachgesellschaftlichenNormenundVorstellungen,alsnachindividuellemVerhalten.
FernerergibtsicheinwissenschaftstheoretischesProblem:EigentlichsolldieDatenerhebungvoraussetzungsfreisein.PsychometrischenTestverfahrenliegenjedochHypothesenundKonstruktezu
Grunde,diediesemPrinzipwidersprechen.BeispielsweisekönnenprojektiveTestverfahrennurvor
demHintergrundtiefenpsychologischerAnnahmenkonstruiertunddieErgebnisseentsprechend
interpretiertwerden.DieGefahrist,dass„manmisst,wasmanmessenmöchte“oderallgemeingesagt:manbeobachtetdas,wasmansichzubeobachtenvorgenommenhat.DieBeobachtungwird
nurregistriert,wennsiezumeinersubjektivenWelt(Theorie)passt.
FerneristdiediagnostischeSituationnichtneutral.SieistinderWeiseassymmetrisch,dasszwischenUntersucherundUntersuchtemeinGefällebesteht(Wissensdifferenz,Machtdifferenz,…),was
Ergebnisseebenfallsverfälschenkann.
AufgabenundZielevonPsychometrieundSoziometriesind:
– ErstellungeinesallgemeinenPersönlichkeitsbildes
– DifferenzialdiagnostischeFragen
– AbklärungdesAusmaßespsychischer(speziellintellektueller)BeeinträchtigungenbeihirnorganischenStörungen
– Bestimmungder(allgemeinenundspeziellen)LeistungsfähigkeitundderberuflichenEignung
– WissenschaftlicheUntersuchungen
– EinsatzimsozialenBereich
Testkonstruktion
DieKonstruktioneinesneuenTestverfahrensisteineaufwändigeAngelegenheit.Fürdiemeisten
FragestellungengibtesheuteeineausreichendeAnzahletablierterTestverfahren,sodasskaumnoch
dieNotwendigkeitbesteht,neueTestszuentwickeln.
DieTestkonstruktiongeschiehtinfolgendenSchritten–erläutertamBeispiel„Persönlichkeitstest“:
→ BestimmungdesGegenstandsbereichsundderzuerfassendenDimensionen
InwelchenDimensionensoll„Persönlichkeit“erfasstwerden,welchesPersönlichkeitsmodellwirdzu
Grundegelegt?
→ FormulierungundZusammenstellungvonAufgaben(Items)
AnzahlundArtderFragen:jedePersönlichkeitseigenschaftsolltedurchmehrereFrageabgedeckt
werden
→ GewinnungeinerAnalysestichprobe
TestdurchführungmiteinergrößerenAnzahlFreiwilligerohnePersönlichkeitsauffälligkeiten,ggf.mit
anderenStichproben(störungsspezifischeStichproben,altersspezifischeStichprobenusw.)
→ SkalenkonstruktionmittelsFaktorenanalyseund/oderItemanalyse(Skalenfestlegungund-
zusammensetzungaufgrundderFaktorenundLadungenund/oderÜberprüfungderSkalen
mittelsSchwierigkeit,Trennschärfe,Konsistenzusw.)
StatistischeVerfahrenzurFestlegung,welcheFragenineinerSkalazusammengefasstwerden;eine
SkalarepräsentierteineEigenschaftwiez.B.„Neurotizismus“.Skalenüberlappensichoftundtrennen
verschiedeneEigenschaftennichtvollständig(begrenzteTrennschärfe,Skalenkontamination).
48
→ BerechnungderGütekriterien(Objektivität,Reliabilität,Validität)
AnwendungstatistischerPrüfverfahrenevtl.unterAbgleichmitbereitsetabliertenTests.Einzelheiten
zudenGütekriteriens.u.
→ DurchführungvonValidierungsstudien
DurchführunggrößererTestreihenundVergleichderErgebnissemitbereitsvalidiertenVerfahren
→ Testnormierung
AusGründenderVergleichbarkeitwerdenTestergebnissemeistalsWerteaufNormskalenwidergegeben.Beispiel:C-Skala(hierwirdderBereichmöglicherErgebnissein10gleicheSchritteaufgeteilt;
wennSkalaAPunktwertevon1bis60enthaltenkann,dannentsprächederC-Wertvon5einenWert
von30;wennSkalaBPunktwertevon1bis30enthaltenkann,dannentsprächederC-Wertvon5einenWertvon15.TrotzunterschiedlicherPunktwerte(sog.Rohwerte)lassensichdurchNormierung
dieSkalenmiteinandervergleichen.
FürmancheTestshatmaneigeneSkaleneingeführt(z.B.dieIQ-SkalabeidenIntelligenztests).Ein
VergleichverschiedenerNormskalenzeigtdiefolgendeAbbildung:
Spezielle Testkonstruktion am Beispiel Skalenkonstruktion:
Klinische Grenze
C-Skala
IQ-Skala
T-Werte
Testergebnissesollten
einerNormalverteilung
(„Glockenkurve“)folgen
mitdemMaximuminder
MittederSkala.
DerNormalbereichistin
derRegelder2S-Bereich
(doppelteBreitederStandardabweichung).Die
klinischeGrenze(z.B.auffälligeMinderbegabung)
liegtmeistdarunter.
Prozentrang
Testformen
DieEinteilungderTestverfahrenkannnachunterschiedlichenKriterienerfolgen.FolgendeEinteilung
wirdvorgeschlagen:
PsychometrischeTests
- Fähigkeitstests(Erfassungz.B.vonIntelligenz,Entwicklung,Schule/Ausbildung,spezielle
FunktionenundFähigkeiten).Beispiel:WAWIE–Hamburg-WechslerIntelligenztestfürErwachsene
- Persönlichkeitstests(Persönlichkeitsmerkmale,-interessen,-störungen),Beispiel:FPI-FreiburgerPersönlichkeitsinventar.
- KlinischeTests(auchsyndromaleoderstörungsspezifischeTests)beziehensichimmeraufdie
Erfassungpathologischer(krankhafterbzw.gestörter)AusprägungenvonMerkmalen.Inder
RegelgehtesumdieErfassungderArtunddesAusmaßesvonBeschwerdenundderenZuordnungzueinemStörungsbild.Beispiel:DepressionsinventarnachBECK.
ProjektiveTests
49
-
Formdeuteverfahren(z.B.Rohrschach-Test:„Tintenklekse“)
ThematischeApperzeptionsvertahren(z.B.TAT–thematischerApperzeptionstest:Geschichtenassoziieren)
Wortassoziations-undverbaleErgänzungsverfahren(z.B.MWT–MehrfachwahlWortschatztestzurErfassungderprämorbidenverbalenIntelligenz)
ZeichnerischeundspielerischeGestaltungsverfahren(z.B.Wartegg-Zeichentest:erfasstPersönlichkeitsdimensionen,welchefürdieBerufs-undLaufbahnberatung,Erziehungsberatung
sowiefürdieLebensberatungrelevantsind)
Gütekriterien
FürdieprofessionelleAnwendungmüssendiesog.Gütekriterienerfülltsein.Dieskannmanauchals
Qualitätssicherungverstehen.ManunterscheidetHaupt-undNebengütekriterien:
• Hauptgütekriterien
o Objektivität,
o Reliabilität,
o Validität
• Nebengütekriterien
o Nützlichkeit(Novität?NeueAussagenmöglich?)
o Vergleichbarkeit(vergleichbarguteErgebnisse?)
o Ökonomie(Zeit-undRaumbedarf,Ressourcenverbrauch?)
o Normierung(GrößederEichstichprobe,Populationen?)
o weitereKriterien(Zumutbarkeit,Verständlichkeit,Bandbreite,Akzeptanz)
DieHauptgütekriterienmüssendurchdieTestautorenmitgeteiltwerden.FehlenAngabendarüber,
sollteeinTestnichtangewandtwerden.
Objektivität
UnterObjektivitätverstehtmandenGrad,indemdieErgebnisseeinerBeobachtungunabhängigvom
Beobachtersind.
DiePrüfungderObjektivitäterfolgtmittelsstandardisierteTestdurchführungundAuswertungunter
verschiedenstenRahmenbedingungen.DieErgebnissesolltevondiesenBedingungennichtabhängen.EswerdendreiArtenvonObjektivitätunterschieden:
Durchführungsobjektivität(EinheitlichkeitderInstruktionunddersituativenBedingungen,Ausschluss
systematischeroderzufälligerEinflüssedesBeobachtersoderVersuchsleitersaufdieVersuchspersonen)
Auswertungsobjektivität(StandardisierungderAntwortmöglichkeiten,AntwortalternativenvorgegebenoderfreieAntwortenvorgesehen)
Interpretationsobjektivität(inwieweitkönnenausgleichenAuswertungsergebnissenauchgleiche
Schlussfolgerungengezogenwerden.Hilfreichsindz.B.Normtabellen)
Reliabilität(Zuverlässigkeit,Genauigkeit)
UnterReliabilitätverstehtmandasAusmaß,indemeinMessverfahrendas,wasesmisst,genaumisst
(d.h.MessfehlerfreiheitodergeringeMessfehlerbehaftetheit)
DieReliabilitätkannentwederdurchAbgleichmiteinembereitsetabliertenVerfahren(„Goldstandard“)gemessenwerdenoderdurchandereMethoden.Manunterscheidet:
Retest-Reliabilität(Testwiederholungsmethode:derTestwirdnacheinerbestimmtenZeitandenselbenProbandenwiederholt.DieErgebnissesolltenmöglichstgleichsein.)
50
Paralleltest-Reliabilität(Paralleltestmethode:zweiinhaltsgleiche(parallele)TestswerdenandenselbenProbandenunmittelbarnacheinanderodermitgrößeremZeitintervalldurchgeführt.)
Split-half-Reliabilität(Testhalbierungsmethode:eswerdenkünstlichnachderTestdurchführung
durchTesthalbierungzweiParalleltestsauseinemTesthergestellt,derenErgebnissekorreliertwerden.)
InterneKonsistenz(WertungallerItemsalsParalleltests,nurmöglichbeisog.homogenenTests,d.h.
Tests,diedasgleicheMerkmalerfassen.)
Validität(Gültigkeit)
UnterValiditätverstehtmandenGradderGenauigkeitmitdemdieserTestdasjenigePersönlichkeitsmerkmaloderdiejenigeVerhaltensweise,das(die)ermessensolloderzumessenvorgibt,tatsächlichmisst.
DieValiditätkannmitdenuntenaufgeführtenMethodenbestimmtwerden.SieistalsGütekriterium
amschwierigstenzuermitteln,kannmanchmalnurdurch„Expertenmeinungen“abgeschätztwerden.
Esgibtdie:
Kriteriums-Validität(PrädiktiveundkonkurrenteValidität=Vorhersage-undÜbereinstimmungsvalidität)
Inhaltsvalidität(TestaufgabensolltenfürdaszuuntersuchendeMerkmalrepräsentativsein;auchmussdie
StichproberepräsentativfürdeninteressierendenVerhaltensbereichsein.)
Konstruktvalidität(beziehtsichaufdenSchlussvoneinemTestaufeintheoretischesKonstrukt,dasnichtdirekt
beobachtbarist.D.h.dasTestergebnisoderdasVerhaltendesProbandenmussdenVorhersagendesKonstruktsentsprechen.)
TestssindmeistnurunterbestimmtenBedingungenvalide.Beispiel:BeimVorliegeneinerDepressionwirdein
KonzentrationstesteherdieAntriebshemmungalsSymptomderDepressionerfassen,alsdasKonzentrationsvermögen.
DieErgebnissederBerechnungderGütekriterienwerdenalsKorrelationskoeffizientenrangegeben.
DieKoeffizientensind
EinidealerTestmusseine
r0=Objektivität
perfekteObjektivität(rO=1,0),eine
rR=Reliabilität
sehrgroßeReliabilität(rR=0,7–0,95)undeine
rV=Validität
möglichsthoheValidität(rV=0,3–0,65)
Esgilt:
haben.
r0>rR>rV
DieGütekriterienunterliegeneinerHierarchie:DieValiditätistamgeringsten,dieReliabilitätliegt
etwashöher,amhöchstenistdieObjektivität.Andersausgedrückt:wenndieObjektivitäteinesTest
bereitseingeschränktist,fallendieweiterenKriteriennochschlechteraus.
Testdurchführung
FürdieDurchführungvonTestswirdfolgendeChecklisteempfohlen:
1. VorbereitendesGespräch:KlärungdesAuftrags,gegenseitigesKennenlernen,AbbauunrealistischerErwartungenundÄngste
2. PlanungderTestuntersuchung
3. ErhebungderAnamnese
4. InstallationdesTestverhaltens:
a. StandardisierungdesTestmaterials,derInstruktionundderDarbietung
51
5.
6.
7.
