US-Konjunktur: Geringe Nachfrage bremst Wachstum

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IKB-Kapitalmarkt-News – US-Konjunktur: Geringe Nachfrage bremst
Wachstum
21. September 2016
Dr. Klaus Bauknecht
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Das Jahre nach Ende der Finanzkrise immer noch niedrige Wachstum in den USA bleibt bestimmendes Thema bei der Fed
und bei vielen Volkswirten. Zwar wächst die US-Wirtschaft seit sieben Jahren, diese Entwicklung ist aber wenig überzeugend
und die Konjunktur zeigt weder Tendenzen zu einer Überhitzung noch erzeugt sie Inflationsdruck, wie man klassischerweise
erwarten würde. Der Begriff der säkularen Stagnation wird oft für diesen Zustand verwendet. Gemeint ist, dass die Wirtschaft
anhaltend in einem Zustand nicht ausreichender Nachfrage verharrt. Wachstum ist zwar vorhanden, doch das reicht nicht aus,
um die Wirtschaft an einen Punkt zu bringen, an dem hohe Kapazitätsauslastung und steigende Löhne zu Inflationsdruck
führen. Angesichts der aktuellen Prognosen kann auch auf Sicht nicht von einer schnellen Rückkehr zu höheren
Wachstumsraten ausgegangen werden, obwohl Notenbanken weltweit weiterhin versuchen, alles dafür zu tun. Was sind die
Gründe dafür?
Gemäß Keynes kann eine Wirtschaft einen Gleichgewichtszustand erreichen, bei dem nicht alle Ressourcen genutzt werden.
Die Wirtschaft wächst dann auch mittelfristig unter ihrem Potenzial, woraus eine niedrige Inflation resultiert.
Gleichgewichtszustand bedeutet, dass diese Lage mittelfristig stabil bleiben kann. Einerseits deutet in den USA die
Entwicklung des Arbeitsmarktes auf eine relativ hohe Auslastung des Produktionsfaktors Arbeit hin, andererseits ist die
Arbeitslosenquote kein guter Indikator für die Auslastung, da sie unter anderem von der Partizipationsrate beeinflusst wird:
Reale Lohnsteigerungen, also die reale Preisentwicklung von Arbeit, deuten darauf hin, dass die Nachfrage nach Arbeit bis
jetzt nicht ausreichend war, um die Preise in die Höhe zu treiben und die Wirtschaft aus dem Stadium der säkularen
Stagnation nachhaltig zu befreien.
Der US-Wirtschaft fehlt es an Wachstumsdynamik. Diskutiert werden aktuell drei mögliche Ursachen: Die hohe
Schuldenquote von Privatwirtschaft und Staat, die alternde Bevölkerung sowie ein im Vergleich zu den Vorkrisenjahren
niedriges Produktivitätswachstum. Bei der Beurteilung dieser Aspekte ist es wichtig, zwischen Einflüssen zu unterscheiden,
die auf die Nachfrage wirken und jenen, die die Angebotsseite betreffen. Die aktuelle Konjunkturentwicklung in den USA ist
nach keynesianischer Lesart Resultat einer nicht ausreichenden Nachfrage. Wäre die Ursache für das niedrige Wachstum bei
der Angebotsseite zu suchen, wäre also die Nachfrage größer als das Angebot, so entstünde Preisdruck, und die reale
Handelsbilanz würde sich verschlechtern. Wenn nämlich die Angebotsseite das Wachstum bremst, gibt es nicht ausreichend
Güter für die Befriedigung der Nachfrage, was durch zusätzliche Importe oder eine zunehmende Inflation wieder ins
Gleichgewicht gebracht werden müsste, weil dies zu einer sinkenden Nachfrage führen würde. Die USA zeigen allerdings
selbst nach Jahren stetigen Wirtschaftswachstums weder Inflationsdruck noch eine Zunahme der Netto-Importe bzw. eine
Abnahme der Netto-Exporte.
