relazione - Vortrag Marc Allroggen 09-12-2013 - La Strada

Werbung
Gewalt zwischen Kindern und
Jugendlichen
Prävention, Schutz, Therapie - Gewalt an
Minderjährigen: Die Fachkräfte hinterfragen
Bozen, 9. Dezember 2013
Dr. Marc Allroggen
Gewalt zwischen Kindern und Jugendlichen
1. Formen und Prävalenz
2. Entstehungsbedingungen aggressiven Verhalten
3. Störung des Sozialverhaltens
4. Bullying
5. Intervention und Prävention
6. Sexuelle Gewalt unter Kindern und Jugendlichen
Dr. Marc Allroggen
1. Typologie von Gewalt (WHO, 2003)
1. Typologie von Gewalt (Scheithauer, 2008)
Dr. Marc Allroggen
1. Formen aggressiven Verhaltens (Ostrov und Godleski, 2010)
Direkte Aggression
 unmittelbare Gewalt (körperlich, sexuell oder verbal) oder
Androhung von Gewalt
 Soziale Aggression: zielt ab auf das Selbstwertgefühl
oder den sozialen Status (verbal und nicht verbal, z. B.
Augenrollen)
Indirekte Aggression
 Verhaltensweisen, bei denen die Identität des Aggressors
nicht unbedingt bekannt ist
 Relationale Aggression (Manipulation, Bedrohung oder
Schädigung wichtiger Beziehungen des Betroffenen)
 Sachbeschädigung
Dr. Marc Allroggen
1. Formen aggressiven Verhaltens (Ostrov und Godleski, 2010)
Proaktive Aggression
 Vorausgeplante und zielstrebige Aggression zur Erfüllung von
Bedürfnissen ohne Defizite in der Impulskontrolle
→ offensive Orientierung
Reaktive Aggression
 Momentane, spontane Aggression als Reaktion auf
vermeintliche Bedrohung oder Provokation
→ defensive Orientierung
Dr. Marc Allroggen
1. Entwicklung aggressiven Verhaltens
Reaktiv-impulsive Aggression (Ostrowsky, 2010)
Momentane, spontane Aggression als Reaktion auf vermeintliche
Bedrohung oder Provokation
→ defensive Orientierung
Genetische Prädisposition führt in Zusammenhang mit frühen negativen
psychischen Erfahrungen zu einer Beeinträchtigung im serotonergen
System im Bereich des Frontalhirns

Hypersensibilität mit verstärkter Reaktion auf negative und bedrohliche
emotionale Reize

Affektiv-motorische Impulsivität mit später häufigem Bedauern der
aggressiven Reaktion
Dr. Marc Allroggen
1. Entwicklung aggressiven Verhaltens
Proaktiv-instrumentelle Aggression (Fecteau et al., 2008; Ostrowsky,
2010)
Vorausgeplante und zielstrebige Aggression zur Erfüllung von
Bedürfnissen ohne Defizite in der Impulskontrolle
→ offensive Orientierung
Hohe genetische Komponente (wenig Einfluss von Umweltfaktoren) mit
emotionaler Unempfindlichkeit
Defizite bei der Verarbeitung negativer emotionaler Informationen
(pathologische Furchtlosigkeit)

Störung des Sozialisationsprozesses

Gute Impulskontrolle und Risikowahrnehmung, aber moralisches Defizit
(Wahrnehmung von Emotionen prinzipiell nicht gestört, aber keine
Konsequenz auf die Handlung)

Delinquentes und dissoziales Verhalten
Dr. Marc Allroggen
1. Entwicklung aggressiven Verhaltens
Reaktive Aggression
Proaktive Aggression
Erhöhte Reaktivität
gegenüber emotionalen
Stimuli
Mangel an Mitleid
Beeinträchtigung des
Serotoninsystem
Aktivitätsminderung in
frontalen Hirnarealen (OFC,
vmPFC) [Impuls-,Ärger- und
Furchtkontrolle]
Aktivitätserhöhung in
Amygdala [Erkennen
negativer emotionaler Reize]
→ Erleben Umgebung als
Bedrohlicher
→ Geringere Fähigkeiten zur
Kontrolle
Dr. Marc Allroggen
Verminderte Reaktivität bei
negativen emotionalen
Reizen [aber noch z. T.
widersprüchliche
Bildgebungsbefunde]
1. Häufigkeit von Gewalterfahrungen (KIGGS, Schlack und Hölling,
2007) (n=6619)
Dr. Marc Allroggen
Gewalt zwischen Kindern und Jugendlichen
1. Formen und Prävalenz
2. Entstehungsbedingungen aggressiven Verhalten
3. Störung des Sozialverhaltens
4. Bullying
5. Intervention und Prävention
6. Sexuelle Gewalt unter Kindern und Jugendlichen
Dr. Marc Allroggen
2. Entwicklungsaufgaben
Entwicklungsaufgaben sind voraussehbare und reguläre Anforderungen,
die sich dem Individuum zu einer bestimmten Zeit in der Biografie stellen
und deren erfolgreiche Bewältigung für die weitere Entwicklung von hoher
Bedeutung ist.
Körperliche
Entwicklung
(Wachstum, körperliche
Reifungsvorgänge,
insbesondere des
Nervensystems,
vegetative Funktionen
und
psychophysiologische
Regulationsvorgänge,
Entwicklung der
Wahrnehmung, Motorik
und Koordination)
Dr. Marc Allroggen
Kognitive und
sprachliche
Entwicklung
(sensomotorische
Entwicklung als
Voraussetzung der
geistigen
Entwicklung,
begriffliches Denken,
Gedächtnis,
Sprache)
Emotionale und
soziale Entwicklung
(moralische
Urteilsstrukturen,
emotionale
Entwicklung,
Motivation,
Handlungssteuerung,
Persönlichkeitsstruktur,
Identität,
Selbstkonzept,
Sozialverhalten, soziale
Beziehung)
2. Entwicklungsaufgaben - Kognitive und sprachliche
Entwicklung
1. Lebensjahr
 Entwicklung „Objektpermanenz“
 Beginn sprachliche Entwicklung
 flexible und zielgerichtete Verhaltensweisen werden ausgebildet
(Aufmerksamkeit, allgemeines Verstehen)
 Wahrnehmungsverarbeitung ↔ Bewegungsfähigkeit ↔
Handlungskonzeption
 Beginn triadische Interaktion
Kleinkindalter
 Entwicklung Empathie/Theory of mind
 Unterscheidung Realität und Überzeugung bzw. Realität und Fiktion
 Sprachentwicklung
Dr. Marc Allroggen
2. Entwicklungsaufgaben - Kognitive und sprachliche
Entwicklung
Schulalter
 Erwerb schulischer Fertigkeiten
 Moralentwicklung
Adoleszenz
 Berufsvorbereitung
 Übernahme von Verantwortung
Dr. Marc Allroggen
2. Entwicklungsaufgaben - Emotionale und soziale
Entwicklung
1. Lebensjahr
 „endogenes Lächeln“ (als sozial gerichtet interpretiert)
 personenbezogenes Lächeln (5. – 8. Lebenswoche)
 Unterscheidung vertraute und nicht vertrauten Personen (5.