8.
b. MöglicheStörfaktoren:sprachlicheProbleme,äußereStörfaktoren,innerpsychische
undsomatischeBedingungen,vorangegangeneTätigkeiten,Motivation,absichtliche
VerfälschungderTestreaktionen,Testangst,Testtraining,(soziale)BeziehungzwischenUntersucherundProband
RegistrierungdesTestverhaltens:ProblemederFixierungdesrelevantenVerhaltens
Auswertung:BestimmungvonKennwerten,Signierung,VergleichderindividuellenTestreaktionenmitNormwerten
InterpretationundUrteilsbildung:diagnostischeSchlussfolgerungenausdemaufbereiteten
Datenmaterial
Beratung:MitteilungderwichtigstenErgebnisseundBeantwortungdergestelltenFragen
DiagnostischeVerfahren
Selbstbeurteilung
SelbstbeurteilungsverfahrenwerdenmitverschiedenenZielsetzungendurchgeführt.FolgendeZiele
undCharakteristikaseienbeispielhaftgenannt:
• Selbstbeobachtung:
DieSelbstbeurteilungvonMerkmalenoderVerhaltengliedertsichinobjektiveAnteileundin
subjektiveAnteile.SelbstbeobachtungbeziehtsichaufdieobjektivierbareVerhaltensanteile
(z.B.AnzahlderZigaretten,Schmerztabletten,usw.)
• Selbstbeschreibung:
ErfassungvonsubjektivenVerhaltensweisenoderEindrückenwiez.B.Befindlichkeitoder(spezielle)Beschwerden.SoergibtbeispielsweisedieFührungeinesSchmerztagebuchskeinenobjektiven„Schmerzwert“,jedocheinengutenEindruckvomsubjektivenSchmerzgeschehen.
• Erfassungvon„State“und„Trait“-Merkmalen:
State:Merkmale,diesichspontanoderunterdemEinflussvonInterventionenändern(z.B.
[Schweregradvon]Depressivität),alsoder(aktuelle)Status;
Trait:zeitstabileMerkmale(z.B.Persönlichkeitseigenschaften),alsofesteGewohnheiten,VorliebenoderAbneigungen.
• Ein-oderMehrdimensionalitätvonSelbstbeurteilungsverfahren:
Eindimensional:z.B.BECKschesDepressionsinventar(BDI)
Mehrdimensional:z.B.Symptom-Check-Liste(SCL-90)
• SelektionvonPatienten(Screening)
SelbstbeurteilungsverfahreneigenensichzumScreening,d.h.zurschnellenUnterscheidungin
auffälligeundnichtauffälligeMerkmalebzw.Verhaltensweisen
• Therapieentscheidungund–Evaluation
ErgebnissevonSelbstbeurteilungsverfahrensolltenniealleineineTherapieentscheidungbegründen,sindjedochwichtigeHilfsmittel.VerlaufsuntersuchungenzurBeurteilungdesBehandlungserfolgssindeinewichtigeAnwendung,dasieeinenVergleichmitdemAusgangswert(ErgebnisvorBeginnderTherapie)ermöglichen.
EsergebensichmehrereVorteilevonSelbstbeurteilungsverfahren:
HäufigsindklinischrelevanteInformationen(z.B.StimmungenoderBefindlichkeiten)amleichtestenodersogarausschließlichdurchSelbsteinschätzungzuerheben,dieVerfahrenkönnenoftmit
hoherÖkonomiedurchgeführtwerden(z.B.geringerZeitbedarf),siesindkurzfristigwiederholbar
(z.B.beiErfassungvonState-Merkmalen),sieermöglichendaherZeitreihenanalysen,siebesitzen
52
einehoheDurchführungs-undAuswertungsobjektivität.DiegebräuchlichstenVerfahrensindteststatistischgutabgesichertundesexistierenNormwerte.
DenVorteilenstehenNachteiledieserVerfahrengegenüber:
DieSkalenkonstruktionistoftnichteinheitlich.BeispielsweisekanneineSkala„Depressivität“entwedernurseelischeMerkmaleenthalten(wiegedrückteStimmungoderFreudlosigkeit),oderauch
körperlicheundkognitiveMerkmale(wiemotorischeAntriebshemmung,körperlicheSymptome,
Grübelneigung).DieFrageistalso,wasindasSkalenkonstruktjeweilsmiteingeht.
BeidenGütekriterienistdieObjektivitätmeistgut,jedochReliabilitätundValiditätteilweisemangelhaft.DiesliegtinderNaturderSache:subjektivesEmpfindenlässtsichnurunscharferfassen.
FernersinddieErgebnissehäufigabhängigvomStörungsgrad;beihöhergradigenStörungensind
dieErgebnisseoftnichtmehrverwertbar,dieTestssinddahernurfürgeringebismittlereStörungsgradegeeignet.FernersindFehlerquellenhäufigerz.B.durchSelbsttäuschung,Erinnerungs/Gedächtnisfehler,Simulation/Dissimulation,Bagatellisierung,sozialeErwünschtheitu.a.
Fremdbeurteilung
FremdbeurteilungsverfahrenhabeneinenhöherenGradanObjektivität,siestellenimmereineeigeneInformationsquelledar.Vorallemdann,wennSelbstauskünftenichtmöglich,unzureichendoder
verfälschtsind,istdieFremdbeurteilungentscheidend.DiesgiltauchimFalleeinerverweigerten
Selbstauskunft.BeigravierendenStörungenwiez.B.SchizophrenieoderDemenzsindSelbstauskünftegarnichtmehrmöglich.
EinweiteresCharakteristikumist,dassdieseVerfahrenhinsichtlichihrerQualitätüberprüfbarsind.
WennmehrereInterviewerdiegleicheBefragungdurchführen,könnendieErgebnisseverglichen
werden.LiegendieErgebnisseengbeisammen,istdieReliabilität(Genauigkeit)desVerfahrenshoch.
DiesespezielleFormderReliabilitätnenntmanInterrater-Reliabilität(ein„Rater“istimEnglischen
einePerson,die[qualitativeund/oderquantitative]Einschätzungenvornimmt).Fernersind„Rater“
trainierbarfüreinespezielleAnwendung.SomitkanndieQualitätdesVerfahrensverbessertwerden.
EinweitererVorteilist,dassVerhaltensbeobachtungalsTeilderFremdbeurteilungoftparallelzu
einemanderenVerfahrenerfolgenkann.Sokannz.B.währendeinesdiagnostischenInterviews
gleichzeitigeineVerhaltensbeobachtungerfolgen.DiesefokussiertsichdannbesondersaufdienichtverbalenVerhaltenscharakteristika.
DerNachteilvonFremdbeurteilungsverfahrenistderhoheAufwandsowohlwasdasTrainingder
AnwenderalsauchdenZeitbedarfbetrifft.DahersinddieseVerfahrenseltenalsScreeningeinsetzbar.
ImVergleichvonSelbst-undFremdbeurteilungsverfahrenlässtsichfeststellen:
• dieÜbereinstimmung(Korrelation)istnichtsehrhoch,wirdimVerlauf(einerBehandlung)besser(durchTrainingderAnwenderundKorrektursubjektiverFehleinschätzungen)
• UrteilsfehlersindbeiSelbstbeurteilungenhäufiger
• SelbstbeurteilungenergebenehereinglobalesBilddesZustandes
• SelbstbeurteilungsverfahrensindzeitökonomischzurglobalenErfassungvonPersonenbesondersgeeignet,diegeringbeeinträchtigterscheinen(Screening)
53
•
•
FremdbeurteilungsverfahrensindauchbeischwererenStörungsgradeneinsetzbar,erfassen
spezifischeAspektevonBeeinträchtigungen,sindänderungssensitiver11,aberauchzeitintensiver
undbedürfeneinerAusbildung(Training)desAnwenders
beideVerfahrenkönnensichnichtersetzen,sondernnurergänzen,weilnichtalleBereichebeidenDatenquellengleichermaßenzugänglichsind.
Interviews
DefinitioneinesInterviews:
EinInterviewisteinezielgerichtetemündliche
Kommunikationzwischeneinemoder
mehrerenBefragernundeinemoder
mehrerenBefragten,wobeieineInformationssammlungüberdasVerhaltenund
ErlebenderzubefragendenPerson(en)im
Vordergrundsteht.
(Kessler1999)
ZielsetzungenvonInterviews:
• KlassifikatorischeDiagnostik(ICD-10,ICF)
• QuantifizierungdesSchweregrads(z.B.
Depressivität)
• Erfassung(sozialer)Konstrukte(z.B.sozialeAnpassung,sozialeNetzwerkeund
Unterstützung,ErfassungvonbelastendenLebensereignissenundsozialenInteraktionsstrukturen)
InterviewskönneninverschiedenenFormendurchgeführtwerden:
• Klinischesbzw.freiesInterview
HierhandeltessichumeinfreigestaltetesGespräch,dasjedochmitkonkreterZielsetzung
durchgeführtwird.DerAblaufdesGesprächswirdvomInterviewerindividuellfestgelegt.Die
Auswertungistnichtstandardisiert.
• HalbstrukturiertesInterview
DieFragenwerdenvorgegeben,dieReihenfolgeistjedochvariabel.NachEinschätzungdesInterviewerssindZusatzfragen,ErgänzungenundErläuterungenmöglich.DieAuswertungistnicht
festgelegt.
• StrukturiertesInterview
AlleFragenundderAblaufsindgenauvorgegeben,dieAuswertungerfolgtnacheinemgenau
festgelegtenSchema.
• StandardisiertesInterview
BeidieserInterviewformistdergesamteProzessfestgelegt,alsoDurchführung,Fragenund
AuswertungeinschließlichderKodierungderAntworten.
BevorInterviewserfolgen,müssenbestimmteProblembereichegeprüftundgeklärtwerden,soz.B.
o seitensderBefragten
- VerstehenderFrage:scheinbareinfacheFragenkönnenunterbestimmtenBedingungenvölligmissverstandenwerden(SprachlichesVerständnis,FormulierungderFragen)
- AbrufrelevanterInformationen:inderInterviewsituationneigenBefragtebeiderBeantwortungzuSchätzstrategienanstelleeinergenauenErinnerungsstrategie
- BerichtenderAntwort:Verfälschungstendenzenz.B.beiFragenzusozialunerwünschten
Verhaltensweisen
o seitensdesBefragungsinstruments
- z.B.beeinflusstdieAuswahlundPräsentationsreihenfolgederAntwortvorgabendieAntworten(fallsmöglich,unangenehmeFrageneherimzweitenTeildesInterviewsstellen)
11
GenauereundfeinereErfassungvonVeränderungen
54
seitensdesInterviewers
- DasInterviewisteinesozialeSituationzwischenInterviewerundBefragtem;dieAntworten
sinddaherabhängigvonderWahrnehmungdesjeweilsAnderen,denErwartungenundEinstellungensowiesozialenMerkmalen(Alter,Geschlecht)undauchderaktuelleneigenen
Stimmung;AntwortenvonsympathischenMenschenwerdenpositiverinterpretiertundvice
versa,AntwortenvonMännernwerdenvonFrauenandersgewertetalsvonmännlichenInterviewernusw.
DasklinischeInterviewhatsichausdemfreienGesprächentwickelt,welchestraditionelldieeinfachsteArtderInformationsgewinnungist.ImUnterschiedzumfreienGesprächistjedocheinklar
definiertesZielvorgegeben,aufdasdieFragenzugeschnittenwerden.HierbeisolltendieHinweise
zurFragetechnikbeachtetwerden:
–
MischungoffenerundgeschlossenerFragen
geschlosseneFrage:(wenige)Antwortkategorienwerdenvorgegeben(z.B.„ja“oder„nein“)
–
zuBeginnallgemeine,erstimVerlaufspezielleFragen
–
Suggestivfragenvermeiden(eineSuggestivfrageimpliziertdieAntwortentsprechendder
ErwartungdesInterviewers)
WennsichSuggestivfragennichtvermeidenlassen,sollteimmereineAlternativeeröffnetwerden(s.u.).
–
nureineFragestellungproFrage
–
evtl.alternativeAntwortmöglichkeiteneröffnen(„...oderwaresvielleichtganzanders?“
oder„mankanndassicherauchanderssehen“usw.)
–
keinerleiinhaltlicheBewertungderAntworten
ObwohlAbfolgederFragenunddiekonkretenFragennichtvorgegebenwerden,hatessichdoch
bewährt,Checklisten“zuerstellen,damitkeineInhaltevergessenwerden.
DasklinischeoderfreieInterviewwirdhäufigindersozialenArbeitangewandt.Eswirdausdrücklich
empfohlen,hierbeimitChecklistenzuarbeiten.SolcheListenkönnenselbsterstelltwerden,liegen
aberfürdiemeistenZielsetzungenindereinenoderanderenFormvor.ImklinischenInterviewgibt
esFehlerquellen,diebeachtetwerdenmüssen.
• FehlerquelleInformationsvarianz:
VerwendungunterschiedlicherFragetechnikenergibtunterschiedlicheErgebnisse
• FehlerquelleInterpretations-oderBeobachtungsvarianz:
o
dieselbeAntwortwirdvonunterschiedlichenInterviewernunterschiedlichinterpretiert.
HalbstrukturiertesInterview
DieseInterviewformeignetsichgutfürdenklinischenAlltag.MeistexistierenInterviewleitfädenund
Fragesammlungen,wasvorallemBerufsanfängerndasFühreneinesInterviewserleichtert.
AlsErgebnisderAnwendungkommteszueinerVereinheitlichungderDiagnostik,fernerkanndie
SchweregradbestimmungeinerStörungsoerfolgen.DieDurchführungistetwasaufwändiger,jedoch
isteineeffizienteArtderDurchführungtrainierbar.
IndersozialenArbeitwerdenhalbstrukturierteInterviewsebenfallsangewandt.Essollteimmerein
Interviewleitfadenvorliegen.
