Ausg. 1 - redaktion voss

Werbung
plattform no.01
Ein Magazin von Schöck Balkonsysteme
.
Photovoltaik an Fassade und Balkon
Balkongespräche: Energetische Modernisierung
Forschungsprojekt Rintheimer Feld
Urlaubsparadies auf 5 m²
www.schoeck-balkonsysteme.de
plattform, Jahrgang 01, Ausgabe 01
Sternekoch Björn Freitag: Mein Balkon
Inhaltsverzeichnis
7
Seite 22
2
Seite 06
1
5
Seite 18
Freiräume
Scharfmacher, Vorfreude, Hochgefühle: Ein Panoramablick über den Balkonrand.
Seite 04
2
Sonnige Aussichten: Photovoltaik an Fassade und Balkon
Sauberer Strom aus der Hausfassade: Immer mehr Unternehmen bauen auf gebäudeintegrierte Photovoltaik und setzen damit auch ästhetische Akzente.
Seite 06
3
Rückblick BAU 2011
Die Leitmesse stand im Zeichen von Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Im Fokus: Innovative
Solartechnik von vier Messeausstellern.
4
Balkongespräche: «Enormer Gewinn an Wohnqualität»
Auftakt eines neuen Expertenforums für Bauen im Bestand: Schöck Balkonsysteme lud
zum fachlichen Austausch auf den Balkon der Alten Oper in Frankfurt.
5
6
Energieoffensive im Quartier
Reiner Kuklinski, Geschäftsführer der Volkswohnung GmbH, über das energetische
Forschungsprojekt im Rintheimer Feld und die Zukunft des Bauens.
7
Seite 24
Seite 25
Balkongeschichten
Literarische Impressionen von Sabine Schöck und Moritz Kaiser.
02
Seite 22
Mein Balkon
Sterne- und TV-Koch Björn Freitag über einen Ort der Inspiration und Klarheit.
10
Seite 20
Sommerlicher Höhenrausch
Wein und Speisen unter freiem Himmel: Sommelier Bernd Kreis verrät die besten Tipps.
9
Seite 18
Paradies auf 5 m2
Reif für den Urlaub? Ein Plädoyer für entspannte Ferien auf Balkonien von Journalist und
Buchautor Burkhard Müller-Ullrich.
8
Seite 14
Rintheimer Feld: Modernisierung im Praxistest
Vielversprechende Ansätze erprobt die Volkswohnung GmbH derzeit in einer Großsiedlung in Karlsruhe. Wesentlicher Bestandteil ist ein innovatives Energiekonzept.
Seite 10
Seite 26
Schöck Balkonsysteme: plattform no.01
Eine
neue
plattform
Editorial von Dr. Peter Kaiser
Bereichsleiter Systemmanagement
Illustration Titel: Jens Mennicke, Zeichnung: Julian Rentzsch
und Marketing
Der Balkon ist viel mehr als ein statisches Gebäudeteil. Er ist mehr als eine
«nicht überdeckte Auskragung an den Geschossen eines Hauses», wie es
der Brockhaus definiert. Er ist auch mehr als ein funktionales Element der
Wohnungserweiterung, wie ihn Architekten gern sehen. Er erweitert nicht nur
unseren Lebensraum, er steigert unsere Lebensqualität. Der Balkon ist Ort
der Begegnung und inneren Einkehr zugleich. Unzähligen Städtern dient er
als grüne Oase. Balkone haben einen ästhetischen Wert, eine kulturell-historische Bedeutung. Und sie besitzen seit jeher einen starken Symbolcharakter:
Wenn jemand etwas Wichtiges verkünden möchte, tritt er auf den Balkon. Ich
bleibe lieber auf dem Teppich. Wenngleich ich mich freue, auch etwas verkünden zu können: den Start des neuen Magazins von Schöck Balkonsysteme.
plattform richtet sich exklusiv an unsere Partner und Kunden. Fortan beleuchtet plattform regelmäßig alle Facetten rund um den Balkon. Das Magazin
soll informieren und unterhalten, Impulse setzen und Ideen liefern, anregen
und Fragen aufwerfen, uns und Ihnen Neues bieten. Und es soll Sie, unsere
Partner, einladen, mit uns zu reden, uns zu schreiben, den gemeinsamen Austausch zu suchen. Nomen est omen.
Diese erste Ausgabe steht im Zeichen der Energieeffizienz und Solarkraft.
Die Ereignisse in Japan haben nur zu deutlich gezeigt: Wir brauchen die Energiewende. In unserer Titelgeschichte (ab Seite 06) berichten wir über die
neuesten Entwicklungen der gebäudeintegrierten Photovoltaik. Immer mehr
Schöck Balkonsysteme: plattform no.01
Unternehmen setzen auf multifunktionale Fassaden, die nicht nur Strom generieren, sondern zugleich dämmen und klimatisieren – und die Gebäude ästhetisch aufwerten. Der Markt ist in Bewegung, es gibt viel zu entdecken.
plattfom war für uns zugleich Anlass, ein neues Fachforum ins Leben zu rufen. Zum Startschuss hat sich die Redaktion mit einer Expertenrunde auf dem
Balkon der Alten Oper in Frankfurt getroffen, um über Chancen und Risiken
der Modernisierung im Bestand zu diskutieren. Die Gespräche, nachzulesen
ab Seite 14, waren so konstruktiv, dass wir beschlossen haben, die Balkongespräche als feste Rubrik zu wechselnden Themen zu installieren.
Ein außergewöhnliches Modernisierungsprojekt, das bundesweit Schule
machen könnte, wird derzeit in der Großsiedlung Rintheimer Feld in Karlsruhe gestemmt. Wir stellen es Ihnen ab Seite 18 vor und lassen im Interview
den Chef der verantwortlichen Wohnungsbaugesellschaft, Reiner Kuklinski,
zu Wort kommen.
plattform liefert aber nicht nur harte Fakten. Folgen Sie uns ins Urlaubsparadies Balkonien, lesen Sie die Gedanken von Promi-Koch Björn Freitag
und begeben Sie sich mit unseren Balkongeschichten auf eine literarische
Entdeckungsreise. Und wenn Sie den Tag auf dem Balkon ausklingen lassen
– womöglich mit diesem Magazin in der Hand – dann gönnen Sie sich doch
einen der Sommerweine, die Ihnen Sommelier Bernd Kreis, einer der besten
seines Fachs, exklusiv für dieses Magazin ans Herz legt.
03
Freiräume
Praktisch
Per Mausklick zum Balkon: Als erster Anbieter
präsentiert Schöck Balkonsysteme einen kostenlosen Konfigurator, mit dem sich individuelle Balkone und ganze Balkontürme online planen lassen,
bequem und zeitsparend. Der Balkon-Konfigurator steht ab Mai auf der Unternehmenswebsite zur
Verfügung. Benutzer können eigene Pläne und
Fotos hochladen, realistische 3-D-Animationen erstellen und ihre Entwürfe bis ins Detail aus allen Perspektiven betrachten. Wer auf der Suche
nach Inspirationen ist, kann zudem auf eine Vielzahl an digitalen Musterfassaden zurückgreifen.
Am Ende des Planungsvorgangs generiert der
Balkon-Konfigurator ein PDF-Dokument mit den
gewünschten Entwürfen.
www.schoeck-balkonsysteme.de
Freiluftstudio
Geranien sind öde? Dann machen Sie Ihren Balkon scharf und kultivieren Sie
Ihre eigenen Chili-Pflanzen. Die bunten Früchte sorgen nicht nur für Feuer im
Kochtopf. Sie sind auch eine Augenweide auf jedem Balkon. Weltweit gibt es
Hunderte Sorten. Direkt aus der Hölle scheint die indische Bhut Jolokia zu
kommen. Sie ist tausend Mal schärfer als eine herkömmliche Peperoni und
bringt es auf eine Million Einheiten auf der Scoville-Skala für Schärfe. Zum
Vergleich: Tabascosauce kommt auf schlappe 3.000 Einheiten.
Die Internet-TV-Show «Balcony TV» lädt Musiker aus aller Welt zu einem Gastspiel auf dem Balkon. Weltweit gibt es 16 Stationen, unter anderem in London,
New York, Paris und Hamburg. Der deutsche Ableger sendet von einem kleinen Balkon über der Hamburger Reeperbahn am Spielbudenplatz 22. In den
letzten drei Jahren waren rund 1.200 nationale und internationale Acts zu Gast,
darunter Milow aus Belgien, Marit Larsen aus Norwegen, der deutsche Singer-Songwriter Gisbert zu Knyphausen und Interfoam aus Kopenhagen (Foto).
www.chili-balkon.de
www.balconytv.com
Fotos: Andrei Rybachuk / Fotolia.com, Julia Knop (Freiluftstudio)
Scharfmacher
04
Schöck Balkonsysteme: plattform no.01
Eine Frage des Standpunkts: Wie viele Menschen
dürfen auf einen Quadratmeter Balkon?
DIN 1055 sieht eine zulässige Last von 4,00 kN/m² oder umgerechnet 400 kg
vor. Fünf bis sechs normalgewichtige Erwachsene könnten sich demnach auf
einen Quadratmeter Balkon quetschen. Sofern sie denn wollten …
1
Statisch
Vorfreude
Lange haben wir den ersten Balkonabend herbeigesehnt. Und jetzt macht
uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung? Dann tauschen wir eben
Liegestuhl mit Couch und setzen auf Vorfreude per DVD: In seiner Beziehungskomödie «Sommer vorm Balkon» erzählt Regisseur Andreas Dresen die
Geschichte von Nike und Katrin. Wenn im heißen Berliner Sommer der Tag
zur Neige geht, sitzen die beiden Freundinnen bis in die Nacht auf dem Balkon und erörtern ihre Probleme mit den Männern. In den Hauptrollen glänzen
Najda Uhl und Inka Friedrich. Knapp eine Million Zuschauer lockte der Film
in die deutschen Kinos. Auch Kritik und Medien waren begeistert. Regisseur
Dresen durfte sich über den Bayerischen Filmpreis freuen und das Fachmagazin Cinema lobte: «Eine Sozialkomödie mit brillantem Drehbuch von Wolfgang
Kohlhaase, die begeistert, anrührt und die Zuschauer geradezu beglückt.»
www.sommervormbalkon.de
Hochgefühle
rechtigt. Gut zu wissen: Der gigantische Balkon hält Windgeschwindigkeiten
von 160 Stundenkilometern und Erdbeben der Stärke 8 auf der Richterskala
im Umkreis von 50 Meilen stand. 120 Menschen dürfen sich gleichzeitig auf
dem fast 500 Tonnen schweren Balkon der Superlative aufhalten. Tragendes
Element ist ein Stahlrahmen, der vor Ort auf beweglichen Lagern gefertigt
wurde. Die Glaselemente stammen von einem Hersteller aus Deutschland.
Der sieben Zentimeter dicke fünfschichtige Glasboden ist zwar stabil, aber
nicht ganz unempfindlich. Deshalb erhalten alle Besucher ein Paar rutschfeste Überschuhe, die den Boden vor Kratzern schützen.
Fotos: David McNew / Getty Images (Hochgefühle)
Nichts für schwache Nerven: 1.200 Meter über dem Boden thront der höchstgelegene Balkon der Welt über dem Grand Canyon. Mehr als 20 Meter ragt
die Glasplattform Skywalk über den Abgrund hinaus. Schwindelfreien Touristen bietet sich ein fantastischer Blick auf die kilometertiefe Schlucht und
den Colorado River. Fast zwei Millionen Menschen hat das 40 Millionen Dollar
teure Bauwerk im Reservat der Hualapai-Indianer bislang angelockt. Um den
Skywalk zu erreichen, müssen Besucher zunächst eine 16 Kilometer lange
Schotterpiste bewältigen. Der Eintritt kostet 25 Dollar zuzüglich eines zusätzlichen Beitrags, der zum Besuch weiterer Attraktionen im Indianerreservat be-
Schöck Balkonsysteme: plattform no.01
05
Sonnige Aussichten
Trotz Kürzung der staatlichen Zuschüsse: Der Solarenergie-Boom
ist ungebrochen. Moderne Photovoltaikanlagen erobern Gebäudefassaden, Brüstungen und Balkone. Welchen Beitrag leisten sie für
Architektur und die viel beschworene Energiewende?
Fotos: Tonatiuh Ambrosetti, Würth Solar
Der globale Primärenergieverbrauch hat sich seit
1970 verdoppelt. Und er steigt weiter. Der Bedarf
wird immer noch zu mehr als drei Vierteln aus
den herkömmlichen fossilen Energieträgern gedeckt. Nur 13 Prozent entfallen auf die erneuerbaren Energien. Die Internationale Energieagentur
(IEA) schlägt deshalb bereits Alarm. Sie fordert
nicht weniger als eine «Energierevolution», die
sich in einem raschen Ausbau der erneuerbaren
Energien widerspiegelt. Das gewaltigste alternative Kraftwerk liefert uns aus durchschnittlich
150 Millionen Kilometern Entfernung jährlich über
219.000 Billionen Kilowattstunden Energie. Zum
Nulltarif und 3.000-mal mehr als die Weltbevölkerung verbraucht. Auch in unseren gemäßigten
Breitengraden setzen immer mehr Unternehmen
und Privathaushalte auf die Kraft der Sonne: Photovoltaikanlagen wandeln die Sonnenstrahlung mit
Hilfe von Solarmodulen in elektrischen Strom um.
