Theorieskript

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INTERNATIONAL ZEBRAFISH AND MEDAKA COURSE European Zebrafish Resource Centre (EZRC)
Karlsruhe Institute of Technology (KIT)
Heidelberg University
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DEUTSCH International Zebrafish Medaka Course IZMC
International Zebrafish/Medaka Course
(IZMC)
European Zebrafish Resource Centre (EZRC)
Karlsruhe Institute of Technology (KIT)
Heidelberg University
1
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Einführung
Fisch-Modelle haben in den vergangenen Jahrzehnten für die biomedizinische
Forschung zunehmend an Bedeutung gewonnen. Insbesondere die beiden TeleostierSpezies Zebrafisch (Danio rerio) und Medaka (Oryzias latipes) haben sich zu
unverzichtbaren Modellsystemen für die Untersuchung von Genfunktionen bei
Vertebraten entwickelt. Ihre Verfügbarkeit für eine zukunftsorientierte Genetik,
insbesondere ihre geringe Körpergröße, die Transparenz ihrer Embryos und deren
extra-uterine Entwicklung macht sie zu idealen Systemen für systematische
Untersuchungen von Entwicklungsprozessen. Inzwischen ist es offensichtlich, dass
diese Fischarten für die biomedizinische Forschung eine Vielzahl von
Krankheitsmodellen bereithalten, die das Studium pathophysiologischer Prozesse am
intakten Embryo in Echtzeit und unter hoher zellulärer Auflösung ermöglichen.
Die Direktive 2010/63/EU des Europäischen Parlamentes und des Europarates gibt vor,
dass Personen, die tierexperimentell arbeiten, über die erforderlichen Fachkenntnisse
verfügen müssen. Derzeit wird in Deutschland von Universitäten und anderen
Forschungseinrichtungen eine Vielzahl Lehrveranstaltungen angeboten, die thematisch
sämtlich dem FELASA B Konzept entsprechen. Diese Kurse befassen sich
hauptsächlich mit der Forschung an Mäusen und Ratten, das Arbeiten mit Fischen wird
nicht gelehrt. Das Europäische Zebrafisch Resourcenzentrum am Karlsruhe Institut für
Technologie (KIT) bietet nun erstmals eine umfassende Lehrveranstaltung für die Arbeit
mit Zebrafischen und Medakas an, Zielgruppen sind v.a. Techniker, Studenten,
Doktoranden und Wissenschaftler.
Der Kurs wird – entsprechend den jeweiligen Erfordernissen – in englischer oder
deutscher Sprache gehalten werden. Die Theorieteile werden den Kursteilnehmern als
online-Material über die Webseite der ICMZ zur Verfügung stehen, und zwar
grundsätzlich
zweisprachig.
Lehrinhalte des Theorieteils sind u.a. die
tierschutzrechtlichen Regelungen in Deutschland, die Ethik des Tierversuches wie auch
das 3R-Komzept und Alternativverfahren. Wichtige Themen sind zudem die Biologie,
Zucht, Haltung und Ernährung von Zebrafisch und Medaka, aber auch Fragen der
Gesundheitsüberwachung der Tiere sowie relevante Erkrankungen. Andere
Fischmodelle und ihre Bedeutung für die Toxikologie und die biomedizinische
Forschung sollen besprochen werden. Die Praxisteile werden in den Fischanlagen des
EZRC und in Zusammenarbeit mit dem Institut für Toxikologie und Genetik des KIT
durchgeführt. Dabei werden Kenntnisse vermittelt zum Handling der Tiere, zu Haltung,
Zucht, Anästhesie, Entnahme von Flossengewebe (fin clipping) und zur
tierschutzgerechten Tötung von Zebrafisch und Medaka.
Der Kurs wird mit einer Erfolgskontrolle in Form einer Multiple-Choice-Form Prüfung
abgeschlossen. Teilnehmer, die sowohl den Kurs als auch die Prüfung erfolgreich
absolviert haben, werden eine Bescheinigung erhalten, in der ihnen das notwendige
Wissen zu Zebrafisch und Medaka, aber auch ihre Fähigkeit zum Umgang mit diesen
Tieren bestätigt wird, so dass sie damit den gesetzlichen Erfordernissen zur Arbeit mit
Fischen genügen.
2
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Inhalt
1.
Geschichte der experimentellen Medizin und Ethik ......................................................... 5
2.
Alternativmethoden und das 3R-Konzept ...................................................................... 10
2.1
Schmerzen, Leiden und Schäden bei Fischen............................................................... 14
3.
Gesetzliche Regelung und die Bewilligungspraxis von Tierversuchen ........................... 17
3.1
Tierschutzrechtliche Regelung für tierexperimentelles Arbeiten in Deutschland .......... 17
3.1.1
Der rechtliche Rahmen.................................................................................................. 17
3.1.3
Verwaltungsverfahren ................................................................................................... 18
3.1.4
Genehmigungspflichtige Versuchsvorhaben ................................................................. 18
3.1.5
Leiter, Stellvertreter ....................................................................................................... 20
3.1.6
Mitarbeiter ..................................................................................................................... 20
3.1.7
Anzeigepflichtige Versuchsvorhaben ............................................................................. 21
3.1.8
Töten von Tieren zu wissenschaftlichen Zwecken ......................................................... 21
3.1.9
Genehmigungsvorbehalt für belastete genetisch veränderte Zuchten ........................... 21
3.1.10
Verwendung von Larven ............................................................................................... 22
3.1.11
Aufzeichnungspflicht ..................................................................................................... 22
3.1.12
Jährliche Versuchstiermeldung ..................................................................................... 23
3.1.13
Nationaler Tierschutz-Ausschuss .................................................................................. 23
3.1.14
Direktive 2010/63/EU .................................................................................................... 23
3.2
Rechtliche Aspekte zum Versand von Fischen, Fischeiern und Sperma-Proben, die .......
für wissenschaftliche Untersuchungen bestimmt sind.................................................... 27
3.2.1
Zusätzliche Vorschriften beim Versand von Fischen (über 5 Tage post fertilisation)..... 29
3.2.2
Zusätzliche Vorschriften beim Versand von Fischen, die als genetisch veränderte ..........
Organismen einzustufen sind ........................................................................................ 30
4.
Zebrafisch und Medaka als experimentelle Modelle ...................................................... 33
4.1
Die Biologie des Zebrabärblings (Danio rerio) ............................................................... 35
4.2
Die Biologie des Medakas (Oryzias latipes) .................................................................. 43
5.
Haltung, Züchtung und Fütterung .................................................................................. 47
5.1
Zebrabärbling ................................................................................................................ 47
5.2
Medaka Haltung und Züchtung .................................................................................... 50
6.
Anästhesie, Analgesie und Euthanasie von Fischen ..................................................... 54
6.1
Stress und Schmerz in Fischen ..................................................................................... 54
6.2
Definitionen ................................................................................................................... 55
6.3
Allgemeine Überlegungen bei der Wahl der Betäubungsmethode ................................. 56
6.4
Stadien der Anästhesie ................................................................................................. 60
6.5
Arten der Anästhesie ..................................................................................................... 61
6.6
Dosierung von Inhalationsanästhetika ........................................................................... 65
3
International Zebrafish Medaka Course IZMC
6.7
Nicht chemische Betäubungsmittel................................................................................ 67
6.7.1
Hypothermie (rasches Kühlen) ...................................................................................... 67
6.7.2
Elektro-Betäubung ........................................................................................................ 68
6.8
Injektion von Betäubungsmitteln .................................................................................... 69
6.9
Andauernde Betäubung und deren Überwachung ......................................................... 70
6.10
Euthanasie .................................................................................................................... 71
6.11
Anästhesie und Euthanasie beim Zebrabärbling ........................................................... 72
7.
Verfahren zur Gewährleistung der Gesundheit, dem Wohlergehen und der Pflege ..........
von Zebrafischen (Danio rerio) und Medakas (Oryzias latipes) ..................................... 74
7.1
Fischkrankheiten ........................................................................................................... 74
7.1.1
Erkennen von typischen Krankheitssymptomen und Krankheitserregern ...................... 74
7.1.2
Beschreibung der wichtigsten, relevanten Erkrankungen .............................................. 75
7.1.3
Behandlungen ............................................................................................................... 78
7.1.5
Probezahlen für Gesundheitsüberwachung ................................................................... 81
7.2
Liste von potentielle Gesundheitsrisiken beim Kontakt mit Zebrafischen oder Medaka 81
8.
Statistische Analyse ...................................................................................................... 83
9.
Abkürzungen ................................................................................................................ 86
10.
Fische in der Toxikologie und Ökotoxikologie ................................................................ 90
10.1
Fischtests in der Abwasserüberprüfung......................................................................... 90
10.2
Fischtests für die Chemikalienuntersuchung: akute Fischtests mit adulten Fischen .........
und der Fischembryotest als Alternativmethode ............................................................ 91
10.3
Rechtliche Bestimmungen für Fischtests außer akuten Toxizitätstests .......................... 95
10.4
Fische, die üblicherweise in der (Öko)Toxikologie verwendet werden ......................... 102
10.4.1
Zebrabärbling (Danio rerio) ......................................................................................... 102
10.4.2
Medaka (Oryzias latipes) ............................................................................................. 102
10.4.3
Dickkopfelritze (Pimephales promelas)........................................................................ 102
10.4.4
Regenbogenforelle (Oncorhynchus mykiss) ................................................................ 104
10.4.5
Edelsteinkärpfling (Cyprinodon variegatus) ................................................................. 105
10.4.6
Guppy (Poecilia reticulata)……………………………… ......... ……………………………106
10.4.7
Goldorfe (Leuciscus idus melanotus) .......................................................................... 107
10.5
Diversität von Fischarten in alternativen Testmethoden .............................................. 108
10.6
Alternativmethoden für Fischtoxizitätstests, die nicht auf Embryonen basieren ........... 111
11.
Zebrafischembryos als Modellorganismen in der Chemischen Biologie und Genetik... 112
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International Zebrafish Medaka Course IZMC
1.
Geschichte der experimentellen Medizin und Ethik
(Almut Köhler, Jürgen Weiss)
Eine kurze Geschichte der experimentellen Medizin
Die Entwicklung des Tierexperimentes als Modell für den Menschen hat weitgehend
parallel zur Entwicklung der Medizinwissenschaft selbst stattgefunden. Die
fundamentalen Ursprünge der westlichen Medizin liegen im klassischen Griechenland.
Tatsächlich gehörten griechische Philosophen zu den Ersten, die Vivisektionen 1 für
wissenschaftliche Zwecke durchführten.
Im ersten medizinischen Werk, dem “Corpus Hippocraticum”
sind einige Beispiele hierfür beschrieben. Beim „Corpus
Hippocraticum” handelt es sich um eine Sammlung
klassischer medizinischer Texte, die vom 5. vorchristlichen
bis zum 2. Jhdt. nach Christus zusammen-getragen wurden.
Grundsätzlich wird das Corpus dem Hippocrates von Kos
zugeschrieben (Abb. 1), vermutlich hat er aber nur einige
wenige Teile zum Corpus beigetragen. Zur damaligen Zeit
war die medizinische Wissenschaft vor allem deskriptiv und
auf Fragen der Anatomie ausgerichtet.
Galen von Pergamon lebte im 2. Jhdt. nach Christus und war
– nach Hippokrates – der bedeutendste Arzt der antiken Welt.
Er war Arzt, Anatom und Physiologe und verwendete für
Abb. 1: Hippocrates von Kos (460
seine Forschung Schweine, Affen und Hunde. Er legte die
– 370 vor Christus), “Vater der
Medizin als Wissenschaft”
Grundlagen der Medizin für seine Zeit wie auch die
nachfolgenden Jahrhunderte.
Die Kultur der Römer bot keine Unterstützung für die weitere
Entwicklung der Medizin und der Biologie. Mit der
Ausbreitung des Christentums ging dann ein fast völliges
Verschwinden der medizinisch-biologischen Wissenschaften
einher, das mehr als tausend Jahre andauerte. Zu dieser Zeit
begann das so genannte Goldene Zeitalter des Islam, das
etwa vom 8. bis zum 13. Jhdt. dauerte und das enorme
Fortschritte für die Medizin und die Natur-wissenschaften
brachte. Die Bedeutung der Naturwissenschaften in dieser
Zeit lässt sich an der arabischen Vorsilbe “Al-“ erkennen, die
Begriffe wie Algebra, Alchemie, Alkohol und Alkalien
enthalten. Abu Ali ibn Sina aus Chorasan im heutigen Iran,
bekannt eher mit seinem latinisierten Namen “Avicenna”, war
einer der bekanntesten Repräsentanten dieser Zeit. Er
studierte
zahlreiche
Fächer
wie
z.B.
Medizin,
Naturwissenschaften und Philosophie. Avicenna beschrieb
ausführlich über die Heilwirkung ätherischer Öle und
verfasste fast hundert Bücher, darunter auch den “Kanon der
Medizin”, der bis zum 17ten Jhdt. mit Abstand das wichtigste
1
Arbeit am lebenden Organismus
5
Fig. 2: Andreas Vesalius (15141564), Gründer der modernen
Anatomie und des
morphologischen Denkens
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Werk über die Kunst des Heilens blieb.
Mit der Renaissance zu Beginn des 15ten Jhdts. kam es in Mitteleuropa zu einem
Wiederaufleben der experimentellen Biologie und Medizin, der Empirismus gewann an
Bedeutung. Vesalius (Abb. 2), ein Anatom aus Flandern und Vertreter dieser Zeit, gilt
als Gründer der modernen Anatomie und des “morphologischen Denkens” in der
Medizin.
Mit dem frühen 17ten Jhdt. stellte sich ein wachsendes Interesse an physiologischen
Prozessen ein. So beschrieb z.B. William Harvey (1578-1657) als Erster den Prozess
der Blutzirkulation und Johann C. Brunner (1653-1727) führte Tierexperimente zur
Funktion der Bauchspeicheldrüse durch. Brunner’s Forschung führte zur Entdeckung
eines Systems von Drüsen, die am Eingang zum Dünndarm die Magensäure
neutralisiert. Diese Drüsen tragen bis heute seinen Namen, die Brunner’schen Drüsen.
Im Jahr 1859 veröffentlichte Charles Darwin sein Hauptwerk “On the Origin of the
Species”2. Dieses wurde zur Grundlage der Theorie der Evolution. Die Annahme, dass
Ähnlichkeiten zwischen Menschen und Tieren auf Homologie basieren, stellte eine
vernünftige Grundlage für die Verwendung von Tieren als Modell für den Menschen dar.
Homologie meint in diesem Zusammenhang, dass bestimmte übereinstimmende
Merkmale unterschiedlicher Tiergruppen sich nicht unabhängig voneinander entwickelt
haben, sondern gemeinsame Ursprünge haben.
1865 veröffentlichte Claude Bernard (Abb. 3) die “Introduction to
Experimental Medicine“ 3 , in der er die Methodologie für die
Entwicklung physiologischer Experimente beschrieb. Bernard, der
oft als Vater der experimentellen Medizin bezeichnet wurde,
untersuchte die Bedeutung des Pankreas für die Verdauung, die
Regulierung der Glukosekonzentration im Blut durch die Leber
und die Steuerung der Kontraktion und Expansion der Blutgefäße
durch das vasomotorische System.
Zum Ende des 19. Jhdts. hatte das Aufkommen neuer
Wissenschaftsdisziplinen
wie
z.B.
der
Pharmakologie,
Toxikologie,
Virologie
und
Immunologie
wie
auch
die Entstehung
Fig. 3: Claude Bernard
der industriellen Entwicklung neuer Arzneimittel einen raschen
(1813-1878), french
physician and physiologist
Anstieg der Zahl der Tierexperimente zur Folge. Bis zum Ende
des 19. Jhdts. waren dabei vorwiegend Haustiere für
experimentelle Zwecke eingesetzt worden. Später wurden andere Tierarten für diese
Verwendung eingeführt und in der weiteren Entwicklung schließlich entstanden
Tiermodelle.
Mit dem Beginn des 20ten Jhdts. leitete die Genetik eine neue dynamische Periode ein.
Die Genetiker griffen dabei auf eine Vielzahl von Mausvarianten zurück, die damals als
Liebhabertiere gehalten wurden. Gleichwohl begannen Wissenschaftler bald mit der
Zucht der ersten Stämme von Labormäusen (z.B. DBA, C57BL/6), aber auch von
Laborraten (z.B. Wistar, Sprague Dawley).
2
3
„Über die Entstehung der Arten“
„Einführung in die Experimentelle Medizin“
6
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Gleichzeitig mit der Entwicklung neuer In- und Auszuchtstämme von Labornagern
begannen die Wissenschaftler auch damit, die Haltungsbedingungen ihrer
Versuchstiere wie auch die eingesetzten experimentellen Verfahrensweisen kritisch zu
hinterfragen. Ausgangspunkt dafür war die Erkenntnis, dass die Standardisierung
möglichst vieler Parameter eine Grundvoraussetzung für die Reproduzierbarkeit von
Versuchsergebnissen ist. Die Versuchstierkunde ist der Wissenschaftszweig, der sich
mit diesen Fragen befasst.
Ethische Aspekte
Die Philosophie hat sich über viele Jahrhunderte mit der Frage der Verantwortung des
Menschen für nicht-menschliche Wesen beschäftigt. Heute gibt es eine Reihe
grundlegender Konzepte, die sich mit der komplexen Beziehung zwischen Mensch und
Tier befassen.
Der klassische Anthropozentrismus geht davon aus, dass Tiere keinen ihnen
innewohnenden Wert besitzen. Dies war traditionell die Auffassung aller wichtigen
Philosophen von Aristoteles bis Kant, einschließlich der christlichen Moraltheologie. Der
Anthropozentrismus basiert auf der Annahme, dass Menschen schützenswert sind, weil
nur sie vernunftbegabte Wesen und ein Ebenbild Gottes sind.
Bis in die zweite Hälfte des 17. Jhdts. war man davon ausgegangen, dass Tiere
gefühllose Kreaturen seien. Der Philosoph R. Descartes (1596-1659) hatte die
Auffassung vertreten, Tiere hätten weder Seele noch Bewusstsein, nur der Mensch
könne denken und fühlen.
Im 18. Jhdt. wurde das Konzept des Utilitarismus entwickelt. Kurz gesagt fordert uns
dieses Konzept auf, uns so zu verhalten, dass ein Höchstmaß an Glück aus unserem
Handeln entsteht. Jeremy Bentham (1748-1832), ein bekannter Repräsentant des
Utilitarismus, stellte den klassischen Anthropozentrismus als “gruppenegoistisches
Konzept” in Frage. Er stellte fest, dass die traditionalistische Vorstellung von Tieren als
nicht-denkenden und nicht-fühlenden Wesen nicht mehr länger aufrechterhalten werden
könne. Bentham forderte, stattdessen die Fähigkeit zur Schmerzempfindung von Tieren
zum Kriterium für den Umgang mit ihnen zu machen. Seine Schlüsselfrage war nicht,
ob ein Tier denken oder sprechen, sondern ob es Schmerzen oder Leiden empfinden
könne. Spätestens, nachdem Darwin’s Evolutionstheorie ab Mitte des 19. Jhdts. von der
Wissenschaft weitestgehend übernommen worden war, konnte die Annahme der
biologischen Einzigartigkeit des Menschen nicht länger aufrechterhalten werden.
Beim “Holismus” handelt es sich um ein Konzept, das für die gesamte Welt,
einschließlich Berge und Flüsse, ein unabhängiges Existenzrecht einfordert, das
jeglichen Eingriff untersagt. Der Holismus geht von strikten metaphysischen
Voraussetzungen aus, die kein Bestandteil derzeitiger philosophischer oder religiöser
Strömungen sind wie z.B. der Beseeltheit der Natur im Allgemeinen. Insgesamt dürfte
es sich beim Holismus um ein eher unrealistisches Konzept handeln.
7
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Nobelpreisträger Albert Schweitzer entwarf das Konzept des “Radikalen
Biozentrismus” 4 , das davon ausgeht, dass alle lebenden Organismen einer
„moralischen Gemeinschaft“ angehören. Diese Variante des Biozentrismus verbietet die
Beeinträchtigung jeder Art von Leben; gleichgültig, ob es sich um ein Tier, eine Pflanze
oder ein Bakterium handelt. Tatsächlich bezeichnete sich Schweitzer selbst als
Massenmörder, da er als Arzt, z.B. infolge der Impfung eines Patienten, zwangsläufig
Millionen von Bakterien töten würde. Das Konzept des „Radikalen Biozentrismus“ dürfte
in der Praxis des Lebens kaum umsetzbar sein.
Der australische Philosoph Peter Singer 5 steht, wie viele andere Tierschutzaktivisten
auch, für den „Pathozentrismus“. Dieser gesteht nur solchen Tiergruppen einen
inherenten moralischen Wert zu, die über ein intaktes Zentralnervensystem verfügen;
auch wenn nicht zwingend klar ist, warum nur diese Tiergruppen. Zahlreiche
Repräsentanten des Pathozentrismus betrachten die Mitglieder einiger Tierarten als
„Personen“, während sie diese Eigenschaft bestimmten menschlichen Vertretern
absprechen. So sind gemäß Peter Singer Menschenaffen, Wale und Delphine definitiv
“Personen”. Auch die Angehörigen einiger anderer Säugetierspezies sollen „Personen“
sein, wenigstens mit hoher Wahrscheinlichkeit. Im Gegensatz dazu sind – nach Singer
– menschliche Neugeborene, schwachsinnige oder komatöse Menschen zwar
Angehörige der Spezies „Homo sapiens“, nicht aber wirkliche Personen.
Das Konzept des moderaten Biozentrismus gilt in jüngerer Zeit als eine moralische
Theorie, die umfassender als andere umsetzbar erscheint. Das Konzept billigt allen
Lebewesen einen bestimmten moralischen Status zu. Gleichwohl ist der intrinsische
Wert eines Lebewesens durch seine Stellung in der ursprünglich von Aristoteles
beschriebenen Hierarchie der Organismen (Scala naturae) bestimmt. Aus heutiger Sicht
bedeutet dies, dass z.B. die Gesundheit eines Hundes schützenswerter ist als die einer
Ratte oder eines Käfers. In jedem Fall nehmen Menschen eine herausgehobene
Stellung als „Personen“ ein.
Wenn man die Konsequenzen abwägt, die sich aus der Umsetzung eines der oben
skizzierten Konzepte ergibt, erscheint für einen Durchschnittsmenschen nur der
moderate Biozentrismus ein pragmatisches und vertretbares Konzept zu sein.
Gleichwohl bedeutet die Einschätzung eines Insektes als weniger wertvoll als eines
Hundes keineswegs, dass ein Insekt als Lebewesen keinen ihm innewohnenden Wert
besitzt. Vielmehr verfügen auch Insekten über einen intrinsischen Wert und diese
Tatsache sollte anerkannt werden.
Was bedeutet dies für die Praxis des Alltagslebens? Zum Beispiel die Invasion eines
Hauses durch Schaben sollte unbedingt bekämpft werden, wobei die Tötung der Tiere
schnell und möglichst schmerzfrei erfolgen sollte. Das Risiko potentieller Infektionen für
die Bewohner des Hauses oder gar dessen Unbewohnbarkeit stellt einen hinreichenden
vernünftigen Grund für die Bekämpfung der Insekten dar. Im Gegensatz dazu kann man
eine einzelne Maus, die irgendwie ihren Weg in das Haus gefunden hat, vermutlich
leicht mit einer Lebendfalle fangen und irgendwo im Freien wieder freilassen. Es ist die
ethische Verpflichtung des Menschen, solche Begegnungen mit Tieren sorgfältig
4
Albert Schweitzer, Die Ehrfurcht vor dem Leben: Grundtexte aus fünf Jahrzehnten, Hrsg. v. Bähr, H.W. (1991),
6.Aufl., München
5
Peter Singer: Practical Ethics. Cambridge University Press, Cambridge 1979; 2nd edition, 1993; 3rd edition,
2011, ISBN 9780521707688
8
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abzuwägen und einen geeigneten Weg der Lösung des Problems zu finden, wobei die
„Interessen“ der Tiere angemessen berücksichtigt werden müssen.
Nach den Kriterien des moderaten Biozentrismus erscheint der Einsatz von
Versuchstieren für wissenschaftliche Zwecke ethisch vertretbar. Dies allerdings nur
unter der Voraussetzung, dass das Prinzip der 3R in vollem Umfang berücksichtigt wird,
um jede unnötige Belastung für die Tiere zu vermeiden. Gleichwohl ist die Einschätzung
des Einsatzes von Tieren für wissenschaftliche Zwecke in der Öffentlichkeit mitunter
durch eine skeptische, wenn nicht ablehnende oder sogar feindselige Haltung
gekennzeichnet. Viele Menschen erleben eine Maus, eine Katze oder einen Hund sehr
emotional als geliebtes Spielzeug, wenn nicht sogar als engen Freund.
Diese Menschen können nicht verstehen, wie ein Wissenschaftler ein solches Tier
einfach nur als Organismus betrachten kann, dessen Funktionsweise oder Fehlfunktion
er verstehen möchte. Der Einsatz von Tieren für experimentelle Zwecke ist ein extrem
komplexes Thema und Menschen, die keine Beziehung zur Wissenschaft haben, haben
große Schwierigkeiten, die Arbeit in diesem Bereich zu verstehen. Daraus folgt, dass
Wissenschaftler offen sein sollten, mit Laien über diese Themen zu sprechen und die
Hintergründe verständlich zu machen. Allerdings sollte dies auf besonders sorgfältige
Weise geschehen und mit dem notwendigen Verständnis und der Empathie für die
Bedenken dieser Menschen. Es ist sinnvoll, solche Aufklärungsarbeit so früh wie
möglich zu beginnen. So können Wissenschaftler zum Beispiel Schulklassen besuchen
und dort erläutern, was tierexperimentelles Arbeiten bedeutet und welcher Wert sich
daraus für die Gesellschaft ergibt.
Trotz alledem ist davon auszugehen, dass die Verwendung von Tieren für
wissenschaftliche Zwecke auch in der heute absehbaren Zukunft von der
überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung mindestens kritisch eingeschätzt werden
wird. Andererseits steht die biomedizinische Forschung noch einer Vielzahl von
Fragestellungen und ungelösten Problemen gegenüber. Die Beantwortung dieser
Fragen und die notwendigen Problemlösungen werden noch viele Jahre an
Forschungsarbeit erfordern, bis die Biomedizin möglicherweise eines Tages auf
tierexperimentelle Forschung wird verzichten können.
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International Zebrafish Medaka Course IZMC
2.
Alternativmethoden und das 3R-Konzept
(Almut Köhler, Jürgen Weiss)
Tierschutz
Seit der Domestikation der Haustiere in der Phase der Jungsteinzeit vor wenigstens
10.000 Jahren hat den Menschen stets die Sorge um das Wohlergehen seiner Tiere
begleitet. Letztlich hat die Wertschätzung von und der Respekt vor Tieren zum Prozess
der Domestikation, zu Ackerbau und Viehhaltung geführt. Die während dieser Zeit
entwickelte Art einer Tierschutzethik verpflichtete den Menschen, sich um das
Wohlbefinden seiner Tiere zu kümmern, dies gleichzeitig aber im eigenen Interesse zu
tun. Das daraus resultierende Prinzip lautete in etwa: „wenn wir uns um unsere Tiere
kümmern, werden die Tiere auch etwas für uns tun“. Eine ganz besondere Beziehung,
die man heute als Mensch-Tier-Bindung bezeichnet.
Wie kann man aber Tierschutz heute definieren? Tatsächlich unterliegen die Standards
eines „guten“ Tierschutzes einer ständigen Überprüfung, sie werden von
Tierschutzgruppierungen, Gesetzgebern und Akademikern weltweit diskutiert und auch
immer wieder angepasst oder revidiert.
Im einfachsten Fall könnte man sagen, einem Tier geht es gut, solange es gesund ist
und sich erfolgreich fortpflanzt. Gleichwohl erweist sich eine solche Beurteilung nur
aufgrund körperlicher Merkmale als zu begrenzt. Ein solcher Aspekt ist, dass einerseits
genetische Faktoren und Umweltgegebenheiten durchaus die erwünschten physischen
Ziele für ein Tier gewährleisten können, während andererseits sein mentaler Status
beeinträchtigt ist.
So könnte zum Beispiel der Champion einer Hundezucht einen hervorragenden
Körperbau haben und absolut gesund sein, sich aber in seiner häuslichen Umgebung
ausgesprochen ängstlich verhalten. Ein weiteres Problem ist, dass die Interpretation
einiger physiologischer Parameter, wie z.B. Herzfrequenz oder die Konzentration des
Plasmakortisols, schwierig ist, weil sie sowohl infolge positiver wie auch negativer
Erfahrungen erhöht sein können. Auslöser kann die Anwesenheit eines Zuchtpartners
des jeweils anderen Geschlechtes einerseits oder aber die Anwesenheit eines
Fressfeindes andererseits sein.
Dies legt nahe, dass der Komplex Tierschutz nicht nur den Zustand des Körpers eines
Tieres sondern auch dessen Gefühlszustand einschließen muss. In heutiger Zeit
dürften die meisten Menschen der Auffassung zustimmen, dass Tiere Gefühle (z.B.
Furcht, Missmut) haben. Manche vertreten sogar die Auffassung, dass Tierschutz sich
ausschließlich auf die Gefühle eines Tieres bezieht und dass dieses Gefühlsleben sich
entwickelt hat, um die wichtigsten Bedürfnisse eines Tieres zu befriedigen. Daraus folgt,
wenn ein Tier sich wohl fühlt, geht es ihm auch gut. Infolgedessen bedient sich die
gefühlsbasierte
Tierschutzforschung
typischerweise
der
Messung
von
Verhaltensparametern. So z.B. die Bereitschaft eines Tieres, “zu arbeiten”, indem es
eine schwere Tür öffnen soll, oder aber Verhaltensmuster der Furcht oder Frustration.
Diese Art der Forschung hat zu der Erkenntnis geführt, dass Tiere fundamentale
Verhaltensbedürfnisse haben, deren Befriedigung ihnen aus Gründen der Humanität
ermöglicht werden muss.
10
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Ein weiterer Aspekt des Wohlbefindens, im engen Zusammenhang mit der
gefühlsbasierten Herangehensweise, ist die Annahme, dass es Tieren am besten geht,
wenn sie entsprechend ihrer angeborenen Eigenschaften leben können und ihr volles
Verhaltensspektrum
ausleben
können.
Vor
diesem
Hintergrund
wären
konsequenterweise auch körperliche Empfindungen wie z.B. Kälte oder mentale
Empfindungen wie z.B. die Furcht vor Fressfeinden natürlicher Teil des Befindens eines
Tieres.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass das Wohlbefinden eines Tieres den Zustand
seines Körpers wie auch seiner Gefühle umfasst, aber auch das Ausmaß, in dem seine
Bedürfnisse (genetische Merkmale manifestieren sich in Rasse und Temperament)
befriedigt werden. Gleichwohl ist anzuerkennen, dass die verschiedenen Aspekte des
Wohlbefindens mitunter in Konflikt geraten und sich daraus praktische und ethische
Herausforderungen ergeben.
Der Tierschutzgedanke, insbesondere in Bezug auf das Tierexperiment, gewann in der
öffentlichen Diskussion in Großbritannien schon im 19. Jhdt. zunehmend an Bedeutung.
Die von Frances Power Cobbes 1875 gegründete “Society for the Protection of Animals
Liable to Vivisection (SPALV)” war weltweit die erste Organisation gegen Tierversuche.
Diese Gründung ergab sich, weil immer mehr Menschen gegen den Einsatz der ständig
steigenden Anzahl von für Forschungszwecke eingesetzten Tieren protestierten.
Claude Berdard (1813-1878), ein bedeutender Physiologe und Tierexperimentator,
wurde zum ersten Zielobjekt von Tierschutzaktivisten.
Seit dieser Zeit haben sich zwei grundsätzlich verschiedene Auffassungen von
Tierschutz in den westlichen Gesellschaften entwickelt. So kämpfen auf der einen Seite
sogenannte Tierschutzaktivisten grundsätzlich gegen Tierexperimente und nehmen für
sich allein in Anspruch, den Tierschutzgedanken zu vertreten. Andererseits ist
tierexperimentelles Arbeiten bis ins Detail gesetzlich geregelt. Tierexperimentell
arbeitende Wissenschaftler sind verpflichtet, alle gesetzlichen Bestimmungen
einzuhalten, alle Aspekte des Tierschutzes zu beachten und die Konzepte der 3R wie
auch der sog. „Five Freedoms“ zu berücksichtigen. In Deutschland muss jede
Einrichtung, in der tierexperimentell gearbeitet wird, einen (bei Bedarf mehrere)
Tierschutzbeauftragte berufen, die die Wissenschaftler beraten und ihre Arbeit mit den
Tieren überwachen.
Die Direktive 2010/63 EU bestimmt in Bezug auf den Tierschutz im wissenschaftlichen
Kontext, dass für wissenschaftliche Zwecke eingesetzte Tiere die erforderliche Pflege
und Versorgung erhalten müssen. Alle Personen, die mit den Tieren Umgang haben,
sollten unter Anleitung einer Aufsichtsperson ein geeignetes Training erhalten und
Erfahrung sammeln. Die Tiere müssen in Käfigen geeigneter Größe und mit
tierartgerechter Ausgestaltung gehalten werden. Wann immer möglich, sollten die Tiere
in Gruppen gehalten werden 6 . Es sollten Techniken der Haltungsanreicherung
eingesetzt werden, um die Tiere zu physischer Aktivität, Bewegung, Erkundung und
kognitiven Aktivitäten anzuregen 7 . Eingesetzte Tötungsmethoden müssen
gewährleisten, dass Schmerzen, Leiden und Distress der Tiere, soweit möglich,
6
7
Dies gilt ausdrücklich nicht z.B. für die Haltung männlicher Mäuse, die zuvor verpaart worden waren
Stellt bei der Haltung von Zebrafisch und Medaka eine besondere Herausforderung dar
11
International Zebrafish Medaka Course IZMC
vermieden werden. Tiere sollten nur von Personen getötet werden, die über die nötigen
fachlichen Voraussetzungen dazu verfügen.
Das Konzept der 3 R und der “Five Freedoms”
Die Directive 2010/63/EU des Europäischen Parlamentes und des Rates, wie auch die
meisten nationalen Gesetze in Europa geben vor, dass die 3 R bei der Planung und
Durchführung von Tierversuchen berücksichtigt werden müssen. Die 3R stehen
für die englischen Begriffe Reduction, Refinement und Replacement.
Das Konzept wurde von William Russel, einem Zoologen, Psychologen und
klassischem Gelehrten und dem Mikrobiologen Rex Birch entwickelt. Im Jahr 1954
erhielten Russel und Birch von der englischen „Universities Federation of Animal
Welfare (UFAW)“ den Auftrag, eine systematische Untersuchung zur Ethik
tierexperimentellen Arbeitens anzufertigen. 1956 überreichten sie der UFAW einen
umfassenden Bericht, im Jahr 1959 schließlich wurde das 3R–Konzept veröffentlicht 8.
Wie kann nun das Konzept der 3R in der Praxis umgesetzt werden? „Reduction“, also
eigentlich Reduzierung der Zahl der eingesetzten Versuchstiere, lässt sich in vielen
Fällen durch sorgfältige Planung der Experimente wie auch der statistisch berechneten
Fallzahlen erreichen. Zum „Refinement“ können vielfältige Maßnahmen beitragen: z.B.
besonders geeignete Analgesie- und Anästhesieverfahren, die Verbesserung der
allgemeinen Vorgehensweise wie auch die Entwicklung neuer weniger oder
nichtinvasiver Methoden. „Replacement“ ließe sich verhältnismäßig einfach erreichen
im Bereich gesetzlich vorgeschriebener Verfahren. So schreiben zum Beispiel
international geltende Richtlinien den sog. LD50-Test für die Ermittlung der akuten
Toxizität einer neuen Substanz vor. Dieser Test steht in der Kritik, insbesondere weil er
sehr große Tierzahlen erfordert und zweifellos mit erheblichen Belastungen für die
dabei eingesetzten Tiere verbunden ist. Es sollte ernsthaft geprüft werden, ob der LD50Test – zumindest in einigen Bereichen – nicht durch alternative Verfahren ersetzt
werden und auf diese Weise die Zahl eingesetzter Tiere reduziert werden kann.
Das Konzept der sog. “Five Freedoms”9 definiert fünf Aspekte des Schutzes von Tieren
unter menschlicher Obhut. Obwohl dieses Konzept ursprünglich vor allem für den
Schutz landwirtschaftlich genutzter Tiere entwickelt worden ist, lässt es sich bis zu
einem gewissen Grad auch auf Haltung und Einsatz von Versuchstieren anwenden.
Die “Five freedoms” fordern:
∗
Sicherheit vor Hunger und Durst durch ständigen Zugang zu frischem Wasser
und Futter zur Gewährleistung von Gesundheit und Körperkraft
∗ Bereitstellung
geeigneter
Haltungsbedingungen
einschließlich
eines
Unterstandes und eines tierartgerechten Ruhebereiches
∗ Vorsorge oder schnelle Diagnose im Falle von Verletzungen oder Krankheit
∗ Bereitstellung ausreichend großer und tierartgerechter Haltungseinrichtungen
sowie der notwendigen Gruppenhaltung von Tieren
∗ Vermeidung von Angst- und Stressbedingungen für die betroffenen Tiere
8
9
http://altweb.jhsph.edu/pubs/books/humane_exp/het-toc
http://webarchive.nationalarchives.gov.uk/20121007104210/http:/www.fawc.org.uk/freedoms.htm
12
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Tierexperimentelles Arbeiten unter strikter Beachtung der 3R und der „Five Freedoms“
stellt nicht nur eine ethische, sondern auch eine wissenschaftliche Erfordernis dar. So
wird man von Versuchstieren, die wegen ungeeigneter Haltungsbedingungen oder
infolge der Anwendung belastender experimenteller Methoden i.d.R. keine
reproduzierbaren Versuchsergebnisse erhalten können.
Alternativmethoden
Tierversuche stellen einen besonders problematischen Aspekt in den Mensch-TierBeziehungen dar. Aus diesem Grund gibt es in den westlichen Gesellschaften die
zunehmende Tendenz, Tierexperimente durch Alternativmethoden 10 zu ersetzen. Häufig
angeführte Alternativmethoden sind die In vitro Zellkulturtechniken. Bei in vitro
Verfahren werden üblicherweise Zellen oder biologische Moleküle außerhalb ihrer
normalen biologischen Umgebung untersucht. So werden z.B. Proteine in bestimmten
Lösungen oder Zellen in einem künstlichen Kulturmedium untersucht. In vitro
Untersuchungen sind z.B. die Isolierung, Wachstum und Identifizierung von
Mikroorganismen oder von Zellen, die aus vielzelligen Organismen (Zell- oder
Gewebekultur) gewonnen wurden, subzelluläre Komponenten (z.B. Mitochondrien oder
Ribosomen), zelluläre oder subzelluläre Extrakte (z.B. Weizenkeime oder
Retikulozytenextrakte), aufgereinigte Moleküle (Proteine, DNA, RNA) und
Pyrogenitätstests.
Der wichtigste Vorteil von in vitro Verfahren ist einerseits die Möglichkeit der Reduktion
der Komplexität des untersuchten Systems, so dass sich die Wissenschaftler auf eine
überschaubare Anzahl von Komponenten konzentrieren können. Die größte
Schwierigkeit bei in vitro Verfahren andererseits ist die Transformation und Einordnung
der Ergebnisse in die Biologie eines vollständigen Systems oder Organismus mit seinen
vielfach interagierenden Bestandteilen. Wissenschaftler, die mit in vitro Verfahren
arbeiten, müssen sehr darauf bedacht sein, die Bedeutung ihrer Ergebnisse nicht
überzubewerten, was dann unter Umständen zu falschen Rückschlüssen auf die
Bedeutung der Ergebnisse für die Biologie des Organismus und seiner Systeme führen
kann.
Gleichwohl dürften bei den meisten biomedizinischen Fragestellungen nur die
anfänglichen experimentellen Phasen mit in vitro Verfahren bearbeitet werden können,
so z.B. die Testung des Effektes eines Toxins auf verschiedene Zelltypen. Eine
zuverlässige Aussage über die Wirkung des Toxins auf den Gesamtorganismus
erfordert zwingend ein in vivo Verfahren. Insgesamt werden Alternativmethoden die in
vivo Verfahren vermutlich niemals vollständig ersetzen können, wohl aber können sie
diese ergänzen und zur Reduktion von Versuchstierzahlen beitragen.
Die „Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden
(ZEBET)“ 11 am „Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)“ in Berlin wie auch des
„European Center for Validation of Alternative Methods (ECVAM)“ 12 in Ispra (Italien)
10
http://www.bfr.bund.de/de/center_for_alternatives_to_animal_testing__caat_-4296.html
http://www.bfr.bund.de/de/zebet-1433.html
12
http://ihcp.jrc.ec.europa.eu/our_labs/eurl-ecvam
11
13
International Zebrafish Medaka Course IZMC
haben die Aufgabe, Alternativmethoden zu bewerten und im Eignungsfall ihre
Verbreitung zu fördern.
Weitere Informationen zum Thema lassen sich im Internet finden,
z.B. unter:
EURL ECVAM Search Guide (http://bookshop.europa.eu/de/the-eurl-ecvam-searchguide-pbLBN124391/),
EURL-Data Pool (http://www.eurl-pesticides-test.eu/),
Medline (https://www.dimdi.de/static/de/db/dbinfo/me66.htm),
PubMed (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed),
Go3Rs (http://www.gopubmed.org/web/go3r/)
2.1
Schmerzen, Leiden und Schäden bei Fischen
(Almut Köhler)
Das deutsche Tierschutzgesetz und die EU-Direktive 2010/63/EU für die Verwendung
von Tieren für wissenschaftliche Zwecke verlangen, dass Schmerzen, Leiden oder
Schäden für Tiere minimiert werden müssen. Alle Personen, die mit den Versuchstieren
umgehen, müssen Anzeichen für Schmerzen, Leiden oder Schäden kennen und
Kenntnisse über die Möglichkeiten zur Reduktion haben. Neben den rechtlichen
Aspekten ist es auch aus Versuchsgründen sinnvoll, Schmerzen, Leiden oder Schäden
soweit möglich zu reduzieren. Physiologische und psychologische Reaktionen durch
Schmerz können Versuchsergebnisse vielfältig beeinflussen und erhöhen die Varianz in
den Ergebnissen, was die Interpretation schwierig macht.
Das Feststellen von Schmerzen, Leiden oder Schäden bei Fischen gestaltet sich
schwierig, wobei oft auch noch die die Fähigkeit zur Schmerzempfindung bei Fischen
diskutiert wird. Der schwierigste Aspekt dabei ist die Definition von Schmerz und wie
diese auf Tiere angewendet werden kann. Schmerz ist nicht nur das Ergebnis einer
Aktivierung von Nozizeptoren, welche eine Reizleitung auslösen, die in Rückenmark
und Stammhirn verarbeitet wird. Er beinhaltet auch die Modulation dieser Reize auf
diesen Ebenen durch Integration von verstärkenden oder hemmenden Signalen. Bis
heute ist dieser Prozess nicht vollständig verstanden. Man weiß aber von Menschen,
dass der gleiche Stimulus sehr unterschiedlich schmerzhafte Empfindungen in
Abhängigkeit von individuellen Umständen hervorrufen kann. Zusätzlich wird die
Nozizeption auch in höheren Gehirnbereichen bewertet und kann zu unterschiedlicher
Schmerzwahrnehmung führen je nach Individuum und dessen früheren Erfahrungen.
So kann der gleiche Stimulus für eine Person schmerzhaft sein, für eine andere Person
dagegen nicht. Der Unterschied zwischen Nozizeption und Schmerz wird deutlich bei
anästhesierten Personen: die Nozizeptoren werden durch chirurgische Maßnahmen
immer noch aktiviert, aber es erfolgt keine Schmerzwahrnehmung. Bewusstsein ist
damit eine Grundvoraussetzung für Schmerzwahrnehmung.
14
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Um Schmerz bei Tieren zu messen, müssen mehrere Kriterien erfüllt sein. Anatomische
Strukturen und physiologische Prozesse sollten sich ähneln. Das Auftreten von
Vermeidungsverhalten nach dem Anwenden eines schmerzhaften Stimulus und die
Wirksamkeit von Analgetika in der Reduktion dieses Vermeidungsverhaltens sind
weitere Anzeichen für Schmerzwahrnehmung. Aufgrund der großen Vielfalt an
Fischarten im Vergleich zu Säugetieren und der große evolutionäre Abstand zwischen
Fischen und Säugern ist die Datenlage in der Literatur hinsichtlich der Interpretation von
Versuchsergebnissen von unterschiedlichen Fischspezies kritisch. Viele Versuche
werden mit Salmoniden durchgeführt und die daraus gewonnenen Daten werden ohne
wissenschaftlichen Nachweis auf andere Spezies extrapoliert. Zusätzlich führt der
große evolutionäre Abstand zwischen Fischen und Säugern auch zu vielen
physiologischen Unterschieden, wodurch eine Übertragung von menschlichen
Erfahrungen auf die Situation der Fische schwierig ist.
Schmerz wird durch die Stimulierung von freien Nervenendigungen eines Nozizeptors
ausgelöst. Dieses Signal wird überwiegend mittels A𝛅𝛅- (schnell) und C- (langsam)
Fasern zum Dorsalhorn des Rückenmarks weitergeleitet. Dort wird es moduliert und
zum Stammhirn und höheren Gehirnregionen wie dem Cortex weitergeleitet. In den
unterschiedlichen Regionen des Säuger-Cortex wird das Signal einerseits interpretiert
nach Qualität, Lokalisation und Intensität. Andererseits erfolgt eine emotionale
Bewertung, hauptsächlich durch die Signale von den C-Fasern. Im Stammhirn werden
schnelle Reflexantworten aktiviert. Diese Reaktionen finden auch noch statt, wenn
Personen ohne Funktion des Cortex sind. Schmerzempfindung als emotionales Erlebnis
dagegen scheint vom Bewusstsein abhängig zu sein.
Mechanorezeptoren und verschiedene Nozizeptor-Typen wurden in Fischen identifiziert,
allerdings unterscheiden sie sich in Zusammensetzung und Lokalisation je nach
Spezies. Hinsichtlich der Signalweiterleitung wurden nur Knochenfische näher
untersucht, während für Knorpelfische fast keine Daten vorliegen. In Knochenfischen
wird das Signal im Hirnstamm verarbeitet, und es existieren nur wenige C-Fasern.
Höhere Gehirnregionen, die mit dem Cortex der Säuger vergleichbar sind, wurden
bisher nicht identifiziert. Homologe Strukturen zum limbischen System, dem
emotionalen Zentrum im Säuger-Gehirn, sind auf Grundlage der Ähnlichkeit von
Neurotransmitter-Verteilungen und Feuerungsmustern von Neuronen möglicherweise
vorhanden. Allerdings scheinen diese mit anderen Gehirnregionen verknüpft zu sein als
beim Säuger.