StrukturiertesInterview
DergesamtediagnostischeProzesswirdformalisiertundineinerArt„Kochbuch“dokumentiert.Eine
derartigeAnleitungwirdManualgenannt.DieAnwendungsolcherManualeerfordertFachkenntnisseundTraining.AufGrunddeseinheitlichenVorgehenswirdeineguteInterrater-Reliabilitäterreicht.
StandardisiertesInterview
55
FormalisierungdesgesamtendiagnostischenProzesses:nichtnurdaseigentlichInterviewistmanualisiert,standardisiertwerdenauchRahmenbedingungen,Auswertung,Interpretationund(Vorschläge
für)Konsequenzen,d.h.SchlussfolgerungenfürweiteresHandeln.
StrukturierteundstandardisierteInterviewskommenimRahmenderSozialarbeitinEinzelfällenin
Frage,sindzeitaufwändigundtrainingsintensiv,eignensichmehrzurklinischenDiagnostik.VerhaltensbeobachtungwährenddesInterviewsistsinnvollnurmöglichbeimklinischenInterviewoder
halbstrukturiertenInterview
Verhaltensbeobachtung
Verhaltenwird–fürdiagnostischeZwecke-meistunterteiltinverbalesundnonverbalesVerhalten.
EineVerhaltensbeobachtungistinallenpsychosozialenFächerneinwichtigesElementdesErkenntnisgewinns.ImRahmendersozialenArbeitwerdenreineVerhaltensbeobachtungenseltendurchgeführt,vielmehrwirddasVerhaltenwährendeinesGesprächs(meistfreiesoderhalbstrukturiertes
Interview)beobachtet.Diese„Parallelbeobachtung“desVerhaltensbeziehtsichdannaufdennonverbalenAnteil.
DasnonverbalenVerhaltenkannwiederumineinenstimm-undsprechabhängigenAnteil(vokaler
Teil)undeinendavonunabhängigenAnteil(nonvokalerTeil)unterschiedenwerden.
o Vokal(stimm-undsprechabhängig)
– zeitabhängig(z.B.Sprechdauer)
– stimmabhängig(z.B.Stimmqualität)
– kontinuitätsabhängig(z.B.Versprecher)
o Nonvokal(stimm-undsprechunabhängig)
– motorisch(Mimik,Gestik,Blickkontakt,KörperbewegungundKörperhaltung)
– physiochemisch(olfaktorisch/gustatorisch,taktil,thermal)
– ökologisch(Territorialverhalten,interpersonaleDistanz,Sitzverteilung/Möbelarrangement,persönlicheAufmachungwieKleidung,Haare,Make-up
usw.
DieBeobachtungkonzentriertsichimGesprächhäufigaufMimik/BlickverhaltenundaufGestik/
Körpermotorik.ZunächsteinigeGrundsätzezurBeurteilungvonMimikundBlickverhalten:
- DiagnostischeRückschlüssekönnennichtaufGrundeinerbestimmtenMimik/Blickverhalten
gezogenwerden.
- DiemimischeGrundaktivitätistindividuellsehrunterschiedlich.
- DiagnostischverwertbaristeineVeränderungderMimikbzw.desVerhaltensbeieinundderselbenPerson.
- EsgibtkeinespezifischeMimikbezogenaufeinzelneStörungsbilder;z.B.kommtBlickvermeidungbeischizophrenenStörungenhäufigervoralsbeiNormalpersonen,derUmkehrschlussist
jedochnichterlaubt.GleichesgiltfürdiespärlicheMimikbeiDepression.
- DiemimischeAbbildungstarkerEmotionenistkultur-undpersonenunabhängig,z.B.istderGesichtsausdruckstarkerTraueraufderganzenWeltderGleiche!
DieBeurteilungvonGestikundKörpermotorikistwesentlichschwieriger;esexistierenkeinevaliden
SystemebezüglichdiagnostischerAussagen.ImFolgendeneinkurzerÜberblicküberErfassungssystemeundEinteilung:
- DieErfassungerfolgtdurchqualitativeBeobachtungoderquantitativeMessung
- GestenkönnenmitderSprachezusammenhängenoderauchnicht:
56
o SprachbegleitendeGesten:kommunikativeGesten,objekt-orientierteGesten,zentrifugale
Gesten,Illustratoren(sprachunterstützendeGestik)undRegulatoren(Interaktionssteuerungz.B.Sprecher-Zuhörer-Wechsel).
o SprachunabhängigeGesten:autistischeGesten,körperorientierteGesten,zentripedaleGesten,Adaptoren,(Selbst-)Manipulatoren,Embleme(Gestenmiteindeutiger,umschriebener
Bedeutung).
- SystemezurErfassungdergesamtenKörpermotorikregistrierendieBewegungeneinzelnerKörperpartieninallen3RichtungendesRaumes
- DiediagnostischeBedeutungdieserSystemeistumstritten.
DienonverbaleabervokaleKommunikationisteinwichtigesBeobachtungselement.BeachtetwerdensollteSprechdauer,Sprechgeschwindigkeit,Sprechpausen,Latenzzeiten,Versprecher,Einschübe
(„gefülltePausen“),Stimmhöhe(Grundfrequenz),Stimmqualität(Frequenzspektrum,Energieverteilung).BeispielsweisesprechendepressiveMenschenweniger,langsamer,machenmehrPausenund
habeneinehöhereGrundfrequenz.Diagnostischistdiesjedochnurverwertbar,wennderselbe
MenschzuvoreineandereSprechweisehatte.
GrundsätzederInteraktionsdiagnostik
DiediagnostischeErfassungvonSystemenistindersozialenArbeitbesonderswichtig.Systemein
diesemZusammenhangsindsozialeGruppenz.B.Familien,Wohngruppen,Jugendlichengruppen
usw.IndiesemAbschnittdiesog.InteraktionsdiagnostikamBeispielderPaar-undFamilientherapie
erläutert.
GrundsätzlichgehtesumdieErfassungvonMerkmalenzwischenmenschlicherBeziehungeninnerhalbeinesBeziehungsgeflechts.HierbeikönnenDatenimSinnevonSelbst-undFremdbeurteilung,
alsauchdurchBefragungdritterPersonengewonnenwerden(z.B.InterviewvonweiterenAngehörigen).InteraktionelleDiagnostikkonzentriertsichmeistaufdreiMerkmalsbereiche:
1.InterpersonelleMerkmale(„kognitiv-emotionale“RepräsentanzenvonInteraktionsmusternund
interneBeziehungen)
Interaktionsdiagnostik bei Familien und Paaren
EinordnunginterpersonellerVerhaltensweiseneiner
PersonimSystem:
liebevoll
feindselig
dominant
unterwürfig
DerersteGrundsatzbesagt,
dassalleinterpersonellen
VerhaltensweiseneinerPersonentlangvonzweiHauptachseneineszweidimensionalenRaumesbeschreibbar
sind:DieeineDimension(der
ZuneigungundFürsorge)
reichtvonfeindseligembis
zufreundlichemoderliebevollemVerhalten,diezweite
Dimension(Macht,Kontrolle,
Dominanz)reichtvonunterwürfigembiszudominantem
Verhalten.
57
2.InteraktionelleMerkmaleineinersozialenSituationoderHandlungsepisode(InteraktionseigenartenundBeziehungsmuster)
3.InterpersonelleEigenschafteneinerPerson(z.B.Dominanz,dependenter(abhängiger)Interaktionsstil,querulatorischesVerhaltenu.a.
DerzweiteGrundsatzbesagt,dasszweimiteinanderinteragierendePersonenihrVerhaltengegenseitigbeeinflussen.DiesesPrinzipträgtdazubei,dassdieHandlungeneinerPersonspezifischeReaktionenbeianderenPersonenherausfordernoderhervorrufen.GewöhnlichbestehteineKomplementarität.Damitistgemeint,dasssichdieHandlungsmusterähnlichsindimHinblickaufdieZuneigungsdimension(freundlich-feindselig)undreziprokimHinblickaufdieKontrolldimension(dominant-unterwürfig).MitanderenWorten:Zuneigung,FürsorgeundLieberufenGleichartigesbei
AnderenimSystemhervor,VerhalteninderDimensionMacht,Kontrolle,DominanzGegenteiliges:
werunterwürfigdaherkommt,fördertdominantesVerhaltenderAnderen–undumgekehrt.
InBezugaufFamilien(auchinsozialenGruppen)solltendiagnostischeErkenntnissefürfolgende
Bereichegewonnenwerden(DimensioneninderFamiliendiagnostik):
-
Zusammenhalt(Kohäsion)
Offenheit
Konfliktneigung
Selbstständigkeit
Leistungsorientierung
KulturelleOrientierung
AktiveFreizeitgestaltung
ReligiöseOrientierung
Kontrolle
EineBesonderheiteninderPaardiagnostikistdieParallelitätvonEigen-undFremdbeurteilung:Im
GesprächerhältmanüberwiegendSelbstbeurteilungenderBeteiligten.WeildieseSelbstbeurteilungenjedochauchAussagenüberdenPartnerenthalten,sindsiegleichzeitigFremdbeurteilungen.Als
Interviewermussmandaher„zweigleisig“denken.
AlsdiagnostischesVorgehenkanndieInduktionvonInteraktionenundKonfliktgesprächengewählt
werden,umoffenzulegen,wiediespezifischePaardynamiksichdarstellt.DieseVorgehensweiseist
gleichzeitigofteinetherapeutische(Probe-)Intervention.
Leistungsdiagnostik
LeistungsdiagnostikerfasstdieBereichIntelligenz,AufmerksamkeitundKonzentrationsowieGedächtnis.GelegentlichkommteszuÜberschneidungenmitPersönlichkeitsdiagnostik,diejedoch
abgegrenztwerdensollte.BeiderPersönlichkeitsdiagnostikgehtesumdiecharakterlichen,motivationalenundemotionalenVerhaltensdispositionen.
Intelligenztestssindweitverbreitet.Wieobendargestellt,sindTestsnichtvoraussetzungsfrei,d.h.
dieErgebnissehängendavonab,wasmanunterIntelligenzsubsumiert.
IndenGrundlagenfürzweiderbekanntestenIntelligenztestsimDeutschenSprachraumwirdIntelligenznämlichganzunterschiedlichdefiniert:
ImHAWIEbzw.HAWIK(Hamburg-Wechsler-Intelligenztest,EfürErwachsene,KfürKinder)lautetdie
ursprünglicheDefinition:
„IntelligenzisteinhypothetischesKonstrukt.SieistdiezusammengesetzteoderglobaleFähigkeitdesIndividuumszielgerichtetzuhandeln,rationalzudenkenundsichwirkungsvollmitseinerUmweltauseinanderzusetzen.Sieistzusammengesetztoderglobal,weilsieausElementen
oderFähigkeitenbesteht,die,obwohlnichtvölligunabhängig,qualitativunterscheidbarsind“
58
(DavidWechsler)
ImIST-70(Intelligenz-Struktur-Test)findetsicheineandereDefinition:
Intelligenzisteine„strukturierteGanzheitvonseelisch-geistigenFähigkeiten,dieinLeistungen
wirksamwerdenunddenMenschen´befähigen,alsHandelnderinseinerWeltbestehenzukönnen.“(Amthauer1973)
AufbaudesHAWIE:
Verbalteil
AllgemeinesWissen:24FragenmitansteigenderSchwierigkeit.DerTestwirdabgebrochen,wennder
Proband5aufeinanderfolgendeAufgabennichtoderfalschbeantwortethat.
Zahlennachsprechen:7Ziffernreihen,derenZiffernzahlumjeeineansteigt.IneinemzweitenDurchgang
sollenZiffernreiheninumgekehrterReihenfolgenachgesprochenwerden.VersagtderProband2malbei
derselbenZiffernreihewirdderTestteilabgebrochen.
Wortschatztest:32WörtermitansteigenderSchwierigkeitsindnacheinanderzuerläutern,dieBedeutung
derWörterzuerklären,ListemitverschiedenenAntwortmöglichkeitenimHandbuchermöglichdieBewertung.Nach5falschodernichtbeantwortetenFragenwirdderTestabgebrochen.
RechnerischesDenken:14AufgabenmitanwachsendemSchwierigkeitsgradinFormvonSchlussrechnungen.MiteinerZeitgrenzevon120SekundenmüssendieAufgabenimKopfgelöstwerden.DieserTest
wirdabgebrochen,wenn3AufgabeninnerhalbderangegebenenZeitgrenzennichtgelöstwurden.
AllgemeinesVerständnis:13FragenmitansteigenderSchwierigkeit.RichtigeAntwortmöglichkeitenim
AnhangdesHandbuches.Nach4falschenoderunbeantwortetenAufgabeninFolgewirdderTestabgebrochen.
Gemeinsamkeitenfinden:zu2vorgegebenenBegriffendieGemeinsamkeit(Oberbegriff)zubenennen.
AntwortmöglichkeitenimHandbuch.DerTestwirdnach4falschodernichtbeantworteterFrageninFolge
abgebrochen.
Handlungsteil
Bilderergänzen:17Bildvorlagen,aufdenenjeweilseinbedeutsamesTeilfehlt.WennderProbanddrei
aufeinanderfolgendeFrageninnerhalbvon20Sekundennichtoderfalschbeantwortethat,wirdderTest
abgebrochen.
Bilderordnen:10SerienvonBildern(Kärtchen),diekleineGeschichtendarstellen,sindjeweilslogischrichtigzuordnen.Wenn4AufgabeninFolgenichtgelöstwurden,wirddieserTestabgebrochen.