Nach Schätzungen des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW) gingen allein im vergangenen
Jahr über 230.000 Solarstromanlagen neu ans
Netz. Damit hat sich der Inlandsmarkt gegenüber
dem Vorjahr nahezu verdoppelt.
Wer sich für eine Photovoltaikanlage entscheidet, profitiert gleich mehrfach. Er erzeugt nicht
nur seinen eigenen, sauberen Strom. Er darf sich
auch über Zuschüsse in Form einer staatlich garantierten Einspeisevergütung freuen. Doch gerade der letzte Punkt rief zuletzt immer mehr Kritiker
auf den Plan. Sie bemängeln, dass die Solartechnik unverhältnismäßig hoch subventioniert werde.
Immerhin verschlingt sie 40 Prozent der Ökoenergieförderung, während der Anteil der Solarenergie an Grüner Energie nur bei neun Prozent liegt.
Im Jahr 2011 müssen die Verbraucher über die
Stromrechnung rund 13,5 Milliarden Euro für die
Ökostromförderung zahlen.
Jetzt tritt die Bundesregierung auf die Bremse. Umweltminister Norbert Röttgen will eine bereits geplante Kürzung der Förderung um bis zu
15 Prozent auf Juli vorziehen. Anfang Januar 2012
06
sollen weitere neun Prozent gestrichen werden.
«Gerade weil ich für die Photovoltaik und für die
erneuerbaren Energien bin, muss sichergestellt
werden, dass es sich beim Erneuerbare-Energien-Gesetz um eine Markteinführung handelt und
nicht um eine Dauersubvention», erklärt Röttgen,
der die deutsche Solarindustrie auf seiner Seite
weiß. Denn zusehends herrscht in der Branche die
Einsicht, dass ein für die Stromverbraucher teurer
Boom der Sonnenenergie schädlich sein könnte
für die Zukunft der Photovoltaik.
Trotz aktueller Subventionskürzungen ist die
Nachfrage nach Solartechnik ungebrochen. Nicht
zuletzt deshalb, weil sie immer günstiger wird. Laut
BSW-Präsident Günther Cramer sind die Preise
für schlüsselfertige Solarstromanlagen innerhalb
eines Jahres um durchschnittlich 13 Prozent gesunken. Seit 2006 fielen sie sogar um mehr als 40
Prozent. Experten prognostizieren, dass sich die
Preissenkungen fortsetzen werden. Sonnige Aussichten also für Investoren.
Multifunktionale Fassaden
Die technischen Bausteine der Photovoltaik werden in der Regel auf Siliziumbasis gefertigt. Die
Auswahl ist groß. Neben monokristallinen Solarmodulen, die wegen ihres sehr hohen Siliziumgehalts sehr effektiv arbeiten, gibt es unter anderem
preisgünstigere polykristalline Module. Sie haben
einen geringeren Wirkungsgrad, da bei der Herstellung weniger reines Silizium verwendet wird.
Ein weiteres Erfolgsprodukt sind Dünnschichtsolarmodule, etwa aus amorphen Siliziumzellen.
Der photoaktive Halbleiter wird in diesem Fall
als dünne Schicht auf das Trägermaterial, in den
meisten Fällen Glas, aufgebracht. Sie können zum
Beispiel herkömmliche Glasflächen ersetzen.
Ebenso vielfältig wie die Module selbst sind die
Anwendungsmöglichkeiten bei der Gebäudeintegration. Längst kommen Solaranlagen nicht nur
auf Hausdächern zum Einsatz. Mittlerweile erfah-
ren sie auch als weithin sichtbare Fassadenverkleidung neue Wertschätzung. Dort machen sie
als sogenannte gebäudeintegrierte Photovoltaik
gleich mit mehreren Vorteilen auf sich aufmerksam. «Der Trend geht eindeutig zur multifunktionalen Fassade», bestätigt Francesco Frontini,
Experte für Solarfassaden am Fraunhofer-Institut
für Solare Energiesysteme ISE. Hintergrund der
Entwicklung ist die EU-Richtlinie für Energieeffizienz in Gebäuden, wonach Neubauten ab 2019 nur
noch als Nullenergiegebäude ausgeführt werden
dürfen, also nur so viel Energie verbrauchen, wie
sie selbst produzieren. Forschungen am Fraunhofer ISE hätten ergeben, dass Dachflächen allein
nicht ausreichten, um dieses Ziel zu erreichen.
Die Fassadenintegration bietet sich vor allem
bei großflächigen Büro- und Industriegebäuden
sowie Mehrfamilienhäusern an. Grundsätzlich eignet sich jeder Teil der Gebäudehülle mit direkter
Sonneneinstrahlung für die Installation einer Photovoltaikanlage. Zwar sind Fassaden mit Blick auf
den Sonneneinstrahlungswinkel nicht ideal ausgerichtet. Doch selbst im Falle einer vertikalen Installation lassen sich bei südlicher Ausrichtung noch
fast drei Viertel der Einstrahlungswerte einer optimierten Dachinstallation mit südorientierter Neigung von rund 35 Grad erreichen. Abweichungen
nach Südwest oder Südost verringern den Energieertrag nur geringfügig. Schattenspender wie
Bäume, Nachbargebäude, Giebel oder Antennen
sollten indes vermieden werden. Sie können den
Stromertrag erheblich reduzieren.
Neben der Stromerzeugung und dem damit einhergehenden wirtschaftlichen Gewinn ermöglichen Photovoltaikmodule als Teil der Fassade zusätzlich die Regulierung des Licht- und Wärmeeintrags
ins Gebäude und dienen zugleich der Wärmeund Schalldämmung. Eingebaut in großflächige
Verglasungen gilt die gebäudeintegrierte Photovoltaik auch architektonisch als Aufwertung und
fungiert mitunter als gestalterisches Element. So
sind Dünnschichtmodule mittlerweile in allen RAL-
Schöck Balkonsysteme: plattform no.01
2
Wie ein gigantischer Bergkristall mutet die 2.883 Meter hoch gelegene Monte-Rosa-Hütte in den Schweizer Alpen an.
Das preisgekrönte Gebäude mit Blick aufs Matterhorn deckt einen Großteil seines Energiebedarfs mit Strom aus eigenen Photovoltaikanlagen. Die Berghütte dient zugleich als Gästehaus und Energieforschungsobjekt.
Schöck Balkonsysteme: plattform no.01
07
Fotos: Würth Solar
Futuristische Architektur im Reich der Mitte: Das Dach von Pekings
neuem Südbahnhof wurde mit 5.200 Photovoltaikmodulen des deutschen
Herstellers Würth Solar bestückt. Sie bringen eine Nennleistung von
rund 390 Kilowattpeak.
Farben erhältlich und ermöglichen sogar die Darstellung von Unternehmenslogos. Wenn Solarzellen in Verbundsicherheitsgläser integriert werden,
können sie zudem die Gebäudesicherheit erhöhen.
Denn bei einem etwaigen Einbruch werden die
elektrischen Kontakte getrennt. Die Solaranlage
fungiert damit als Alarmsystem. Ein weiterer Pluspunkt der Solarfassade: Sie stellt eine besonders
platzsparende Form der Energiegewinnung dar.
Bisher nutzen vor allem Unternehmen und öffentliche Institutionen die energetische und symbolische Strahlkraft der Sonne. Sie ersetzen Stein,
Stahl oder Marmor durch ästhetisch ansprechende photovoltaische Elemente. Denn ein Unternehmen, das seine eigene saubere Energie erzeugt
und dazu beiträgt, Ökologie und Ökonomie miteinander zu versöhnen, darf sich einen satten Imagegewinn ausrechnen.
Eine Solarfassade lässt sich nahezu wie eine
Standardglasfassade planen. Mit geringem Mehraufwand können so innovative und ästhetisch anspruchsvolle Gebäudeflächen konzipiert werden.
Bei der Integration unterscheidet man grundsätzlich zwischen Kalt- und Warmfassaden. Im ersten
08
Fall werden die Photovoltaikmodule nachträglich
vor die Fassade installiert. Sie dienen vor allem
der Energieproduktion, Fassadengestaltung und
dem Witterungsschutz. Die innere Wand dagegen
übernimmt die Wärmedämmung und trägt die Fassadenkonstruktion. Dazwischen befindet sich eine
Luftschicht, die eine Erwärmung der Photovoltaikmodule verhindern soll. Ein nicht unwesentlicher
Punkt. Denn die Erwärmung der Module verringert
den Stromertrag um rund zehn Prozent. Für Kaltfassaden wird darum in der Regel eine Hinterlüftungsebene von mindestens zehn Zentimetern eingeplant. Sie werden deshalb auch vorgehängte,
hinterlüftete Fassaden genannt.
Eine Warmfassade hingegen übernimmt sämtliche Funktionen des Gebäudeabschlusses von
Statik und Wärmedämmung bis zum Witterungsund Schallschutz. Warmfassaden sind nicht hinterlüftet. Deshalb liefern die Solarmodule aufgrund
ihrer Erwärmung einen geringeren Energieertrag.
In den transparenten oder halbtransparenten Bereichen der Fassade können Isolierverglasungen
durch semi-transparente Glasmodule aus amorphen Siliziumzellen ersetzt werden. So lassen sich
beispielsweise Fensterflächen mit photovoltaischer Zusatzfunktion versehen. Besonders in großflächigen Verglasungen übernehmen die Module
somit sowohl abschattende als auch lichtstreuende Aufgaben. Wer will, kann den gesamten Gebäudemantel mit Photovoltaikanlagen umkleiden,
sofern er die drei wesentlichen Effizienzfaktoren
Ausrichtung, Hinterlüftung und Verschattung bei
der Planung berücksichtigt. Moderne flexible Solarmodule bieten zahlreiche Einsatzmöglichkeiten.
Kraftwerk Balkon
Auch auf Brüstungen und Balkonen kommen Solarmodule immer häufiger anstelle klassischer Verkleidungen zum Einsatz. Da Balkone meist in sonnenreicher Südlage liegen, bieten sie sich oft als
ideale Fläche zur Stromerzeugung an. Auch hier
bringt die Nutzung gleich mehrere Vorteile: Im
Sommer schützt die senkrechte Stellung die Photovoltaikanlage vor Überhitzung, im Winter kann
der jahreszeitlich bedingte niedrigere Stand der
Sonne durch den Neigungswinkel von 90 Grad
besser genutzt werden.
Schöck Balkonsysteme: plattform no.01
Fotos: T. Ott / Würth Solar
So sieht ein Gewinner aus: Der Energieertrag des Solarhauses der TU Darmstadt, Sieger des Solar Decathlon 2009, liegt ein Mehrfaches über seinem
Verbrauch.
Grundsätzlich gilt: Wenn Solarmodule als Fassadenbaustoff genutzt werden, ersetzen sie herkömmliche Materialien wie Glas oder Stein. Wer
die Investitionskosten einer gebäudeintegrierten
Photovoltaikanlage ermitteln will, muss also die
ersetzten Materialien in die Berechnung einfließen lassen. Die Mehrkosten einer Solarfassade
ergeben sich aus der Kostendifferenz zwischen
den Photovoltaikmodulen und dem eingesparten
Fassadenmaterial. Den größten Kostenanteil verschlingen die Solarmodule. Auf den Photovoltaikgenerator inklusive Befestigung entfallen etwa 70
Prozent der Gesamtsumme. Sondermodule erhöhen die Ausgaben. Letztlich liegen die Investitionskosten einer Solarfassade in der Regel lediglich
etwa 10 Prozent über denen einer Steinfassade
und rund ein Fünftel über den Ausgaben für eine
Fassade aus Glas oder Keramik. Wer allerdings
zu Solarmodulen anstelle von hochwertigem poliertem Stein greift, kann sogar Geld sparen.
Nicht zu vergessen: Eine Photovoltaikfassade
produziert im Gegensatz zu herkömmlichen Gebäudeverkleidungen über viele Jahre hinweg umweltfreundlichen Strom. Die Amortisationszeit ist
Schöck Balkonsysteme: plattform no.01
abhängig von Einspeisevergütung, Laufzeit, Anschaffungskosten und dem Jahresenergieertrag.
In der Regel kann man mit rund 15 Jahren bei einer
Fassadeninstallation rechnen. Die durchschnittliche Lebensdauer liegt zwischen 30 und 40 Jahren. Die Hersteller geben meist Garantien von 10
bis 25 Jahren. Die Betriebs- und Wartungskosten
sind sehr gering, da Photovoltaikanlagen meist
störungsarm arbeiten. Alles in allem sind die Investitionskosten für gebäudeintegrierte Solarsysteme derzeit noch etwa 20 bis 30 Prozent höher
als bei vergleichbaren Dachanlagen.