Monat) (Fremdeln; Trennungsreaktion)
 Differenzierung primärer Emotionen über Sozialpartner
(dyadische Affektregulation, Affektmarkierung)
Kleinkindalter
 Selbstregulation Emotionen
 Beziehung zu Gleichaltrigen
 Regeleinhaltung
 Autonomie
Dr. Marc Allroggen
2. Entwicklungsaufgaben - Emotionale und soziale
Entwicklung
Grundschulalter
 Steuerung sozialer Beziehungen
 Einhalten von Schulregeln
Adoleszenz
 Selbstreflexive Emotionen
 Sexuelle Beziehungen
 Ablösung vom Elternhaus
Dr. Marc Allroggen
2. Entwicklung aggressiven Verhaltens
Zielgerichtete Gewalt
Adoleszenz
Delinquentes Verhalten
Relationales aggressives Verhalten
Schulalter
Verdecktes aggressives Verhalten
Kleinkindalter
Offen aggressives Verhalten
Oppositionelles Verhalten
Dr. Marc Allroggen
2. Exkurs – Entwicklung des Selbstbildes
Kinder bis zum Alter von etwa 8 Jahren
 differenzieren nicht zwischen realem und idealem Selbstbild
 differenzieren nicht zwischen gleichzeitig bestehenden positiven
und negativen Aspekten des Selbstbildes
 bewerten ihre eigene Fähigkeiten überwiegend unrealistisch
positiv (Harter, 2006; Marsh et al., 1998)
 zeigen sozial erwünschtes Verhalten überwiegend als Folge
von Außensteuerung durch positive Verstärkung oder Bestrafung
Dr. Marc Allroggen
2. Exkurs – Entwicklung des Selbstbildes
Kinder ab dem Alter von 8 Jahren
 entwickeln ein zunehmend realistisches, aber auch positiv
besetztes Selbstbild (Gottschalk, 1988; Hartmann, 2006)
 nehmen negative und positive Selbstaspekte als
nebeneinander existierend wahr
 schreiben sozialen Vergleichen zunehmend Bedeutung zu
 es entsteht ein zunehmend realistisches Selbstbild, das sich
von dem Idealbild unterscheidet (Harter, 2006)
 es gelingt Kindern zunehmend, die Wünsche von Anderen zu
antizipieren und ein sozial erwünschtes Verhalten zu zeigen
(Harter, 2006)
 Kinder beschäftigen sich damit, wie sie auf andere wirken und
wie sie andere beeindrucken können (Thomaes et al., 2009)
Dr. Marc Allroggen
2. Exkurs – Entwicklung des Selbstbildes
In der Adoleszenz
 kommt es zu einer zunehmende Ablösung von den realen
Eltern und damit auch von den internalisierten
Elternrepräsentanzen
 gewinnen soziale Vergleiche und Beziehungen zu
Gleichaltrigen an Bedeutung
 kommt es zu umfangreichen körperlichen Veränderungen
→ schnelle Veränderung des aktuelle Selbstbildes
→ große Diskrepanz von Selbstbild und Idealselbst
→ vermehrte Schamgefühle, Gefühlen der Minderwertigkeit
und Versagensängste (Streeck-Fischer, 2009)
Dr. Marc Allroggen
2. Exkurs – Entwicklung des Selbstbildes
→ narzisstische Durchgangsphase
mit Größenideen, Selbstüberschätzung, Selbstbezogenheit,
extremer Empfindlichkeit und Stimmungsschwankungen
ohne tiefgreifende Veränderung der Beziehungsgestaltung
→ pathologischer Narzissmus
mit unrealistisch aufgeblasenem Selbst, Abspaltung und
Projektion negativer Selbstaspekte und anschließender
Entwertung
Dr. Marc Allroggen
2. Exkurs – pathologischer Narzissmus
- Gefühl der Grandiosität (Überschätzung von eigenen Fähigkeiten,
Phantasien von Macht, Erfolg, Schönheit, Unverletzlichkeit und
Einzigartigkeit)
- Bedürfnis nach Bewunderung
- Empathiemangel
- Ängste vor Abhängigkeit mit oppositionellem und verweigerndem
Verhalten und teilweise suizidalen oder homizid-suizidalen
Verhaltensweisen als Ausdruck des Wunsches nach absoluter
Selbstbestimmung
- Neidgefühle, Gefühl der Leere und Langweile
- distanzierter und überheblicher Umgang mit anderen
- leichte Kränkbarkeit
- aggressives Verhalten bei Zurückweisung
Dr. Marc Allroggen
2. Exkurs – pathologischer Narzissmus
Enger Zusammenhang zwischen aggressivem Verhalten und
narzisstischen Störungen, sowohl für reaktive als auch proaktive
(instrumentalisierte) Aggression (Salmivalli, 2001; Washburn et al., 2004; Seah &
Ang, 2008, Barry et al., 2003; Bushman & Baumeister, 1998).
Jugendliche mit narzisstischen Störungen
→ sind besonders anfällig für Kränkungserlebnisse und das
Gefühl, sozial ausgeschlossen zu sein (Twenge und Campbell, 2003; Twenge
et al., 2001)
→ neigen aufgrund der mit der Adoleszenz verbundenen
gesteigerten Angst vor Beschämung auch bei äußerlich
geringen Kränkungserlebnissen dazu mit massiver Aggression
zu reagieren (Thomaes et al., 2008)
→ vermeiden möglichst offene Aggression aufgrund des
Wunsches, akzeptiert zu werden (Bukowski et al., 2009)
Dr. Marc Allroggen
2. Risikofaktoren kindlicher Entwicklung
1. Biologische Risikofaktoren
Genetische
Erworbene (z. B. Perinatale Komplikationen, Mangelernährung)
Ökologische (z. B. erhöhte Bleiplasmaspiegel, Nikotinmissbrauch in
Schwangerschaft)
2. Psychologische Risikofaktoren
Temperaments- und Persönlichkeitseigenschaften
3. Psychosoziale Risiken
Dr. Marc Allroggen
2. Psychosoziale Risikofaktoren
- niedriger sozioökonomischer Status
- mütterliche Berufstätigkeit in ersten Lebensjahr
- schlechte Schulbildung der Eltern
- große Familien und sehr wenig Wohnraum
- Kontakte mit Einrichtungen der „sozialen Kontrolle“
- Kriminalität oder Dissozialität eines Elternteils
- chronische Disharmonie/Beziehungspathologie in der Familie
- psychische Störungen der Mutter/des Vaters
- Unerwünschtheit des Kindes
- alleinerziehende Mutter (oder Vater)
- autoritäres väterliches Verhalten
- sexueller Missbrauch und/oder Misshandlung
- Verlust der Mutter (oder des Vaters)
- häufige wechselnde frühe Beziehungspersonen
- schlechte Kontakte zu Gleichaltrigen
- Altersabstand zum nächsten Geschwister < 18 Monate
- uneheliche Geburt
- hoher Gesamtrisiko-Score
Dr. Marc Allroggen
2. Risikofaktoren Aggressives Verhalten (Scheithauer, 2008)
Dr. Marc Allroggen
2. Schutzfaktoren kindlicher Entwicklung (Scheithauer, 2008)
Dr. Marc Allroggen
2. Zusammenspiel von Schutz und Risikofaktoren (Holtmann u.
Schmidt, 2004)
Dr. Marc Allroggen
2. Resilienz (Windle et al., 2011)
Prozess der Überwindung, Bewältigung und Anpassung von bzw. an
bedeutsame Stresserlebnisse. Hierbei unterstützen persönliche
Veranlagung und individuelle Ressourcen, Lebensumstände und
Umgebung das Individuum sich anzupassen und widrige
Umstände zu überwinden. Diese psychische Robustheit variiert im
Laufe des Lebens.
Dr. Marc Allroggen
2. Quellen der Resilienz (Herrman et al., 2011)
Persönlichkeitsfaktoren: Soziale Bindung, Intelligenz, emotionale
Stabilität, Optimismus, Selbstwirksamkeit, aktive
Bewältigungsmechanismen….
Biologische Faktoren: Einfluss von frühen Erfahrungen auf
Gehirnentwicklung und Stresstoleranz
Umweltfaktoren: Soziale Unterstützung, soziale und kulturelle
Angebote
Dr. Marc Allroggen
2. Gen-UmweltInteraktion (Feder et
al., 2009)
Dr. Marc Allroggen
2. Entwicklung aggressiven Verhaltens
Siever, 2008
Dr. Marc Allroggen
2. Entwicklung aggressiven Verhaltens (Frick und Viding, 2009)
Früher Beginn (early onset): Übergang von leichten
Verhaltensproblemen im Kindergartenalter zu schweren
Verhaltensproblemen und antisozialen Verhalten in der
Adoleszenz; häufiger auch Fortbestehen dissozialer
Verhaltensweisen im Erwachsenenalter
Später Beginn (late onset): Beginn des aggressiven Verhaltens
erst in der Adoleszenz; eher quantitative Abweichung normaler
pubertärer Rebellion (?)
Dr. Marc Allroggen
2. Entwicklung aggressiven Verhaltens
Früher Beginn
Callous-unemotional
traits (Psychopathie)
-Mangel an
Schuldgefühlen
-Empathiedefizite
-emotionale Kälte
Verbunden mit einem
stabileren Bild von
aggressivem und
delinquentem Verhalten.
