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01|Überuns
scinexx.de-DasWissensmagazin
scinexx®-sprich['saineks],eineKombinationaus“science”und“next
generation”-bietetalsOnlinemagazinseit1998einenumfassenden
Einblick in die Welt des Wissens und der Wissenschaft. Mit einem
breiten Mix aus News, Trends, Ergebnissen und Entwicklungen
präsentiert scinexx.de anschaulich Informationen aus Forschung
undWissenschaft.
DieSchwerpunktthemenliegenindenBereichenGeowissenschaften,
Biologie und Biotechnologie, Medizin, Astronomie, Physik, Technik
sowie Energie- und Umweltforschung. Das Internetmagazin spricht
allewissbegierigenUseran-obinBeruf,StudiumoderFreizeit.
scinexx wurde 1998 als Gemeinschaftsprojekt der MMCD NEW
MEDIA GmbH in Düsseldorf und des Heidelberger Springer Verlags
gegründet und ist heute Teil der Konradin Mediengruppe mit dem
bekannten Magazin Bild der Wissenschaft sowie den
Wissensangeboten:wissen.de,wissenschaft.de,scienceblogs.de,
natur.deunddamals.de.
02|Inhalt
01
02
ÜBERUNS
INHALT
03
DUNKLEENERGIE
Auf der Suche nach der Triebkraft
desUniversums
04
IMPRESSUM
03|DunkleEnergie
AufderSuchenachder
Triebkraftdes
Universums
VONNADJAPODBREGAR
Sieistüberall,dominiertdasUniversumundkönntedergroße
GegenspielerderGravitationsein:dieDunkleEnergie.Seitdem
Forscherentdeckthaben,dasssichderKosmosimmerschneller
ausdehnt,giltsiealsdieTriebkraftdiesesPhänomen.Wasaberdie
DunkleEnergieistundwiesieinunserphysikalischesWeltbildpasst,
istnachwievorrätselhaft.
DASEIGENTLICHEISTUNSICHTBAR
D
unkle Seite unseres Universums Seit Tausenden von
Jahren blicken wir Menschen fasziniert und neugierig
zugleich in den Nachthimmel. Wir beobachten die
Bewegungen von Sternen und Planeten, suchen nach
Welten jenseits der unsrigen und nicht zuletzt nach Antworten auf
die großen Fragen unserer Existenz. Ziel der Astronomie und
Astrophysik war es dabei lange Zeit, möglichst viele kosmische
Phänomene zu entdecken und zu kartieren. Denn sie verraten
einiges über die Gesetzmäßigkeiten und Entwicklungen, die unser
Universumprägen.
AnteilevonDunklerMaterie,normalerMaterieundDunklerEnergieimUniversum.©Podbregar/
NASA
DasUniversumist“dunkel”
Inzwischen aber scheint es fast so, als wenn sich ein Großteil des
eigentlichen Geschehens im Universum ausgerechnet dort verbirgt,
womannichtssieht–woscheinbarnichtsist.DennSterne,Planeten
unddiegesamteMaterie,diewirkennen,istimkosmischenMaßstab
gesehen nur eine kleine Verunreinigung: Sie macht gerade einmal
knapp fünf Prozent von Allem aus. Der Rest aber ist “dunkel”: Er
entzieht sich der direkten Beobachtung und lässt sich mit unseren
heutigenMethodenundTechnologienauchnichtdirektnachweisen.
Nur über einige ihrer Effekte verrät sich die dunkle Seite des
Universums. Eine dieser dunklen Komponenten ist die Dunkle
Materie. Sie macht nach aktuellen Messungen – unter anderem der
Kosmischen Hintergrundstrahlung - gut ein Viertel des Universums
aus. Indizien für ihre Existenz ist vor allem ihre Schwerkraftwirkung:
Erstsieerklärt,warumdieGalaxiensoschnellrotierenundtrotzdem
zusammenhalten und nicht einfach auseinander fliegen. Weil neben
der normalen Materie in jeder Galaxie auch jede Menge Dunkler
Materiesteckt,reichtdieMasseunddamitauchdieanziehendeKraft
der Gravitation aus, um die unzähligen Sterne und Gaswolken in
Formzuhalten.