Auch wenn die Solarkraft naturgemäß einen
hohen Stellenwert in Ländern einnimmt, die von
der Sonne verwöhnt werden: Die Photovoltaik
hat hierzulande als bedeutender Faktor für eine
nachhaltige und umweltschonende Energieerzeugung einen festen Platz erobert. Und das Ende
der Fahnenstange ist lange nicht erreicht. Noch
liegt der Anteil der Photovoltaik am deutschen
Bruttostromverbrauch bei nur 2 Prozent. Doch
viele Experten sind sich einig: Die Bedeutung
erneuerbarer Energien, wie Photovoltaik, Solarthermie, Windenergie und Biomasse wird in Zu-
kunft weiter zunehmen. «Eine Energieversorgung
mit 100 Prozent erneuerbarer Energien ist schon
2050 machbar», prognostiziert Professor Eicke R.
Weber, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Solare
Energiesysteme ISE.
Mehr denn je sind Unternehmen und Privathaushalte heute dazu aufgerufen, im Rahmen eines effizienten Energiemanagements einen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz zu leisten. Der
preisgekrönte Solararchitekt Rolf Disch appelliert: «Wir werden einen kompletten Energiewandel vollziehen müssen, von Kohle, Öl und Erdgas
zu dem, was dauerhaft an Energie zur Verfügung
steht. Und das ist die Sonne.» Einer Studie des
World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) zufolge entfallen allein 40
Prozent des weltweiten Energieverbrauchs auf
Gebäude – Tendenz steigend. Wer heute schon
auf ein nachhaltiges Energiemanagement und die
Kraft der Sonne setzt, schont nicht nur Umwelt
und Klima. Wer eigenen Strom produziert, macht
sich unabhängiger von der Entwicklung des Energiepreises und spart damit Geld.
09
Trendthema Photovoltaik
Nachhaltiges Bauen war das Top-Thema der BAU 2011
in München. Die umweltschonende und energieeffiziente
Planung, Gestaltung und Bewirtschaftung von Gebäuden
stand im Mittelpunkt des Interesses in den Messehallen.
Vier Solartechnik-Anbieter im Überblick.
3
Global Solar Energy
Flexible Solarmodule
Flexible Solarmodule für die Gebäudeintegration: Dafür steht Global Solar
Energy. Das Unternehmen aus Tucson in Arizona produziert leistungsfähige
Dünnschichtsolarzellen aus Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid (CIGS) auf flexiblem Trägermaterial und ist nach eigenen Angaben der einzige Hersteller von
flexiblen Solarzellen auf Basis der CIGS-Technologie in Großserienproduktion.
In München stellten die Amerikaner ihr neues Solarmodul PowerFLEX BIPV
vor – eigenen Angaben zufolge das «bislang effizienteste flexible Solarmodul
für die Gebäudeintegration». Das 300-Watt-Modul basiert auf der CIGS-Technologie und produziert laut Anbieter rund doppelt so viel Strom wie flexible
Silizium-Solarzellen. Mit einem Wirkungsgrad von 12,6 Prozent weise PowerFLEX BIPV die höchste Effizienz unter den bisher am Markt existierenden
flexiblen Solarmodulen auf.
«Weil es sehr flexibel ist, bietet es viele innovative Einsatzmöglichkeiten auf
Dächern und Fassaden», betonte Jean-Noel Poirier, Vice President of Marketing & Business Development in der US-amerikanischen Konzernzentrale.
10
Zudem überzeuge das Photovoltaikmodul durch sein niedriges Gewicht von
2,5 Kilogramm pro Quadratmeter Fläche. Und auch die Installationskosten
seien «niedriger als die aller anderen flexiblen Module, die es derzeit auf dem
Weltmarkt gibt», wie Poirier hervorhob. Der Marketing-Chef weiter: «Wir haben festgestellt, dass die Bauindustrie noch nicht über voll optimierte Solarlösungen verfügt.»
Neben der Konzernzentrale im amerikanischen Tucson betreibt Global
Solar Energy seit wenigen Jahren auch eine Produktionsstätte in Berlin. Sie
wurde 2006 als 100-prozentige Tochter von Global Solar Energy gegründet.
Im November 2008 begann die Produktion von CIGS-Dünnschichtzellen in
Berlin-Adlershof. Sie eignen sich nach Angaben des Herstellers aufgrund des
geringen Gewichts und ihrer Flexibilität für innovative gebäudeintegrierte Anwendungen. Die guten Transporteigenschaften ermöglichen aber auch einen
Einsatz in mobilen, faltbaren Ladegeräten. Außerdem können Solarzellen von
Global Solar Energy in herkömmlichen Glasmodulen verarbeitet werden.
Schöck Balkonsysteme: plattform no.01
Fotos: Schüco
Das Einfamilienhaus der Zukunft? Dank integrierter Photovoltaik und einer hocheffizienten Gebäudehülle erzeugt das
Schüco Energy3 Building mehr Energie, als es verbraucht. Der durch Sonnenenergie gewonnene Strom kann über ein intelligentes Gleichstromnetz im Haus selbst genutzt werden.
Schüco
Energy3 Buildings
Wohin die Entwicklung schon in naher Zukunft führen könnte, zeigte unter anderem die Schüco International KG. Im Rahmen eines Pilotprojekts präsentierte das Bielefelder Unternehmen sein neues Gebäudekonzept Energy3 Buildings. Es zielt darauf, Energie zu sparen, zu gewinnen und zu vernetzen. Über
schiebbare Funktionslayer können Verglasung, Dämmung, und Sonnenschutz
individuell platziert und genutzt werden. Damit passt sich das Gebäude je
nach Jahreszeit und Klima an äußere und innere Bedingungen an. Für einen
natürlichen Temperaturausgleich sorgen Phase Change Materials (PCMs) in
thermoaktiven Wandabschnitten. Als latente Wärmespeicher ermöglichen sie
kontrollierte Kühlung oder Erwärmung. Integrierte und automatisierte Lüftungsgeräte mit Wärmerückgewinnung sowie solare Kühlung vervollständigen
das energetische Gebäudesystem.
Beim in München ausgestellten Energy3 Building erzeugten die Fensterund Fassadenmodule ProSol TF in der Fassade und auf dem Dach Solarstrom.
Nach Angaben von Schüco kann ProSol TF in allen Bereichen einer Gebäu-
Schöck Balkonsysteme: plattform no.01
dehülle eingesetzt werden und dort sämtliche funktionalen Eigenschaften konventioneller Fassadenelemente übernehmen: Wärmedämmung, Witterungs-,
Sonnen- sowie Schallschutz.
Ein weiterer Entwicklungsschritt ist die Nutzung des selbst erzeugten
Gleichstroms. Mit Schüco SmartNet wird die gewonnene Energie vernetzt:
Das neue Gleichstromnetz steuert den kompletten Energiehaushalt und koordiniert die Energiegewinnung mit dem Bedarf des Gebäudes. Der 24-VoltGleichstrom aus den ProSol-TF-Dünnschichtmodulen wird für viele autarke
Funktionen wie LED-Beleuchtung, Lüftung, Kühlung, Automation, IT-Systeme
oder Elektromobilität genutzt.
Durch integrierte Photovoltaik und eine hocheffiziente Gebäudehülle erzeugt das Schüco Energy3 Building mehr Energie, als es selbst verbraucht.
Automation, Lüftung, Kühlung und LED-Beleuchtung können ganzjährig durch
Solarstrom autark abgedeckt werden. Während des Winters wird Heizenergie
über Zusatzlösungen wie Pelletheizung, Biogas oder Fernwärme erzeugt.
11
Fotos: Yovohagrafie, Deutscher Pavillon (unten), A. Sell, Schott AG
Der deutsche Pavillon auf der Expo 2010 in Shanghai: Die 383 Quadratmeter große Solarfassade aus Spezialgläsern von Schott wandelt
Sonnenlicht in Strom um und erlaubt zugleich eine Durchsicht sowie 10 Prozent Lichteinfall.
Schott
Attraktive Solarfassaden
Der Spezialglashersteller Schott wiederum bietet Solarelemente an, die Funktionalität mit einem attraktiven Äußeren vereinen sollen. Die Module gibt es in
verschiedenen gestalterischen Ausführungen. Je nach Anwendung und gewünschtem architektonischen Ausdruck ermöglicht die Designvielfalt eine optimale Integration in das Gebäude. ASI opak ist die Technologie für homogene
Fassadenflächen, wenn keine Durchsicht gefordert ist. Die semi-transparenten Module vom Typ ASI thru bieten brillante Durchsicht als Verbundglas- oder
Isolierglaselement. Die Module basieren auf der Dünnschichttechnologie und
sorgen dadurch für eine gute Leistungsabgabe auch bei niedrigen Einstrahlungen. Der kleine Temperaturkoeffizient der Leistungsabgabe gewährleistet
eine nahezu volle Leistung auch bei höheren Temperaturen, typisch gerade für
die Gebäudeintegration. «Große Flächen wie Dächer und Fassaden von Bürogebäuden sind geradezu prädestiniert dafür, sie für ästhetische Solararchitektur zu nutzen», sagte Dr. Martin Heming, Vorstandschef der Schott Solar AG.
12
Ein Beispiel hierfür ist der deutsche Pavillon auf der Expo 2010 in Shanghai:
Schott zeichnete unter anderem für eine 383 Quadratmeter große gebäudeintegrierte Solarfassade aus Modulen vom Typ ASI thru verantwortlich. Auch
die neue Unternehmenszentrale in Mainz setzt auf Photovoltaik. Der Grundriss
entspricht einem gleichschenkligen Dreieck, an dessen Katheten die Arbeitsplätze und Besprechungsräume angesiedelt sind. Die Hypotenuse des Dreiecks ist nach Süden hin ausgerichtet und damit gut geeignet für den Einsatz
von Photovoltaiktechnologie. Dieser Seite ist eine halbrunde Fassade aus
rund 1.000 Quadratmetern Glas vorgehängt, 82 Solarmodule des Typs ASI
thru sind in die Fassade integriert und erzeugen Strom.
Die Module lassen einen Teil des Tageslichts einfallen, spenden aber gleichzeitig Schatten und sorgen für eine angenehme Temperatur in der Eingangshalle. Auf dem Dach erzeugt eine weitere 26-Kilowatt-Solaranlage Strom, und
ein Display in der Eingangshalle gibt den Ertrag beider Anlagen wieder.
Schöck Balkonsysteme: plattform no.01
Foto: RP Technik, Zeichnung: RP Technik
Im Stahlprofilsystem der Firma RP Technik werden die Kabelstränge im Riegel gebündelt und auf diesem Weg zum
Wechselrichter geführt. Die Stränge bleiben jederzeit
vom Gebäudeinneren her zugänglich.
RP Technik
Effiziente Profilsysteme
Wie sich schon heute innovative Photovoltaiktechnik effizient planen, installieren und nutzen lässt, demonstrierte RP Technik GmbH Profilsysteme auf der
Münchener Messe. Das Unternehmen aus dem westfälischen Bönen bietet
mit dem Stahlprofilsystem RP-ISO-hermetic 60N eine Lösung an, mit der sich
Photovoltaikanwendungen dank integrierter Kabelführung zuverlässig an der
Gebäudehülle montieren lassen. Basis des Systems ist eine Pfosten-RiegelKonstruktion, in die der Verarbeiter seine Solarmodule einsetzt und die Verkabelung in bereits vorgefertigte Bohrlöcher einführt. Gerade der Anschluss
elektrischer Module in schlanke Profilsysteme gilt als teurer Faktor bei der
Montage, da meist aufwendige Sonderlösungen mit erhöhtem Montageaufwand hergestellt werden müssen. Im Stahlprofilsystem RP-ISO-hermetic 60N
hingegen werden die Kabelstränge im Riegel gebündelt und auf diesem Weg
zum Wechselrichter geführt. Mit einer Ansichtsbreite von nur 60 Millimetern
und einer Einbautiefe von 160 Millimetern nimmt das Profil wie ein Kabelkanal
Schöck Balkonsysteme: plattform no.01
sämtliche elektrischen Versorgungsleitungen auf. Die Kabelstränge bleiben
jederzeit vom Gebäudeinneren her zugänglich und somit auch Wartungsarbeiten einfach und kostengünstig durchführbar.