Mosaiktest:9mehrfarbigeWürfel.DieSeitenderWürfelsindentwedereinfarbigoderbestehenaus2
farbigenFlächen,diedurchdieDiagonalederEckpunktegetrenntsind,und9KärtchenmitMustern,die
mitdenWürfelnnachgebautwerdensollen.DienachzubauendenMusterhabenansteigendeSchwierigkeitsgradeunddamitunterschiedlicheZeitgrenzeninnerhalbdererdieAufgabenzulösensind.Nach3
FehlversucheninFolgewirddieserTestabgebrochen.
Figurenlegen:4einfachenPuzzlesmitasymmetrischenTeilen,diejeweilsmöglichstschnellzueinerFigur
(Mann,ProfileinesKopfes,Hand,Elefant)zusammengesetztwerdenmüssen.GemessenwirddiebenötigteZeit.
Zahlen-Symbol-Test:Zahlenvon1-9sindjeeinemSymbolzugeordnet.DerProbandlerntzunächstdie
ZuordnungundergänztdannauseinerTabellevon100ErgänzungsfeldernsoschnellwiemöglichdasjeweilsdazugehörigeSymbol.Nach90SekundenwirdderTestabgebrochen.DieAuswertungerfolgtmittels
einerSchablone.
InderTestdurchführungwechselnsichdieAufgabendesVerbal-undHandlungsteilsab.DadieTestergebnisse
altersspezifischsind,werdendieseanhandvonUmrechnungstabellennormiert.DashauptsächlicheErgebnis
desTestsistderIntelligenzquotient(IQ)desProbanden,aberauchdieerreichtePunktzahlindenverschiedenenAufgabentypenwirdprofilähnlichausgewertetundauchdieErrechnungeinesAbbauquotienten(altersbeständigevs.nicht-altersbeständigeUntertests)istmöglich.
IST-70(Intelligenz-Strukturtestvon1970):
DerIntelligenz-Struktur-TeststellteinenmehrdimensionalenIntelligenztestdar,mitdessenHilfeein
ProfilderLeistungeneinesProbandeninverschiedenenAnforderungsbereichenerstelltwerden
59
kann.DerEinsatzistfürdenGesunden-undHochleistungsbereichvorgesehen,beispielsweiseim
RahmenderBerufsberatungundEignungsdiagnostik.
DerIST-70erfasstin9Untertests4Dimensionen:
–
–
–
–
SprachlicheDimensionen(4Untertests)
RechnerischeIntelligenz(2Untertests)
RäumlicheVorstellung(2Untertests)
Merkfähigkeit(1Untertest)
DerIST-70kannbeiPersonenmitpsychischenStörungennichtangewandtwerden.Eristzeitaufwändig,dieGütekriteriensinderfüllt
Felddiagnostik
BeiderFelddiagnostikoderFeldpsychodiagnostik(Pawlik,1988)imengerenSinnwerdendieProbandeninihrernatürlichenUmgebungbeobachtet,Zielist,diekünstlicheTestsituation(„Laborsituation“)auszuschalten,umdadurcherzeugteVerfälschungenzureduzieren.Esmüssenmindestensvier
Bedingungenerfülltsein:
− DieUntersuchungssituationistnichtvomDiagnostikerarrangiert.
− DasbeobachteteVerhaltenoderErlebenistnatürlich,d.h.nichtinstruiert.
− DasVerhaltenundErlebenwirdunmittelbar,d.h.mitminimalerzeitlicherDistanzzumtatsächlichenGeschehen,erfasst.
− EsexistierteinBezugssystem,dasindividualdiagnostischeAussagenermöglicht.
FelddiagnostikkannalsFremd-undSelbstbeurteilungsverfahrendurchgeführtwerden.Selbstbeurteilungistz.B.inFormvonSchmerz-oderAngsttagebüchernmöglich.
ProjektiveVerfahren
BeidenprojektivenTestverfahrengehtmandavonaus,dassdieindividuellenUnterschiedeinder
ReaktionaufeinvieldeutigesAusgangsmaterialUnterschiedeinderPersönlichkeitderVersuchspersonenwiderspiegeln,diesichmitdenüblichenPersönlichkeitstestsnichterfassenlassen.DieGültigkeitundZuverlässigkeitderprojektivenTestverfahrenistbisheuteumstritten,obwohlsieinderpsychologischenPraxisvielverwendetwerden.AlleprojektivenVerfahrenberuhenaufTiefenpsychologischenKonstrukten,wobeiderBegriffderProjektion12sehrweitausgelegtwird.
BeiderGruppederprojektivenVerfahrenunterscheidetmanFormdeuteverfahren(z.B.RohrschachTest),verbal-thematischeVerfahrensowiezeichnerischeundGestaltungsverfahren:
1.DerRorschach-Test.HierwirdausdenDeutungenvonKlecks-Bilderneineinhaltliche(Motive)
undeineformaleSeite(Begabung)derPersönlichkeitabgeleitet,wobeiauchdieArtderIntelligenz(produktivoderreproduktiv,ganzheitlichoderteilerfassend)ermitteltwerdenkann.
2.DerThematischeApperzeptions-Test(TAT),vondemesaucheineFassungfürKindergibt.Hier
gehtesdarum,ausGeschichten,dieübereinvieldeutigesBild(einMannundeineFrauodereine
Familie)erzähltwerden,AufschlüsseübergrundlegendeWünscheoderAbwehrmechanismenzu
gewinnen.
3.Zeichentests,dieteilweiseprojektiv,teilweiseausdrucksbezogensind,beidenenetwaein
Mann,einBaumodereineFamilievonTierengezeichnetwerdenmuss.
12
ProjektionmeintursprünglicheinenAbwehrmechanismus,beidemverdrängteInhalte(z.B.aggressiveImpulse)inAnderehineinprojiziertwerden,alsoAnderenzugeschriebenwerden.
60
DerVorteilvonprojektivenTestsliegtunteranderemdarin,dasseskeinerichtigenoderfalschen
Antwortengibt,„sozialerwünschte“Antwortenkommendahernichtsohäufigvor.
AllerdingshängtdamitdieQualitätderAuswertungundsomitdieQualitätderDiagnosealleinvom
Auswerterab(niedrigeAuswertungsobjektivität).AuchdieanderenwichtigenGütekriterien(ReliabilitätundValidität)fallenfürprojektiveVerfahrendeutlichschlechteraus,alsfürobjektiveTests.
Beispiele:
Beispiel: Rohrschach-Test
Der Test besteht aus zehn Tafeln mit
speziell aufbereiteten
Tintenklecksmustern. Es gibt
weltweit fast ein Dutzend
Parallelserien, von denen die
meisten nicht frei im Handel
erhältlich sind. Die Tafeln werden
in einer festgelegten Reihenfolge
gezeigt, mit dem Hinweis, dass die
Tafeln beliebig gedreht werden
können, und die Testperson wird
gefragt: „Was könnte das sein?“
Dabei weist der Psychologe darauf
hin, dass es keine „richtigen“ oder
„falschen“ Antworten gebe.
Während die Testperson die Tafeln
betrachtet, notiert er Äußerungen,
die Handhabung (Drehungen) der
Karte sowie Reaktionszeiten.
Beispiel: Thematischer
Apperzeptionstest (TAT):
Was geschieht auf
diesem Bild?
Apperzeption [lateinisch]
(in der Philosophie und
Psychologie): das klare und
bewusste Erfassen eines
Erlebnis-, Wahrnehmungsoder Denkinhalts.
aus: Meiers Lexikon
61
DiagnostischeFragestellungen
Klinisch-biographischeDiagnostik
DieErhebunglebensgeschichtlichrelevanterDatenistzumbesserenVerständnisderaktuellenProblemebzw.derenEntwicklungerforderlich.BeidenbiographischenDatenunterscheidetman
ObjektiveDaten
Angaben,die„logischerEvidenz“entsprechen,Fakten
-
SubjektiveDaten
Angaben,diesicheheraufdieindividuelleBedeutunglebensgeschichtlicherErinnerungenbeziehen
-
SzenischeInformationen
Angaben,dieszenischesErlebenvonBeziehungsepisodenwidergebenundRückschlüsseauf(unbewusste)
PhantasienundKonflikteermöglichen(besondersbeiPsychoanalyse/tiefenpsychologischerPsychotherapiewichtig)
DieVerfahrenzurErhebungbiographischerDatensindunterschiedlich.InderPsychotherapiewerdenüberwiegendanamnestischeVerfahrenangewendet(s.u.„ChecklistebiographischerDaten“).
Verfahrenstechnischgibtes:
• StandardisierteRatingverfahren(biographischeEinschätzverfahren,grafischeEinschätzungen)
Beispiele:FragebogenzuLebenszielenundLebenszufriedenheit,Life-Line-Interview
•
HalbstrukturierteundstrukturierteFragebogen
Beispiele:biographischerExplorationsleitfaden,MannheimerbiographischesInventar
•
AnamnestischeVerfahren
Beispiele:anamnestischeChecklisten(s.u.)
•
FreieVerfahren
Beispiele:Lebenscollage,Lebenslauf-Metapher,Episodentechniken,autobiographischeStegreiferzählun13
gen,Genogramme AlsBeispieleinesanamnestischenVerfahrenswirddieChecklistezurErhebungderbiographischen
AnamnesealswichtigesdiagnostischesVerfahrenindertiefenpsychologischenPsychotherapiegenauerdargestellt;dazuwerdenauchbeispielhafteFragestellungenformuliert:
1.FamiliärerundsozialerEntwicklungshintergrund
a) FrühefamiliäreSituation,Geburt,Geschwisterfolge
NunwerdenwirunsIhrerLebensgeschichtezuwenden,derFamilie,inderSiegroßgewordensindundIhrer
Kindheit.
b) LebensumständeindenKinderjahren
WergehörtealleszurFamilie?
c) BesonderheiteninderKindheit
ErzählenSiemir,obesBesonderheitengabinIhrerKindheit.
d) PsychischeStörungenwährendderKindheit
WissenSienochvonseelischenBeschwerdenausIhrerKindheit?
2.Leistungsentwicklung
a) FrüheInteressens-EvokationbeimKindundderSchuleintritt
WelcheEinstellungenhattenIhreElternundIhreUmgebungzudenThemenArbeit,BerufundLeistung?
13
Unter einem Genogramm versteht man die Darstellung eines Familienstammbaums, der - über mindestens drei
Generationen hinweg - die vielfältigsten Informationen über die Mitglieder einer Familie und ihre Beziehungen
enthält. Genogramme zeichnen in grafischer Form Informationen über eine Familie auf, ermöglichen einen raschen Überblick über komplexe Familienstrukturen und ermöglichen die Verknüpfung eines klinischen Problems
mit der Familienstruktur
62
b) SchuleintrittundSchullaufbahn
KönnenSiesichnochanIhrenSchuleintritterinnern?
c) BerufswahlundArbeit
WieundwannhabenSiesichfüreinenBerufentschieden?
3.EntwicklungdesLeib-Selbst,interpersonelleEntwicklungundEntwicklungdergenitalenRolle
a) FrüheZwischenleiblichkeitmitdenBezugspersonen
WurdeIhnenerzählt,wasfüreinKindSiewaren?
b) EntwicklunginderDyade-EntdeckungderGeschlechtlichkeit
ErzählenSiemirvonIhrerfrühenKindheit!
c) DieGeschlechtsvollen-Exploration
KönnenSiesichdaranerinnern,wieSie„einJunge"/„einMädchen"gewordensind?
d) SpäteKindheit
WelcheKontaktehattenSieinderzeitvomSchulbeginnzurPubertät?
e) Pubertät
WiehabenSiedieVeränderungenIhresKörpersinderPubertätwahrgenommen?
f) Adoleszenz
WelcheswarendiewichtigstenErfahrungenIhrerJugendzeit?
g) EntwicklungenimErwachsenenalter
WelcheEntwicklungenundVeränderungengabesfürSieseitherimErwachsenenalter?
Soziodiagnostik
SozialePhänomenesindfürdieEntstehungunddenVerlaufpsychischerStörungenvonzentraler
Bedeutung.SoziodiagnostikumfasstdieDiagnostiksozialerBeziehungen,sozialerInteraktion,sozialerEinflussfaktoren(Risiko-undprotektiveFaktoren),sozialerNetzwerkeundIntegration,BewältigungpsychosozialerBelastungen(Lebensereignisse).InderStressforschungwirdderEinflusssozialer
Variablen(insbesonderesozialesNetzwerkundsozialeUnterstützung)aufdieEntstehungunddie
BewältigungvonBelastungenuntersucht.SoziodiagnostikfindetsichalsTeilzahlreicherandererdiagnostischerVerfahren.
- PsychischeStörungenwirkensich-mitoderohneBehandlung-aufMerkmaledersozialenDatenebeneaus,insbesondereimHinblickaufsozialeAnpassung.
- SoziodiagnostikhatunmittelbareAuswirkungenaufmedizinischeInterventionenbzw.Therapieoptionen(Psychotherapie,RehabilitationundPrävention).
- AuchsozialeInterventionenkönnenaufderBasisvonSoziodiagnostikerfolgen:Interventionen
indassozialeUmfeld,VerbesserungendersozialenKompetenzundFörderungsozialerRessourcensindBeispielefürInterventionsmöglichkeiten.