Abb. 1: Netto-Exporte der USA, Veränderung zum Vorjahr
0,0%
-1,0%
-2,0%
-3,0%
-4,0%
-5,0%
-6,0%
1990
Quelle: BEA
1992
1994
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1998
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2002
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Kapitalmarkt News
Nicht abnehmende Produktivität ist der Grund für diese Entwicklung, denn sinkende Produktivität bedeutet, dass eine
Volkswirtschaft bei unveränderten Produktionsfaktoren schrumpft. Bei gleicher Nachfrage kommt es dann zur Überauslastung
bzw. zu steigenden Preisen. Zunehmende Produktivität geht einher mit einem größeren potenziellen Wachstum, da bei
gleichen Produktionsfaktoren ein höherer Output erfolgt. Doch da es keine ausreichende Nachfrage für die produzierten Güter
gibt, wird sich dieses Wachstum nicht materialisieren. Eine nachlassende Produktivität reduziert hingegen das potenzielle
Wachstum, was bei konstanter Nachfrage zu einem Ungleichgewicht führt und steigende Preise oder ein ausweitendes
Außenhandelsdefizit mit sich bringt. Keine dieser Entwicklungen ist jedoch aktuell in den USA zu erkennen. Zwar mag sich das
Defizit zwischen 2012 und 2014 ansatzweise ausgeweitet haben, doch grundsätzlich ist die Netto-Exportquote in den letzten
Jahren relativ stabil. Nach der Finanzkrise ergab sich eine deutliche Zunahme der Netto-Exportquote, was ebenfalls auf eine
nicht ausreichende Nachfrage hindeutet, während es in den 90er Jahren vor allem die Angebotsseite war, die das Wachstum
belastet und zu einer Ausweitung des Defizits geführt hat. In dieser Zeit wuchs die USA oftmals stärker als ihr langfristiges
Potenzial. Die Ursache des niedrigen Wachstums der letzten Jahre kann also nicht pauschal auf eine niedrige Produktivität
zurückgeführt werden, da deren Einfluss vor allem auf der Angebotsseite zu erkennen wäre, die Wirtschaft, gemessen an
Inflation und Handelsbilanz, allerdings eine nicht ausreichende Nachfrage aufweist.
Weltweit werden hohe Schuldenquoten oft als Ursache der schwachen Wirtschaftsentwicklung gesehen. Das Argument ist
bekannt: Unternehmen, wie auch Konsumenten müssen sich entschulden, was zu einer reduzierten Nachfrage führt, da die
Sparquote steigen muss. Allerdings wird mit jedem Anstieg der Schulen auch ein Anstieg des Vermögens sichergestellt.
Schließlich bedeutet ein Anstieg in der Kreditvergabe ein gleich starker Anstieg bei den Einlagen. Das Problem ist eher, dass
der vermögende Teil der Gesellschaft nicht zu einem ausreichend hohen Konsum bzw. zu Investitionen animiert werden kann,
um die reduzierte Nachfrage des verschuldeten Teils der Gesellschaft zu kompensieren. Dies ist eine zentrale
Herausforderung der Geldpolitik. Die Fed ist trotz ihrer Niedrigzinspolitik nicht in der Lage, Vermögende zu animieren, ihr
Gespartes in den wirtschaftlichen Kreislauf zurückführen, sei es durch höheren Konsum oder durch Investitionen. Die
Überschuldeten erhöhen ihre Sparquote, die Vermögenden reduzieren sie nicht ausreichend. Das Ergebnis ist eine nicht
ausreichende Nachfrage. Die Lösung umfasst viele Möglichkeiten und reicht von Anreizen für größere Investitionen und mehr
Konsum über fiskalische Nachfragestimulierung bis hin zu einer Umverteilung von Vermögen durch die Fiskal- oder
Geldpolitik, etwa durch Helikoptergeld oder langanhaltende negative Renditen auf den Finanzmärkten. Die Renditen in der
Realwirtschaft sollten steigen, die auf den Finanzmärkten noch weiter sinken. Bleiben drastische Maßnahmen aus, so ist in
den USA auf Sicht nicht mit einer überzeugenden Konjunkturentwicklung zu rechnen, und die Zinsen bleiben noch lange
niedrig, weil die Fed bei ineffektiver Nachfrage überhaupt keinen Handlungsspielraum für nachhaltige Zinsanhebungen hat.
