Killerkeime

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10 synergien
MRSA-Prävention
Killerkeime
Antibiotika-resistente Mikroorganismen sind eine gesundheitspolitische
Zeitbombe – ganz abgesehen von dem persönlichen Leid, das hinter jeder
Infektion steht. Experten fordern nun ein Aufnahme-Screening von
Risikopatienten im Krankenhaus.
Von Mäusen und Menschen
Die Immuneffektorzellen zu aktivieren – das ist Lorenz/
Ohlsen mit einem von ihnen entwickelten Antikörper
jetzt bei Mäusen gelungen. „Wir konnten zeigen, dass die
Rate der abgetöteten Bakterien nach der Gabe des Antikörpers um 30 Prozent gestiegen ist“, so Lorenz. Ein
„ganz dramatischer Vorteil, der den Unterschied zwischen
Sterben und Überleben ausmachen kann“.
Im nächsten Schritt ihrer Arbeit wollen die Forscher nun
den Antikörper aus der Maus auf den Menschen übertragen. Damit es nicht zu unerwünschten Abstoßungsreaktionen kommt, muss dazu das gesamte Molekül humanisiert
werden. „Wir nehmen nur die Stelle des Antikörpers, die
an das Bakterium andockt, und bauen den Rest des Moleküls künstlich auf, so dass es für Menschen geeignet ist“,
hofft Lorenz. Ist dies geschehen, wollen die beiden Wissenschaftler mit den entsprechenden Studien beginnen.
Niederlande als Vorbild
Bis dahin bleibt nur die strikte Prävention. Für eine Regeluntersuchung bei Klinikaufnahme hat sich der Verband der
Diagnostica-Industrie (VDGH) bei einem Expertentalk im
November ausgesprochen. „Kapituliert Deutschland vor
den Killerkeimen?“ war die Veranstaltung in Berlin überschrieben. Angesichts einer halben Million Krankenhausinfektionen mit 30 000 Toten pro Jahr appellierte der
VDGH-Vorsitzende Matthias Borst an Bund und Länder,
im Kampf gegen diese „gesundheitspolitische Zeitbombe“
nicht nachzulassen und „mutige Schritte zur Bekämpfung
multiresistenter Keime“ einzuleiten.
Aber welche? Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für
Krankenhaushygiene, Prof. Martin Exner, forderte die
„konsequente Implementierung von Screening-Verfahren“,
um Patienten zu erkennen, die mit multiresistenten Keimen
infiziert sind. Dies sei die „entscheidende Voraussetzung,
Fotos: bilderstoeckchen, russelllinton (Fotolia)
Therapeutisch könnte es möglicherweise bald Fortschritte
geben. Wissenschaftler der Universität Würzburg forschen an einer neuartigen Immuntherapie gegen Krankenhausinfektionen mit resistenten Staphylococcus-areusBakterien (MRSA).
„Es ist uns gelungen, bei Mäusen mit der Hilfe von Antikörpern einen Abwehrmechanismus gegen Staphylococcus-Erreger zu aktivieren“, erklärt Dr. Udo Lorenz von
der Chirurgischen Klinik I der Universität. Gemeinsam
mit dem Privatdozenten Dr. Knut Ohlsen vom Institut
für Molekulare Infektionsbiologie verfolgt er bereits seit
einigen Jahren die Idee, Antibiotika-resistente Bakterien
mit Antikörpern zu bekämpfen.
Das Prinzip dahinter: Bestimmte Eiweißstoffe sind in der
Lage, sich an eine ganz bestimmte Stelle an der Oberfläche des gefürchteten „Klinikkeims“ anzulagern. Dort
können sie unterschiedliche Effekte hervorrufen: im
ungünstigsten Fall keinen. In der besseren Variante neutralisieren sie das Bakterium, so dass es nicht mehr aktiv
werden kann. Und in der besten Version bringen sie das
körpereigene Immunsystem dazu, die Mikroben zu vernichten.
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um unmittelbar krankenhaushygienische Maßnahmen einleiten zu können“. Beide Fachleute verwiesen auf die Erfolge,
die die Niederlande sowie die skandinavischen Länder durch
solche Regelungen erzielt hätten. In den Niederlanden werden Patienten bereits bei der Aufnahme in die Klinik gezielt
auf MRSA-Keime untersucht und so lange vom normalen
Klinikbetrieb getrennt, bis ein Laborergebnis vorliegt.
In der Folge weise das Land eine europaweit beispielhaft
niedrige Rate an Methicillin-resistenten Staphylococcus
aureus-Infektionen auf.