Familiäre Faktoren haben
einen geringeren Einfluss
Eher proaktive
Aggression
Ohne CU-Traits
Defizite in der
Emotionsregulation und
Impulsivität
häufiger familiäre
Risikofaktoren und
uneffektive
Erziehungsmethoden
Höhere Ängstlichkeit
Keine Defizite in der
Moralentwicklung
Häufiger Stress in
Beziehungen zu
Gleichaltrigen
Eher reaktive Aggression
Dr. Marc Allroggen
Gewalt zwischen Kindern und Jugendlichen
1. Formen und Prävalenz
2. Entstehungsbedingungen aggressiven Verhalten
3. Störung des Sozialverhaltens
4. Bullying
5. Intervention und Prävention
6. Sexuelle Gewalt unter Kindern und Jugendlichen
Dr. Marc Allroggen
3. Formen aggressiven Verhaltens – Zusammenhang zu
psychischen Erkrankungen
Siever, 2008
Dr. Marc Allroggen
3. BELLA Studie (Ravens-Sieberer et al., 2007)
Dr. Marc Allroggen
3. Definition Störungen des Sozialverhaltens
Die Störungen des Sozialverhaltens umfassen ein Muster
dissozialen, aggressiven oder aufsässigen Verhaltens mit
Verletzungen altersentsprechender sozialer Erwartungen,
welches länger als 6 Monate besteht.
Sie
kommen
oft
gleichzeitig
mit
schwierigen
psychosozialen Umständen (ICD-10: F91) vor und
können mit deutlichen Symptomen einer emotionalen
Störung, vorzugsweise Depression oder Angst,
kombiniert sein (ICD-10: F92).
Dr. Marc Allroggen
3. Leitsymptome Störung des Sozialverhaltens
Deutliches Maß an Ungehorsam, Streiten oder Tyrannisieren
Ungewöhnlich häufige oder schwere Wutausbrüche
Grausamkeit gegenüber anderen Menschen oder Tieren
Erhebliche Destruktivität gegenüber Eigentum
Zündeln
Stehlen
Häufiges Lügen
Schuleschwänzen
Weglaufen von zu Hause.
Bei erheblicher Ausprägung genügt jedes einzelne der genannten
Symptome für die Diagnosestellung, nicht jedoch einzelne dissoziale
Handlungen.
Zentrales Symptom: Aggressives Verhalten
Dr. Marc Allroggen
3. Entwicklungsverlauf von Störungen des Sozialverhaltens
Frühe Kindheit
Angst
Opposition.
Trotzverhalten
Adoleszenz
Depression
Störung des
Sozialverhaltens
Erwachsenenalter
Substanzmißbrauch
Antisoziale
Persönlichkeitsstörung
Hyperkinetische
Störung
nach Loeber et al. (2000)
Dr. Marc Allroggen
3. Verlauf Störung des Sozialverhaltens (n=362) (Mannheimer
Risikokinderstudie, Ihle et al., 2004)
Dr. Marc Allroggen
3. Risikofaktoren bei Geburt für die Entwicklung einer
SSV mit 11 Jahren (Mannheimer Risikokinderstudie, Ihle et al., 2004)
Dr. Marc Allroggen
3. Entstehungsbedingungen – Erziehungsstile (Pittsburgh
Youth Study)
Zuverlässig: viel Unterstützung, viel Kontrolle, gute
Kommuniktionsskills, keine körperliche Züchtigung, adäquate
Kontrolle
Autoritär: wenig Unterstützung, viel Kontrolle, körperliche
Züchtigung
Gewährend: viel Unterstützung, wenig Kontrolle
Vernachlässigend: wenig Unterstützung, wenig Kontrolle,
körperliche Züchtigung (Maccoby & Martin 1983; Hoeve et al. 2008)
Dr. Marc Allroggen
3. Psychopathie und Dissoziale Persönlichkeitsstörung
Dissoziale Persönlichkeitsstörung ist gekennzeichnet durch Diskrepanz
zwischen dem Verhalten des Betroffenen und geltenden sozialen
Normen sowie Mangel an Empathie, Beziehungsschwierigkeiten und
mangelndem Schuldbewusstsein (im DSM-IV: keine tiefgreifende
Störung der Charakterbildung)
Kriterien gemäß ICD-10
1. Mangel an Empathie
2. Verantwortungslosigkeit und Missachtung sozialer Normen
3. Unvermögen zum Beibehalten längerfristiger Beziehungen
4. Geringe Frustrationstoleranz
5. Unfähigkeit zum Erleben von Schuldbewusstsein und zum Lernen aus
Erfahrung (Bestrafung)
6. Neigung, andere zu beschuldigen und Rationalisierung des eigenen
Verhaltens
7. Andauernde Reizbarkeit
Dr. Marc Allroggen
3. Psychopathie und Dissoziale Persönlichkeitsstörung
Neben dem antisozialen Verhalten zeichnet sich Psychopathie
durch
deutlich
ausgeprägte
narzisstisch-manipulative
Persönlichkeitszüge sowie zusätzliche emotionale Auffälligkeiten
wie Empathielosigkeit, fehlende Reue und allgemeine
Gefühlsarmut aus.
Aktuell zwei rivalisierende Faktorenstrukturen:
4-Faktoren-Modell (Hare, 2003):
zwei Kerndimensionen
(Interpersonaler
und
Affektiver
Faktor)
sowie
zwei
Verhaltensdimensionen (Lifestyle und Antisozialer Faktor).
3-Faktoren-Modell (Cooke und Michie, 2001): Eliminierung von
Items, die sich speziell auf kriminelles Verhalten beziehen
(Antisozialer Faktor), da das antisoziale Verhalten aus der
Störung resultiert und daher nicht zu den definitorischen
Merkmalen von Psychopathy gehören sollte.
Dr. Marc Allroggen
Gewalt zwischen Kindern und Jugendlichen
1. Formen und Prävalenz
2. Entstehungsbedingungen aggressiven Verhalten
3. Störung des Sozialverhaltens
4. Bullying
5. Intervention und Prävention
6. Sexuelle Gewalt unter Kindern und Jugendlichen
Dr. Marc Allroggen
4. Definition Bullying (Olweus, 2013)
Form des aggressiven Verhaltens mit den Kennzeichen
Intentional (proaktiv)
Wiederholt auftretend
Machtgefälle zwischen Täter und Opfer
Dr. Marc Allroggen
4. Häufigkeit von Bullying (Olweus, 2013)
Dr. Marc Allroggen
4. Häufigkeit von Bullying (Olweus, 2013)
Dr. Marc Allroggen
4. Risikofaktoren für Bullying (Scheithauer et al., 2003)
bullies
victims
Bully victims
individ
uumsb
ezogen
z.B. älter, körperlich
überlegen, positive
Einstellung zur
Gewalt, keine
Bindung an Schule,
wenig ängstlich,
idealisiertes
Selbstbild, beliebt,
wenig Empathie,
impulsiv
z.B. wenig beliebt,
ungünstige
Stressverarbeitung,
hohe Ängstlichkeit,
negatives
Selbstkonzept,
negative Einstellung
zur Gewalt, fühlen
sich in der Schule
wenig zugehörig,
niedriger sozialer
Statu
Hohe psychosoziale
Belastungen,
Zurückweisungen, wenig
Freunde, ängstlich/
depressiv, impulsiv/
hyperaktiv, „hitzköpfig“,
Lernstörungen, wenig
prosoziales Verhalten, ,
verzerrte
Informationsverarbeitung
familiär
Autoritär, bestrafend,
rigide, ganzes Kind
wird „verurteilt“, hohe
Akzeptanz Gewalt,
geringer
Zusammenhalt dun
Bindung,
Machtdifferenzen
zwischen Eltern
Restriktiv,
überbehütend,
Einmischung, Väter
oft distanziert/ kühl,
teilweise körperliche
Misshandlungen,
ambivalente
Beziehungen Kind /
Eltern
Inkonsisteter/
bestrafender
Erziehungsstil, Gewalt,
Zurückweisung, wenig
Wärme, negative
Beziehungen Kind Eltern
schulis
ch
Negatives, unkooperatives Klima, negative Schulkultur, inkonsistentes
Verhalten Lehrer, keine Sanktionierung Bullying, kein Profil gegen Gewalt,
wenig Überwachung, wenig Gestaltungsmöglichkeiten für Schüler,
Machtmissbrauch, Langeweile, sozial benachteiligte Kinder, niedriges
Bildungsniveau, angespanntes Klima im Kollegium
Dr. Marc Allroggen
Gewalt zwischen Kindern und Jugendlichen
1. Formen und Prävalenz
2. Entstehungsbedingungen aggressiven Verhalten
3. Störung des Sozialverhaltens
4. Bullying
5. Intervention und Prävention
6. Sexuelle Gewalt unter Kindern und Jugendlichen
Dr. Marc Allroggen
Persönliche
Ressourcen
(soziokogn.