DunkleMaterieundexotische
Teilchen
WorausdieseDunkleMaterie
besteht, ist allerdings noch
immer unbekannt. Physiker
vermuten
hinter
ihrem
WirkenexotischeTeilchen,als
einer
der
möglichen
Kandidaten gelten dabei
sogenannte
Weakly
Interacting Massive Particles
(WIMPs). Diese Partikel sind
insofernexotisch,alsdasssie
gängiger Theorie nach ihre
DunkleMateriekannnurindirekt
nachgewiesenwerden,wiehierdurch
Massenkonzentrationineinem
Galaxiencluster(blau).©NASA,ESA,CFHT,
CXO,Jee/UCDavis,Mahdavi/SFSTate
University
eigenen Antiteilchen sind: Ähnlich wie normalerweise Materie und
Antimaterie löschen sie sich beim Zusammenprall gegenseitig aus.
Dabei sollen, so vermutet man, energiereiche Gammastrahlen,
Antiprotonen oder Positronen entstehen. Tatsächlich haben in den
letzten Monaten Forscher gleich zwei mögliche Indizien für solche
WIMPs entdeckt: Zum einen detektierte das Alpha Magnetic
Spectrometer (AMS) an Bord der Internationalen Raumstation ISS
einen Überschuss an kosmischen Positronen. Zum anderen fingen
die Gammastrahlen-Detektoren des NASA Weltraumteleskops Fermi
erst kürzlich einen Überschuss von Gammastrahlung aus dem
Herzen der Milchstraße ein – da dort eine hohe Dichte Dunkler
Materie vermutet wird, könnte diese aus dem Zerfall der WIMPs
stammen. Endgültige Beweise stehen aber bisher noch aus. Die
HauptkomponentedesUniversumsaberistnochrätselhafter…
DERSUPERNOVA-SCHOCK
B
leunigte Expansion und Dunkle Energie Es kam alles
andersalserwartet:AlsSaulPerlmuttervonderUniversity
ofCaliforniaundseinTeamvomSupernovaCosmological
Project Anfang der 1990er Jahre ihr Langzeitprojekt
begannen, war das Bild des Kosmos noch ziemlich einfach: Es gab
zwar neben der normalen Materie noch die Dunkle Materie. Aber
ansonsten regierten die schon unter anderem von Einstein
postuliertenGrundgesetzederPhysik.
SchrumpfenderLuftballonoderewigeExpansion?
Nach gängiger Annahme war die Gravitation dabei eine der
prägenden Kräfte im Universum. Die Schwerkraft der Materie
beeinflusst das Verhalten aller Himmelskörper, bestimmt aber auch,
wie sich der Kosmos entwickelt – und wie stark er sich ausdehnt.
Schon 1929 hatte der US-Astronom Edwin Hubble die kosmische
Expansion entdeckt, indem er die Rotverschiebung unterschiedlich
weit entfernter Galaxien verglich. Über die Expansionsrate des
Universums lässt sich seither ermitteln, wann alles begann – wann
der Urknall stattfand. Die Zukunft des Universums aber war zu
Beginn von Perlmutters Projekt noch offen: Man ging zwar davon
aus, dass die gegenseitige Anziehung der Materie im Laufe der Zeit
die Ausdehnung verlangsamt. Aber wie
starkwardieserEffekt?Reichterausum
die Expansion irgendwann einmal ganz
zu stoppen? Wird sich das Universum
dann
vielleicht
sogar
wieder
zusammenziehen, wie ein Luftballon,
dem Luft entweicht? Oder ist die
Schwerkraftwirkung der Materie dafür
doch zu schwach und das Universum
EdwinHubbleentdecktedie
wirdsichewigweiterausdehnen?
kosmischeExpansion,indemer
dieRotverschiebung
verschiedenweitentfernter
Galaxienverglich.©NASA/ESA,
STScI/AURA-Hubble
Collaboration
SupernovaTypIA:einWeißerZwergsaugtseinemPartnersolangeMaterieab,biserexplodiert.©
NASA
SupernovaealsExpansions-Anzeiger
Diese Fragen wollten Perlmutters Team und eine zweite
Forschergruppe um Brian Schmidt von der Australian National
UniversityundAdamRiessvonderJohnsHopkinsUniversityimHighz Supernova Search Team beantworten. Ihr Ansatz dabei: Sie
fahndeten im Universum nach einem bestimmten Typ der
Sternexplosion, der sogenannten Supernova Typ 1a. Deren helles
Licht ist selbst im fernen Kosmos noch gut auszumachen, zudem
ermöglicht ihre standardisierte Leuchtkraft auch Rückschlüsse
darauf,wieschnellsichdiesekosmischenKerzenvonunsentfernen.