In Deutschland bedürfe es dazu indes zunächst einmal einer
„klaren Analyse“ nebst „grundsätzlicher Strategieänderung“.
An Defiziten beklagte Exner unter anderem das Fehlen einer
verbindlichen bundeseinheitlichen KrankenhaushygieneVerordnung sowie die nicht konsequente Umsetzung von
Screening-Verfahren aufgrund fehlender Kostenübernahme.
Eindeutiges Kosten-/Nutzen-Verhältnis
Ein Aufnahme-Screening schlage bei herkömmlicher Diagnostik mit zirka zehn Euro zu Buche, bei positivem Befund
kämen zur weiteren Differenzierung 50 Euro hinzu, rechnete VDGH-Chef Borst vor. Bei 17 Millionen Klinikaufenthalten in Deutschland würden demnach ScreeningKosten von 170 Millionen Euro sowie zusätzlich 42,5
Millionen Euro anfallen, wenn bei fünf Prozent positiv getesteter Patienten weitergehende Laboruntersuchungen notwendig wären.
Diesen rund 200 Millionen Euro stehen – ausgehend von
den in einer Prävalenzstudie aus dem Jahr 1995 ermittelten
Zusatzausgaben von 1,3 Milliarden Euro – eine Ersparnis
von knapp 1,1 Milliarden Euro gegenüber. Damit liegen die
Kosten für das Screening deutlich unter den Aufwendungen,
die durch zusätzliche Behandlungskosten anfallen.
Die Einführung der Fallpauschalen hat den finanziellen
Druck auf die Kliniken noch verschärft. Das Vivantes-Klinikum in Berlin etwa beziffert anhand der DRG-Systematik
die durchschnittlichen Kosten für die Behandlung einer
MRSA-Infektion auf 11.000 Euro, denen Erlöse von lediglich 3000 Euro gegenüber stehen.
MRSA in der Arztpraxis
Bei der Entlassung eines MRSA-Patienten aus dem Krankenhaus ist die Weitergabe der Information über Trägerstatus und eventuell begonnene Sanierungsmaßnahmen
entscheidend. Eine im Krankenhaus begonnene Sanierungsbehandlung wird im Normalfall vom Hausarzt fortgesetzt.
Der Sanierungserfolg wird durch Kontrollabstriche überprüft.
Auch in der Arztpraxis kann es zu einer MRSA-Übertragung
von einem Patienten auf einen anderen kommen. Die Übertragung findet dabei vor allem über kolonisierte Hände oder
Instrumente statt. Um dies zu verhindern, müssen die
Hygienemaßnahmen konsequent umgesetzt werden. Die
korrekt ausgeführte Händedesinfektion vor und nach jedem
Patientenkontakt ist dabei am wichtigsten.
Hinzu kommt: Die bislang klaren Grenzen zwischen stationärer und ambulanter Medizin verwischen zunehmend:
Viele Therapien – unlängst noch an eine Hospitalisation
gebunden – können heute ambulant durchgeführt werden.
Immunsupprimierte Patienten werden nicht nur in der
Hämato-Onkologie, sondern auch in der Rheumatologie
und anderen medizinischen Fachbereichen in Ambulanz
und Praxis zunehmend häufiger gesehen. Praktizierende
Ärzte müssen heute
wie die Krankenhäuser
grundsätzliche
Maßnahmen zur Vermeidung der Übertragung von Infektionskrankheiten treffen.
Die Basismaßnahmen
der Infektprävention
umfassen die Händehygiene, den sorgfälProf. Martin Exner (l.) mit Dr. Wolfgang
tigen Umgang beim Gärtner, Ärztlicher Leiter des synlabEinsatz von Antibio- Partners BZH in Freiburg.
tika, die Isolation von
Patienten mit multiresistenten Erregern, die Identifikation
von Trägern und Erkrankten und, soweit nötig, die rasch
wirksame Therapie.1
Der synlab-Partner BZH (Beratungszentrum für Hygiene2 )
führt regelmäßig Hygienekongresse durch, sowie Kurse, bei
denen Ärzte und Mitarbeiterinnen zu Hygienebeauftragten
fortgebildet werden. In den verschiedenen synlab-Laboren
werden mikrobiologische Untersuchungen – auch von
Bioindikatoren – und Hygieneberatungen für die niedergelassene Arztpraxis angeboten. Bernd Harder
1
2
Schweiz Med Forum 2005;5:660–666
www.bzh-freiburg.de/
Haben Sie Fragen zum Hygienemanagement in Ihrer Praxis/Klinik, zu Hygieneplänen, Fortbildungen etc.?
Sprechen Sie Ihren synlab-Außendienst
darauf an.
6_2010
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