Kompetenzen;
Ich-Stärke)
Moral
Empathie
Prosoziales Verhalten
Kommunikation
Problemlösefertigkeiten
Bewältigung
entwicklungsspezif.
Aufgaben
Soziale
Ressourcen
(Fam. Stützsystem,
Soz. Einbettung
außerfamiliär)
Leistungserfolge
Soziale Erfolge
(nach Fend, 2005)
Dr. Marc Allroggen
5. Formen der Prävention
Universelle Prävention zielt auf Allgemeinbevölkerung ab und ist
unabhängig von vorliegenden Risikofaktoren.
Selektive Prävention ist beschränkt auf Individuen mit einem
erhöhten Risiko für die Entwicklung von Symptomen.
Indizierte Prävention fokussiert auf Individuen, die prodromale
Zeichen oder Symptome zeigen, bei denen die Kriterien für eine
Störung aber (noch) nicht erfüllt sind.
Dr. Marc Allroggen
5. Präventionsprogramme Aggressives Verhalten (Petermann
u. Lehmkuhl, 2010)
Dr. Marc Allroggen
5. Präventionsprogramme Aggressives Verhalten (Petermann
u. Lehmkuhl, 2010)
Dr. Marc Allroggen
5. Prävention aggressiven Verhaltens (Connor, 2006)
Präventions- und frühe Interventionsprogramme sind effektiv, wenn
– Unterstützung von Kind, Familie und Lehrer/Erzieher erfolgt
– Gezielte Interventionen regelmäßig hochfrequent erfolgen
– Die Intervention ausreichend lang ist (mind. 2 Jahre)
– Spezifische Interventionen zur Reduktion psychosozialer
Risikofaktoren (gewalttätiges Familienklima, vernachlässigender
oder misshandelnder Erziehungsstil) erfolgen
– Eine Verbesserung der Eltern-Kind-Interaktion erfolgt
(Kommunikation, Problemlöse-Verhalten, Copingstrategien)
– Die Intervention möglichst früh erfolgt (Alter des Kindes 0-6
Jahre)
– Eine intensive Kollaboration zwischen Familie, Schule,
Jugendamt, Jugendgerichtshilfe und KJP erfolgt
Dr. Marc Allroggen
5. Best practice recommendations (Eyberg et al., 2008)
Junge Kinder  Elterntraining
Jugendliche  Individualtherapie
- Komplexe Behandlungsprogramme [Multidimensional
Treatment Foster Care (MTFC) (Chamberlain & Smith, 2003);
Multisystemic Therapy (MST) (Henggeler & Lee,
2003)]
- Ausführliche Diagnostik bevor Behandlung
- Konsequente Behandlung
Dr. Marc Allroggen
5. Faktoren für einen erfolgreichen Übergang ins
Erwachsenenalter (Masten et al., 2006)
a) Verbesserung der Executivfunktionen (kognitive
Flexibilität, Impulskontrolle, Arbeitsgedächtnis)
b) Motivation (Selbstwirksamkeit)
c) Äußere Gegebenheiten (opportunities)
Bedeutsamer Faktor:
Beziehungen (Familie, Partner, Mentoren) (Burt und Paysnick, 2012)
Dr. Marc Allroggen
5. Behandlungsoptionen Störung des Sozialverhaltens –
Initiale Diagnostik (Pappadopulos et al., 2011)
Dr. Marc Allroggen
5. Behandlungsoptionen Störung des Sozialverhaltens –
Motivierung zur Behandlung (Pappadopulos et al., 2011)
Dr. Marc Allroggen
5. Behandlungsoptionen Störung des Sozialverhaltens –
Psychosoziale Behandlungsmethoden (Pappadopulos et al.,
2011)
Dr. Marc Allroggen
5. Behandlungsoptionen Störung des Sozialverhaltens –
Indikation für Pharmakotherapie (Pappadopulos et al., 2011)
Dr. Marc Allroggen
5. Ansatzpunkte Pharmakotherapie (Comai et al., 2012)
Dr. Marc Allroggen
5. Wirksamkeit Pharmakotherapie (Cochrane Systematic
Review, Loy et al., 2012)
Dr. Marc Allroggen
5. Wirksamkeit Pharmakotherapie (Cochrane Systematic
Review, Loy et al., 2012)
Dr. Marc Allroggen
5. Wirksamkeit Pharmakotherapie (Cochrane Systematic
Review, Loy et al., 2012)
Dr. Marc Allroggen
Gewalt zwischen Kindern und Jugendlichen
1. Formen und Prävalenz
2. Entstehungsbedingungen aggressiven Verhalten
3. Störung des Sozialverhaltens
4. Bullying
5. Intervention und Prävention
6. Sexuelle Gewalt unter Kindern und Jugendlichen
Dr. Marc Allroggen
6. Definitionen: Sexuell aggressives Verhalten
Jede Form von ungewolltem sexuellen Kontakt, der durch gewalttätige oder nicht‐gewalttätige Mittel erreicht wird (Krahé & Scheinberger‐Olwig, 2002).
Er beinhaltet sowohl relativ milde Übergriffe (z.B. Küssen oder Berühren), aber auch schwere sexuelle Übergriffe (z.B. Vergewaltigung oder Zwang zu sexuellen Handlungen).
Die Mittel, die eingesetzt werden, um einen ungewollten sexuellen Kontakt zu erreichen, können verbalen Druck, Bedrohungen aber auch körperliche Gewalt umfassen.
Dr. Marc Allroggen
6. Definitionen: Sexuelle Belästigung (sexual harassment)
Sexuell aggressives Verhalten und sexualisiertes Verhalten, das überwiegend nicht mit körperlichem Kontakt bzw. leichteren Formen sexuell aggressiven Verhaltens einhergeht, und auch Verhaltensweisen erfasst
‐ wie das Erzählen von obszönen Witzen,
‐ sexuelle Beleidigungen oder Bemerkungen,
‐ Zeigen von pornografischem Material gegen den Willen des Betroffenen.
Es kann als jede Form der unerwünschten sexuellen Aufmerksamkeit angesehen werden (McMaster et al., 2002).
Dr. Marc Allroggen
6. Definitionen
Sexuelles Problemverhalten:
Verhalten, das das Kind sexuellen Risiken aussetzt, mit Entwicklungsaufgaben oder sozialen Beziehungen interferiert oder Verhalten, das für das Kind selbst oder andere missbrauchend ist. (Chaffin et al., 2006)
Geschwisterinzest: Sexuelle Kontakte innerhalb der Geschwisterbindung (Klees, 2008)
Tatform
→ „Hands‐off‐Taten“ (z. B. Exhibitionismus, Voyeurismus, Belästigung) → „Hands‐on‐Taten“ (sexuelle Übergriffe, Vergewaltigung) Alter des Opfers
→ jugendliche Täter, deren Opfer primär Kinder sind („child offenders“)
→ jugendliche Täter, deren Opfer primär gleichaltrig oder älter sind („peer offenders“) (Becker et al., 1993)
Dr. Marc Allroggen
6. Fazit
Sexuelles Verhalten unter Kinder und Jugendlichen ist problematisch wenn:
a) deutlicher Altersabstand (in der Regel mehr als 5 Jahre) zwischen den Beteiligten besteht und/oder
b) es zum Einsatz von Gewalt bzw. Zwang bei oder vor sexuellen Handlungen kommt
(Julius & Boehme, 1997; Kapella & Cizek, 2001; Wetzels, 1997)
Dr. Marc Allroggen
6. Sexuelle Gewalt unter Kindern
‐ kaum differenzierte Studien → Untersuchungen überwiegend zu
Kindesmissbrauch oder keine Differenzierung zwischen erwachsenen,
jugendlichen und kindlichen Tätern
‐ aus retrospektiven Untersuchungen mit erwachsenen Tätern ist bekannt, dass diese bereits als Kinder und Jugendliche ein
problematisches Sexualverhalten zeigten. (Abel et al., 1993)
Prävalenzraten in Übersichtsarbeit, 9 nationale Studien (Finkelhor 1994)
‐ sexueller Kindesmissbrauch: Frauen zwischen 9%‐33%, bei Männern
zwischen 3%‐16%
‐ innerfamiliäre Missbrauchserfahrungen: bei Frauen zwischen 14%‐44%, bei
Männern zwischen 0%‐25%
Sexueller Missbrauch in Kindheit und Jugend abhängig von Definition: 12,8 % (Frauen 18,1 %, Männer 7,3 %) bzw. 4,2 % (Frauen 6,2 %, Männer 2,0 %). (Wetzels 1997) Sexuellen Missbrauch mit Körperkontakt vor dem Alter von 16 Jahren: 6,4 % der befragten Frauen bzw. 1,3 % der befragten Männer an (Bieneck et al. 2011) Dr. Marc Allroggen
6. Sexuelle Gewalt unter Kindern (Häuser et al. 2011)
Dr. Marc Allroggen
6. Sexuelle Gewalt unter Kindern
‐ allgemeine Gewalterfahrungen von Kindern 11‐13 J., 12 Mon. (4,1 % der Kinder Opfer von Gewalt, 5,7 % sowohl Täter als auch Opfer,
13,8 % gaben an, lediglich Täter gewesen zu sein).