DaswiederumliefertHinweisedarauf,obundwiesichdieExpansion
indenletztenMilliardenJahrenveränderthat.Das1998vorgestellte
ErgebniswareinechterSchock:DieExpansiondesUniversumhatte
sichimLaufederZeitgarnichtverlangsamt,wiedieKosmologenes
bisher fest angenommen hatten. Stattdessen dehnte sich der
Kosmos seit rund sechs Milliarden Jahren sogar schneller aus als
zuvor.Wiewardieszuerklären?Daswidersprachnichtnurgängiger
Theorie, es stellte auch alles auf den Kopf, was man über die
GravitationundihreWirkungenzuwissenglaubte.
GeheimnisvollerGegenspieler
Ganz offensichtlich gibt es
neben der Schwerkraft noch
etwas
anderes,
einen
Gegenspieler, der in den
Verlauf der kosmischen
Geschichte eingreift. Diese
Kraft muss der Gravitation
entgegenwirken und die
anziehende Wirkung der
Materie ausgleichen – und
dies umso mehr, je älter und
VorrundsechsMilliardenJahrenbegann
sichdieExpansionzubeschleunigen.©
größer der Kosmos wird. Vor
AnnFeild(STScI)
rund sechs Milliarden Jahren
gewanndanndiesegeheimnisvolleEnergiesogardieOberhandüber
dieGravitation.SeitherdehntsichunserUniversumimmerschneller
aus.
ÜBERALLUNDIMMERZU
D
eltsamenEigenheitenderDunklenEnergieInzwischenist
klar: Die Dunkle Energie macht gut zwei Drittel unseres
Universums aus. Sie ist damit die dominante
Komponente des Alls. Dennoch ist ihr Wirken extrem
subtil: Wir können ihren Einfluss nicht an den Bewegungen der
Planeten oder Sterne ablesen – hier scheint nach wie vor die
Gravitation die Oberhand zu haben. Und auch in physikalischen
Experimenten ist es bisher nicht gelungen, diese alles
durchdringende, aber verborgene Macht dingfest zu machen. Hinzu
kommt: Das Verhalten der Dunklen Energie passt zu keinem
bekannten Baustein in unserem Standardmodell der Physik – sie
reagiert weder wie eine normale Grundkraft noch wie ein
teilchenbasiertes Medium. Würde sie - ähnlich wie die Dunkle
Materie–aufeinemexotischenTeilchenbasieren,dannmüssteihre
WirkungimLaufederExpansiondesAllsabnehmen,stattstärkerzu
werden.
KeineVerdünnung
Denn alle Materie – und damit auch
Elementarteilchen – wird durch die
Ausdehnung des Raums quasi verdünnt:
Weil Materie nicht “nachwächst”, nimmt
ihre Dichte im Laufe der Zeit immer
weiter ab. Der gleichen Menge an
Materie steht ein immer größerer Raum
gegenüber. Dadurch sinkt auch der
Einfluss der Gravitation auf das
NormaleMaterie,wiehier
Universum als Ganzem. Wäre nun die
SterneundGaswolkeneiner
Sternenwiege,dünntdurchdie
Dunkle Energie auch ein exotisches
kosmischeExpansionaus.©
Teilchen,
dann
müsste
dieses
NASA/JPL-Caltech
mitverdünnt werden. Als Folge würde
sich auch die auseinander treibende Wirkung dieser rätselhaften
Kraft abschwächen. Doch genau das Gegenteil ist der Fall: Je mehr
der Kosmos wächst, desto stärker scheint auch die Wirkung der
Dunklen Energie zu werden. Wie in einer positiven Rückkopplung
treibt dies wiederum die Expansion stärker voran. Das aber könnte
bedeuten, dass die Dunkle Energie eine Eigenschaft des Raums
selbst ist. Denn in der Expansion dehnt sich der Raum selbst aus –
alsoquasidieMatrix,indemalleObjekteeingebettetsind.ImPrinzip
bedeutet dies, dass es im Universum als Ganzem im Laufe der Zeit
immer mehr Raum gibt. Ist die Dunkle Energie ein Merkmal des
Raumsselbst,dannnimmtlogischerweisedamitauchihrEffektzu
AlbertEinsteinbezeichneteseineKosmologischeKonstanteals“Eselei”.©Historisch/Ferdinand
AlbertEinsteinbezeichneteseineKosmologischeKonstanteals“Eselei”.©Historisch/Ferdinand
Schmutzer
RenaissancefürEinsteins“Eselei”
Interessanterweise passt die Dunkle Energie damit zu einem schon
von Einstein in die Kosmologie eingeführten Parameter: der
Kosmologischen Konstante. Als der Physiker 1915 seine