Sinkende Zinsen sind sicherlich nicht ausreichend, da Investitionen gemäß Keynes vor allem von „animal spirits“ beeinflusst
werden, die bei erhöhter Unsicherheit eine größere Rolle spielen, als marginale Zinssenkungen. So sind das schwache
Wachstum und die zurückhaltende Nachfrage sehr wohl auf die Ineffektivität der Geldpolitik zurückzuführen. Deshalb ist es
auch nicht verwunderlich, dass sich der frühere Chefvolkswirt des IWF, Kenneth Rogoff, für deutlich negative Zinsen (bis zu
minus 6 %) im Falle einer erneuten konjunkturellen Eintrübung ausgesprochen hat. Es geht primär nicht um einen weiteren
Anstieg in der Kreditvergabe, was oft als kritisch und nicht nachhaltig angesehen wird; es geht eher darum, das Vermögen
zurück in die Realwirtschaft zu pumpen. Dies erweist sich allerdings als relativ schwierig, vor allem, wenn der Staat zu keiner
expansiven Fiskalpolitik bereit und der direkte Einfluss der Geldpolitik auf Spar- und Investitionsverhalten eher fraglich ist. In
Deutschland erfolgt aufgrund der negativen Zinskurve aktuell eine Umverteilung von den Vermögenden zum Staat. Der Staat
tut sich allerdings schwer, dies mit Hilfe einer expansiven Fiskalpolitik zu unterstützen.
Zunehmende finanzielle Ungleichheit in der Bevölkerung in Kombination mit einer Risikoaversion fördert eine ineffektive
Nachfrage. Somit ist eine hohe Schuldenquote ein plausibler Grund für eine nicht ausreichende Nachfrage, was allerdings vor
allem auf eine ineffektive Wirtschaftspolitik zurückzuführen ist. In den USA mag noch hinzukommen, dass ein Teil des
transferierten Vermögens ins Ausland abfließt (z. B. als chinesische Devisenreserven). Das wiederum legt sein Vermögen
primär in US-Finanzprodukten (Staatsanleihen) und nicht direkt in der Realwirtschaft an. Dies bewirkt niedrige
Kapitalmarktzinsen, was allerdings, wie oben bereits erwähnt, nicht genügt, um die entsprechenden Investitionen anzukurbeln,
die den Abfluss von Geld ausreichend kompensieren.
Ein weiterer Erklärungsversuch für das anhaltend niedrige Wachstum in den USA und in vielen europäischen Ländern
fokussiert auf die alternde Bevölkerung. Dies war sicherlich auch schon vor der Finanzkrise ein grundsätzliches Thema. Doch
wie beeinflusst eine alternde Bevölkerung das Wirtschaftswachstum? Bei einer alternden Bevölkerung geht die Zahl der
Beschäftigten zurück. Also ist, wie bei niedrigem Produktivitätswachstum, auch in diesem Fall in erster Linie die Angebotsseite
betroffen. Es ist davon auszugehen, dass ältere Menschen immer noch konsumieren, auch wenn sie weniger zum BIP
beitragen. Eine alternde Bevölkerung bedeutet, dass die Angebotsseite belastet wird, auch weil höhere Abgaben den Anreiz
für junge Menschen reduzieren zu arbeiten. Damit stehen dem Arbeitsmarkt immer weniger Menschen zur Verfügung, was in
Deutschland auch eine Ursache des oft thematisierten Fachkräftemangels ist. Dieser reduziert das potenzielle Wachstum und
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führt damit zu einem Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage. Wie bei einer sinkenden Produktivität erhöht eine
alternde Bevölkerung den Inflationsdruck und/oder führt zu einem ausweitenden Handelsdefizit. Allerdings erklärt die alternde
Bevölkerung nicht die ineffektive Nachfrage in den USA.