- ImRahmenderPersönlichkeitsdiagnostikwerdenauchMerkmaledesSozialverhaltenserfasst.
- FernerspielenindenKlassifikationssystemenwieICD-10sozialeundinterpersonaleFaktoren
einezunehmendwichtigeRolle.
Netzwerke
SozialeUnterstützungistmeistenandasVorhandenseineinessozialenNetzwerkesgebunden.DarunterverstehtmaneinBeziehungsgeflecht,dasMenschenmitanderenMenschenundInstitutionen
sowieInstitutionenmitanderenInstitutionenverbindet.DerBegriffsozialesNetzwerkhateineweite
VerbreitunginderSozialenArbeitgefunden.DerNetzwerkbegriffkannzudiagnostischenZwecken
(Diagnose)oderzurDarstellungvonUnterstützungsstruktureneingesetztwerden.
FürsozialeNetzwerkegeltenfolgendeUnterscheidungen:
63
primäreoderpersönlicheNetzwerke:HiermitsindNetzwerkeinderFamilieundVerwandtschaft,nachbarschaftlicheNetzwerkeundfreundschaftliche,dasheißtselbstgewählteNetzwerkegemeint.Aberauchaltersspezifische,frauenspezifischeoderarbeitsplatzspezifische
Netzwerkefallendarunter;
o sekundäreodergesellschaftlicheNetzwerke:HierzugehöreninstitutionelleNetzwerkewie
zumBeispielHandwerksbetriebe,Versicherungsunternehmen,Kaufhäuser,Industriebetriebe
undöffentlicheEinrichtungenderInfrastrukturwiezumBeispielKindergarten,Schule,Hochschule,SozialeDienste,Verkehrssysteme;
o tertiäreNetzwerke:SiesindzwischendenprimärenundsekundärenNetzwerkenangesiedelt
undhabeneinevermittelndeFunktion.EshandeltsichhierbeiumGruppenderSelbsthilfe,
BürgerinitiativenundumprofessionelleDienstleistungenwieKrankenpflegedienste,GesundheitsberatungoderEinrichtungenderSozialenArbeit.
SozialeNetzwerkebietenpraktische,emotionaleundkognitiveUnterstützunginBelastungs-und
Krisensituationen.SozialarbeiterundSozialpädagogenbemühensichdarum,dassNetzwerkefür
Menschen,diediesauseigenerKraftnichtodernochnichtschaffen,zugänglichwerden.
DiagnostischeVerfahrenexistierenfüralledreiTypenvonNetzwerken.Sehrhäufigbeziehensichdie
VerfahrenaufdieErmittlungvonNetzwerkressourcen.
Beispiel:ErstellungeinerNetzwerkkartemit4Dimensionen:1.Freunde,Bekannte2.Familie3.
Schule/Beruf4.ProfessionelleBeziehungen.
SozialeUnterstützung
• MitSozialerUnterstützungwerdenPersonen,Handlungen/InteraktionensowieErfahrungen/Erlebnisseumschrieben,diedemIndividuumdasGefühlgeben,geliebt,geachtet,anerkanntundumsorgtsowieBestandteilzuverlässigerBeziehungenundsozialerGruppenzusein
(Cobb,1976).
SozialeUnterstützungkannnachAnlass,Inhalt,QuelleundZieldifferenziertwerden.
- Unterstützungsanlässe:Alltagund/oderBelastungen/Krisen
- Problem-oderZielbereiche:allgemeinunspezifischund/oderbereichsbezogen/spezifisch(z.B.
Arbeitsbereich;spezifischeBelastungenwiez.B.Erkrankungen,Kindererziehung).
- Unterstützungsinhalte:psychologische(Anerkennung,positiveRückmeldung,emotionale
Stützungetc.),instrumentelle(Information,Ratschlag,Arbeitetc.)Unterstützung.
- QuellederUnterstützung:RolledesUnterstützers(z.B.Partner,Freunde,Familie).
- ZielpersonderUnterstützung:unspezifisch/allgemeinund/oderspezifisch(z.B.Kinder,alte
Menschen,Elternetc.).
AlsBeispieleinesdiagnostischenVerfahrensseider„FragebogenzurSozialenUnterstützung“erwähnt(Fydrich,SommerundBrähler,2003).EshandeltsichumeinSelbstbeurteilungsverfahren,mit
demdreiBereichesubjektivwahrgenommenerbzw.antizipierterUnterstützungausdemsozialen
Umfelderfasstwerden:
- PraktischeUnterstützung,
- EmotionaleUnterstützungund
- SozialeIntegration.
DieVollversionenthält54Items(Fragen)undeignetsichzurgetrenntenAuswertungderdreiInhalte
underfasstzusätzlichsozialeBelastungen.
o
Beispiel-Frage:"IchhabeFreunde/Angehörige,diesichaufjedenFallZeitnehmenundgutzuhören,wennich
michaussprechenmöchte".(Antwortin5Stufenvon„trifftnichtzu“bis„trifftgenauzu“).
64
SozialeAnpassung
Konstruktdefinition:sozialeAnpassunglässtsichnichtinwenigenWortenbeschreiben.ImDeutschen
findetsichkaumeineallgemeingültigeDefinition.HäufigwirdsozialeAnpassungmitsozialerIntegrationgleichgesetzt.Diestrifftnichtganzzu.BeidersozialenIntegrationwirdüberwiegenddie
AnpassungdesIndividuumsangesellschaftlicheBedingungengefordert,nichtjedochdieAnpassung
derUmweltandasIndividuum.DieÜbersetzungeinerenglischenDefinition(s.u.)lautet:
„SozialeAnpassungkannalsGleichgewichtzwischendemIndividuumundseinerUmweltdefiniert
werden.GenauerkannsiealsFunktioniereneinesIndividuumsinspezifischensozialenRollenbetrachtetwerden.TheoretischkönnenDiskrepanzenindieserMensch-Umwelt-PassungFolgeeiner
UnfähigkeitaufSeitendesIndividuumsoderStörungenimsozialenUmfeldsein.“
ImOriginalheißtes„...socialadjustmentcanbedefinedastheequilibriumbetweenanindividualandhisenvironment.Morepreciselyitcanberegardedasthefunctioningofanindividualinspecificsocialroles.Theoreticallyadiscrepancyinthisperson-environmentfitmayresultfromadisabilityonthesideoftheindividualor
fromdisturbancesinthesocialenvironment".(Katschnig1983)
DiagnostiksozialerAnpassungkanndurchfolgendeVerfahrenerfolgen:
• ErfassungvonallgemeinenAspektendersozialenAnpassungmittelsSelbst-oderFremdbeurteilungundAbgleichmit„Normwerten“oder„Normverhalten“
• spezifischeSelbst-oderFremdbeurteilungsverfahren(inkl.Beobachtungsskalen),beidenengezielteinzelneAspektesozialerAnpassungerfasstwerden
• Interviewverfahren
• VerwendungvonGlobalskalen(Fragebögen)
BeispieleinesstrukturiertenInterviews,welchesdiesozialeAnpassungerfassensollmitdemZiel,
einemöglichesozialeBehinderungimSinnederWHO-Definitioneinzuschätzen.Darunterversteht
mandasAbweichenderindividuellenVerhaltensmustervondensozialenErwartungendernormgebendenBezugsgruppe,unabhängigvonpsychiatrischerSymptomatikundpsychologischenFunktionseinschränkungen.DasInterviewwirdmitdemPatientenbzw.Klientenund/odereinemoder
mehrerenInformanten(Bezugspersonen)durchgeführt.
DieMannheimerSkalazurEinschätzungsozialerBehinderungistdieDeutscheFassungdes„Disability
AssessmentSchedule“(WHO)(Gütewerte:rO=1,rR=>0,7,rV=0,68)
Sektion1Allgemeinverhalten
Selbstdarstellung,Freizeitaktivität,TempobeiderBewältigungtäglicherAufgaben,Kommunikation/sozialerRückzug,RücksichtnahmeundReibungenimUmgangmitMenschenundVerhalteninNotfällenundKrisensituationen
Sektion2sozialeRolleneinesIndividuums
Haushaltsrolle/TeilnahmeamFamilienleben,Partnerrolle:Gefühlsbeziehung,Partnerrolle:sexuelleBeziehung,Elternrolle,heterosexuellesRollenverhalten,Arbeitsverhalten,Interessean
einemArbeitsplatz,InteressenundInformationsbedürfnis/RollealsKonsument.
Sektion3GesamteinschätzungdersozialenAnpassung
DerGraddersozialenAnpassungwirdauf5Stufenbeurteilt(von„gutesozialeAnpassung“bis
„fehlendesozialeAnpassung“.
Sektion4und5biographischeundsoziographischeInformationen
ErgänzendeInformationenüberdielebensgeschichtlicheundsozialeEntwicklung
65
Belastungsbewältigung
Belastungenlassensichinakute,zeitlichbegrenzte,Belastungenundchronischebzw.Dauerbelastungenunterteilen.
Akutbelastungen:
• Belastende/kritischeLebensereignisse
- SiesindimLebenslaufeinesMenschenalsdiskrete,raum-zeitlichlokalisierbareEreignisse
identifizierbar,wassievonchronischenStressoren/Belastungenabgrenzt
- Siemacheneinequalitativ-strukturelleNeuorganisationdesPerson-/Umweltgefüges(z.B.
beruflicheNeuorientierung;Ortswechseletc.)erforderlich,wassievonpassagerenAdaptationsleistungenundAlltagsbelastungenunterscheidet.
- DieemotionalenReaktionensindnachhaltigundstellennichtnurkurzfristigeEmotionen
dar,wiesieimAlltaghäufigvorkommen(undwassievonAlltagsereignissenabgrenzt).
• TraumatischeEreignisseundtraumatischerStress
s.Psychosomatik:PTBSundnegativerStress
Dauerbelastungen:
• ChronischeBelastungen
- Anhaltendeökologisch,sozialundpsychologischbelastendeArbeitsbedingungen(z.B.
Lärm,Feuchtigkeit,Rollenbelastungen,Zeitdrucketc.)
- LanganhaltendeSchwierigkeitenundProblemeinverschiedenenLebenskontexten,die
u.a.auschronischenMangelzuständenoderKonfliktenresultieren:z.B.finanzielleProbleme,RollenproblemeeinerHausfraumitvielenKindern,chronischeFamilienkonflikte
- LanganhaltendeLebensbelastungenund/oderchronifizierteFolgendiskreterLebensereignisse(z.B.chronischeTrauernachPartnerverlust,FolgeschädeneinesschwerenUnfalls)
• Alltagsbelastungen
- DasEreignistrittimAlltagslebeneinesMenschenauf(=hoheAuftrittswahrscheinlichkeit)
- EserfordertzwarnureinegeringeAnpassungszeit,jedochistdieWiederanpassungsleistungzumTeilrechthoch;dieseentsprichtalsonichteinerRoutinehandlung
- DieValenz(Wertigkeit,Bedeutung)istdeutlichnegativ
- DiedamitverbundenenEmotionenbesitzeneinemittlerebishöhereIntensitätund
könnensodeutlichvonpassagerenEmotionenabgegrenztwerden.
Belastungsbewältigung(„coping“)verläuftnachdemallgemeinenSchema:
66
InderoberenReihederAbbildungsinddieVoraussetzungeninFormpersonalerundsozialerBewältigungsfaktorenbzw.–ressourcengenannt.InderunterenReihedaszeitlichePhasenschemades
Bewältigungsprozesses.
DieDiagnostikbeziehtsichzumeinenaufdieErfassungvonBelastungenz.B.vonLebensereignissen
undihreBedeutung(Beispiel:Impactofeventscale14),zumanderenaufdenBewältigungsprozess
selbst,z.B.dieBewältigungsziele,Bewältigungsstile,Emotionen,Wahrnehmung,Bewältigungsergebnisseusw.
Bewältigungsstilekönnenbeispielsweiseein:
intrapsychisch/kognitiv:vernunftgesteuertesBewältigen,dieDinge„mitsichselbstabmachen“
offenaktional:„Aktionismus“,praktischesHandeln
emotional-expressiv:nachaußengetrageneEmotion,Dramatik
sozial/interaktional:SuchesozialerUnterstützung,Gespräche
Lebensqualität
DerBegriffLebensqualitätwirdweitgehenddeckungsgleichmitLebenszufriedenheitverwendet.Der
Patient/Klientist„Experte“fürseineLebensqualitätsbeurteilung,daherstehenSelbstbeurteilungsinstrumenteganzimVordergrund.
FragebögenzurLebenszufriedenheitexistiereningroßerZahl.AllerdingsistdasKonstruktderLebenszufriedenheitnichteindeutigdefiniert.DiegrößteSchnittmengebestehtmitderGesundheitsdefinitionderWHO,insbesondereauch,wasdassozialeWohlbefindenbetrifft.
(Gesundheitsbezogene)Lebensqualitätbeinhaltet
PsychischesWohlbefinden
KörperlicheVerfassung
SozialeBeziehungen
FunktionsfähigkeitimAlltag
ArtderdiagnostischenVerfahren:
KrankheitsübergreifendeVerfahren
allgemeineErfassungvonLebenszufriedenheit
KrankheitsspezifischeVerfahren
WiehatsichdieLebensqualitätdurcheineErkrankungverändert?
FunktionsspezifischeVerfahren
WelcheFunktionsstörungenbeeinträchtigendieLebensqualität?