Da Schmerzwahrnehmung in Säugern vom Bewusstsein abhängig ist, wird auch das
Bewusstsein bei Tieren wie Fischen immer wieder diskutiert. Einige Fische zeigen die
Fähigkeit zur räumlichen Orientierung und können individuelle Artgenossen erkennen.
Daher scheint ein primäres Bewusstsein vorhanden. Einige Spezies entwickeln bei
bestimmten Versuchsaufbauten ein Vermeidungsverhalten, andere nicht. Das
Vermeidungsverhalten ist abhängig vom Experiment und der untersuchten Spezies. Auf
diesen Ergebnissen beruht die Annahme, dass eine Art Selbst-Bewusstsein existieren
kann. Allerdings wurden die klassischen Verhaltenstests darauf bisher nicht erfolgreich
auf Fische übertragen.
L. Sneddon hat mittels Injektion von reizenden Substanzen in die Lippen von
Regenbogenforellen die Schmerzwahrnehmung untersucht. Während einige
Verhaltensparameter
unverändert
blieben,
wurden
teilweise
komplexe
Verhaltensmuster zusätzlich entwickelt wie das Schaukeln oder das Reiben der Lippen
15
International Zebrafish Medaka Course IZMC
an der Aquariumswand. Diese Verhaltensweisen konnte durch Gabe von Morphin vor
dem Stimulus reduziert werden. Das Ergebnis der Studie wird aber nicht von allen
Seiten als Nachweis für Schmerzen bei Fischen anerkannt, da die verabreichte
Morphindosis dabei 15-30x höher war als die letale Dosis bei Menschen und die
Verhaltensmuster nur selten bei den behandelten Tieren beobachtet werden konnten.
Zusammenfassend kann man sicherlich davon ausgehen, dass Nozizeption in Fischen
vorhanden ist und das Signal zum Hirnstamm weitergeleitet wird. Ob es nachfolgend
durch das Tier als „Schmerz“ interpretiert wird, ist unklar. Für jede Annahme gibt es
Hinweise und Ablehnungsgründe. Die Entwicklung eines Schmerzempfindens kann als
evolutionärer Vorteil verstanden werden, da es die Überlebenswahrscheinlichkeit eines
Tieres erhöht. Außerdem können sich funktionell ähnliche Systeme durchaus
morphologisch unterschiedlich entwickeln. Daher können wir ein Schmerzempfinden bei
Fischen nicht ausschließen.
Auf alle Fälle sollten Fische vorsichtig behandelt werden, da jeder Stress das
Experiment beeinflussen kann, unabhängig davon, ob das Tier Schmerz in gleichem
Maß wie der Mensch wahrnimmt. Daher sollten Versuche bestmöglich vorbereitet
werden und etwaige Schwierigkeiten vorhergesehen werden. Der Forscher sollte auf
solche Situationen vorbereitet sein. Wenn mitten im Experiment die Notwendigkeit eines
Instrumentes oder einer Substanz auffällt, sollten diese unmittelbar zur Verfügung
stehen. Das Ausmaß der Belastung des Tieres durch das Experiment sollte
berücksichtigt werden. Von der EU-Direktive werden 4 Kategorien an Belastung
angegeben und für jede Kategorie werden im Anhang VIII der Direktive Beispiele
genannt. Diese Beispiele stellen eine Grundlage für die Beurteilung der Belastung dar,
aber jedes Experiment muss kritisch hinterfragt werden in Bezug auf die gesamte
Belastung des Tieres. Die Kosten-Nutzen-Analyse der ethischen Bewertung zwischen
Belastung für das Tier und Nutzen durch das Ergebnis sollte sorgfältig geführt werden.
Wenn sich die Balance zwischen den beiden Kriterien hin zu einer stärkeren Bedeutung
der Belastung des Tieres verschiebt, ohne dass ein akzeptabler Erkenntnisgewinn
dadurch erreicht wird, sollte das Experiment beendet werden. Dieses Vorgehen wird
durch das Prinzip der „humanen Endpunkte“ beschrieben. Grundsätzlich gilt die
Aussage: „So früh wie möglich (die Belastung des Tieres stoppen), so spät wie nötig
(um den Erkenntnisgewinn zu erlangen, der die Belastung des Tieres rechtfertigt).
Werden Experimente zu früh abgebrochen und dadurch der nötige Erkenntnisgewinn
nicht erreicht, werden mehr Tiere benötigt oder eine Belastung der Tiere ohne
nachfolgenden Nutzen. Die humanen Endpunkte müssen möglichst objektiv vor dem
Versuch definiert werden. Daher müssen auch die Parameter und wie sie beurteilt
werden, vorher festgelegt werden. Sogenannte Score Sheets können eine wertvolle
Hilfe darstellen, um die Bewertung so objektiv wie möglich durchzuführen und die
Behandlung der Tiere innerhalb des Versuchs zu vereinheitlichen.
In Fischen ist die Möglichkeit, Schmerzen, Leiden oder Schäden feststellen zu können,
begrenzt. Es ist schwierig zwischen Auswirkungen des Versuchs und „normaler“
Krankheit, welche zufällig gleichzeitig auftritt, zu unterscheiden. Es gibt
Verhaltensparameter wie Schwimmverhalten, aber auch physiologische Auffälligkeiten,
die aufzeigen können, dass ein Fisch nicht gesund ist. Obwohl dieser UrsacheWirkungs-Zusammenhang nicht immer klar ist, sollte Humanität immer Grundlage der
Handlung sein.
16
International Zebrafish Medaka Course IZMC
3.
Gesetzliche Regelung und die Bewilligungspraxis von Tierversuchen
(Almut Köhler)
3.1
Tierschutzrechtliche Regelung für tierexperimentelles Arbeiten in
Deutschland
3.1.1 Der rechtliche Rahmen
Am 9. November 2010 trat die Richtlinie 2010/63/EU 13 in Kraft, die von den Mitgliedern
der Europäischen Union in nationales Recht umzusetzen war. In Deutschland geschah
dies mit dem Dritten Gesetz zur Änderung des Tierschutzgesetzes (TierSchG) in der
Bekanntmachung vom 04.Juli 2013 (Drittes Gesetz zur Änderung des
Tierschutzgesetzes (TierSchG), BGBL I S. 2182 (Nr. 36)) 14 . Das Tierschutzgesetz
umfasst insgesamt zwölf Abschnitte: im § 4 (3) des Dritten Abschnittes wird die Tötung
von Tieren für wissenschaftliche Zwecke geregelt, die §§ 7 – 9 des fünften Abschnittes
befassen sich mit Tierversuchen und der § 10 des sechsten Abschnittes mit dem
Tierschutzbeauftragten (TierSchB).
Mit der „Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie 2010/63/EU des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 22. September 2010 zum Schutz der für
wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere“ 15 (Tierschutzversuchsverordnung)
wurden zudem die Rahmenbedingungen für die Anwendung des novellierten TierSchG
definiert. Die Verordnung regelt in 48 §§ in 4 Abschnitten nebst Unterabschnitten die
eigentliche Umsetzung des TierSchG.
Für die Meldung von Versuchstieren existiert darüber hinaus noch die VersuchstierMeldeverordnung (VersTierMeldV).
Aktuelle Versionen der relevanten Gesetzestexte findet man immer unter:
Gesetz
TierSchG
TierSchVersV
VersTierMeldV
Quelle
http://www.gesetze-im-internet.de/tierschg/
http://www.gesetze-im-internet.de/tierschversv/index.html
http://www.gesetze-im-internet.de/verstiermeldv_2013/index.html
In der Folge sind die wichtigsten tierschutzrechtlichen Vorschriften und die
Antragsformulare für den Kreis Karlsruhe aufgeführt, die für das Halten, die Zucht und
das Arbeiten mit Tieren zu wissenschaftlichen Zwecken zu berücksichtigen sind. Es ist
aber davon auszugehen, dass es in den kommenden Monaten noch zu Änderungen in
der Anwendung des neuen Tierschutzrechtes kommen wird.
13
DIRECTIVE 2010/63/EU OF THE EUROPEAN PARLIAMENT AND OF THE COUNCIL of 22 September 2010 on
the protection of animals used for scientific purposes (izmc.ezrc.kit.edu/documents/<DIR_2010-63-EU_en_de> )
14
Drittes Gesetz zur Änderung des Tierschutzgesetzes (TierSchG), BGBL I S. 2182 (Nr. 36)
(izmc.ezrc.kit.edu/documents/<Aenderung_TierSchG> )
15
Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie 2010/63/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.
September 2010 zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere
(izmc.ezrc.kit.edu/documents/<tierschutzversuchsvo> )
17
International Zebrafish Medaka Course IZMC
3.1.2 Pflichten der Einrichtung
Der Träger/Leiter einer Einrichtung, in der Wirbeltiere oder Kopffüßer gehalten werden,
die zur Verwendung in Tierversuchen bestimmt sind oder deren Gewebe oder Organe
dazu bestimmt sind, zu wissenschaftlichen Zwecken verwendet zu werden, hat die
Einhaltung der im TierSchG und der TierSchVersV enthaltenen Vorschriften jederzeit
sicherzustellen. Ein Versuchstier-erfahrener Tierarzt sollte bei Bedarf verfügbar sein.
Derartige Einrichtungen sind verpflichtet, vor Aufnahme der Tätigkeit einen oder
mehrere Tierschutzbeauftrage (TierSchB) zu bestellen und die Bestellung der
zuständigen Behörde anzuzeigen. Die Voraussetzungen für die Bestellung wie auch die
Tätigkeit der TierSchB sind im § 5 TierSchVersV beschrieben. Die Einrichtung ist
zudem verpflichtet, einen Tierschutzausschuss einzurichten, dessen Zusammensetzung
und Aufgaben im § 6 TierSchVersV definiert sind.
3.1.3 Verwaltungsverfahren
In Deutschland wird die Erlaubnis für die Verwendung von Tieren im Rahmen von
unterschiedlichen Verwaltungsverfahren erteilt. Abhängig vom primären Zweck der
Verwendung der Tiere, muss demnach ein Vorhaben einer der folgenden 3 Kategorien
zugeordnet und entsprechend beantragt und genehmigt werden (siehe auch Tabelle 1):
1. Genehmigungspflichtige Versuchsvorhaben („Antrag auf Genehmigung eines
Versuchsvorhabens an Tieren“)
2. Anzeigepflichtige Versuchsvorhaben („Anzeige von Eingriffen und Behandlungen
an Tieren“)
3. Tötung zu wissenschaftlichen Zwecken (interne Anmeldung der Tötung)
3.1.4 Genehmigungspflichtige Versuchsvorhaben
Wer plant, lebende Tiere für eine wissenschaftliche Fragestellung einzusetzen, sollte
sich frühzeitig mit dem für ihn zuständigen TierSchB in Verbindung setzen. Dabei sollte
das geplante Versuchsvorhaben besprochen und geprüft werden, ob die
Voraussetzungen für seine Durchführung in der betreffenden Einrichtung gegeben sind.
Im Anschluss daran sollte der Antragsteller seine Versuchsplanung mit einem fachlich
versierten Biometriker durchgehen, um sich von diesem, insbesondere hinsichtlich der
Gruppengrößen und die für die Testung der Ergebnisse einzusetzenden statistischen
Verfahren, Rat einzuholen. Wenn möglich, sollte dem Antrag für die Weiterleitung an
die Behörde ein kurzes Fachgutachten des Biometrikers beigefügt werden. Der Antrag
sollte noch im Entwurfsstadium zur Prüfung an den TierSchB gegeben werden, so dass
dieser den Antragsteller bei Bedarf entsprechend beraten kann. Dem fertigen Antrag
müssen schließlich folgende Dokumente beigegeben werden:
•
•
eine Stellungnahme des TierSchB;
eine nichttechnische Projektzusammenfassung (NTP);
•
eine Liste der Literaturzitate;
•
ggf. Datenblätter für genetisch veränderte Tiere;
18
International Zebrafish Medaka Course IZMC
•
das “Formblatt Angaben zur biometrischen Planung” oder das Gutachten eines
Statistikers;
•
die ausgefüllten Personenbögen der im Versuch mitarbeitenden Personen;
•
ein Verzeichnis der im Antrag verwendeten Abkürzungen.
Es ist sicherzustellen, dass der Antrag mit sämtlichen Anlagen in sechsfacher
Ausfertigung an die Behörde geht.
Tabelle 1: Kategorisierung von Verfahren (Verwendung der Tiere) nach primärem Zweck und Verwaltungsverfahren
19
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Die Genehmigungsbehörde ist verpflichtet, dem Antragsteller binnen 40 Arbeitstagen ab
vollständigem Eingang der Antragsunterlagen ihre Entscheidung über den Antrag
mitzuteilen. Unter Nennung triftiger Gründe kann diese Frist jedoch um bis zu 15
Arbeitstage verlängert werden. Die Genehmigungsdauer für ein tierexperimentelles
Versuchsvorhaben beträgt maximal 5 Jahre. Verlängerungen darüber hinaus sind nicht
möglich.
3.1.5 Leiter, Stellvertreter
Wer
als
Leiter
oder
Stellvertretender
Leiter
eines
tierexperimentellen
Versuchsvorhabens fungieren möchte, muss ein abgeschlossenes Hochschulstudium
der Veterinärmedizin, der Medizin, der Zahnmedizin, oder der Naturwissenschaften
vorweisen können. Er muss über die entsprechenden tierexperimentellen
Fachkenntnisse verfügen und für mindestens 3 Jahre in einem tierexperimentellen
Versuchsvorhaben mitgearbeitet haben. Alternativ können die Fachkenntnisse bzw. die
dreijährige
Erfahrung
durch
die
erfolgreiche
Teilnahme
an
einem
versuchstierkundlichen Kurs gemäß FELASA C (80 h) erworben werden.
3.1.6 Mitarbeiter
Alle Mitarbeiter eines geplanten Versuchsvorhabens müssen im Antrag und unter
Vorlage der Personenbögen namentlich benannt werden, ihre Fachkenntnisse, falls
vorhanden, müssen nachgewiesen werden.
Mitarbeiter mit einem unter 3.1.4 genannten Hochschulabschluss und den notwendigen
tierexperimentellen Fachkenntnissen können im Rahmen eines Versuchsvorhabens
grundsätzlich selbstständig arbeiten.
Mitarbeiter ohne Hochschulabschluss bedürfen für selbstständiges Arbeiten einer
Ausnahmegenehmigung, für deren Beantragung u.a. die Fachkenntnisse belegt werden
müssen. Die Ausnahmegenehmigung wird für die Anwendung bestimmter
tierexperimenteller Techniken erteilt und ist nicht auf ein aktuelles Versuchsvorhaben
beschränkt. Beim Wechsel der Einrichtung wird die Ausnahmegenehmigung jedoch
unwirksam.
Personen ohne Hochschulabschluss, bei denen das Arbeiten mit Versuchstieren
Bestandteil ihrer Ausbildung war, wie z.B. bei Biologielaboranten und VMTAs, dürfen
ohne Ausnahmegenehmigung selbstständig arbeiten.
Mitarbeiter ohne Hochschulabschluss oder Ausnahmegenehmigung, die über keinen
der vorgenannten Abschlüsse verfügen, dürfen grundsätzlich nur unter Aufsicht
arbeiten, d.h., dass eine entsprechend erfahrene Person tatsächlich unmittelbar
zugegen sein und die Aufsicht führen muss. Für das Arbeiten unter Aufsicht muss im
Genehmigungsantrag unter Punkt 1.2.1 zusätzlich zur Angabe des Versuchszweckes
die Option „Aus-, Fort- und Weiterbildung“ angekreuzt werden. Das Arbeiten an Tieren
„unter Aufsicht“ ist innerhalb
eines „normalen“ genehmigungspflichtigen
Versuchsvorhabens allerdings nur möglich, soweit es sich um kleinere Eingriffe wie z.B.
Blutentnahmen o.ä. handelt. Sollen schwierigere, also belastendere Eingriffe erlernt
werden und/oder werden zusätzliche Tiere für die Einarbeitung benötigt, ist eine
separate Anzeige zur Aus-, Fort- und Weiterbildung erforderlich.
20
International Zebrafish Medaka Course IZMC
3.1.7 Anzeigepflichtige Versuchsvorhaben
In § 8a (3a) TierSchG sind die verschiedenen Rechtsgrundlagen aufgeführt, gemäß
derer ein Versuchsvorhaben mit Wirbeltieren oder Kopffüßern von der Behörde als
Anzeige behandelt werden kann. Zutreffendes ist unter Punkt 1.1.4 des
Antragsformulares anzukreuzen. Zum Beispiel die Gewinnung von Antikörpern durch
Immunisierung von Versuchstieren ist auch nach dem neuen Tierschutzrecht nur
anzeigepflichtig, sofern die gewonnenen Antikörper nicht in einem weiteren Tierversuch
eingesetzt werden, sondern ausschließlich labormäßig weiter verarbeitet werden.
Das für die Anzeige zu verwendende Formular ist identisch mit dem Formular für einen
Genehmigungsantrag. Der Anzeige muss allerdings keine nichttechnische
Projektzusammenfassung (NTP) sowie ggf. kein biometrisches Gutachten beigefügt
werden, sie muss auch nicht der § 15 Kommission vorgelegt werden.
Versuchsvorhaben, die für die betroffenen Tiere mit erheblichen Belastungen
verbunden sind, können grundsätzlich nicht als Anzeige behandelt werden, sie
unterliegen der Genehmigungspflicht.
Der Eingang der Anzeige muss von der Genehmigungsbehörde bestätigt werden,
sobald ihr alle erforderlichen Unterlagen vorliegen. Nach 20 Arbeitstagen ab Eingang
der vollständigen Anzeige bei der Behörde kann das Versuchsvorhaben begonnen
werden, auch wenn die Behörde bis dahin noch keine Freigabe übermittelt hat. Die
maximal mögliche Laufzeit eines anzeigepflichtigen Vorhabens beträgt 5 Jahre.
Verlängerungen darüber hinaus sind nicht möglich.
Die Bestimmungen des neuen Tierschutzrechtes gelten nicht für Versuchsvorhaben, die
vor dem Inkrafttreten des novellierten TierSchG angezeigt oder genehmigt worden sind.
Ausnahme: bei der Nachmeldung neuer Mitarbeiter für solche „Altvorhaben“ müssen
bereits heute die neu eingeführten Personenbögen verwendet werden. Ab dem
01.01.2018 wird ausschließlich und ohne Einschränkung das neue Tierschutzrecht in
Deutschland gelten.
3.1.8 Töten von Tieren zu wissenschaftlichen Zwecken
Wie bisher schon bedürfen Tötungen von Wirbeltieren für wissenschaftliche Zwecke
(ohne jegliche Vorbehandlung!) nur der sog. Internen Tötungsanmeldung. Die meisten
Einrichtungen verfügen hierfür über ein eigenes Formular das vom Antragsteller
auszufüllen und an den zuständigen TierSchB zu leiten ist. Dieser hat die
Tötungsanmeldung zu prüfen und sicher zu stellen, dass das einzusetzende
Tötungsverfahren mit der Anlage 2 der TierSchVersV vereinbar ist, dass die
ausführenden Personen über die entsprechende Sachkunde gemäß Anlage 1,
Abschnitt 2 verfügen und das die sonstigen Voraussetzungen für das Vorhaben
gegeben sind. Bedauerlicherweise sind die in Anlage 2 der TierSchVersV aufgeführten
Tötungsverfahren nicht wirklich umfassend dargestellt. So fehlt dort z.B. die Anwendung
der Hypothermie bei Zebrafischen und ihren Larven. Dessen ungeachtet wird die
Anwendung dieses Verfahrens vom Regierungspräsidium Karlsruhe akzeptiert.
3.1.9 Genehmigungsvorbehalt für belastete genetisch veränderte Zuchten
Die Erlaubnis für die Haltung und Zucht von Versuchstieren wird von der
Genehmigungsbehörde gemäß § 11 TierSchG einer Einrichtung grundsätzlich erteilt.
21
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Nach dem neuen Tierschutzrecht unterliegt jedoch die Haltung und Zucht genetisch
veränderter Tierlinien einer zusätzlichen Genehmigungspflicht, wenn die Individuen
dieser Linien aufgrund ihrer genetischen Veränderungen u.U. Schmerzen, Leiden oder
Schäden erfahren können. Diese gesonderte Genehmigungspflicht gilt für alle durch
embryonale Manipulation (Transgenese, homologe Rekombination, Enzym-mediierte
Mutation, Transduktion usw.) oder durch Bestrahlung oder die Behandlung mit
mutagenen Substanzen neu generierten genetisch veränderten Linien. Sie gilt ferner
bei der Erzeugung neuer Linien durch Kreuzung von zwei nicht belasteten Linien, die
noch nicht ausreichend charakterisiert sind, für Spontanmutationen, die gezielt weiter
gezüchtet werden sollen und bei denen Belastungen erwartet werden. Die Haltung und
Zucht von Linien, die aufgrund einer genetischen Veränderung belastende Tumoren
entwickeln, unterliegen grundsätzlich der Genehmigungspflicht; also auch dann, wenn
die Tumoren erst ab einem bestimmten Alter auftreten.
Einrichtungen, die bisher schon genetisch veränderte Tiere halten, sind verpflichtet, alle
bereits vorhandenen Linien im Hinblick auf ihre potentielle oder tatsächliche Belastung
zu charakterisieren und – wo nötig – bei der Behörde die entsprechenden
Genehmigungen für die weitere Haltung und Zucht einzuholen.
3.1.10 Verwendung von Larven
Gemäß § 14 TierSchVersV gelten die Vorschriften der §§ 7 bis 9 sowie die §§ 15 bis 43
TierSchG, einschließlich der Genehmigungs- bzw. Anzeigepflicht, auch für die
Durchführung von Tierversuchen, bei denen Larven von Wirbeltieren verwendet
werden, soweit diese in der Lage sind, selbstständig Nahrung aufzunehmen. Diese
Pflicht gilt auch bei der Verwendung von Föten von Säugetieren ab dem letzten Drittel
ihrer normalen Entwicklung. Zebrafischlarven bis einschließlich Tag 5 unterliegen
demzufolge nicht diesen Vorschriften.
3.1.11 Aufzeichnungspflicht
Gemäß § 9 (5) TierSchG sind über Tierversuche Aufzeichnungen zu machen, in denen
u.a. der Zweck des Versuchsvorhabens, die Art und Zahl der verwendeten Tiere, die Art
und Durchführung des Versuchsvorhabens sowie die Namen der am Versuch
beteiligten Personen enthalten sind. Die Aufzeichnungen können auf einem speziellen
Formblatt vorgenommen werden oder aber in Laborbüchern, wenn diese entsprechend
strukturiert und geführt sind. Leiter und stellvertretende Versuchsleiter sind verpflichtet,
die Einhaltung der Aufzeichnungspflicht sicherzustellen.
Die Meldung kann durch die Behörde oder den zuständigen TierSchB kontrolliert
werden. Zusätzlich sollten auch alle Daten für das Projekt dem Tierhausleiter gemeldet
werden, um die richtige Behandlung und die ordnungsgemäße Kontrolle des
Wohlbefindens sicherzustellen. Falls ein Mitarbeiter eine Belastung des Tieres feststellt,
die eine Tötung oder Behandlung des Tieres oder seine Entfernung aus dem Versuch
notwendig macht, sollte die verantwortliche Person informiert werden und
entsprechende Aufzeichnungen sollten darüber gemacht werden. Die Kriterien über
diese Entscheidung sollten im Vorfeld des Versuchs festgelegt werden (s. Prinzip der
„humanen Endpunkte“ in der Vorlesung „Schmerzen, Leiden, Schäden bei Fischen“)
22
International Zebrafish Medaka Course IZMC
3.1.12 Jährliche Versuchstiermeldung
Gemäß der Versuchstiermeldeverordnung (VersTierMeldV) ist der Leiter eines
Versuchsvorhabens verpflichtet, kalenderjährlich folgende Angaben zu machen:
Tierspezies, Tierschutzrechtliche Zuordnung des Verfahrens, Angabe der Zahl der
erstmals im Versuch verwendeten Tiere, Anteil transgener Tiere, Angabe der Zahl der
erneut verwendeten Tiere, Bezugsquelle der Tiere, Angaben zum Verwendungs-zweck
und der Zusammenhang mit bestimmten Erkrankungen.
Üblicherweise werden diese Angaben in einer Einrichtung zum jeweiligen Jahres-ende
zentral erfasst und dann an die Behörde weitergegeben.
3.1.13 Nationaler Tierschutz-Ausschuss
Neben dem Tierschutz-Ausschuss der jeweiligen Einrichtung wurde im September 2015
ein nationaler Ausschuss (www.bf3r.de) nach Art 49 der EU-Direktive 2010/63/EU und §
15a TierSchG ins Leben gerufen. Dieser Ausschuss berät die lokalen Behörden und die
Tierschutz-Ausschüsse der Einrichtungen bezüglich Beschaffung, Zucht, Haltung und
Pflege von Vertebraten und Kopffüßern oder zu deren Verwendung zu
wissenschaftlichen Zwecken. Der nationale Ausschuss erleichtert den Wissenstransfer
über moderne Versuchstier-Forschung zwischen den Einrichtungen und den nationalen
Ausschüssen der anderen EU-Mitgliedsstaaten.
3.1.14 Direktive 2010/63/EU
Einleitung
Die Direktive 2010/63/EU des Europäischen Rates zum Schutz von Tieren, die für
wissenschaftliche Zwecke eingesetzt werden, ersetzt die alte Direktive 86/609/EEC16,
welche rechtliche Voraussetzungen geschaffen hatte, die nationalen Rechtsgrundlagen
zum Tierschutz bei Versuchstieren in der EU zu harmonisieren. Die Direktive
86/609/EEC bestand aus 27 Artikeln plus Anhang und definierte die Benutzung von
Tieren auf 7 Seiten in einer sehr allgemeingültigen Form. Sie trat am 24. November
1986 in Kraft. Interessanterweise wurden im Jahr 2007 die „Empfehlungen der (jetzt)
EU-Kommission für die Haltung und Pflege von Versuchstieren“ zu Anhang A
(2007/526/EC) der Direktive 86/609/EEC.
Die Direktive 2010/63/EU wurde am 22. September 2010 angenommen und trat am 1.
Januar 2013 in Kraft. Die Direktive basiert auf dem 3R Prinzip, um Tierversuche zu
ersetzen, zu reduzieren oder zu verfeinern. Die Zielsetzung ist jetzt weiter gefasst und
schließt auch Säuger-Feten im letzten Drittel der Trächtigkeit und Kopffüßer ein. Sie
beinhaltet die minimalen Standards für Haltung und Pflege, regelt die Verwendung von
Tieren mittels einer systematischen Projekt-Evaluierung unter Berücksichtigung von
Schmerzen, Leiden oder Schäden für die Tiere. Sie ordnet regelmäßige Risikobezogenen Begehungen an und erhöht die Transparenz durch Maßnahmen wie die
Veröffentlichung von nicht-technischen Projektzusammen-fassungen (NTP) und
retrospektive Beurteilungen. Die Entwicklung, Validierung und Anwendung von
EEC = Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, gegründet 1957 durch Belgien, Frankreich, Italien,
Luxemburg, Niederlande, West-Deutschland als regionale Organisation zur wirtschaftlichen Integration
einschließlich eines gemeinsamen Marktes und einer Handelsunion.
16
23
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Alternativmethoden wird durch die Einrichtung eines EU-Referenz-Labors für die
Validierung von Alternativmethoden gefördert, welches von nationalen Laboren
unterstützt wird. Die Mitgliedsstaaten müssen auf nationaler Ebene Alternativmethoden
fördern.
Die Direktive 2010/63/EU hat 47 Seiten und ist in 24 Sprachen veröffentlicht, von
Bulgarisch bis Schwedisch unter.
<http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX:32010L0063>
Die Direktive beginnt mit 56 einleitenden Punkten und besteht aus 66 Artikeln in 6
Kapiteln. Gemäß Artikel 61 der Direktive mussten die Mitgliedsstaaten die Direktive in
ihre nationale Gesetzgebung implementieren und Gesetze, Verordnungen und
Verwaltungsrichtlinien bis zum 10. November 2012 anpassen. Diese Maßnahmen
mussten der EU-Kommission berichtet werden. Die nationalen Gesetzgeber
entwickelten daher sogenannte „National Implementing Measures“ (NIM), die die
Verwendung von Tieren zu wissenschaftlichen Zwecken regeln. In einigen
Mitgliedsstaaten wie Italien, Österreich, Portugal und Großbritannien resultierte die
Implementierung nur in 1 NIM, während in Litauen 10 und in Schweden 20 NIM
notwendig waren.
Ziel der Direktive
Das hauptsächliche Ziel ist es, Maßnahmen zum Schutz von Versuchstieren
festzulegen, besonders in der Grundlagen- und der angewandten Forschung, für die
Produktion von medizinischen Produkten und auch für Tiere zu Lehrzwecken. Die
Direktive schließt alle nicht-menschlichen Vertebraten sowie auch einige Invertebraten,
die wahrscheinlich Schmerz empfinden können (Tintenfische, Kraken), ein Die
Verwendung von nicht-menschlichen Primaten ist stark limitiert und die Verwendung
von Menschenaffen (Schimpansen, Bonobos, Gorillas, Orang-Utans) ist verboten.
Erlaubte Zwecke für Tierversuche:
•
•
•
•
•
•
•
Grundlagenforschung
Translationale und angewandte Forschung zum Schutz, zur Verhinderung, Diagnose
oder Behandlung von menschlichen oder tierischen Erkrankungen
Entwicklung, Herstellung oder Prüfung der Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit von
Substanzen, Nahrungsmittels oder Futter für einen der oben genannten Gründe
Schutz der Umwelt im Interesse der menschlichen oder tierischen Gesundheit
Forschung zur Arterhaltung
Aus-, Fort- und Weiterbildung
Forensische Untersuchungen
Evaluierung von Projekten mit Tierversuchen
Die Verwendung von Tieren zu wissenschaftlichen Zwecken darf nur genehmigt
werden, wenn keine zufriedenstellende Ersatzmethode existiert. Projekte mit
Tierversuche müssen durch die zuständige Behörde überprüft werden, ob sie den
gültigen rechtlichen Vorgaben entsprechen. Ist das gegeben, erteilt die Behörde die
Erlaubnis.
24
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Die Überprüfung basiert auf einem schriftlichen Antrag, der darlegt dass die
Verwendung von Tieren gerechtfertigt ist und die erwarteten Vorteile gegen den
Schaden für das Tier abwägt. Die Anzahl der in einem Projekt verwendeten Tiere muss
so weit wie möglich minimiert werden, ohne die Ziele des Projektes zu gefährden. Die
Haltungsbedingungen und angewendeten Methoden müssen unnötige Schmerzen,
Leiden oder Schäden für das Tier reduzieren. Experimente dürfen nicht begonnen
werden, bevor der Antragsteller die Genehmigung durch die Behörde erhalten hat.
Tierschutz
Die Direktive enthält darüber hinaus Betrachtungen zum Tierschutz: Tiere, die zu
wissenschaftlichen Zwecken verwendet werden, müssen angemessene Pflege und
Behandlung erfahren. Alle Personen, die mit den Tieren in Kontakt kommen, müssen
entsprechend durch einen Betreuer ausgebildet sein. Tiere müssen in Käfigen
ausreichender Größe in einer artgerechten Umgebung gehalten werden. Environmental
Enrichment sollte eingesetzt werden, um physische Aktivitäten, Bewegung,
Explorationsverhalten und kognitive Aktivitäten zu stimulieren. Anhang III der Direktive
gibt detaillierte Informationen über Käfiggrößen, Besatzdichten und andere
Haltungsparameter für eine große Anzahl an Arten. Sogar Zebrafinken werden dort
erwähnt, aber nicht Zebrabärblinge oder Medakas.
Tötungsmethoden für Versuchstiere müssen Schmerzen, Leiden oder Schäden für die
Tiere limitieren – gemäß der Direktive. Tiere dürfen nur von Personen mit der
notwendigen Sachkunde getötet werden. Tabelle 3 des Anhangs IV der Direktive listet
die folgenden Tötungsmethoden als akzeptabel für Fische auf: Überdosis eines
Betäubungsmittels, Gehirnerschütterung, Betäubungsschlag, elektrische Betäubung.
Die Überdosis eines Betäubungsmittels würde die MS-222-Priozedur einschließen, aber
die anderen Methoden sind nicht für die Tötung von Zebrabärblingen oder Medakas
geeignet. Hypothermie wird nicht erwähnt.
Prozeduren
Gemäß Direktive sind nur solche Verfahren statthaft, die im Rahmen eines Projektes
genehmigt wurden. Diese Prozeduren werden nach ihrem Schweregrad gemäß Anhang
VIII der Direktive eingestuft. Sie reichen von Nicht-Wiederherstellung der
Lebensfunktionen über gering und mittelgradig bis schwer. Prozeduren müssen unter
Betäubung, Analgesie oder anderen geeigneten Maßnahmen stattfinden. Es gibt
Ausnahmen, wenn eine Betäubung als belastender angesehen wird als die Prozedur
selbst oder falls sie nicht anwendbar ist. Prozeduren sollen zum Tod möglichst weniger
Tiere führen und Dauer und Grad des Leidens müssen minimiert werden. Das Leben
des Tieres muss so gut es geht geschützt werden. Die Wiederverwendung von Tieren
ist eine Möglichkeit, die Anzahl von Versuchstieren zu reduzieren. Allerdings sollten vor
der Wiederverwendung die Schwere der summierten Belastungen, die Gesundheit des
Tieres und die Meinung eines Tierarztes berücksichtigt werden. Überlebende Tiere
sollten angemessene Pflege und Unterbringung gemäß Anhang III erfahren.
Genehmigung
Züchter, Verkäufer und Benutzer sowie ihre Einrichtungen bedürfen der Genehmigung
durch die zuständige Behörde und müssen bei ihr registriert werden. Genehmigte
Einrichtungen müssen gemäß den gehaltenen Tierarten und den experimentellen
Verfahren (sofern sie dort angewendet werden) eingerichtet sein. Einrichtungen müssen
25
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Buch führen, in dem alle Informationen zu den Tieren, ihre Herkunft und ihr Zweck
vermerkt werden. Die Aufzeichnungen sind 5 Jahre aufzubewahren und müssen der
Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Alle Hunde, Katzen und nichtmenschlichen Primaten müssen individuell markiert sein und es muss zu jedem
Individuum ein protokollarischer Lebenslauf geführt werden. Dieser Lebenslauf muss
relevante Daten enthalten über Reproduktion, medizinische Behandlungen und
Sozialverhalten des einzelnen Tieres und über die Projekte, in denen es eingesetzt
wird.
Begehungen
Zuständige Behörden müssen regelmäßige Kontrollbegehungen aller Züchter,
Verkäufer und Halter sowie ihrer Einrichtungen durchführen, um die Einhaltung der
Vorschriften der Direktive zu kontrollieren. Die Häufigkeit der Begehungen ist abhängig
vom individuellen Risiko der Einrichtung. Mindestens 1/3 der Einrichtungen muss
jährlich begangen werden. Ein entsprechender Anteil der Begehungen hat
unangekündigt zu erfolgen. Züchter, Verkäufer und Halter von nicht-menschlichen
Primaten müssen jährlich kontrolliert werden.
Schlussbemerkungen
Die Direktive 2010/63/EU ersetzt die Direktive 86/609/EEC und steht im Kontext mit der
EU-Politik, Tierversuche soweit wie möglich zu limitieren und zu eliminieren, wenn sie
nicht unbedingt nötig sind. Tierversuche für die Herstellung von Kosmetik, die nicht in
dieser Direktive erfasst werden, sind daher seit 2009 vollständig verboten (Verordnung
(EC) Nr. 1223/2009).
26
International Zebrafish Medaka Course IZMC
3.2
Rechtliche Aspekte zum Versand von Fischen, Fischeiern und SpermaProben, die für wissenschaftliche Untersuchungen bestimmt sind
(Jana Maier, Robert Geisler)
Der Versand von Fischen, Eiern und Sperma von Fischen mit einem gewerblichen
Transportunternehmen unterliegt einer Reihe von Vorschriften und Gesetzen. Ziel ist
die Vermeidung und Eingrenzung von übertragbaren Krankheiten, der Schutz lebender
Tiere beim Transport und die Vermeidung einer ungewollten Freisetzung gentechnisch
veränderter Organismen in die Natur. Die Grundlagen werden durch die folgenden EURichtlinien und Verordnungen zur Durchführung der Richtlinien sowie entsprechende
nationale Gesetze gelegt:
Tierseuchenschutz:
- Richtlinie 2006/88/EG des Rates vom 24. Oktober 2006 mit Gesundheits- und
Hygienevorschriften für Tiere in Aquakultur und Aquakulturerzeugnisse und
zur Verhütung und Bekämpfung bestimmter Wassertierkrankheiten 17
- Verordnung (EG) Nr. 1251/2008 der Kommission vom 12. Dezember 2008 zur
Durchführung der Richtlinie 2006/88/EG des Rates hinsichtlich der Bedingungen
und Bescheinigungsvorschriften für das Inverkehrbringen und die Einfuhr in die
Gemeinschaft von Tieren in Aquakultur und Aquakulturerzeugnissen sowie zur
Festlegung einer Liste von Überträgerarten 18
- Binnenmarkt-Tierseuchenschutzverordnung – BmTierSSchV – Verordnung über
das innergemeinschaftliche Verbringen sowie die Einfuhr und Durchfuhr von
Tieren und Waren 19
Biologische Sicherheit:
- Verordnung (EG) Nr. 1946/2003 des europäischen Parlaments und des Rates
vom 15. Juli 2013 über grenzüberschreitende Verbringungen von genetisch
veränderten Organismen 20
- Richtlinie 2001/18/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 12.
März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen
in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates 21
Tierschutz:
- Verordnung (EG) Nr. 1/2005 des Rates vom 22. Dezember 2004 über den
Schutz von Tieren beim Transport und damit zusammenhängenden Vorgängen 22
- Tierschutztransportverordnung – TSchTrV – Verordnung zum Schutz von Tieren
beim Transport 23
- Richtlinie 2010/63/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 22.
September 2010 zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten
Tiere 24
- IATA Richtlinien für den Transport von lebenden Tieren (IATA-LAR) 25
17
izmc.ezrc.kit.edu/documents/<DIR_206-88-EC_en_de>
izmc.ezrc.kit.edu/documents/<COM_REG_1251-2008_en_de>
19
izmc.ezrc.kit.edu/documents/<tierseuchschbmvo_de>
20
izmc.ezrc.kit.edu/documents/<REG_1946-2003_en_de>
21
izmc.ezrc.kit.edu/documents/<freisetzungGVO_DIR_2001-18-EG_en_de>
22
izmc.ezrc.kit.edu/documents/<COUNC_REG_1-2005_en_de>
23
izmc.ezrc.kit.edu/documents/<tierschtrvo>
24
izmc.ezrc.kit.edu/documents/<DIR_2010-63-EU_en_de > izmc.ezrc.kit.edu/documents/<DIR_2010-63-EU_en_de>
25
https://www.iata.org/publications/Pages/live-animals.aspx
18
27
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Beförderung gefährlicher Güter:
- Das Europäische Übereinkommen über die internationale Beförderung
gefährlicher Güter auf der Straße (ADR) 26
- Ordnung für internationale Eisenbahnbeförderung gefährlicher Güter (RID) 27
- IATA Gefahrgutvorschriften (IATA-DGR) 28
Obwohl der Sendungsinhalt und Verwendungszweck für Sperma-Proben, Fischeier
oder Fischen im hier beschriebenen Fall derselbe ist (ungefährliche, nicht-infektiöse
biologische Proben für wissenschaftliche Zwecke) können sich unterschiedliche
Anforderungen für die notwendigen Transportpapiere ergeben, je nachdem was zu
versenden ist und je nach Ursprungs- und Bestimmungsland. Diese Anforderungen
sollen hier für die Einfuhr in EU-Mitgliedstaaten und die Verbringung innerhalb der EU
kurz vorgestellt werden.
EINFUHR: Die Richtlinie 2006/88/EG behandelt die Gesundheits- und
Hygienevorschriften für das Inverkehrbringen von Tieren in Aquakultur und ihren
Erzeugnissen sowie für ihre Einfuhr und ihre Durchfuhr durch die Staaten der
Europäischen Union. Gemäß der Richtlinie bezeichnet der Begriff “Tier in Aquakultur”
jedes Wassertier, einschließlich Wassertieren zu Zierzwecken, in allen Lebensstadien,
einschließlich der Eier und des Samens. Die RL 2006/88/EG, sowie die VO Nr.
1251/2008 und die BmTerSSchV sehen vor, dass die Einfuhr von Fischen, Fischeiern
und Sperma in ein EU-Mitgliedstaat und die Verbringung innerhalb der EU von der
Vorlage einer Tiergesundheitsbescheinigung abhängig gemacht wird.
Das hat zur Folge, dass jede Sendung aus einem Land außerhalb der EU von einem
Gesundheitszeugnis nach VO Nr. 1251/2008 bzw. Nr. 1012/2012, Annex IV B begleitet
werden muss (“Muster der Tiergesundheitsbescheinigung für die Einfuhr von
Wassertieren zu Zierzwecken, die für geschlossene Einrichtungen für Ziertiere bestimmt
sind, in die Europäische Union” 29 ). Dieses Zeugnis muss vom entsprechenden
amtlichen Inspektor unterschrieben sein und im Original bei der Grenzkontrollstelle
(bzw. beim zuständigen Veterinäramt) vorgelegt werden.
ALTERNATIVE: Alternativ, kann bei spezifisch-pathogenfreien bzw. für bestimmte
Krankheiten unempfänglichen Tieren und Waren auf das genannte Zeugnis verzichtet
werden,
und
der
Empfänger
besorgt
sich
eine
tierseuchenrechtliche
Einfuhrgenehmigung. In Deutschland ist diese beim für die Grenzkontrollstelle
zuständigen Ministerium zu beantragen. Für die Grenzkontrollstelle Köln/Bonn ist das
Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen zuständig,
das einen Antragsvordruck verwendet, der auszufüllen und per E-Mail ([email protected]) oder FAX (02361/305-59902) einzureichen ist. Dabei können
Einzelsendungen oder Jahresgenehmigungen beantragt werden. Werden mehrere
Sendungen aus unterschiedlichen Herkunftsorten beantragt, sollte die Liste mit der
Adresse der einzelnen Institute als Anlage dem Antrag beigefügt werden. Für die
Grenzkontrollstelle Flughafen Frankfurt a. M. ist das Hessische Ministerium für Umwelt,
Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zuständig. Hier ist der Antrag formlos
zu stellen und an [email protected] zu schicken, wobei der bzw. die
26
http://www.unece.org/trans/danger/publi/adr/adr2013/13contentse.html
http://www.cit-rail.org/en/rail-transport-law/cotif/
28
http://www.iata.org/publications/dgr/Pages/index.aspx
29
izmc.ezrc.kit.edu/documents/<REG_COM_1012-2012_en_de>
27
28
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Herkunftsorte, die Gesamtzahl der Fische, Fischeier bzw. Proben, die Tierspezies und
der gewünschte Genehmigungszeitraum anzugeben ist. Jeder Sendung muss dann die
in der Genehmigung geforderte Bescheinigung des amtlichen Tierarztes oder den
Bestand betreuenden Tierarztes beiliegen. Aus der Bescheinigung muss hervorgehen,
dass der Herkunftsbestand der Fische keinen Sperrmaßnahmen bzgl. Fischseuchen
unterliegt und dass die Fische keine Anzeichen einer auf Fische übertragbaren
Krankheit aufweisen. Wir empfehlen eine Bescheinigung nach Vorgaben des Aquatic
Animal Health Codes des Office of Epizootic diseases (OIE) 30 zu verwenden.
AUSFUHR: Sendungen in Länder außerhalb der Europäischen Union ist gleichfalls eine
Bescheinigung des amtlichen Tierarztes bzw. den Bestand betreuenden Tierarztes
beizulegen, des Weiteren eine Zollrechnung mit Nachweis für die wissenschaftliche
Nutzung 31 . Die Einfuhrgenehmigung muss vom Empfänger bei den zuständigen
nationalen Behörden beantragt werden.
VERSAND INNERHALB DER EU: Beim Versand spezifisch-pathogenfreier Fische,
Fischeier und Spermien innerhalb der Europäischen Union ist keine
Einfuhrgenehmigung und keine Zollrechnung erforderlich, allerdings ist es auch in
diesem Fall sinnvoll, eine Bescheinigung des betreuenden Tierarztes in das Paket zu
legen. Die beim Export in Länder außerhalb der EU sind die entsprechenden
Regelungen je nach Bestimmungsland unterschiedlich, und sind deshalb am besten
über das Transportunternehmen zu erfragen.
3.2.1 Zusätzliche Vorschriften beim Versand von Fischen (über 5 Tage post
fertilisation)
Kommen Fischeier nach Tag 5 post fertilisation beim Empfänger an oder werden Fische
älterer Entwicklungsstadien versendet, sind die Bestimmungen für den Lufttransport von
Tieren der IATA (International Air Transport Association) sowie der Richtlinie
2010/63/EU zum Schutz der für wissenschaftlich verwendeten Tiere zu beachten.
Demnach müssen diese Sendungen als Tiertransport deklariert und die relevanten
Anforderungen an Verpackung und Kennzeichnung müssen eingehalten werden. Die
Sendung muss zusätzlich zu dem oben genannten Zeugnis bzw. Bescheinigung und
Zollrechnung von folgenden Dokumenten begleitet werden:
•
•
•
•
30
31
Shipper’s Certificate for Live Animals (leeres Formular wird vom
Transportunternehmen bereit gestellt)
Transporterklärung
(erforderlich
bei
deutschen
Versendern
laut
Tierschutztransportverordnung; leeres Formular wird vom Transportunternehmen
bereitgestellt)
Luftfrachtbrief (wird vom Transportunternehmen ausgefüllt)
Tierschutzrechtliche Einfuhrgenehmigung (erforderlich bei der Einfuhr nach
Deutschland; für das KIT bzw. Landkreis Karlsruhe ist diese beim zuständigen
Amt für Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung formlos per E-Mail zu
beantragen ([email protected]))
http://www.oie.int/index.php?id=171&L=0&htmfile=chapitre_1.5.11.htm
izmc.ezrc.kit.edu/documents/<customsinvoice
29
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Wie beim Transport von Fischeiern und Sperma-Proben sind auch hier beim Export in
Länder außerhalb der EU die erforderlichen Transportdokumente je nach
Bestimmungsland unterschiedlich, und sind deshalb am besten über das
Transportunternehmen zu erfragen.