In Deutschland scheint die Nachfrage allerdings trotz der alternden Bevölkerung zu gering zu sein, denn die Netto-Exporte
weisen einen deutlichen und stabilen Überschuss von rund 7 % des BIP auf. Zwar scheint sich in jüngster Zeit die
Konsumquote zu stabilisieren, doch die Trägheit beim Investitionsverhalten zeugt weiterhin von einer nicht ausreichenden
Binnennachfrage. Es lässt sich allerdings argumentieren, dass die Sorge über den zukünftigen Lebensstandard die Menschen
zum Sparen animiert. Das kann die Nachfrage der Wirtschaft durchaus negativ beeinflussen. Auch wird teils argumentiert,
dass die sinkenden Zinsen die Renditen senken und somit zu einer höheren Sparquote führen und nicht zu einer niedrigeren.
Führt die Sorge über den zukünftigen Wohlstand auch die US-Konsumenten zu einer höheren Sparquote?
Abb. 2: USA: Entwicklung von Konsum- und Sparquote der privaten Haushalte
13
70
68
11
66
9
64
7
62
60
5
58
3
1
1980
56
54
1984
1988
1992
1996
2000
2004
2008
2012
2016
Sparquote, Anteil des Sparbetrages am verfügbaren Einkommen, in %
Konsumquote, in % zum BIP (rechte Skala)
Quelle: Fred
Sinkende Zinsen haben einen Einkommenseffekt, der für eine höhere Sparquote spricht (es muss mehr gespart werden, da
Renditen auf Vermögen niedriger sind); aber auch einen Substitutionseffekt, der zu einem höheren aktuellen Konsum führen
sollte (niedrige Zinsen erhöhen die Präferenz, eher heute als morgen zu konsumieren, da die Opportunitätskosten des
Wartens gesenkt werden). Grundsätzlich deuten empirische Analysen darauf hin, dass niedrige Zinsen einen positiven Einfluss
auf den Konsum, und damit einen negativen Einfluss auf die Sparquote, haben. Der Gedanke, dass die Unsicherheit der
letzten Jahre die Konsumlaune der USA belastet, ist durchaus berechtigt. Nach der Finanzkrise ist die US-Sparquote parallel
angestiegen, hat sich allerdings auf dem höheren Niveau eingependelt. Hier mögen auch die fallenden Häuserpreise einen
Einfluss gehabt haben.
Fazit: Aktuell bremst insbesondere die Nachfrageseite die Konjunktur in den USA. Das niedrige Produktivitätswachstum und
die alternde Bevölkerung haben weniger Einfluss auf das geringe Wirtschaftswachstum. Sie wirken sich eher auf die
Angebotsseite, und damit auf das Potenzialwachstum, aus. Würde Letzteres nachlassen, müssten sich Ungleichgewichte in
Form eines steigenden Handelsdefizits oder einer höheren Inflationsrate ergeben, was aber nicht der Fall ist. Hohe
Schuldenquoten hingegen können sehr wohl zu einer anhaltend schwachen Nachfrage führen. Da jedoch jede Verschuldung
eine Gegenposition hat, liegt das Problem eher in der Ineffektivität der Wirtschaftspolitik. Diese schafft es nicht, Anreize zu
schaffen, um Vermögende zu mehr Konsum bzw. zu größeren Investitionen zu animieren und damit Finanzvermögen in die
Realwirtschaft zurückzuführen. Deshalb dürfte die US-Geldpolitik auch auf Sicht wenig Spielraum haben, die Zinsen nachhaltig
anzuheben.
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