Beispielhaft für das neue Profilsystem ist der Einsatz der selbsttragenden,
thermisch getrennten Pfosten-Riegel-Konstruktion in der neuen Erweiterungshalle des Unternehmens am Produktionsstandort Bönen. Die Glasfassade auf
der Ostseite des Gebäudes ist mit einer unterschiedlich transluzenten 120
Quadratmeter großen Photovoltaikanlage ausgerüstet. In die Pfosten-RiegelKonstruktion wurden CIGS-Dünnschichtmodule mit verschiedenen Transparenzgraden in Isolierglasausführung eingesetzt. Die Nennleistung der Anlage
beträgt 8,4 Kilowattpeak, die erzeugte elektrische Energie beläuft sich auf
3.460 Kilowattstunden im Jahr. Eine zusätzliche Photovoltaikanlage ist auf
dem Flachdach der neuen Halle montiert. Die Gesamtanlage soll den Energiebedarf der RP Technik GmbH Profilsysteme zu 30 Prozent decken.
13
Balkongespräche
«Enormer Gewinn an Wohnqualität»
Spannende Wortgefechte, kontroverse Meinungen und reger fachlicher Austausch sind Programm, wenn Schöck Balkonsysteme zum Balkongespräch lädt. Zum Auftakt des neues Fachforums trafen sich vier Experten auf dem Balkon der Alten Oper in Frankfurt. Hochschuldozentin
Prof. Dr. Uta Pottgiesser, Architekt Stefan Forster, Bauberater Peter Hildenbrand und Dr. Peter
Kaiser, Bereichsleiter Systemmanagement und Marketing bei Schöck Balkonsysteme, diskutierten über energieeffizientes Bauen im Bestand und die Zukunft des Wohnens.
Fotos: Soenne
4
14
Schöck Balkonsysteme: plattform no.01
Kaiser: Die EU hat sich das Ziel gesetzt, die Energieeffizienz bis 2020 um mehr als 20 Prozent zu
steigern. Welchen Beitrag kann hier die Gebäudemodernisierung leisten?
Pottgiesser: Ich bin davon überzeugt, dass es großes Potenzial gibt. Ganz besonders im Bestand. Im
Wesentlichen geht es um das Zusammenspiel von
Gebäudebauteilen und Gebäudetechnik. Doch wir
müssen noch mehr Anreize schaffen, um die vorhandenen Techniken auch einzusetzen.
Forster: Ich sehe das zwiespältig. Zunächst einmal muss es darum gehen, dass wir Primärenergie
einsparen. Und dann gibt es doch momentan die
Manie, dass man immer verschärfter mit Vorschriften umgeht. Das führt dazu, dass man wertvolle
Fassaden mit Thermohaut zuklebt. Das hat extrem negative Auswirkungen auf unsere kulturelle
bauliche Umwelt. Der kulturelle Wert eines Gebäudes gerät damit komplett in den Hintergrund.
Stattdessen müsste man darüber nachdenken,
welche Maßnahmen städtebaulich-architektonisch
sinnvoll sind, anstatt wertvolle Stuck- und Klinkerfassaden zuzukleben. Was oft vergessen wird: Zur
Fertigung von Wärmedämmverbundsystemen wird
Erdöl benötigt. Insofern ist die Energieeinsparverordnung hier kontraproduktiv.
Hildenbrand: Die Modernisierungsquote spielt eine entscheidende Rolle. Wenn man den Zahlen
glauben schenkt, haben wir derzeit eine Rate von
jährlich einem Prozent. Die soll sich nach den Plänen der Bundesregierung verdoppeln. Das aber
bedeutet nicht nur, dass der Primärenergiebedarf
reduziert wird. Auch die Investitionen müssten sich
verdoppeln. Da stellt sich natürlich die Frage, woher die Mittel kommen sollen – und zwar allen Investoren der Wertschöpfungskette.
Forster: Hier gibt es Fehlentwicklungen: Vielerorts werden minderwertige Gebäude aufgerüstet.
Heute betreiben wir mit großem Aufwand eine
energetische Modernisierung und in zehn Jahren
reißen wir alles wieder ab. So wird das momentan
bei Plattenbauten in den neuen Bundesländern gemacht. Das ist Irrsinn. Damit muss Schluss sein!
Hildenbrand: Allein von den technischen Voraussetzungen her ist es zwar möglich, bei der energetischen Bestandsmodernisierung auf einen Neubaustandard zu kommen. Aber vielfach stellt sich
tatsächlich die Frage, ob es gestalterisch und städtebaulich überhaupt vertretbar ist.
Kaiser: Bleibt den Architekten denn noch genügend Gestaltungsspielraum angesichts immer
neuer gesetzlicher Anforderungen?
Pottgiesser: Wir dürfen nicht mit den gleichen Mitteln auf alle Gebäude reagieren, sondern müssen
die einzelnen Gebäudetypologien betrachten. Bei
manchen Gebäudetypen sollte eine Außendämmung tabu sein, das sehe ich so wie Herr Forster.
Die kulturelle Identität eines Gebäudes muss ge-
Schöck Balkonsysteme: plattform no.01
wahrt bleiben. Und auch im Falle des Denkmalschutzes ist es ja so, dass man den energetischen
Neubauwert nicht 100-prozentig erreichen kann.
Letztlich darf es nicht nur um die energetische
Modernisierung gehen, sondern auch um die Weiternutzung von Immobilien. Wie kann man mit Innenraumstrukturen flexibel umgehen? Wie kann
man die Wohnqualität steigern? Oder bestehende
Elemente besser nutzen? Da entfernen wir uns von
der reinen energetischen Modernisierung.
Hildenbrand: Absolut richtig. Die energetische Modernisierung ist immer nur ein Teilaspekt. Die Summe der Dinge führt dazu, dass Wohnraum nachhaltig attraktiv bleibt.
Kaiser: Ist die Sicht der Wohnungswirtschaft bei
den politischen Vorgaben für die energieeffiziente Modernisierung im Bestand überhaupt ausreichend berücksichtigt worden, Herr Hildenbrand?
Hildenbrand: Was die technischen Aspekte angeht,
sind die gesetzlichen Vorgaben meines Erachtens
nicht überzogen. Niemand wird gezwungen, ein
Gebäude auf einen bestimmten energetischen
Standard zu bringen, mit Ausnahme der Heizkessel beispielsweise oder der Dämmung der Rohrleitungen oder der oberen Geschossdecke. Das sind
aber Maßnahmen geringfügiger Art. Insofern hat
jedes Unternehmen den Freiraum zu entscheiden,
in welcher Weise modernisiert wird. Aber auch andere Aspekte spielen eine Rolle. Und zwar, was
das Wohnungsrecht anbelangt – also die Möglichkeit des Unternehmens, die Investitionen an den
Mieter weiterzugeben. Das Thema Warmmietmodell wird ja oft diskutiert. Und in diesem Bereich
ist die rechtliche Situation noch nicht so weit wie
das technische Potenzial. Die rechtlichen Möglichkeiten hinken in der Regel hinter den technischen
Innovationen hinterher.
Kaiser: Wenn aber die Gesetze und Regelwerke
laufend Änderungen unterworfen sind, besteht
doch die Gefahr, dass die Unternehmen den
Durchblick verlieren. Wie ist der aktuelle Kenntnisstand in der Wohnungswirtschaft?
Hildenbrand: Das ist unterschiedlich und hängt
meist von der Größe eines Wohnungsbauunternehmens ab. Die mittelgroßen Unternehmen mit
7.000 bis 10.000 Wohneinheiten haben meist
technisch ausgebildetes Personal. In kleineren Firmen, nicht zuletzt in den ehrenamtlich geführten
Genossenschaften, fehlt oft die technische Expertise. Dort besteht dann die Notwendigkeit, Fachingenieure hinzuzuziehen, wenn es um Fragen der
Modernisierung geht.
Pottgiesser: Wir durchleben zurzeit eine rasante
Entwicklung. Alle zwei Jahre wird an gesetzlichen
Vorgaben wie der Energieeinsparverordnung geschraubt. Das macht es für die Unternehmen natürlich sehr schwer zu reagieren. Und ich stelle
auch den Sinn infrage. Wir haben gute Grundlagen und sind in Deutschland sehr weit, was den
Dämmstandard und den Einsatz von Modernisierungstechnik anbelangt. Die Herausforderung liegt
darin, diese Komplexität tatsächlich umzusetzen
und verständlich zu machen.
Kaiser: Hier kommen die Hochschulen ins Spiel.
Pottgiesser: Ja, das gilt natürlich in besonderem
Maße auch für die Hochschulausbildung. Man sollte den Studierenden die Methodik vermitteln, man
kann ihnen auch eine Haltung mitgeben. Vieles
aber hat mit Erfahrungswerten zu tun – hier kommt
die Praxis ins Spiel. Das Problem besteht darin,
dass wir heute versuchen müssen, mit einem Bachelor eine Berufsqualifizierung binnen drei Jahren
zu erreichen. Im Ausland dauert die Ausbildung
fünf Jahre, so war es früher bei uns im Rahmen
des Diploms. Ich halte einen solchen Zeitrahmen
auch für realistisch, da wir sehr komplexe Strukturen vermitteln müssen. Früher zum Beispiel haben
unsere Studenten noch viel intensiver Praxiserfahrungen sammeln können. Und solche Praxisarbeit
ist ja auch enorm wichtig, sie wird ja von potenziellen Arbeitgebern erwartet. Heute aber verlangt
der Bachelor von den Studenten, ihr Studium möglichst schnell abzuschließen.
Forster: Der Bachelor ist ein großes Problem. Er
verlagert die Ausbildung auf uns Architekten. Wir
sind es doch, die letztlich die Ausbildung bezahlen! Den Anforderungen an einen Architekten wird
der Bachelor nicht gerecht. Die Abschlussnote eines Hochschulabsolventen ist mir als Arbeitgeber
doch völlig egal. Was zählt, ist die Praxiserfahrung.
Das ganze System – so wie wir es jetzt haben –
funktioniert nicht.
Pottgiesser: Wir werden ab Wintersemester 2011
in Detmold eine Form des dualen Studiums einführen, bei der wir einen Bachelorstudiengang anbieten, der fünf Jahre dauert. Parallel wird es eine Praxiszeit im Büro geben. Diejenigen Studenten, die
beides schaffen – Hochschulausbildung und zugleich Praxiserfahrung im Architekturbüro – sind
gut auf ihren späteren Job vorbereitet.
Kaiser: Herr Forster, sind internationale Gebäudestandards und Nachhaltigkeitszertifikate wie
BREEM, LEED oder das deutsche DGNB-Label
hilfreich bei der Modernisierung?
Forster: Ich wehre mich gegen diese ganzen Zertifikate, den Kult um die Bewertungssysteme. Die
Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen
geht von einer Gebäudelebensdauer von 30 Jahren
aus. Danach ist es abgeschrieben und kann abgerissen werden. Wenn das der Ansatz für nachhaltiges Bauen ist, dann habe ich ein riesiges Problem damit. Jeder Bauherr will ein Zertifikat, ohne
zu wissen, was die Kriterien sind. Das ist pure Labelmanie. Ein reiner Verkaufsschlager für die Industrie! Das größte Problem unserer Gesellschaft
ist, dass alles immer billig sein muss. Das ist ein
kultureller Verfall. Wir kleben Thermohaut an die
Häuser, die eine Lebensdauer von 30 Jahren hat.
15
Balkongespräche
links: Dr. Peter Kaiser ist Bereichsleiter Systemmanagement und Marketing der Schöck Balkonsysteme GmbH.
rechts: Peter Hildenbrand ist Diplomingenieur für Bauingenieurwesen und Senior Manager Deutschland der LUWOGE
consult GmbH, eines Beratungsunternehmens für energieeffizientes Bauen und Sanieren.
Das ist ein Skandal. Denn in der Wohnungswirtschaft sind 30 Jahre nichts. Warum nehmen wir
nicht Klinker? Der ist zunächst etwas teurer, hält
aber 100 Jahre. Das wäre endlich einmal echtes
nachhaltiges Handeln! Außerdem leistet Klinker einen positiven Beitrag zum kollektiven Gedächtnis,
im Gegensatz zu einer zugeklebten Bude ...
Kaiser: Welchen Beitrag kann jeder Einzelne leisten, wenn es etwa um die Reduzierung von Heizenergie geht?
Hildenbrand: Das ist eine interessante Frage. Wir
haben hierzu bei der LUWOGE consult GmbH
festgestellt, dass Wohnbehaglichkeit auch bei
niedrigeren Raumtemperaturen empfunden werden kann. Die meisten Menschen merken gar nicht,
wenn die Temperatur etwas runtergeregelt wird.
Erst nach einem Blick aufs Thermometer wird ihnen plötzlich klar, dass es vermeintlich zu kalt ist.
Da ist also viel Gewohnheit und Psychologie im
Spiel. Man braucht in der Tat keine 22 Grad, um
sich in seiner Wohnung wohlzufühlen.
Forster: So ist es. Wir könnten jede Menge an
Energie einsparen, wenn wir unsere Wohnungen
auf 18 Grad heizen würden. Warum müssen es
denn immer 20 Grad oder sogar noch mehr sein?
Man muss ja nicht im Feinripp-Unterhemd durch
die Wohnung laufen. Das Problem ist doch: Alle
wollen den größtmöglichen Komfort und immer
höhere Qualität. Nur mehr bezahlen will man nicht.