3.2.2 Zusätzliche Vorschriften beim Versand von Fischen, die als genetisch
veränderte Organismen einzustufen sind
Gentechnikrechtliche Bestimmungen: Im Sinne des deutschen Gentechnikgesetzes
(GenTG) 32, der EU Richtlinie 2001/18/EC33 und der Verordnung (EG) Nr. 1946/2003 34,
ist ein genetisch veränderter Organismus ein Organismus, mit Ausnahme des
Menschen, dessen genetisches Material in einer Weise verändert worden ist, wie sie
unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht
vorkommt (GenTG, §3, Absatz 3 bzw. RL 2001/18/EG Artikel 2 Nr. 2). Dazu zählen
Verfahren, bei denen in einen Organismus direkt Erbgut eingebracht wird, welches
außerhalb des Organismus hergestellt wurde und natürlicherweise nicht darin
vorkommt, einschließlich Mikroinjektion (GenTG §3, Absatz 3a bzw. RL 2001/18/EG
Anhang IA Teil I). Nicht als Verfahren der Veränderung genetischen Materials gilt die
Mutagenese, es sei denn, es werden gentechnisch veränderte Organismen als Spender
oder Empfänger verwendet (GenTG, §3, Absatz 3b bzw. RL 2001/18/EG Anhang IA Teil
2).
Im Sinn der oben genannten rechtlichen Bestimmungen ist die Abgabe oder
Bereitstellung von GVO für Dritte ein „Inverkehrbringen“ und bedarf einer Genehmigung
der zuständigen Behörde (für Deutschland: Bundesamt für Verbraucherschutz und
Lebensmittelsicherheit (BVL)” 35 ), es sei denn, die GVO sind für gentechnisches
Arbeiten an gentechnischen Anlagen bestimmt, da in so genannten „geschlossenen
Anlagen“ spezifische Einschließungsmaßnahmen angewendet werden, um den Kontakt
der GVO mit Menschen und Umwelt zu begrenzen und ein dem Gefährdungspotenzial
angemessenes Sicherheitsniveau zu gewährleisten (GenTG §3 Absatz 6 und GenTG
§14 Abs. 1a Nr.2 und RL 2001/18/EG Artikel 2 Nr 4). In diesem Fall sind die GVO mit
dem Hinweis „Dieses Produkt enthält genetisch veränderte Organismen“ zu
kennzeichnen, weitere Dokumente sind für die Weitergabe nicht erforderlich (GenTG
§17b Abs. 2). Der Versender von transgenen Fischen sollte sich im eigenen Interesse
beim Empfänger versichern, dass dieser über eine zugelassene gentechnische Anlage
der entsprechenden Sicherheitsstufe zur Haltung von GVO verfügt. Sind diese
Voraussetzungen nicht gegeben, würde es sich um ein nicht genehmigtes und damit
unerlaubtes Inverkehrbringen von GVO handeln, das als Ordnungswidrigkeit mit einer
Geldbuße bis zu 50.000 EURO geahndet werden kann (GenTG § 38 Abs. 1 Nr.7 und
Abs. 2).
32
Gentechnikgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2066), das durch
Artikel 4 Absatz 14 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154) geändert worden ist
(izmc.ezrc.kit.edu/documents/<GenTG>)
33
Directive 2001/18/EC of the European Parliament and of the Council of 12 March 2001 on the deliberate release
into the environment of genetically modified organisms and repealing Council Directive 90/220/EEC
(izmc.ezrc.kit.edu/documents/<freisetzungGVO_DIR_2001-18-EG_en_de>)
34
Regulation (EC) No 1946/2003 of the European Parliament and of the Council of 15 July 2003 on transboundary
movements of genetically modified organisms (izmc.ezrc.kit.edu/documents/<REG_1946-2003_en_de>)
35
The Federal Office of Consumer Protection and Food Safety (BVL)
(http://www.bvl.bund.de/DE/Home/homepage_node.html)
30
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Abb. 5: Rautensymbol UN 3245; Das Kennzeichen
muss die Form eines auf die Spitze gestellten
Quadrats (Raute) mit einer Mindestabmessung von
50 mm × 50 mm haben; die Linie muss mindestens 2
mm breit sein und die Buchstaben und Ziffern
müssen eine Zeichenhöhe von mindestens 6 mm
haben.
Gefahrgutrechtliche Bestimmungen:
Werden GMO transportiert, die nicht giftig und nicht infektiös sind, die aber in der Lage
sind, ihre genetischen Veränderungen an ihre Nachkommen weiterzugeben und beim
Entkommen in die Natur zu überleben, sind nach den Vorschriften des ADR/RID
(Straßen- und Schienenbeförderung) und IATA-DGR (Lufttransport) der Klasse 9 und
UN 3245 zuzuordnen und müssen entsprechend deklariert und verpackt werden.
Correct Shipping name: “GENETICALLY MODIFIED ORGANISMS”
Verpackung und Kennzeichnung der Verpackung: Transport Straße/Eisenbahn:
Dreifachverpackung mit Absorptionsmaterial gemäß ADR Verpackungsanweisung 904
ist erforderlich 36 (Abb. 4).
Lufttransport:
Dreifachverpackung
mit
Absorptionsmaterial
gemäß
IATA
Verpackungsvorschrift 959 ist erforderlich 37 (Abb.4).
Kennzeichnung: Die Außenverpackung muss mit dem Rautesymbol „UN 3245“ (Abb.5)
und Kennzeichnung des Versenders und des Empfängers (Name und Adresse) NEBEN
dem Rautesymbol versehen sein.
Sondervorschriften und Dokumente: GMO, die in Übereinstimmung mit den
Verpackungsvorschriften 904 bzw. 959 verpackt und markiert worden unterliegen
keinen weiteren ADR/RID und IATA-DGR Vorschriften. Eine „Shipper’s Declaration for
Dangerous Goods“ wird nicht benötigt.
Hinweise zum Versand von Sperma: Zum Versand von gefrorenen Sperma-Proben
eignen sich spezielle Sicherheits-Kryo-Behälter (Abb.6), die den Transport bei
Temperaturen zwischen -150 und -180°C erlauben (als cryogenic Dry Shipper
bezeichnet, da sie keinen Flüssigstickstoff enthalten).
36
37
izmc.ezrc.kit.edu/documents/<p904_en_de>
izmc.ezrc.kit.edu/documents/<p959_en_de>
31
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Abb. 6: Sicherheits-Kryo-Behälter für den Transport von Sperma-Proben, Quelle: CryoService Limited, UK
Sie können bei einem geeigneten Transportunternehmen, das den Versand übernimmt,
geliehen werden (z.B. World Courier, FedEx) oder vom Hersteller gekauft (z.B. Thermo
Scientific) und vom Transportunternehmen befördert werden (z.B. Biocare). Die
Kennzeichnungsvorschriften sind je nach Transportweg unterschiedlich und deshalb am
besten beim Transportunternehmen zu erfragen.
32
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Zebrafisch und Medaka als experimentelle Modelle 38
(Nicholas Foulkes)
Die
kleinen
Süßwasserfische
Zebrabärbling
(„Zebrafisch“, Danio rerio), (Abb.7) und Medaka
(Oryzias latipes) (Abb.8) werden in zunehmendem
Maße als Modellsysteme für die biomedizinische
Forschung benutzt. Sie bieten sequenzierte
Genome und ein großes Repertoire an genetischen
molekularen und zellulären Methoden. Eine
einzigartige Kombination von Eigenschaften (kleine
Körpergröße, zahlreiche Nachkommen, optische
Transparenz der Embryonen, Zugänglichkeit für
Abb. 7: Zebrabärbling, Weibchen
genetische und chemische Screens) hat diese
Wirbeltiermodelle unter den biomedizinischen Forschern populär gemacht. Der Vorteil
dieser Fischmodelle im Vergleich zu konventionellen Modellen wie z. B. Maus und Ratte
ist die Möglichkeit, im großen Maßstab phänotypische Screens durchzuführen und die
Funktion von Genen oder den Effekt kleiner Moleküle zu charakterisieren. Zusätzlich zu
den klassisch genetischen Ansätzen erlaubt ein weites Spektrum an Methoden von der
Transgenese bis zum gezielten Gen-Knockout, in diesen Tieren Genfunktionen im
Zusammenhang des ganzen Organismus zu untersuchen, häufig unter Einsatz nichtinvasiver Bildgebungsverfahren. Zebrabärblinge und Medaka können daher signifikant
dazu beitragen, die Herausforderung der modernen Biologie in Angriff zu nehmen,
Genfunktionen in einem globalen Maßstab zu verstehen. Ihr Wert als Modelle wird
weiterhin signifikant durch parallele Fortschritte in der Mikroskoptechnik gesteigert, die
es jetzt erlauben, ganze lebende Embryonen mit subzellulärer Auflösung zu analysieren
(Abb. 9, 10)
4.
Es ist auch klar geworden, dass das Potential
dieser Fischmodelle weit über das Gebiet der Zellund Entwicklungsbiologie hinausgeht und dass
ihre Nutzung zu Innovationen in nahezu allen
Bereichen der biomedizinischen Forschung führen
kann.
Das
wurde
von
Wissenschaftlern
und
Wissenschaftsförderern weltweit erkannt und
Abb. 8: Medaka, Southern Cab Stamm; oben:
beträchtliche
Abb. 9: Transgener Zebrabärbling, der ein
Weibchen; unten Männchen. Mit freundlicher
Transgen (shh:gfp) in retinalen Ganglionzellen
Genehmigung von Jochen Wittbrodt
finanzielle
exprimiert
Ressourcen
wurden
zur
Entwicklung
fischrelevanter
Technologien und Infrastruktur zur Verfügung
gestellt 39 . Zebrafischmodelle wurden z. B. für
polyzystische Nierenerkrankungen, Arrythmien des
Herzens, Kardiomyopathien und Myopathien der
Skelettmuskulatur,
Anämien,
Cholesterinverarbeitung,
Glaukom,
Krebs
(besonders
Melanom
und
Leukämie),
.
38
Lieschke GJ and Currie PD (2007) Animal models of human disease: zebrafish swim into view. Nat. Rev. Genet. 8,
353-67
Zon LI and Peterson RT (2005) In vivo drug discovery in the zebrafish. Nature Reviews Drug Discovery 4, 35-44.
39
Zebrafish – A Practical Approach, Dahm and Nüsslein-Volhard eds. OUP 2002, 2005
33
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Suchterkrankungen,
Geweberegeneration,
Hörschädigungen,
Nervenund
Retinaldegeneration sowie Infektionskrankheiten beschrieben. In manchen Fällen
wurde ein neues Krankheitsgen zuerst im Zebrabärbling entdeckt und dann erst als
Ursache einer menschlichen Krankheit erkannt, wie z.B. der Eisentransporter
Ferroprotein in Hämochromatosis Typ 4, einer Anämie im Menschen.
Der Zebrabärbling zieht auch in zunehmendem Maße als Modell für die
pharmazeutische Industrie Aufmerksamkeit auf sich – sowohl mit dem Ziel, neue
Wirkstoffe zu entdecken, als auch um den Zebrabärblingsembryo als ein
Ganztiersystem für toxikologische Studien zu
verwenden. Die ersten Beispiele dafür, in denen
Chemikalien erfolgreich darauf gescreent wurden,
genetische Defekte zu unterdrücken, sind bereits
in der Literatur erschienen 40 . Die ersten
Pharmastoff-Kandidaten,
die
an
Zebrabärblingsembryonen entwickelt wurden, sind
in der klinischen Testphase 41 (Len Zon, pers.
comm.).
In
Deutschland
ist
der
Zebrabärblingsembryo-Toxizitätstest ein DINAbb. 10: Ein kdrl::mCherry-CAAX
transgenerZebrabärblingsembryo mit durch das
Standard zur Prüfung der Wasserqualität aus
Transgen markierten Blutgefäßen. Oben,
Klärwerken geworden 42 . Weiterhin zeigten
Rückenansicht, unten Seitenansicht.
molekulare
Studien,
dass
der
Zebrabärblingsembryo ein geeignetes Modell für die systematische Testung von
Chemikalien im Rahmen des Europäischen REACH-Programms 43 und anderer
systematischer Toxizitätsstudien ist, die das Ziel haben, Toxizitätsmechanismen zu
verstehen 44.
Aufgrund evolutionärer Divergenz von Medaka und Zebrabärling komplementieren
genetische Studien in Medaka häufig jene in Zebrabärblingen 45. Z. B. gibt es aufgrund
seiner langen Geschichte als ein genetisches Modellsystem eine große Zahl von
Pigmentationsmutanten im Medaka, die neue Einblicke in menschliche Erkrankungen,
wie z. B. den okulokutanen Albinismus (OCA), eröffnet haben. Ähnlich gaben klassischgenetische Ansätze in Medaka neue Einsichten in Knochen- und Knorpelbildung,
Geschlechtsbestimmung und Gonadenentwicklung. Weiterhin wurde von KeimbahnStammzellen in den Ovarien von Medaka berichtet. Daher repräsentiert Medaka auch
ein aufstrebendes Modell, um Stammzellnischen, die für die Reproduktionsbiologie
relevant sind, zu studieren.
40
Peterson, R.T., et al., Chemical suppression of a genetic mutation in a zebrafish model of aortic coarctation. Nature
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41
Martin, C.S., A. Moriyama, and L.I. Zon, Hematopoietic stem cells, hematopoiesis and disease: lessons from the
zebrafish model. Genome medicine, 2011. 3(12): p. 83.
42
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(group T) – Part 6: Toxicity to fish. Determination of the non-acute-poisonous effect of waste water to fish eggs by
dilution limits (T 6). DIN 38415-6; German Standardization Organization.
Lammer, E., et al., Is the fish embryo toxicity test (FET) with the zebrafish (Danio rerio) a potential alternative for the
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43
Yang, L., et al., Zebrafish embryos as models for embryotoxic and teratological effects of chemicals.
Reproductive toxicology, 2009. 28(2): p. 245-53.
44
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45
Takeda, H. and Shimada, A. (2010). The art of medaka genetics and genomics: what makes them so unique?
Annu Rev Genet 44, 217–241.
34
International Zebrafish Medaka Course IZMC
4.1
Die Biologie des Zebrabärblings (Danio rerio) 46
(Thomas Dickmeis)
Der Zebrabärbling ist ein populärer Süßwasser-Aquarienfisch, der vom indischen
Subkontinent stammt. Er ist leicht zu züchten und sehr widerstandsfähig, was ihn
besonders für Aquarienanfänger geeignet macht. Diese Eigenschaften haben auch
dazu beigetragen, dass der Zebrabärbling in zunehmendem Maße in der Forschung als
Tiermodell eingesetzt wurde. Sie ergänzen seine experimentellen Vorteile, wie die
geringe Größe und die Durchsichtigkeit seiner Embryonen und Larven sowie ein
wachsendes Repertoire an Methoden für genetische Studien.
Morphologie
Erwachsene Zebrabärblinge sind ungefähr 3 – 5 cm lang und zeigen ein
charakteristisches Muster von blau-schwarzen horizontalen Streifen, die entlang des
Körpers und der Anal- und Schwanzflossen verlaufen (daher der Name, Abb. 7). Diese
schwarz-blauen Streifen werden durch melaninhaltige Melanophorenzellen gebildet. Die
Streifen sind voneinander durch Xanthophoren getrennt, die Pteridin- und CarotinoidPigmente enthalten und eine orangegelbe Farbe bewirken. Der dritte Typ von
Pigmentzellen, die Iridophoren, enthält guaninreiche Plättchen, die eine irisierende
Erscheinung bewirken. Zebrabärblinge zeigen einen sexuellen Dimorphismus. Das
Weibchen ist durch einen dickeren Bauch und das Männchen durch eine im Vergleich
schlankere Körperstruktur sowie eine gelblichere Färbung charakterisiert.
Als ein strahlenflossiger Fisch zeigt der Zebrabärbling den typischen Grundbauplan
dieser Wirbeltiergruppe, der durch einige charakteristische Merkmale gekennzeichnet
ist. Dazu gehören zum Beispiel vom Ansatz der Flossen ausgehende und diese
stützende Knochenstrahlen; in durch Kiemendeckel abgedeckten Hohlräumen
befindliche Kiemen an beiden Körperseiten; und eine Schwimmblase, die den Auftrieb
des Fisches im Wasser reguliert. Ein interessanter Aspekt der Neuroanatomie ist das
Vorhandensein eines „evertierten“ Gehirns, welches das Ergebnis eines
Ausstülpungsprozesses während der Entwicklung ist. Dieser führt dazu, dass der
Ventrikel über die dorsale und lateral Oberfläche des Gehirns ausgebreitet wird
(Wullimann and Mueller, 2004). Einige anatomische Merkmale des Zebrabärblings sind
typisch für die Elritzen, die systematische Familie, zu der der Zebrabärbling gehört. So
haben Zebrabärblinge keine Zähne im Kiefer. Stattdessen besitzen sie sogenannte
„Pharyngealzähne“ im hinteren Schlund. Elritzen besitzen auch keine Fettflosse auf
dem Rücken (Nüsslein-Volhard, 2002).
Der Zebrabärbling teilt viele Merkmale der Physiologie mit anderen Wirbeltieren, was
einen Teil seiner Anziehungskraft als Modellorganismus für die biomedizinische
Forschung ausmacht. So sind Zebrabärblinge in Studien zur Muskel- und
Herzphysiologie, zu neuralen Funktionen und synaptischer Transmission sowie zur
Endokrinologie eingesetzt worden (Asnani and Peterson, 2014; Gibbs et al., 2013;
Leung et al., 2013; Lohr and Hammerschmidt, 2011). Zebrabärblinge waren auch
nützlich für die Untersuchung von fischspezifischen Aspekten der Physiologie mit Bezug
auf ihr aquatisches Habitat, wie der Osmoregulation durch Ionozyten der Kiemen (Guh
et al., 2015). Mechanosensorische Systeme des Zebrabärblings sind das
Seitenlinienorgan und das Ohr. Das Seitenelinienorgan besteht aus einer Serie von
mechanosensorischen Rezeptoren (Haarzellen) auf dem Kopf und entlang der
46
Nüsslein-Volhard, C. and Dahm R., 2002, Zebrafish , A practical approach
Spence R et al., 2008; The behavior and ecology of the zebrafish, Danio rerio
Westerfield M., 1993; The Zebrafish Book, A guide for the laboratory use of zebrafish
35
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Körperachse, die z.B. Schwingungen im Wasser detektieren (Nüsslein-Volhard, 2002;
Ostrander, 2000). Das Ohr besteht nur aus dem Innenohr. Die Maculaorgane mit ihren
Haarzellen in diesem Ohr dienen sowohl als Gleichgewichtsorgane, wie in Säugern, als
auch zusätzlich zum Hören. Weil der Zebrabärbling Teil der Otophysi-Gruppe der
Fische ist, ist sein Innenohr mit der Schwimmblase über kleine Knochen verbunden, die
Weber-Knöchelchen. Dies verbessert das Hören und macht den Zebrabärbling zu
einem der „Hörspezialisten“ unter den Fischen (Nicolson, 2005; Whitfield, 2002)..
Zebrafische können Farben sehen, und zusätzlich zu den Zapfen-Typen der Netzhaut
spezifisch für die drei Farben, die auch von Menschen wahrgenommen werden, haben
sie noch UV-sensitive Zapfen (Slijkerman et al., 2015). Auch der Geruchssinn spielt
eine wichtige sensorische Rolle, da Zebrabärblinge Nährstoffe (Aminosäuren),
Verwandschaft anzeigende Stoffe, die Eireifung veranlassende Pheromone
(Steroidglucuronide) und einen „Schreckstoff“, das Glycosamin Chondroitin, riechen
können. Letzteres wird bei Verletzungen freigesetzt und erregt heftige Fluchtreaktionen
(Gerlach and Lysiak, 2006; Koide et al., 2009; Mathuru et al., 2012; van den Hurk et al.,
1987).
Systematik
Wie die meisten Knochenfische gehören die Zebrabärblinge zu den Teleostei oder
Echten Knochenfischen und sind damit Teil der größten Gruppe innerhalb der
strahlenflossigen Fische oder Actinopterygii. Zebrabärblinge sind Cypriniden, d.h. sie
zählen zu der Familie Cyprinidae (Elritzen und Karpfen), die eine der größten Familien
der Teleostei und daher der Vertebraten im Allgemeinen sind 47 . Auch der gemeine
Karpfen und der Goldfisch gehören zu dieser Familie. Von seinem Entdecker Hamilton
im Jahre 1822 ursprünglich „Danio rerio“ benannt 48 , war der Zebrabärbling für viele
Jahre als Brachydanio rerio in der Wissenschaftsliteratur bekannt, bevor er aufgrund
neuerer phylogenetischer Analysen unter Einschluss von DNA-Sequenzdaten wieder
der Gattung Danio zugeordnet wurde 49. Heute werden ungefähr 45 Arten zur Gattung
Danio gerechnet 50. Der Name Danio kommt vom bengalische Wort ‚Dhani‘, das sich
auf grüne Reisfelder bezieht.
Laborstämme und Varianten
Mehrere Forschungslabors haben eine Reihe von verschiedenen WildtypLaborstämmen etabliert, die in Gefangenschaft bereits über längere Zeiträume
gezüchtet worden sind. Populäre Stämme sind z.B. der AB- und der Tübingen (TÜ) Stamm, die auch in den ersten großen Mutagenese-Screens benutzt wurden 51.
47
Nelson JS. 2006. Fishes of the World. John Wiley and sons, New York, NY.
Hamilton F. 1822. An Account of the Fishes Found in the River Ganges and its Branches. Archibald
Constable and Co., Edinburgh and London.
49
Mayden RL, Tang KL, Conway KW, Freyhof J, Chamberlain S, Haskins M, Schneider L, Sudkamp M, Wood RM,
Agnew M et al. 2007. Phylogenetic relationships of Danio within the order Cypriniformes: a framework for
comparative and evolutionary studies of a model species. J Exp Zool B Mol Dev Evol 308: 642-654.
50
Fang F, Douglas ME. 2003. Phylogenetic Analysis of the Asian Cyprinid Genus Danio (Teleostei, Cyprinidae).
Copeia 2003: 714-728.
51
Driever W, Solnica-Krezel L, Schier AF, Neuhauss SC, Malicki J, Stemple DL, Stainier DY, Zwartkruis F, Abdelilah
S, Rangini Z et al. 1996. A genetic screen for mutations affecting embryogenesis in zebrafish. Development 123: 3746.
Haffter P, Granato M, Brand M, Mullins MC, Hammerschmidt M, Kane DA, Odenthal J, van Eeden FJ, Jiang YJ,
Heisenberg CP et al. 1996. The identification of genes with unique and essential functions in the development of the
zebrafish, Danio rerio. Development 123: 1-36.
48
36
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Der AB-Stamm wurde von G. Streisinger in Eugene, Oregon, USA, etabliert, während
der Tübingen-Stamm im Laboratorium von C. Nüsslein-Vollhard, Tübingen,
Deutschland, generiert wurde 52. Diese Stämme wurden ausgehend von Fischen, die in
Zoohandlungen gekauft wurden, gezüchtet, während ein anderer wichtiger Stamm,
WIK, 53 direkt von einem Wildfang in Indien abstammt (daher sein Name: „Wild-type
India Kolkata“ oder „Wild Indian Karyotype“). Dieser Stamm diente als ein
hochpolymorpher Referenzstamm für die Kartierung von Mutationen, die im TÜHintergrund erzeugt wurden 54.
Genomsequenzdaten haben gezeigt, dass die verschiedenen Zebrabärblings-WildtypStämme ein hohes Niveau an genetischer Diversität zeigen, sowohl innerhalb als auch
zwischen den Stämmen. Einzelnukleotid-Polymorphismen („Single nucleotide
polymorphisms“, SNPs) scheinen zum Beispiel mehr als vierfach häufiger in
Zebrabärblingen als in Menschen aufzutreten (Howe et al., 2013; LaFave et al., 2014;
Parichy, 2015; Patowary et al., 2013). Es ist größtenteils unbekannt, in welchem Maße
diese genetische Heterogeneität zur Variabilität von experimentellen Ergebnissen
beiträgt.
Zusätzlich zu den Wildtyp-Stämmen werden in Kreuzungsexperimenten häufig Fische
genutzt, die Pigmentierungsmutationen tragen oder andere morphologische Variationen
zeigen. Diese Fische eigenen sich auch gut als leicht erkennbare Tankgenossen in der
Gruppenhaltung und können so die Einzelhaltung von Fischen vermeiden. Ein Beispiel
für eine Pigmentierungsmutante ist die rezessive Mutation Leopard (leo), die zu einer
Unterbrechung des Streifenmusters in homozygoten Fischen führt 55 (Abb. 11).
Abb. 11: Die Leopard-Mutante des ZebraBärblings
Diese Fische wurden ursprünglich als eine eigene Art
beschrieben (Danio frankei) 56. Fische, die homozygot für
die golden-Mutation sind, haben stark reduzierte
Melaninspiegel in ihren Melanophoren und erscheinen
daher gelblich 57. Das Gen, das in golden-Fischen mutiert
ist, ist ein mutmaßlicher Kationenaustauscher, der
ebenfalls mit Pigmentunterschieden im Menschen in
Verbindung gebracht wurde 58.
52
Dahm R, Geisler R, Nüsslein-Volhard C. 2006. Zebrafish (Danio rerio) Genome and Genetics. in Encyclopedia of
Molecular Cell Biology and Molecular Medicine. Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA.
53
Rauch GJ, Granato M, Haffter P. 1997. A polymorphic zebrafish line for genetic mapping using SSLPs on highpercentage agarosegels. Technical Tips Online T01208.
54
Geisler R, Rauch GJ, Geiger-Rudolph S, Albrecht A, van Bebber F, Berger A, Busch-Nentwich E, Dahm R, Dekens
MP, Dooley C et al. 2007. Large-scale mapping of mutations affecting zebrafish development. BMC Genomics 8: 11.
55
Kirschbaum F. 1975. Untersuchungen über das Farbmuster der Zebrabarbe Brachdanio rerio (Cyprinidae,
Teleostei). Wilhelm Roux's Archives 177: 129-152.
Watanabe M, Iwashita M, Ishii M, Kurachi Y, Kawakami A, Kondo S, Okada N. 2006. Spot pattern of leopard Danio is
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56
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Spence R, Gerlach G, Lawrence C, Smith C. 2008. The behaviour and ecology of the zebrafish, Danio rerio. Biol Rev
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57
Lamason RL, Mohideen MA, Mest JR, Wong AC, Norton HL, Aros MC, Jurynec MJ, Mao X, Humphreville VR,
Humbert JE et al. 2005. SLC24A5, a putative cation exchanger, affects pigmentation in zebrafish and humans.
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37
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Der „Tübingen (auch Tüpfel“) Langflossen“-(TL)-Stamm 59 trägt sowohl die leo t1Mutation als auch eine dominante Mutation lof dt2 (Longfin) 60 , die übermäßiges
Wachstum der Flossen verursacht. Die casper-Mutanten 61, die eine Doppelmutante im
nacre/mitfa 62-Locus sowie im roy (Roy Orbison)-Locus sind, haben keine Melanozyten
und Iridophoren. Deshalb sind sie selbst als Adulte transparent, was sie sehr gut für die
Anwendung bildgebender Verfahren im lebenden Tier geeignet macht.
Habitat und Ökologie
Zebrabärblinge kommen in ganz Indien in einer Reihe von Habitaten vor 63 .
Gemeinsame typische Eigenschaften dieser Habitate sind geringer Wasserfluss, ein
Bodengrund mit Sand, Schlamm oder Kieseln, sowie überhängende Vegetation. Solche
Habitate werden häufig in Sekundär- und Tertiär-Zuläufen eines Flusses oder
angrenzend an Sumpfland und Reisfelder gefunden. Physikalische und chemische
Parameter dieser Habitate variieren sehr: In zwei kürzlich erschienenen Studien wurden
ein Temperaturbereich von 12,3°C bis 38,6°C, pH-Werte von 5,9 bis 9,8 und
Leitfähigkeiten von 10 µS bis 271 µS gefunden 64 . Diese Befunde passen zu der großen
Toleranz gegenüber Umweltbedingungen, die Zebrabärblinge in Gefangenschaft
zeigen.
In Forschungsfischanlagen werden Zebrabärblinge generell in Aquarien ohne
zusätzliche Strukturen gehalten, um Inspektion und Reinigung zu erleichtern.
Experimente mit zusätzlichen Tankstrukturen, die „natürlichere“ Umgebungen
nachahmen sollten, haben zu unterschiedlichen Ergebnissen bezüglich der
tiergerechten Haltung geführt. Zum Beispiele beobachteten einige Studien reduziertes
(Basquill and Grant, 1998) oder gleichbleibendes (Hamilton and Dill, 2002; Kistler et al.,
2011) aggressives Verhalten in Tanks mit Vegetation, während andere feststellten, das
Vegetation oder das Vorhandensein von leicht zu reinigenden Glasstab-Strukturen eher
aggressives Verhalten stimulierte (Bhat et al., 2015; Wilkes et al., 2012). Hierbei ist
wichtig, dass viele der vorgeschlagenen Umgebungsanreicherungen ein Risiko für das
Gesundheitsmanagement in der Anlage darstellen können, indem sie die Sicht auf die
Fische behindern und die Reinigung der Tanks erschweren. Da die soziale Umgebung
eine wichtigere Rolle für das normale Verhalten des Zebrabärblings zu spielen scheint
58
Lamason RL, Mohideen MA, Mest JR, Wong AC, Norton HL, Aros MC, Jurynec MJ, Mao X, Humphreville VR,
Humbert JE et al. 2005. SLC24A5, a putative cation exchanger, affects pigmentation in zebrafish and humans.
Science 310: 1782-1786.
59
Dahm R, Geisler R, Nüsslein-Volhard C. 2006. Zebrafish (Danio rerio) Genome and Genetics. in Encyclopedia of
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60
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62
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63
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Spence R, Gerlach G, Lawrence C, Smith C. 2008. The behaviour and ecology of the zebrafish, Danio rerio. Biol Rev
Camb Philos Soc 83: 13-34.
64
Engeszer RE, Patterson LB, Rao AA, Parichy DM. 2007. Zebrafish in the wild: a review of natural history and new
notes from the field. Zebrafish 4: 21-40.
38
International Zebrafish Medaka Course IZMC
(siehe
auch
unten,
Verhalten),
könnte
der
Gebrauch
von
Umgebungsanreicherungselementen nur in bestimmten Situationen empfehlenswert
sein, z.B. wenn für eine Getrennthaltung einzelner Fische kein Zusammensetzen mit
anders pigmentierten Tankgenossen möglich ist (Collymore et al., 2015).
Zebrabärblinge teilen ihr Habitat mit einer Reihe von anderen Fischen, die
Konkurrenten um Futter sein können; dazu gehören andere Cypriniden wie
Puntiusbarben, andere Danio-Spezies und besonders Esomus danricus, der eine
ähnliche Größe und Maulspannweite hat und in ähnlichen Wassertiefen vorkommt. Die
Analyse von Darminhalten deutet darauf hin, dass Zebrabärblinge hauptsächlich Futter
fressen, das nicht aus ihrem Habitat stammt (sog. „allochtones“ Material), wie z.B. rote
Ameisen oder andere Insekten, die in das Wasser gefallen sind, sich aber auch von
aquatischen Insektenlarven und Krebsen, sowie von Zooplankton und Phytoplankton
ernähren 65 . Das nach oben gerichtete Maul von Zebrabärblingen deutet darauf hin,
dass das Futter hauptsächlich an der Wasseroberfläche aufgenommen wird 66, wie es
auch im Aquarium beobachtet werden kann; jedoch wird auch Lebendfutter wie z. B.
Artemienlarven eifrig aktiv gejagt. Lebendfutter stellt daher ein leicht einzusetzendes
Umgebungsanreicherungselement dar, welches das natürliche Beutefangverhalten von
Larven und adulten Zebrabärblingen stimuliert. Vögel, wie Reiher und Eisvögel, aber
auch größere Fischarten, wie Schlangenkopffische (Channa sp.) oder der SüßwasserHornhecht (Xenentodon cancila), die in denselben Habitaten vorkommen, könnten
adulte Zebrabärblinge fressen, während Libellenlarven Zebrafischlarven jagen
könnten 67.
Verhalten
Zebrabärblinge sind Tagtiere und zeigen daher die höchste Aktivität während des
Tages. Bei Nacht erhöhen sich die Häufigkeit und die Dauer von Ruhephasen.
Schlafphasen können wenige Minuten dauern und zeichnen sich oft durch eine
charakteristische Position mit hängenden Schwanzflossen der Fische aus, die dabei
entweder nahe an der Wasseroberfläche oder am Grund des Aquariums ruhen 68 .
Interessanterweise ist das Paarungsverhalten auf den Beginn der Lichtphase
begrenzt 69. Indem Verhaltenstests aus Nagermodellen auf Adulte und sogar Larven des
Zebrabärblings angewandt werden, wird jetzt auch zunehmend das Verhalten dieser
Tiere untersucht, insbesondere bezüglich Lernen und Belohnung, aber auch im
Zusammenhang mit Aggression und Furcht. 70. Wenn Zebrabärblinge zum Beispiel in
einen neuen Tank gesetzt werden, tauchen sie zunächst zum Boden ab und bleiben
65
Spence R, Gerlach G, Lawrence C, Smith C. 2008. The behaviour and ecology of the zebrafish, Danio rerio. Biol
Rev Camb Philos Soc 83: 13-34.
Arunachalam M, Raja M, Vijayakumar C, Malaiammal P, Mayden RL. 2013. Natural history of zebrafish (Danio rerio)
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McClure MM, McIntyre PB, McCune AR. 2006. Notes on the natural diet and habitat of eight danionin fishes,
including the zebrafish Danio rerio. Journal of Fish Biology 69: 553-570.
66
Gerlai R. 2013. Antipredatory behavior of zebrafish: adaptive function and a tool for translational research. Evol
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67
Spence R, Gerlach G, Lawrence C, Smith C. 2008. The behaviour and ecology of the zebrafish, Danio rerio. Biol
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Engeszer RE, Patterson LB, Rao AA, Parichy DM. 2007. Zebrafish in the wild: a review of natural history and new
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68
Yokogawa T, Marin W, Faraco J, Pezeron G, Appelbaum L, Zhang J, Rosa F, Mourrain P, Mignot E. 2007.
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69
Darrow KO, Harris WA. 2004. Characterization and development of courtship in zebrafish, Danio rerio. Zebrafish 1:
40-45.
70
Norton W, Bally-Cuif L. 2010. Adult zebrafish as a model organism for behavioural genetics. BMC Neurosci 11: 90.
39
International Zebrafish Medaka Course IZMC
dort, bevor sie beginnen, den offenen Raum des Tanks zu erkunden. Beunruhigte
Fische benötigen eine längere Zeit für diese Verhaltenswechsel. Beunruhigte Fische
können auch ein Starre-Verhalten zeigen, oder im Gegenteil länger anhaltende Phasen
erhöhter Bewegung (z.B. schnelles Zickzack-Schwimmen am Tankboden)(Maximino et
al., 2010). Bemerkenswerterweise scheint es stammspezifische Unterschiede in diesen
Verhaltensantworten zu geben.
Zebrabärblinge sind soziale Tiere, die mit ihren Artgenossen Schwärme bilden. In der
Wildnis wurden Schwärme verschiedener Größe beobachtet, von 4 bis zu 300
Individuen, je nach Habitat (Suriyampola et al., 2016). Auch Schwarmbildung mit einer
anderen Art, Rasbora spp., wurde berichtet. Dieses Schwarmverhalten wird bei vielen
Teleostiern gefunden und erhöht die Wahrscheinlichkeit eines Individuums,
Futterquellen und Räuber zu entdecken („viele Augen sehen mehr als zwei“). Es erhöht
auch die Entkommenschance bei der Flucht vor einer Räuberattacke, aufgrund einer
Verwirrung des Räubers durch den Schwarm oder einer „Verdünnung“ des Individuums
in der Masse 71 . Die Signale, die für die Bildung von Zebrabärblingsschwärmen
verantwortlich sind, sind noch wenig verstanden, aber sie scheinen sowohl visuelle als
auch Geruchsmerkmale zu beinhalten. Zebrabärblinge bevorzugen bei der
Schwarmbildung Artgenossen gegenüber anderen Arten, verwandte Zebrabärblinge
gegenüber nichtverwandten und bekannte gegenüber nichtbekannten Partnern 72.
Zebrabärblinge zeigen auch hierarchisches und territoriales Verhalten. In einer kürzlich
erschienenen Studie wurde interessanterweise gefunden, dass dominante
Unterordnungsbeziehungen mit zunehmender Zahl der Fische in einem Tank
aufgehoben werden 73. Die Zahl der Attacken reduzierte sich, wenn die Dichte von zwei
auf sechs Männchen pro Liter erhöht wurde und keine Attacken wurden beobachtet,
wenn zehn Individuen in einem Liter gehalten wurden. Weiterhin waren die
Cortisolspiegel am niedrigsten bei einer relativ hohen Dichte (5 Fische pro Liter) in
diesem Experiment, was auf reduzierte Stressniveaus hindeutete. Übereinstimmend mit
diesen Ergebnissen untersuchte eine kürzlich erschienene Laborstudie den Effekt der
Besatzdichte auf das Reproduktionsverhalten, das ebenfalls durch Stress beeinflusst
werden kann. Kein negativer Effekt war bei Besatzdichten von bis zu 12 Fischen pro
Liter zu beobachten 74. Somit hat Schwarmbildung offensichtlich einen positiven Effekt
sowohl in der Interaktion mit der Umgebung als auch mit Artgenossen.
Paarungsverhalten
Zebrafische sind Gruppenlaicher, bei denen mehrere Männchen und Weibchen in das
Fortpflanzungsverhalten eingebunden sind 75 . In der Natur scheint die Fortpflanzung
saisonal unterschiedlich zu sein, wobei die Paarungszeit mit der Monsunperiode
einhergeht. Jedoch kommen bei in freier Wildbahn gefangenen Weibchen reife Eier
über das ganze Jahr hinweg vor, was darauf hindeutet, dass die beobachtete
71
Miller NY, Gerlai R. 2011. Shoaling in zebrafish: what we don't know. Rev Neurosci 22: 17-25.
Miller NY, Gerlai R. 2011. Shoaling in zebrafish: what we don't know. Rev Neurosci 22: 17-25.
Spence R, Gerlach G, Lawrence C, Smith C. 2008. The behaviour and ecology of the zebrafish, Danio rerio. Biol Rev
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73
Pavlidis M, Digka N, Theodoridi A, Campo A, Barsakis K, Skouradakis G, Samaras A, Tsalafouta A. 2013.
Husbandry of zebrafish, Danio rerio, and the cortisol stress response. Zebrafish 10: 524-531.
74
Castranova D, Lawton A, Lawrence C, Baumann DP, Best J, Coscolla J, Doherty A, Ramos J, Hakkesteeg J,
Wang C et al. 2011. The effect of stocking densities on reproductive performance in laboratory zebrafish (Danio
rerio). Zebrafish 8: 141-146.
75
Spence R, Gerlach G, Lawrence C, Smith C. 2008. The behaviour and ecology of the zebrafish, Danio rerio. Biol
Rev Camb Philos Soc 83: 13-34.
72
40
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Saisonalität des Paarungsverhaltens eher mit dem zur Verfügung stehenden Futter zu
tun hat und nicht ein endogenes saisonales Verhalten reflektiert. In Übereinstimmung
damit legen Zebrabärblinge in Gefangenschaft Eier das ganze Jahr hindurch unter
verschiedenen Photoperioden (12-14 Stunden Licht).
Während es nach wie vor wenig verstanden ist, welche Signale die Wahl des
Paarungspartners beeinflussen, wurde eine typische Abfolge von Verhaltungsmustern
während der Paarung beschrieben 76 . Dementsprechend schwimmen Männchen und
Weibchen in der gesamten Wassersäule „auf und nieder“, und das Männchen „jagt“ das
Weibchen, indem es dieses häufig mit der Schnauze berührt. Es „eskortiert“ es dann
zur Laichstelle, wo sie „umeinander herumschwimmen“ in einer Kopf- zu
Schwanzorientierung. Das Männchen fängt dann an zu „zittern“, d. h. sein Körper
oszilliert mit hoher Frequenz und niedriger Amplitude in der Nähe des Weibchens im
Laichbereich. Er kann auch seinen Körper um das Weibchen herumschlingen. Die
Eiablage geschieht dann in Schüben von 5 bis 20 Eiern.
Beobachtungen in der Wildbahn deuten darauf hin, dass Zebrabärblinge bevorzugt im
flachen Uferbereich ihres Habitats laichen und dass sie Kiesuntergrund Schlamm
vorziehen – wahrscheinlich, weil die Eier besser vor Räubern geschützt werden
(inklusive Kannibalismus), wenn sie zwischen die Spalten eines Kiessubstrats fallen 77.
Dieses Verhalten kann man zur Eiproduktion in Gefangenschaft ausnutzen. Eine
klassische Methode für die kontinuierliche Eierproduktion in Aquarien besteht darin, mit
Murmeln gefüllte Schachteln in den Tank zu stellen. Die Fische paaren dann bevorzugt
über dem Murmeleinsatz und die Eier können leicht jeden Morgen nach Entfernen der
Murmeln geerntet werden. Eine andere Methode benutzt die Präferenz für sehr flaches
Wasser, um die Eierproduktion zu erhöhen 78 . Typische Legekästen für einzelne
Pärchen oder Gruppen zur Paarung bestehen in der Regel aus einem Tank mit einem
Einsatz, dessen Boden durch ein Netz gebildet wird. Die Eier fallen durch das Netz in
das untere Kompartiment und können daher von den Fischen nicht gefressen werden.
Wenn die Einsätze nun so gekippt werden, dass sie einen Gradienten an Wassertiefe
produzieren, bevorzugen die Fische die flacheren Bereiche für die Paarung. Von
Bedeutung ist, dass diese Methode, die auch als „Sex-am-Strand“-Methode bezeichnet
wurde, signifikant die Eiproduktion im Vergleich mit nicht geneigten Einsätzen erhöhte.
Es wurden Apparate entwickelt, die diese Stimulation der Eiablage und des
Paarungsverhaltens durch flaches Wasser benutzen, um sich synchron entwickelnde
Eier im großen Maßstab zu gewinnen. 79.
Lebenszyklus und Geschlechtsdetermination
Ein Grund für die Popularität des Zebrabärblings unter Entwicklungsbiologen ist die
schnelle Entwicklung der transparenten Embryonen. Bald nach Befruchtung beginnen
die Teilungen der Blastodisc (Keimscheibe), die auf der großen Dotterzelle sitzt. Es
folgen morphogenetische Bewegungen wie Epibolie, Gastrulation und Konvergenz76
Darrow KO, Harris WA. 2004. Characterization and development of courtship in zebrafish, Danio rerio. Zebrafish 1:
40-45.
Sessa AK, White R, Houvras Y, Burke C, Pugach E, Baker B, Gilbert R, Thomas Look A, Zon LI. 2008. The effect of
a depth gradient on the mating behavior, oviposition site preference, and embryo production in the zebrafish, Danio
rerio. Zebrafish 5: 335-339.
77
Spence R, Ashton R, Smith C. 2007. Oviposition Decisions Are Mediated by Spawning Site Quality in Wild and
Domesticated Zebrafish, Danio rerio. Behaviour 144: 953-966
78
Sessa AK, White R, Houvras Y, Burke C, Pugach E, Baker B, Gilbert R, Thomas Look A, Zon LI. 2008. The effect
of a depth gradient on the mating behavior, oviposition site preference, and embryo
79
Adatto I, Lawrence C, Thompson M, Zon LI. 2011. A new system for the rapid collection of large numbers of
developmentally staged zebrafish embryos. PLoS ONE 6: e21715.
41
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Extension, die die Hauptachsen des Embryos bis ungefähr 10 Stunden nach der
Befruchtung geformt haben 80. Die hauptsächlichen Organsysteme bilden sich über die
nächsten 24 bis 36 Stunden, und nach 48 bis 72 Stunden erfolgt das Schlüpfen. Die
geschlüpften Embryonen, die nun als Eleuthero-Embryonen bezeichnet werden,
beziehen nach wie vor ihre Nahrung aus dem Dotter 81. Nach 120 Stunden (5 Tage nach
Befruchtung, TnB) beginnt aktives Fressverhalten, und das frei fressende
Larvenstadium ist erreicht. Nach weiteren 25 Tagen (30 TnB) ist die Metamorphose
erfolgt 82 . Die Flossenfalten der Larve wurden in das adulte Flossenschema
umgewandelt und auch das Pigmentmuster entspricht nun dem eines erwachsenen
Zebrabärblings. Dieses Stadium wird als das Juvenil-Stadium bezeichnet. Ungefähr zur
gleichen Zeit (23 bis 25 TnB) gibt es die ersten Anzeichen von sexueller Differenzierung
auf histologischem Niveau in den Gonaden.
Die juvenile Gonade beginnt sich bei den Männchen von einem sogenannten „juvenilen
Eierstock“-Stadium in den Hoden umzuwandeln 83. 3 Monate nach der Befruchtung (in
der Wildnis kann dies auch bis zu 6 Monate dauern 84) ist die sexuelle Reife erreicht und
der Fisch ist ein voll ausgewachsenes adultes Tier geworden. Die maximale
Lebensspanne unter Laborbedingungen kann zwischen 4 und 6 Jahren betragen, in
Abhängigkeit vom Stamm 85.
Jüngere Analysen mit mehreren verschiedenen Laborstämmen, von denen einige erst
kürzlich aus Wildfängen gewonnen wurden, konnten eine geschlechtsbestimmende
Region auf dem Chromosom 4 lokalisieren (Wilson et al., 2014). Diese Region scheint
die Grundlage für ein Geschlechstbestimmungssystem vom Typ WZ/ZZ zu bilden, in
dem das heterogametische Geschlecht (WZ) weiblich ist (im Gegensatz zum bekannten
XY-System, wo das heterogametische Geschlecht männlich ist). Interessanterweise
ging diese Chromosomregion in mehreren klassischen Laborstämmen verloren,
darunter TÜ und AB (aber nicht in WIK). In diesen haben alternative
Geschlechtsbestimmungsmechanismen ihre Funktion ersetzt. Es ist noch unbekannt,
wie diese alternativen Mechanismen aussehen, ob sie auch eine Funktion in
Wildpopulationen haben, und wie sie das Fortpflanzungsverhalten oder andere Aspekte
der Biologie in diesen Laborstämmen beeinflussen könnten.
80
Kimmel CB, Ballard WW, Kimmel SR, Ullmann B, Schilling TF. 1995. Stages of embryonic development of the
zebrafish. Dev Dyn 203: 253-310.
81
Strahle U, Scholz S, Geisler R, Greiner P, Hollert H, Rastegar S, Schumacher A, Selderslaghs I, Weiss C, Witters
H et al. 2012. Zebrafish embryos as an alternative to animal experiments--a commentary on the definition of the
onset of protected life stages in animal welfare regulations. Reprod Toxicol 33: 128-132.
82
Parichy DM. 2003. Pigment patterns: fish in stripes and spots. Curr Biol 13: R947 950.
83
Orban L, Sreenivasan R, Olsson PE. 2009. Long and winding roads: testis differentiation in zebrafish. Mol Cell
Endocrinol 312: 35-41.
Takahashi H. 1977. Juvenile Hermaphroditism in the Zebrafish, Brachydanio rerio. Bull Fac Fish Hokkaido Univ 28:
57-65.