SymptomspezifischeVerfahren
QuantifizierungdieLebensqualitätmindernderSymptome
AnwendungsbereichederLebensqualitätsforschung
BasisindividuellerTherapieplanung
EvaluationvonBehandlungsstrategien
EpidemiologischeStudienundGesundheitsberichterstattung
QualitätderVersorgungundGesundheitsökonomie
Beispiel:
FragebogenderWHOzurLebensqualität,diesog.„FünfFragenzumWohlbefinden“:
14
ManbestimmtdielebensveränderndeWirkungvonbelastendenEreignissen(„lifeevent“).Dasjeweilige
EreigniswirdineineHierarchiebekannterEreignisseeingeordnetundderentsprechendePunktwertmitdem
BedeutungsgehaltdesEreignisses(5-stufigeSkala)mulipliziert.
67
WHO-Fragebogen zur Lebensqualität („Wellbeing Five“)
Name: Während der
letzten zwei Wochen
Die
ganze
Zeit
Meistens
Mehr als
die halbe Zeit
Datum:
Weniger
als die
halbe Zeit
Manchmal
Zu keiner Zeit
... war ich froh und
guter Laune
5
4
3
2
1
0
… fühlte ich mich ruhig und entspannt
5
4
3
2
1
0
… fühlte ich mich
beim Aufwachen
frisch und ausgeruht
5
4
3
2
1
0
… fühlte ich mich
energisch und aktiv
5
4
3
2
1
0
… war mein Alltag
voller Dinge, die
mich interessieren
5
4
3
2
1
0
Auswertung:
Punktzahl(alsSummedermarkiertenZahlen)=
Prozentwert(Punktzahlx4)=
DiagnostikderPersönlichkeit
ManunterscheidetPersönlichkeitseigenschaftenundPersönlichkeit.Persönlichkeitkannkurzals
SummederPersönlichkeitseigenschaftenbeschriebenwerden.
EinePersönlichkeitseigenschaftistdieDispositionzueinemMustervonVerhaltens-undErlebnisweisen,diesichineinembreitenSpektrum(sozialer)SituationenmithoherWahrscheinlichkeitmanifestieren.Manunterscheidet
- Temperamentseigenschaften(z.B.Impulsivität)
- Fähigkeitseigenschaften(z.B.Intelligenz)
- Handlungseigenschaften(z.B.Bewältigungsstile)
- Bewertungsdispositionen(z.B.Werthaltungen)
- SelbstbezogeneDimensionen(z.B.Selbstwertgefühl)
InderPersönlichkeitsforschungwirdfernerunterschiedenin„trait“,„state“und„habit“.
trait:zeitstabileMerkmale,situationsunabhängig,PersönlichkeitsmerkmaleimengerenSinne
state:Verhaltensmerkmale,diesituations-undzeitabhängigsind
habit:Gewohnheiten,dieinderRegelkonditionierteReaktionensind
68
DiePersönlichkeitkanndanachalsdaseinzigartigeAusprägungsmustervonPersönlichkeitseigenschaften(traits)verstandenwerden.
PersönlichkeitstestsfassendiePersönlichkeitseigenschaftenmeistin5bis12Dimensionenbzw.Skalenzusammen,abhängigvomzuGrundeliegendenPersönlichkeitsmodell.
Beispiel:FreiburgerPersönlichkeitsinventar(FPI-R)
DieAntwortenzu138FragenwerdeninfolgendenSkalenzusammengefasstundentsprechende
Skalenwerteermittelt:Lebenszufriedenheit;sozialeOrientierung;Leistungsorientierung;Gehemmtheit;Erregbarkeit;Aggressivität;Beanspruchung;körperlicheBeschwerden;Gesundheitssorgen;Offenheit;Extraversion;Emotionalität
→ AuswertebeispielefindenSieindenVorlesungsfolien.
BedeutungfürdiesozialeArbeit:PersönlichkeitsdiagnostikistehereineAufgabeimBereichPsychotherapie.JedochkannesfürdiesozialeArbeitwichtigsein,Persönlichkeitseigenschaftennach„state,
trateundhabit“zudifferenzierenunddamitauchVeränderungsressourcenundBeratungsansätzezu
finden.
FerneristesbeimHinweisaufPersönlichkeitsveränderungen(z.B.durchDrogen,Demenz,Traumata)
wichtig,die(prämorbide)Persönlichkeitzuerfassen.
DiagnostikbeiKindern,JugendlichenundälterenMenschen
(Alters-)GruppenspezifischeDiagnostikdientimWesentlichendazu,alters-undgruppenspezifische
Problemsituationenzuerfassen.ImAlteristhäufigdieFrageeiner(fortgeschrittenen?)Demenzzu
klären.BeiKindernsindSchuleignungstestseinbreitesAnwendungsgebiet.
AmBeispielvonLeistungsproblemeninderSchuleseieinDiagnostischesSchemaerläutert:
69
EindiagnostischesSchemazurDemenzdiagnostikkönnesoaussehen:
1. ErfassungderAusgangsintelligenzmitdemMWT(Mehrfachwahl-Wortschatztest):dieser
misstaufderBasisvonvorgegebenenErinnerungendieverbaleIntelligenz,diewiederumeinengutenAnhaltfürdieGesamtintelligenzgibt.
2. Screening-TestzurErfassungvonStörungenderInformationsverarbeitung,z.B.SymbolezählenundBuchstabeninvertieren.EinebeginnendeDemenzäußertsichzuerstinderAbnahme
derInformationsverarbeitungsgeschwindigkeit.WenndasScreeningpositivist,folgtsie
3. PrüfungderKurzspeicher-KapazitätdurchSchnelllesenundZahlen-undBuchstabenmerken.
EineAbnahmederSpeicherkapazitätkorreliertmitderaktuellenIntelligenzleistung.
ZurBeurteilungwirddanndie(verbale)AusgangsintelligenzmitderaktuellenIntelligenzleistungverglichen.DieDifferenzspiegeltdasAusmaßdesgeistigenAbbauswider.
Verlaufsbeobachtungen
VieleTestsindsoangelegt,dasssiewiederholbarsindundsomitVerlaufsbeurteilungenermöglichen.
DiesgiltinersterLiniefürklinischebzw.syndromaleTests.BeidenPersönlichkeitseigenschaftensind
nursolcheVerfahrenzurVerlaufsbeurteilunggeeignet,dieGewohnheitenund„States“(alsosituationsabhängigeMerkmale)messen.
BeimanchenTestswürdebeiWiederholungdasErgebnisdadurchverfälschtwerden,dassdieProbandendenTestbereitskennenundwissen,welcheAntwortenein„günstigeres“Bildergeben.Um
diesesProblemzuumgehen,gibtesfürzahlreicheTestsParallelversionen,dieandereFragenmit
gleichemHintergrundenthalten(z.B.MWT-AundMWT-B).GeradebeiWissenstestswürdesonstdas
Ergebnisvölligverfälscht.
DiesistauchderGrund,warumdieeigentlichenTestfragenmeistnichtveröffentlichtwerden.Dieses
„Publikationsverbot“isteinungeschriebenesGesetz.
ImFolgendeneineÜbersichtüberdieamhäufigstenverwendetenklinischenTests,diesich–mit
AusnahmebestimmterDimensionenderPersönlichkeit–auchzuVerlaufsbeobachtungeneigenen.
Störungsbild
Verfahren(Beispiel)
Leistungsdefizit(Kinder)
HAWIEK(Intelligenzdiagnostik)
Leistungsdefizit(Erwachsene)
Demenzdiagnostik(s.o.)
Teilleistungsschwäche
Teilleistungstest(z.B.Rechnen)
Depression
HDS(HamiltonDepressions-Skala)
BDI(BeckDepressions-Inventar)
Angst/Panik
(Zustandsangst)
STAI(state-traitanxietyinventory)
SomatoformeStörungen
Bf-S(Befindlichkeitsskala)
Seelischeundkörperliche
Beschwerden
SCL-90(Symptomchecklistemit90Fragen)
Persönlichkeit(sstörung)
FPI-R(FreiburgerPersönlichkeitsinventar)
70
StörungsbezogeneDiagnostik
Wirdhiernichtmehrausgeführt,dabereitsindenvorangegangenenKapitelnbeispielhaftbesprochen.
DiagnostikspeziellerpsychischerStörungen
BeispielestörungsbezogenerDiagnostik:BECKschesDepressionsinventar(BDI)
→ DieOriginalfragensindimAnhang(letzteSeite)zudiesemSkriptenthalten.
Persönlichkeitsstörungen
BeispielefürPersönlichkeitstests:FPI-R(s.o.),
→ Dieersten24OriginalfragensindimAnhang(vorletzteSeite)zudiesemSkriptenthalten.
Hirnleistungsdiagnostik
SieheDemenzdiagnostik
Extra:SensitivitätundSpezifitäteinesdiagnostischenVerfahrens
EineDiagnosekannrichtigoderfalschsein.KeindiagnostischesVerfahrenistabsolutzuverlässigund
sicher.DieskannKrankeoderGesundetreffen.Wirnehmenan,100Personensinddiagnostiziert
worden.Esergibtsichein4-Felder-Schema:
Diagnose
Status
Diagnosegestellt
Diagnosenichtgestellt
tatsächlichkrank
tatsächlichpositiv
(50)
falschnegativ
(15)
nichtkrank
falschpositiv
(10)
tatsächlichnegativ
(25)
DasProblem:beifalsch-negativenDiagnosenerfolgtkeineBehandlung,obwohleineErkrankungbesteht,diesbeträfeimobigenBeispiel15Personen.Beifalsch-positivenDiagnosenerfolgteineBehandlung,obwohldiesenichtangezeigtist,imBeispiel10Personen.
DerAnteiltatsächlich-positiverDiagnosenbeidenErkranktennenntmanSensitivität.Kranksindim
Beispiel65Personen,50wurdenerfasst,d.h.dieSensitivitätwäre77%.
DerAnteiltatsächlich-positiverDiagnosenbezogenaufallepositivenDiagnosenheißtSpezifität.Es
wurden60positiveDiagnosengestellt,10warenjedochfälschlicherweisepositiv.DieSpezifitätbeträgtalso83%.
71
Literatur
LiteraturlistePsychodiagnostik,PsychotherapieundPsychosomatik
VorlesungDr.WolfgangRuf-BallaufIV.Quartal2013
Bewertungen(ohneGewähr):
Fachbücher(fettgedruck)–meistfürÄrzte/Psychologengeschrieben
Empfohlene,gutverständlicheBücher(unterstrichen)
Interessante(Fach-)Bücher(kursiv)
PsychologischeDiagnostikundInterventionvonManfredAmelangundLotharSchmidt-Atzert(GebundeneAusgabe-15.März2006)EUR49,95
PsychodiagnostikinKlinischerPsychologie,Psychiatrie,PsychotherapievonRolf-DieterStieglitz,Urs
Baumann,undHaraldJ.Freyberger(GebundeneAusgabe-Juni2001)EUR57,40
PsychotherapeutischeDiagnostik.LeitlinienfürdenneuenStandardvonH.Bartuska,M.Buchsbaumer,undGerdaMehta(Taschenbuch-3.August2005)EUR36,95
Testenundgetestetwerden:WasmanübermodernePsychodiagnostikwissensolltevonCharles
JacksonundMatthiasWengenroth(Taschenbuch-Januar1999)EUR19,95
DiepsychodiagnostischeBaumzeichnungvonChristianP.Hammon(Sondereinband-2001)
EUR20,30
TherapieorientiertePsychodiagnostikundintraindividuelleVariabilität:EinkurzerÜberblickvonJörg
Hartig(Broschiert-Januar2008)EUR11,99
Testpsychologie:EineEinführungindiePsychodiagnostik(Uni-TaschenbücherS)vonUdoRauchfleisch(Taschenbuch-1.Juni2005)EUR18,90
DerCharakterundseineGeschichten.PsychodiagnostikmitdemThematischenApperzeptions-Test
(TAT)vonWernerSeifert(Broschiert-1984)(Vergriffen)
AnwendungsfelderpsychologischerDiagnostikvonHeinrichWottawaundRüdigerHossiep(Broschiert-Juni1997)EUR32,95
NeurotischeStörungenundPsychosomatischeMedizin:MiteinerEinführunginPsychodiagnostik
undPsychotherapie.CompactLehrbuchvonSvenO.Hoffmann,GerdHochapfel,AnnegretEckhardtHenn,undAnnegretEckhardt-Henn(Broschiert-22.April2004)EUR29,95
LehrbuchderRorschach-Psychodiagnostik.FürPsychologen,ÄrzteundPädagogenvonEwaldBohm
(GebundeneAusgabe-1990)
EUR40,00
DieUrteilsbildunginderPsychodiagnostikvonPetrusBastianusBierkens(GebundeneAusgabe-
1968)EUR?
Psychodiagnostik.GrundlagenundProbleme.vonRainerDieterich(Broschiert-Oktober1987)
(vergriffen)
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PsychodiagnostischesÜbungsbuch:EineBeispiel-SammlungvonRorschach-ÜbungsfällenvonEwald
Bohm(Taschenbuch-1975)EUR?