Feldgleichungen zur Allgemeinen Relativität aufstellte, musste er zu
einer“Krücke”greifen.“DennsiebeschriebendasUniversumimmer
als entweder auseinanderfliegend oder zusammenfallend”, erklärt
der Physiker David Gerdes von der University of Michigan. “Das
musste nach damaligem Verständnis falsch sein, also jonglierte
EinsteinmitseinerGleichungherum,umdenKosmosstillstehenzu
lassen – er fügte einen Term ein, der der Schwerkraft
entgegenwirkte.” Die Kosmologische Konstante Lambda löste zwar
dasProblem,gefielEinsteinallerdingswenig.Alsinden1930erndie
kosmische Expansion bekannt wurde und damit der Zwang eines
stillstehenden Universums entfiel, nahm er sie daher schleunigst
wiederzurück.Ersollsiedamalsalsdie“größteEselei”seinesLebens
bezeichnethaben.“Jetztaberzeigtsich,dassesallesanderealseine
Eselei war”, so Gerdes. Denn erst diese mittlerweile wieder in die
Gleichungen eingefügte Größe passt diese an die sich
beschleunigende Expansion des Universums an. Allerdings: Ob die
Dunkle Energie wirklich einer über Zeit und Raum festen Konstante
entspricht,istbisherallesanderealsklar…
GALAXIENCLUSTERUNDEINEKAMERA
W
er Dark Energy Survey über die Dunkle Energie
verratenkönnteEinemondloseNachtaufdemCerro
Tololo in Chile. Hier, auf 2.200 Metern Höhe in der
kargen Leere der Anden, hat gerade eines der
ehrgeizigsten Projekte zur Erforschung der Dunklen Energie
begonnen. Denn mit Hilfe einer Spezialsensors am Vier-MeterTeleskop des Cerro Tololo Inter-American Observatory wollen
Forscher in den nächsten fünf Jahren die Wirkung dieser
geheimnisvollen Kraft genauer erforschen als je zuvor. “Der Dark
Energy Survey wird einige der wichtigsten Fragen unserer Existenz
erkunden, erklärt James Siegrist, Leiter der HochenergieForschungsprogrammedesUSDepartmentofEnergy.“InfünfJahren
sind wir dann hoffentlich viel näher an den Antworten und weit
reicherinunsermWissenüberdasUniversum.”
DarkEnergySurvey-dieForschererklärenihrProjekt
©Fermilab
Mit570MegapixelnindieVergangenheit
DaswichtigsteHilfsmitteldabei:dieDarkEnergyCamera.Mitdiesem
extrem sensiblen 570 Megapixel-Bildsensor wollen die Forscher des
DarkEnergySurveyinsgesamteinAchteldesNachthimmelsabtasten
und dabei das Licht von mehr als 100.000 Galaxienclustern, 300
MillionenGalaxienund4.000Supernovaeanalysieren.Dabeiblicken
sienichtnuringroßeEntfernungen,sonderngleichzeitigauchzurück
indieZeit:“WirwerdenbisrundachtMilliardenJahrezurückschauen,
in eine Zeit, in der das Universum viel jünger war”, erklärt David
Gerdes von der University of Michigan, einer der am Dark Energy
Survey beteiligten Forscher. Aus der Art und Weise, wie sich die
Größe und Form der Galaxiencluster verändert haben, wollen die
ForscherRückschlüsseziehenüberdasWechselspielvonGravitation
und Dunkler Energie: Hat zu einer Zeit die Dunkle Energie die
Überhand, sollten sich die Galaxiencluster eher ausdehnen.
DominiertdieGravitation,ballensiesicheherengerzusammen.Die
RatedieserVeränderungenverrätdamitdierelativenStärkendieser
beiden kosmischen Gegenspieler während der Geschichte des
Universums.
SeltsameAbweichungen
“Wirkönnenvielleichterkennen,obdieDunkleEnergiesicheherwie
EinsteinsKosmologischeKonstanteverhältoderwieetwasanderes”,
soGerdes.DennsollteessichtatsächlichumeineGrundeigenschaft
desRaumesselbsthandeln,wieeseinigeKosmologenglauben,dann
müsstesieanallenStellendesRaumsundzuallenZeitengleichstark
sein. Sollte die Dunkle Energie der Kosmologischen Konstante
entsprechen, dann müsste ihr Zustandsparameter ω, ein Wert der
dasVerhältnisvonDruckundDichteangibt,gängigenBerechnungen
zufolge bei -1 liegen. Drei
bisherige Supernova-Surveys
haben
jedoch
bereits
abweichende Werte ermittelt.