84
Engeszer RE, Patterson LB, Rao AA, Parichy DM. 2007. Zebrafish in the wild: a review of natural history and new
notes from the field. Zebrafish 4: 21-40.
85
Gerhard, G.S., et al., Life spans and senescent phenotypes in two strains of Zebrafish (Danio rerio). Experimental
gerontology, 2002. 37(8-9): p. 1055-68
42
International Zebrafish Medaka Course IZMC
4.2
Die Biologie des Medakas (Oryzias latipes)86
(Felix Loosli)
Medaka ist ein kleiner Süßwasserfisch, der in Japan, Taiwan und Korea und China
beheimatet ist. Als ein Mitglied der Familie Adrianichthyidae in der Klasse Beloniformes
ist der Medaka eng mit dem Pufferfisch (Tetraodon und Fugu) und Stichling verwandt.
Zebrafisch und Medaka sind circa 150 Millionen Jahre vom letzten gemeinsamen
Vorfahren getrennt - einer evolutionären Distanz, die ungefähr der Distanz zwischen
Mensch und Hühnchen entspricht. Die Gattung Oryzias umfasst mehr als 20 Spezies,
die weit über Südost- und Westasien verteilt sind und in vielen verschiedenen
tropischen und gemäßigten Habitate heimisch sind. Medaka gehört zur Klasse der
Actinopterygii (Strahlenflosser) und besitzt daher knöcherne Strahlenflossen welche die
Flossen stabilisieren. Diese Flossenstrahlen sind direkt mit dem Flossenbasisskelett
verbunden. Medaka besitzt eine Schwanzflosse eine Rückenflosse, paarige
Bauchflossen welche als homolog zu den Hinterbeinen der Tetrapoden gelten, sowie
paarige Brustflossen. Die Physiologie von Medaka ist in vieler Hinsicht vergleichbar mit
der anderer Wirbeltiere (Iwahashi et al. 2009). Deshalb wird Medaka oft als
Modelsystem für Toxizitätstests von Chemikalien verwendet.
Habitat und Biologie
Medaka ist in ganz Japan verbreitet mit Ausnahme der Hokkaido-Insel und lebt in
kleinen Flüssen, Bächen und Reisfeldern. Medaka kann auch Brackwasser vertragen.
In Japan ist der Medaka in zwei unterschiedlichen Gruppen unterteilt: die nördliche
Population der nördlichen Region der Insel Honshu und die südliche Population der
südlichen Region von Honshu sowie der Inseln Kyushu, Chikugo und Okinawa. Die
Trennung in eine nördliche und eine südliche Population erfolgte vor ungefähr 4
Millionen Jahren. Aufgrund von morphologischen Kriterien wurde die nördliche
Population als eine unabhängige Art klassifiziert (Oryzias sakaizumii). Die Divergenz
von Oryzias latipes und Oryzias sakaizumii wird auf 4mya geschätzt. Dies widerspiegelt
sich auch in der hohen Rate von Polymorphismen von 1-4% (Spivakov et al. 2014).
Unter Laborbedingungen paaren sich Oryzias latipes und Oryzias sakaizumii. Die
Männchen und Weibchen der F2 Hybride, die von einer solchen Kreuzung stammen,
sind vollständig fertil. Das ist für genetische Zwecke besonders bedeutsam, da es
erlaubt, Polymorphismen in einen anderen genetischen Hintergrund einzukreuzen.
Dieser Ansatz der Kreuzung von südlichen und nördlichen Inzuchtlinien wird häufig
genutzt, um Mutationen oder ein spezifisch phänotypisches Merkmal genetisch zu
kartieren. Die Grenze, welche die nördliche und südliche Population trennt, korreliert mit
der geografischen Schranke. Daher sind die zwei Gruppen nicht sympatrisch (d. h. ihre
Habitate überlappen nicht). Jedoch wurde Anzeichen von Introgression (Genfluss)
zwischen diesen Gruppen entlang der gemeinsamen Grenze gefunden.
Medaka hat einen diploiden Karyotyp mit 48 Chromosomen. Die haploide Genomgröße
beträgt ungefähr 700 Mb, die Hälfte des Genoms des Zebrafisches. Adulte können eine
86
An excellent source of information is the book ‘A laboratory manual for medaka biology’, Wiley-Blackwell 2009.
Takeda, H. and Shimada, A. (2010). The art of medaka genetics and genomics: what makes them so unique? Annu
Rev Genet 44, 217–241.
Shima, A. and Mitani, H. (2004). Medaka as a research organism: past, present and future. Mech Dev 121, 599–604.
Wittbrodt, J., Shima, A. and Schartl, M. (2002). Medaka--a model organism from the far East. Nat Rev Genet 3, 53–
64.
43
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Länge von bis zu 4 cm erreichen. Medaka - wie viele andere Knochenfische - hat 4
Typen von Pigmentzellen (Chromatophoren), schwarze Melanophoren, weiße
Leukophoren, rot-gelbe Xantophoren und silbrige Iridophoren. Die natürliche
Pigmentation ist grau-braun. Der japanische Medaka lebt in gemäßigten Zonen mit
ausgeprägten Jahreszeiten und kann einen weiten Bereich von Temperaturen (4 bis
40°C) ertragen. Daher kann die Rate der Embryonalentwicklung durch die
Umgebungstemperatur kontrolliert werden. Embryonen tolerieren 4°C, obgleich ihre
Entwicklung bei dieser Temperatur fast vollständig arretiert ist. Die Lebensspanne von
Medaka unter konstanten Zuchtbedingungen im Labor ist ungefähr 12 Monate. Diese
kann auf 2 Jahre verlängert werden unter Lichtbedingungen, wo die Fische sich nicht
paaren, in Kombination mit einer reduzierten Temperatur (z. B. 10 Stunden Licht, 14
Stunden Nacht bei 19°C, s.u.).
Verhalten
Medaka ist tagaktiv mit hoher locomotor (Schwimm-) Aktivität während der Hellphase.
Die Fressaktivität ist auch tagsüber und gleichmässig über die ganze Hellphase verteilt.
Medaka paaren sich hauptsächlich zu Beginn der Hellphase. Medaka ist in einer
gemässigten Zone mit ausgeprägten Jahreszeiten heimisch und zeigt saisonales
Paarungsverhalten wobei die Hellphase deutlicher länger als die Dunkelphase sein
muss damit sich Medakas paaren. Die Temperatur hat nur einen schwachen Einfluss
auf das Paarungsverhalten (Koger et al. 1999). Medaka ist ein soziales Tier und sollten
aus diesem Grund nicht über längere Zeit als isolierte Einzeltiere gehalten werden.
Medaka toleriert jedoch kurze Phasen der Isolation ohne Stress oder Anzeichen von
Leiden. Medaka wird auch in Verhaltensstudien als Modelsystem untersucht.
Verschiedene Verhaltenstests wurden etabliert um die zugrundeliegende Genetik dieser
komplexen Eigenschaften zu analysieren (Okuyama et al. 2014; Tsuboko et al. 2014).
Medaka, ein genetischer Modellorganismus
Die Medaka-Zucht ist ein traditionelles Hobby in Japan, die bis in das 16. und 17.
Jahrhundert
zurückdatiert.
Dementsprechend
gibt
es
natürliche
Pigmentationsmutationen, die über die Jahrhunderte isoliert wurden und die Grundlage
für genetische Studien legten. In 1921 wurde die Mendelsche Vererbung dieser
Merkmale nachgewiesen inklusive der geschlechtsgekoppelten Vererbung. Da Medaka
einen klaren Geschlechtsdimorphismus zeigt, ist die Medaka-Geschlechtsbestimmung
in großen Details studiert worden und führte zur Entdeckung des männlichen
Determinationsgens DMY.
Medaka ist sehr tolerant im Hinblick auf Inzucht. Über die Jahrzehnte wurde eine große
Zahl von Wildfängen gesammelt und als Laborstämme und hoch-ingezüchtete Stämme
etabliert, die in manchen Fällen über mehr als 80 Generationen durch Bruder/Schwester-Kreuzung ingezüchtet wurden und deshalb isogen sind. Gegenwärtig gibt
es ungefähr 14 Inzuchtstämme und mehr als 60 Wildtypstämme aus den Nord- und
Süd-Populationen (NBRP Zentrum für Medaka Stämme in Okazaki, Japan;
http://www.shigen.nig.ac.jp). Medaka als Modellsystem ist daher besonders geeignet für
genom- und populationsgenetische Studien. Die etablierten Medaka Inzuchtstämme
unterscheiden sich in Morphologie, Verhalten und Physiologie (Takeda and Shimada
2010; Tsuboko et al. 2014). Diese Unterschiede sind subtil und erfordern deshalb keine
speziellen Anforderungen bezüglich Zucht und Haltung. Es ist jedoch wichtig, dass man
potentielle Einflüsse auf wissenschaftliche Studien in Betracht sieht und sie deshalb bei
der Planung von Experimenten berücksichtigt. Die Verbreitung von Medaka über ein
grosses Gebiet das leicht zugänglich ist erlaubt es Forschern, neue Wildfänge zu
44
International Zebrafish Medaka Course IZMC
sammeln, zu analysieren und zu evaluieren, wie z.B. um die Interaktion einer
Population mit ihrem Habitat zu untersuchen.
Beschaffung und Transport
Wie oben beschrieben sind über das Medaka Resourcenzenter in Okazaki eine grosse
Anzahl von Wild- und Inzuchtstämme erhältlich. Deshalb sind ausser für
Populationsgenetische Feldstudien in den meisten Fällen keine Wildfänge nötig.
Medaka sind sehr anspruchslose Fische und einfach zu züchten. Die Generationszeit
ist für die meisten Stämme bei 280C. Somit ist es einfach eine ausreichende Zahl von
adulten Fische zu halten, wodurch in vielen Fällen der Versand von Medaka unnötig ist.
Adulte Medaka lassen sich ohne Probleme transportieren; aus diesem Grund wurden
sie auch als Knochenfisch Model für Weltraumflüge gewählt (siehe unten). Adulte
Medaka sollten in passenden Behältern transportiert werden, welche die Fische
schützen und Temperaturschwankungen verhindern, wie zum Beispiel geschlossene
Kunststoffbehälter in Styroporschachteln. Der Behälter (2 Liter für bis zu 5 adulte
Medaka) sollte bloss zur Hälfte gefüllte werden um ausreichende Sauerstoffversorgung
zu gewährleisten. Vor dem Transport sollten die Fische 24 Stunden nicht gefüttert
werden, ansonsten werden Fäkalien das Wasser unnötig belasten. In den meisten
Fällen ist es jedoch nicht notwendig agulte Medaka zu verschicken. Die externe
Befruchtung und die extrauterine Entwicklung der dotterreichen Eier ermöglichen einen
unproblematische Transport von befruchteten Eiern. Der Embryo ist gut geschützt durch
das harte Chorion. Zudem schlüpfen Medaka Larven erst nach 7 bis 10 Tage bei 280C.
Somit sind auch längere Transportzeiten möglich bevor die empfindlichen Medaka
Larven schlüpfen.
1994 wurden 4 Medaka-Fische an Bord des Space Shuttle Columbia in einer 14-Tage
Raumexpedition mitgenommen. Die Fische paarten sich im Weltall und produzierten
gesunde Nachkommen, die im Orbit schlüpften. Somit war gezeigt, dass Schwerkraft
nicht notwendig ist für die Embryonalentwicklung. Somit repräsentiert Medaka den
ersten Vertebraten, der sich im Weltall gepaart hat. In 2012 kehrte Medaka zurück ins
Weltall an Bord der Sojus TMA-06M Raumschiffes und wurde in der internationalen
Space-Station ISS Raumstation gehalten. Dieses Mal lag der Fokus auf dem Studium
des Einflusses von Schwerkraft auf die Knochenbildung.
Paarung und Frühentwicklung
Medaka legen Eier entsprechend der Photoperiode, d. h. in der freien Wildbahn findet
die Reproduktion im Sommer statt. Daher werden sich Medaka nur paaren wenn die
tägliche Lichtperiode länger ist als die Nachtperiode. Im Labor, wie auch in der freien
Wildbahn werden sich Medaka unter 14 Stunden Licht- und 10 Stunden Dunkel
Bedingungen jeden Tag paaren. Jedoch wird kontinuierliche Paarung für mehr als 2
Monate die Fische erschöpfen. Männchen und Weibchen sollten für mehrere Wochen
getrennt werden, um eine zu hohe Belastung zu vermeiden und wenn möglich unter
Nicht-Reproduktionsbedingungen (d. h. 10 Stunden Licht, 14 Stunden Dunkel) gehalten
werden. Wie im Zebrabärbling paaren sich Medaka bei Beginn der Lichtperiode. Das
Paarungsverhalten besteht aus einer festen Sequenz von Verhaltensmustern, in denen
das Männchen sich dem Weibchen der Wahl nähert und versucht dieses zur Paarung
zu bewegen. Diese Sequenz beinhaltet die Annäherung an das Weibchen und das
Schwimmen im Kreis unter dem Weibchen. Wenn das Weibchen positiv auf den
männlichen Tanz antwortet, erlaubt sie diesem die Annäherung. Das Paar schwimmt
dann Seite an Seite, woraufhin das Männchen mit seiner dorsalen Flosse das
Weibchen umfasst. Das Weibchen scheidet dann die Oozyten aus, die anschliessend
45
International Zebrafish Medaka Course IZMC
vom Männchen befruchtet werden während sie noch am Weibchen hängen. Das
Weibchen trägt die Eier für mehrere Stunden mit sich bevor sie abgestreift werden. Das
Gelege ist normalerweise 10 bis 40 Eier groß – abhängig von der Größe und dem Alter
des Weibchens. Unter Laborbedingungen kann sich ein Männchen mit mehreren
Weibchen pro Tag paaren.
Die Eigröße von Medaka ist ungefähr 1,2 mm. Unbefruchtete Eier sind anfänglich
weisslich trübe und undurchsichtig und werden erst nach der Befruchtung vollständig
transparent; daher ist es leicht, unbefruchtete Eier in einem Gelege zu erkennen. Bei
28°C beginnt die Gastrulation ungefähr nach 10 Stunden, die Neurulation nach 20
Stunden und Organogenese nach ungefähr 1,4 Tagen. Medaka schlüpft nach 7 bis 8
Tage als voll entwickelter Jungfisch.
46
International Zebrafish Medaka Course IZMC
5.
Haltung, Züchtung und Fütterung
5.1
Zebrabärbling
(Thomas Dickmeis)
Herkunft und Transport
Zebrabärblinge können leicht im Labor gehalten und gezüchtet werden. Deshalb ist es
im Allgemeinen nicht notwendig, Wildfänge zu erwerben, und die EU-Direktive
2010/63/EU verlangt, das Zebrabärblinge zu Forschungszwecken gezüchtet werden
müssen. Der Transport von Fischen zwischen
Anlagen ist z.B. nötig für die Verteilung von
Mutanten
oder
transgenen
Linien.
Von
Experimenten mit simuliertem Transport wurde
berichtet, dass die Fische sowohl unmittelbar nach
dem Verpacken als auch bei der „Ankunft“ erhöhte
Werte von Cortisol und anderen Stressmarkern
aufwiesen (Dhanasiri et al., 2013). Dieselbe Studie
zeigte
an,
dass
die
Anwendung
eines
nitrifizierenden bakteriellen Konsortiums während
des simulierten Transports die Akklimatisierung
beschleunigen könnte, allerdings steht eine
weitergehende Bewertung der möglichen Vorteile
einer solchen Behandlung noch aus. Wenn man der
etablierten Praxis folgt, scheinen Zebrabärblinge
sogar auf Langstreckenflügen gut zu reisen und
zeigen ein gesundes Aussehen bei der Ankunft
Abb. 12: Schema eines Zirkulierenden
(Reed and Jennings, 2011). Eine dem Versenden
Wassersystems (freundlich zu Verfügung
gestellt von Aqua Schwarz, Göttingen)
von adulten Tieren oft vorzuziehende Alternative ist
das Verschicken von gebleichten Embryos, die
während des Transports schlüpfen. Das vermeidet
mögliche Bedenken bezüglich eines tiergerechten
Transports und reduziert das Risiko einer
Verbreitung von Krankheiten in die empfangenden
Labore.
Zucht und Pflege
Für Forschung, die Fische in kleinen Kolonien
benötigt, können Fischtanksysteme (inklusive
13: Das Tanksystem des “European
Filtersystem,
Lichtund
Hitzeregulation) Abb.
Zebrafish Resource Centre” am KIT.
kommerziell erworben werden. Ein professionelles
Aquariumssystem ist von Nöten, wenn größere Mengen an Mutanten und transgenen
Fischen gehalten werden sollen. Es gibt einige Firmen, die solche Systeme vertreiben
(siehe auch unten, 5.2). Diese Systeme können auf fest installierten Aquarienboxen
beruhen, aber auch flexible Elemente einsetzen, bei denen Plastiktanks auf Regalen an
das Wassersystem angeschlossen werden können. Alle diese Systeme besitzen einen
zirkulierenden Wasserfluss, bei dem das Wasser in die Aquarienboxen geleitet und
über einen Überlauf gesammelt wird. Abfälle wie Fäkalien, Ammoniak und Nitrit werden
über einen biologischen Filter entfernt. Das so gereinigte Wasser wird wieder in die
Tanks geleitet.
47
International Zebrafish Medaka Course IZMC
In diesen Systemen wird das Wasser, bevor es wieder in das Reservoir geleitet wird,
auch regelmäßig mit UV-Licht bestrahlt, um Pathogene und Algenwuchs zu minimieren.
Normalerweise wird pro Tag 5% frisches Wasser hinzugefügt, um Verdunstung zu
kompensieren und Abfälle zu verdünnen. Zirkulierende Wassersysteme brauchen keine
speziellen Vorkehrungen zur Sauerstoffzufuhr, da die permanente Wasserbewegung
und die Passage über einen Trockenfilter dafür sorgen, dass genug Sauerstoff gelöst
wird.
Je nach örtlicher Wasserqualität benutzen einige Labore Leitungswasser ohne spezielle
Aufbereitung. Allerdings sind Spuren von Chlor in Leitungswasser sehr giftig für Fische.
Meistens ist es daher notwendig, Chlor durch einen Aktivkohlefilter großer Kapazität zu
entfernen. Falls das Wasser zu viel Kalziumkarbonat enthält, muss es mit entsalztem
Wasser gemischt werden. Mit dem System verbundene Rohre sollten nicht galvanisiert
oder aus Kupfer sein, da herausgelöste Schwermetalle toxisch für die Fische sind. Für
optimale Wasserbedingungen wird eine Leitfähigkeit von 250 bis 600 µS und ein pHWert von 6,5 bis 8 (Tab.2) gebraucht. Alternativ setzen einige Einrichtungen
deionisiertes Wasser ein, dem eine definierte Salzmischung zugesetzt ist. Eine
wöchentliche Überwachung dieser Parameter (Leitfähigkeit, pH-Wert, Nitrit und Nitrat)
ist zu empfehlen.
Der Zebrafisch stammt aus den Tropen, daher sollte die Wassertemperatur zwischen
26 und 29°C liegen. Um die Wassertemperatur aufrechtzuerhalten, ist es ausreichend,
den Raum zu heizen. Alternativ können auch Heizstäbe in den Wasserreservoirs
eingesetzt werden. Normalerweise kommt es zu einem Gradienten der
Wassertemperatur zwischen den oberen und den unteren Tanks. Des Weiteren erhöht
die Zirkulation des Wassers im Regal die Wassertemperatur leicht. Daher müssen
Temperaturmessungen an verschiedenen Stellen des Systems durchgeführt werden.
Da Zebrabärblinge Schwarmfische sind, hält man gewöhnlich 5 Fische pro Liter
Wasser, aber eine höhere Anzahl von Fischen ist auch möglich, ohne dass diese
Zeichen von Stress zeigen (s. Kapitel 4.1). Zebrafische können auch einzeln und in
Paaren gehalten werden. Dies kann aus experimentellen Gründen notwendig sein, da
geeignete Markierungsmethoden nicht existieren (Reed and Jennings, 2011).Geschieht
dies jedoch über einen längeren Zeitraum, können sie in der Isolation Fett ansetzen und
ihre Fruchtbarkeit verlieren. Gruppenhaltung mit verschieden pigmentierten Stämmen
ist ein einfaches Mittel, den Fisch von Interesse im Schwarm zu erkennen und ihm
gleichzeitig Tankgenossen für das Schwarmverhalten zu bieten.
Es gibt momentan keine klaren Hinweise, dass Umgebungsanreicherungselemente wir
künstliche Pflanzen zur tiergerechten Haltung von Zebrabärblingen beitragen (siehe
Kapitel 4.1). Solche Elemente scheinen eher das Gesundheitsmanagement zu
behindern, indem sie die Inspektion der Fische und Reinigung der Anlage erschweren.
48
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Zebrafische werden im Allgemeinen unter einem 14
Stunden Licht-/ 10 Stunden Dunkelheit- Zyklus gehalten.
Sie laichen problemlos in Gefangenschaft. Das Laichen
wird gewöhnlich initiiert, sobald morgens das Licht angeht,
und dauert ein paar Stunden. Da Zebrafische oft ihre
eigenen
Eier
auffressen,
Abb. 14: Laichschale
sammelt man befruchtete Eier
am besten in einer Laichschale
(Abb.14). Diese enthält ein Bodengitter, durch das die Eier in
den unteren Teil des Tanks fallen können. Dort können sie
von den Eltern nicht mehr erreicht werden. In diesen Tanks
können die Fische paarweise oder in Gruppen verpaart
werden. Durch das Sammeln der Eier in festgelegten
Zeitintervallen für bis zu zwei Stunden nach dem
Lichteinschalten erhält man so leicht mehrere Gruppen sich
synchron entwickelnder Eier. Um die Fruchtbarkeit zu
erhalten, wird angeraten, für längere Zeitperioden nicht öfter
Abb. 15: “Posthornschnecke”
als einmal alle 1-2 Wochen zu kreuzen (Reed and Jennings, Planorbarius corneus halten
die Tanks sauber.
2011).
Die Zebrafische am EZRC werden zweimal täglich mit Flockenfutter, Pellets und frisch
geschlüpften Artemienlarven (Nauplii) gefüttert. Zebrabärblinge bevorzugen an der
Oberfläche schwimmendes Futter oder Futter im Wasser. Allerdings werden die
Artemienlarven auch eifrig in der gesamten Wassersäule gejagt, und dieses durch das
Lebendfutter stimulierte Beutefangverhalten kann als eine effektive Form von
Umgebungsanreicherung angesehen werden. Generell muss man darauf achten, nicht
zu überfüttern, da dies zu Pilzbefall am Tankboden führen kann. Daher müssen
Futterreste und Ausscheidungen regelmäßig entfernt werden.
Alternativ können auch Schnecken (z.B. Posthornschnecke, Planorbarius corneus) in
die Tanks eingesetzt werden (Abb.15). Diese setzen das Futter in granulare Reste um,
die leicht aus dem Tank entfernt werden können. Zusätzlich beseitigen die Schnecken
Algen, die auf den Tankwänden wachsen. Posthornschnecken können in
Tierhandlungen oder über das EZRC erworben werden. Sie können schon als Eier dem
System zugeführt werden, diese müssen vorher jedoch gebleicht werden (siehe
Praktischer Teil, Kapitel 8), um Krankheitserreger abzutöten
Zebrafische erreichen ihre Geschlechtsreife bei einem Alter von 2,5 bis 3 Monaten und
können leicht 3 Jahre alt werden. Ihre Wachstumsrate hängt von der Anzahl der Tiere
im Tank ab. Auch die sexuelle Differenzierung von Jungtieren wird dadurch beeinflusst.
Bei einer geringeren Anzahl von Fischen entwickeln sich die Fische eher zu Weibchen,
während eine größere Anzahl männliche Ausprägung begünstigt. Mit zunehmendem
Alter erreichen die Fische eine Seneszenzphase, die durch charakteristische
Veränderungen der Körperform gekennzeichnet ist. Ältere Fische, die nicht mehr
fruchtbar sind, können Krankheiten übertragen und sollten mit den im Kapitel 6
beschriebenen Methoden entfernt werden.
49
International Zebrafish Medaka Course IZMC
5.2
Medaka Haltung und Züchtung 87
(Felix Loosli)
Medaka kann in handelsüblichen Aquarien ohne Wasserzirkulation gezüchtet werden.
Unter diesen Bedingungen können die Fische bis zu einer Dichte von 1-2 Fischen pro
Liter gehalten werden. Für optimale Bedingungen sollte ein Aquariensystem mit
Wasserzirkulation benutzt werden, bei dem bis zu 5 Medaka pro Liter eingesetzt
werden können. Wird eine Belegungsdichte von 5 adulten Medaka pro Liter in einem
Zirkulationssytem überschritten kann das Stress der Fische zur Folge haben was
Wachstum und Fekundität negativ beeinflusst. Optimale Paarungsbedingungen erhält
man, wenn ein Männchen mit vier bis sechs Weibchen in 4-6 Liter-Tanks gehalten
werden. Medaka sind soziale Tiere und Haltung einzelner Adulter in Isolation über
längere Zeiträume (mehrere Wochen) sollte deshalb vermieden werden. Verschiedene
Firmen bieten Aquariensystem mit Wasserzirkulation an: Müller & Pfleger,
Rockenhausen/Deutschland; AquaSchwarz, Göttingen/Deutschland; Techniplast,
Buguggiate/Italien; AquaticHabitats, Apopka/USA. Ein zirkulierender Wasserfluss ist
allen diesen Systemen gemeinsam. Dieser wird mit biologischen Filtern zur
Aufrechterhaltung der Wasserqualität und der Anreicherung von Sauerstoff kombiniert
Fig. 19). Zusätzlich kann das Wasser durch den Einsatz von UV- Bestrahlung sterilisiert
werden. Die Tankgröße für Medaka kann von 3 bis zu 15 Liter variieren, ja nachdem, ob
die Tanks für die Aufzucht von Jungtieren (3l) für die Paarung (6l) oder die Haltung
erwachsener Tiere für den Bestand gebraucht werden.
Die Standardbedingungen für Medaka-Haltung sind
eine Wassertemperatur von 26°C, ein pH-Wert von
6,8-7,2, Ammoniak und Nitrit < 2ppm, Nitrat <50ppm.
Medaka tolerieren eine weite
Spanne
von
Salzkonzentration im Wasser von 200-600 µS/cm.
Reverse Osmose kann für die Erhaltung einer guten
Wasserqualität eingesetzt werden. Zum Wasser wird
dann soviel Mineralsalz hinzugegeben, dass die
Konzentration 0.3-0.5% beträgt. Alternativ kann
Abb.16: Medaka Tanks am EZRC
deionisiertes Wasser, gemischt mit Leitungswasser
benutzt werden, z.B. 70% entsalztes Wasser und 30% Leitungswasser. Dadurch erhält
man eine gesteigerte Karbonat-Pufferkapazität des Wassers, je nach Wasserhärte.
Falls nötig sollte Chlor mit Kohlefiltern entfernt werden.
Zusätzlich kann das Wasser mit Spurenelementen angereichert werden (z.B. MikroSal,
100 ml/1000l). Beim EZRC werden Leitungswasser und deionisiertes Wasser zu einer
Endkonzentration 300 µS/cm (Leitfähigkeit) gemischt, dann 8 g/1000 l Mineralsalz und
100 mg/l Spurenelemente hinzugefügt. Das führt zu einem Wasser mit einem pH-Wert
von 7 und einer Leitfähigkeit von 300-320 µS/cm. Es ist wichtig, dass keine plötzlichen
Änderungen der Wasserbedingungen auftreten. Daher sollte ein Wasseraustausch nicht
mehr als 30% der Gesamtmenge betragen. Es ist besser, kleinere Volumen Wasser in
kürzeren Zeitabständen auszutauschen, wie z.B. 10% jede Woche. Mit stabilen
Wasserbedingungen, angepasster Fütterung und Schnecken, die den Algenbewuchs
reduzieren und Reste des Futters beseitigen, ist eine Tankreinigung alle 3-4 Wochen
87
Details: ‘A Laboratory Manual for Medaka Biology’, Eds. Kinoshita, Murata, Naruse and Tanaka; Wiley-Blackwell
2009. ISBN 978-0-8138-0871-0
50
International Zebrafish Medaka Course IZMC
nötig (z.B. Entfernen von Algen und Abfällen auf dem Tankboden, Säubern der
biologischen Filter, 20% Wasseraustausch). Die Wasserparameter wie pH-Wert,
Leitfähigkeit, Wasserhärte, Nitrit und Nitrat sollten jede Woche einmal kontrolliert
werden. In den meisten Fällen können Medaka zusammen mit Zebrafischen im System
gehalten werden, da die Anforderungen an Wasser, Licht und Futter sich sehr ähneln.
Mit den in der Tabelle 2 beschriebenen Parametern, beträgt die Lebensspanne eines
Medaka rund 1 Jahr. Medaka können auch unter 10 Stunden hell/14 Stunden dunkel Zyklen gehalten werden, (10L:14D), aber unter diesen Bedingungen findet keine
Paarung statt und der Lebenszyklus verlängert sich auf bis zu 2 Jahre.
In Medaka Fischzuchtanlagen wird auf die Verwendung von Pflanzen und Objekten zur
Bereicherung der Aquarien verzichtet. Dies kann zu grossen Probleme durch
Kontamination führen. Besonders Pflanzen lassen sich nicht sterilisieren. Zudem sind
solche Bereicherungen ein Hindernis bei der Reinigung und führen dadurch zu
zusätzlichen Stress für die Fische da sie die Reinigung unnötig behindern.
Lichtzyklus
14h Licht/ 10 Stunden
dunkel
Medaka sind Kälte/Wärmezonen
empfindlich und zeigen
ein photoperiodisches
Verhalten. Für die
Paarung sind lange
Tage und kurze
Nächte notwendig.
Wasseraufbereitung
Zirkulierendes
Wassersystem, mit
Filter, Biofilter und UVEinheit
Alle 3-4 Wochen ist ein
Wasseraustausch von
20% erforderlich
(nicht 30% auf einmal
Austauschen)
Wasserqualität
26°C, pH: 6,8-7,2,
Ammoniak und Nitrit
<2ppm, Nitrat <50ppm,
200-600 µS/cm
Medaka tolerieren ein
breites Spektrum von
Salzkonzentrationen,
plötzliche Änderungen
sollten jedoch
vermieden werden
Besetzung
5 erwachsene Fische
pro Liter Wasser (hängt
von den
Filterbedingungen und
Tankgröße ab)
Ausgestaltung wird
nicht als wichtig
angesehen (Pflanzen
etc..)
Gestaltung des
Aquariums
Fütterung
Mischung aus
trockenem Futter und
frisch geschlüpften
Artemien
Medaka, die 10h im Licht
und 14 h im Dunkeln
gehalten werden, paaren
sich nicht. Diese Zyklen
können für die Erhaltung
des Bestanden genutzt
werden, da Medaka unter
diesen Bedingungen auch
älter werden.
pH-Wert, Nitrat, Nitrit und
Leitfähigkeit müssen
regelmäßig (1x die
Woche) überprüft und
plötzliche Schwankungen
vermieden werden
In gerade angesetzten
Aquariensystemen öfters
überprüfen, sonst in
längeren Abständen
Die Belegungsdichte
hängt vom Aquarientyp
und Filteranlage ab.
Es gibt keine
Hinweise, dass die
Fische von einer
Ausgestaltung des
Aquariums profitieren
und diese
wahrnehmen
Junge Fische sollten in
der ersten Woche
nach dem Schlüpfen
nur mit Trockenfutter
gefüttert werden
51
Eine Ausgestaltung der
Tanks z.B. mit natürlichen
oder künstlichen Pflanzen
kann hygienische
Probleme hervorrufen
Erwachsene Tiere und
Jungtiere sollten 2-4 mal
pro Tag mit kleineren
Mengen gefüttert werden.
Überfütterung beeinflusst
die Wasserqualität
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Temperatur
25-28°C für alle
Fischstadien, um die
Fortpflanzungsaktivität
von Medaka zu erhalten
Einzelhaltung
Akzeptabel
Laichen
Medaka paaren sich
unter guten
Bedingungen täglich
(14/10h Lichtzyklus, 2528°C) Kürzere Tage
und niedrigere
Temperaturen
verringern die
Paarungsrate
Medaka (eurythermal)
können Temperaturen
zwischen 4-40°C
aushalten. Tiefe
Temperaturen
verlangsamen die
Entwicklung, sind aber
nicht schädlich
Ein Männchen kann
sich mit 4-6 Weibchen
innerhalb von 30 min
paaren, auch wenn die
Fische vorher getrennt
waren
(Faulprozesse)
Medaka sind in der
Wildnis großen
Temperaturschwankungen
ausgesetzt (4-40°C)
Medaka sind soziale Tiere
und längere Haltung in
Gruppen von 4 Fischen in
reduziert Stress
(Einzelhaltung kann
vorkommen, da man
einzelne Fische oft nicht
auseinanderhalten kann)
Wenn Männchen und
Weibchen zusammen
gehalten werden, findet
die Paarung bei
Tagesbeginn statt
Tabelle 2: Medaka Züchtungsbedingungen
Fütterung
Die Wachstumsrate ist von der Anzahl der Fische pro Tank und der Futterbereitstellung
abhängig. Medaka sollten mehrmals am Tag mit kleinen Mengen gefüttert werden, die
innerhalb 5-10 min gefressen werden können. Überfütterung führt zu einer
Verschlechterung der Wasserqualität und löst verstärktes Wachstum der Schnecken
aus. Eine Kombination von Salinenkrebsen und Trockenfutter (z.B. TetraMin Flocken)
ist optimal.
Wir füttern Flocken am Morgen und Abend und Krebse um die Mittagszeit. Krebse
können auch an Jungtiere ab zwei Wochen nach dem Schlüpfen verfüttert werden. Die
Fütterung mit lebenden Salinenkrebsen wird als Bereicherung betrachtet, da dies das
natürliche Fress- und Jagdverhalten stimuliert.
Medaka-Verpaarung, Sammeln der Eier:
Ein Männchen wird im zirkulierenden Wassersystem zusammen mit bis zu vier
Weibchen in einen Tank (~6 l) gesetzt. Das kann entweder am Tag vor dem
Eiersammeln oder am selben Tag geschehen. Für die Gewinnung von befruchteten
Eiern eines bestimmten Stadiums, wie zum Beispiel für Mikroinjektion im 1-2
Zellstadium werden die Fische am besten während der ersten drei Stunden der
Lichtperiode verpaart (z.B. 8.00-11.00 Uhr, wenn das Licht von 8.00- 22.00 Uhr an ist).
Medaka paaren sich, sobald das Licht angeht, oder 15-30 min nachdem man sie
zusammengesetzt hat.
Weibchen tragen die befruchteten Eier für einige Stunden an ihrem Körper. Daher
müssen die Weibchen mit einem kleinen Netz gefangen werden, um mit einem
rostfreien Metallhaken die Eier vorsichtig abzustreifen. Das Weibchen muss so schnell
wie möglich, spätestens aber nach 3-5 Minuten zurück in den Tank gebracht werden
52
International Zebrafish Medaka Course IZMC
um unnötigen Stress oder gar Erstickung zu verhindern. Die Eier kleben aneinander, da
sie Haare auf dem Chorion besitzen, und formen so kleine Haufen. Man muss den
Haken vorsichtig vom Kopf zum Schwanz unter dem Körper des Weibchen bewegen,
um nicht die Kiemen zu verletzen. Der abgestreifte Eierhaufen wird in eine Schale mit
Embryo-Medium (ERM Embryo raising medium) überführt (maximal 30 Eier in 6 cmSchalen oder 100 Eier in 9 cm-Schalen)
Frisch befruchtete Eier sehen milchig aus, werden aber innerhalb von wenigen Minuten
klar. Gleichzeitig härtet auch das Chorion aus, deshalb sind frisch gelegte Eier zunächst
sehr weich. Die Eiklumpen müssen vereinzelt werden (um die Sauerstoffzufuhr
sicherzustellen), indem man die Eier vorsichtig mit dem Finger durch die Schale rollt.
Das reißt die Haare ab und löst somit den Klumpen auf. Für die Mikroinjektion ist es
besser, die Eier auf einem nassen Filterpapier zu rollen, da so mehr Haare entfernt
werden. Unbefruchtete (milchig trübe) Eier werden entfernt und die Schale im Inkubator
(28°C und 14/10h Lichtzyklus) inkubiert. Medaka schlüpfen unter diesen Bedingungen
nach 7-8 Tagen und sind nach 8-12 Wochen geschlechtsreif, je nach Stamm und
Haltungsdichte/Fütterungsweise. 88 89 90 91 92 93
88
Iwahashi H1, Kishi K, Kitagawa E, Suzuki K, Hayashi Y., Evaluation of the physiology of Medaka as a model
animal for standardized toxicity tests of chemicals by using mRNA expression profiling. Environ Sci Technol. 2009
May 15;43(10):3913-8.
89
C. S. Koger, S. J. Teh, and D. E. Hinton, “Variations of light and temperature regimes and resulting effects on
reproductive parameters in medaka (Oryzias latipes).,” Biol. Reprod., vol. 61, no. 5, pp. 1287–1293, Nov. 1999.
90
M. Spivakov, T. O. Auer, R. Peravali, I. Dunham, D. Dolle, A. Fujiyama, A. Toyoda, T. Aizu, Y. Minakuchi, F.
Loosli, K. Naruse, E. Birney, and J. Wittbrodt, “Genomic and phenotypic characterization of a wild medaka
population: towards the establishment of an isogenic population genetic resource in sh.,” G3 (Bethesda), vol. 4, no. 3,
pp. 433–445, Mar. 2014.
91
T. Okuyama, S. Yokoi, H. Abe, Y. Isoe, Y. Suehiro, H. Imada, M. Tanaka, T. Kawasaki, S. Yuba, Y. Taniguchi, Y.
Kamei, K. Okubo, A. Shimada, K. Naruse, H. Takeda, Y. Oka, T. Kubo, and H. Takeuchi, “A neural mechanism
underlying mating preferences for familiar individuals in medaka sh.,” Science, vol. 343, no. 6166, pp. 91–94, Jan.
2014.
92
S. Tsuboko, T. Kimura, M. Shinya, Y. Suehiro, T. Okuyama, A. Shimada, H. Takeda, K. Naruse, T. Kubo, and H.
Takeuchi, “Genetic control of startle behavior in medaka sh.,” PLoS ONE, vol. 9, no. 11, p. e112527, 2014.
93
H. Takeda and A. Shimada, “The art of medaka genetics and genomics: what makes them so unique?,” Annu Rev
Genet, vol. 44, pp. 217–241, 2010.
53
International Zebrafish Medaka Course IZMC
6.
Anästhesie, Analgesie und Euthanasie von Fischen
(Thomas Braunbeck)
Gemäß § 4(1) des aktuellen deutschen Tierschutzgesetztes (BGBl. I S. 1206, 1313),
darf ein Wirbeltier nicht ohne wirksame Schmerzausschaltung (Anästhesie, Definition
siehe unten) getötet werden. Ebenso darf jeglicher experimenteller Eingriff nicht ohne
geeignete Betäubung (§§ 7, 7a) vorgenommen werden. Im Fall, dass eine geeignete
Betäubung nicht möglich ist, muss der Schmerz auf ein Minimum reduziert werden
(Analgesie, Definition siehe unten). Während die Betäubung von warmblütigen
Wirbeltieren, Amphibien und Reptilien generell nur von einem Tierarzt vorgenommen
werden darf, können experimentelle Eingriffe bei Fischen durch entsprechend geschulte
und trainierte Wissenschaftler erfolgen 94 . Die Integration humaner Endpunkte in
Vorschriften für Anästhesie und Euthanasie von Fischen sind ebenso wie die
Diskussionen um Schmerz, Leiden und Stress bei Fischen ein aktueller, dynamischer
Prozess (siehe unten). Eine aktuelle Literaturrecherche ist daher vor der Planung von
Experimenten mit Fischen grundsätzlich unabdingbar.
6.1
Stress und Schmerz in Fischen
Stress: Jede Handhabung und Manipulation induziert Stress bei Fischen. Die am
häufigsten eingesetzten Fischarten wie Zebrabärbling, Medaka und Dickkopfelritze sind
Schwarmfische, so dass bereits eine Haltung in größeren Gruppen
Stresserscheinungen im Zuge der normalen Haltung oder von Manipulationen
reduzieren
kann.
Äußere
Anzeichen
von
Stress
beinhalten
Ataxie
(Bewegungsstörungen) und Tachypnoea (Kurzatmigkeit, Hyperventilation). Ataxische
Fische schwimmen unkoordiniert, in kurzen, sehr schnellen Schwimmstößen und
ändern dabei ständig ihre Schwimmrichtung. Kurzatmige Fische zeigen eine erhöhte
Ventilation der Kiemendeckel (Opercula). Weitere typische Anzeichen für chronischen
Stress sind Farbänderungen sowie Veränderungen der Körperhaltung beim
Schwimmen und der Raumnutzung innerhalb der Wassersäule.
Fortgeschrittene Stadien der Narkose (Definition siehe unten) bringen im Allgemeinen
einen Atemstillstand mit sich. Der Gasaustausch wird reduziert und führt folglich zu
Hypoxie und respiratorischer Acidose, da der Sauerstoffgehalt im Blut abnimmt und
gleichzeitig der CO2-Gehalt im Blut ansteigt. Als Folge des Atemstillstandes kann bei
Behandlung mit fast allen Anästhetika ein Anstieg von Adrenalin und Cortisol im Blut
der Fische gezeigt werden. In den meisten Fällen führt eine verlängerte
94
For general reading on anesthesia in fish, see:
Carter, K.M., Woodley, C.M., Brown, R.G. (2011) A review of tricaine methanesulfonate for anesthesia of fish. Rev.
Fish Biol. Fisheries 21: 51-59.
Fish, R.E., Brown, M.J., Danneman, P.J., Karas, A.Z. (2008) Anesthesia and analgesia in laboratory animals, 2nd
edition. Academic Press, New York.
Iwama, G.K., Ackerman, P.A. (1994) Anaesthetics. In: Biochemistry and molecular biology of fishes, vol. 3
(Hochachka, P. Mommsen, T.; eds.). Elsevier Publ., pp. 1-15.
Neiffer, D.L., Stamper, M.A. (2009) Fish sedation, anesthesia, analgesia, and euthanasia: considerations, methods,
and types of drugs. ILAR J. 50: 343-360.
Ross, L., Ross, B. (2008) Anaesthetic and sedative techniques for aquatic animals, 3rd ed. John Wiley & Sons; 240
pp.
Sneddon, L.U. (2012) Clinical anesthesia and analgesia in fish. J. Exot. Pet Med. 21: 32-43.
Stoskopf, M., Posner, L.P. (2008) Anesthesia and restraint of laboratory fish. In: Fish, R.E., Brown, M.J., Danneman,
P.J., Karas, A.Z. (eds.) Anesthesia and analgesia in laboratory animals, 2nd ed. Academic Press, New York, pp. 519534.
54
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Aufrechterhaltung eines fortgeschrittenen Narkosestadiums
Umspülen der Kiemen zum Tod (siehe unten: Euthanasie).
ohne
permanentes
Schmerz: Seit mehr als 2 Jahrzehnten wird die Frage, ob Fische zur zentralen
Schmerzverarbeitung befähigt sind, diskutiert. Zumindest jedoch exprimieren Fische
sowohl Schmerz- als auch Opioidrezeptoren (mu, delta, kappa), und im Lachs konnten
β-Endorphine gefunden werden, was darauf hinweist, dass Fische über eine
Schmerzempfindung und die Möglichkeit zu leiden verfügen 95.
6.2
Definitionen
Anästhesie (griech. αν-, an-, “ohne”; und αἴσθησις, aisthēsis, “Wahrnehmung”),
beschreibt den Zustand, in dem die Wahrnehmung (inklusiv der Schmerzwahrnehmung)
komplett blockiert oder temporär genommen wird (Narkose). Traditionell ist eine
Anästhesie eine durch Arzneimittel hervorgerufene, reversible Form der Amnesie
(Gedächtnislücke), der Analgesie (zentralnervöse Schmerzausschaltung), des Verlusts
der Reaktionsfähigkeit (Relaxation), des Verlusts der Skelettmuskel-Reflexe, einer
herabgesetzten Stress-Antwort, oder all dies gleichzeitig (Triade der Anästhesie). Dies
kann durch die Gabe eines einzelnen Medikaments erreicht werden, das die
gewünschte Kombination an Effekte herbeiführt (ausbalancierte Anästhesie). Mitunter
wird eine Kombination von verschiedenen Medikamenten wie Schlafmitteln, Sedativa
(Beruhigungsmitteln), Muskelrelaxanzien und Analgetika (Schmerzmitteln) verabreicht,
um eine ganz spezielle Kombination von Effekten zu erhalten. Die Anästhesie erlaubt
für Tiere vergleichsweise schmerz- und stressfreie Eingriffe, Operationen und andere
Maßnahmen. Alternativ könnte Anästhesie daher als „reversibler Bewusstseinsverlust“
definiert werden, der die totale Bewusstlosigkeit (bspw. eine Allgemeinanästhesie oder
Narkose) oder den teilweisen Bewusstseinsverlust eines bestimmten Körperteils (z.B.
durch Spinalanästhesie) beinhaltet. Die schon früher existierende Bezeichnung
Anästhesie wurde 1846 von Sir Oliver Wendell Holmes vorgeschlagen, um genau
diesen Zustand zu beschreiben.
Analgesie (griech. αν-, an-, “ohne”; und ἄλγος álgos „Schmerz” bezeichnet die
Befreiung von Schmerzen, üblicherweise erzielt durch die Gabe von Medikamenten, die
als Analgetikum (Schmerzmittel) wirken. Im Gegensatz zu Betäubungsmitteln
unterdrücken Analgetika die Schmerzwahrnehmung, ohne dabei Bewusstsein,
Sinneswahrnehmung oder andere primäre Funktionen des Zentralnervensystems zu
95
For general reading on anesthesia in fish, see:
Carter, K.M., Woodley, C.M., Brown, R.G. (2011) A review of tricaine methanesulfonate for anesthesia of fish. Rev.
Fish Biol. Fisheries 21: 51-59.
Fish, R.E., Brown, M.J., Danneman, P.J., Karas, A.Z. (2008) Anesthesia and analgesia in laboratory animals, 2nd
edition. Academic Press, New York.
Iwama, G.K., Ackerman, P.A. (1994) Anaesthetics. In: Biochemistry and molecular biology of fishes, vol. 3
(Hochachka, P. Mommsen, T.; eds.). Elsevier Publ., pp. 1-15.
Neiffer, D.L., Stamper, M.A. (2009) Fish sedation, anesthesia, analgesia, and euthanasia: considerations, methods,
and types of drugs. ILAR J. 50: 343-360.
Ross, L., Ross, B. (2008) Anaesthetic and sedative techniques for aquatic animals, 3rd ed. John Wiley & Sons; 240
pp.
Sneddon, L.U. (2012) Clinical anesthesia and analgesia in fish. J. Exot. Pet Med. 21: 32-43.