Und Einbußen will man auch nicht hinnehmen.
Wenn man das Thema Nachhaltigkeit und Ressourceneinsparung wirklich ernst nehmen möchte,
16
könnte man doch sagen: Wir drosseln die Temperatur um ein bis zwei Grad. Wäre das dramatisch?
Kaiser: Stichwort Modernisierung und Heizen:
Mancher Mieter freut sich darüber, dass sein Vermieter die Wohnung dämmt. Und dann plötzlich
kommt manchmal der große Schreck: Schimmelbildung an den Wänden ...
Das Absurde daran ist: Wir machen die Fenster im
Rahmen der Modernisierung absolut luftdicht und
tauschen die offenen alten Fugenfenster gegen extrem dichte neue Fenster aus. Wir verpacken die
Wohnung vollkommen luftdicht – und dann gibt es
eben Schimmel.
Hildenbrand: Das sehe ich nicht so. Es ist ein Vorurteil und schlichtweg falsch zu glauben, dass
man sich zwangsläufig Schimmel ins Haus holt,
wenn man es dämmt.
Hildenbrand: Ich bin in diesem Bereich als Gutachter tätig und erlebe jedes Jahr Dinge und Vorfälle, die sich kaum vorstellen, geschweige denn
in Worte fassen lassen. Es ist sehr schwierig, mit
diesem Thema umzugehen. Ein Bewusstsein oder
Verständnis hierfür zu vermitteln, ist unglaublich
kompliziert. Letztendlich geht es um ein Wechselspiel zwischen der Qualität eines Gebäudes und
dem Nutzerverhalten. In den wenigsten Fällen führt
ein eindeutiger Mangel am Gebäude zur Schimmelbildung. In der Regel ist das Nutzerverhalten
ursächlich. Der Nachweis darüber fällt dem Vermieter allerdings meist eindeutig schwerer als dem
Mieter. Er ist jedoch die Voraussetzung, eine entsprechende Forderung durchzusetzen. Schimmel
ist wirklich ein extrem komplexes und sensibles
Thema. Ich glaube aber, dass es für die Wohnungswirtschaft selbst nicht so gravierend ist. Sie steht
jetzt nicht etwa unter dem Handlungsdruck, sämtliche ihrer Gebäude modernisieren zu müssen.
Erfreulich ist, dass viele Mieter inzwischen auch
Verständnis dafür aufbringen, dass eine Wohnung
beispielsweise regelmäßig gelüftet werden muss.
Hildenbrand: Genau. Und wir verzeichnen auch einen technischen Lernprozess. Als man etwa vor
15 Jahren damit begonnen hat, Gebäude zu dämmen, ging man vielleicht noch etwas unbedarft an
das Thema heran. Es fehlten die Erfahrungswerte.
Ich habe einmal eine interessante Gebäudethermografie gemacht. Es ging um zwei Doppelhaushälften: Die eine war gedämmt, die andere nicht.
Die höchste Wärmeabgabe fand über die Fensterbereiche des gedämmten Hauses statt. Das sind
typische Stellen. Die Ursache war, dass man das
Haus gedämmt hatte, die Fensterleibungen aber
nicht hinreichend mitgedämmt wurden. So hat
man sich eine Wärmebrücke im Bereich der Fenster installiert. Das führte zu Tauwasser an diesen
Stellen – und damit zu Schimmel. Seitdem hat die
Wohnungswirtschaft viel dazugelernt.
Forster: Wobei ja schon auffällt, dass Schimmelbildung gerade bei sanierten Wohnungen auftritt.
Kaiser: Richten wir den Blick nach vorne. Welche
technologischen und gesellschaftlichen Wohn-
Pottgiesser: Entscheidend ist, dass sich das Nutzerverhalten in diesem Punkt ändern muss.
Schöck Balkonsysteme: plattform no.01
links: Stefan Forster ist Architekt und Spezialist für Wohnungsbauprojekte. Er leitet das Architekturbüro Stefan
Forster Architekten in Frankfurt am Main.
rechts: Uta Pottgiesser ist Professorin für Baukonstruktion und Baustoffe an der Hochschule Ostwestfalen-Lippe. An der dortigen Detmolder Schule für Architektur und
Innenarchitektur hat sie den Master-Studiengang International Facade Design and Construction ins Leben gerufen.
trends erwarten uns in Zukunft? Und inwiefern
wird davon auch der Balkonbau beeinflusst?
Forster: Die Küche etwa hat sich in den vergangenen Jahren zu einem dualen System verändert. Sie
muss heute vieles können, etwa zusammenschaltbar sein mit dem Wohnzimmer und zugleich abschaltbar. An der Küche lassen sich neue Wohntrends gut ablesen. Ebenso am Badbereich. Die
Leute wollen heute möglichst große Bäder – richtige Wohlfühlbäder. Ein weiterer starker Trend ist
der steigende Bedarf nach Außenbereichen, Balkonen und Loggien als Ersatz für Garten oder Terrasse des Einfamilienhauses. Mit dieser Art des
Wohnens holen wir die Menschen zurück in die
Stadt und reduzieren damit zugleich das Straßenverkehrsaufkommen, zum Beispiel mit Blick
auf die Berufspendler – auch eine wichtige Form
der Energieeinsparung. Was das städtische Wohnen angeht, ist der Balkon heute wichtiger denn
je. Jeder Makler sagt Ihnen heutzutage, dass er
eine Wohnung ohne Balkon nicht vermieten könne. Wenn es nur irgendwie möglich ist, verläuft der
Stadtbalkon entlang der gesamten Wohnung, und
zwar immer auf der Hofseite. Solche Außenbereiche haben oft auch eine soziale Komponente. Ein
weiterer ganz bedeutsamer Trend ist die Barrierefreiheit vor dem Hintergrund des demografischen
Wandels, der Überalterung unserer Gesellschaft.
Wenn man sich allerdings an den Hochschulen
anschaut, was da an Wohnungsbau gemacht wird,
dann sind das oft komplett verschachtelte Maisonette-Typen, die sich über drei oder vier Treppen
entwickeln. Diese Entwicklung geht doch komplett an der Realität vorbei! Solche Maisonette-
Schöck Balkonsysteme: plattform no.01
Wohnungen kauft heute kein Mensch mehr. Da
entwickeln die Hochschulen derzeit wissenschaftliche Konzepte, die der Markt gar nicht will!
Pottgiesser: In diesem Punkt muss ich widersprechen, das stimmt so einfach nicht. Die Themen
Demografischer Wandel und Aging Society sind
längst auch in den Hochschulen angekommen.
Aber zurück zur Frage: Wohnraumerweiterung
und Gewinn an Flexibilität sind ganz wesentliche
Aspekte. Gerade mit Blick auf die alternde Gesellschaft. Ältere Menschen halten sich länger in der
Wohnung auf. Im Extremfall haben sie gar nicht
mehr die Möglichkeit, ihre Wohnung zu verlassen.
Damit gewinnt der Balkon noch einmal zusätzlich
und grundsätzlich an Bedeutung. Stattdessen
müssen wir doch Lebensqualität als etwas Alltägliches begreifen, damit auch der Normalbürger im
Alter seine Wohnung noch nutzen kann. Künftig
wird es noch stärker darum gehen, dass qualitativ
hochwertiger Wohnraum bezahlbar bleibt.
Hildenbrand: Wir sitzen hier ja in Frankfurt auf
einem sehr interessanten Balkon: aus bauhistorischer Sicht, aber auch was die Wohnqualität angeht. Allgemein ist der Balkon ein fundamentales
Element im Mehrgeschosswohnungsbau, weil er
Lebensraum darstellt. Er vergrößert die Wohnung.
Das ist für viele Mieter und Investoren ein wesentliches Entscheidungskriterium.
Kaiser: Wohnqualität ist ein gutes Stichwort.
Lässt sich diese Qualität möglicherweise weiter
steigern, indem ein Balkonanbieter etwa zusätzliche Funktionalitäten in die Geländer integriert?
Hildenbrand: Ich habe mich kürzlich mit einem
Bauunternehmer unterhalten. Der meinte, auf den
Balkon gehörten ein Tisch, drei Stühle und ein
Kasten Bier. Ob man diese Ansicht teilt, bleibt
wohl jedem Einzelnen überlassen. Grundsätzlich
kann ich mir Erweiterungen und zusätzliche Funktionalitäten durchaus vorstellen. In einem Einfamilienhaus etwa stellt man einen Grill auf der Terrasse
auf. Das könnte man auf dem Balkon integrieren,
weil es auch ein Stück Lebensqualität ausmacht.
Pottgiesser: Bei solchen durchaus interessanten
Ansätzen darf man aber eines nicht vergessen:
Bei einem Balkon handelt es sich immer um einen
Raum, den man individuell gestalten will. Man sollte eine gewisse Flexibilität behalten und nicht alle
Dinge starr vorgeben.
Forster: Man könnte auch Nischen schaffen für
Arbeitsgeräte oder Vorrichtungen für Sonnenschirme anstelle des herkömmlichen Betonklotzes,
über den man in der Regel stolpert. Auch ein ausklappbarer Tisch wäre denkbar. Das sind Ansätze,
die einen Balkon aufwerten könnten. Balkone sind
in der Herstellung relativ billig: kaltes, ungedämmtes Material, das aber bis zu 25 Prozent Wohnfläche mehr verschafft. Für Investoren ist es also ein
Anreiz, große Balkone oder Loggien anzubieten,
weil sie relativ einfach billigen Wohnraum generieren und einen enormen Gewinn an Wohnqualität
versprechen können.
Kaiser: Mehr Wohnqualität, wenig Aufwand: Das
ist doch ein schönes Fazit. Ich danke Ihnen allen
für das Gespräch.
17
Modernisierung im Praxistest
Ein Pilotprojekt für zukunftsweisende Wohn- und Umfeldgestaltung in
Karlsruhe sorgt in Fachkreisen bundesweit für Aufsehen.
Fotos: Frank Rümmele
Es ist ein vielversprechendes Experiment für mehr Lebensqualität. In Karlsruhe, im Rintheimer Feld, einer zwischen 1954 und 1974 errichteten Großsiedlung, werden derzeit verschiedene Modernisierungsansätze erprobt. Das
vom Bundesbauministerium 2009 prämierte Konzept zielt langfristig auf eine
städtebauliche Werterhöhung, Minimierung des Primärenergieeinsatzes und
der CO2-Emissionen sowie auf eine nachhaltige Quartiersentwicklung ab.
Wesentlicher Bestandteil ist das Energiekonzept: Nach den Plänen der städtischen Wohnungsgesellschaft Volkswohnung, in deren Besitz 30 Gebäude
mit insgesamt 981 Wohnungen sind, sollen die Häuser je nach Dringlichkeit
energieeffizient saniert und an das Nahwärmenetz angeschlossen werden.
schiedene technische Innovationen bei der Durchführung einer Modernisierung zu erproben und durch die Überprüfung der Energieeinsparpotenziale
Aussagen über einen möglichen Einsatz bei weiteren Bauvorhaben zu erhalten. Die begleitenden Messungen dienen als Grundlage für zusätzliche Schritte im Rahmen der energetischen Gebäudemodernisierung und sollen auch
für andere Projekte genutzt werden. Laut Reiner Kuklinski, Geschäftsführer
der Volkswohnung, wird das Forschungsprojekt im Rintheimer Feld voraussichtlich bis 2015 abgeschlossen sein. «Zur Umsetzung aller Maßnahmen der
integrierten Stadtteilentwicklung im Rintheimer Feld sind Aufwendungen in
Höhe von rund 100 Millionen Euro erforderlich», betont Kuklinski.
Nachhaltige Quartiersentwicklung
Thermische Entkoppelung
Im Rahmen des Forschungsvorhabens wurden zwei Wohnblöcke aus den
50er Jahren mit je 30 Wohneinheiten analysiert und deren energetische Modernisierung unter Verwendung innovativer Technik geprüft. Ziel dabei: ver-
Zu den umfangreichen Modernisierungsmaßnahmen zählt auch der Ersatz der
alten Balkone, die sowohl im Hinblick auf ihre Größe als auch in ihrer Anschlussausführung nicht mehr zeitgemäß waren. Da die vorgesehenen Stahl-
18
Schöck Balkonsysteme: plattform no.01
5
Diese Häuser erstrahlen bald in neuem Licht: Nach den Plänen der Volkswohnung, in deren Besitz ein Hauptteil der
Wohnanlage im Rintheimer Feld liegt, sollen die Gebäude je nach Dringlichkeit energieeffizient modernisiert und an
das Nahwärmenetz angeschlossen werden.
beton-Balkone mit nur zwei Stützen an den Bestand angebracht werden sollten, entschied man sich bei der Planung für eine Lösung von Schöck Balkonsysteme. Sie ermöglicht das statisch sichere Anbringen der Balkone mit einem speziellen Verbindungsmodul, das die Balkone kraftschlüssig mit der Altsubstanz verbindet. Die Balkonplatten werden dabei in das Verbindungsmodul
eingehängt und seitlich von zwei Stützen getragen. Durch die Integration der
Isokorb-Technologie gewährleistet die Lösung zudem die thermische Entkoppelung der Bauteile vom Altbestand und reduziert damit den Wärmeabfluss
aus dem warmen Innenraum nach außen. Die Energiebilanz des Gebäudes
und der Wohnkomfort der Bewohner werden somit deutlich verbessert.