So kam das Pan-STARRSExperiment im Herbst 2013
auf
Basis
von
150
vermessenenSupernovaeauf
ein ω von -1,186. “Wenn ω
tatsächlich diesen Wert hat,
DieDarkEnergyCamera,montiertam
dann bedeutet dies, dass das
BlancoTeleskopdesCerroTololo
Observatoriums©ReidarHahn/Fermilab
einfachste Modell, um die
DunkleEnergiezuerklären,nichtstimmt”,sagtPan-STARRS-Forscher
Armin Rest vom Space Telescope Science Institute (STScI) in
Baltimore. Noch allerdings ist die Datenlage zu dünn, um dies
definitiv sagen zu können, wie er und seine Kollegen betonen.
Dennoch sieht auch Nobelpreisträger Adam Riess, einer der drei
Mitentdecker der beschleunigten Expansion, Anlass zur
Nachdenklichkeit: “Es könnte sein, dass die Dunkle Energie weitaus
interessanter ist als wir hoffen und vermuten.” Denn entspricht sie
nicht der Kosmologischen Konstante und damit einer
Grundeigenschaft des Raumes selbst, dann eröffnet dies
MöglichkeitenfürdeutlichexotischereErklärungsmodelle.
HatteEinsteindochunrecht?
Und selbst bisher vermeintlich Bekanntes könnte durch neue
Erkenntnisse in Frage gestellt werden: “Unser Survey könnte auch
entdecken, das die Gravitation gar nicht das ist, für das Einstein sie
hielt – das wäre revolutionär”, sagt Gerdes' Kollege Gus Evrard.
Möglicherweise werde es nötig, auch über die Kräfte neu
nachzudenken, von denen man bisher glaubte, sie verstanden zu
haben.BisherhabenalleTestsvonEinsteinsRelativitätstheoriediese
allerdings bestätigt. Klar ist aber schon
jetzt: Auch der Dark Energy Survey ist
nur ein kleiner erster Schritt auf dem
langenWeg,dasGeheimnisderDunklen
Energie zu lüften. “Zu Beginn des 20.
Jahrhunderts
wurden
viele
Elementarteilchen entdeckt und es
brauchte in Jahrhundert, bis wir sie
DasCerroTololoInterverstanden haben”, konstatiert Gerdes'
AmericanObservatoryvorder
Kollege Greg Tarle. “Dunkle Energie ist
Milchstraße©ReidarHahn/
Fermilab
wieder eine komplett neue Sache: Sie
bestehtnichtausTeilchen.SieverdünntsichnichtmitderExpansion
des Universums. Sie wirkt auf die Textur des leeren Raums. Ich
glaube, dass es auch hier ein Jahrhundert dauern wird, bis wir sie
vollständigverstandenhaben.”
ISTDERLEERERAUMVOLL?
D
eEnergiealsQuantenfluktuationenimVakuum
Das Vakuum des Weltraums erscheint uns als der
Inbegriff der Leere: Keine Luft, keine Materie, keine
Energie – eben nichts. Aber dieser Eindruck täuscht –
und bildet die Basis für zwei verschiedene Erklärungsansätze der
DunklenEnergie:dieVakuumenergieunddasQuintessenzfeld.
DerQuantnetheorienachentstehenauchimscheinbarleerenRaumständigvirtuelleTeilchen,die
sichgegenseitigwiederauslöschen.©Podbregar
VakuumenergieundvirtuelleTeilchen
Der erste Ansatz stammt aus der Quantentheorie. Nach klassischer
Sichtweise ist das Vakuum der energieärmste Zustand, quasi die
Nulllinie des Kosmos. Doch quantenphysikalisch betrachtet enthält
selbst das Vakuum noch eine Minimalenergie, erzeugt durch
Fluktuationen auf der Quantenebene. Diese wiederum führen dazu,
dass im Vakuum immer wieder virtuelle Teilchen entstehen. Diese
Paare aus Teilchen und Antiteilchen tauchen plötzlich auf, nur um
sich Sekundenbruchteile später wieder auszulöschen. Ihre Existenz
ist dabei viel zu kurz, um sie messen zu können. “Nichts ist daher
voller als das Quantenvakuum, seine Fluktuationen tragen
fundamental zu den Werten bei, die wir beobachten und messen”,
erklärt Joan Solà von der Universität Barcelona. Und ähnlich wie es
die Kosmologische Konstante erfordert, ist auch diese
Vakuumenergie eine intrinsische Eigenschaft des Raumes selbst. Sie
ist daher überall gleich stark und ändert sich auch in der Zeit nicht.