Stoskopf, M., Posner, L.P. (2008) Anesthesia and restraint of laboratory fish. In: Fish, R.E., Brown, M.J., Danneman,
P.J., Karas, A.Z. (eds.) Anesthesia and analgesia in laboratory animals, 2nd ed. Academic Press, New York, pp. 519534.
55
International Zebrafish Medaka Course IZMC
beeinträchtigen. Zudem
Analgetika nicht blockiert.
werden
Aktionspotenziale
afferenter
Neuronen
durch
Amnesie (griech. ἀμνησία, ἀ “ohne” und μνησία “Gedächtnis”) bezeichnet eine
Gedächtnisstörung, die durch Schädigungen des Gehirns, Krankheiten oder
psychologische Traumata entstehen kann. Auch verschiedene Sedativa
(Beruhigungsmittel) und Schlafmittel können eine kurzzeitige Amnesie auslösen. Im
Wesentlichen ist eine Amnesie der Verlust des Gedächtnisses, welches – je nach
Schwere – entweder komplett oder nur teilweise durch Schädigungen oder Eingriffe
verloren geht.
Sedierung (Beruhigung) ist eine milde Form der Anästhesie, die ausreicht, um
kleinere nicht-invasive bzw. nicht-schmerzhafte Eingriffe wie Handling, Wiegen,
einfaches Markieren und Bildaufnahmen durchzuführen. Aufgrund der hohen
Empfindlichkeit der Haut von Fischen und der starken Produktion von Schleim durch die
Epidermis unter Stressbedingungen kann sogar für normale Handlingprozeduren eine
milde Sedierung notwendig werden. Ein leichtes Beruhigungsmittel in niedrigen
Konzentrationen eines Betäubungsmittels wie MS-222 kann auch den Stress
minimieren, der während einem Transport der Fische entsteht. Bei Eingriffen sollten
Beruhigungsmittel nur in Verbindung mit Lokalanästhetika und Analgetika
(Schmerzmittel) gegeben werden.
Euthanasie (griech. εὐθανασία: “guter Tod”; εὖ, eu: “richtig” oder “gut”; θάνατος,
thanatos: “Tod”) bezeichnet das beabsichtigte Beenden eines Lebens, um Schmerz und
Leiden zu lindern. Im Zusammenhang mit Tierversuchen ist die Euthanasie der Akt des
humanen Tötens oder des Sterbenlassens durch die Unterlassung von umfassenden
medizinischen Maßnahmen. Gründe für eine Euthanasie können unheilbare und
besonders schmerzhafte Zustände oder Krankheiten, der Mangel an Mitteln, um ein
Lebewesen weiterhin am Leben zu erhalten oder geplante Versuchsabläufe sein. Der
Sinn von Euthanasie besteht darin, Stress, Schmerz und Leiden zu minimieren. Man
unterscheidet Euthanasie von Tierschlachtung und Schädlingsbekämpfung, die zum
Teil zwar gleich ablaufen, jedoch aus anderen Gründen als aus Mitleid ausgeführt
werden. Bei Haustieren werden häufig beschönigende Begriffe wie „einschläfern“ oder
„erlösen“ benutzt.
Anästhesie vs. Analgesie: Da Fische vermutliche ebenfalls in der Lage sind, Schmerz
zu empfinden (siehe oben), sollte bei jedem Verfahren mit invasiven Methoden, die in
einem gewissen Maß Schmerzen auslösen können, Vorkehrungen getroffen werden,
um diese zu lindern. In den meisten Fällen beinhalten chemische Anästhetika
schmerzlindernde Inhaltsstoffe, sodass eine Anwendung eines geeigneten
Anästhetikums ebenfalls das Schmerzempfinden reduziert.
6.3
Allgemeine Überlegungen bei der Wahl der Betäubungsmethode
Das ideale Betäubungsmittel sorgt für einen komplett reversiblen und kontrollierten
Verlust des Bewusstseins, ohne dabei Mortalität hervorzurufen. Es sollte in der
Anwendung für Tier und Anwender sicher sein. Anästhetika sollten die Physiologie nur
minimal beeinträchtigen, die Homöostase sollte während der gesamten Anwendung
aufrecht erhalten bleiben. Zusätzlich sollten Stress, Schmerz und Leid für das Tier auf
ein Minimum reduziert werden. Beweggründe für den Einsatz von Betäubungsmitteln
56
International Zebrafish Medaka Course IZMC
sind zum einen ethische Erwägungen, zum anderen die Absicht, die Zustände bei
experimentellen Manipulationen von Fischen zu optimieren.
Bei der Wahl der Betäubungsmethode sind folgende Kriterien zu berücksichtigen:
(1) Ein Anästhetikum soll innerhalb von weniger als 3 Minuten wirken und die
Erholung sollte sich innerhalb von 5 Minuten nach Überführung in reines
Wasser einstellen.
(2) Das gewählte Betäubungsmittel sollte weder für Fisch noch für Anwender
toxische Begleiterscheinungen haben.
(3) Das Anästhetikum sollte biologisch abbaubar sein und Eigenschaften
aufweisen, die es dem Körper nach der Exposition erlaubt, es vollständig aus
allen Körpergeweben auszuscheiden.
(4) Das Anästhetikum sollte keine bleibenden Auswirkungen auf Physiologie,
Immunologie oder Verhalten aufweisen, die die Überlebenschancen verringern
oder die spätere Messungen stören und das Wohlbefinden des Fisches
beeinträchtigen können.
(5) Neben dem Preis-Leistungs-Verhältnis sowie der Verfügbarkeit sollten bei der
Wahl des Anästhetikums Eigenschaften wie Schaumbildung berücksichtigt
werden, da diese den Gas-Transport in und aus dem Wasser verringern
können.
(6) Da die Wirksamkeit der meisten Anästhetika artspezifisch ist und von
Parametern wie Körpergröße, Körperdichte des Fisches wie auch der
Wasserqualität (bspw. Härte, Temperatur und Salinität) beeinflusst wird, ist es
zwingend notwendig, in Vorversuchen mit einer geringen Anzahl von Fischen
die optimale Dosis und Einwirkdauer herauszufinden.
(7) Besondere Aufmerksamkeit sollte der Kontrolle des gewünschten
Anästhetikums
zukommen.
Dies
kann
durch
eine
Betäubungsmittelkonzentration sowie eine genaue Beobachtung
während der Anästhesie erreicht werden, da diese verschiedene
Betäubung (s.u.) durchlaufen.
Levels des
geeignete
der Fische
Stufen der
(8) Wie aus zahlreichen Hinweisen in der Literatur hervorgeht, gibt es kein ideales
allgemeines Anästhesie-Protokoll, da alle derzeit angewandten Methoden in
einem gewissen Maß zu Nebeneffekten führen. Die Wahl des passenden
Anästhesie-Protokolls wird in erster Linie vom Ziel des Experimentes bestimmt.
Einige Nebeneffekte können ‒ je nach Zielsetzung ‒ nicht toleriert werden. Die
folgenden allgemeinen Überlegungen sollten unabhängig vom jeweiligen
Protokoll berücksichtigt werden:
(1)
Gute Planung ist die halbe Arbeit: Optimale Vorbereitung von Fischen,
Medikamenten, Räumlichkeiten und Personal erleichtert die Arbeit.
(2)
Um eine optimale Reproduzierbarkeit von Befunden sicherzustellen,
sollten alle Anästhesieschritte streng einer Standard Operation Procedure
(SOP) folgen.
57
International Zebrafish Medaka Course IZMC
(3)
Bei neuen Anästhesieprotokollen oder Fischarten sollte ein Vorversuch mit
wenigen Fischen durchgeführt werden, bei dem die komplette
Erholungszeit überwacht wird, um sicherzugehen, dass die Dosis und
Methode sicher sind und eine geeignete Betäubungstiefe für die geplanten
Behandlungen erreicht wird.
(4)
Bei die Auswahl von Art und Dosierung der Anästhesie sollten der
Gesundheits- und physiologische Zustand der Fische berücksichtigt
werden.
(5)
Die Haut von Fischen sollte nicht beschädigt werden. Bei der Arbeit mit
diesen Tieren sollten nicht-gepuderte, befeuchtete Handschuhe getragen
werden und auf den Gebrauch von Detergenzien oder Lösungsmitteln
verzichtet werden. Der Gebrauch von scheuernden Materialien, bspw.
trockenen Papierhandtücher, sollte auf ein Minimum reduziert sein.
(6)
Um die Wahrscheinlichkeit von Komplikationen bei der nachfolgenden
Anästhesie zu vermeiden, sollten bereits vor der Einleitung der Narkose
Maßnahmen zur Reduktion von Stress getroffen werden.
(7)
Vor der Anästhesie sollten größere Fische wie Forellen je nach
Körpergröße für bis zu 48 Stunden nicht mehr gefüttert werden. Dies
verringert das Risiko einer Verunreinigung durch Fäzes und das
Erbrechen.
(8)
Für den Transport, die Anästhesie und die Erholung sollte Wasser aus
dem ursprünglichen Aquarium genommen werden. Falls anderes Wasser
genommen wird, müssen die Wasserparameter (z.B. Chlorgehalt,
Temperatur, pH und Ammoniumgehalt) angepasst werden.
(9)
Bei größeren Fischen muss die ausreichende Sauerstoffversorgung
während der Einleitung, der Anästhesie und der Erholung über
Luftpumpen, Belüftungssteine, Ausströmer o.ä. gewährleitet sein.
(10) Die Wassertemperatur sollte während der Behandlung und Erholung an
das Optimum der Tierart angepasst sein.
(11) Eine ausreichende Dosis des Betäubungsmittels im Tier sollte über den
gesamten geplanten Eingriff sichergestellt sein.
(12) Während der Behandlung sollte die Fischhaut feucht gehalten und die
Kiemen unter Wasser liegen oder regelmäßig mit sauerstoffreichem
Wasser gespült werden.
(13) Überwachung von Atemfrequenz und Kiemenfarbe während der gesamten
Betäubung:
a. Beobachtung der Bewegungen der Kiemendeckel- (Opercula = feste
Falte, die die Kiemen bedeckt), um die Atemfrequenz festzustellen;
b. die Kiemen sollten dunkel-pink bis hellrot gefärbt sein;
c. bei extrem schwacher oder aussetzender Atmung sollte der Fisch in
betäubungsmittelfreies Wasser überführt werden, bis die Atmung
wieder einsetzt.
58
International Zebrafish Medaka Course IZMC
(14) Behandlungen nach der Betäubung: Überführung des Fisches in ein
Aquarium mit gut belüftetem unbehandeltem Wasser.
a. Um die Erholung zu unterstützen und zu beschleunigen, sollte ein Fluss
von sauerstoffreichem Wasser an den Kiemen vorbei erfolgen. Dies
kann durch (a) Hin- und Herbewegung des Fisches im Wasser oder, vor
allem bei größeren Fischarten, durch (b) das Öffnen und Schließen des
Mauls erfolgen.
b. Während der Erholung sollte die Wassertemperatur auf das benötigte
normale Optimum der Fischart eingestellt werden.
c. Im Fall von invasiven Methoden sollte die Gabe von Antibiotika bedacht
werden.
(15) In den meisten Gesetzgebungen ist die Entnahme von Blut aus dem
Herzen nur bei betäubten Tieren erlaubt, die im Anschluss getötet werden.
(16) Bei der Arbeit mit Tieren sollte entsprechende Schutzkleidung getragen
werden. Auf Ausrüstung, geeignete Hygiene und die Kenntnis von
möglichen Allergien, Zoonosen und Verletzungsmöglichkeiten ist zu
achten.
(17) Sicherheitshinweise für Anästhetika:
a. Alle Betäubungsmittel sollten sorgfältig genutzt werden und das
dazugehörige
Sicherheitsdatenblatt
(MSDS)
für
weitere
Sicherheitshinweise für den Anwender hinzugezogen werden.
b. Bei der Anwendung von Betäubungsmitteln soll Schutzkleidung,
Handschuhe und Schutzbrille getragen werden. Handschuhe auch bei
der Behandlung von betäubten Tieren tragen.
c. Falls nötig/möglich, sollte eine hoch konzentrierte Stammlösung der
Betäubungsmittel unter dem Abzug angesetzt werden. Dabei sollte die
benötigte Menge an Betäubungsmittel in etwas Wasser gelöst werden.
Hierbei Handschuhe tragen und die Stammlösung so lange rühren, bis
sich alles aufgelöst hat. Für die spezifische Anwendung wird die
Stammlösung entsprechend verdünnt.
d. Die Entsorgung von biologisch abbaubaren Betäubungsmitteln erfolgt
mit einem Überschuss an Wasser über das kommunale
Abwassersystem. Betäubungsmittel dürfen jedoch nicht direkt in
Oberflächengewässer, Regenwasserleitungen oder Auffangbecken
entsorgt werden.
59
International Zebrafish Medaka Course IZMC
6.4
Stadien der Anästhesie
Bei Fischen kann die Tiefe bzw. die Stufen der Anästhesie in verschiedene Stadien
kategorisiert werden (Nummerierung variiert je nach Autor; Tab.3).
Tabelle 3: Stufen der Anästhesie im Fisch
Stadiu
Beschreibung
m
Verhalten des Fischs
Versuch
0
Normal
Aktives Schwimmen; Reaktion auf externe Reize; normales Gleichgewicht;
normaler Muskeltonus
I.1
Leichte
Sedierung
Andauerndes selbstbestimmtes Schwimmen; leichter Verlust auf visuelle
und taktile Reize; normale Atemfrequenz; normaler Muskeltonus
I.2
Tiefe Sedierung
Verlangsamung und Einstellung des selbstbestimmten Schwimmens;
unkoordinierte Bewegungen; kompletter Verlust der Reaktion auf visuelle
und taktile Reize; normales Gleichgewicht; normales Muskeltonus; Reaktion
auf Lage-Veränderungen.
II.1
Leichte Narkose
Eine Phase erhöhter Erregung kann sich in erhöhter Atemfrequenz,
nachlassendem Muskeltonus manifestieren; Fische reagieren noch auf
Lageveränderungen
II.2
Tiefe Narkose,
ToleranzStadium
Keine Antwort auf Lageveränderungen; Abnahme der Atemfrequenz auf den
ungefähren Normalzustand; kompletter Verlust des Gleichgewichts; kein
selbstständiges Aufrichten; verringerter Muskeltonus; schwache Reizantwort
auf starke taktile und schwingende Reize.
externe
Probenahme,
Flossen- und
Kiemenbiospien
III.1
Leichte
Anästhesie
Kompletter Verlust des Muskeltonus; Reaktion auf starken Druck; weitere
Abnahme der Atmungsfrequenz
kleinere
chirurgische
Eingriffe
III.2
Chirurgisches
Stadium:
chirurgische
Anästhesie
Kompletter Verlust von Schmerzsinn und Reaktionsfähigkeit, komplette
Muskelentspannung, verlangsamte Atmung und Herzfrequenz, totaler
Verlust der Reizantwort (→ um Reaktion auf Reize zu ermitteln, kräftiger
Druck auf Schwanzbasis)
für jeden
chirurgischen
Eingriff geeignet
IV
Medullärer
Zusammenbruc
h
Irreversibles Stadium, Überdosis führt letztendlich zum Tod
Euthanasie
Da diese Stadien von der Akkumulation des Anästhetikums abhängen, können die
unterschiedlichen Stadien (a) mit einer erhöhten Dosis oder (b) mit einer erhöhten
Anwendungsdauer beobachtet werden. Die Tiefe der Anästhesie kann leicht anhand
der Kiemendeckel-Frequenz (Atmungsfrequenz) überwacht werden. Die Kiemen sollten
während des gesamten Verfahrens pink bis leicht rot gefärbt sein. Blasse Kiemen sind
ein Zeichen für Sauerstoffmangel, Hypotonie und/oder Anämie.
Die Erholung kann in folgende Stadien eingeteilt werden:
(1) Stadium I: Körper unbeweglich, allerdings setzt die Kiemendeckelbewegung
langsam ein;
(2) Stadium II: regelmäßige Kiemendeckelbewegungen und beginnende
Körperbewegungen;
(3) Stadium III: Gleichgewicht und Zustand vor der Anästhesie ist wieder
hergestellt.
60
International Zebrafish Medaka Course IZMC
6.5
Arten der Anästhesie
Anästhesie kann durch verschiedene Behandlungen hervorgerufen werden:
(1) Inhalation;
(2) nicht-chemische Anästhesie -Methoden;
(3) Injektion des Anästhetikums.
Inhalation
Die am häufigsten genutzte Betäubungstechnik ist die Zugabe eines Anästhetikums
zum Wasser. Dies ist mit der Inhalationsanästhesie bei terrestrischen Tieren
vergleichbar, da das Mittel über das umgebende Medium aufgenommen wird, in den
arteriellen Blutkreislauf eintritt und der Rest bzw. die Metaboliten über Kiemen, Nieren,
Verdauungstrakt und Haut ausgeschieden werden. Nachdem die Fische in das
Erholungsbecken überführt wurden, wird das Betäubungsmittel aus dem Blut
ausgeschieden und die Effekte lassen nach.
Inhalation ist definitiv die einfachste, schnellste und sicherste Methode um Fische zu
betäuben.
Fig.18:.Chemische Struktur von bei Fischen häufig gebrauchten Immersionsanästhetika
Gebräuchliche Betäubungsmittel sind Benzocain, MS-222, Eugenol, 2-Phenoxyethanol
(Bakterizid) oder Quinaldin (Fig. 18). Bei Speisefischen ist vor der Weiterverarbeitung
der Fische ein für den Abbau der Mittel ausreichender Zeitraum obligatorisch, weshalb
großes Interesse an weniger persistenten und natürlicheren Anästhetika wie Nelkenöl
besteht. Parameter, die zur Auswahl des Betäubungsmittel und der Betäubungszeit
herangezogen sollen sind (a) Fischart, (b) Konzentration (je höher, desto
schneller/länger), (c) Körpergewicht (kleinere Kiemenoberfläche steht in Korrelation
zum Körpergewicht, Kiemenpermeabilität), und (d) Wassertemperatur (höhere
Temperatur → höherer Metabolismus → höherer Sauerstoffverbrauch → höhere
Betäubungsmittel-Aufnahme). Für manche Fischarten wie den Aal (Anguilla spec.)
funktioniert die Inhalation nicht besonders gut.
Benzocain wird nicht nur als Betäubungsmittel bei Fischen benutzt, sondern findet auch
als Lokalanästhetikum beim Menschen, als Oberflächenschmerzmittel oder in
Hustenmitteln Anwendung. In vielen freiverkäuflichen Betäubungssalben sowie
61
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Produkten gegen Mundhöhlengeschwüre ist Benzocain der aktive Bestandteil. In
Kombination mit Antipyrinen wird es als A/B-Ohrtropfen gegen Ohrschmerzen und
Ohrschmalz eingesetzt. Benzocain wirkt als Inhibitor von spannungsabhängigen
Natriumkanälen (VDSCs) in Nervenzellmembranen (Verhinderung der Depolarisierung
mittels Blockade des Natrium-Einstroms) und verhindert so die Weiterleitung von
Aktionspotenzialen. Gelöstes Benzocain ist neutral (pH 7) und löst demnach weniger
Hyperaktivität und Anfangsstress aus als gepuffertes MS-222.
Allerdings können einige Fischarten (z.B. der Aal) während niedrigen Stadien der
Anästhesie ihre Bewegungsfunktionen beibehalten, was es in diesen Fällen zu einem
ungeeigneten Betäubungsmittel für operative Eingriffe macht. Benzocain ist in einer
ähnlichen Dosis wie Tricain (MS-222, 25 - 100 mg/L) wirksam. Benzocain ist ein
relatives sicheres Betäubungsmittel, obwohl die Wirkung bei höheren Temperaturen
nachzulassen scheint. Eine Anwendung über einen Zeitraum länger als 15 Minuten gilt
als nicht sicher. Die Wirksamkeit wird nicht von pH oder Wasserhärte beeinflusst.
Benzocain ist kaum wasserlöslich (0,4 g/L bei 5 °C; 1,1 g/L bei 30 °C; meistens
ausreichend für Anästhesie), jedoch löslich in Aceton und Ethanol. Benzocain ist in den
USA nach Angaben der FDA bei Fischen für den menschlichen Konsum nicht
zugelassen.
MS-222 (Tricain, Metacain, Tricain Mesylat, Tricainmethansulfonat, TMS, Finquel) ist
ein weißes Pulver, welches häufig für Anästhesie, Sedierung oder Euthanasie bei
Fischen eingesetzt wird. TMS ist in den U.S. als einziges Betäubungsmittel für
Speisefische zugelassen, wurde jedoch in Kanada verboten. Dieses Mittel kann eine
selektive Toxizität für poikilotherme Tiere aufweisen, da diese eine niedrigere
Metabolisierungsrate in der Leber aufweisen. TMS ist ein Muskelrelaxanz welches
Aktionspotenziale verhindert (Blockierung von Natrium- und in einem kleineren Maß
Kalium-Strömen in Nervenmembranen). Durch das Ausschalten von Aktionspotenzialen
und spontanen Muskelkontraktionen, sowie von Sinneswahrnehmungen und Reflexen,
kann kein Signal zwischen Gehirn und den Extremitäten ausgetauscht werden.
MS-222-Lösungen sollten gepuffert werden, die optimale Konzentration ist 50 70 mg/L. Allerdings variiert dieses Optimum je nach Körpergröße und Fischart sowie
anderen Variablen. MS-222 ist bis zu 1250 g/L gut wasserlöslich. Für ein Review zu
MS-222 siehe 96. Sowohl die Sedierung, als auch die Erholung danach verläuft ziemlich
schnell. Der Sicherheitsfaktor von TMS-222 ist gut. Es ist besonders gut wirksam in
Warmwasser mit niedriger Härte. MS-222 wird innerhalb von 24 Stunden im Fischurin
ausgeschieden und in der gleichen Zeit sinkt der Level innerhalb des Gewebes gegen
Null. Einer der Haupt-Nachteile von MS-222 ist, dass trotz einer tiefen Anästhesie der
Fische die Werte für Stressindikatoren im Cortisol, Glukose und Laktat im Plasma
infolge der Behandlung ansteigen.
Eugenol (4-Allyl-2-methoxyphenol, 4-Prop-2-enyl-2-methoxyphenol, 4-Allylbrenzcatechin-2-methylether, 5-Allylguajacol) ist der aktive Bestandteil des Nelkenöls; der
Name stammt vom wissenschaftlichen Namen der Nelke, Eugenia aromaticum oder
Eugenia caryophyllata. Eugenol ist verantwortlich für das Nelkenaroma; außerdem ist
es der Hauptbestandteil (72 - 90 %) des ätherischen Nelkenöls. Eugenol wird bei der
96
Carter, K.M., Woodley, C.M., Brown, R.G. (2011) A review of tricaine methanesulfonate for anesthesia of fish. Rev.
Fish Biol. Fisheries 21: 51-59.
62
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Herstellung von Parfums, Aromastoffen und ätherischen Ölen gebraucht. Des Weiteren
findet es als lokales Desinfektions- und Betäubungsmittel in der (Zahn-) Medizin
Anwendung.
Derivate des Eugenols werden bei der Herstellung von Insektenlockstoffen, UVAbsorbern, Analgetika, Bioziden sowie Antiseptika eingesetzt. Es hat antibakterielle,
antifungale, apifugale Wirkung und wird als Insektizid, Nematozid und Akarizid
verwendet. Auch in technischen Bereichen findet Eugenol mit seinen Derivaten häufig
Anwendung. Besonders in den Vereinigten Staaten erfreut sich das Nelkenöl einer
wachsenden Popularität als Betäubungsmittel bei Aquarienfischen sowie bei der
Beprobung von Wildfängen für Forschungs- und Bewirtschaftungszwecke. Rezeptfrei in
Apotheken erhältlich, stellt es eine tiergerechte Methode zur Betäubung kranker und
von Parasiten befallener Fische dar. Dies kann entweder durch direkte Überdosierung
geschehen oder durch das Versetzten in einen künstlichen Schlaf, bevor den Fischen
eine Überdosis an Ethanol verabreicht wird. Nelkenöl hat einen sehr hohen
Sicherheitsfaktor; es benötigt jedoch im Vergleich mit MS-222 auch eine relativ lange
Erholungszeit. Der Hauptvorteil des Nelkenöls ist sein geringer Preis, und das sich
angenehm damit arbeiten lässt. Bekannte Nebeneffekte sind die Inhibierung der TumorNekrose-Faktoren COX-1 und COX-2, sowie von Cytochrom P450. Gentoxizität kann
auf Grund einer Aktivierung von Cytochrom P450 auftreten. Dennoch ist Eugenol (oder
das Nelkenöl) vom US FDA-Zentrum für Tiermedizin (FDA/CVM) für Fische als
unbedenklich zugelassen. Für Fische, die für den menschlichen Verzehr bestimmt sind,
ist Nelkenöl jedoch in den USA nicht zugelassen, da vor allem Methyleugenol im
Verdacht steht, kanzerogen zu sein.
2-Phenoxyethanol (2-Phenoxy-1-ethanol, Phenylcellosolve, Phenylglykol, Monophenylglykol, Ethylenglykolmonophenylether) ist ein Bakterizid, das häufig als
Fischbetäubungsmittel und in dermatologischen Produkten in Konzentrationen bis 1 %
eingesetzt wird. Technische Anwendungen reichen von Lösungsmitteln für Färbemittel
und Tinten, über Konservierungsmittel für Printmedien und Insektenrepellents bis hin zu
Fixierungsmitteln in Parfums und Seifen. In der Wissenschaft wird 2-Phenoxyethanol in
biologischen Puffern und Impfstoffen oft als Ersatz für Natriumazid verwendet, weil es
weniger toxisch ist und keine Verbindungen mit Kupfer und Blei eingeht. 2Phenoxyethanol hat einen relativ großen Sicherheitsfaktor, und es sind Effekte von
leichter Sedierung bis hin zu operativer Betäubung bei Konzentrationen zwischen 100 600 mg/L berichtet worden. Konzentrationen zwischen 300 und 400 mg/L sind für
kurzfristige Untersuchungen gebräuchlich, wohingegen geringere Konzentrationen
zwischen 100 und 200 mg/L für längeres Ruhigstellung, z.B. während des Transports,
geeignet sind. Phenoxyethanol ist relativ gut wasserlöslich (26,7 g/L), aber leicht löslich
in Ethanol. 2-Phenoxyehtanol ist von der FDA in den USA für den Gebrauch bei
Fischen, die für den menschlichen Verzehr bestimmt sind, nicht freigegeben.
Quinaldin (2-Methylquinolin) ist ein einfaches Derivat der heterozyklischen Verbindung
Quinolin (Chinolin). Quinaldin wird in Antimalariamitteln, sowie bei der Herstellung von
Färbemitteln und Farbstoffen (z.B. Quinolin Gelb WS), pharmazeutischen Erzeugnissen
und pH-Indikatoren verwende. Quinaldinsulfonat ist ein Betäubungsmittel, das relativ
häufig beim Transport von Fischen Anwendung findet. Auf einigen karibischen Inseln
wird es zum Sammeln von tropischen Rifffischen eingesetzt. Obwohl es ein effektives
Anästhetikum ist, wirkt es auf den Fisch als Reizmittel, hat einen unangenehmen
Geruch und ist kanzerogen. Quinaldin-Lösungen sind sauer und werden daher
gewöhnlich mit Natriumbikarbonat gepuffert. Die Induktion der Narkose dauert 1 bis 4
Minuten und kann leichte Muskelkontraktionen hervorrufen. Die Erholung ist für
63
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gewöhnlich sehr schnell. Die effektive Behandlungskonzentration von QuinaldinLösungen ist artspezifisch, liegt aber generell zwischen 15 und 60 mg/L. Durch
Behandlung mit Quinaldin kann nicht die tiefe Betäubung erreicht werden, die für
Operationen benötigt wird, da gewöhnlich Reflexe erhalten bleiben. Fische, die mit
Quinaldin betäubt wurden, hören nicht auf, ihre Kiemen zu ventilieren. Daher sind sie
nicht so anfällig für Aphyxie (Erstickung) wie bei der Behandlung mit MS-222. Quinaldin
selbst ist praktisch unlöslich in Wasser, kann aber in Ethanol und Aceton gelöst werden.
Quinaldinsulfonat hingegen kann direkt bis 1040 g/L in Wasser gelöst werden.
Metomidat (Methyl-1-(1-phenylethyl)-1H-imidazol-5-carboxylat) wurde extensiv in der
Humanmedizin eingesetzt. Es betäubt Fische ohne den Stress einer erhöhten
Herzfrequenz. Die Induktion ist sehr schnell (1 - 2 Minuten), und auch die Erholung ist
schneller als mit MS-222. Es betäubt Salmoniden bereits in sehr geringen Dosen (2 - 6
mg/L), die auch beim Wels anwendbar sind. Es ist bekannt, dass Metomidat auf große,
Salzwasser gewohnte Salmoniden stärker wirkt als bei Süßwasser-Fingerlingen oder
Parrs. Metomidat ist in den Vereinigten Staaten nicht zugelassen für den Gebrauch bei
Nahrungsmitteln, die für den menschlichen Verzehr bestimmt sind. In Kanada ist
Metomidat dagegen für tiermedizinische Zwecke zugelassen.
Neben diesen häufig verwendeten Anästhetika wurden auch exotischere
Betäubungsmittel erfolgreich zur Sedierung und Narkotisierung von Fischen
angewendet; dazu zählen 2-Amino-4-phenylthiazol, Kohlenstoffdioxid (Karbonsäure;
schwer kontrollierbar!), Natriumbikarbonat, Lidocain-Natriumbikarbonat, Chloralhydrat,
Zyanid,
Tabakextrakte,
Rotenon,
Etomidat,
Fluothan,
Halothan,
Phenthiazaminhydrobromid, Propanidid und Tetraethylenglykoldibutylether. Viele
Betäubungsmittel sind unter verschiedenen Markennamen kommerziell erhältlich (Tab.
4).
Tabelle 4: Häufig verwendete Fischbetäubungsmittel, die unter Markennamen kommerziell erhältlich sind
Produkt
Dosisleistung
Benzocain
Eugenol
Metomedat
MS-222
2-Phenoxyethanol
Anesthesin , Anesthone , Americaine , Orthesin , Parathesin
TM
AQUI-S
TM
TM
TM
TM
TM
TM
Aquacal , Marinil , Methomidate , Methoxynol , Hypnomidate , Amidate
TM
TM
Tricaine-S , Finquel
TM
TM
TM
Phenyl cellosolve , Phenoxethol , Phenoxetol , ethylene glycol monophenyl
ether, and ß-hydroxyethyl phenyl ether
TM
TM
Epontol , Sombrevin
TM
Quinate
Propanidid
Quinaldin
TM
TM
TM
TM
TM
Zudem existiert eine Anzahl an Betäubungsmitteln, die häufig bei terrestrischen
Vertebraten eingesetzt werden, jedoch für Fische nicht zu empfehlen sind. Hierzu
zählen z.B. Chloralhydrat, Chlorbutanol, Diethylether, Halothan, Methylpentynol und
Urethan.
64
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6.6
Dosierung von Inhalationsanästhetika
Bei der Auswahl von Typ und Dosierung des Betäubungsmittels sollten der
Gesundheits- und physiologische Zustand der zu betäubenden Fische berücksichtigt
werden.
Tabelle 5: Empfehlungen für die Dosierung von Inhalationsanästhetika bei Fischen, für artspezifische Informationen siehe
, 98, 99, 100
Wirkstoff
Benzocain
(hydrochlorid)
Ethyl-4-aminobenzoat
Kohlenstoffdioxid
Nelkenöl
(Eugenol)
TM
Aqui-S
Koi Calm
TM
Nelkenöl-Stammlösung
Etomidat
Halothan
Isofluran
Lignocain
(Xylocain,
Lidocain)
2-(Diethylamino)-N-(2,6dimethyl phenyl) acetimid
Metomidat
Methyl-1-(1-phenylethyl)1H-imidazole-5-carboxylat
MS-222
Tricainmethansulfonat
(TMS)
Konzentration Art
Kommentar
25 - 200 mg/L
25 - 50 mg/L
100 mg/L
40 mg/L
55 – 85 mg/L
50 – 100 mg/L
Allgemein
Salmoniden
Tilapia, Wels
Kabeljau
Felsenbarsch
Karpfen
Pufferlösung mit
Natriumbikarbonat
um neutralen pH
zu erhalten; guter
Sicherheitsfaktor
zwischen
effektiver und
letaler Dosis
200 – 1500 mg/L
(1:1 CO2 : O2)
290 - 460 ml/min
6 - 20 mg/L
Salmoniden
20 - 100 mg/L
25 - 120 mg/L
100 - 150 mg/L
40 - 100 mg/L
1 - 7 mg/L
2 - 7 mg/L
1.3 – 2.2 mg/L
1 mg/L
0.5 - 2.0 ml/L
0.4 - 0.75 ml/L
andere
Karpfen
Gabelwels
Allgemein
Salmoniden
tropische Arten
Wels
Felsenbarsch
andere
Karpfen
0.4 - 0.75 ml/L
0.25 - 0.4 ml/L
100 – 250 mg/L
250 mg/L
350 mg/L
100 - 150 mg/L
2 - 25 mg/L
5 - 20 mg/L
7.5 - 10 mg/L
10 – 60 mg/L
5 mg/L
25 - 50 mg/L
80 - 200 mg/L
20 - 85 mg/L
250 - 480 mg/L
150 mg/L
Induktion
Hälterung
Karpfen, Forelle
Wels
Tilapia
andere
Allgemein
Kabeljau
felsenbarsch
Atlant. Heilbutt
Regenbogenforelle
Salmoniden
Tilapia, Wels,
Karpfen,
Atlant. Heilbutt,
Felsenbarsch,
97
Karpfen
alle
97
sehr hoher
Sicherheitsfaktor
besser löslich in
heißem Wasser
direkt ins Wasser
geben (Injektion
unter die
Oberfläche mit
einer 25G Nadel)
oder über
Zerstäuber
siehe oben
1 – 2 mg/kg
Gesamtdosis
nicht
überschreiten
breiter
Sicherheits-faktor;
mit gleicher
Menge an
Natrium-
Iwama, G.K., Ackerman, P.A. (1994) Anaesthetics. In: Biochemistry and molecular biology of fishes, vol. 3
(Hochachka, P. Mommsen, T.; eds.). Elsevier Publ., pp. 1-15.
98
Neiffer, D.L., Stamper, M.A. (2009) Fish sedation, anesthesia, analgesia, and euthanasia: considerations, methods,
and types of drugs. ILAR J. 50: 343-360.
99
Iwama, G.K., Ackerman, P.A. (1994) Anaesthetics. In: Biochemistry and molecular biology of fishes, vol. 3
(Hochachka, P. Mommsen, T.; eds.). Elsevier Publ., pp. 1-15.
100
Neiffer, D.L., Stamper, M.A. (2009) Fish sedation, anesthesia, analgesia, and euthanasia: considerations,
methods, and types of drugs. ILAR J. 50: 343-360.
65
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Wirkstoff
Konzentration Art
Kommentar
75 mg/L
Kabeljau
bikarbonat puffern
(pH 7 – 7.5)
Hälterung
10 mg/L
Salmoniden
Stammlösung
15 - 50 mg/L
1 g/L Spray
1 g/L
Phenoxyethanol
2-Phenoxyethanol
Hälterung
Quinaldin
Quinaldinsulfat
- 0.5 ml/L
mg/L
0.1 - 0.5 ml/L
100 - 200 mg/L
15 - 60 mg/L
15 - 40 mg/L
30 - 70 mg/L
10 - 30 mg/L
25 - 55 mg/L
15 - 70 mg/L
Allgemein
Salmoniden
Karpfen
Sedierung
Sprühen auf
Kiemen
Euthanasie
bakterizide und
fungizide Lösung
allgemein
Salmoniden
Wels
Sonnenbarsch
Felsenbarsch
Forellenbarsch
Tabelle 6: Dosierung der wichtigsten Anästhetika für eine Auswahl häufig gezüchteter Fischarten (mg/L)
Atlantischer Lachs
Regenboge
nforelle
Flusskarpfen
Gabelwels
Nil-Tilapia
Felsenbarsch
Salmo
salar
Oncorhynchus
mykiss
Cyprinus
carpio
Ictalurus
puntatus
Oreochromis
niloticus
Morone
saxatilis
MS-222
40 - 50
40 - 60
100 - 250
50 - 250
100 - 200
100 - 150
Benzocain
40
25 - 50
n.d.
n.d.
25 - 100
50 - 100
Quinaldin
25 - 40
n.d.
10 - 40
25 - 60
25 - 50
25 - 40
2Phenoxyethanol
100 - 200
100 - 200
400 - 600
n.d.
400 - 600
n.d.
Metomidat
2 - 10
5-6
n.d.
4-8
n.d.
7 - 10
Nelkenöl
10 - 50
40 - 120
40 - 100
100
n.d.
60
TM
10 - 50
20
n.d.
20 - 60
n.d.
n.d.
Anästhetikum
Aqui-S
n.d. – nicht ermittelbar
Tabelle 7: Herstellung von Stammlösungen für Tauchbäder von Betäubungsmitteln
Produkt
Dosisleistung
Nelkenöl (Eugenol)
Jeder ml Nelkenöl enthält etwa 1 g Eugenol. Eugenol ist nicht vollständig
wasserlöslich und sollte daher 1:10 mit 95 % Ethanol (1 Teil Nelkenöl, 9 Teile
Ethanol) gemischt werden. Die Stammlösung enthält dann 100 mg/ml Eugenol.
Lösen von 1 g MS-222 (ein 0,5 ml Löffel enthält etwa 400 mg MS-222) und 1 g
Natriumbicarbonat (NaHCO3) in 100 ml destilliertem Wasser. Die Stammlösung
enthält 10 mg/ml MS-222. Die Lösung sollte beschriftet und datiert werden. Sie kann
so in einem lichtgeschützten Behältnis bis zu 3 Monate aufbewahrt werden.
Gewöhnlich wird die Stammlösung mit Ethanol oder Aceton (normalerweise100 g/L)
hergestellt. Sie kann in einem lichtgeschütztem Behältnis für ein Jahr aufbewahrt
werden.
MS-222 (Tricain
methansulfonat)
Benzocain
66
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6.7
Nicht chemische Betäubungsmittel
6.7.1 Hypothermie (rasches Kühlen)
Hypothermie ist eine häufig angewendete Methode, um Fische in Fischzuchten
ruhigzustellen oder zu immobilisieren 101 . Niedrige Wassertemperaturen erhöhen den
Sauerstoffgehalt im Wasser, reduzieren aber gleichzeitig die Schwimmaktivität und den
Sauerstoffverbrauch der Fische. Das Wasser kann durch Abkühlung (Kältetechnik) oder
durch die Zugabe von Eis gekühlt werden. Schrittweises Kühlen wird empfohlen, da
schnelles Abkühlen zu einem Temperaturschock führen kann. Bei typischen
Kaltwasser-Fischarten ist Hypothermie jedoch erst bei Temperaturen unterhalb von 0
°C (-2,0 bis -4,5 °C) wirksam. Dies kann nur durch die Zugabe von 25 bis 90 µg/L Salz
(NaCl) mit anschließender Behandlung mit einem Wärmetauscher erreicht werden. Die
Zugabe von Trockeneis kann zu Hyperkapnie (erhöhter Atmungsaktivität mit hoheCO2-Werten) und sauren Bedingungen führen, wenn es direkt ins Wasser gegeben
wird. Folglich kann Hypothermie nur für typische Warmwasser-Fische empfohlen
werden, da Betäubungseffekte sonst nicht induziert werden können, wenn die
Akklimationstemperaturen unterhalb von 10 °C liegen 102.
Wenn Fische durch das Herabsetzen der Wassertemperaturen immobilisiert werden, ist
der Sicherheitsfaktor ziemlich gering, und Fische können sterben, wenn die Temperatur
zu weit oder zu schnell verringert wird. Deswegen muss die Kühlungsrate sorgfältig
kontrolliert und die benötigte Temperatur konstant gehalten werden. Als Daumenregel
gilt, die Wassertemperatur nicht um mehr als 1 °C pro 15 Minuten zu reduzieren.
Hypothermie führt nur zu einer langsamen, milden Betäubung, die durch
Bewegungslosigkeit, reduzierte Kraftentwicklung und verminderte Nervensensibilität
gekennzeichnet ist 103 .
Aus diesem Grund wird diese Methode oft in Kombination mit chemischen
Betäubungsmitteln angewendet, um die benötigte Betäubungsmittelmenge
herabzusetzen 104, den Sauerstoffverbrauch zu reduzieren und somit die Zeit, in der der
Fisch betäubt sein kann, zu erhöhen. Als Betäubungsmethode ist Hypothermie nicht tief
genug, um längere Operationen durchzuführen 105 . Es wurde auch beobachtet, dass
Hypothermie per se nicht zur Schmerzfreiheit beiträgt 106.
Rasches Abkühlen führt dagegen zu tödlichen Schockzuständen, die durch die Störung
der Osmoregulation hervorgerufen werden 107 . Hypothermie als Betäubungsmethode
kann in Situationen angewendet werden, in der Betäubungsmittel kontraindiziert sind,
101
Hovda, J., Linley, T.J. (2000) The potential application of hypothermia for anesthesia in adult Pacific salmon. N.
Am. J. Aquacult. 62: 67-72.
102
Summerfelt R.C. & Smith L.S. (1990) Anesthesia, surgery and related techniques. In: Methods for Fish Biology
(eds. C.B. Schreck & P.B. Moyle), pp. 213-272. Bethesda MD: American Fisheries Society.
103
Summerfelt R.C. & Smith L.S. (1990) Anesthesia, surgery and related techniques. In: Methods for Fish Biology
(eds. C.B. Schreck & P.B. Moyle), pp. 213-272. Bethesda MD: American Fisheries Society.
104
Erikson, U., Hultmann, L., Steen, J.E. (2006) Live chilling of Atlantic salmon (Salmo salar) combined with mild
carbon dioxide anesthesia. I. Establishing a method for large-scale processing of farmed fish. Aquaculture 252: 183198.
105
Iwama, G.K., Ackerman, P.A. (1994) Anaesthetics. In: Biochemistry and molecular biology of fishes, vol. 3
(Hochachka, P. Mommsen, T.; eds.). Elsevier Publ., pp. 1-15.
106
Matthews, M., Varga, Z.M. (2012) Anesthesia and euthanasia in zebrafish. ILAR J. 53: 192-204
107
Ross, L., Ross, B. (2008) Anaesthetic and sedative techniques for aquatic animals, 3rd ed. John Wiley & Sons;
240 pp.
67
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oder bei Larven einiger Arten, die sehr hohe Dosen chemischer Betäubungsmittele gut
tolerieren können 108. Wenn die Kiemen bei jungen Larven noch nicht aktiviert sind, ist
die Aufnahme von chemischen Betäubungsmitteln auf die Haut beschränkt und deshalb
sehr niedrig. Zu Tötungszwecken ist der Gebrauch von Kälteschocks mit einer sofort
darauf folgenden Mazeration des Schädels durch einen in der Spüle eingebauten
Küchenabfallzerkleinerer als Methode einsetzbar 109.
6.7.2 Elektro-Betäubung
Eine weitere Alternative zu chemischen Betäubungsmitteln ist der Gebrauch von
Elektrizität. Elektrofischen ist eine gebräuchliche Methode, um juvenile und adulte
Fische in der Fischwirtschaft und für Biomonitoringzwecke zu fangen 110. Wechselstrom,
Rechteckwellen von Gleichstrom und gepulster Gleich- und Wechselstrom (Richtstrom)
werden seit vielen Jahren zum Elektrofischen genutzt. Gleichstrom kann zu Anodotaxis
(Bewegung zur Anode hin), Elektronarkose (Betäuben) und Elektrotetanie (tetanische
Muskelkontraktionen) führen, während Wechselstrom nur Elektronarkose und -tetanie
auslöst. Das Ziel der Elektrobetäubung ist es, Elektronarkose herbeizuführen und
gleichzeitig schwere Muskelkrämpfe zu vermeiden, die zu einer Wirbelsäulenverletzung
führen können. Die Reaktion von Fischen auf Elektrizität hängt von der Stärke des
elektrischen Feldes und der Dauer des Schocks ab. Andere Faktoren wie Leitfähigkeit
des Wasers, Temperatur, Größe und Art des Fisches können sich auf die Effektivität
der Elektrobetäubung auswirken. In Meerwasser ist die Elektrobetäubung ineffektiv, da
es im Vergleich zu Fischen deutlich leitfähiger ist. Im Süßwasser sind Fische leitfähiger
als das Wasser; aus diesem Grund ist es sehr einfach, einen elektrischen Strom durch
den Fisch fließen zu lassen.
Fische, die einem schwachen Gleichstrom (z.B. 12 V, 30 - 150 mA) ausgesetzt werden,
werden immobilisiert, allerdings nur so lange, wie sie sich im elektrischen Feld befinden.
Wenn der Strom versiegt, kann der Fisch fast sofort wieder entkommen. Diese Methode
immobilisiert nur und führt zu keiner richtigen Betäubung. Wechselstrom löst eine
kurzfristige Betäubung aus, und das Abschalten des Stroms kann die Betäubung nicht
aufheben. Größere Fische sind schneller betroffen als kleinere; die Betäubungsdauer
nimmt mit der Köperlänge zu. Bei 100 bis 115 Volt hält die Betäubung nur für weniger
als 1 Minute an; höhere Spannungen (220 – 240 V) sind wohl besser geeignet und
können für bis zu 5 Minuten zu einem Reaktionsverlust bei Berührung führen. Für
artspezifische Anforderungen an den benötigten Strom, siehe 111 .
In der Praxis induzieren Elektroschocks in der Regenbogenforelle eine sofortige
Erhöhung von Corticoid- und Laktatkonzentrationen im Plasma, mit anhaltendem
Anstieg von Glucose und Corticoiden im Plasma mindestens bis 6 Stunden nach dem
Fang, sowie kardiovaskulären Veränderungen einschließlich Rhythmusstörungen.
Diese
Reaktionen
werden
Trauma,
Sauerstoffmangel
und
allgemeinen
Adaptionssyndromen zugeschrieben. Elektrobetäubung ist daher eine invasive und
belastende Methode. In der Natur hat Elektrobetäubung eine beträchtliche Auswirkung
108
Massee, K.C., Rust, M.B., Hardy, R.W., Stickney, R.R. (1995) The effectiveness of tricaine, quinaldine sulfate and
metomidate as anesthetics for larval fish. Aquaculture 134: 351-359.
109
Nickum et al. (2004) In: American Fisheries Society, American Institute of Fishery Research Biologists, American
Society of Ichthyologists and Herpetologists. 2004. Guidelines for the Use of Fishes in Research.
110
Reynolds, J. (1996) Electrofishing. In: Fisheries Techniques, 2nd ed. (eds. B. Murphy & D. Willis), pp. 221-253.
Bethesda: American Fisheries Society.
111
Iwama, G.K., Ackerman, P.A. (1994) Anaesthetics. In: Biochemistry and molecular biology of fishes, vol. 3
(Hochachka, P. Mommsen, T.; eds.). Elsevier Publ., pp. 1-15.