Innovative Dämmung
Bei der Modernisierung eines der beiden Gebäude ergab sich jedoch eine
Besonderheit. Denn bei der eingesetzten Dämmung handelt es sich nicht
um eine klassische – beispielsweise aus Mineralwolle –, sondern um eine
Schöck Balkonsysteme: plattform no.01
Vakuum-Dämmung. Sie verfügt im Vergleich zu herkömmlichen Dämmstoffen
über eine deutlich verbesserte Wärmedämmeigenschaft – und das bereits
bei geringster Dämmstoffdicke, sodass schlanke Konstruktionen möglich sind.
Die Ingenieure der Schöck Balkonsysteme stimmten das Verbindungsmodul für den Balkonschluss auf die Vakuum-Dämmung ab. Die Wärmedämmeigenschaften wurden dabei nicht beeinträchtigt und auch die statische Tragfähigkeit der gesamten Konstruktion aus Stützen und Verbindungsmodul ist
gewährleistet. Lediglich die Dicke des Elementes wurde angepasst. «Bei der
nachträglichen Montage von Balkonen handelt es sich immer um eine passgenaue Lösung», erläutert Dipl.-Ing. Markus Baron, Entwicklungsingenieur bei
Schöck Balkonsysteme. «Neben der reinen Zustandsanalyse des Gebäudes
müssen alle Faktoren der Statik und Wärmedämmung berücksichtigt werden.
Wir haben das Verbindungsmodul an den Gebäudevorgaben und der Dämmstoffdicke von zehn Zentimetern ausgerichtet.» Bei dem Balkonsystem bietet
Schöck somit kein Einzelbauteil, sondern ein Gesamtkonzept, das einen hohen Anteil an Ingenieursleistung beinhaltet.
19
Energieoffensive im Quartier
Reiner Kuklinski, Geschäftsführer der Volkswohnung GmbH, über das energetische
Forschungsprojekt in Karlsuhe, die Bedeutung von Balkonsystemen bei der Gebäudemodernisierung und die Wohnsiedlung der Zukunft.
Fotos: Frank Rümmele
6
Herr Kuklinski, welche Vorteile verspricht das
Konzept einer experimentellen Gebäudemodernisierung hier in Karlsruhe?
Bei der Durchführung eines Pilotprojekts der integralen Quartiersentwicklung sammeln wir Erfahrungen, die in Zukunft auf weitere Siedlungen der
Volkswohnung übertragen werden können. Bei der
experimentellen Modernisierung zweier Wohnblöcke wird beim Einsatz innovativer Technologien aufgezeigt, welche Potenziale die unterschiedlichen
Techniken aufweisen. Daraus folgend können wir
dann überlegen, ob und wie diese auch bei weiteren Modernisierungen und beim Neubau zum Einsatz kommen können.
Und was konkret zeichnet das Forschungsprojekt im Rintheimer Feld aus?
Ein Alleinstellungsmerkmal der Quartiersentwicklung im Rintheimer Feld ist der integrierte Ansatz
aller Handlungsfelder wie Energieversorgungs-,
Wohnumfeld-, Gebäudemodernisierungs- und Partizipationskonzept. Zusätzlich unterstützen wir soziale Projekte wie etwa den Umbau eines ehemaligen Polizeipostens in einen Jugendtreff, der unter
Beteiligung der jungen Menschen durchgeführt
wurde, sowie weitere Projekte etwa zur Förderung
20
der Integration von Mietern mit Migrationshintergrund. Beispielhaft ist die wissenschaftlich fundierte Modernisierung zweier Wohngebäude, bei
der innovative Technik samt umfassender messtechnischer Begleitung zum Einsatz kommt.
Was genau war der Auslöser für die Modernisierungsarbeiten der Volkswohnung?
Unser Ziel als Immobilienunternehmen ist es, unsere Bestände fit für die Zukunft zu machen. Eine
nachhaltige, effiziente Vorgehensweise ist die Bestandsmodernisierung auf Quartiersebene. Auslöser im Rintheimer Feld war die Notwendigkeit, das
Quartier als Ganzes sanieren und hierfür erheblich in Gebäude und Wohnumfeld investieren zu
müssen. Wir wollen ermitteln, wie Effizienzverbesserungen in energetischer Hinsicht und bezüglich
der Kosten erreicht werden können. Und das im
Rahmen eines Gesamtquartierskonzepts, bei dem
für alle Gebäude zusätzlich zur Modernisierung ein
Energieversorgungskonzept umgesetzt wird.
Wie sieht dieses Energieversorgungskonzept im
Detail aus?
Das Energiekonzept für das gesamte Quartier umfasst zum einen die Errichtung eines Nahwärme-
netzes mit Anschluss an das Fernwärmenetz der
Stadtwerke Karlsruhe. Und zum anderen führen wir
eine kostenoptimierte, energetische Modernisierung der bisher noch nicht sanierten Gebäude im
Wohngebiet durch. Zur laufenden Überwachung
der Funktion der Energiebereitstellungsanlagen in
den Gebäuden wird ein Energiecontrolling-System installiert. Weiterhin stellen wir unseren Mietern übers Internet ein sogenanntes Energieportal
bereit, das via Mausklick aussagefähige Informationen über ihr energetisches Verhalten in Bezug
auf Heizung, Strom, Warm- und Kaltwasser liefert.
Der eigene Energieverbrauch kann mit dem durchschnittlichen Verbrauch im gesamten Gebäude
verglichen werden. Durch diese Vergleichsmöglichkeit und mittels eines Beratungsangebots der
Volkswohnung kann die Umsetzung des Energieeinsparpotenzials durch Nutzerverhalten positiv
beeinflusst werden. Wir schätzen dieses Einsparpotenzial auf mindestens 15 Prozent.
Ein solches Einsparpotenzial sollte sich dann
deutlich auf der Strom- und Gasrechnung der
Mieter niederschlagen ...
Die bisher nachgewiesene Endenergieeinsparung
liegt bei durchschnittlich 110 Kilowattstunden pro
Quadratmeter Wohnfläche, das entspricht etwa
Schöck Balkonsysteme: plattform no.01
Mehr Wohnraum, mehr Lebensqualität: Neue Balkone werten die Häuserfassaden im Rintheimer Feld auf und steigern den Komfort der Bewohner
der Großsiedlung. Das Balkonsystem wurde an die Außendämmung angepasst.
Hierbei kam erstmals eine innovative Vakuum-Dämmung zum Einsatz. Sie
verfügt im Vergleich zu herkömmlichen Stoffen über eine deutlich verbesserte Wärmedämmeigenschaft.
60 Prozent im Vergleich zum Endenergieverbrauch
für Heizung und Warmwasser vor der Modernisierung. Die Primärenergieeinsparung durch die Umstellung von Gebäude-Erdgas-Heizzentralen auf
den Fernwärme-Anschluss beträgt mehr als 80
Prozent. Die reale Einsparung an Energiekosten
wird selbstverständlich in hohem Maße durch das
jeweilige Nutzerverhalten der Mieter beeinflusst.
Welche Bedeutung haben die Balkonsysteme bei
der ganzheitlichen Gebäudemodernisierung im
Rintheimer Feld?
Die Modernisierung der Hüllflächen ist von großer
Bedeutung. Um Schäden an der Gebäudesubstanz zu vermeiden, ist es in jedem Fall wichtig,
Wärmebrücken zu beseitigen. Eine nahezu wärmebrückenfreie Gebäudehülle ist Grundvoraussetzung für die effiziente Energieversorgung. Bei der
energetischen Modernisierung der Gebäude hier
im Rintheimer Feld werden Wärmebrücken durch
Abtrennen der auskragenden Balkonplatten und
Gesimse entfernt. Die wärmebrückenfreien Balkonverankerungen werden nach Fertigstellung der
Dämmmaßnahmen angebracht. Nach der Modernisierung der Gebäudehülle überprüfen wir dann
die Hüllflächen. Hierbei kommen Thermografieaufnahmen zum Einsatz.
Schöck Balkonsysteme: plattform no.01
Wann werden Sie das Forschungsprojekt am Rintheimer Feld abschließen?
Planungsbeginn für die integrale Quartiersentwicklung war 2008, die messtechnische Begleitung ist
bis September 2012 vorgesehen. Die Fertigstellung der energetischen Modernisierung ist bis
2014, die der Gesamtmaßnahme bis 2015 geplant.
Der finanzielle Aufwand eines solchen Pilotprojekts wird nicht unerheblich sein.
Die Realisierung ist eine große finanzielle Herausforderung für alle Beteiligten. Zur Umsetzung aller
Maßnahmen der integrierten Stadtteilentwicklung
im Rintheimer Feld sind Aufwendungen in Höhe
von rund 100 Millionen Euro erforderlich. Allein für
die Modernisierung unserer noch nicht sanierten
Gebäude vor Ort mit rund 545 Wohneinheiten
werden die Gesamtkosten auf rund 50 Millionen
Euro geschätzt.
Werfen wir zum Abschluss einen Blick in die Zukunft. Wie werden wir in 50 Jahren wohnen?
Darauf wird es ganz unterschiedliche Antworten
geben. Daher an dieser Stelle nur ein paar kurze
Bemerkungen. Der demografische Wandel wird
zu einer Reduzierung der Bewohnerdichte führen.
Wir können von einem überwiegend energetisch
sanierten Gebäudebestand ausgehen – der Wohnungsneubau wird überwiegend im PassivhausStandard ausgeführt. Der Solarenergieanteil der
Energieversorgung wird bei über 30 Prozent liegen. Wohnsiedlungen wie das Rintheimer Feld
werden energetisch von hocheffizienten Nahwärmesystemen versorgt werden. In den Gebäuden
werden «Smart-Building»-Technologien umgesetzt
sein, Einrichtungen zur solaren Kühlung werden an
Bedeutung gewinnen.
Heute klagen wir über hohe Heizkosten, künftig
wird die Klimatisierung immer wichtiger ...
Der Heizenergiebedarf wird auf lange Sicht stark
sinken. Dafür wird aber voraussichtlich eine Kühlung der Wohnungen erforderlich. Die thermische
Gebäudemodernisierung reduziert dieses Problem deutlich. Bei der modellhaften Modernisierung
zweier Gebäude im Rintheimer Feld wird bereits
der Einsatz von Latentwärmespeichern und die
Verwendung von Heizsystemen erprobt, die sich
auch für die Kühlung der Gebäude nutzen lassen.
Herr Kuklinski, wir danken Ihnen recht herzlich
für das Gespräch.
21
Paradies auf 5 m
2
Foto: Tomaž Gregori
7
22
Schöck Balkonsysteme: plattform no.01
Balkonien, ein sagenhaftes, günstiges Abenteuerland, unberührt vom Massentourismus. Hier
steht man nicht nur über den Dingen, hier liegt man auch immer richtig – und vor allem ganz
bequem. Balkonien begeistert als Wellness-Oase ebenso wie als Partymeile. Es lässt sich als
privates FKK-Reservat nutzen und lockt dank Literatur und WLAN-Internet selbst Bildungsurlauber. Sogar der Hobby-Botaniker kommt auf seine Kosten. Der größte Vorteil aber: Das Urlaubsparadies ist jederzeit problemlos zu erreichen. Der Journalist und Buchautor Burkhard MüllerUllrich hat einen Reiseführer über Balkonien geschrieben. Im Interview mit der Redaktion spricht
er über den Reiz des Vertrauten, den Segen der Nähe und über böse Überraschungen. Und er
verrät, warum auch sein nächstes Urlaubsziel Balkonien sein wird.
Herr Müller-Ullrich, passt der Sommerurlaub auf
fünf Quadratmeter?
Aber ja! Sogar ins allerkleinste Balkonien mit 2,5
Quadratmetern Fläche.
Die meisten Urlauber suchen im Sommer das
Weite. Und da empfehlen Sie ausgerechnet einen
Urlaub auf einem kleinen Balkon?
Auch ich habe bereits Urlaub in Ländern gemacht,
die größer sind als Balkonien. Aber der Vorteil des
Balkons ist ja die Nähe. Und dafür nimmt man die
Kleinheit ein wenig in Kauf.
Wird einem da nicht schnell langweilig?
In jedem Urlaub ist es doch so: Ihnen wird immer
dann langweilig, wenn Sie selbst langweilig sind.