‐ Mit steigendem Alter (Altersgruppe 14‐17) Zunahme sowohl der
Häufigkeit der reinen Opfer (4,9 %) als auch der reinen Täter (15,6 %)
Konstellation Opfer/Täter bleibt im Wesentlichen unverändert (5,6 %)
(Kinder‐ und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS), Schlack und Hölling 2007).
Studie über Erfahrung von sexuell übergriffigem Verhalten von Grundschülern (N=1729 Grundschüler in Hong‐Kong)
‐ 23 % der Grundschüler berichten von sexuell übergriffigem Verhalten
von Mitschülern, wird in Schule als etwas Alltägliches wahrg. (Li et al., 2010)
Retrospektive Befragung über sexuelle Erfahrungen in der Kindheit
~ 80 % berichten von einvernehml. sex. Erfahrungen vor dem 13. Lj., (bei 6‐10 Jährigen gegenseitige Manipulation an den Genitalien 16,5 %, Einführen von Gegenständen in den Anus oder die Vagina 10,2 % oder Oralverkehr 4,7 %. Im Alter von 11 bis 12 Jahren weniger Vorkommen)
~ 13 % von sex. Missbrauchserfahrungen. (Larsson und Svedin 2002)
Dr. Marc Allroggen
6. Sexuelle Gewalt unter Kindern
Vergleich sexualisiertes Verhalten 6‐12 jähriger Kinder ‐ bei sexuell missbrauchten Kindern durchgängig häufigeres
sexualisiertes Verhalten (Pithers und Gray 1998)
‐ bis zum Alter von 7 Jahren, 41 % der missbrauchten Kinder
zeigen sexualisiertes Verhalten (Gale et al. 1988)
‐ missh. Kinder im Durchschnitt in 28 % der Fälle (Kendall‐Tacket et al. 1993)
‐ bei sex. aggressiven Kindern höherer Anteil an Mädchen als in Jugendlichen‐
und Erwachsenenstichproben (Silovsky u. Niec, 2002; Tarren‐Sweeney, 2008)
→ Zum jetzigen Zeitpunkt kann nicht sicher angegeben werden, wie häufig Kinder von sexuell aggressivem Verhalten durch Gleichaltrige betroffen sind oder wie häufig die Prävalenz von sexuell aggressivem Verhalten bei Kindern ist.
Dr. Marc Allroggen
6. Häufigkeit Sexuell belästigenden Verhaltens (Allroggen et al., 2013)
Studie
Land
N
Alter bzw. Jahrgangsstufe
Beobachtungs‐
zeitraum
Gesamt
m
f
Timmerman et al. (2002)1
Niederlande
2.808
15-16 Jahre
12 Monate
18%
11%
24%
Attar-Schwartz (2009)
Israel
16.604
Jahrgangsstufe
7-11
1 Monat
25,60%
21,90%
29,2%
Mulugeta et al. (1998)
Äthiopien
1.401
16,4 Jahre
Lebenszeit
74 %
Witowska (2005)1
Schweden
540
17-18 Jahre
12 Monate
49%
Felix et al. (2009)
USA
70.600
Jahrgangsstufe
7-11
12 Monate
47,80%
41%
53,20%
AAUW (2011)
USA
1.965
Jahrgangsstufe
7-12
12 Monate
48%
40%
56%
Gruber u. Fineran (2008)
USA
522
Jahrgangsstufe
7-12
Schuljahr
35,30%
34%
36%
Petersen u. Hyde (2009)
USA
242
15,5 Jahre
12 Monate
78%
65%
Petersen u. Hyde (2009)
USA
242
11,52 Jahre
12 Monate
55%
38%
Chiodo et al. (2009)
Kanada
1.822
Jahrgangsstufe 9
3 Monate
43%
42,40%
44,10%
Walsh et al., (2007)
Kanada
1.582
16,88 Jahre
2 Wochen
57%
Dr. Marc Allroggen
6. Ergebnisse AAUW (2011)
Dr. Marc Allroggen
6. Ergebnisse AAUW (2011)
Dr. Marc Allroggen
6. Ergebnisse AAUW (2011)
Dr. Marc Allroggen
6. Ergebnisse AAUW (2011)
Dr. Marc Allroggen
6. Ergebnisse AAUW (2011)
Dr. Marc Allroggen
6. Ergebnisse AAUW (2011)
Dr. Marc Allroggen
6. Sexuelle Gewalt
unter Jugendlichen
(Finkelhor et al., 2009)
Dr. Marc Allroggen
6. Sexuelle Gewalt
unter Jugendlichen
(Finkelhor et al., 2009)
Dr. Marc Allroggen
6. Sexuelle Gewalt unter
Jugendlichen
(Finkelhor et al., 2010)
Dr. Marc Allroggen
6. Sexuelle Gewalt unter Jugendlichen
Turner et al., 2011; n=2999, 6‐17 Jahre, 50 % weiblich, 12‐Monatsprävalenz
Dr. Marc Allroggen
6. Sexuelle Gewalt unter Jugendlichen in Deutschland (Baier et al., 2009; n=44610, 9. Klasse)
Dr. Marc Allroggen
6. Sexuelle Gewalt unter Jugendlichen in Deutschland (Baier et al., 2009; n=44610; 9. Klasse)
Dr. Marc Allroggen
6. Sexuelle Gewalt unter Jugendlichen in der Schweiz (Optimus Studie, 2012; n=6749; Alter 15‐ 17 Jahre, 48 % Mädchen)
Dr. Marc Allroggen
6. Sexuelle Gewalt unter Jugendlichen in der Schweiz (Optimus Studie, 2012; n=6749; Alter 15‐ 17 Jahre, 48 % Mädchen)
Dr. Marc Allroggen
6. Sexuelle Gewalt unter Jugendlichen in der Schweiz (Optimus Studie, 2012; n=6749; Alter 15‐ 17 Jahre, 48 % Mädchen)
Dr. Marc Allroggen
6. Sexuelle Gewalt unter Jugendlichen in der Schweiz (Optimus Studie, 2012; n=6749; Alter 15‐ 17 Jahre, 48 % Mädchen)
Dr. Marc Allroggen
6. Sexuelle Gewalt unter Jugendlichen in der Schweiz (Optimus Studie, 2012; n=6749; Alter 15‐ 17 Jahre, 48 % Mädchen)
Dr. Marc Allroggen
6. Sexuelle Gewalt unter Jugendlichen in der Schweiz (Optimus Studie, 2012; n=6749; Alter 15‐ 17 Jahre, 48 % Mädchen)
Dr. Marc Allroggen
6. Sexuelle Gewalt in Partnerschaften
‐4 % adoleszenter Jungen und Mädchen berichten in internationalen Studien von sexuellen Übergriffen durch Partner in Beziehungen (Leitenberg und Saltzmann, 2000; Ackard und Neumark‐Sztainer, 2002)
‐häufige Assoziation mit körperlicher und verbaler Gewalt (Collins et al, 2009; Fernàndez‐Fuertes und Fuertes, 2010)
‐generell sexuelle Kontakte unter Jugendlichen oft problematisch: häufig wird Sexualität instrumentalisiert (z. B. um Partner zu binden), fließender Übergang zwischen freiwilliger und unfreiwilligen sexuellen Kontakten, oft nicht eindeutige Kommunikation (Collins et al., 2009; Kraheé et al., 1999)
‐Qualität von Beziehungen unter Jugendlichen hängt in hohem Maße von positiven frühen Eltern‐Kind‐Erfahrungen ab, von der Erfahrung mit Beziehungen zu Gleichaltrigen und deren Einstellung zu sexueller Gewalt (Krahé et al., 1999; Li et al., 2010; Collins et al., 2009)
‐wichtigster Prädiktor für gewalttätiges Verhalten in Beziehungen ist früheres gewalttätiges Verhalten
Dr. Marc Allroggen
6. Sexuelle Gewalt in Partnerschaften (Optimus Studie, 2012; n=6749; Alter 15‐ 17 Jahre, 48 % Mädchen)
Dr. Marc Allroggen
6. Sexuelle Gewalt an Schulen (DJI, 2011)
Dr. Marc Allroggen
6. Sexuelle Gewalt an Schulen
Vom DJI durchgeführte Befragung an Schulen und Internaten zu sexuellen Übergriffen unter Kindern und Jugendlichen in den letzten 3 Jahren (UBSKM, 2011)
‐ mindestens ein Verdachtsfall: 16,0 % der Schulleitungen, 17,4 % der
Lehrkräfte ‐ 65 % (Schulleitungen) bzw. 49,4 % (Lehrkräfte) der verdächtigten Kinder unter
14 Jahre alt
‐ 82 % (Schulleiter) bzw. 61,3 % (Lehrkräfte) der betroffenen Kinder unter 14
Jahre alt
‐ häufigste Formen der Übergriffe: Berührungen am Körper und an den
Geschlechtsteilen (aber auch schwere Übergriffe wurden benannt)
‐ Internate: 27,8 % der Internatsleitungen berichteten von entsprechenden
Verdachtsfällen
Dr. Marc Allroggen
6. Sexuelle Gewalt an Internaten (DJI, 2011)
Dr. Marc Allroggen
6. Sexuelle Gewalt in Einrichtungen der Jugendhilfe
‐ Kinder in Pflegefamilien und Einrichtungen der Jugendhilfe sind
Risikogruppe für erneute körperliche Misshandlung oder sexuellen
Missbrauch (Dowdell et al., 2009).