68
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auf andere Taxa; es erhöht z.B. den Anteil an abdriftenden Makroinvertebraten um das
10-fache nach dem Schock.
Bei unsachgemäßer Benutzung im Labor kann elektrische Stimulation eine heftige
Muskelantwort auslösen, die verstümmeln oder töten kann. Bei sachgemäßer
Anwendung können dagegen nur wenige schädliche Langzeiteffekte am Fisch
beobachtet werden. Allerdings treten grundsätzlich akute physiologische Störungen auf
und es gibt Hinweise für eine erhöhte Anfälligkeit zur Prädation während der
Erholungsphase nach dem Elektrofischen. Außerdem, sollte auf die Sicherheit des
Anwenders geachtet werden, wenn mit Elektrizität gearbeitet wird.
6.8
Injektion von Betäubungsmitteln
Besonders bei größeren Fischarten kann die Injektion der Inkubation in
Betäubungsmittel vorgezogen werden. Es gibt zwei geeignete Stellen zur Injektion in
aktiven/ freischwimmenden Fischen:
(1) I.M. = intramuskuläre Injektion (wenn möglich, in die gut durchblutete rote
Muskulatur; gewöhnlich auf ziemlich kleine Volumina begrenzt);
(2) I.P. = intraperitoneale Injektion in die sekundäre Leibeshöhle (gewöhnlich
größere Volumina als bei der I.M.-Injektion).
Da das Ausmaß an roter Muskulatur sehr stark von der Lebensweise und Spezies des
Fisches abhängt, tritt eine beträchtliche Artabhängigkeit auf. Normalerweise sollten I.M.Injektionen auf große Dauerschwimmer wie Thun oder Lachs beschränkt werden. In der
Praxis können große freischwimmende Fische (z.B. Thun) nur mit Hilfe von PressluftPfeilen mit Betäubungsmittel injiziert werden, die von Harpunen abgefeuert werden,
sobald der Fisch im Netz gefangen ist. In Gefangenschaft können große Individuen
auch mittels eines automatisch auslösenden Narkosestabs, der mit einer Spritze
beladen ist, betäubt werden.
Häufig verwendete Betäubungsmittel für die intraperitoneale (I.P.) Injektion sind
(1) Ketamin HCl (Detomidin; N-Methyl-D-Aspartat (NMDA) Rezeptorantagonist)
(2) Xylazin HCl (α-2 Adrenozeptor-Agonist)
(3) Detomidin HCl (α-2 Adrenozeptor-Agonist)
(4) Medetomidin HCl (α-2 Adrenozeptor-Agonist)
(5) Propofol (wirkt auf die γ-Aminobuttersäure (GABA)-Rezeptoren)
Die normale Vorgehensweise ist, (1) den Fisch zu wiegen, (2) die
Betäubungsmittelkonzentration in Abhängigkeit des Gewichts zu berechnen, (3) das
angefärbte Betäubungsmittel intraperitoneal zu injizieren, (4) zu warten, bis der Fisch
sein Gleichgewicht verliert, (5) die geplanten Eingriffe vorzunehmen (z.B. Blutproben,
EKG, Impedanz, etc.), und (6) die Erholung abzuwarten. Tab. 8 gibt Empfehlungen für
die Dosierung von Betäubungsmitteln, die via Injektion verabreicht werden
69
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Tabelle 8: Empfehlungen für die Dosierung einiger Injektionsbetäubungsmittel für Fische
Wirkstoff
Dosisleistung
Art
Ketaminehydrochlorid
66 – 88 mg/kg I.M.
130 mg/kg I.M.
30 mg/kg I.M.
30 mg/kg I.M.
1 – 2 mg/kg I.M.
Allgemein
Rgenbogenforelle
andere Salmoniden
Cichliden
Ketamin
kombiniert mit
Medetomidin
aufgehoben mit
Atipamezol
Saffan
0.05 – 0.1 mg/kg I.M.
0.2 mg/kg I.M.
12 mg/kg I.M.
Alphaxolon
Alphadolon
Tabelle 9: Empfehlungen für die Dosierung von Analgetika für Fische
Wirkstoff
Dosisleistung
Art
Kommentar
Buprenorphin
Butorphanol
Regenbogenforelle
Allgemein
Koi
Regenbogenforelle
reduzierte Aktivität
Carprofen
Ketoprofen
0.01 - 0.1 mg/kg I.M.
0.05 - 0.1 mg/kg I.M.
0.4 mg/kg I.M.
1 - 5 mg/kg I.M.
2 mg/kg I.M.
Lidocain
0.1 - 2 mg/kg I.M.
Regenbogenforelle
Zebrabärbling
niedrige Aktivität
entzündungshemmender
Effekt
Tabelle 10: Empfehlungen für die Dosierung von Notfallmedikamenten im Fisch
Wirkstoff
Dosisleistung
Doxapram
Epinephrin
5 mg/kg I.V., I.P.
0.2 – 0.5 ml I.M., I.C.,
I.V., I.P.
Art
Kommentar
Atemdepression
Herzstillstand
I.M. – intramuskulär; I.C. – intrakardial; I.V. – intravenös; I.P. – intraperitoneal
6.9
Andauernde Betäubung und deren Überwachung
Im Falle von komplizierteren Eingriffen oder bei mehrmaligem Beproben müssen
Maßnahmen ergriffen werden, um Sauerstoffmangel, aber auch einem zu frühen
Erwachen aus der Narkose vorzubeugen. In solchen Fällen muss eine künstliche
Ventilation während des Eingriffs eingesetzt werden. Bei größeren Fischen kann die
Betäubung mit Hilfe eines Elektrokardiogramms überwacht oder die Impendanz
gemessen werden. Nach dem Erwachen können etliche Stressindikatoren den Stress,
der durch die Betäubung entstanden ist, widerspiegeln, z.B. können Catecholamine
(Adrenalin, Noradrenalin) via HPLC oder Steroidhormone via ELISA bestimmt werden.
Wie bereits erwähnt, zeigen nahezu alle Methoden, die im Augenblick angewendet
werden, einen gewissen Grad an Nebeneffekten (Tabelle 11; für artspezifische
Information siehe 112).
Tabelle 11: Auswahl an gut dokumentierten Nebeneffekten einiger gebräuchlicher Fisch Anästhetika 113
112
Neiffer, D.L., Stamper, M.A. (2009) Fish sedation, anesthesia, analgesia, and euthanasia: considerations,
methods, and types of drugs. ILAR J. 50: 343-360.
70
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Dosis
(mg/L)
Nebeneffekte
Betäubungsmittel
Initialeffekte
Sekundäre Effekte
MS-222
50 – 400
Herzrasen; erhöhte
Atmung;
Hyperglykämie
Benzocain
25 – 150
Herzrasen; erhöhte
Atmung;
Hyperglykämie
Nelkenöl
4 – 150
Eugenol
Metomidat
20 – 200
0.06 – 10
2-Phenoxyethanol
0.25 – 600
Quinaldin
Quinaldinsulfat
10 – 50
5 – 100
Erniedrigte
kardiovaskuläre
Antwort;
Hyperglykämie; erhöhte Laktat-, Hämatokrit- und
Anschwellen
von
Catecholamin-Werte,
Erythrozyten
Erniedrigte
kardiovaskuläre
Antwort;
Hyperglykämie; erhöhte Laktat-, Hämatokrit- und
Anschwellen
von
Catecholamin-Werte,
Erythrozyten; unterdrückte Immunfunktion
Erniedrigte Ventilationsrate und kardiovaskuläre
Antwort
Erhöhte Catecholamin- und Hämatocrit-Werte
Reduzierte Nebennieren-Steroid-Produktion, die zu
einem reduzierten Cortisolwert führt; verringerte
Atem- und Herzfrequenz; verminderter pH des
Blutes; Sauerstoffunterversorgung
Erniedrigte
Ventilierungsrate,
Herzfrequenz,
Blutdruck
und
Blut
pH;
erhöhte
Nebennierenhormone; Hyperglykämie; reduzierte
Immunfunktion
Erniedrigte Herzfrequenz und Atemfunktion
Erhöhte Cortisol und Immunglobin M Werte im
Serum; Hyperglykämie
Herzrasen
Die genannten Dosen sind nicht für alle Arten oder unter allen Bedingungen (z. B.
Temperatur, Körpergröße, physiologischer Zustand muss vorher überprüft werden)
anwendbar. Wenn mit unbekannten Arten oder Wirkstoffen gearbeitet wird, sollte
zuerst die geringste Dosis und eine kleine Zahlen an Fischen genutzt werden, um die
Effektivität des Betäubungsmittels zu überprüfen.
6.10
Euthanasie
Das Ziel der Euthanasie ist es, ein Tier auf humane Weise zu töten. Für Versuche mit
Tieren gilt, dass die Euthanasie professionell und so früh und so schnell wie möglich
unter Anwendung für die verwendeten Laborfischarten geeigneterer Methoden
durchgeführt werden sollte, sobald erkannt wird, dass eine Euthanasie notwendig wird.
Da sich das Wohlergehen von Fischen unter experimentellen Bedingungen jederzeit
verschlechtern kann, sollte jederzeit in Euthanasie geschultes Personal verfügbar sein.
Es sollte in jedem Fall darauf geachtet werden, dass bei der Euthanasie jeder Schaden,
Schmerz oder Leid des Fisches auf ein absolutes Minimum beschränkt wird. Allgemeine
Regeln für die Euthanasie 114 sind identisch mit denen, die bereits für die Betäubung
aufgelistet worden sind. Gleichermaßen entsprechen die Methoden für die Euthanasie
denen für die Anästhesie: Inhalation (Inkubation) oder Injektion (gewöhnlich durch eine
Überdosis an Betäubungsmittel), anhaltende Hypothermie oder elektrischer Strom. Die
Überdosierung von immobilisierenden Medikamenten ist eine akzeptable Art der
Euthanasie 115 .
Die
häufigste Wahl fällt
auf
den Gebrauch
von
Immersionsmedikamenten (und besonders MS-222), die 5 bis 10-fach höher
113
Sneddon, L.U. (2012) Clinical anesthesia and analgesia in fish. J. Exot. Pet Med. 21: 32-43.
AVMA − American Veterinary Medical Association (2013) Guidelines on Euthanasia of animals: 2013 edition.
Available online under http://www.avma.org/issues/animal_welfare/euthanasia.pdf, as accessed January 1, 2014.
115
AVMA − American Veterinary Medical Association (2013) Guidelines on Euthanasia of animals: 2013 edition.
Available online under http://www.avma.org/issues/animal_welfare/euthanasia.pdf, as accessed January 1, 2014.
114
71
International Zebrafish Medaka Course IZMC
konzentriert werden als der artspezifischen Betäubungskonzentration entspricht, obwohl
injizierbare Wirkstoffe genauso effektiv sind. Die Fische sollten noch 5 bis 10 Minuten in
der Betäubungslösung verbleiben, nachdem die letzten Bewegungen des Operculums
beobachtet worden sind (außer bei Arten mit RAM-Ventilation). Dies stellt in
gewöhnlich, aber nicht immer, sicher, dass der Fisch gestorben ist. Alternative effektive
Methoden sind Genickbruch, Durchtrennung der Wirbelsäule, und Ausbluten, die alle
bei tief betäubten Fischen angewendet werden können. Erst seit kurzem existieren
Zweifel über die Eignung von MS-222 als Wirkstoff für Ruhigstellung, Betäubung und
Euthanasie in Fischen, da in Zebrabärblingen, die MS-222 ausgesetzt waren,
Vermeidungsverhalten beobachtet wurde 116 117 118.
Besondere Sorgfalt sollte aufgewendet werden, um geeignete Sedierung und
Schmerzfreiheit vor der Euthanasie zu gewährleisten. Die Wahl eines geeigneten
Protokolls hängt primär vom Zustand und der Art des Fisches ab. Die Kriterien hierfür
sind praktisch identisch mit jenen für die Wahl geeigneter Betäubungsmethoden. Nach
dem Abtöten sollten die Überreste nach den gebräuchlichen Vorgaben entsorgt werden.
Normalerweise sollte ein Fisch in einer dafür geeigneten Einrichtung eingeäschert
werden. Bei genetisch veränderten Fischen müssen zusätzliche Vorschriften beachtet
werden.
6.11
Anästhesie und Euthanasie beim Zebrabärbling
Nach der neuesten Übersicht über Betäubung und Euthanasie bei Zebrafischen durch
Matthews & Varga 119 , ist MS-222 das am häufigsten gebrauchte Beruhigungs- und
Betäubungsmittel beim Zebrabärbling. Die Dosis-Wirkungs-Beziehung von MS-222
hängt von Alter, Größe und metabolischem Zustand ab. Eine Zunahme der Sensitivität
gegenüber MS-222 konnte in 3 bis 9 Tage alten Larven beobachtet werden,
wahrscheinlich durch die Veränderungen der Detoxifizierungsaktivität in der Leber.
Mittlere tödliche Konzentrationen bei 4 bis 7 Tage alten Zebrabärblingslarven deuten
auf fundamentale Veränderungen in der Entwicklung hin, die mit der Reifung der
Kiemen 120 und der Leber 121 , 122 einhergehen. MS-222 wird häufig für die Sedierung
(0,01 mg/ml 123), die Betäubung (0,168 mg/ml 124) und das Abtöten (0,2 – 0,3 mg/ml 125)
von Zebrabärblingen verwendet.
116
Nordgreen, J., Tahamtani, F.M., Janczak, A.M., Horsberg, T.E. (2014) Behavioral effects of the commonly used
fish anesthetic tricaine methanesulfonate (MS-222) on zebrafish (Danio rerio) and its relevance for the acetic acid
pain test. PLoS ONE 9(3): e92116. doi:10.1371/journal.pone.0092116
117
Readman, G.D., Owen, S.F., Murrell, J.C., Knowles, T.G. (2013) do fish perceive anesthetics as aversive? PLoS
ONE 8(9): e73773. doi:10.1371/journal.pone.0073773
118
Wong, D., von Keyserlingk, M.A:G., Richards, J.G., Weary, D.M. (2014) Conditioned place avoidance in zebrafish
(Danio rerio) to three chemcials used for euthanasia and anesthesia. PLoS ONE 9(2): e88030.
doi:10.1371/journal.pone.0088030
119
Matthews, M., Varga, Z.M. (2012) Anesthesia and euthanasia in zebrafish. ILAR J. 53: 192-204
120
Shadrin, A.M., Ozernyuk, N.D. (2002) Development of the gill system in early ontogenesis of the zebrafish and
nine-spine stickleback. Ontogenez. 33: 118-123.
121
Field, H.A., Ober, E.A., Roeser, T., Stainier, D.Y. (2003) Formation of the digestive system in zebrafish. I. Liver
morphogenesis. Dev. Biol. 253: 279-290.
122
Sakaguchi, T.F., Sadler, K.C., Crosnier, C., Stainier, D.Y. (2008) Endothelial signals modulate hepatocyte
apicobasal polarization in zebrafish. Curr Biol. 18: 1565-1571.
123
Trevarrow, B. (2007) Section 7.59. In: The zebrafish book: A guide for the laboratory use of zebrafish (Danio rerio;
Westerfield, M., ed.). Eugene, University of Oregon Press.
124
Westerfield, M. (2007) The zebrafish book: A guide for the laboratory use of zebrafish (Danio rerio). Eugene,
University of Oregon Press.
72
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Im Vergleich mit MS-222 scheint Eugenol mehrere Vorteile für den Zebrabärbling zu
haben, z.B. Verfügbarkeit, geringe Kosten und geringere Betäubungsmittel-Dosen.
Einige Stadien und vollständige Betäubung werden mit vergleichsweise geringeren
Konzentrationen weniger schnell mit Eugenol induziert, jedoch dauert die
Erholungsphase länger als mit MS-222 126. Eine Dosis von 2 - 5 mg/L wird empfohlen,
um adulte Zebrabärblinge ruhigzustellen, 60 - 100 mg/L, um sie zu betäuben 127 . Des
Weiteren hat Eugenol einen besseren Sicherheitsfaktor und scheint die Effekte von
dichtem Besatz und Behandlungsstress bei der Dickkopfelritze (Pimephales promelas)
zu mindern. Diese Annahme beruht auf der Analyse von Cortison-Werten im Plasma
und neutrophilen Funktion, wohingegen bei MS-222 keine Verringerung der
Stressantwort gemessen werden konnte 128,129.
Obwohl es wohl Beweise dafür gibt, dass die Kühlung (Hypothermie) als
Betäubungsmittel bei einigen Arten angewendet werden kann, empfehlen Matthews &
Varga 130 Hypothermie nicht als Betäubungsmethode beim Zebrabärbling. Nach ihrer
Argumentation wird die Kühlung besser zur Immobilisierung verwendet, wo sie deutlich
wirksamer ist als z.B. eine Überdosis MS-222. Im Gegensatz dazu propagieren sie den
Gebrauch von Thermoschock in Kombination mit einer unmittelbaren Mazeration des
Schädels mittels eines in die Spüle eingebauten Häckslers. Dies führt zu einer
sofortigen Zerstörung jeglicher Gehirnfunktion und -aktivität im adulten Zebrabärbling.
Hypothermaler Schock ist anscheinend weniger stressig, führt schneller zum Tod als
das Ausbleiben von Lebenszeichen (Bewegung des Operculums, Gleichgewicht, und
Herzschlag), ist beständiger, leichter durchzuführen und sicherer für das Personal als
der Gebrauch von MS-222 131 . Histopathologische Untersuchungen von adulten
Zebrabärblingen brachten keinen Nachweis von Eiskristallbildung 132.
Für 5 bis 6 Tage alte (‚early stage‘) Embryonen und Larven ist der Gebrauch von MS222 auch in sehr hohen Konzentrationen bis 1000 mg/L keine effektive Methode, um sie
abzutöten, da sie ihren Sauerstoffbedarf über die Haut decken. Daher ist für diese
frühen Entwicklungsstadien hypothermischer Schock eine effektivere Methode, solange
sie für mindestens 20 Minuten inkubiert werden.
Für 1 bis 2 Tage alte Embryonen ist jedoch auch das schnelle Abkühlen keine effektive
Methode zum Abtöten. Es braucht mindestens 5 bis 14 Stunden Exposition, um den
Eintritt des Todes gewährleisten zu können 133 . Daher müssen dem Eiswasser
Chemikalien wie Isopropanol hinzugefügt werden, um den Tod der
Zebrabärblingsembryonen sicher und schnell herbeizuführen.
125
Wilson, J.M., Bunte, R.M., Carty, A.J. (2009) Evaluation of rapid cooling and tricaine methanesulfonate (MS222)
as methods of euthanasia in zebrafish (Danio rerio). JAALAS 48: 785-789.
126
Grush, J., Noakes, D. (2004) The efficacy of clove oil as an anesthetic for the zebrafish, Danio rerio (Hamilton).
Zebrafish 1: 46-53.
127
Grush, J., Noakes, D. (2004) The efficacy of clove oil as an anesthetic for the zebrafish, Danio rerio (Hamilton).
Zebrafish 1: 46-53.
128
Palic, D., Herolt, D., Andreasen, C., Menzel, B. (2006) Anesthetic efficacy of tricaine methanesulfonate,
metomidate and Eugenol: Effects on plasma cortisol concentration and neutrophil function in fathead minnows
(Pimephales promelas Rafinesque, 1820). Aquaculture 254: 675-685.
129
Welker, T., Lim, C., Yildirim-Aksoy, M. (2007) Effect of buffered and un-buffered tricaine methanesulfonate (MS222) at different concentrations on the stress responses of channel catfish, Ictalurus punctatus. J Appl. Aquacult.
130
Matthews, M., Varga, Z.M. (2012) Anesthesia and euthanasia in zebrafish. ILAR J. 53: 192-204.
131
Wilson, J.M., Bunte, R.M., Carty, A.J. (2009) Evaluation of rapid cooling and tricaine methanesulfonate (MS222)
as methods of euthanasia in zebrafish (Danio rerio). JAALAS 48: 785-789.
132
Blessing, J.J., J.C. Marshall, and S.R. Balcombe, Humane killing of fishes for scientific research: a comparison of
two methods. Journal of fish biology, 2010. 76(10): p. 2571-7.
133
Matthews, M., Varga, Z.M. (2012) Anesthesia and euthanasia in zebrafish. ILAR J. 53: 192-204.
73
International Zebrafish Medaka Course IZMC
7.
Verfahren zur Gewährleistung der Gesundheit, dem Wohlergehen und der
Pflege von Zebrafischen (Danio rerio) und Medakas (Oryzias latipes)
(Uwe Strähle, Steffen Scholpp, Sandra Lechleiter)
7.1
Fischkrankheiten 134
7.1.1 Erkennen von typischen Krankheitssymptomen und Krankheitserregern
Hautveränderungen: Manche Erkrankung gehen mit Hauttrübung einher. Die sonst
klare Schleimhaut wird glasig-trüb oder rötet sich und feine Blutgefäße sind plötzlich zu
sehen. Hautentzündungen können auch in Geschwürform auftreten und so tief werden,
dass man die rote Muskulatur darunter sieht. Oder die Schuppen stellen sich teilweise
auf und röten sich. Auch größere Parasiten wie Karpfenläuse und Ankerwürmer können
schon mit bloßem Auge erkannt werden, Auflagerungen wie Hauttumoren sind
gleichfalls sehr auffällig.
Veränderung der Atemfrequenz: Normalerweise atmet ein Fisch ruhig und
regelmäßig, etwa 80 Schläge des Kiemendeckels pro Minute. Beschleunigte Atmung ist
häufig bei Fischen zu sehen, die sich in Richtung des Wassereinlaufes stellen, da dort
meist
das
sauerstoffreichste
Wasser
anzutreffen
ist.
Bei
bestimmten
Kiemenerkrankungen kann einseitiges Kiemendeckelklemmen erkennbar sein. Das
sieht so aus, als ob der Fisch mit nur einer Kieme atmen würde.
Veränderung des Auges: Eingesunkene Augen sind ein Zeichen für todkranke Fische,
die alle Reserven aufgebraucht haben. Glotzaugen, die weiter über den Kopf hinaus
stehen als üblich, können ein Zeichen für Bluthochdruck, aber auch für schwere
Nierenerkrankungen sein.
Veränderung der Körperform: Das kann eine Verkrümmung der Körperachse sein
oder plötzliche Beulen, die den sonst symmetrischen Fisch einseitig verändern.
Abmagerung ist erkennbar, wenn der Fisch hinter dem Kopf sehr schmal wird und die
Rückenmuskeln verschwinden.
Veränderung der Flossen: Flossenstrahlen können rot und entzündet sein, Flossen
reißen plötzlich ein oder sehen ausgefranst aus. Besonders die Schwanzflosse zeigt mit
abgestorbenen Rändern an, wenn der Fisch zu wenig Sauerstoff in den Körper
befördert. Auf den Flossen gibt es auch weiße oder andersfarbige Auflagerungen oder
Verletzungen mit Bruch der Flossenstrahlen. Die Flossenbasis, wo die Flossen
angewachsen sind, kann durch Entzündungen verändert sein, der Fisch klemmt und
schont dann die betroffene Flosse. Bei Parasitenbefall und Unwohlsein durch Kälte oder
Infektionskrankheiten sitzen die Fische häufig am Boden und klemmen alle Flossen ein.
134
http://zebrafish.org/zirc/health/diseaseManual.php
BSAVA Manual of Ornamental Fish, Editor William H. Wildgoose -second edition- British Small Animal Veterinary
Association, 2001, ISBN 0-905214-57-9
Fish Disease - Diagnosis and Treatment, Editor E. Noga -Second edition- Blackwell Publishing, 2010, ISBN 978-08138-0697-6
74
International Zebrafish Medaka Course IZMC
7.1.2
Beschreibung der wichtigsten, relevanten Erkrankungen
Protozoen auf Haut und Kiemen, sog. Hauttrüber
Costia, Chilodonella, Trichodina: Die Symptome sind meist Hauttrübung, Juckreiz mit
Scheuern an Gegenständen, beschleunigte Atmung, Hautrötung, machmal auch
schwarze Flecken in der Haut. Durch mikroskopische Untersuchungen von Haut und
Kiemen kann man den Erreger identifizieren und danach gezielt behandeln. Hauttrüber
sind
typisch
für
suboptimale
Temperaturen
oder
schlechte
Haltungsbedingungen/Hygiene.
Ichthyopthirius multifiliis, Erreger der Pünktchenkrankheit (ich): Weiße Punkte
sind mit bloßem Auge in den Flossen am besten zu erkennen. Meist wird man an die
Weißpünktchenkrankheit denken, verursacht durch den Ciliaten Ichthyophthirius
multifiliis. Sie verursacht starken Juckreiz, Atembeschwerden und Flossenklemmen,
alles Allgemeinsymptome, die für Haut- und Kiemenentzündungen sprechen. Ein
Hautabstrich, der mikroskopisch untersucht wird, hilft, die Diagnose abzusichern. Der
sehr unterschiedlich große (bis 1 mm!) Ciliat bewegt sich mit langsamen
Drehbewegungen im Epithel von Haut und Kiemen. Die größten Stadien besitzen den
pathognomischen hufeisenförmigen Kern. Die Entwicklung erfolgt über ein
Zystenstadium mit intrazellulärer Zellteilung und über hieraus entlassene Schwärmer,
die aktiv im Wasser schwimmen und den Fisch befallen. Dort bohren sie sich in die
Schleimhaut ein und wachsen heran. Ichthyophthirius gilt als echtes Pathogen und
muss wegen seines Entwicklungszyklus mindestens 5 Tage lang behandelt werden.
Die Badebehandlungen können nur die Schwärmerstadien erfassen. UV-Licht tötet die
Stadien im freien Wasser ebenfalls sehr effektiv ab und verhindert daher prophylaktisch
eine Infektion in einem zirkulierenden System.
Samtkrankheit: Der Erreger Piscinoodinium pillulare ist ein Dinoflagellat, der sich sehr
schnell vermehrt und für viele Fischarten ein Pathogen darstellt. Die Haut und Kiemen
werden von Dinosporen befallen, die sich anhaften und vom Epithel ernähren. Im
Gegensatz zu “ich”, lebt der Erreger jedoch auf und nicht in der Schleimhaut. Wie bei
„ich“ gibt es ein Vermehrungsstadium außerhalb des Fische und aktiv bewegliche,
infektiöse Stadien im Wasser. Der gesamte Lebenszyklus dauert bei aquaristischen
Wassertemperaturen zwei Wochen.
Die Symptome sind samtartige Veränderung der Haut und Lethargie, schnelle Atmung
und Tod in kurzer Zeit.
Die Diagnose wird mikroskopisch gestellt: Oodinium ist ein ovaler und nicht aktiv
beweglicher Einzeller, der im Lichtmikroskop weitgehend undurchsichtig erscheint. An
einem Pol ist eine aufgehellte Stelle typisch. Die Infektion der Kiemen geht einher mit
einer auffälligen Epithelhyperplasie, die Hautschleimhäute können blutig erodiert sein.
Da es sich um einen Dinoflagellaten handelt, sind hier nur kupferhaltige Präparate für
die Bekämpfung aussichtsreich.
Protozoen in den inneren Organen
Microsporidien: Mikrosporidien sind Sporentierchen, die intrazellulär in den inneren
Organen leben und einen sehr komplizierten Lebenszyklus durchlaufen. Befallene
Fische können Abmagerung oder Wirbelsäulenverkrümmung zeigen, was jedoch auch
bei anderen Erkrankungen auftreten kann. Untersuchungen haben gezeigt, dass
75
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Zebrafische besonders häufig Pseudoloma neurophila beherbergen, viele auch ohne
jegliche Krankheitssymptome zu zeigen.
Bei Microsporidien gibt ein Sporenstadium, das außerhalb des Körpers überleben kann
und möglicherweise über die Aufnahme mit dem Futter im Darm für andere Fische
infektiös ist. Eine horizontale Übertragung über das Ei wird untersucht. Die Diagnose
kann nativ in Quetschpräparaten von Hirn, Muskulatur, Eierstock und Niere gestellt,
über histologische Untersuchungen mittels HE Färbung, Gramfärbung (z.B. Accustain®
von Sigma-Aldarich) nachgewiesen werden. Die eleganteste Methode ist die PCR, wie
sie am Zebrafish International Resource Center (ZIRC) durchgeführt und auch im KIT
verwendet wird. Die verschiedenen Stadien umfassen ein Sporenstadium mit ovalen
Sporen, die an einem schmalen Pol eine deutliche Vakuole besitzen und ca. 5,4 x 2,7
μm groß sind. Darüber hinaus sind Xenome mit bis zu 16 Sporen im ZNS anzutreffen.
Die Übertragung kann durch UV-Licht verhindert werden, daher ist dies die beste
Prophylaxe. Zudem gelten alle Maßnahmen, die üblich sind, um die Übertragung von
Erregern von einem Stock auf den anderen zu verhindern: Kranke Tiere, die
abgemagert sind oder krumm, sollten tierschutzgerecht getötet werden. Die weiblichen
Laichfische sollten mittels der PCR 4x im Jahr mit statistisch relevanten Probezahlen
untersucht werden (siehe 7.5.). Die Übertragung von Wildfängen auf Labortiere kann
durch ein Hygienemanagement und gut fachliche Praxis vermieden werden. Wildfänge
dürfen nach der Eigewinnung nicht in Systeme mit Laborfischen gesetzt werden. Die
stressfreie Umwelt hilft dabei, Infektionen zum Ausbruch zu bringen.
Metazoen
Myxosporidien: Lange Zeit hat man Myxosporidien als einzellige Lebewesen gesehen.
Sie sind heute jedoch ins Reich der Metazoen eingeordnet. Viele leben in
Organhohlräumen, wie der Gallenblase und den Gallengängen oder der Niere, andere
leben direkt im Gewebe. Sie verursachen in beiden Fällen wenig Gewebezerstörung,
außer wenn große Zahlen von Zysten in lebenswichtigen Organen wie dem ZNS, den
Kiemen oder dem Herzen auftreten.
Der Lebenszyklus ist sehr kompliziert und verläuft über mehrere vegetative Stadien, die
in der Produktion von mehrzelligen Myxosporen enden. Ihre Morphologie wird zur
Diagnose herangezogen. Weitere Stadien befinden sich außerhalb des Wirtes und
meist ist ein Zwischenwirt eingeschaltet, wenn auch einzelne Myxosporidien eine
direkte Entwicklung durchlaufen können. In most cases the infection is asymptomatic.
Die Erkrankung verläuft meist ohne Symptome. Bei histologischen Untersuchungen am
ZIRC sind in Zebrafischen Xenome von Myxidium oder Zschokkella nachgewiesen
worden. Mittels Giemsa-Färbung kann man die Polkapseln und Sporen besser
erkennbar machen. Auch mit den eigentlich für die Blutuntersuchung verwendeten
Testsimplets® kann man die Sporen in 1000-facher Vergrößerung sehr gut sichtbar
machen.
Die Infektion kann mit Naturnahrung (Oligochäten) eingeschleppt werden, ist aber auf
Grund der geringen Pathogenität nicht behandlungswürdig.
Nematoden: Bei Laborfischen sind es besonders die Fadenwürmer aus der Gattung
Capillaria, die relativ häufig sind. Bei Zebrafischen sind Pseudocapillaria tomentosa
nachgewiesen worden. Diese können über einen Zwischenwirt wie Tubifex tubifex,
verbreitet und eingeschleppt werden, es ist aber auch eine direkte Infektion über die
Aufnahme von Eiern möglich. Die adulten Würmer können sich auch in der Körperhöhle
von Zebrafischen aufhalten. Ein Massenbefall im Darm kann chronische Abmagerung
76
International Zebrafish Medaka Course IZMC
hervorrufen, bei Zebrafischen ist zudem eine erhöhte Anzahl von Neoplasien bei
Anwesenheit von Capillaria nachgewiesen worden.
Die Diagnose kann durch Nachweis der typischen Eier (zitronenförmig mit zwei
Polkapseln) in Kotproben oder bei der Sektion in Darmquetschpräparaten oder
Darminhalt gestellt werden. Die Würmer sind nicht mit dem bloßen Auge erkennbar.
Eine Behandlung mit verschiedenen Antihelmintika ist möglich. Da sich die Infektion in
zirkulierenden Anlagen stapelt und eine große Zahl von Eiern im System vorhanden
sein kann, sollte mehrmals behandelt und weitere hygienische Maßnahmen wie
Filterreinigung und häufige Entfernung von Kot durch Absaugen getroffen werden.
Bakterielle Probleme:
Flavobacterium columnare: Columnarisbakterien gehören zu den gefährlichsten
bakteriellen Krankheitserregern, besonders in zirkulierenden Anlagen. Sie können fast
als hospitalistische Keime bezeichnet werden, denn sie neigen zu schneller
Resistenzbildung und können besonders bei der Aufzucht von Fischen sehr pathogen
sein. Futterreste und jede andere Art von Eiweißverbindungen sind die
Nahrungsgrundlage, weshalb gute Hygiene und angemessene Fütterung wichtige
prophylaktische Maßnahmen sind. Die Wasserqualität spielt eine wichtige Rolle,
besonders sollten hohe Ammoniaklevels vermieden werden. Wichtig ist dies gerade
beim Transport, daher sollten die Tiere nicht zu dicht gepackt werden.
Columnarisbakterien können Kiemenentzündungen und -hyperplasien hervorrufen, was
zu schneller Atmung führt. Meist stehen die Tiere dann unter der Wasseroberfläche.
Flossenschäden und -einschmelzungen oder watteartige weiße Beläge können
ebenfalls auftreten. Man erkennt die Bakterien nativ als gleitende Stäbchen, die sich
nach einigen Minuten zu Konglomeraten zusammenballen. Sie sind in den inneren
Organen, besonders in Quetschpräparaten der Milz, bei 400er Vergrößerung gut zu
erkennen. Die Behandlung erfolgt in der Regel mit Chloramin T über mehrere Tage.
Fischtuberkulose: Die Fischtuberkulose wird durch atypische Mykobakterien
ausgelöst. Es handelt sich um Wasser- und Bodenkeime, die auf der ganzen Welt
vorkommen und in praktisch allen Wildfängen häufig ohne Krankheitssymptome
schlummern. Jede Form von Stress kann die in Granulomen abgekapselten Bakterien
zur Vermehrung anregen und eine akute Erkrankung meist nur einzelner Tiere
auslösen. Zu den wichtigsten Vertretern gehören Mycobacterium marinum und M.
fortuitum. Die Fischtuberkulose ist die einzige Zoonose bei der Haltung
von
Zebrafischen oder Medaka. Sie verursacht chronische Hautentzündungen im Bereich
der Hände oder der Arme, wo der Fischpfleger häufig kleine Wunden hat, die eine
Eintrittspforte für die säurefesten Bakterien darstellen. In der Regel beschränkt sich die
Infektion des Menschen auf Hautveränderungen. Symptome bei den erkrankten
Fischen gehen einher mit Schuppensträube, Rückgratverkrümmung, Hautgeschwüren
oder chronischer Abmagerung, je nachdem, welches Organsystem befallen ist. Bei der
Untersuchung sollte man die Milz, die Kopfniere und die Gonaden sorgfältig
untersuchen oder für die Histologie konservieren.
Die Verdachtsdiagnose kann beim Nachweis der typischen Granulome mit
zwiebelschalenartig geschichtetem Bindegewebe um eine gelblich verfärbte zentrale
Nekrose gestellt werden. Der Erregernachweis wird kulturell in spezialisierten Labors,
durch eine Ziehl-Neelson-Färbung mit Nachweis säurefester Stäbchen oder mittels
PCR Technik geführt.
77
International Zebrafish Medaka Course IZMC
7.1.3 Behandlungen
Die Behandlung sollte nur nach exakter Krankheitsdiagnose erfolgen. Eventuell muss
alternativ eine Bestandstötung abgewogen werden, z.B., um eine Kontamination ganzer
Anlagen zu verhindern, oder wenn eine Therapie nicht aussichtsreich erscheint. Da die
meisten der Präparate verschreibungspflichtig sind, sollte ein Tierarzt eingeschaltet
werden. Dieser muss die Dosierung, Behandlungsart und -dauer festlegen.
Verfügbare Methoden zur Aufrechterhaltung eines angemessenen Gesundheitsstatus
a. Allgemeine Behandlungsmethoden
Krankheitserreger
Behandlung
Ichthyophthirius multifiliis
(Pünktchenkrankheit)
Trichodina
Parasitenbäder
mit
Malachtigrünoxalat
Formaldehyd
Parasitenbäder
mit
Malachtigrünoxalat
Formaldehyd
Parasitenbäder
mit
Formaldehyd
Malachitgrünoxalat
Kupferhaltige Präparate aus dem Zoohandel
Metronidazolhaltiges Bad oder Futter
Toltrazuril
(Baycox® von Bayer), Fumagillin
Costia
Oodinium
Flagellaten im Darm
Kokzidien
Microsporidien
Myxosporidien
Gyrodactylus
Cestoden
Nematoden
Karfenlaus (Argulus)
Ankerwurm (Lernea)
Bakterien
Parasitenbäder mit Wurmmitteln
Antiparasitaria angereichert
oder
und/oder
und/oder
und/oder
Futter
mit
Mechanisch entfernen (Pinzette)
Lokale Wunddesinfektion
Parasitenbad mit Diflubenzuron
Tupferprobe nehmen!
Bakteriologische Untersuchung und Antibiogram!
Anwendung nach genauer Analyse
Bestandsproblem/Einzeltierproblem
Futter
Bad
Antibakterielle Bäder zur Keimdrucksenkung:
Salzbäder
Peroxide
Chloramin-T
Acriflavin
b. Kochsalz als Therapeutikum (jod- und fluoridfrei!)
Effekt
Bakterizid
Fungzid
Amöbizid
Protozid
Desinfizierend
Appetitanregend
Stressminderung
Förderung der
Schleimhautproduktion
Verbesserung der
Kiemenfunktion
Zeitschema
Kurzzeitbäder:
10-20 g/Liter Wasser für 10 bis 20
Minuten
an drei aufeinander folgenden
Tagen
Langzeitbäder/Beckenbehandlung:
1 bis 3 kg/1000 Liter als Dauerbad,
nach Wasserwechseln nachdosieren
Senkung der Nitritgifigkeit
Algizid
78
Gefahren
Nicht zusammen mit Zeolith oder
vergleichbaren Materialien anwenden!
Schädlich für Pflanzen!
Ausreichend große Behälter verwenden, gut
belüften, ggfs. Abdeckung verwenden
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Verbesserung der
Osmoregulation
Ausgleich des
Energiehaushaltes
Haltungsbedingungen für Labortiere
a. Mögliche Strategien zur Aufrechterhaltung angemessener Wasserbedingungen
Ursache
Maßnahme
Erste Hilfe
Aufhören zu füttern
Wasseruntersuchung
Wasserprobe zur Keimzahlbestimmung im Labor
Filter/Rohrreinigung
Teilwasserwechsel
UV Funktion prüfen
Teilwasserwechsel intensivieren
UV Lampen ggfs. tauschen
Pumpenleistung prüfen und ggfs. erhöhen
Dimensionierung des Filters überdenken, zusätzliche Filter anschließen
Sauerstoffversorgung verbessern
Sofort Teilwasserwechsel, Ursache herausfinden, Filter reinigen, Futterstop für 3-7
Tage, eventuell lebende Bakterien oder Enzyme zum Ammoniakabbau oder frisches
Zeolith einbringen
Sofort Teilwasserwechsel, eventuell aufsalzen (Hinweise beachten!)
Wasserqualität
Ammoniak
(über 0.1 mg/l)
Nitrit
(über 0.6 mg/l)
pH Sturz
(unter 5)
pH zu hoch
(über 9)
Bakterieller Keimdruck
Bakterien
Parasiten
Amöben
Kupfer
Metalle
Ozon
und
Reaktionsprodukte
Wasser
seine
im
Ggfs. Wasser aufhärten zur besseren Pufferung
Ggfs. pH-Steuerung warten lassen, pH-Sonden neu kalibrieren
Algen rechtzeitig bekämpfen
Beschattung
Belüftung optimieren (weniger CO2 ausblasen)
Pufferung mit Kreidekalk
Teilwasserwechsel
Anlagenhygiene
Aufsalzen
Keimdrucksenkende Mittel
Bakteriologische Untersuchung und Antibiogramm
Keimdrucksenkende Wasserbehandlung:
Salz
Chloramin-T
Peroxid
Acriflavin
Virkon S
Actomar B100
Ggfs. Antibiotische Injektionen oder Futter
Je nach Diagnose: Parasitenbad
Aufsalzen auf 0.5% (Hinweise beachten!)
Zulauf aus Leitungsrohren und Zisternen überprüfen
Teilwasserwechsel mit geeignetem Wasser
Wasseruntersuchung auf Schwermetalle einleiten
Verwendete Metalle in der Anlage überprüfen, geeignet ist nur V2A Stahl und höher
Verarbeitung verschiedener Metalle an einem Werkstück ändern (wegen der Gefahr
der Elektrolyse)
Anlagen ausschalten und ggfs. Warten lassen
War Ozon die Ursache, warden die Fische innerhalb weniger Stunden wieder besser
aussehen
79
International Zebrafish Medaka Course IZMC
b. Krankheitsprophylaxe
Zur Krankheitsprophylaxe zählen alle Maßnahmen, die verhindern, dass sich Keime im
System übermäßig anreichern oder neue Keime von außen eingeschleppt und in den
Anlagen verbreitet werden.
Somit ist es nötig, sich mit guter Praxis um die Filter-, Wasser- und Beckenpflege zu
beschäftigen. Im Einzelnen sollten folgende Grundregeln beachtet werden:
•
UV-Strahler müssen regelmäßig kontrolliert und ggfs. entkalkt werden.
Die festgelegte Brenndauer (meist 6 Monate bis 1 Jahr) sollte nicht
überschritten werden.
•
Je nach Fischbesatz ist ein 5-10%iger Wasseraustausch mit
Leitungswasser pro Tag in den Anlagen anzustreben.
•
Für die Filterpflege und Beckenreinigung sollten Routinezeiten festgelegt und
dokumentiert werden.
•
Tote Fische müssen schnellstmöglich aus den Becken entfernt werden.
•
Gesunde Becken zuerst, kranke Fische zuletzt versorgen.
•
Kein Naturfutter/Lebendfutter verwenden.
•
Futterreste immer schnellstmöglich entfernen.
•
Fütterung immer vor den Pflegemaßnahmen oder nachdem die Hände
gründlich gereinigt und desinfiziert wurden.
•
Kescher, Becher und andere Fangeinrichtungen immer nach
Gebrauch
gründlich reinigen und abtrocknen lassen (z.B. auf der Heizung).
•
Das Bleachen der Eier ist eine zentrale und extrem wichtige
Anforderung
bei der Erhaltung der Blutlinien. Besonders, wenn Blutauffrischung
erforderlich wird und neuen Elterntiere verwendet werden, sollten die
gebleachten Eier in frische Becken überführt werden und nicht mehr mit den
Eltern in Kontakt kommen.
•
Neue Fische immer in Quarantäne nehmen und von den anderen Tieren
trennen. Quarantäne für mindestens 3 Wochen einplanen.
•
Strikte Trennung aller Fischräume und Kreisläufe hinsichtlich der
Gerätschaften und Versorgung. Beim Wechsel von Kreislauf zu Kreislauf ist
Händewaschen eine wichtige Prophylaxemaßnahme.
80
geeignetem
International Zebrafish Medaka Course IZMC
7.1.5 Probezahlen für Gesundheitsüberwachung 135
Wenn man einen Fischbestand von 10 bis zu 100 Tieren mit einer 95% Sicherheit
beproben will, sollten mindestens 10 Tiere pro Beckeneinheit untersucht werden. Eine
Beckeneinheit sind alle Becken, die in einem Kreislauf zusammen gefiltert werden.
Höhere Probenzahlen erhöhen die Aussagekraft stark. Man kann je nach Validierung
des anzuwendenden Testverfahrens manchmal auch Probenpools untersuchen.
7.2
Liste von potentielle Gesundheitsrisiken beim Kontakt mit Zebrafischen
oder Medaka
Zoonose beschreibt Krankheiten, die von Tieren auf den Menschen übertragen werden
können. Das Risiko der Übertragung von Fischen auf Menschen ist generell sehr
niedrig. Jedoch gibt es Krankheiten, die durch Kontakt mit dem Aquarienwasser auf den
Menschen übertragen werden können. Im allgemeinen erkranken Menschen wenn sie
infiziertes Fischfleisch aufnehmen (orale Aufnahme)oder über Kontamination von
verletzter Haut. Eine wichtige Eigenschaft von Bakterien ist die Möglichkeit einer
opportunistische Infektion, d.h. das der menschliche Wirt bereits ein geschwächtes
Immunsystem aufweist.
Folgende Erreger können Zoonosen bedingen:
Mycobakterium
Bakterien die zur Gattung der Mykobakterien gehören zu den stäbchenförmige, grampositiven Bakterien. Zwei Vertreter der Mykobakterien, Mycobacterium marinum und M.
fortuitum sind Pathogene für tropische Fische. Menschen können typischerweise den
Erreger beim Kontakt mit Aquarienwasser über verletzte Hautstellen aufnehmen. Ein
Granulom-ähnliches Knötchen kann sich an der Infektionsstelle bilden. Diese
erscheinen dann als rote, sich vergrößernde Knötchen typischerweise wenige Wochen
nach der Infektion. Die Infektion kann sich bis in die Lymphknoten ausweiten. Diese
Krankheit tritt normalerweise nur bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem auf.
Aeromonas spp sind fakultativ anaerobe, gram-negative stäbchen-förmige Bakterien,
die zur intestinalen Microflora in tropischen Fischen gerechnet werden. Menschen mit
einer Aeromonas Infektionen können vielfältige Syndrome, wie z.B. Gastroenteritis oder
lokale Wundinfektion, zeigen. Auch hier sind Infektionen besonders in
immunsupprimierten Patienten zu beobachten.
Bakterien und Einzeller die in dokumentierten Fällen zu Infektionen im Menschen
geführt haben sind
Gram-negative Organismen: Plesiomonas shigelloides, Pseudomonas fluorescens,
Escherichia coli, Salmonella spp., Klebsiella spp., Edwardsiella tarda
135
Amtliche Methodensammlung: Stand Mai 2013 / Hrsg.: Friedrich-Loeffler-Institut, Bundesforschungsinstitut für
Tiergesundheit; Redakt.: T. Homeier-Bachmann, H. Kubitza. - Wusterhausen : Friedrich-Loeffler-Institut,
Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, 2013. - 514 S.
81
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Gram-positive Organismen: Streptococcus, Staphylcocccus, Clostridium, Erysipelothrix,
Nocardia
Einzeller: Cryptosporidum
Allergische Reaktionen
Fisch-Proteine können gegebenenfalls allergische Reaktionen bei Menschen
hervorrufen. Allerdings sind dokumentierte Fälle sehr selten und eventuell durch
Hypersensibilisieren über direkten Kontakt oder Inhalation zu begründen.