Diese Vakuumenergie könnte daher nach Ansicht einiger Physiker
genau das sein, was die Expansion des Raumes vorantreibt – die
DunkleEnergie.
Mehr
Raum
Vakuumenergie
–
mehr
Und sie könnte auch
erklären,
warum
die
beschleunigte Ausdehnung
erst vor einigen Milliarden
Jahren begann: Im frühen
Universum war die Materie
sehr viel dichter gepackt als
heute,zwischendenGalaxien
und Galaxienclustern war
dahersehrvielwenigerfreier
Raum. Dadurch gab es auch
weniger Vakuumenergie im
GalaxienclusterAbell2744:Imfrühen
Universumwarzwischenihmundanderen
ClusternsehrvielwenigerleererRaum©
NASA/Hubble
Verhältnis zur Materie. Als
Folge dominierte die Wirkung der Gravitation und sorgte für eine
langsameExpansion.InzwischenaberhatsichdasUniversumweiter
ausgedehnt und mit ihm der Raum und damit die Quelle der
Vakuumenergie. Wie für die Dunkle Energie postuliert, gewann sie
daher die Überhand und wirkt nun beschleunigend auf die
kosmische Ausdehnung. Bisher gibt es mit diesem Modell aber ein
entscheidendes Problem: Wenn Physiker ausrechnen, wie hoch die
Vakuumenergie sein könnte, dann kommen sie auf Werte, die um
gigantische10hoch120Malhöherliegtalsalles,wasfürdieDunkle
EnergieinFragekommt.DieseDiskrepanzkanndieQuantentheorie
bishernichterklärenoderausderWeltschaffen.
HilfevomHiggsfeld?
Eine Chance dazu sehen aber immerhin der Physiker Lawrence
KraussvonderArizonaStateUniversityundseineKollegen.Denner
vermutet, dass Skalarfelder wie das Higgsfeld eine wichtige
Einflussgröße für die Vakuumenergie sein könnten. Ihre
Wechselwirkungen könnten dafür sorgen, dass letztlich genau die
MengeanEnergieentsteht,diederalsDunkleEnergiebeobachteten
entspricht. “Unsere Berechnungen demonstrieren, dass diese sehr
geringe Energiemenge durch eine nur kleine Erweiterung des
Standardmodells der Teilchenphysik erzeugt werden kann”, so
Krauss. Aber auch das sieht er nur als einen ersten Schritt, um den
Geheimnissen der Dunklen Energie näher zu kommen. Von einem
Beleg für die Vakuumenergie als Ursache für die Dunkle Energie ist
auchdasnochweitentfernt.
EINEXOTISCHESFELD
W
ie Quintessenz-Modelle mit dem Higgs zu tun
haben Ein weiterer Erklärungsansatz für die Dunkle
Energie hat einiges mit dem Higgsfeld gemeinsam –
dem Mechanismus, der aller Materie ihre Masse
verleiht. Denn dabei handelt es sich um ein Skalarfeld, das das
gesamte Universum durchzieht und an jedem Punkt einen
bestimmten Wert hat. Im Falle der Dunklen Energie sprechen
Forscher von einem Quintessenzfeld – benannt nach dem
geheimnisvollen“fünftenElement”,ausdemnachPythagorasdievier
GrundelementeWasser,Luft,FeuerundErdeeinsthervorgingen.
Der Quintessenz-Hypothese nach interagiert das Feld der Dunklen
EnergieähnlichwiedasHiggsfeldmitderMaterie.Esverleihtdieser
aber keine Masse, sondern wirkt stattdessen der Schwerkraft
entgegen. Im Unterschied zu einer Grundeigenschaft des Raumes
oder der Vakuumenergie kann das Quintessenzfeld aber an
verschiedenenStellendesWeltallsunterschiedlicheWerteannehmen
undsichauchmitderZeitverändern.DieseVeränderungenmüssten
sich durch Beobachtungen nachweisen lassen, hoffen die Vertreter
derQuintessenz-Modelle.
EinFeld“friert”aus
So könnte dieses Feld im frühen
Universum einen Phasenübergang
durchlebthaben:AlssichdasUniversum
2,2 Milliarden Jahre nach dem Urknall
deutlich abkühlte, “fror” auch das Feld
aus. Seine Energiedichte sank dadurch
abrupt von einem sehr hohen Niveau
DunkleEnergiealsein
SkalarfeldimKosmos?©
auf sein heutiges, eher niedriges ab.
gemeinfrei
Dieser Phasenübergang und die dabei
freigesetzte Energie müssten messbare Spuren hinterlassen haben,
wie Robert Scherrer von der Vanderbilt University und Stephen Tsu
von der University of Oregon postulieren. Denn weil die Stärke des
Quintessenzfeldsdamalsabruptabnahm,müssteauchdieExpansion
vorrundelfMilliardenJahrenmessbarverlangsamtwordensein.Um
diesabernachzuprüfen,reichtdieBlicktiefedesDarkEnergySurvey
nichtaus–erschautnurrundachtMilliardenJahrezurück.