‐ Risiko für ein Kind in einer Pflegefamilie in Untersuchung in Nord‐England
7‐8x höher erneut misshandelt oder missbraucht zu werden, 6x höher für
Kind in Einrichtung der Jugendhilfe. (Hobbs et al., 1999)
‐ Verantwortlich für Übergriffe in 41 % der Fälle Pflegeeltern, in 23 % Eltern, in 20 % Kinder/Jugendliche (Hobbs et al., 1999)
‐ Untersuchung aus Irland: Mitbewohner nach Fachkräften die zweitgrößte Gruppe
der Täter (DJI, 2010)
‐ In Deutschland: 27,8 % der Internate, 38,9 % der Heime berichten von
Verdachtsfällen von sexuellen Übergriffen unter Kindern und Jugendlichen (UBSKM, 2011)
Dr. Marc Allroggen
6. Sexuelle Gewalt in Einrichtungen der Jugendhilfe (DJI, 2011)
Dr. Marc Allroggen
6. Merkmale sexueller Gewalt durch Gleichaltrige in
Institutionen (Helming et al., DJI, 2011)
Sexuelle Gewalt durch Gleichaltrige unterscheidet sich von sexueller Gewalt durch Beschäftigte:
‐ häufiger Jungen als Opfer (aber dennoch überwiegend Mädchen betroffen)
‐ in Heimeinrichtungen überwiegend Kinder unter 14 Jahren betroffen (65%) (bei Übergriffen durch Beschäftigte überwiegend Jugendliche zwischen 14 und
18 Jahren (62%)
‐ häufiger Einsatz körperlichen Zwanges
Dr. Marc Allroggen
6. Entstehungsbedingungen sexuell aggressiven Verhaltens
‐erlebter sexueller Missbrauch Prädiktor für sexuell übergriffiges Verhalten (Lightfood und Evans 2000, Wagman Borowsky et al. 1997, Spehr et al., 2010, Seto und Lalumière 2010)
‐aber: Bedeutung möglicherweise höher bei Jungen und bei child offenders (Wagman Borowsky et al., 1997; Seto und Lalumière, 2010), Risiko steigt bei schwerem und längerem Missbrauch (Burton et al. 2002) moderierende Faktoren: eigene Schuldvorwürfe (Hall et al., 2002), Alter des Kindes (Grabell und Knight, 2009), Funktionsniveau der Familie (Hall et al., 2002)
‐Misshandlung ebenfalls mit höherem Risiko verbunden (Merrick et al., 2008)
Weitere Faktoren, die sexuell aggressive Jugendliche von allgemein aggressiven Jugendlichen unterscheiden (Seto und Lalumière, 2010):
‐soziale Isolation (aber nicht soziale Inkompetenz)
‐atypische sexuelle Interessen
‐Angst, geringes Selbstwertgefühl
‐weniger antisoziales Verhalten (aber gleich häufig antisoziale Persönlichkeitszüge)
Dr. Marc Allroggen
6. Entstehungsbedingungen sexuell aggressiven Verhaltens
„child offenders“ zeigen gegenüber „peer offenders“
‐mehr psychopathologische Auffälligkeiten
‐sind weniger extrovertiert
‐sind sozial schlechter integriert
‐haben ein negativeres Selbstbild
‐haben häufiger problematische familiäre Hintergründe
‐sind häufiger Opfer von Vernachlässigung, sexuellem Missbrauch und
Gewalt in ihrer Herkunftsfamilie
‐sind im Durchschnitt jünger
‐setzen seltener körperliche Gewalt ein
‐fallen insgesamt weniger durch andere Gewalttaten auf
‐kennen ihre Opfer häufiger
‐Opfer sind überwiegend männlich
(Hendriks und Bijleveld, 2004; Kemper und Kistner, 2010)
Dr. Marc Allroggen
Merkmale jugendlicher und heranwachsender Sexualstraftäter im Vergleich zu erwachsenen Sexualstraftätern (Dahle et al., 2008; Elz, 2003):
‐ sexuelle Straftaten werden öfter gemeinschaftlich ausgeübt
‐ häufigere Penetration
‐ meist unbekannte Opfer 6. Entstehungsbedingungen sexuell aggressiven Verhaltens
‐Abwesenheit eines oder beider biologischen Elternteile, insbesondere des Vaters (Elsner et al., 2008; Johnson und Way, 2001; Silovsky, 2002), ‐wiederholte Beziehungsabbrüche zu primären Bezugspersonen und Beziehungswechsel, ‐sexuelle oder körperliche Gewalterfahrung der Mutter (Bentovim, 1996), ‐geringer sozioökonomischer Status und geringere Bildung der Eltern als Risikofaktor für einen gesteigerten Kontakt mit Medien sexuellen Inhaltes und mittelbar für sexuell belästigendes Verhalten sowie frühen Geschlechtverkehr und Oralsex und eine permissive Einstellung (Brown und Engle, 2009); ‐promiskuitives Verhalten (Young et al., 2009´; Gidycz und Warkentin, 2007); ‐früheres sexuell aggressives Verhalten (stärkster Prädiktor für erneutes sexuell aggressives Verhalten) ‐Defizite in der sozialen Kompetenz, Schulschwierigkeiten (Spehr et al., 2010), Sprachentwicklungsstörungen (Hinrichs et al. 2008), hyperkinetische Störungen, Angststörungen, affektive Störungen, Probleme der sozialen Integration (Fago, 2003)
‐Drogemissbrauch, Mitgliedschaft in einer Gang, erhöhtes Suizidrisiko (Wagman Borowsky et al. 1997)
Dr. Marc Allroggen
6. Entstehungsbedingungen sexuell aggressiven
Verhaltens
3 Gruppen jugendlicher Sexualstraftäter, die mit Gruppe Jugendlicher
verglichen wurde, die Körperverletzungsdelikte begangen habe (Hummel, 2005)
a) weibliche Opfer, die älter als 14 Jahre sind: Veränderung der Gleichaltrigenbeziehungen nach dem 14. Lebensjahr b) männliche Opfer, die älter als 14 Jahre sind: früh aggressives Verhalten, Beziehung zum Vater belastet durch Vorstrafen oder Alkoholprobleme des Vaters
a) Opfer beiderlei Geschlechts, die jünger als 12 Jahre sind: Häufige Beziehungswechsel in der Kindheit, körperliche Entwicklungsdefizite, schlechtere Integration in die Gruppe der Gleichaltrigen bereits in Kindheit, höhere Belastung durch sexuellen Missbrauch
Dr. Marc Allroggen
6. Rolle der Medien
Institut für
interdisziplinäre
Konflikt- und
Gewaltforschung
(IKG), 2012; n=1.881;
MW Alter: 15,7 Jahre
Dr. Marc Allroggen
6. Rolle der Medien
Dr. Marc Allroggen
6. Rolle der Medien – mögliche Wirkmechanismen (Huesmann,
2007)
Kurzfristige Effekte:
Priming: neuronale Verknüpfung zwischen Stimulus und Kognition
mit daraus resultierenden „automatischen“ Verhaltensweisen
Arousal: durch gesteigerte Anspannung verliert man Kontrolle über
sozial akzeptables Verhalten
Mimicry: Nachahmungseffekte
Langzeiteffekte:
Lernen durch Beobachtung: welche Verhaltensweisen sind adäquat,
Desensitivierung: Gewöhnung an Bildern von Gewalt
Dr. Marc Allroggen
6. Entstehungsbedingungen sexuell aggressiven Verhaltens –
Modelle zur Entstehung (Mosser, DJI, 2012)
Zusammenspiel von Verhalten, Persönlichkeitsvariablen und Umwelt (Burton et al., 1997)