Verfahren um Infektionen zu vermeiden
Hände waschen. Die einfachste und effektivste Art sich vor einer Kontamination zu
schützen ist ausführliches und regelmäßiges Händewaschen. Dies schließt das
Reinigen der Unterarme ein. Des Weiteren soll auf Rauchen, Trinken und Essen in
Tierräumen verzichtet werden.
Schutzhandschuhe tragen. In Situationen in denen die Hände längere Zeit
Aquarienwasser ausgesetzt sind, es offenen Wunden oder Schnitte gibt, sollten
Schutzhandschuhe getragen werden.
Im Falle eines Verletzung: In diesem Fall ist es wichtig unverzüglich den
Leiter/Aufsichtsführenden zu informieren. Handelt es sich um kleiner Verletzungen
können diese sofort mit antibakterieller Seife gesäubert und vor weiterer Kontamination
geschützt werden. Bei größeren Verletzungen sollte der Leiter/Aufsichtsführenden
kontaktieren und ebenfalls Kontakt mit dem Arbeitsschutz-/Sicherheitsbeauftragten
aufgenommen werden.
Den behandelnden Arzt informieren. Bei Krankheiten sollte der Arzt darüber
informieret werden, daß mit Fischen gearbeitet wird. Viele Zoonosen haben Fieberähnliche Symptome. Der behandelnde Arzt benötigt diese spezielle Information um
gegebenenfalls eine akkurate Diagnose erstellen zu können.
82
International Zebrafish Medaka Course IZMC
8
Statistische Analyse 136
(Markus Reischl)
Das deutsche Tierschutzgesetz aus dem Jahre 2013 bestimmt in § 7 (1)1.b), dass die
Anzahl an Tieren, die in Experimenten verwendet werden, auf eine für den Versuch
unbedingt erforderliche Anzahl an Individuen beschränkt werden muss. Die
Tierschutzversuchstierverordnung (TierSchVersV), die dieser Gesetzgebung folgt, legt
fest, dass die Anzahl der benötigten Tiere als auch die Art, wie diese Anzahl berechnet
wurde, in einem „Tierversuchsantrag“ dargelegt und begründet werden müssen.
Entsprechend müssen die Fragen in Abschnitt 1.4.2 des Antragsformulars beantwortet
werden, und das Formular „Angaben zur biometrischen Planung“ muss ausgefüllt und
beigelegt werden. Behörden und Ethikkommissionen legen besonderen Wert auf eine
umfassende Beschreibung dieser Berechnungen und eine kompetente biometrische
Rechtfertigung der Tieranzahlen für Experimente.
Für umfangreiche Studien wird daher dringend empfohlen, einen erfahrenen
Biometriker oder Statistiker bereits in den frühen Phasen der Antragstellung zu
kontaktieren und um Hilfestellung zu bitten. Idealerweise wird einem Antrag zudem ein
schriftliches Gutachten des Biometrikers beigelegt.
In einfachen Studien, die nur Mittelwerte von Experimentparametern vergleichen, kann
folgendermaßen vorgegangen werden: Ein Experiment ist vorab einzuteilen in
Experimentgruppen (negative Kontrollgruppe auch Negativkontrolle genannt,
Effektgruppe 1, Effektgruppe 2 usw.), die zu untersuchen sind. Jede Gruppe besteht
wiederum aus einzelnen Experimentwiederholungen oder -ausprägungen , die
typischerweise durch eine Variable 𝑥𝑥, beschrieben werden. Beispiele sind die Intensität
einer Fluoreszenz, die Anzahl an Zellen oder die Fläche eines fluoreszierenden Organs.
Die Anzahl der notwendigen Tiere in jeder Experimentgruppe kann dann auf der Basis
von Vorversuchen oder Informationen aus der Literatur ermittelt werden, in denen diese
Variable ebenfalls erhoben wurde. Hierfür ist es zwingend erforderlich aus den
Vorversuchen Informationen ablesen zu können, wie sich die Variable im Falle einer
negativen Aussage (z.B. negative Kontrollgruppe, die keinen Effekt aufweist, z. B. keine
erhöhte Fluoreszenz, die in einer Larve zu sehen ist.) auswirkt und wie sie sich verhält,
wenn ein Effekt zu beobachten ist (z.B. Erhöhung einer Fluoreszenz).
136
ERDFELDER, E.; BUCHNER, A.; FAUL, F.; BRANDT, M.: Allgemeine Psychologie und Deduktivistische
Methodologie, Kap. GPOWER: Teststärkeanalysen leicht gemacht., S. 148–166. Vandenhoeck & Ruprecht, 2004.
MAYR, S.; ERDFELDER, E.; BUCHNER, A.; FAUL, F.: A short tutorial of GPower. Tutorials in Quantitative Methods
for Psychology 3 (2007), S. 51–59.
83
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Mittelwert (m) und Standardabweichung (s) aller 𝑥𝑥𝑖𝑖 der negativen Kontrolgruppe und der
Effektgruppe müssen dann berechnet werden. Sind n Werte gemessen worden, lassen
sie sich gemäß
𝑛𝑛
1
𝑚𝑚 = � 𝑥𝑥𝑖𝑖
𝑛𝑛
𝑖𝑖=1
𝑛𝑛
1
𝑠𝑠 = �
�(𝑥𝑥𝑖𝑖 − 𝑚𝑚)2
𝑛𝑛 − 1
𝑖𝑖=1
bestimmen. Die Berechnung ist in EXCEL mittels der Befehle MITTELWERT und
STABW möglich. Auf diese Weise wird für die Negativkontrolle eine Mittelwert 𝑚𝑚𝑐𝑐 und
eine Standardabweichung 𝑠𝑠𝑐𝑐 , erhalten, für die Effektgruppe analog Mittelwert 𝑚𝑚𝑒𝑒 und
Standardabweichung 𝑠𝑠𝑒𝑒 .
Beispiel: Ein Experiment misst den Effekt einer Substanz auf die Expression eines
Reporter-Transgens. Eine negatives Kontrollexperiment mit DMSO wurde 11 Mal
wiederholt und lieferte die folgenden relativen Expressionsniveaus des ReporterTransgens: 0; 2; 2; 1; 0; 1; 1; 3; 0; 0; 1. Ein Experiment mit einer aktiven Substanz
lieferte einen Effekt und zeigte die folgenden relativen Expressionsniveaus: 2; 4; 2; 3; 4;
3; 2; 3; 3; 5; 2.
Der Mittelwert des Kontrollexperiments ist 𝑚𝑚𝑐𝑐 = 1 und kann in EXCEL berechnet
werden durch
MITTELWERT(0; 2; 2; 1; 0; 1; 1; 3; 0; 0; 1)
Die Standardabweichung ist 𝑠𝑠𝑐𝑐 = 1 und wird berechnet durch
STABW(0; 2; 2; 1; 0; 1; 1; 3; 0; 0; 1).
Entsprechend liefert das Experiment mit der aktiven Substanz die Werte 𝑚𝑚𝑒𝑒 = 3 und
𝑠𝑠𝑒𝑒 = 1.
Sind die berechneten Standardabweichungen gleich (𝑠𝑠𝑒𝑒 = 𝑠𝑠𝑐𝑐 = 𝑠𝑠), kann die Anzahl der
für signifikante Ergebnisse benötigten Tiere berechnet werden durch
2
2�𝑧𝑧1−𝛽𝛽 +𝑧𝑧1−𝛼𝛼 �𝑠𝑠
𝑛𝑛 ≈ �
� .
𝑚𝑚𝑐𝑐 − 𝑚𝑚𝑒𝑒
Wobei 𝑧𝑧1−𝛼𝛼 and 𝑧𝑧1−𝛽𝛽 statistische Parameter sind, die Tabellenwerken entnommen
werden können (Werte der Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung).
𝑧𝑧1−𝛼𝛼 hängt vom gewünschten Signifikanzniveau 𝛼𝛼 ab und beschreibt die Qualität des
statistischen Ergebnisses (Prozentsatz von falsch positiv gewerteten Versuchen). 𝑧𝑧1−𝛽𝛽
hängt von der sogenannten Macht des statistischen Tests 𝛽𝛽 ab, die die Anzahl der
Falsch−Negativen bewertet. 𝛼𝛼 und 𝛽𝛽 können zwischen 0 und 1 frei gewählt werden. Je
kleiner sie sind, desto zuverlässiger ist das Ergebnis der statistischen Auswertung, oft
wird, 𝛼𝛼 viermal kleiner gewählt als β.
84
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Wenn keine spezielle statistische Analyse erforderlich ist, dürfen Standardparameter für
die biometrische Fallzahlplanung verwendet werden: Hiefür wird 𝛼𝛼 auf 0.05 gesetzt, es
ergibt sich dann 𝑧𝑧1−𝛼𝛼 =1.65, 𝛽𝛽 wird auf 0.2 gesetzt, womit 𝑧𝑧1−𝛽𝛽 = 0.84. Jegliche andere
Wertkombination von 𝛼𝛼 und 𝛽𝛽 kann durch den EXCEL- Befehl NORM.INV(1 − 𝑤𝑤𝑤𝑤𝑤𝑤𝑤𝑤; 0;
1) berechnet werden.
Beispiel: Aus dem vorhergenden Experiment wurde 𝑚𝑚𝑐𝑐 = 1, 𝑚𝑚𝑒𝑒 = 3 und (𝑠𝑠𝑒𝑒 = 𝑠𝑠𝑐𝑐 = 𝑠𝑠 =
1) berechnet. Für das zu planende Experiment sind Falsch-Positive Fehlerraten von
maximal 1% (=Signifikanzniveau α = 0.01), und Falsch-Negative Fehlerraten von 10%
(=Macht β= 0.1) sicherzustellen. Es ergibt sich
𝑧𝑧1−𝛼𝛼 = 𝑧𝑧0.99 = NORM.INV(1 − 0,01; 0; 1) = NORM.INV(0,99; 0; 1) = 2.32
𝑧𝑧1−𝛽𝛽 = 𝑧𝑧0.9 = NORM.INV(1 − 0,1; 0; 1) = NORM.INV(0,9; 0; 1) = 1.28.
Werden diese Werte in o.g. Formel eingesetzt, ergibt sich
𝑛𝑛 ≈ �
2
2 ∙ (1.28 + 2.32) ∙ 1
� ≈ 12.96.
3−1
Somit muss das zu planende Experiment 12.96 Tiere enthalten, in jeder Gruppe mindestens
12.96/2 = 6.48. Aufgerundet ergibt sich die Anzahl der pro Gruppe benötigten Tiere zu 7.
Diese Vorgehensweise findet sich auch in Software-Pakten wie z.B. GPower (Abb.19
und Literatur 137). Die Software liefert zudem auch Fallzahlplanungen für kompliziertere
Fälle. Oftmals wird dabei der Parameter „Effekt-Größe“ 𝑑𝑑 erfragt. Er ist gegeben durch
𝑑𝑑 =
𝑚𝑚𝑐𝑐 −𝑚𝑚𝑒𝑒
𝑠𝑠
,
Beispiel: Im vorliegenden Fall gilt 𝑑𝑑 =
3−1
1
= 2.
137
ERDFELDER, E.; BUCHNER, A.; FAUL, F.; BRANDT, M.: Allgemeine Psychologie und Deduktivistische
Methodologie, Kap. GPOWER: Teststärkeanalysen leicht gemacht., S. 148–166. Vandenhoeck & Ruprecht, 2004.
MAYR, S.; ERDFELDER, E.; BUCHNER, A.; FAUL, F.: A short tutorial of GPower. Tutorials in Quantitative Methods
for Psychology 3 (2007), S. 51–59.
85
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Abb. 19: Beispiel einer Berechnung mit GPower
86
International Zebrafish Medaka Course IZMC
9.
Abkürzungen
AD
ADR
BC
BGBl
BioP
BmTierSSchV
BVL
CLP-Regulation
CNS
dpf
ECVAM
EDSP
ELISA
EU
EZRC
FA
FDA
FDA/CVM
FELASA
FET
FFDCA
FIFRA
GenTG
GMO
HE stain
Anno Domini, (German: n. Chr.)
The European Agreement concerning the International Carriage of
Dangerous Goods by Road
Before Christ (German: v. Chr.)
Bundesgesetzblattes, das öffentliche Verkündungsblatt der
Bundesrepublik Deutschland (The Federal Law Gazette)
Regulation (EU) No 528/2012 of the European parliament and of
the council of 22 May 2012 concerning the making available on the
market and use of biocidal products (EU 2012).
Binnenmarkt-Tierseuchenschutzverordnung –
Verordnung über das innergemeinschaftliche Verbringen
sowie die Einfuhr und Durchfuhr von Tieren und Waren
(Internal Market Epizootic Protection Ordinance, Germany)
Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (The
Federal Office of Consumer Protection and Food Safety, Germany)
fulfils many tasks in the area of food safety and protects the
economic
interests of consumers across national boundaries
The euopean regulation on classification, labeling and packaging of
substances and mixtures (CLP-Regulation (EC) No 1272/2008)
central nervous system
days post fertilization (dpf)
European Centre for the Validation of Alternative Methods
(ECVAM), hosted by the Joint Research Centre of the European
Commission, which coordinated the validation of alternative
approaches to animal testing in the European Union since 1991.
US-EPA Endocrine disrupter screening program (US EPA 2011)
Enzyme Linked Immunosorbent Assay
European Union (Europäische Union)
European Zebrafish Resource Centre (Europäisches ZebrafischRessourcenzentrum)
Commission Regulation (EC) No 429/2008 of 25 April 2008 on
detailed rules for the implementation of Regulation (EC) No
1831/2003 of the European Parliament and of the Council as
regards the preparation and the presentation of applications and the
assessment and the authorization of feed additives (EU 2008)
U.S. Food and drug administration
the US FDA Center for Veterinary Medicine
Federation of European Laboratory Animal Science Associations
Fish Embryo Test
Federal Food, Drug, and Cosmetic Act (US congress 2002)
US Federal Insecticide, Fungicide and Rodenticide Act (McElroy et
al. 2011)
Gesetz zur Regelung der Gentechnik (Gentechnikgesetz) (The
German law on biotechnology)
genetically modified organism (genetisch veränderter Organismus
(GVO))
Hematoxylin and eosin stain
87
International Zebrafish Medaka Course IZMC
HMP
HOCNF
hpf
HPLC
i.c.
i.m.
i.p.
i.v.
IATA
IATA-DGR
IATA-LAR
IZMC
LD50
lof mutant
MS-222
MSDS
mya
n.a.
n.r.
NTP
OCA
OIE
PCR
PPP
3Rs
REACH
RID
TierSchB
TierSchG
Directive 2001/83/EC on the Community code relating to medicinal
products for human use (EU, 2001) and corresponding guidelines
for environmental risk assessment of the European Medicines
Agency (EMA/CHMP 2006)
OSPAR Guidelines for completing the harmonised offshore
chemical notification format (OSPAR 2012)
hours post fertilization
High Performance Liquid Chromatography
intracardiac
intramuscular
intraperitoneal
intravenous
International Air Transport Association (IATA) - an international
trade association for the world’s airlines representing 84% of total
air traffic (240 airlines)
IATA Dangerous Goods Regulations (DGR)
IATA Live Animals Regulations (LAR)
International Zebrafish/Medaka Course
lethal dose, 50% - the dose of a substance required to kill half the
members of a tested population after a specified test duration
long fin mutant
tricaine, metacaine, tricaine mesylate, tricaine methanesulfonate,
TMS, Finquel
Material Safety Data Sheets
millions of years ago
no information available
not required by any regulation
nichttechnische Projektzusammenfassung (non-technical project
summary)
oculocutaneous albinism
International Office of Epizootic Diseases (OIE), the international
organisation designated under the Agreement on the Application of
Sanitary and Phytosanitary Measures in application of GATT 1994
which is responsible for the establishment of international animal
health rules for trade in animals and animal products.
Polymerase Chain Reaction
Commission Regulation (EU) No 283/2013 of 1 March 2013 setting
out the data requirements for active substances, in accordance with
Regulation (EC) No 1107/2009 of the European Parliament and of
the Council concerning the placing of plant protection products on
the market (EU 2012, 2013)
Classification of the humane experimental techniques as
replacement, reduction, and refinement by Russell and Burch in
1959 - now commonly known as the 3Rs
Regulation EC (No) 1907/2006 on the Registration, Evaluation,
Authorization and Restriction of Chemicals. (EU 2006)
Regulations concerning the International Carriage of Dangerous
Goods by Rail
Tierschutzbeauftragter (Animal Welfare Officer)
Tierschutzgesetz (The German Animal Protection Act)
88
International Zebrafish Medaka Course IZMC
TierSchVersV
TL
TSCA
TSchTrV
TÜ
US EPA OCSPP
VersTierMeldV
VMP
WHO
ZEBET
ZIRC
Tierschutzversuchstierverordnung (German, implementing the
German Animal Protection Act (Tierschutzgesetz))
Tübingen (or Tüpfel) long fin
Toxic Substances Control Act (GAO 2007)
Tierschutztransportverordnung (German, implementing the Council
Regulation (EC) No 2010/63/EU on the protection of animals during
transport and related operations)
Tübingen (or Tuebingen, TU) genetic background
United States Environmental Protection Agency, Office of Chemical
Safety and Pollution Prevention
Versuchstiermeldeverordnung (German, implementing the
COMMISSION IMPLEMENTING DECISION of 14 November 2012
establishing a common format for the submission of the information
pursuant to Directive 2010/63/EU of the European Parliament and
of the Council on the protection of animals used for scientific
purposes (2012/707/EU))
Directive 2004/28/EC amending Directive 2001/82/EC on the
Community code relating to veterinary medicinal products
(Regulation EC 726/2004) (EU, 2004) and corresponding guidelines
for environmental risk assessment of committee for medicinal
products for veterinary use (EMA/CVMP 2008)
World Health Organization
Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und
Ergänzungsmethoden zum Tierversuch am Bundesinstitut für
Risikobewertung (BfR) (Centre for the Documentation and
Evaluation of Alternatives to Animal Experiments at the The Federal
Institute for Risk Assessment (BfR), Germany)
Zebrafish International Resource Center
89
International Zebrafish Medaka Course IZMC
10.
Fische in der Toxikologie und Ökotoxikologie
(Thomas Braunbeck)
Laut § 1 des aktuellen deutschen Tierschutzgesetzes (BGBl. I S. 1206, 1313) dürfen
Wirbeltiere, insbesondere warmblütige Wirbeltiere nicht ohne vernünftigen Grund
getötet werden. Die Untersuchung „adverser“ Effekte von Chemikalien auf Fische
und/oder die Umwelt werden jedoch als ausreichende Begründung für Tierversuche mit
Fischen angesehen, und so sind Versuche mit Fischen heute ein wesentlicher
Bestandteil von Prüfszenarien in der Toxikologie und Ökotoxikologie. Somit ist der
(Öko)Toxikologe im Hinblick auf Tierschutzrechte in der paradoxen Lage, Fischen
Schmerz, Leid und Schaden zuzufügen, um solche negative Effekte in der Umwelt zu
verhindern.
10.1
Fischtests in der Abwasserüberprüfung
Weltweit werden die allermeisten Fische für Routineuntersuchungen von Abwässern
„benutzt“. In einigen Ländern wird die Zahl der hierfür eingesetzten Fische nicht einmal
dokumentiert. In Deutschland ist für die Ermittlung der potentiellen Toxizität von
Abwässern für Fische der routinemäßig angewandte akute Fischtest nach dem
Deutschen Abwasserabgabengesetz eingeführt worden. Neben anderen Parametern
wurde die Toxizität von Abwässern für Fische herangezogen, um eine entsprechende
Abgabe für die Umweltverschmutzung zu berechnen. Somit war das
Abwasserabgabengesetz die erste nationale Regelung, die eine potentielle Bedrohung
für die Umwelt mit einer Abgabe verband. Ursprünglich war der Test nach DIN 38412,
Teil 20 (DIN 1981) für 10 Fische (i.d.R. Goldorfe, Leuciscus idus melanotus; s.u.) pro
Abwasserverdünnung über einen Zeitraum von 48 oder (später) 96 Stunden konzipiert
worden. Aus tierschutzrechtlichen Gründen wurde die Zahl schließlich auf drei reduziert,
und in den letzten Jahren wurde der Test nur noch für die Bestätigung bereits
existierenden Wissens über die Toxizität eines bestimmten Abwassers eingesetzt.
2003 wurde der akute Fischtest für die Bestimmung der Abwassertoxizität durch den
sogenannten „Fischeitest“ (DIN 2001) ersetzt, bei welchem frisch befruchtete Eier des
Zebrabärblings (Danio rerio) über 48 Stunden einer Reihe von Abwasserverdünnungen
ausgesetzt werden. Als Endpunkte für die akute Letalität werden hier Koagulation des
Embryos, Fehlen der Semiten, fehlender Herzschlag und Nichtablösen der
Schwanzknospe herangezogen (Tab. 12; Abb. 20-22). Auch wenn mit dieser Methode
der Einsatz lebender Tiere nicht gänzlich vermieden werden kann, ist die Exposition
gegenüber den potentiell schädlichen Testlösungen auf ein Entwicklungsstadium
reduziert, welches wahrscheinlich weniger empfindlich für Schmerz und Leiden ist. Dem
Tierschutzgedanken folgend, ist der Fischembryotest daher wenigstens als
Verfeinerung, wenn nicht als Ersatz für Tierversuche im Sinne der Terminologie z.B.
des Britischen Innenministeriums oder der neuen EU-Tierschutzrichtlinie einzustufen.
90
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Tabelle 12: Endpunkte für die Routineuntersuchung von Abwässern nach Deutschem Standard DIN 38415, Teil 6 (DIN 2001; 138. 139.
In den USA wurde die Untersuchung von Abwässern erst kürzlich etabliert. Hier werden
typische Kaltwasserfische wie Regenbogenforelle (Oncorhynchus mykiss; s.u.) oder
Dickkopfelritze (Pimephales promelas; s.u.) eingesetzt.
Abb. 20: (links): Unter Hellfeldbelichtung sind koagulierte
Zebrabärblingsembryonen nicht mehr transparent1.(rechts):
Nichtablösen der Schwanzknospe in lateraler (→; 96
Stunden alter Zebrabärblingsembryo). Man beachte auch die
fehlende Augenanlage (*;1).
Abb. 21: Fehlender Herzschlag ist indiziert bei
Nichtpulsieren des Herzens (Doppelpfeil). Die Immobilität
der Blutzellen z.B. in der Aorta abdominalis (→ kleines Bild)
ist kein Indikator für fehlenden Herzschlag. Man beachte
auch das Fehlen der Somiten bei diesem Embryo(*,
Muskelgewebe erscheint eher homogen und nicht
segmentiert). Um fehlenden Herzschlag zu diagnostizieren,
muss der Embryo mindestens 1 Min. mit einer Vergrößerung
von mindestens 80x beobachtet werden (1).
10.2
Fischtests für die Chemikalienuntersuchung: akute Fischtests mit
adulten Fischen und der Fischembryotest als Alternativmethode
Im Gegensatz zur Abwasseruntersuchung, welche ausschließlich nationalen
Regelungen unterliegt, wird die Registrierung von Chemikalien seit 2006, dem Jahr des
Inkrafttretens von REACH, von der EU reguliert (EC 2006). REACH gilt nicht nur für
Chemikalien, die neu am Markt erscheinen, sondern für alle Industriechemikalien, die in
der Europäischen Union gehandelt werden. Dies ist ein großer Schritt vorwärts, wenn
man die bisherigen nationalen Regelungen für Chemikalien betrachtet. Im Gegensatz
zu den bisherigen Testverfahren bedeutet dies, dass alle Chemikalien getestet werden
müssen.
138
Braunbeck, T., Böttcher, M., Hollert, H., Kosmehl, T., Lammer, E., Leist, E., Rudolf, M. and Seitz, N. (2005)
Towards an alternative for the acute fish LC50 test in chemical assessment: The fish embryo toxicity test goes multispecies − an update. ALTEX 22: 87-102.
139
Braunbeck, T., Böttcher, M., Hollert, H., Kosmehl, T., Lammer, E., Leist, E., Rudolf, M. and Seitz, N. (2005)
Towards an alternative for the acute fish LC50 test in chemical assessment: The fish embryo toxicity test goes multispecies − an update. ALTEX 22: 87-102.
91
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Da der Einsatz fischbasierter Tests bei vielen Regelungen eine zentrale Rolle spielt, ist
ein signifikanter Anstieg an Toxizitätstests mit Fischen zu erwarten. Tatsächlich würde
REACH nach einer Schätzung von Hartung & Rovida 140 bedeuten, dass bis zu 20mal
mehr Tiere in Fischversuchen eingesetzt und 6mal höhere Kosten entstehen würden als
nach früheren Schätzungen, denn in der regulatorischen Toxikologie gibt es keine
alternativen Methoden mit einem hohen
Durchsatz, die nicht auf Tierversuchen
basieren (Abb. 22).
Allerdings, wie bereits im Weißbuch der
EU für die zukünftige Chemikalienpolitik
(2001) beschrieben und in REACH (EU
2006)
bestätigt,
sind
alternative
Testmethoden anzuwenden, wo immer
möglich. Im Jahr 2013 wurde der
Fischembryotests als erste alternative
Testmethode in der Ökotoxikologie durch
die
Arbeitsgruppe
der
Nationalen
Koordinatoren für das OECD Richtlinien
Programm etabliert ( 141, Abb. 23). Obwohl
der Fischembryotest (FET) in der OECD
Fish Testing Framework 142 nicht explizit
als
Alternativmethode
zum
konventionellen akuten Fischtest nach der
OECD Richtlinie 203 143 erwähnt wird, wird
er als alternative Testmethode für die
Bestimmung der akuten Toxizität von
Chemikalien für Fische anerkannt.
Hervorzuheben ist, dass die Ergebnisse
des FET hervorragend mit denen des
Abb. 22: Schätzungen der Zahlen von Chemikalien (a)
und Tieren (b) die erwartungsgemäß für die Einhaltung
konventionellen akuten Fischtoxizitätsvon REACH benötigt werden. Die Schätzungen für den
tests korrelieren ( 144, 145 ; Abb.24).
besten Fall von 68.000 Substanzen und 54 Millionen
Tieren sind weit über den offiziellen Schätzungen der EU
(von:1, basierend auf1). Die weitaus meisten Tests werden
für die Reproduktionstoxikologie benötigt.
140
Hartung, T. and Rovida, C. (2009) Chemical regulators have overreached. Nature 460: 1080-1081.
Knacker, T., Boettcher, M., Rufli, H., Frische, T., Stolzenberg, H.C., Teigeler, M., Zok, S., Braunbeck, T. and
Schäfers, C. (2010) Environmental effect assessment for sexual-endocrine disrupting chemicals − fish testing
strategy. Integr. Environ. Assess. Manag. 6: 653-662.
141
OECD (2013) OECD Guidelines for the Testing of Chemicals. Section 2: Effects on Biotic Systems Test No. 236:
Fish embryo acute toxicity (FET) test.. Paris, France: Organization for Economic Co-operation and Development.
142
OECD (2012) OECD Guidelines for the Testing of Chemicals. Section 2: Effects on Biotic Systems Test No. 305.
Bioaccumulation in Fish: Aqueous and Dietary Exposure. Paris, France: Organization for Economic Cooperation and
Development.
143
OECD (1992a) OECD Guidelines for the Testing of Chemicals. Section 2: Effects on Biotic Systems Test No. 203:
Acute Toxicity for Fish. Paris, France: Organization for Economic Cooperation and Development.
OECD (1992b) OECD Guidelines for the Testing of Chemicals. Section 2: Effects on Biotic Systems Test No. 210:
Fish, Early-Life Stage Toxicity Test. Paris, France: Organization for Economic Cooperation and Development.
144
Lammer, E., Carr, G.J., Wendler, K., Rawlings, J.M., Belanger, S.E. and Braunbeck, T. (2009) Is the fish embryo
test (FET) with the zebrafish (Danio rerio) a potential alternative for the acute toxicity test? Comparative Biochemistry
and Physiology, Part C 149: 196-209.
145
Belanger, S.E., Rawlings, J.M. and Carr, G.J. (2013) Use of fish embryo toxicity tests for the prediction of acute
fish toxicity to chemcials. Environ. Toxicol. Chem. 32: 1768-1783.
92
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Abb. 23: Schema des Fischembryotests (von links nach rechts): Sammeln der Eier, Vorexposition der Eier in
Kristallisationsschalen unmittelbar nach der Befruchtung, Auswahl der befruchteten Eier mit dem Inversionsmikroskop oder
Binokular und Verteilung der befruchteten Eier auf vorbelastete 24-well Mikrotiterplatten (Original von1, bearbeitet nach1).
Abb. 24: Vergleich des Fischembryotests (FET) mit dem akuten Fischtest für 151 (links) und 72 (rechts) Substanzen (rechts; inkl.
Daten für alle Arten). Offene Kreise stehen für die einzelnen Testdaten; gefüllte Kreise zeigen das geometrische Mittel der Daten
für FET bzw. akuten Fischtest-Ergebnisse für jede Chemikalie. Wie aus dem Vergleich der beiden Graphen ersichtlich ist, wird
das Hinzufügen neuer Chemikalien die Korrelation nicht signifikant beeinflussen. LC50 = durchschnittliche letale Konzentration1.
Wenn er in seiner verlängerten Version angewandt wird, kann der FET sogar als
Alternative für verlängerte Fischtests dienen (z.B. 146, 147).
146
OECD (1992b) OECD Guidelines for the Testing of Chemicals. Section 2: Effects on Biotic Systems Test No. 210:
Fish, Early-Life Stage Toxicity Test. Paris, France: Organization for Economic Cooperation and Development.
147
OECD (1998) OECD Guidelines for the Testing of Chemicals. Section 2: Effects on Biotic Systems Test No. 212:
Fish, Short-term Toxicity Test on Embryo and Sac-Fry Stages. Paris, France: Organization for Economic Cooperation
and Development.
93
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Allerdings wird im Falle der Abwasseruntersuchung unter nationalen und internationalen
Regulatoren diskutiert, ob der FET als Ersatzmethode im Sinne des 3R-Prinzips von
Russell & Burch 148 angesehen werden kann oder ob es lediglich als volle oder gar nur
relative Verfeinerung gelten sollte. Gleichwohl stimmt der FET vollkommen mit dem
neuen Tierschutz-/Versuchstierverordnung der EU 149 . überein. Er endet nach 96
Stunden und nutzt somit ausschließlich Entwicklungsstadien ohne unabhängige
Nahrungsaufnahme, also solche, die nach der EU-Richtlinie 150 noch nicht als
geschützte Stadien angesehen werden 151 . Wichtig ist auch, dass die EU-Richtlinie
ältere Diskussionen über die Frage beendet, ob der kritische Schritt in der
Fischentwicklung, ab welchem der Organismus regulatorischen Schutz bedarf, (a) der
Zeitpunkt des Schlüpfens oder (b) der Beginn der unabhängigen Ernährung ist (Abb.
25).
Abb. 25: Überblick über die verschiedenen Terminologien für einen Fisch“embryo“ und eine Fisch“larve“ (nach Kendall
et al., 1984). Nach einigen älteren Ansichten wurde der Übergang vom Embryo zur Larve als der Zeitpunkt des
Schlupfes definiert (durchgehende rote Linien), wohingegen die alternative Ansicht, dass das Aufbrauchen des
Dottervorrats als entscheidender Schritt für den Übergang in das Larvenstadium angesehen wird (blaue unterbrochene
Linie), von der neuen Tierschutz-/Versuchtstierverordnung der EU1 übernommen wurde.
Wie bereits von Braunbeck et al. 152 , beschrieben, kann das Prinzip des FET als
Alternative zum akuten Fischtoxizitätstest auch für andere Fischarten als den
Zebrabärbling übernommen werden, etwa für die Dickkopfelritze und den Medaka
148
Russell, W.M.S. and Burch, R.L. (1959) The principles of humane experimental techniques. Methuen, London,
UK, 238 pp.
149
EU (2010) Directive 2010/63/EU of the European parliament and of the council of 22 September 2010 on the
protection of animals used for scientific purposes. Off. Journal of the EU L 276: 33-79.
150
EU (2010) Directive 2010/63/EU of the European parliament and of the council of 22 September 2010 on the
protection of animals used for scientific purposes. Off. Journal of the EU L 276: 33-79.
151
Strähle, U., Scholz, S., Geisler, R., Greiner, P., Hollert, H., Rastegar, S., Schumacher, A., Selderslaghs, I., Weiss,
C., Witters, H. and Braunbeck, T. (2011) Zebrafish embryos as an alternative to animal experiments − a commentary
on the definition of the onset of protected life stages in animal welfare regulations. Reprod Toxicol. 33: 245-153.
152
Braunbeck, T., Böttcher, M., Hollert, H., Kosmehl, T., Lammer, E., Leist, E., Rudolf, M. and Seitz, N. (2005)
Towards an alternative for the acute fish LC50 test in chemical assessment: The fish embryo toxicity test goes multispecies − an update. ALTEX 22: 87-102.
94
International Zebrafish Medaka Course IZMC
(Oryzias latipes), deren Sensitivität
Zebrabärblings ist (Tab. 13).
erwiesenermaßen
ähnlich
zu
der
des
Tabelle 13: LC50 Daten für ausgewählte Referenzsubstanzen zu Embryotests mit dem Zebrabärbling (Danio rerio), Medaka
(Oryzias latipes) und Dickkopfelritze (Pimephales promelas1).
10.3
Rechtliche Bestimmungen für Fischtests außer akuten Toxizitätstests
In der Europäischen Union (EU) werden Chemikalien bzw. die jeweiligen Stoffgruppen
mit Hilfe verschiedener Instrumente des Gesetzgebers in Hinblick auf ihre Risiken für
Mensch und Umwelt bewertet (Tab.15). Die meisten Industriechemikalien werden von
der Europäischen Chemikalienverordnung 153 gemeinhin bekannt als REACH, reguliert.
Sie beinhaltet spezifische Regulierungen für Pflanzenschutzmittel 154,155, Biozide 156,157
158
;
159
Produkte
für
die
Humanund
Veterinärmedizin
und
160 , 161 .
162
Lebensmittelzusatzstoffe
Außerdem befasst sich REACH
mit
Umweltbedenken, die durch Substanzen in Kosmetika geweckt werden.
153
EU (2006) Regulation (EC) No 1907/2006 of the European Parliament and of the Council of 18 December 2006
concerning the Registration, Evaluation, Authorization and Restriction of Chemicals (REACH), establishing a
European Chemicals Agency, amending Directive 1999/45/EC and repealing Council Regulation (EEC) No 793/93
and Commission Regulation (EC) No 1488/94 as well as Council Directive 76/769/EEC and Commission Directives
91/155/EEC, 93/67/EEC, 93/105/EC and 2000/21/EC. Official Journal of the European Union L 136, p. 3-280.
154
EU (2009) Regulation (EC) No 1107/2009 of the European Parliament and of the Council of 21 October 2009
concerning the placing of plant protection products on the market and repealing council directives 79/117/EEC and
91/414/EEC. OJ European Union. L309, 1-50.
155
EU (2013) Commission Regulation (EU) No 283/2013 of 1 March 2013 setting out the data requirements for active
substances, in accordance with Regulation (EC) No 1107/2009 of the European Parliament and of the Council
concerning the placing of plant protection products on the market. OJ European Union. L93, 1-84.
156
EU (1998) Directive 98/8/EC of the European Parliament and of the Council of 16 February 1998 concerning the
placing of biocidal products on the market. OJ European Union. L123, 1-63.
157
EU (2012) Regulation (EU) No 528/2012 of the European Parliament and of the Council of 22 May 2012
concerning the making available on the market and use of biocidal products. OJ European Union. L761, 1-123.
158
EMA/CHMP (2006) Guideline on the environmental risk assessment of medicinal products for human use.
EMEA/CHMP/SWP/4447/00. European Medicines Agency. Available at www.ema.europe.eu.
159
EMA/CVMP (2008) Revised guideline on environmental impact assessment for veterinary medicinal products in
support of the VICH guidelines GL6 AND GL 38. EMEA/CVMP/ERA/418282/2005-Rev.1. European Medicines
Agency. Available at www.ema.europe.eu.
160
EU (2003) Regulation (EC) No 1831/2003 of the European Parliament and of the Council of 22 September 2003
on additives for use in animal nutrition. OJ European Union. L268, 29-43.
95
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Diese verschiedenen europäischen Teststrategien und Richtlinien werden stark von
internationalen Aktivitäten, hauptsächlich denen der OECD, beeinflusst, welche eine
Harmonisierung der Testverfahren und Reglementierungen anstreben 163 . Die OECD
stellt harmonisierte Test Guidelines als Basis für die gegenseitige Anerkennung von
Daten zur Verfügung. Durch das Aufteilen der Risikobewertung auf internationaler
Ebene werden so redundante Tests und Kosten vermieden. Mit der GHSVerordnung 164, (GHS = Global harmonisiertes System zur Einstufung, Kennzeichnung
und Verpackung von Chemikalien, UN 2001), die eng mit REACH und den
Bestimmungen für den Pflanzenschutz und für Biozide verbunden ist, hat zudem die
WHO auf die Europäische Reglementierung von Tierversuchen eingewirkt. In allen
Bestimmungen wird bei den empfohlenen Testverfahren auf die OECD Test Guidelines
Bezug genommen (Tab. 14).
Fische in Tests einzusetzen, ist notwendig, um Daten zu aquatischer Kurzzeit- und
Langzeittoxizität zu generieren. So werden möglicherweise weitere Studien zur
Bioakkumulation im Fisch (abhängig von der Hydrophobie, Persistenz und Toxizität)
und zur Identifikation endokriner Disruptoren erforderlich (formale regulatorische
Definitionen für diese Substanzen und Auslöser für solche Tests müssen noch
formuliert werden). Ein allgemeines Verfahren, um Endpunkte für akute Toxizität,
chronische Toxizität und endokrine Disruptoren bei Fischen miteinander zu verbinden
ist von der OECD mit dem Fish Toxicity Testing Framework entwickelt worden. Diese
OECD-Initiative lässt einen Spielraum dafür offen, wo alternative Testverfahren
angewandt werden oder angewandt werden können. Weitere Informationen siehe 165.
161
EU (2008) Commission Regulation (EC) No 429/2008 of 25 April 2008 on detailed rules for the implementation of
Regulation (EC) No 1831/2003 of the European Parliament and of the Council as regards the preparation and the
presentation of applications and the assessment and the authorization of feed additives. OJ European Union. L133,
1-65.
162
EU (2009) Regulation (EC) No 1272/2008 of the European Parliament and of the Council of 16 December 2008 on
classification, labelling and packaging of substances and mixtures, amending and repealing Directives 67/548/EEC
and 1999/45/EC, and amending Regulation (EC) No 1907/2006. OJ European Union. L353, 1-1355.
163
Koëter, H.B.W.M., 2003. Mutual acceptance of data: harmonized test methods and quality assurance of data—the
process explained. Toxicol. Lett. 140, 11-20.
164
OECD (2012) Fish Toxicity Testing Framework. OECD Series on Testing and Assessment No. 171;
ENV/JM/MONO(2012)16, 174 pp.
165
Scholz, S., Sela, E., Blaha, L., Braunbeck, T., Galay-Burgos, M., García-Franco, M., Guinea, J., Klüver, N.,
Schirmer, K., Tanneberger, K., Tobor-Kapłon, M., Witters, H., Belanger, S., Benfenati, E., Creton, S., Cronin, M.T.D.,
Eggen, R.I.L., Embry, M., Ekman, D., Gourmelon, A., Halder, M., Hardy, B., Hartung, T., Hubesch, B., Jungmann, D.,
Lampi, M.A., Lee, L., Marc Léonard, M., Küster, E., Lillicrap, A., Luckenbach, T., Murk, A.J., Navas, J.M.,
Peijnenburg, W., Repetto, G., Salinas, E., Schüürmann, G., Spielmann, H., Tollefsen, K.E., Walter-Rohde, S., Whale,
G., Wheeler, J.R., Winter, M.J. (2013) A European perspective on alternatives to animal testing for environmental
hazard identification and risk assessment. Regul. Toxicol. Parmacol. 67: 506-530.
96
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Tabelle 14: Zusammenfassung der gesetzlichen Rahmenbestimmungen der Europäischen Union (EU), für die Tierversuche nötig sind, um eine Risikobewertung für mögliche Umweltschäden
durchführen zu können. Zum Vergleich und um zu zeigen, dass ähnliche Regelwerke außerhalb der EU existieren, ist auch der entsprechende gesetzliche Rahmen in den USA mit aufgeführt.
Anforderungen für die Durchführung der einzelnen Tests wurden den jeweiligen Gesetzesvorschriften und/oder dem OECD Fish Toxicity Testing Framework 166. entnommen.
Test Typ/ OECD
Richtlinie (oder ggf.
entsprechend US
EPA)
Gesetzlicher Rahmen
Europa
USA
Anzahl an Tieren,
die für das Testen
einer Substanz
benötigt werden
AKUTE TOXIZITÄT
OECD 203 und
OCSPP
850.1075:Fish Acute
toxicity test (US EPA
1996; OECD 1992;
US EPA 2002)
REACH. Erforderlich für Substanzen, von denen >10
Tonnen/Jahr produziert oder importiert werden (Erlass
unter bestimmten Bedingungen möglich).
PPP. Obligatorisch: Regenbogenforelle
(Schwellenwertverfahren)
TSCA: bedingt erforderlich
FIFRA: Süßwasserspezies aus Kalt- und
Warmwasser und 1 Salzwasserart
FFDCA: Tier 2 Test von Medikamenten und Biologika
für die Verfeinerung von Bewertungskriterien (FDA
1998)
BioP. Obligatorisch für eine Süßwasserart (und eine
marine Art wenn relevant; Schwellenwertverfahren).
VMP. Obligatorisch für Tier A.
FA. Benötigt wenn PEC ≥ 0,1 µg/L in
Oberflächenwasser oder ≥ 10 µg/kg im Sediment.
HOCNF. Obligatorisch wenn nicht bereits unter
REACH getestet. Anstelle eines vollen Akuten Fisch
Toxizitätstests kann ein Limit-Test durchgeführt
werden.
Abwasseruntersuchungen:
Abwasseruntersuchungen:
Schweden (Naturvårdsverket, 2010) (OSPAR 2000)
Clean Water Act (US Congress 33 U.S.C. 1251)
Dänemark, Frankreich, Irland, Norwegen (OSPAR
2000)
Die konkreten Anforderungen für
Abwasseruntersuchungen unterscheiden sich auf
staatlicher und regionaler Ebene und bewegen sich
für gewöhnlich in einem gewissen
Freisetzungsrahmen.
Generell fehlt eine detaillierte Anleitung wenn der
Akute Fisch Toxizitätstest für Abwasser durchgeführt
werden soll. Akute Fisch Tests sind oft notwendig
wenn verfügbare Daten und Erfahrung nur
166
OECD (2012) Fish Toxicity Testing Framework. OECD Series on Testing and Assessment No. 171; ENV/JM/MONO(2012)16, 174 pp.
97
42
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Test Typ/ OECD
Richtlinie (oder ggf.
entsprechend US
EPA)
Gesetzlicher Rahmen
Europa
USA
Anzahl an Tieren,
die für das Testen
einer Substanz
benötigt werden
unzureichend vorhanden sind. (OSPAR 2000)
CHRONISCHE TOXIZITÄT
OECD 210 OCSPP
850.1400: Fish Early
Life-Stage test
REACH. Erforderlich für Chemikalien von denen >100
Tonnen/Jahr produziert oder importiert werden, wenn
die chemische Sicherheitsbewertung indiziert, dass
Effekte auf aquatische Organismen weiteruntersucht
werden müssen. Die Notwendigkeit kann durch einen
PEC/PNEC-Schlüssel über 1 angezeigt sein, aber
auch durch Informationen zu hohen akuten bis
chronischen Werten der Analoga oder zu physikalischchemischen Parameter, die auf eine schlechte
Wasserlöslichkeit oder ein hohes
Biokonzentrationspotential hinweisen.
FIFRA. Erforderlich für Süßwasserarten; bedingt
erforderlich für Salzwasserarten
420
PPP. Erforderlich wenn Exposition in
Oberflächenwasser wahrscheinlich ist und die
Substanz stabil ist in Wasser (Hydrolyse <90% in 24
Stunden)
Abwasseruntersuchungen
BioP. Obligatorisch für PNEC (predicted no effect
concentration)-Verfeinerung.
Clean Water Act (US Congress 33 U.S.C. 1251)
HMP. Obligatorisch für Phase II Tier A.
VMP. Obligatorisch für Phase II Tier B.
Abwasseruntersuchungen:
Schweden (Naturvårdsverket, 2010): Erforderlich je
nach Ergebnis der akuten Tests und wenn PEC/PNEC
>1 (basierend auf verfügbaren Daten zu den einzelnen
Substanzen).
OECD 215 Fish,
Juvenile Growth test
TTSCA. Bedingt erforderlich
REACH. Kann anstelle des Fish Early Life-Stage Test
oder Fish, Short-term Toxicity Test on Embryo and
Sac-Fry Stages durchgeführt werden.
Die konkreten Anforderungen für
Abwasseruntersuchungen unterscheiden sich auf
staatlicher und regionaler Ebene und bewegen sich
für gewöhnlich in einem gewissen
Freisetzungsrahmen.
n.r.
n.a.
PPP. Nur erforderlich wenn Fish Early Life Stage Test
98
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Test Typ/ OECD
Richtlinie (oder ggf.
entsprechend US
EPA)
Gesetzlicher Rahmen
Europa
USA
Anzahl an Tieren,
die für das Testen
einer Substanz
benötigt werden
oder Fish Full Life Cycle Test nicht angemessen sind.
BioP. Erforderlich für PNEC Verfeinerung (wenn log
Kow < 5).
OECD 212: Fish,
Short-term Toxicity
Test
REACH. Kann anstelle des Fish Early Life-Stage Test
oder Fish Juvenile Growth Test durchgeführt werden
Fish full life cycle test
(not yet internationally
standardised, Crane
et al. 2010; US EPA
1998)
PPP: Nur erforderlich wenn der
Biokonzentrationsfaktor größer als 1000 ist und die
Eliminierung der aktiven Substanz während einer
Ausscheidungsphase von 14 Tagen niedriger als 95%
ist, oder die Substanz sich stabil in Wasser oder
Sediment verhält (DT90 > 100 Tage) (CTGB, 2013) .
n.r.
n.a.
FIFRA: bedingt erforderlich wenn die geschätzte
Umweltkonzentration ≥ 0.1 x FELS NOEC oder
Studien an anderen Organismen darauf hinweisen,
dass die reproduktive Physiologie von Fischen
beeinträchtigt werden könnte (US EPA 1996).
n.a.
Biozide: siehe REACH
BIOKONZENTRATIONSSTUDIEN
OECD 305 and
OCSPP 850.1730.
Bioconcentration:
Flow-through fish test
REACH. Erforderlich bei über 100 Tonnen/Jahr und
log Kow ≥3
TSCA. Bedingt erforderlich
PPP. Erforderlich für Produkte mit log Kow >3
wesentlicher Stabilität.