UltrakalteNeutronenzwischenzweiPlattenalsMesshilfe©TUWien
NeutronenalsMessfühler
Eine andere Möglichkeit, ein Quintessenzfeld nachzuweisen, sind
Experimente, die im kleinsten statt im Größten nach Wirkungen der
Dunklen Energie suchen. Eines davon erbrachte im April 2014
Ergebnisse, die den Spielraum für die Quintessenz-Modelle deutlich
verkleinern. In diesem Experiment untersuchten Forscher um
Hartmut Abele von der TU Wien mit Hilfe ultrakalter Neutronen, ob
undinwelchemMaßeeindieseshypothetischeFelddieWirkungder
Gravitation auf diese Elementarteilchen beeinflusst. Dabei werden
die heruntergekühlten Neutronen zwischen zwei horizontale Platten
gebracht. Neutronen in diesem Zustand nur diskrete
Quantenzustände einnehmen. Wirkt neben der Gravitation noch ein
unbekanntes Feld auf die Teilchen ein, dann müssten ihre Zustände
winzige Abweichungen von dem theoretisch Vorhergesagten
aufweisen.DieMessungenergabenjedochbisherkeineHinweiseauf
eine solche Wechselwirkung. “Wir haben keine Abweichungen von
den etablierten Newtonschen Gesetzen der Schwerkraft detektiert”,
berichtetStudienleiterHartmutAbelevonderTUWien.Dasbedeutet
auch,dassderBereich,indemsichdieserätselhaftenFeldwirkungen
nochverbergenkönnten,damiterheblichverkleinertwird.Dieneuen
DatensenkendieinbisherigenMessungenfestgestellteObergrenze
um das mehr als Zehntausendfache ab, wie die Forscher berichten.
Damit ist das Quintessenzfeld zwar nicht vom Tisch, aber es wird
wenigerwahrscheinlich.
ALLESNURILLUSION?
W
eseinigenHypothesennachgarkeineDunkleEnergie
gebenmussFürdieMehrheitderKosmologenistdie
DunkleEnergie–woraussieauchimmerbesteht–die
plausibelste Erklärung für die beschleunigte
Expansion des Universums. Doch es gibt auch sehr viel radikalere
Ansichten. Einige Forscher gehen sogar soweit, die Dunkle Energie
für eine bloße Illusion zu erklären. Die schnellere Ausdehnung des
KosmosistdemnachnureineAnomalieunsererPositionimAll.Oder
noch radikaler: nicht die Expansion des Raums beschleunigt sich,
sonderndieZeitwirdlangsamer.
AbweichungenvomDurchschnitt
Der Ausgangspunkt ist die klassische Hubble-Konstante: Der Wert,
ermittelt über tausende von fernen Galaxien und Supernovae, der
die durchschnittliche Expansionsrate des Weltalls angibt. Für den
Kosmologen Christos Tsagas von der Aristoteles Universität in
Thessaloniki war das entscheidende Schlüsselwort dabei
“durchschnittlich”. Denn betrachtet man ein Diagramm, auf dem die
Geschwindigkeit aufgetragen ist, mit der unterschiedlich ferne
Galaxienvonunswegstreben,
dann gibt es durchaus
Abweichungen.
Einige
bewegen sich schneller von
unswegalsderDurchschnitt,
andere langsamer. Das ist
nicht weiter verwunderlich,
denn die Schwerkraft kann
derExpansionlokaldurchaus
entgegenwirken. So bewegen
sich die Milchstraße und die
Hubble-Diagramm:Nichtalle
Andromedagalaxie
trotz
GalaxienclusterliegenaufderLinieder
Hubble-Konstante©Podbregar
Ausdehnung des Raumes
aufeinander zu. Die Bewegung einer Galaxie relativ zu weit
entfernten Objekten ist daher immer eine Kombination aus lokalen
Effekten und der kosmischen Expansion. Unsere Milchstraße besitzt
beispielsweiserelativzumkosmischenMikrowellen-Hintergrundeine
Eigengeschwindigkeitvonrund627KilometernproSekunde.