Da kann das Land noch so groß sein. Deshalb
habe ich ja vorgeführt, was man auf einer kleinen
Balkonfläche machen kann, wenn man selber genügend Ideen hat. Es kommt also auf die Persönlichkeit des Urlaubers an – und weniger auf das
Land. Balkonien hat einiges zu bieten. Selbst für
Business-Urlauber. Wenn Sie Ihr eigenes WLAN
nutzen, können Sie wunderbar auch noch ein bisschen arbeiten. Ich wüsste eigentlich nichts, was
man nicht auf dem Balkon machen könnte.
Foto: Jens Mennicke, Gestaltung Sticker: 804 Graphic Design
Zumindest böse Überraschungen wie in manchem Pauschalurlaub bleiben wohl eher aus ...
Das Tolle an Balkonien ist, dass es keinerlei Überraschungen gibt. Weder im negativen noch im positiven Sinne. Ihren Balkon, den kennen Sie. Es ist
ein vertrauter Bereich. Viele Leute fahren ja auch
genau aus diesem Grund in den Urlaub. Um Überraschungen zu vermeiden, suchen sie immer wieder den Ort auf, den sie kennen. Und da empfiehlt
sich nichts so sehr wie die eigene Wohnung. Das
Schlimmste, was einem auf Balkonien zustoßen
kann, wäre eine Baustelle vor dem Haus. Genau
wie in einem typischen Pauschalurlaub.
Also sollten auch Pauschaltouristen einen Urlaub
nach Balkonien in Erwägung ziehen?
Schöck Balkonsysteme: plattform no.01
Für den Pauschaltyp bedeutet Urlaub die vollkommene Unbeschwertheit von Zusatzzahlungen. Und
genau das können Sie auf Ihrem Balkon so arrangieren. Einerseits ist der Balkon selbst eine Art
Pauschale, denn er ist in der Miete schon drin. Und
dann hat man ja in der eigenen Küche meistens
schon alles, was man essen oder trinken will – also eine Verkostungspauschale. Und wenn Sie der
Typ Urlauber sind, der morgens sein Handtuch auf
den Liegestuhl legt, um zu zeigen, dass er besetzt
ist, dann können Sie das natürlich auf Ihrem eigenen Balkon auch tun. Sie werden sehen: Es kommt
niemand, der Ihnen den Liegestuhl streitig macht.
Was sonst darf im heimischen Urlaubsparadies
keinesfalls fehlen?
Einerseits hat ein Urlaub immer mit Faulenzen zu
tun. Außerdem ist der Balkon ja für den Sommer
gemacht. Man möchte sich auch mal von oben bescheinen lassen. Das Allerwichtigste auf dem Balkon ist also der Liegestuhl. Das Zweitwichtigste
ist ein kleiner Tisch. Der dient nicht nur als Ablagefläche, sondern als soziales Instrument, um mit
anderen Menschen speisen zu können. Denn nach
dem Ruhen ist das Essen die Hauptbeschäftigung
des Urlaubers.
Dann gehört auch ein Holzkohlegrill unbedingt
auf den Balkon?
Der darf nicht fehlen. Die Deutschen sind ja wahre
Grillmeister – auch im wörtlichen Sinne. Es gibt
echte Grillmeisterschaften. Grillen ist ganz wichtig! Und wenn man keinen Garten hat, dann eben
auf dem Balkon.
Seltsamerweise scheint das Grillen den Männern
vorbehalten zu sein.
Ja. Selbst in einer emanzipierten Runde treten die
Damen zurück. Denn wenn der Mann mit Feuer
und rohem Fleisch zu hantieren beginnt, verwandelt er sich in ein urzeitliches Wesen. Er muss sich
als echter Steinzeitmensch beweisen. Das hat
dann nur leider oft zur Folge, dass das Fleisch verbrennt und nicht sehr wohlschmeckend ist.
Aber wenn es plötzlich infernalisch wie aus Eimern schütten sollte?
Dann machen Sie das, was man überall im Urlaub
macht: Entweder man redet sich das schlechte
Wetter schön, und sagt: Wir erleben eine Wellness-Dusche gratis vom Himmel. Oder Sie verziehen sich und profitieren dann von dem großen
Vorteil, ein sicheres Gelände in kürzester Zeit erreichen zu können.
Das klingt überzeugend. Es scheint tatsächlich,
als liege Balkonien im Trend.
Durchaus. Und das ist ja logisch: Bei den immer
knapper werdenden Geldmitteln ist Balkonien immer noch ein relativ preiswerter Urlaub. Und für
viele Menschen der einzige, den man sich noch
leisten kann.
Und wo verbringen Sie Ihre nächsten freien Tage?
Natürlich auf dem Balkon. Denn ich bin ein Dauerurlauber. Vor allem weil die Anreise so kurz ist
und weil ich Mikrourlaub so liebe, nutze ich meinen
eigenen Balkon. Es gibt ja Leute, die brauchen einen Anlauf von mehreren Wochen, um überhaupt
in den Urlaub reinzukommen. Und dann benötigen
sie genauso lange, um wieder nach Hause zu finden. Ich baue lieber öfter mal ein paar Stunden auf
dem Balkon ein. Da kann ich von einer Stunde auf
die andere wechseln.
Dann kann ich also meinen Urlaub einfach kurzfristig unterbrechen und sofort wieder fortsetzen? Das klingt clever.
Genau. Das ist ja das Merkmal unserer modernen
Switch-on-Switch-off-Welt. Und genau das gilt
auch für den Balkon.
Herr Müller-Ullrich, wir danken Ihnen recht herzlich für das Gespräch.
Balkonien von Burkhard Müller-Ullrich
ISBN: 9783829706148, Verlag: MAIRDUMONT
23
8
Sommerlicher Höhenrausch
Guter Wein soll anregen. Etwa zu einem launigen
Balkongespräch an einem lauen Sommerabend.
Die Flasche ist entkorkt, das Glas gefüllt. Doch unvermittelt stellt sich heraus, dass der Lieblingstropfen draußen auf dem Teaktisch nicht mehr so recht
gefallen will. Was ist geschehen? «Durch Wind
und Luftbewegungen verschwinden viele Aromen
aus dem Glas», erklärt Weinexperte Bernd Kreis,
der 1992 zum besten Sommelier Europas gekürt
wurde und viele Jahre als Chefsommelier in Vincent Klinks Wielandshöhe in Stuttgart gearbeitet
hat. Oft schmecken Weine also unter freiem Himmel anders – und im schlimmsten Falle gar nicht.
Für den Sommerbalkon empfiehlt Bernd Kreis
deshalb einerseits einen «fruchtigen Wein mit einer aromatischen Intensität und geschmacklichen
Frische, aber wenig Alkohol». Das kann ein Weißer, Roter oder ein guter Rosé sein. Die andere
Variante: ein kräftiger roter Südfranzose aus dem
Languedoc. Der beeindruckt idealerweise mit seinen mediterranen Gewürznoten. Ein Hauch von
Thymian, Rosmarin oder Salbei steigt aus dem
Glas und verbindet sich mit den Kräuterdüften,
die ja auch vielen Balkonkübeln entströmen. «So
erlebt man die Aromen des Sommers gleich doppelt.» Seine Eigenschaften machen den Langue-
24
doc zum harmonischen Begleiter von gegrilltem
Rind und Lamm oder geschmorten mediterranen
Gemüsegerichten wie Ratatouille.
Wer es lieber weiß mag, sollte auf eine intensive Aromatik achten, damit der Wind vor dem
ersten Schluck nicht alles aus dem Glas tragen
kann. «Deshalb funktioniert hier Sauvignon Blanc
sehr gut.» Der weiße Global Player, der ursprünglich aus dem Loiretal stammt, passt zum Beispiel
zu gegrillten Gambas und anderen Krustentieren.
Bernd Kreis wählt einen deutschen Vertreter, «eine
kräftige trockene Sauvignon-Blanc-Spätlese aus
der Pfalz oder Rheinhessen.»
Und was serviert der Experte zum gegrillten
Rindersteak? «Schön ist hier ein klassischer roter
Bordeaux aus Merlot und Cabernet Sauvignon mit
moderatem Alkoholgehalt.» Eine Alternative und
echte Allzweckwaffe sind leichte Rotweine aus
dem Beaujolais. Hochwertige Erzeugnisse aus
klassifizierten Cru-Lagen wie Chenas, Moulin-àVent oder Fleurie haben nichts gemeinsam mit
der blassen Brühe, die Jahr für Jahr kurz nach der
Ernte als Beaujolais Nouveau in die Discounter
schwappt. Die Weinregion nördlich von Lyon wird
oft unterschätzt. Gerade deshalb finden Entdecker
dort noch echte Geheimtipps für vergleichsweise
wenig Geld. «Tolle Weine zwischen 10 und 15 Euro
aus dem aktuellen großen Jahrgang 2009», bestätigt der Sommelier, der gemeinsam mit Christine
Krämer die Weinhandlung Kreis & Krämer in Stuttgart führt. «Sie sind echte Allrounder zu Kotelett,
Spare Ribs und Geflügel vom Grill.»
Bleibt noch die Frage nach dem Schaumwein.
Wem Prosecco etwas zu langweilig ist, der sollte einen Muskateller-Sekt probieren. Der Badener Spitzenwinzer Bernhard Huber bringt Beachtliches
auf die Flasche. Und wer seine Gäste nachhaltig
beeindrucken will, kann zu einem hochwertigen
Obstschaumwein greifen. «Die sind zum Teil fantastisch», sagt Bernd Kreis und meint damit nicht die
Supermarktflaschen. «Cidre und Poiré haben außerdem den Vorteil, dass sie nur wenig Alkohol besitzen und zugleich sehr erfrischend sind.» Gerade der
Poiré, der aus Birnen gemacht wird, sei für positive
Überraschungen gut. Fündig wird man beim Weinhändler seines Vertrauens oder direkt beim Erzeuger. In der ersten Liga etwa spielt der Württemberger Jörg Geiger mit seinen Schaumweinen aus
der seltenen Sorte Champagner-Bratbirne. Und
die haben nicht nur qualitativ, sondern auch preislich manches mit ihren französischen Namensgebern gemeinsam.
Schöck Balkonsysteme: plattform no.01
Foto: Vsevolod Vlasenko / Getty Images
Der preisgekrönte Sommelier Bernd Kreis verrät die besten Tipps zur Kombination von
Wein und sommerlichen Speisen vom Grill.
9
Bis vor wenigen Jahren war er Deutschlands jüngster Sternekoch. Mit den «Jungen Wilden», zu denen auch Holger Stromberg, Frank
Buchholz und andere gehörten, schaffte er in den späten 90er Jahren ein neues Bewusstsein für deutsche Avantgarde-Küche. Heute
ist Björn Freitag (37), der das Restaurant Goldener Anker in Dorsten führt, auch ein erfolgreicher Buchautor und regelmäßig zu Gast
in Kochsendungen. Als Fernsehkoch sieht er sich indes nicht – eher schon als eingeladener Experte für gutes Essen.
Mein Balkon
Foto: Björn Freitag
Genussvolle Gedanken von Sternekoch Björn Freitag.
«Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise ...» Der Rest von
Hans-Dietrich Genschers Rede am 30. September 1989 vom Balkon der Prager Botschaft ging
im Jubel der Menge unter. Zwanzig Jahre später
heißt es: «Genschers Balkon – Prager Botschaft
soll verkauft werden!» Was, wenn auch der Vatikan auf solche Ideen käme? Schließlich wird von
der Benediktsloggia des Petersdoms jeweils zu
Ostern und Weihnachten der besonders feierliche Segen «Urbi et Orbi» – der Stadt und dem
Erdkreis – verkündet. Genau wie alljährlich an
Altweiberfastnacht, pünktlich um elf Uhr elf, die
in Karnevalshochburgen zelebrierte Rathausstürmung natürlich auf dem Balkon stattfindet. Aber
was bedeutet das denn nun eigentlich?
Der Balkon (abgeleitet vom ital. «balcone» und
verwandt mit dem deutschen «Balken») ist aus
dem Bedürfnis entstanden, auch in der Höhe ins
Freie treten zu können. Demnach bedeutet «auf
dem Balkon sein» also halb drinnen, halb draußen
– halb privat und dennoch irgendwie öffentlich.
Dies war übrigens auch der Grund für die Erfindung der Theaterloge: einerseits ganz intim, andererseits konnte man dem Treiben auf der Bühne
folgen. Im Laufe der Geschichte diente er als Re-
Schöck Balkonsysteme: plattform no.01
präsentationsplattform für Herrscher, Revolutionäre und Popstars. Was aber bedeutet der Balkon
für mich?
Der ganz alltägliche Wahnsinn in meinem Dasein als Sternekoch spielt sich überwiegend in
hektisch-heißen Küchen, in minutiös durchgeplanten und meist noch heißeren Fernsehstudios ab.
Wo also durchatmen und Kraft schöpfen? Natürlich beim morgendlichen Frühstück auf meinem
Südbalkon – auch bei nicht so schönem Wetter.