DiagnostikvonKonzentrationundAufmerksamkeit:TestsundTrendsN.F.Bd.3vonGerhardBüttner
undLotharSchmidt-Atzert(Taschenbuch-Oktober2004)EUR39,95
Psychodiagnostik,Bd.1vonJürgenGuthke,HansR.Böttcher,undLotharSprung(GebundeneAusgabe-1990)EUR?
DiagnosevonLernbehinderungen(BookonDemand)vonReimerKornmann(Broschiert-Januar
2000)EUR?
ZeichnenundMalenalsInstrumentederpsychologischenDiagnostikvonWolfgangSehringer(Broschiert-1999)EUR50,00
PsychodiagnostikvonErikNeumann(Broschüre-1.Januar2002)EUR?
DIPS.DiagnostischesInterviewbeipsychischenStörungen:Handbuch,Interviewleitfaden,ProtokollbogenvonSilviaSchneiderundJürgenMargraf(Taschenbuch-30.April2008)EUR39,95
BeiträgezurPsychodiagnostikdesSonderschulkindesvonGerhardGöllnitz,HildegardLenz,Dorothea
Winterling,undFranzGünthervonStockert(Broschiert-1957)EUR?
Pädagogisch-psychologischeDiagnostik.AktuelleEntwicklungenundErgebnissevonHans-Peter
LangfeldtundHans-PeterTrolldenier(Broschiert-Januar2001)-Derzeitnichtverfügbar.
PsychodiagnostikvonPeterE.W.Schulz(Sondereinband-1997)EUR?
PsychodiagnostikheutevonUrsImoberdorf,RolandKäser,undReneZihlmann(Broschiert-1992)
EUR?
PsychodiagnostikModell-GutachtenvonJörgHartig(Broschüre-1.Januar1998)EUR?
EinführungindiePsychodiagnostikvonErnstPlaum(Broschiert-März2002)EUR?
TherapieplanungvonDietmarSchulte(Broschiert-1998)EUR26,95
PsychodiagnostikvonHermannRorschach(Taschenbuch-1999)
UR?
PsychologischeDiagnostikundInterventionvonManfredAmelangundWernerZielinski(Gebundene
Ausgabe-1994)EUR?
PsychiatrieundPsychotherapiefürHeilpraktikervonJürgenKoeslin(Broschiert-15.Februar2007)
EUR36,95
BasiswissenPsychiatrieundPsychotherapie(Springer-Lehrbuch)vonVolkerArolt,ChristianReimer,
undHorstDilling(Taschenbuch-9.Oktober2006)EUR19,95
GrundkonzeptederPsychotherapievonJürgenKriz(GebundeneAusgabe-12.April2007)EUR39,90
IntensivkursPsychiatrieundPsychotherapiemitStudentConsult-ZugangvonKlausLieb,SabineFrauenknecht,undStefanBrunnhuber(Broschiert-14.April2008)EUR36,95
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50FällePsychiatrieundPsychotherapievonKlausLieb,BerndHeßlinger,undGittaJacob(Broschiert-
11.Mai2006)EUR21,00
PsychotherapeutischeSchätze:101bewährteÜbungenundMethodenfürdiePraxisvonSteffen
FliegelundAnnetteKämmerer(GebundeneAusgabe-Mai2007)EUR19,80
Psychotherapie-Prüfung:DasAufgabenheft:FragensammlungmitAntwortenvonReginaE.Rettenbach(Broschiert-Juli2006)EUR22,95
TiefenpsychologischfundiertePsychotherapie:BasisbuchundPraxisleitfadenvonWolfgangWöller
undJohannesKruse(GebundeneAusgabe-April2005)EUR49,95
Psychotherapie:EinLehrbuchfürÄrzteundPsychologenvonChristianReimer,JochenEckert,Martin
Hautzinger,undEberhardWilke(GebundeneAusgabe-28.Februar2008)EUR79,95
Lehrbuch"HeilpraktikerfürPsychotherapie".DerkleineHeilpraktiker(Broschiert-Oktober2006)
EUR49,00
PsychiatrieundPsychotherapievonHans-JürgenMöller,GerdLaux,undArnoDeister(Taschenbuch-
23.März2005)EUR49,95
HeilpraktikerfürPsychotherapie:DiemündlichePrüfungvonIngoMichaelSimon(Broschiert-Juli
2007)EUR39,00
DasgroßeLehrbuchderPsychotherapie:LehrbuchderPsychotherapie,Bd.1:Wissenschaftliche
GrundlagenderPsychotherapie:Bd1vonWolfgangHiller,EricLeibing,undFalkLeichsenring(GebundeneAusgabe-Mai2004)EUR74,00
IntensivkursPsychiatrieundPsychotherapievonStefanBrunnhuber,SabineFrauenknecht,undKlaus
Lieb(Taschenbuch-Dezember2004)EUR?
TutmeinTherapeutmirgut?DasBegleitbuchfürdiePsychotherapievonWolfgangSiegel(GebundeneAusgabe-Juni2003)(vergriffen)
DiePsychotherapie-PrüfungvonReginaE.Rettenbach(Broschiert-Mai2005)EUR29,95
PrüfungsfragenPsychotherapie:FragensammlungmitkommentiertenAntwortenvonAnnetteFink
undClaudiaTritschler(Taschenbuch-April2008)EUR22,95
KlinischePsychologieundPsychotherapievonHans-UlrichWittchenundJürgenHoyer(Gebundene
Ausgabe-19.September2006)EUR49,95
KörperundGefühlinderPsychotherapie-Basisübungen(LebenLernen120)vonGudrunGörlitz(Broschiert-September2006)EUR25,00
KompendiumfürdieHeilpraktiker-PrüfungPsychotherapievonThomasSiegel(Broschiert-13.Juni
2007)EUR29,95
EmotionsbezogenePsychotherapie:Grundlagen,StrategienundTechnikenvonClaas-HinrichLammers(GebundeneAusgabe-November2006)EUR46,95
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DasgroßeLehrbuchderPsychotherapie:LehrbuchderPsychotherapie,Bd.3:Verhaltenstherapie:Bd
3vonWolfgangHiller,EricLeibing,FalkLeichsenring,undSergeK.D.Sulz(GebundeneAusgabe-11.
November2003)EUR74,00
BeratungundTherapieoptimalvorbereiten:InformationenundInterventionenvordemerstenGesprächvonManfredPrior(Broschiert-2007)EUR14,95
StrukturbezogenePsychotherapie:LeitfadenzurpsychodynamischenTherapiestrukturellerStörungenvonGerdRudolf(GebundeneAusgabe-Oktober2006)EUR39,95
PrüfungPsychotherapie:780FragenundkommentierteAntwortenvonJürgenvonDallArmi(Broschiert-10.Mai2007)EUR34,95
DasgroßeLehrbuchderPsychotherapie:LehrbuchderPsychotherapie,Bd.2:Psychoanalytischeund
tiefenpsychologischfundierteTherapie:Bd2vonWolfgangHiller,EricLeibing,undFalkLeichsenring
(GebundeneAusgabe-31.Oktober2004)EUR74,00
PsychotherapiefürKinderundJugendliche.ErlebnisorientierteÜbungenundMaterialien(LebenLernen174)vonGudrunGörlitz(Broschiert-Dezember2007)EUR23,00
Selbstzuwendung,Selbstakzeptanz,Selbstvertrauen.PsychotherapeutischeInterventionenzumAufbauvonSelbstwertgefühl(LebenLernen163)vonFriederikePotreck-RoseundGittaJacob(Broschiert-März2008)EUR23,00
HausaufgabeninderPsychotherapie:StrategienundMaterialienfürdiePraxisvonLydiaFehmund
SylviaHelbig(Broschiert-Mai2008)EUR39,95
DasgroßeLehrbuchderPsychotherapie:LehrbuchderPsychotherapie,Bd.5:Psychoanalytischeund
tiefenpsychologischfundierteKinder-undJugendlichenpsychoth...Bd5vonWolfgangHiller,Eric
Leibing,FalkLeichsenring,undHansHopf(GebundeneAusgabe-Februar2007)EUR84,00
MethodenderKognitivenUmstrukturierung.EinLeitfadenfürdiepsychotherapeutischePraxisvon
BeateWilken(Broschiert-Dezember2006)EUR?
VerhaltenstherapiemanualvonMichaelLindenundMartinHautzinger(Taschenbuch-April2008)
EUR39,95
Psychiatriefast-der6hCrashkursvonSteffenGrünerundTomBschor(Broschiert-22.August2006)
EUR12,95
DerPanama-Hut:OderWaseinengutenTherapeutenausmachtvonIrvinD.YalomundAlmuthCarstens(Taschenbuch-12.November2007)EUR9,00
MethodenderKognitivenUmstrukturierung:EinLeitfadenfürdiepsychotherapeutischePraxisvon
BeateWilken(Broschiert-2.Juli2008)
EUR19,00
AussöhnungmitdeminnerenKindvonErikaJ.ChopichundMargaretPaul(Taschenbuch-1998)EUR
9,95
NeurotischeKonfliktverarbeitung.EinführungindiepsychoanalytischeNeurosenlehreunterBerücksichtigungneuerPerspektivenvonStavrosMentzos(Taschenbuch-1.März1984)EUR9,95
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InternationaleKlassifikationpsychischerStörungen:ICD-10KapitelV(F)Klinisch-diagnostischeLeitlinienvonWeltgesundheitsorganisationundHorstDillingetal.(Hrsg.)(Broschiert-23.April2008)
EUR26,95
EnergetischePsychotherapie-integrativ:Hintergründe,Praxis,WirkhypothesenvonMichaelBohne,
ChristofT.Eschenröder,undClaudiaWilhelm-Gößling(Broschiert-März2006)EUR19,80
Schmerzpsychotherapie:Grundlagen-Diagnostik-Krankheitsbilder-BehandlungvonBirgitKrönerHerwig,J.Frettlöh,R.Klinger,undP.Nilges(GebundeneAusgabe-2.Oktober2007)EUR59,95
PsychotherapeutischeMedizinundPsychosomatik:EineinführendesLehrbuchaufpsychodynamischerGrundlagevonGerdRudolf,PeterHenningsen,undAngelikaKramer(Broschiert-10.Oktober
2007)EUR39,95
PsychosomatischeMedizinundPsychotherapievonKurtFritzscheundMichaelWirsching(Taschenbuch-21.September2005)EUR19,95
BASICSPsychosomatikundPsychotherapievonJetteHänel,AnnalisaEnders,undSvenjaDavis(Broschiert-14.Juli2008)16,95
EinführungindiePsychosomatikundPsychotherapie:ArbeitsbuchfürUnterrichtundEigenstudium
vonMichaelErmann,OtmarSeidl,EckhardFrick,undChristianKinzel(Taschenbuch-18.Mai2006)
EUR12,50
KrankheitalsSymbol:HandbuchderPsychosomatik.Symptome,Be-Deutung,Bearbeitung,Einlösung
vonRuedigerDahlke(GebundeneAusgabe-11.Oktober2007)EUR25,00
MeinKörper-BarometerderSeele:DaspsychosomatischeLexikon,dasschonbeimLesenhilftvon
JacquesMartel(GebundeneAusgabe-Dezember2007)EUR24,80
WasdirdeineKrankheitsagenwill.DieSprachederSymptomevonKurtTepperwein(Broschiert-1.
September2005)EUR8,90
Körperschmerz-Seelenschmerz:DiePsychosomatikderBewegungssysteme.EinLeitfadenvonHildegundHeinlundPeterHeinl(GebundeneAusgabe-4.Januar2007)EUR19,95
PsychosomatischeMedizin:ModelleärztlichenDenkensundHandelnsvonThurevonUexküll(Broschiert-21.Januar2008)EUR69,95
NeurotischeStörungenundPsychosomatischeMedizin:MiteinerEinführunginPsychodiagnostik
undPsychotherapie.CompactLehrbuchvonSvenO.Hoffmann,GerdHochapfel,AnnegretEckhardtHenn,undAnnegretEckhardt-Henn(Broschiert-22.April2004)EUR29,95
Gehirn,PsycheundKörper.NeurobiologievonPsychosomatikundPsychotherapievonJohannCaspar
Rüegg(GebundeneAusgabe-April2007)EUR36,95
PsychosomatischeMedizin:EinkurzgefaßtesLehrbuchvonWalterBräutigam,PaulChristian,und
MichaelvonRad(Taschenbuch-25.September1997)EUR24,95
LeitfadenPsychosomatischeMedizinundPsychotherapie:OrientiertandenWeiterbildungsrichtlinienderBundesärztekammervonPaulL.Janssen,PeterJoraschky,undWolfgangTress(Broschiert-
Oktober2005)EUR39,95
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PsychosomatischeMedizinundPsychotherapie:EinLehrbuchaufpsychoanalytischerGrundlagevon
MichaelErmann(GebundeneAusgabe-29.März2007)EUR29,80
PsychosomatikundPositivePsychotherapie:TranskulturellerundinterdisziplinärerAnsatzamBeispielvon40Krankheitsbildern.(GeistundPsyche)vonNossratPeseschkian(Taschenbuch-Mai2005)
EUR11,90
PsychosomatischeMedizin.ModelleärztlichenDenkensundHandelnsvonThurevonUexküll,RolfH.