EigenbewegungstattDunklerEnergie
UndgenauhierkommtTsagas'TheorieinsSpiel:SeinerAnsichtnach
sorgt diese Eigenbewegung dafür, dass sich von uns aus gesehen
ferne Galaxien schneller zu entfernen scheinen als sie es tun. Oder
andersgesagt:WirmessenzwareinebeschleunigteExpansion,aber
diese ist eine Illusion, hervorgerufen durch unsere Eigenbewegung.
EineDunkleEnergiekannesdemnachgarnichtgeben.“DerEffektist
lokal, aber die betroffenen Größenordnungen sind groß genug, um
den falschen Eindruck zu erwecken, dass der gesamte Kosmos
kürzlich in eine beschleunigte Phase eingetreten ist”, so Tsagas. In
Wirklichkeit aber verhalte sich der Kosmos wie in Einsteins
ursprünglichen Gleichungen vorhergesagt: Er expandiert zwar, aber
dieseAusdehnungverlangsamtsichimLaufederZeit.
Tsagasstehtdamitnichtallein:Schonvor
einigen Jahren hat Alexander Kashlinsky
vom
Observational
Cosmology
Laboratory
der
NASA
Ähnliches
postuliert. Er und seine Kollegen wollen
anhand von Messungen festgestellt
haben, dass sich eine gewaltige, 2,5
GerichteterFlussstatt
gleichförmigerAusdehnung?
Milliarden Lichtjahre große Region um
NASA-ForscherKashlinskysieht
einenDarkFlowinden
unsherumschnellerbewegtalsderRest
BewegungenderCluster.©
des Kosmos. Etwa drei Millionen
NASA/Goddard/A.Kashlinsky,
etal.
Kilometer pro Stunde verschiebt sich
dieseBlasederRaumzeit,auchals“DarkFlow”bezeichnet,demnach
gegenüberunserenkosmischenNachbarn.
WirddieZeitlangsamer?
Noch exotischer ist eine Hypothese spanischer Forscher um José
SenovillavonderUniversitätdesBaskenlandes:Siemutmaßen,dass
nicht der Raum sich schneller ausdehnt, sondern dass sich die Zeit
verlangsamt. Dieser Effekt wäre für uns in Alltag und selbst mit
genauesten Zeitmessungen nicht erfassbar. Doch über Milliarden
JahrehinwegkönntesichdieZeitganzallmählichverlangsamen.Das
aberführtnachAnsichtderForscherzueinerverfälschtenMessung
der Expansion: In Wirklichkeit hat sie sich nicht beschleunigt. Eine
Dunkle Energie muss es daher gar nicht geben. Dieses Szenario
klingt auf den ersten Blick unmöglich, gilt die Zeit doch als eine der
festen Größen unseres Universums. Doch schon Einstein belegte,
dassbeispielsweiseGeschwindigkeitennahederLichtgeschwindigkeit
undauchextremeSchwerkraftbedingungenwieaneinemSchwarzen
Loch die Zeit für einen Beobachter verlangsamen können. Auf
ähnlicheWeise,sodieHypothesevonSenovillaundseinenKollegen,
könntesichauchimVerlaufderEntwicklungdesUniversumsdieZeit
verändern.InMilliardenvonJahrenkönntesiesogarganzstoppen.
BishergibtesbeiderDunklenEnergiemehrFragenalsAntworten…©NASA
WirrwarrderModelle
Tatsächlich wird dies zumindest von einigen anderen Kosmologen
durchaus für möglich gehalten. So erklärt Gary Gibbons von der
Cambridge University: “Wir glauben, dass die Zeit erst während des
Urknallsentstand–undwenndieZeitentstehenkann,dannkannsie
auch wieder verschwinden.” Allerdings: Die Hypothese von Senovilla
und Co gilt ansonsten eher als skurriler Außenseiter im großen
Wirrwarr der Erklärungsversuche und Modelle. Bisher allerdings ist
keine der unzähligen Hypothesen zur Dunkeln Energie und der
Ursache der beschleunigten Expansion bewiesen. Jede von ihnen
kann sich noch als völlig falsch oder aber richtig herausstellen. Der
Physiker Cliff Burgess vom Perimeter Institute in Kanada, vergleicht
die Ungewissheit der Situation mit einer Menschenmenge, in der
jedersichfürNapoleonhält,aberalleanderenfürkomplettverrückt
hält,diedasgleichevonsichbehaupten.WerderechteNapoleonist,
mussdieZukunfterstnochzeigen…
04|Impressum
scinexx.de-DasWissensmagazin
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