1) Lerntheoretische Modelle (sexuelle Aggression als belohnend wahrgenommen; erlerntes und erprobtes Verhalten) (Burton et al., 1997; Hall et al., 2002)
2) Bindungstheoretische Modelle (Kompensation unzureichender interpersoneller Bindungen) (Burk u. Burkhardt,2003)
aber: tatsächliche Unterschiede zwischen sexuell und allgemein aggressiven Jugendlichen? (Chaffin et al., 2006)
Dr. Marc Allroggen
6. Entstehungsbedingungen sexuell belästigenden Verhaltens
Gegengeschlechtliche Belästigung (McMaster et al., 2002)
→ entsteht im Kontext des sexuellen Interesses und dient der Vorbereitung heterosexueller Kontakte
→ nimmt im Laufe der Pubertät zu und ist verknüpft sowohl mit der Pubertätsentwicklung als auch mit der Integration in gemischt geschlechtlichen Gruppen
→ evtl. Entwicklungsschritt hin zu schwerem sexuell aggressiven Verhalten (Pepler et al., 2006)
Gleichgeschlechtliche Belästigung (McMaster et al., 2002)
→ Zusammenhang mit prinzipieller Feinseligkeit und bereits früher aufgetretenem aggressivem Verhalten
→ sexualisierte Form von allgemeinem aggressiven Verhalten
Dr. Marc Allroggen
6. Entstehungsbedingungen sexuell belästigenden Verhaltens (Fineran u. Bolen, 2006; n=707, Alter 15,9)
Dr. Marc Allroggen
6. Entstehungsbedingungen sexuell belästigenden Verhaltens (Fineran u. Bolen, 2006; n=707, Alter 15,9)
Dr. Marc Allroggen
6. Schutz‐ und Risikofaktoren (Collins et al., 2009; Wagman Borowsky et al., 1997)
Risikofaktoren Opfer:
-
Frühere Missbrauchs- und Misshandlungserfahrungen
-
Bindungsstörungen, Störungen der Nähe-Distanz-Regulation
-
Alkoholkonsum
-
Promiskuitives Verhalten
-
Gruppen- und partnerdynamische Prozesse
-
Fehlende bzw. verzerrte Sexualaufklärung
Dr. Marc Allroggen
6. Schutz‐ und Risikofaktoren (Wagman Borowsky et al., 1997, Mosser, 2012)
Schutzfaktoren Täter:
-
Bei erlebtem sexuellen Missbrauch: höheres Funktionsniveau der
Familie, soziale Unterstützung, stabile Eltern-Kind-Beziehungen
-
Jungen: emotionale Stabilität, gute soziale Integration
-
Mädchen: gute schulische Leistungen
Schutzfaktoren Opfer:
-
Integration in nicht-dissoziale Gruppe Gleichaltriger
-
?
Dr. Marc Allroggen
6. Geschwisterinzest
Prävalenzen zwischen 2 % und 17 % (Klees, 2008), aber wenige, nicht
repräsentative Studien
häufig schwere und lang anhaltenden sexuellen Übergriffe (Carlson et al., 2006)
Bedeutung familiärer, biografischer und individueller Faktoren (Klees, 2008;Tidefors
et al., 2010)
Ungünstige familiäre Bedingungen spielen möglicherweise eine größere Rolle
bei der Entstehung von Geschwisterinzest als bei übriger sexueller Gewalt
durch Jugendliche (Tidefors et al., 2010)
häufig finden sich in Familien, in denen es zu Geschwisterinzest kommt,
weitere sexuelle und aggressive Übergriffe (Smith und Israel, 1987; Carlson et al., 2006)
In der Untersuchung von Klees (2008), in der eine kleine Stichprobe von 13
jugendlichen Inzesttätern befragt wurde, missbrauchten 3 Täter zusätzlich
außerfamiliäre Opfer
Dr. Marc Allroggen
6. Schutzkonzepte wie umsetzen?
Rahmenbedingungen und betroffene Personen/ Instanzen
Opfer und Täter
‐ Angehörige
‐ Umfeld
‐ Kinder und Jugendliche
‐ Strafverfolgungsbehörde
‐ Fachberatung
‐ Aufsichtsbehörden/ Jugendamt ‐ Vormünder
Institutionelle Rahmenbedingungen
(Träger, Mitarbeitende,
Leitung, Ehrenamtliche)
Umfassende Konzepte zum Umgang
mit sexueller Gewalt sind gefragt.
Dr. Marc Allroggen
6. Institutionelle Rahmenbedingungen (Bundschuh, DJI, 2010)
Finkelhors Modell der vier Vorbedingungen für sexualisierte Gewalt:
1. Es besteht eine Motivation zum sexuellen Missbrauch.
2. Innere Hemmschwellen müssen überwunden werden.  Institutionelle Haltungen, die sexuelle Handlungen mit Kindern verharmlosen
 Grenzüberschreitungen durch Mitarbeitende ziehen keine gravierenden
Sanktionen nach sich
 Meldungen von Grenzüberschreitungen der Mitarbeitenden durch Kinder führen dazu, dass die betroffenen Kinder bestraft werden
3. Äußere Hemmschwellen müssen überwunden werden.  Spezifische Systemeigenschaften: weitgehend geschlossene Systeme oder offene Systeme  Spezifische Leitungsstrukturen: rigide und autoritäre Leitung oder unstrukturierte und unklare Leitung
4. Der Widerstand des Opfers muss überwunden werden.
 Unreflektierte Machtverhältnisse, Umgang mit Nähe und Distanz, Fehlen sexualpädagogischer Konzepte
Dr. Marc Allroggen
6. Institutionelle Rahmenbedingungen – Notfallplan (UBSKM,
2011)
1. Die Verantwortlichkeiten in den jeweiligen Stufen des Handlungsplans und die Rollen der Beteiligten sind zu klären und zu benennen.  Träger, Leitungskräfte, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Ehrenamtliche, Eltern, Strafverfolgungsbehörden.
2. Adäquate Formen der Beteiligung und die Wahrung der Selbstbestimmungsrechte der Betroffenen sind im Handlungsplan zu
verankern.
 Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene, Eltern etc.
3. Die Einschätzungsaufgaben im Umgang mit Vermutungen sind zu beschreiben.
 Aufgeführt muss sein, an welchen Stufen im Handlungsplan eine unabhängige Fachberatung mit welchen Aufgaben und in welcher Weise hinzuzuziehen ist.
Dr. Marc Allroggen
!
6. Institutionelle Rahmenbedingungen – Notfallplan (UBSKM,
2011)
4. Es muss beschrieben sein, wann sofortiges Tätigwerden notwendig ist und was als Sofortmaßnahme getan werden kann bzw. soll.  Bei Hinweise von betreuten Minderjährigen gegen Betreuungspersonen der Einrichtung, ist unabhängig von der Dauer und dem Ausgang der Prüfung ein Schutzkonzept in Kraft zu setzen.  Bei Vermutung auf andere Minderjährige, ist nicht nur ein Schutzkonzept für die bedrohten Minderjährigen, sondern auch ein Handlungskonzept für den vermeintlichen Täter in Kraft zu setzen.
5. Die datenschutzrechtlichen und vertraglichen Anforderungen an die Verschwiegenheit sind in allgemein verständlicher Weise zu beschreiben
insbesondere im Hinblick auf erforderlichen Bemühungen um eine Einwilligung zur Informationsweitergabe/ Voraussetzungen einer Informationsweitergabe gegen den Willen bzw. ohne Einverständnis
der Betroffenen.