Adler,undJörgM.Herrmann(Taschenbuch-6.Dezember2002)EUR89,95
Psychiatrie,PsychosomatikundPsychotherapievonWielantMachleidt,ManfredBauer,Friedhelm
Lamprecht,undHansK.Rose(Taschenbuch-14.Januar2004)
EUR44,95
WasFrauenkrankmacht.ZurPsychosomatikderFrauvonIngridOlbricht(GebundeneAusgabe-
Januar2002)EUR19,95
PsychosomatikinderChinesischenMedizinvonKlaus-DieterPlatsch(GebundeneAusgabe-11.Oktober2005)EUR54,95
SomatoformeStörungen:Diagnostik,KonzepteundTherapiebeiKörpersymptomenohneOrganbefundvonHansMorschitzky(Taschenbuch-9.Oktober2007)EUR39,95
FreundschaftmitdemeigenenKörperschließen.ÜberdenUmgangmitpsychosomatischenSchmerzen(LebenLernen115)vonHanneSeemann(Broschiert-Januar2008)EUR21,00
WenndieSeeledurchdenKörperspricht:PsychosomatischeStörungenverstehenundheilenvon
HansMorschitzkyundSigridSator(Broschiert-August2004)
Derzeitnichtverfügbar.
KrankheitalsSprachederSeele:Be-DeutungundChancederKrankheitsbildervonRüdigerDahlke
(Taschenbuch-9.März2007)EUR11,00
DieRevoltedesKörpersvonAliceMiller(Taschenbuch-27.März2008)
EUR7,50
Psychosomatik/PsychotherapiesystematischvonGerhardSchüßler(GebundeneAusgabe-April
2005)EUR32,80
Psychosomatikkompakt.KurzlehrbuchfürPflege-undGesundheitsberufevonRalfHömberg(Broschiert-24.Mai2006)EUR29,95
KrankheitalsWeg.DeutungundBe-DeutungderKrankheitsbilder.vonThorwaldDethlefsenund
RüdigerDahlke(Taschenbuch-19.Mai2008)EUR9,00
SystemischePsychosomatik:EinintegrativesLehrbuchvonVeraHähnleinundJürgenRimpel(GebundeneAusgabe-März2008)EUR34,00
DasGedächtnisdesKörpers:WieBeziehungenundLebensstileunsereGenesteuernvonJoachim
Bauer(Taschenbuch-1.September2004)EUR9,95
Psychiatrie,PsychosomatikundPsychotherapie:Fürpsycho-sozialeundpädagogischeBerufevon
AlexanderTrostundWolfgangSchwarzer(GebundeneAusgabe-Januar2005)EUR25,50
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ChoreographienderSeele:LösungsorientiertesystemischePsycho-SomatikvonAndrásWienands
(GebundeneAusgabe-21.Juli2005)EUR19,95
HerzundSeele:LindauerBeiträgezurPychotherapieundPsychosomatikvonMichaelErmann(Taschenbuch-19.Mai2005)EUR17,00
PsychosomatischeGrundversorgung:KompendiumderinterpersonellenMedizinvonWolfgangTress,
JohannesKruse,undJürgenOtt(Broschiert-August2003)EUR36,95
Focusing-EinintegrativerWegderPsychosomatik(LebenLernen161)vonBeateRingwelski(Taschenbuch-2003)EUR21,50
AngewandtePsychosomatikvonHansChr.Deter(GebundeneAusgabe-1997)EUR?
SozialmedizinischeBegutachtunginPsychosomatikundPsychotherapie:AutorisierteLeitlinien,QuellentexteundKommentarvonWolfgangSchneider,PeterHenningsen,undUlrichRüger(Taschenbuch
-August2001)EUR39,95
TherapielexikonPsychiatrie,Psychosomatik,PsychotherapievonMichaelZaudig,RolfD.Trautmann,
undPeterJoraschky(GebundeneAusgabe-November2005)29,95
Psychiatrie,PsychosomatikundPsychotherapievonWielantMachleidt,ManfredBauer,undFriedhelmLamprecht(Taschenbuch-1999)EUR?
NaturheilverfahrenundPsychosomatik:LösungsorientiertePraxisvonChristianPeterDogsundWolfJürgenMaurer(Taschenbuch-16.Juli2003)EUR29,95
Neuro-Psychosomatik:GrundlagenundKlinikneurologischerPsychosomatikvonPeterHenningsen,
HaraldGündel,undAndreasCeballos-Baumann(GebundeneAusgabe-April2006)EUR69,00
PsychotherapeutischeMedizinundPsychosomatikvonGerdRudolf,ManfredCierpka,undUlrich
Clement(Taschenbuch-August2007)EUR?
GynäkologischePsychosomatikundGynäkopsychiatrie.DasLehrbuchvonAlmutDornundAnke
Rohde(GebundeneAusgabe-Oktober2007)EUR69,00
DieFee,dasTierundderFreund.HypnotherapieinderPsychosomatikvonAgnesKaiserRekkas(GebundeneAusgabe-April2001)
EUR?
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Anhang:FallbeispielVerhaltenstherapie(„Reizblase“)
DiePatientinH.kannnurnochinBegleitungihresFreundesund»mitVerpackung«dieWohnungverlassen.SiebefürchtetselbstmitVerpackung,dassihreBlaseüberlaufenundsieinallerÖffentlichkeit
indieHosenmachenkönne.DieVerpackungbestehtauseinerWindelhose,dieihreinUrologevor
zweiJahrenzutragenempfohlenhat,damitsiedadurchmehrSchutzundSicherheitvordembefürchtetenMissgeschick,inallerÖffentlichkeitindieHosezumachen,erlangensolle.
BegonnenhatallesvorfünfJahrenaufeinerStudienreisenachIsraelgemeinsammitihrerMutter.Die
TagedieserReisesindmiteinemdichtgepacktenBesichtigungs-undRundreiseprogrammgefüllt.An
einemdieserTageistdiePatientinmitderganzenReisegesellschaftgleichmorgensnachdemFrühstückindenBusgestiegen,umdannmehrereBesichtigungspunkteanzufahrenundabendsineinem
anderenHotelzulanden.WährendeinerderFahrtenzwischenzweiBesichtigungsaufenthaltenbemerkt
diePatientin,dasssiedringendaufdieToilettemuss.SiehatmorgensnachdemFrühstückundzwischenzeitlichkeineZeitgehabt,dieToiletteaufzusuchenundauchnichtweiterdarangedacht.Aufder
unebenenWüstenpisteimwackeligenBusstelltsichnuneinheftigerBlasendruckein.DerBushatkeine
Toilette,dernächstevorgeseheneHaltistnochübereineStundeentfernt.DerDrang,Wasserlassenzu
müssen,wirdimmerstärker.DiePatientinversuchtzunächstsichabzulenkenunddieZeitirgendwie
auszuhalten.DieruckeligeFahrterlaubtdiesjedochnicht.DieMutter,dienebenihrsitzt,bekommtmit,
dassdiePatientinimmerunruhigerundzappeligerwird,undmachtihrdarüberVorwürfe.Dies
belastetdiePatientinzudesAnliegens,denReiseleiterzubitten,denBuszustoppen,damitsiepinkeln
gehenkönne.DazumusssiefastdengesamtenBusdurchqueren.DerReiseleiterlehntzunächstmit
demHinweisab,dasssiedochwohlerwachsengenugsei,dasauszuhalten.ErwollekeineZeitverlieren
undhaltenichtan.UnterderzunehmendenBeachtungderMitreisendenmussdiePatientinmitder
nochimmervollenBlasezurück anihrenPlatz.Siebemühtsicherneut,denimmerstärkerwerdenden
BlasendruckunddiebeginnendeAngst,gleichindieHosenundaufdenSitzzupinkeln,auszuhalten.
Nachweiterenfastunerträglichen20Minutenquältsiesicherneutnachvorne,umdiesmalheftigst
daraufzubestehen,denBusanzuhalten.Diesgeschiehtdannauch.SiekannunterdenAugenallerMitreisendenhintereinemnahegelegenenBuschverschwinden,umihreNotdurftzuverrichten.Abdiesem
ZeitpunktundfürdierestlicheReisezeitlöstjedebevorstehendeBusfahrteinenBlasendruckaus,sodass
siedenReisebusnichtmehrbesteigt,ohnevorheraufderToilettegewesenzusein.
DievolleBlase(UCS)löstreflektorischundzunehmendmehrdenBlasendruckundalledamitverbundenensensorischen,affektivenundmuskulärenReaktionen(UCR)aus.ImExtremfallkönnteesinderTat
zueinerreflektorischenEntleerungderübervollenBlasekommen.DasErlebnisdesUCStrittimReisebus,untervielenLeuten,ohneunmittelbareVerfügbarkeiteinerToiletteauf,sodassdieseReizezuCS
werdenundbereitsinderunmittelbarenFolgezeitähnlichebzw.identischekörperlicheundaffektive
Reaktionen(CR)auslösen.
WeitereEntwicklung:
IstdiePatientinbereitsinvollenöffentlichenVerkehrsmitteln,insbesondereBussen,gehandicapt,sohat
sichdiesindenletztendreiJahrenaufalleArtenvonVerkehrsmitteln,einschließlichAuto,aufGeschäfte,Restaurants,Theater,Kinos,Vortragssäle,Marktplätze,unbekannteOrte,fremdeWohnungen,ja
selbstdieeigeneWohnung(wennBesuchdaist)ausgeweitet.
NebenderStimulusgeneralisierung,mitderenHilfemandieVermeidunggefürchteterSituationenerklärenkann,lassenFrauH.auchReaktionsgeneralisierungenfinden:
DieursprünglichengaufdieBlaseunddieBlasenentleerungbegrenzteAngstweitetsichimLaufeder
ZeitauchaufdenDarm(Stuhldruck)unddieDarmentleerung(Angst,darüberKontrollezuverlieren)aus.
79
FPI-R(FreiburgerPersönlichkeitsinventar–erste24Fragen)
80
BECKschesDepressionsinventar:schnellerTestaufDepressivität(Dauer5-6Minuten)
BDI
Code-Nr. ____________________________________
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dieser Woche einschließlich heute gefühlt haben! Falls mehrere Aussagen in einer Gruppe
gleichermaßen zuzutreffen scheinen, können Sie auch mehrere Ziffern ankreuzen. Lesen Sie auf
jeden Fall alle Aussagen in jeder Gruppe, bevor Sie Ihre Wahl treffen.
A
2
Ich finde mich fürchterlich.
0
Ich fühle mich nicht traurig.
3
Ich hasse mich.
1
Ich fühle mich traurig.
H
2
Ich bin die ganze Zeit traurig und komme
0
nicht davon los.
Ich habe nicht das Gefühl, schlechter zu
3
Ich bin so traurig oder unglücklich, daß ich
sein als alle anderen.
es kaum noch ertrage.
1
Ich kritisiere mich wegen meiner Fehler oder
Schwächen.
B
2
Ich mache mir die ganze Zeit Vorwürfe
0
Ich sehe nicht besonders mutlos in die
wegen meiner Mängel.
Zukunft.
3
Ich gebe mir für alles die Schuld was
1
Ich sehe mutlos in die Zukunft.
schiefgeht.
2
Ich habe nichts, worauf ich mich freuen
I
kann.
0
3
Ich habe das Gefühl, daß die Zukunft hoffIch denke nicht daran, mir etwas anzutun.
nungslos ist, und daß die Situation nicht
1
Ich denke manchmal an Selbstmord, ich
besser werden kann.
würde es aber nicht tun.
2
Ich möchte mich am liebsten umbringen.
C
3
Ich würde mich umbringen, wenn ich es
0
Ich fühle mich nicht als Versager.
könnte.
1
Ich habe das Gefühl, öfter versagt zu haben
J
als der Durchschnitt.
2
Wenn ich auf mein Leben zurückblicke, sehe
0
Ich weine nicht öfter als früher.
ich bloß eine Menge Fehlschläge.
1
Ich weine jetzt mehr als früher.
3
Ich habe das Gefühl, als Mensch ein völliger
2
Ich weine jetzt die ganze Zeit.
Versager zu sein.
3
Früher konnte ich weinen, aber jetzt kann
ich es nicht mehr, obwohl ich es möchte.
D
K
0
Ich kann die Dinge genauso genießen wie
früher.
0
Ich bin nicht reizbarer als sonst.
1
Ich kann die Dinge nicht mehr so genießen
1
Ich bin jetzt leichter verärgert oder gereizt
wie früher.
als früher.
2
Ich kann aus nichts mehr eine echte
2
Ich fühle mich dauernd gereizt.
Befriedigung mehr ziehen.
3
Die Dinge, die mich früher geärgert haben,
3
Ich bin mit allem unzufrieden oder
berühren mich nicht mehr.
gelangweilt.
L
E
0
Ich habe nicht das Interesse an anderen
0
Ich habe keine Schuldgefühle.
Menschen verloren.
1
Ich habe häufig Schuldgefühle.
1
Ich interessiere mich jetzt weniger für
2
Ich habe fast immer Schuldgefühle.
andere Menschen als früher.
3
Ich habe immer Schuldgefühle.
2
Ich habe mein Interesse an anderen
Menschen zum größten Teil verloren.
F
3
Ich habe mein ganzes Interesse an anderen
0
Ich habe nicht das Gefühl, gestraft zu sein.
Menschen verloren.
1
Ich habe das Gefühl, vielleicht bestraft zu
sein.
2
Ich erwarte, bestraft zu werden.
3
Ich habe das Gefühl, bestraft zu gehören.
G
0
1
Ich bin nicht von mir enttäuscht.
Ich bin von mir enttäuscht.
81
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