FIFRA. Bedingt erforderlich
BioP. Erforderlich für Antifouling-Produkte,
Detergenzien und wenn log Kow ≥3.
108
HMP. Erforderlich wenn log Kow ≥ 4.5 und in Tier B
wenn log KOW ≥3.
VMP. Erforderlich in Phase II Tier B wenn log Kow ≥4.
FA. Optional für Phase IIB
HOCNF. Obligatorisch wenn log Kow >3, aber Bivalvia
Test kann alternativ durchgeführt werden.
ENDOKRINE DISRUPTION
OECD 229 and
OCSPP 890.1350:
REACH. Erforderlich bei Bedenken wegen potentieller
endokriner Disruption (OECD 2012b
TSCA, FIFRA, FFDCA: durch endokrinen Disruptor
Screeningverfahren (US EPA 2011). EDSP Tier 1
99
80 – 96 (nach
Europäischen
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Test Typ/ OECD
Richtlinie (oder ggf.
entsprechend US
EPA)
Fish short term
reproduction assay
Gesetzlicher Rahmen
Europa
USA
PPP. bei Bedenken bezüglich Säuger- und anderer
Daten
(US EPA 2011)
Anzahl an Tieren,
die für das Testen
einer Substanz
benötigt werden
Bestimmungen)
(US n.a.)
BioP. Erforderlich bei Bedenken wegen potentieller
endokriner Disruption (OECD 2012)
HMP. Bedingt erforderlich.
VMP. Bedingt erforderlich.
OECD 230 Fish
screening assay
REACH. Erforderlich bei Bedenken wegen potentieller
endokriner Disruption.
n.r.
80-96
n.r.
840 (definitiv)
PPP. Erforderlich bei Bedenken wegen potentieller
endokriner Disruption.
BioP. Erforderlich bei Bedenken wegen potentieller
endokriner Disruption.
HMP. Bedingt erforderlich.
VMP. Bedingt erforderlich.
OECD 234 Fish
sexual development
test
REACH. Bedingt erforderlich bei Bedenken wegen
potentieller endokriner Disruption.
480 (Screeningverfahren)
PPP. optional, conditions not clearly defined (EU 2012)
BioP. Vermutlich erforderlich bei Bedenken wegen
potentieller endokriner Disruption.
HMP. Vermutlich erforderlich bei Bedenken wegen
potentieller endokriner Disruption.
VMP. Vermutlich erforderlich bei Bedenken wegen
potentieller endokriner Disruption.
Fish full life-cycle test
(noch nicht international standardisiert,
Crane et al. 2010; US
EPA 1998)
PPP
FIFRA: Erforderlich, aber als Teil eines chronischen
Toxizitätstests ohne Fokus auf endokrine Disruption
(siehe oben)
EDSP tier 2 (US EPA 2011)
100
1776
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Abkürzungen:
BioP
EDSP
FA
FIFRA
FFDCA
HMP
HOCNF
n.a.
n.r.
PPP
REACH
TSCA
US EPA
OCSPP
VMP
Regulation (EU) No 528/2012 of the European parliament and of the council of 22 May 2012 concerning the making available
on the market and use of biocidal products (EU 2012).
US-EPA Endocrine disrupter screening program (US EPA 2011)
Commission Regulation (EC) No 429/2008 of 25 April 2008 on detailed rules for the implementation of Regulation (EC) No
1831/2003 of the European Parliament and of the Council as regards the preparation and the presentation of applications and
the assessment and the authorization of feed additives (EU 2008)
US Federal Insecticide, Fungicide and Rodenticide Act (McElroy et al. 2011)
Federal Food, Drug, and Cosmetic Act (US congress 2002)
Directive 2001/83/EC on the Community code relating to medicinal products for human use (EU, 2001) and corresponding
guidelines for environmental risk assessment of the European Medicines Agency (EMA/CHMP 2006)
OSPAR Guidelines for completing the harmonised offshore chemical notification format (OSPAR 2012)
no information available, keine Information verfügbar
not required by any regulation, nach keiner Bestimmung erforderlich
Commission Regulation (EU) No 283/2013 of 1 March 2013 setting out the data requirements for active substances, in
accordance with Regulation (EC) No 1107/2009 of the European Parliament and of the Council concerning the placing of plant
protection products on the market (EU 2012, 2013)
Regulation EC (No) 1907/2006 on the Registration, Evaluation, Authorization and Restriction of Chemicals. (EU 2006)
Toxic Substances Control Act (GAO 2007)
United States Environmental Protection Agency, Office of Chemical Safety and Pollution Prevention
Directive 2004/28/EC amending Directive 2001/82/EC on the Community code relating to veterinary medicinal products
(Regulation EC 726/2004) (EU, 2004) and corresponding guidelines for environmental risk assessment of committee for
medicinal products for veterinary use (EMA/CVMP 2008)
101
International Zebrafish Medaka Course IZMC
10.4
Fische, die üblicherweise in der (Öko)Toxikologie verwendet werden
Die Fischarten, die in der (Öko)Toxikologie benutzt werden, unterscheiden sich nicht
grundsätzlich von denen, die in anderen Disziplinen wie der allgemeinen Pathologie,
Entwicklungsbiologie oder Physiologie verwendet werden. Es folgen einige
Informationen über jene Arten, die am häufigsten in den gängigen Toxizitätstests
verwendet werden (vgl. Tab.3), mit besonderem Augenmerk auf die sogenannten
kleinen „OECD-Arten“ Zebrabärbling, Dickkopfelritze und Medaka, da diese nicht nur
für Kurzzeit- (akute) Toxizitätstests eingesetzt werden können, sondern auch in
verlängerten Tests wie einem Full Life-Cycle-Test oder einem Zwei-Generationen
Test (vgl. z.B. 167).
10.4.1
Zebrabärbling (Danio rerio)
Für Informationen zur Biologie des Zebrabärblings siehe Teil 4.1 dieses Handbuchs.
Üblicherweise werden in der (Öko)Toxikologie Wildtypformen benutzt. Einige häufig
benutzte sind nachfolgend aufgeführt:
•
•
•
•
•
•
•
•
10.4.2
AB (AB)
AB/C32 (AB/C32)
AB/TL (AB/TL)
AB/Tuebingen
(AB/TU)
C32 (C32)
Cologne (KOLN)
Darjeeling (DAR)
Ekkwill (EKW)
•
•
•
•
•
•
•
•
HK/AB (HK/AB)
HK/Sing
(HK/SING)
Hong Kong (HK)
India (IND)
Indonesia (INDO)
Nadia (NA)
RIKEN WT (RW)
Singapore (SING)
•
•
•
•
•
•
•
•
SJA (SJA)
SJD (SJD)
SJD/C32 (SJD/C32)
Tuebingen (TU)
Tupfel long fin (TL)
Tupfel long fin nacre
(TLN)
WIK (WIK)
WIK/AB (WIK/AB)
Medaka (Oryzias latipes)
Für Informationen zur Biologie des Medaka siehe Teil 4.2 dieses Handbuchs.
10.4.3
Dickkopfelritze (Pimephales promelas)
Die Dickkopfelritze (engl. fathead minnow; Pimephales promelas Rafinesque) gehört
zur großen Familie der Karpfenartigen (Cyprinidae). Den wissenschaftlichen Namen
hat dieser Fisch sowohl der Kopfform des Männchens (Pimephales – „dicker Kopf“)
als auch der Farbe der Männchen während der Paarungszeit (promelas – „vorne
schwarz“) zu verdanken. Der „dicke Kopf“ rührt während der Paarungszeit von der
Proliferation von Epithelzellen auf dem dorsalen Teil des Kopfes her. Der Körper
adulter Dickkopfelritzen ist leicht abgeflacht. Sie besitzen eine kurze, stumpfe
Schnauze und ein leicht unterständiges Maul.
167
Knacker, T., Boettcher, M., Rufli, H., Frische, T., Stolzenberg, H.C., Teigeler, M., Zok, S., Braunbeck, T. and
Schäfers, C. (2010) Environmental effect assessment for sexual-endocrine disrupting chemicals − fish testing
strategy. Integr. Environ. Assess. Manag. 6: 653-662.
102
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Die Farbe der Dickkopfelritze ist oliv bis braun an der Körperoberseite und silbrig
weiß an der Körperunterseite mit einem dunklen mediolateralen Streifen. Sie trägt
einen dunklen Fleck mittig an der Oberkante der Dorsalflosse. Die Körperlänge
adulter Tiere variiert zwischen 40 und 100 mm mit einem starken
Sexualdimorphismus. Beim i.d.R. größeren Männchen entwickeln sich während der
Paarungszeit ein massiger grauer Aufwuchs im Nacken und etwa 16 weiße
Brutwarzen auf der Schnauze (Abb. 26).
Die Dickkopfelritze ist in gemäßigten Süßwasserhabitaten in vielen Teilen
Nordamerikas anzutreffen, von Zentralkanada in Richtung Süden entlang der Rocky
Mountains bis nach Texas und in Richtung Osten bis nach Virginia und die
nordöstlichen Vereinigten Staaten. Sie bewohnt für gewöhnlich die Tümpel und
Nebengewässer von kleinen Bächen, ist aber gelegentlich auch in größeren Flüssen,
Teichen und Seen zu finden. Sie bleibt in der Regel nahe der Uferlinie oder in der
Nähe von Pflanzenmaterial. Adulte Fische sind omnivor; fressen Insekten, Algen,
Detritus und kleinste Crustaceen. Das Verbreitungsgebiet der Dickkopfelritze
beschränkte sich ursprünglich auf den mittleren Westen der USA und das obere
Einzugsgebiet des Mississippi, im Westen bis nach Utah, im Norden bis nach
Kanada und im Osten bis nach Maine. Aufgrund ihrer Beliebtheit als Köderfisch ist
die Dickkopfelritze heute in der gesamten USA verbreitet, denn vielerorts entfloh sie
aus Zuchten oder Ködereimern.
Abb. 26: Dickkopfelritze (Pimephales promelas): weibliches (links) und männliches Tier (rechts). Das Männchen ist in
Balzfärbung dargestellt, mit rostralen Warzen. Quelle: http://aquaticpath.phhp.ufl.edu/fhm/intro.html.
Die Dickkopfelritze ist bekannt für den von ihr produzierten Schreckstoff (Signalstoff,
der als Stresssignal abgegeben werden). Außerdem ist sie ausgesprochen tolerant
gegenüber harten Lebensbedingungen, weshalb sie unter Umständen in Gewässern
anzutreffen ist, die für andere Fische weitestgehend unbewohnbar sind, wie
beispielsweise in Abwasserkanälen. Aus diesem Grund ist die Dickkopfelritze auch
Gegenstand zahlreicher Studien, welche die Effekte solcher Abwässer auf
aquatische Ökosysteme untersuchen. Ebenso ist sie die in den USA bevorzugte
Fischart in Toxizitätstests, weshalb die US EPA Chemikalientoxizitätsdatenbank
(ECOTOX) hauptsächlich auf Daten aus Experimenten mit der Dickkopfelritze
basiert.
Dickkopfelritzen, die in einer Studie beispielsweise mit dem Abwasser aus
Mastparzellen für Vieh belastet wurden, zeigten Veränderungen ihrer
Geschlechtsorgane. Männliche Fische wiesen eine reduzierte testikuläre
Testosteronproduktion, veränderte Kopfform und reduzierte Hodengröße auf,
während sich bei weiblichen Fischen das Östrogen-Androgen-Verhältnis zugunsten
der Androgene verschob. Somit fand also sowohl eine Feminisierung der Männchen
als auch eine Defeminisierung der Weibchen statt.
103
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Auch die Auswirkungen eines niedrigem pH-Werts (Gewässerversauerung) auf die
Dickkopfelritze sind ausgiebig untersucht worden. Obwohl die Überlebensrate der
Tiere durch eine langfristige Belastung mit niedrigem pH nur minimal beeinträchtigt
war, traten nachweislich Verhaltensstörungen auf. Sie zeigten verschiedene Arten
von Stressverhalten, wie Schwimmen an der Oberfläche und Hyperaktivität.
Außerdem traten Missbildungen auf. So entwickelten beide Geschlechter
verhältnismäßig kleine Köpfe. Die Männchen verloren an Glanz und Farbe. Die
Weibchen dagegen entwickelten zwar Eier, laichten aber nicht ab. Die Eizahl pro
Weibchen war dadurch drastisch reduziert, die Eier waren fragil und hatten einen
verringerten Innendruck. Je niedriger der pH-Wert war, desto unwahrscheinlicher
wurde letztlich auch das Schlüpfen.
10.4.4
Regenbogenforelle (Oncorhynchus mykiss)
Die Regenbogenforelle (engl. rainbow trout) ist eine Salmonidenart, welche im
Kaltwasser der in den Pazifik mündenden Flüsse in Asien und Nordamerika
beheimatet ist. Der Steelhead, auch Steelheadforelle, ist die anadrome Form der
Regenbogenforelle, die für gewöhnlich ins Süßwasser zurückkehrt, um zu laichen,
nachdem sie zwei bis drei Jahre im Meer gelebt hat. Süßwasserformen, die in den
Großen Seen in Michigan eingeführt wurden und in die Flüsse abwandern, um zu
laichen, werden ebenfalls Steelhead genannt.
Adulte Regenbogenforellen wiegen im Süßwasser durchschnittlich zwischen 0,5 und
2,3 kg, während die Tiere in den Seen und anadrome Formen über 9 kg Gewicht
erreichen können. Die Färbung variiert beträchtlich je nach Unterart, Form und
Habitat. Adulte Fische sind an dem breiten rötlichen Streifen entlang der Seitenlinie
erkennbar, der von den Kiemen bis zum Schwanz reicht. Dieses Merkmal ist bei
Männchen während der Paarungszeit besonders stark ausgeprägt (Abb. 27).
Abb. 27: Regenbogenforelle (Oncorhynchus
mykiss). Quelle: species- rainbowtrout-fish.jpg.
Wildfänge dieser Art und Tiere
aus Zuchtstationen wurden als
Nahrungsquelle und für den
Angelsport in mindestens 45 Ländern auf allen Kontinenten außer der Antarktis
ausgesetzt. Die Einführung außerhalb ihres ursprünglichen Verbreitungsgebiets in
den USA, Südeuropa, Australien und Südamerika hat dort negative Auswirkungen
auf
einheimische
Fischarten.
Die
eingebürgerten
Populationen
der
Regenbogenforelle treten als neue Räuber für einheimische Fischarten auf, treten zu
diesen in Konkurrenz, übertragen Krankheiten wie z.B. die Drehkrankheit oder
hybridisieren mit eng verwandten Arten und Unterarten, und reduzieren somit die
genetische Reinheit. Andere Einbürgerungen in Gewässer, die vorher fischfrei waren
bzw. stark dezimierte Bestände einheimischer Fische aufwiesen, haben
Sportfischereigewässer von Weltklasse wie die Großen Seen in den USA
geschaffen.
104
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Aufgrund der weiten Verbreitung der Regenbogenforelle in den nördlichen Staaten
der USA und in Kanada wird sie dort häufig für Toxizitätsmonitoring unter
Freilandbedingungen genutzt. Allerdings wird dieser Fisch wegen seiner schwierigen
Hälterung, seiner Größe und der langen Zeit bis zur Geschlechtsreife nur selten für
Toxizitätsversuche unter kontrollierten Laborbedingungen eingesetzt.
10.4.5
Edelsteinkärpfling (Cyprinodon variegatus)
Der Edelsteinkärpfling (Cyprinodon variegatus variegatus), im Englischen
sheepshead minnow, ist ein euryhaliner Vertreter der Gattung der Wüstenkärpflinge,
der in Salzwiesen- und Ästuargebieten entlang der Atlantikküsten Nord- und
Zentralamerikas lebt. Er bevorzugt ruhige, flache Gewässer und ist sowohl in
Salzwasserbuchten und Ästuaren als auch im Inland von Küstengebieten in Bächen,
Kanälen und Gräben anzutreffen. Aufgrund seiner Vorliebe für Salzwasserhabitate
kommt der Edelsteinkärpfling in den USA vielfach für das Toxizitätsmonitoring in
Ästuar- und Küstengebieten zum Einsatz.
Der adulte Edelsteinkärpfling ist zwischen 4 und 6 cm lang. Er ist silbern gefärbt und
von rundlicher Gestalt. Er besitzt eine Rückenflosse, eine Afterflosse und keine
erkennbare Seitenlinie Fig. 28). Männliche Fische sind i.d.R. größer als weibliche.
Beim Männchen befindet sich ein schwarzer Balken am distalen Ende der
Schwanzflosse, während das Weibchen einen deutlichen dunklen Fleck am Ende der
Rückenflosse aufweist.
Der Edelsteinkärpfling ist in der Lage kann in extrem flachen Gewässern leben, in
denen er durchaus die einzige Fischspezies darstellen kann. Er kann an der
Wasseroberfläche Luft schlucken und somit in Gewässern mit extrem niedrigen
Sauerstoffgehalt überleben. Edelsteinkärpflinge graben sich in das Sediment ein um
sich vor Fressfeinden zu verbergen oder um sich vor extrem warmem bzw. kaltem
Wasser zu schützen. Gelegentlich verstecken sie sich zwischen Seegras oder Algen.
Sie bewegen sich in Schwärmen, vor allem wenn sie verunsichert sind. Zu ihren
Fressfeinden gehören der Rote Trommler, Cynoscion nebulosus (spotted sea trout),
der Atlantische Umber, Schildkröten und einige Watvögel. Sie sind ein wichtiges
Bindeglied zur Küsten-Nahrungskette und ernähren sich von Pflanzenmaterial,
Algen, Detritus, Stechmücken, sowie kleineren Fischen.
Der Edelsteinkärpfling wird im Alter von etwa drei Monaten geschlechtsreif. In
kälteren Gewässern ist die Paarungszeit der Fische zwischen Februar und Oktober;
in wärmeren Gewässern praktisch das ganze Jahr hindurch. Das Männchen baut
Nestgruben am Grunde von Buchten um Weibchen anzulocken. Während der
Balzzeit färben sich die Männchen hell blau Fig. 28) und verteidigen energisch ihre
Nester. Die Weibchen laichen während der Laichzeit mehrere Male im Abstand von
1 - 7 Tagen und produzieren pro Laichperiode zwischen 100 und 300 Eiern. Die Eier
sind klebrig und haften an Pflanzen, am Grund und aneinander. Je nach
Wassertemperatur reifen sie 4 - 12 Tage. Larven haben beim Schlupf
(typischerweise während der Frühlings- und Sommerzeit) eine Gesamtlänge von 4 7 mm und sind gelblich gefärbt. Die Lebensdauer des Edelsteinkärpflings ist
unbekannt.
105
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Abb. 28: Edelsteinkärpfling (Cyprinodon variegatus).
Quelle: http://www.fishesoftexas.org/media/
attachments/taxa/images/web/2701.jpg
10.4.6
Guppy (Poecilia reticulata)
Der Guppy (Poecilia reticulata) gehört zu den weltweit verbreitetsten Tropenfischen
und den beliebtesten Süßwasseraquarienfischen. Er gehört zur Familie der
Poeciliidae und ist wie alle Fische, die zu dieser Familie gehören, lebendgebärend.
Guppys sind in hohem Maße anpassungsfähig und fühlen sich unter ganz
unterschiedlichen Umweltbedingungen wohl. Die Männchen, welche kleiner sind als
die Weibchen, besitzen kräftig gemusterte Rücken- und Schwanzflossen, während
die Weibchen unauffälliger gefärbt sind. Wild lebende Guppys ernähren sich in der
Regel von benthischen Algen und wasserlebenden Insektenlarven.
Guppys haben einen auffälligen Sexualdimorphismus. Während Wildtyp-Weibchen
grau gefärbt sind, haben Männchen Flecken, Punkte oder Streifen, die in vielen
verschiedenen Farben möglich sind. Guppy-Männchen sind in der Regel zwischen
1,5 und 3,5 cm lang, Weibchen zwischen 3 und 6 cm Fig. 29). Es gibt viele
verschiedene Zuchtformen, die durch verschiedene Farben, Muster, Formen und
Flossengrößen charakterisiert sind, wie beispielsweise Schlangenhaut- und
Grasvarianten. Viele der gezüchteten Rassen haben morphologische Eigenschaften,
die sich sehr von denen ihrer Wildtyp-Vorfahren unterscheiden. Männchen und
Weibchen vieler Zuchtformen sind in der Regel größer und sind viel lebhafter gefärbt.
Guppys haben, wie der Mensch 23 Chromosomenpaare inklusive eines
Geschlechtschromosomenpaars. Die Gene, die für die Färbung der Männchen
verantwortlich sind, befinden sich auf dem Y-Chromosom.
Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet des Guppys erstreckt sich über Antigua und
Barbuda, Barbados, Brasilien, Guyana, Jamaika, die Niederländischen Antillen,
Trinidad und Tobago, die Amerikanischen Jungferninseln und Venezuela. Allerdings
sind Guppys in viele Ländern auf allen Kontinenten außer der Antarktis eingeführt
worden. Manchmal ist dies zwar ungewollt geschehen, meist aber zur Kontrolle von
Stechmücken-Plagen. Es ist davon ausgegangen worden, dass die Guppys die
Stechmückenlarven fressen und somit der Ausbreitung der Malaria entgegenwirken;
allerdings hat sich das Einbürgern des Guppy vielerorts negativ auf heimische
Fischpopulationen ausgewirkt. Feldstudien haben gezeigt, dass Guppys fast jedes
Süßwasserhabitat besiedelt haben, dass in ihrem Verbreitungsgebiet liegt,
besonders küstennahe Fließgewässer des südamerikanischen Festlands. Guppys
haben zudem hohe Toleranz gegenüber Brackwasser und sind somit auch in einigen
Brackwasserhabitaten anzutreffen. Tendenziell kommen sie häufiger in kleineren
Fließgewässern und Teichen vor als in großen, tiefen oder schnell fließenden
Flüssen.
106
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Fig. 29: Wilde männliche (oben) und weibliche (unten) Guppys (Poecilia reticulata). Quelle: http://en.wikipedia.org/wiki/Guppy.
Guppys werden als Modellorganismen in der (Öko)Toxikologie, Evolutions- und
Entwicklungsbiologie eingesetzt. Dank seiner speziellen Brutstrategie des
Lebendgebärens ist der Guppy in der Ökotoxikologie zu einem interessanten Modell
für nicht eierlegende Fische geworden, z.B. für Bioakkumulationsstudien und den
Transfer von Schadstoffen von einer Generation auf die nächste.
10.4.7
Goldorfe (Leuciscus idus melanotus)
Die Goldorfe (Leuciscus idus melanotus) ist eine als Zierfisch genutzte Unterart des
Aland (Leuciscus idus), der auch Orfe oder Nerfling genannt wird. Der Aland selbst
ist ein Süßwasserfisch aus der Familie der Cyprinidae und ist in Nordeuropa und
Asien anzutreffen. Er lebt typischerweise in Schwärmen in größeren Flüssen,
Teichen und Seen. Der englische Name „ide“ kommt aus dem Schwedischen („id“)
und bezieht sich ursprünglich auf seine helle Farbe (Abb. 30).
Abb. 30: Goldorfe (Leuciscus idus
melanotus). Quelle: http://www.naturchiemsee.
de/assets/images/autogen/a_Goldorfe.jpg
Die Körperform der Goldorfe ist die typische Cyprinidenform. Im Allgemeinen ist sie
silbrig gefärbt und ihre Flossen leicht pinkfarben oder rötlich. Schwanz- und
Rückenflosse können gräulich sein. Ältere und größere Fische können gelb bis
bronzefarben gefärbt sein.
107
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Der Aland kann zwischen 60 und 80 cm lang werden, wobei die Durchschnittsgröße
bei etwa 40 cm liegt. Er erreicht ein Gewicht von über 4 kg und ist ein Raubfisch,
welcher Insekten, Crustaceen, Mollusken und kleine Fische verspeist. Im Frühling
wandert er in Flüsse ab, um über Kies oder Pflanzenmaterial abzulaichen; die Eier
können an Steinen klebend oder an Pflanzen im flachen Wasser gefunden werden.
Da der Aland in den meisten deutschen Flusssystemen verbreitet ist, wurde die
Goldorfe, ein typischer Aquarienfisch, in Deutschland einst als eine „einheimische
Art“ für Toxizitätstests eingeführt. Da sich jedoch die natürliche Verbreitung der
Goldorfe auf Gewässer in gemäßigten Breiten beschränkt, ist ihr Paarungsverhalten
saisonal, d.h. dass Jungfische für gewöhnlich nicht das ganze Jahr über verfügbar
sind. Daher ist die Goldorfe nicht nur in Deutschland eher ungeeignet für
Toxizitätstests. Aus diesem Grund ist die Goldorfe für Routinetoxizitätstests in den
vergangenen Jahren mehr und mehr durch den Zebrabärbling, die Dickkopfelritze
und den Medaka abgelöst worden, welche sich ganzjährig fortpflanzen und zudem
regelmäßiger laichen und in ihrer Hälterung weniger anspruchsvoll sind als die
Goldorfe.
10.5
Diversität von Fischarten in alternativen Testmethoden
Wie von Braunbeck et al. dargelegt worden ist, ist der Fischeitest (FET) nicht nur auf
den Embryo des Zebrabärblings beschränkt, sondern leicht – mit minimalen
artspezifischen Anpassungen – auch auf die anderen sogenannten „OECD-Arten“
anwendbar, also die Dickkopfelritze (Pimephales promelas) und den Medaka
(Oryzias latipes; Tab. 15). Wie beispielshaft von Braunbeck et al. (2005) dargelegt
werden konnte, ist die Variabilität zwischen dem FET mit dem Zebrabärbling, der
Dickkopfelritze und dem Medaka nicht größer als die Variation zwischen der akuten
Fischtoxizität bei verschiedenen Arten. (Abb. 31).
108
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Tabelle 15: Fischarten mit Haltung, Zucht und Testbedingungen, die für den Fischembryotest (FET;aus 168) vorgeschrieben
sind. 169
Zebrafisch
(Danio rerio)
Amerikanische Elritze
(Pimephales promelas)
Medaka
(Oryzias latipes)
Herkunftsland
Indien, Burma, Malakka,
Sumatra
Zentrales Nordamerika
Japan, China,
Südkorea
Geschlechtsunterschiede
Weibchen: vorstehender
Bauch bei Trächtigkeit
Männchen: dünner,
orangene Färbung
zwischen Längsstreifen
(hauptsächlich an
Schwanzflosse)
Weibchen: dicker beim
Eiertragen, Legeröhre
Nicht-laichende Männchen:
Schwarzer Punkt an
Rückenflosse
Laichende Männchen:
schwarze Kopffärbung,
Hochzeitspolster auf dem
Rücken und
Hochzeitsanalhöcker,
Schwarze Streifen an den
Längsachsen
Weibchen: generell
etwas dicker, tragen
klebende Eier an
Afterflosse
Männchen: Größere
Afterflosse, papilläre
Fortsätze auf hinteren
Rückenflossen-stacheln
Fütterung
171
Trockenfutter (TetraMin; Tetra, Melle, FRG) einmal täglich; drei Tage vor dem
Laichen zusätzlich adulte gefrorene Salzkrebschen (Artemia spec.) zweimal täglich
(ad libitum). Um die Wasserqualität zu garantieren, werden Abfälle und Fäkalien
eine Stunde nach Fütterung entfernt.
Nassgewicht der Weibchen: 0.65 ± 0.13 g
Männchen: 0.5 ± 0.1 g
ausgewachsenen
Fische
Weibchen: 1.5 ± 0.3 g
Männchen: 2.5 ± 0.5 g
Weibchen: 0.35 ± 0.07
g
Männchen: 0.35 ± 0.07
g
Tank171
beleuchtung
Leuchtstoffröhren (großes Spektrum); 10-20 µE/M²/s, 540-1080 lux, oder 50-100 ft-c
(umgebende Laborbeleuchtung); 14 h Licht, 10 h Dunkelheit
Wasser171
qualität
26.0 ± 0.5 °C, O2 ≥ 8.5
mg/l, Wasserhärte: 20°dH
(~ 213 mg/l CaCO3), NO3-:
≤ 48 mg/l, NH3 und NO2-: <
0.01 mg/l, pH = 7.8 ± 0.2
Weiter Kriterien
für Wasser171
qualität
Partikeldichte< 20 mg/l, Organische Kohlenstoff < 2 mg/l, unionisiertes Ammoniak <
1 µg/l, Chlorreste < 10 µg/l, Phosphororganische Verbindungen < 50 ng/l,
chloroorganische Verbindungen und polychloroorganische Biphenyle < 50 ng/l,
Chloride < 25 ng/l
Zebrafisch
16.5 ± 1.5 °C, O2 ≥ 8.5 mg/l,
Wasserhärte: 20°dH (~ 213
mg/l CaCO3), NO3-: ≤ 48 mg/l,
NH3 und NO2-: < 0.01 mg/l,
pH = 7.8 ± 0.2
Amerikanische Elritze
24.0 ± 0.5 °C, O2 ≥ 8.5
mg/l, Wasserhärte:
20°dH (~ 213 mg/l
CaCO3), NO3-: ≤ 48
mg/l, NH3 und NO2-: <
0.01 mg/l, pH = 7.8 ±
0.2
Medaka
168
Braunbeck, T., Böttcher, M., Hollert, H., Kosmehl, T., Lammer, E., Leist, E., Rudolf, M. and Seitz, N. (2005)
Towards an alternative for the acute fish LC50 test in chemical assessment: The fish embryo toxicity test goes
multi-species − an update. ALTEX 22: 87-102.
169 Bitte zu beachten, dass die in der Tabelle angegebenen Wasser, Beleuchtungs-, Fütterungs- und andere
Haltungsbedingungen durch die Standardisierung des Analyseprotokols vorgegeben sind. Zebrabärblinge und
Medakas vertragen eine viel größere Bandbreite an Haltungsbedingungen.
109
International Zebrafish Medaka Course IZMC
(Danio rerio)
171
(Pimephales promelas)
(Oryzias latipes)
180 l (max. 80 Tiere)
50 l (max. 60 Tiere)
171
Tankgröße für
171
die Haltung
180 l (max. 200 Tiere)
Struktur und
Aussehen der
Eier
Stabile Chorionhöhle, sehr Chorion härtet erst im
transparent, nicht klebrig,
Mehrzellstadium aus,
Durchmesser ~ 0.8 mm
transparent, klebt auf
Oberflächen, Durchmesser
< 1 mm
stabiles Chorion mit
feinen Härchen (haftet
an der Analflosse des
Weibchens), leicht
transparent,
Durchmesser < 1 mm
Embryoentwicklung bei
25 °C
18 St.: Somitenentwicklung
21 St.: Abteilung der
Schwanzes
26 St.: sichtbarer
Herzschlag
28 St.: Blutzirkulation
72 St.: Schlüpfen
22 St.: Somitenentwicklung
25 St.: Abteilung des
Schwanzes
27 St.: sichtbarer Herzschlag
30 St.: Blutzirkulation
160 St.: Schlüpfen
28 St.: Somitenentwicklung
28 St.: Abteilung des
Schwanzes
30 St.: sichtbarer
Herzschlag
32 St.: Blutzirkulation
7-8 T.: Schlüpfen
Durchfluss, 26°C, 24-well
Platten (2 ml pro Well)
Durchfluss, 25°C, 24-well
Platten (2 ml pro Well)
24 St.: Entwicklung der
Schwarzflosse,
Somitenbildung
48 St.: sichtbarer
Herzschlag
28 St.: Schwanzentwicklung,
Somitenentwicklung
3 T.: Blutzirkulation
4 T.: Blutzirkulation
30 St.: Somitenentwicklung
78 St.: Blutzirkulation
7 St.: Blutzirkulation
10 St.: Blutzirkulation
14 St.: Blutzirkulation
permanent (interner Filter)
permanent (interner Filter)
extern (durch Luft)
4:2
2:4
15:15
4 l Tanks mit
Stahlgitterboden und
künstlichen Pflanzen als
Laichstimulantien; externe
Heizmatten
30 l Tanks mit schwarzen, auf
24°C gehaltenen Glasplatten
mit zwei geteilten Tonrohren
zur Eiablage
30 l Tanks mit
schwarzen
Glaswänden, mehreren
künstlichen Pflanzen
oder Ceratophyllum
spec. zur Eiablage
171
Testart
Toxikologische
Beurteilung bei
25 °C
Wasser171
umwälzung
Verhältnis m/w
171
für Laichen
Laichtanks
171
Durchfluss, 26°C, 24well Platten (2 ml pro
Well)
110
International Zebrafish Medaka Course IZMC
Abb. 31: Akute Toxizität (LC50) von Natriumlaurylsulfat (SDS) bei ausgewählten Fischarten in vivo (blau) und bei Embryonen
des Zebrabärblings, Medaka und der Dickkopfelritze in ovo nach 48 h Exposition (rot; von 170)
10.6
Alternativmethoden für Fischtoxizitätstests, die nicht auf Embryonen
basieren
Im Gegensatz zu Fischembryonen, die hinsichtlich ihrer Sensitivität gegenüber
Chemikalien und Abwässern eine hervorragende Korrelation mit adulten Fischen
zeigen, sind Fischzellkulturen vielfach als potentieller In vitro-Alternative zum akuten
Fischtoxizitätstest untersucht worden 171. Allerdings scheinen Fischzelllinien weniger
empfindlich zu reagieren als der intakte Fisch, weswegen sie besonders für
routinemäßige Abwasseruntersuchungen weniger geeignet erscheinen. Mit der
Etablierung neuer Fischzelllinien und der Optimierung der Zellkulturbedingungen
könnte dieses Problem zukünftig jedoch gelöst werden, was Fischzelllinien zu einer
wirklichen Alternative zum konventionellen akuten Fischtoxizitätstest machen
würde 172,173.
170
Braunbeck, T., Böttcher, M., Hollert, H., Kosmehl, T., Lammer, E., Leist, E., Rudolf, M. and Seitz, N. (2005)
Towards an alternative for the acute fish LC50 test in chemical assessment: The fish embryo toxicity test goes
multi-species − an update. ALTEX 22: 87-102.
171
Castano, A., Bols, B., Braunbeck, T., Dierickx, P., Halder, M., Isomaa, B., Kawahara, K., Lee, L.E.J.,
Mothersill, C., Pärt, P., Repetto, G., Riego Sintes, J., Rufli, H., Smith, R., Wood, C., Segner, H. (2003) The use of
fish cells in ecotoxicology B The report and recommendations of ECVAM workshop 47. ATLA 31: 317-351.
172
Schirmer, K., Tanneberger, K., Kramer, N.I., Völker, D., Scholz, S., Hafner, C., Lee, L.E.J., Bols, N.C. and
Hermens, J.L.M. (2008) Developing a list of reference chemicals for testing alternatives to whole fish toxicity tests.
Aquat. Toxicol. 90: 128-137.
173
Scholz, S., Sela, E., Blaha, L., Braunbeck, T., Galay-Burgos, M., García-Franco, M., Guinea, J., Klüver, N.,
Schirmer, K., Tanneberger, K., Tobor-Kapłon, M., Witters, H., Belanger, S., Benfenati, E., Creton, S., Cronin,
M.T.D., Eggen, R.I.L., Embry, M., Ekman, D., Gourmelon, A., Halder, M., Hardy, B., Hartung, T., Hubesch, B.,
Jungmann, D., Lampi, M.A., Lee, L., Marc Léonard, M., Küster, E., Lillicrap, A., Luckenbach, T., Murk, A.J.,
Navas, J.M., Peijnenburg, W., Repetto, G., Salinas, E., Schüürmann, G., Spielmann, H., Tollefsen, K.E., WalterRohde, S., Whale, G., Wheeler, J.R., Winter, M.J. (2013) A European perspective on alternatives to animal
testing for environmental hazard identification and risk assessment. Regul. Toxicol. Parmacol. 67: 506-530.
111
International Zebrafish Medaka Course IZMC
11.
Zebrafischembryos als Modellorganismen in der Chemischen Biologie
und Genetik
(Uwe Strähle, Sepand Rastegar)
Obwohl wir große Fortschritte gemacht haben, die molekularen Ursachen von
Krankheiten zu verstehen, hat die „Food and Drug Administration“ (FDA) der USA im
letzten Jahrzehnt einen 50%-igen Rückgang in der Registrierung neuer Medikamente
beobachtet. Zur gleichen Zeit steigerten sich die Subventionen für Forschung und
Entwicklung im privaten und öffentlichen Bereich um 250%. Im März 2004 lautete der
Titel eines FDA – Bericht: „Innovation oder Stagnation, Aufgaben und Chancen auf
dem schwierigen Weg zu neuen Medikamenten! („Innovation or Stagnation,
Challenge and Opportunity on the Critical Path to New Medical Products”) Dieser
Bericht kam zu dem Ergebnis, dass nicht genügend an Möglichkeiten geforscht
wurde, effiziente und sichere Produkte zu entdecken mit Methoden, die schnell und
billig sind. In vielen Fällen müssen die Wissenschaftler auf Konzepte des letzten
Jahrhunderts zurückgreifen.
Ähnliche Feststellungen wurden auch in Europa gemacht. Die Entwicklung von
Medikamenten war eines der Hauptthemen des Forschungsprogrammes FP7, indem
Kooperationsinitiativen für Technologien zur innovativen Medizin gefördert
wurden 174 . Für die EU waren diese vorhergehenden Bemühungen noch nicht
ausreichend und so wurde Medikamentenentwicklung zu einem der Schlüsselthemen
im neuen Forschungsförderungsprogramm Horizon 2020 175 . Dazu sollen neue
Techniken und Modelle entwickelt werden, um die Wirksamkeit und Sicherheit von
potentiellen Medikamenten gleich am Beginn ihrer Entwicklung zu erkennen. Ein
großes Problem bei klassischen Pharmascreens ist auch die Tatsache, dass der
Screening-Assay häufig auf eine einzelne Komponente in höchst verzweigten
biologischer Netzwerke gerichtet ist. Kompensatorische Mechanismen oder
unerwartete Toxizität im Organismus lassen sich mit solchen Ansätzen nicht
erfassen und werden in der Regel erst in Nachfolgestudien in Tierexperimenten oder
bei Anwendung am Menschen gefunden. Auf jeden Fall wird dies in einem Stadium
festgestellt, wo bereits riesige Summen und viele Jahre Arbeit in ein
Kanditatenmedikament investiert worden sind.
Viele unserer bedeutendsten Medikamente wurden durch zufällige Exposition von
Tieren oder Menschen gefunden, wie das Medikament gegen Thrombose, Warfarin,
oder das Herzmedikament Digoxin 176 . Ein groß angelegter Pharma-Screen mit
Säugetieren wäre jedoch ethisch und finanziell nicht zu rechtfertigen. Alternativ kann
man die Embryonen von Fischen nutzen. Pioniere in US Laboren haben gezeigt,
dass die Embryonen des Zebrabärblings für Medikamentensuche eingesetzt werden
können. Die ersten potentiellen Pharmazeutika aus diesen Tests befinden sich in
Phase 1 und 2 der klinischen Untersuchungen. Beispielsweise erhöht Prostaglandin
E2 die Anzahl von Blutstammzellen im Zebrabärbling und wird nun in der klinischen
Phase 2 als „Ansiedlungshelfer“ nach Knochenmarktransplantationen getestet 177 .
Dorsomorphin ist ein Inhibitor der BMP-Rezeptoren und wurde als erster Inhibitor des
BMP Signalweges überhaupt über morphologische Screens in Zebrafischembryonen
174
d2013_0246en01.pdf
d2013_0246en01.pdf
176
Zon and Peterson, Nature Reviews Drug Discovery, pp 36, vol. 4, 2005
177
North et al. Nature 2007
175
112
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entdeckt 178. Dorsomorphin und seine Derivate sind Kandidaten für Medikamente, um
den Eisenhaushalt im Körper zu regulieren und heterotope Ossifikation zu
behandeln. 179.
Zebrafischembryonen sind sehr gut für chemische Screens einsetzbar. Kleine,
lösliche Moleküle werden normalerweise im Wasser gelöst und von den Embryonen
über die Haut absorbiert. Es ist dazu keine zeitraubende Injektion nötig. Die Platten
können
durch
individuelle
Beobachtung
oder
über
automatisierte
Hochdurchsatzbildgebungsverfahren ausgewertet werden. Der Einsatz von
hochentwickelter Transgenese zusammen mit der Transparenz der Embryonen
erlaubt eine hochauflösende Analyse, die von anderen Wirbeltiermodellen nicht
erreicht wird. Im Hinblick auf Medikamentenscreening lässt der Zebrafisch vor allem
die Beobachtung von komplexem Zellverhalten und physiologischen Parametern an
einem lebenden, intakten Organismus in Echtzeit zu.
Zum Beispiel kann das Verhalten von Stammzellen oder Immunzellen in ihrer
natürlichen Umgebung analysiert werden, ohne die Nachteile einer in vitro Zellkultur
zu haben. Diese Experimente in einem Organismus haben den Vorteil, dass sie nicht
nur die Auswirkung auf einzelne Zellen, sondern auch die Wirkung der zu testenden
Komponenten auf den gesamten Signalweg und dessen Netzwerk beobachten
lassen. Zusätzlich können komplexe toxische Parameter getestet werden. Zum
Beispiel kann man mit dem Zebrabärblingsembryo mit hoher Wahrscheinlichkeit
Herzrhythmusstörungen vorhersagen, wie Verlängerung des QT Intervalls. Dies ist
eine häufige und sehr gefährliche Nebenwirkung von Medikamenten, die mehrfach
erst in späten Phasen der Medikamentenentwicklung oder sogar erst nach
Markteinführung des Medikamentes erkannt worden ist.
Während der letzten Jahre wurden viele Mutationen
im Zebrabärbling isoliert, die als Modelle für
Krankheiten
wie
Krebs,
Herzkrankheiten,
neurodegenerative Defekte und viele andere
menschliche Krankheiten dienen. Zebrabärblinge
wurden zu einem akzeptierten Modell für
Humangenetiker, um Mutationen im menschlichen
Genom ursächlich mit bestimmten erblich bedingten
Krankheiten zu verknüpfen. Durch die letzten
genetischen Untersuchungen und die letzten
Abb. 32: Automatisiertes Mikroskop am
EZRC für das Screening vieler ZebrafischSequenzierungen 180 haben die Wissenschaftler nun
embryos.
Zugang zu Mutationen, die in mehr als 50% der
Protein-kodierenden Gene im Zebrabärbling vorkommen.
Mit der Einführung von neuen, hoch effizienten knock-out Techniken, die auf
Sequenz-spezifischen synthetischen Nukleasen beruhen, können Mutationen in
jedem beliebigen Gen hervorgerufen werden. Betrachtet man weiterhin die Tatsache,
178
Yu, P.B., et al., Dorsomorphin inhibits BMP signals required for embryogenesis and iron metabolism. Nature
chemical biology, 2008. 4(1): p. 33-41.
179
Hong, C.C. and P.B. Yu, Applications of small molecule BMP inhibitors in physiology and disease. Cytokine &
growth factor reviews, 2009. 20(5-6): p. 409-18.
180
Kettleborough, R.N., et al., A systematic genome-wide analysis of zebrafish protein-coding gene function.
Nature, 2013. 496(7446): p. 494-7.
Driever, W., et al., A genetic screen for mutations affecting embryogenesis in zebrafish. Development, 1996. 123:
p. 37-46.
Haffter, P. and C. Nusslein-Volhard, Large scale genetics in a small vertebrate, the zebrafish. The International
journal of developmental biology, 1996. 40(1): p. 221-7.
113
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dass das Genom von Fisch und Mensch zu 70% identisch ist 181 , können somit
gezielt menschliche Krankheiten modelliert werden.
Diese Fülle von Krankheitsmodellen eröffnet neue Wege für die
Medikamentensuche. So können an diesen Modellen, die Wirkung von chemischen
Verbindungen auf pathologische Netzwerke im Kontext eines lebenden Organismus
systematisch getestet werden. Hier zeigte eine Gruppe aus den USA die
Unterdrückung von Gefäßmissbildungen durch Chemikalien an einem
Zebrabärblingsmodell 182 . Die potentiellen Medikamente, die mit diesem Screen
entdeckt wurden, werden momentan darauf untersucht, ob sie die Bildung neuer
Blutgefäße bei Herzinfarkt beeinflussen können 183.
Solche
Screens umfassen
typischerweise
die
Behandlung von Embryonen mit tausenden chemischen
Substanzen, die sich in ihrer Struktur unterscheiden und
entweder von Forschern selbst hergestellt, oder über
den Markt bezogen werden. Wenn diese Screens mit
automatisierten
Techniken
kombiniert
werden,
angefangen vom Sortieren der Embryonen, über
Mikroskopie und Datenanalyse (Abb.32), kann der
Durchsatz bis auf mehr als zehntausend Substanzen
Abb. 33: Automatisiertes,
steigen. Zusätzlich wird eine große Auflösung erreicht,
robotisches Videosystem am EZRC,
um das Fressverhalten von
eine detaillierte Analyse der Morphologie. Die
Zebrafischen zu überwachen.
Sensitivität dieser Fischembryonen-Assays kann durch
Transgene, die bestimmte Zelltypen oder biochemische Prozesse markieren, erhöht
werden. Des Weiteren können die Screens dazu verwendet werden, die
Auswirkungen der Chemikalie auf das Verhalten des Zebrabärbliings zu beobachten
b.z.w. zu messen (Abb.33). Ergebnisse solcher Screens leisten ausserem einen
großen Beitrag zur Charakterisierung der biologischen Effekte, die von künstlich
hergestellten Substanzen ausgelöst werden, denen wir im täglichen Leben
ausgesetzt sind.
181
Howe, K., et al., The zebrafish reference genome sequence and its relationship to the human genome. Nature,
2013. 496(7446): p. 498-503.
182
Peterson, R.T., et al., Chemical suppression of a genetic mutation in a zebrafish model of aortic coarctation.
Nature biotechnology, 2004. 22(5): p. 595-9.
183
Kettleborough, R.N., et al., A systematic genome-wide analysis of zebrafish protein-coding gene function.
Nature, 2013. 496(7446): p. 494-7.
114
Unterstützt durch: European Zebrafish Resource Center Karlsruhe Institute of Technology (KIT) Institute of Toxicology and Genetics (ITG) Hermann‐von‐Helmholtz‐Platz 1 76344 Eggenstein‐Leopoldshafen Germany Tel.: +49 721 608‐22716 EZRC‐Requests∂itg kit edu www.ezrc.kit.edu EuFishBioMed European Society for Fish Models in Biology and Medicine e.V.
Karlsruhe Institute of Technology (KIT) Institute of Toxicology and Genetics (ITG) Hermann‐von‐Helmholtz‐Platz 1 D‐76344 Eggenstein‐Leopoldshafen Germany Tel: +49‐721‐608‐23291 eufishbiomed∂itg kit edu www.eufishbiomed.kit.edu fischcare Dr. med. vet. Sandra Lechleiter Fachtierarzt für Fische
Fuhrmannstraße 4 D‐75305 Neuenbürg T +49 (0) 7082 949698 F +49 (0) 7082 940880 M +49 (0) 171 1722659 sandra‐[email protected] www.fischcare.de 
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