6. Träger von Einrichtungen und Diensten, die unter Aufsicht stehen, geben klare Auskünfte im Rahmen vereinbarter Meldepflichten an die Aufsichtsbehörde und die zuständigen Jugendämter und ggf. Vormünder.
Dr. Marc Allroggen
!
6. Institutionelle Rahmenbedingungen – Notfallplan (UBSKM,
2011)
7. Schwelle für die Annahme eines Verdachts auf Begehung einer Straftat und Erfordernisse an die Abwägung vor einer Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden unter Beachtung der vorrangigen Schutzinteressen der (potenziell) betroffenen Kinder und Jugendlichen sollen in Übereinstimmung mit den Leitlinien zur Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden beschrieben werden.
Stellen Handlungsempfehlungen für den Umgang mit solchen Verdachtsfällen dar.  Bei Hinweisen aus eingeleiteten Verfahren der Strafverfolgungsbehörden, ist von dringendem Tatverdacht auszugehen. Sofortiges Einsetzen eines Schutzkonzeptes insbesondere dann, wenn sich die Ermittlungen gegen einen Beschäftigten der Einrichtung richten.
8. Es ist ein Verfahren zur differenzierten Dokumentation in Bezug auf die jeweiligen Stufen des Handlungsplans zu entwickeln.
 Unterscheidung zwischen fachlicher Abwägung und einer kriterienbezogenen Handlungsverpflichtung auf den Ebenen des Trägers, der Betroffenen sowie des Täters bzw. der Täterin.
Dr. Marc Allroggen
!
6. Schutzkonzepte und Interventionen –
Ebene des aggressiven Jugendlichen (Mosser, DJI, 2012)
‐
Ausführliche Diagnostik (Persönlichkeit, Biografie, Gewalterfahrungen, Beziehungsfähigkeit, sexuell problematische Verhaltensweisen, Entwicklungsstand, psychiatrische Erkrankungen)
‐
Frühzeitig Behandlungsangebote unterbreiten
‐
Wenn es zu Übergriffen gekommen ist: Wechsel der Einrichtung vermeiden
Dr. Marc Allroggen
6. Schutzkonzepte und Intervention –
Ebene (potentieller) Opfer
‐ Differenzierte Diagnostik und Behandlung (präventiv)
‐ Information über Kinderrechte
‐ Partizipation und Mitbestimmung
‐ Beschwerdemanagement für Kinder (Beschwerdekultur) Dr. Marc Allroggen
6. Schutzkonzepte und Interventionen –
Ebene der Institution
(Mosser, DJI, 2012)
‐
Angemessene und schnelle Reaktion der pädagogischen Fachkräfte
‐
Information der Eltern
‐
Prüfung, ob Verbleib in der Einrichtung möglich ist (Enders, 2012)
‐
Kooperation mit qualifizierten Institutionen/ Beratungsstellen, externe Unterstützung
‐
Verbindliche Verfahrensrichtlinien
‐
Unterstützung des Kindes und der Eltern
‐
Nachsorge
Dr. Marc Allroggen
6. Prävention sexuell aggressiven Verhaltens
‐Wenig Berücksichtigung von sexueller Gewalt unter Gleichaltrigen in aktuellen Präventionsprogrammen
‐Berücksichtigung von schulischen Faktoren bei sexueller Belästigung notwendig
‐Kaum Wirksamkeitsnachweise von Präventionsprogrammen (Taylor et al., 2010;Weist et al., 2009)
‐Integration von Thema sexueller Gewalt unter Gleichaltrigen in allgemeine Präventionsprogramme zu Aggression? (DeGue et al., 2012)
Dr. Marc Allroggen
6. Interventionen (König, 2011; Mosser, DJI, 2012)
‐ kognitiv‐behaviorale Gruppen‐ und Einzeltherapien (z. B. Butler u. Elliott, 2006; Silovsky et al., 2007; Stauffer u. Deblinger, 1996)
‐ Familientherapeutische Interventionen (Friedrich, 2007)
‐ Multisystemische Therapie (Letourneau et al., 2008)
‐ Traumatherapie (Cohen u. Mannarino, 1997)
‐ Modellprojekte (z. B. Spehr et al., 2010)
‐ Manualisierte Behandlungsprogramme (z. B. Mielke, 2009)
Dr. Marc Allroggen
6. Interventionen – Sexuelles Problemverhalten Kinder (Amand et al., 2008)
Metaanalyse 11Studien, 18 Behandlungen, Kinder 3-12 Jahre
Effektstärke insgesamt 0,46
Wirkfaktoren
Elternebene: Elterntraining/Verhaltensmanagement, Regeln über
Sexualverhalten, Sexualaufklärung, Fertigkeiten Missbrauchsprävention
Kinderebene: Selbst-Kontroll-Techniken, Vorschulalter
Familiäre Ebene: Einbindung der Familie
Zusammenfassung Wirkfaktoren: relevant bei Kindern ist Einbeziehung
der Eltern, kognitiv-behaviorale Ansätze effektiver als unspezifische oder
stützende Verfahren, keine höhere Wirksamkeit von
Gruppenbehandlungen
Dr. Marc Allroggen
6. Interventionen (Amand et al., 2008; Chaffin et al., 2008)
‐Rückfallrisiko (Quenzer, 2010; König, 2011): ‐Einschlägige Rückfälligkeit (Sexualdelinquenz): 11 %, Allgemeine Rückfälligkeit: 49 %
‐Rehabilitative Interventionsmaßnahmen können generelle Rückfälligkeit um 20 % reduzieren (Lipsey u. Cullen, 2007)
‐Reizel u. Carbonell (2006): Metaanalyse, n=2986, 9 Studien, einschlägige Rückfallrate
‐nach spezifischer Behandlung: 1 – 13 %
‐nach unspezifischer Behandlung: 2 – 75 %
‐keine Behandlung: 2 – 14 %
‐Novara und Pirschke (2005): keine Aussage möglich, ob behandelte sexuell übergriffige Minderjährige u. Heranwachsende ein höheres oder niedrigeres Risiko für einschlägige Rückfälle haben.
Dr. Marc Allroggen
6. Intervention
Um einen Behandlungseffekt bei einer erwarteten einschlägigen
Rückfallrate von 25% mit einer hinreichenden statistischen Power
(mind. 80%) nachweisen zu können bedarf es insgesamt rund N =
1.800 Probanden, davon die eine Hälfte in der Interventionsgruppe (n =
900) und die andere in der Kontroll-/Vergleichsgruppe (n = 900). Bei
einer 4%igen einschlägigen Rückfallrate könnte ein Behandlungseffekt
lediglich an einer enorm großen Stichprobe von insgesamt N = 14.000
Probanden mit hinreichender Teststärke (mind. 80%) nachgewiesen
werden (König, 2011).
Dr. Marc Allroggen
6. Risikofaktoren für erneute Sexualdelinquenz (Worling u. Langström, 2006)
Mögliche Risikoprädiktoren
Deviante sexuelle Fantasien
Vorherige Sexualdelikte
Mehr als ein Opfer
Fremde Opfer
Soziale Isolation
Therapieabbruch
Keine Risikoprädiktoren
Eigene Opfererfahrung
Gewaltdelikte in der Vorgeschichte
Penetration des Opfers
Leugnung des sexuellen Übergriffs
Geringe Opferempathie
Dr. Marc Allroggen
Unsichere Risikoprädiktoren
Impulsivität
Dissoziale Persönlichkeit
Negative peer Kontakte
Männliche kindliche Opfer
Waffen, Bedrohung bei sexuellem
Übergriff
Aggressives Verhalten
Konflikthafte familiäre Verhältnisse
Delinquenzunterstützende Verhältnisse
Familie
Unterstützung der elterlichen
Erziehungskompetenz
(klare und konsistente Regeln, positive
Verstärkung, milde Konsequenzen,
Kompromissbereitschaft)
Fokus liegt auf prosozialen Verhaltensweisen
(weg von Problemzentrierung)
Einrichtung
Policy; Krisenstrategien,
klare Regelungen,
Individuum
Emotionsregulation
Impulsivität
Soziale Kompetenz
Bewältigungsmechanismen
Dr. Marc Allroggen
Gleichaltrigengruppe
Förderung Kontakte zu nicht
aggressiven Jugendlichen
Schule
Policy; Krisenstrategien,
klare Regelungen,
positives Classroom-Management,
Klassenrat
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie /
Psychotherapie des Universitätsklinikums Ulm
Steinhövelstraße 5
89075 Ulm
www.uniklinik-ulm.de/kjpp
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. Jörg M. Fegert
Herunterladen