Ich könnte nie in einer Wohnung leben, in der ich
das Gefühl hätte, nicht mal eben raus zu können.
Mein Balkon ist ein Ort der Sammlung, der
Vorbereitung und Klarheit – und klar ist auch die
Gestaltung: ein paar Schatten spendende Kübelpflanzen, eine Bank, ein Tisch und ein bisschen
Dekoration. So ähnlich, wie ich versuche zu kochen: möglichst wenig überfrachtet und ohne unnötige Verrenkungen.
Als kreativer Koch bin ich ständig gefordert,
zwischen verschiedenen Lebensmitteln, ihrer Zubereitungsart und Kombination auszuwählen. Für
mich bedeutet die Kunst des Kochens, diese
enorme Entscheidungsvielfalt so intelligent zu reduzieren, dass am Ende ein wirklich gelungenes
Genusserlebnis dabei rauskommt. Also: lieber mal
eine Zutat weglassen und dafür puristisch lecker
kochen. Wenn mir in der sommerlichen Morgenluft
die unterschiedlichsten Aromen meiner Kräuterpflanzen in die Nase steigen, merke ich: Mein Balkon ist auch ein Ort der Inspiration. Nicht selten
bekomme ich hier meine Anregungen, um Neues
auszuprobieren. Manche Aromen passen besser
zusammen als andere; viele Kombinationen haben
sich bewährt – aus gutem Grund. Dennoch ist alles erlaubt, was persönlich schmeckt und gefällt.
Wir alle müssen das Kochen nicht neu erfinden,
aber es macht ungeheuer viel Spaß, die sinnlichen
Freuden des Kochens zu entdecken und eigene
Kreationen zu wagen. Also ist neben der Küche
auch der Balkon für mich ein Ort der Freiheit.
Aber mein Balkon ist außerdem ein Stück Erweiterung meines Lebensraums, meines Horizonts.
Von dort aus blicke ich über die Brüstung und damit sinngemäß über den Tellerrand.
An seltenen freien Abenden kommt es vor, dass
ich mich mit ein paar Freunden auf meinen Balkon
setze. Wir genießen dann einen frischen Sommerwein und stellen uns vor, wie unsere Königsblauen,
umjubelt von Tausenden Schalke-Fans, auf dem
Rathausbalkon den Pokal entgegennehmen.
Mein Balkon – ein Ort zum Träumen …
25
Balkongeschichten
Die Schnurpost
von Sabine Schöck
Sabine Schöck ist Gründerin und aktives Mitglied des Literarischen Cafés in
Baden-Baden, das sie 1990 ins Leben gerufen hat. Lyrik ist ihre Leidenschaft.
Bislang veröffentlichte sie drei Gedichtbände: «Der rote Faden», «Wörterleuchten» und «Barfuß». Darüber hinaus hat sie sich als geistreiche und humorvolle
Märchenautorin einen Namen gemacht. Ihre Werke «Die Prinzessin mit den Nasenlöchern oben» und «Tinglipoke» bieten Lesevergnügen für Kinder und Erwachsene gleichermaßen.
10
Von den acht Balkonen am Haus 125 schaut man auf einen kleinen Platz mit
rundköpfigen Bäumen und Bänken für Leute, die in der Sonne sitzen und zu
den Häuserfronten hinaufschauen.
Wegen seiner warmen ockerfarbenen Fassade sieht das Haus auch bei
Regen aus, als würde die Sonne darauf scheinen. Aber innen ist das Haus
eiskalt. Nicht weil man an Heizung sparen möchte, sondern weil die Bewohner sich vor einigen Jahren bei einer gemeinsamen Sitzung zerstritten haben.
Niemand redete mehr mit den anderen. Wenn jemand die Wohnung verlassen
wollte, horchte er zuerst an der Tür. Dann huschte der Bewohner zur Haustür
hinaus. Begegnete man sich auf der Straße, schaute jeder auf die andere Seite oder in ein Schaufenster. Es war ungemütlich in dem Haus. Jeder wohnte
wie auf einer Insel.
Vor Kurzem zog eine ältere Dame ins oberste Stockwerk. Zuerst merkte
sie nichts von dem kalten Inneren. Erst als sie freundlich die Bewohnerin von
Wohnung drei grüßte und ihr nur murmelnd geantwortet wurde, die andere
schnell weiterhastete und in ihrer Wohnung verschwand. Erschrocken blieb
sie stehen. Noch einige Male passierte es ihr, dass sie kaum oder gar nicht zurückgegrüsst wurde. Sie fing an zu frösteln. Es war ihr klar, dass jede Person
im Haus unter dieser Atmosphäre litt. Und sie machte sich Gedanken, wie sie
das Klima des Hauses erwärmen könnte.
Zunächst stellte sie Blumentöpfe in die Fensternischen im Treppenhaus,
die sie täglich sorgfältig goss und pflegte. Was konnte sie noch tun? Sie
grübelte. Als der Valentinstag gekommen war, fädelte sie auf sieben verschieden lange Schnüre sieben Päckchen auf. In jedes hatte sie selbst gebackene Plätzchen gelegt. Als es dämmerte und nur noch die Straßenlaternen die
Balkone beschienen, seilte sie die Päckchen auf die unteren Balkone herab,
sodass sie direkt vor den gläsernen Balkontüren baumelten. Den neben ihr
angebrachten Balkon bewarf sie einfach mit dem Päckchen und hörte, wie der
Bewohner, durch das Aufklatschen neugierig geworden, die Tür öffnete und
das Päckchen hereinholte.
Sie stand auf ihrem Balkon und horchte. Immer wenn irgendwo die Balkontür geöffnet wurde, schnitt sie schnell den Verbindungsfaden bei sich ab,
sodass keiner erraten konnte, woher die Päckchen geflogen kamen.
Am nächsten Tag war es mucksmäuschenstill im Treppenhaus. Anscheinend wusste niemand, wie er sich verhalten sollte. Am übernächsten Tag begegnete sie der Dame von gegenüber. Die sah ihr forschend ins Gesicht und
erwiderte diesmal, etwas fragend aber freundlich, ihren Gruß. Das geschah
ihr jetzt auch auf den anderen Treppenpodesten. Man grüßte sich freundlich.
Auch auf der Straße. Und als es das nächste Mal nach frisch gebackenen
Plätzchen im Treppenhaus duftete, stand vor jeder Tür am nächsten Morgen
ein kleiner Pappteller mit Selbstgebackenem. Auch vor der ihren. Sie lächelte
vor sich hin und schrieb sieben kleine Einladungen zum Nachmittagskaffee
bei sich. Und alle kamen.
Noch als die Straßenlaternen ihr Licht zu den Balkonen hinaufwarfen, hörte
man Lachen bis auf den runden Platz mit den rundköpfigen Bäumen hinunter.
Man hat die Schnurpost beibehalten. Sie wurde ausgebaut und stabilisiert,
und wenn jemand zu viel Pudding oder Kuchen gemacht hat, bekommt der
alte Herr oder die grippekranke Dame im Haus eine Schnurpost vor die Balkontür gehängt. Auch wenn mal «Not am Mann» ist, wie neulich, als die junge
Frau vom zweiten Stock das Bein gebrochen hatte und nur humpeln konnte,
baumelten fünf Päckchen auf ihrem Balkon und ein Briefchen: «Ich gehe nachher einkaufen. Schreiben Sie hier drauf, was Sie brauchen.»
Impressum
Herausgeber: Schöck Balkonsysteme GmbH, Vimbucher Straße 2, 76534 Baden-Baden, www.schoeck-balkonsysteme.de, Verantwortlich: Dr. Peter Kaiser,
Dita Barrantes, Kontakt: +49 7223 967-307, [email protected], Redaktion: Dr. Peter Kaiser, Moritz Kaiser, Sabine Schöck, Jens Voss, Gestaltung und
Realisation: Kuhn, Kammann & Kuhn GmbH, studio jens mennicke, Zeichnungen / Illustration: Julian Rentzsch, Jens Mennicke, Bildnachweise: Fotolia, Julia Knop,
Getty Images, Tonatiuh Ambrosetti, T. Ott (Würth Solar), Schüco, Yovohagrafie (Deutscher Pavillon), A. Sell (Schott AG), RP Technik, Soenne, Frank Rümmele,
Tomaž Gregori, Jens Mennicke, Björn Freitag, Druck und Verarbeitung: Komminform Print- und Produktions GmbH
26
Schöck Balkonsysteme: plattform no.01
«Romantisches 2-Zimmer-Appartement, Whirlpool-Badewanne, LCDTV und Balkon mit hinreißendem
Blick auf die ‹Arena di Verona› in
ruhiger Lage»
von Moritz Kaiser
Moritz Kaiser (19) schreibt seit seiner Kindheit leidenschaftlich gerne
Kurzgeschichten und Gedichte. Nach seinem Abitur wird er in diesem
Sommer für neun Monate nach Honduras gehen und dort in einem
Zeichnungen: Julian Rentzsch
Hotel arbeiten.
Endlich angekommen! Die Tür fiel krachend hinter mir ins Schloss. Verfolgt
von den verstörten Blicken der Rezeptionistin trat ich an den Tresen. Ich war
weder nackt, ich hatte keinen schwarzen Bart, keinen Turban und keinen verdächtigen Aktenkoffer bei mir. Dennoch schien mein Auftreten sie in eine Art
Zweifel an meiner Seriosität zu stürzen. Ihr überheblich geöffneter Mund und
die fanatisch aufgerissenen Augen brachten dies zum Ausdruck. Sie hatte
Spinachi zu Mittag. Ich entschied mich gegen eine Erklärung bezüglich meiner
äußeren Erscheinung und orientierte mich in prämortalem Bewegungsmodus
in Richtung meines Appartements.
Dort ließ ich mich nach gefühlten drei Everest-Besteigungen im Handstand,
mit lautem Geächze in einen Sessel fallen. Der einzige Fehler war, dass das
Sitzmöbel in Spiegelrichtung positioniert war. Es bot sich mir ein Bild bitteren
Elends und qualvoller Tortur. Meine Haare sahen aus wie nach einem Date mit
Freddy Krueger, mein ehemals weißes T-Shirt formte mit einer Komposition
aus Make-up, Edding, Ketchup und Cola ein neosurrealistisches Kunstwerk
erster Güteklasse. Getoppt wurde der «used look» von meiner zerrissenen
Jeans, die auch nach mehrmaliger Betrachtung gar nicht mal so gut aussah.
Popeye griff zum Spinat, ich schoss mit heiterem Zischen einen HeinekenKronkorken quer durch das Zimmer. Müde und arthritisch stemmte ich mich
aus dem Textil und setzte mein Ein-Gang-Rentnergetriebe in Richtung «Balkon in ruhiger Lage» in Bewegung. Oh Romeo, oh Julia! Es hätte wohl besser
Schöck Balkonsysteme: plattform no.01
«Balkönchen» heißen müssen. Ich kam mir vor wie in einer Fortsetzung von
Gullivers Reisen, als sich meine ehemals schicken Schuhe schon nach einem Schritt auf den bröckelnden Beton mit dessen territorialem Ende vertraut
machten. So war im Türrahmen mein Ausflug schon beendet. Die geruchsschwangere italienische Abendluft wehte mir mit erfrischender Leichtigkeit
um die geschundenen Gliedmaßen. Begleitet von dem melodischen Wirrwarr
gurrender Großstadttauben und den letzten Armaden der Sonne, hüllte sich
das Gesamtbild der in der Ferne erahnbaren Arena und des Altstadtkerns in
einen trügerisch-romantischen Schein. Unter mir erstreckte sich der Grund
für die Beschissenheit der Gesamtlage: Ein Meer aus funkelndem Metall, wogegen der Genfer Autosalon nicht im Geringsten eine Chance hätte, hatte
den Vorplatz geflutet. Tausende kreischender, hysterisch-weiblicher Stimmen
erinnerten an einen Marderangriff im Hühnerstall.
Doch warum all die Aufregung, die grenzenlose Überschreitung jeder humanen Prinzipien? Konnte ich ja nicht ahnen, dass mein Weg von der Cafeteria zum Hotel von einer wollüstigen Meute übermäßig pubertierender
Mädchen gekreuzt wurde, die vollkommen außer Rand und Band in Richtung
Arena stürmten? Infernalisch ungestüm hatten sie mich, das augenscheinlich
letzte Bollwerk der postpubertären Hochkultur, niedergerannt.
Warum das? Warum ich? Und wer zur Hölle ist Justin Bieber?
27
Jedem Haus
gewachsen.
Wo immer Sie Balkone planen: Wir finden die Lösung.
Ob auf zwei Stützen oder frei auskragend, unsere
Balkonsysteme sind technisch ausgereift und thermisch
optimal entkoppelt.
Perfekt aufgestellt!
Und weil wir modular kombinierbare Produkte
anbieten, sind auch den Gestaltungsmöglichkeiten keine
Grenzen gesetzt.
www.schoeck-balkonsysteme.de
Herunterladen