Antibiotikaresistente Keime - nicht nur in

Werbung
Dr. Heribert Keweloh
Antibiotikaresistente Keime - nicht nur in Krankenhäusern
ein Problem!
In Deutschland erkranken jährlich ca. 500.000 Menschen an Krankenhausinfektionen. Eine steigende Zahl der Infektionen wird durch Krankheitserreger hervorgerufen,
die gegen ein oder mehrere Antibiotika resistent geworden sind. Patienten in Krankenhäusern haben oft ein geschwächtes Immunsystem; Mikroorganismen, die gesunden
Menschen nicht ernsthaft schaden, können bei diesen Personen lebensbedrohlich werden. Seit einigen Jahren weiß man, dass die resistenten Keime nicht nur in Krankenhäusern zu finden sind, sondern beispielsweise auch bei Nutztieren und in den von
ihnen stammenden Lebensmitteln vorhanden sind.
Resistente Staphylokokken
Ein auch in den Medien viel beachteter Erreger ist
der als Krankenhauskeim bekannte Staphylococcus aureus (S. aureus). Im Gegensatz zu anderen
Krankheitserregern führt dieser Keim aber nicht
zwangsläufig zu einer Erkrankung. Die Staphylokokken besiedeln sogar zahlreiche Menschen,
ohne dass diese erkranken, zumindest zeitweise
etwa jeden dritten. Die Bakterien finden sich auf
der Haut und den Schleimhäuten, vor allem in der
Nase und im Rachen. Bei geschwächten Patienten
können sie schwere Infektionen wie Lungen- und
Knochenentzündungen sowie Blutvergiftungen
hervorrufen.
Das Gefährliche an diesen Bakterien ist, dass viele Stämme sich nicht mehr mit den gängigen
Antibiotika bekämpfen lassen. Sie sind gegen eine Vielzahl von Antibiotika wie Penicilline und
Cephalosporine unempfindlich geworden. Diese Bakterien sind unter dem Kürzel MRSA (Methicillin-resistente Staphylococcus aureus) bekannt geworden. MRSA kann auch mit „multiresistente Staphylococcus aureus“ übersetzt werden.
Maßnahmen gegen MRSA-Keime
Um die Verbreitung der MRSA-Erreger zu verhindern, muss in Krankenhäusern strikte Händeund Kleidungshygiene herrschen. Allerdings werden die Keime auch auf anderen Wegen wie
beim Berühren von Klinken und Gebrauchsgegenständen übertragen.
In deutschen Krankenhäusern sind inzwischen
25 Prozent der gefundenen Staphylokokken
multiresistent. In anderen europäischen Ländern gelingt es besser, die resistenten Bakterien zurückzudrängen.
In den Niederlanden, in Norwegen und Schweden sind nicht einmal ein Prozent der
S. aureus-Erreger resistent gegen das Antibiotikum Methicillin. Jeder Patient wird dort bei der
Aufnahme im Krankenhaus sofort auf Infektionen oder Besiedlungen mit resistenten Erregern
getestet, und betroffene Patienten werden isoliert behandelt.
Mit einem nur drei Euro teuren Nasenabstrich lässt sich MRSA schnell identifizieren.
http://idw-online.de/pages/de/news237103
© 2012 by Fachbuchverlag Pfanneberg, Haan-Gruiten
Seite 1
Wie entstehen die Resistenzen?
Wie wirken Antibiotika?
Methicillin ist ein Abkömmling des Penicillins, das 1959 zur Bekämpfung von Bakterien eingeführt wurde, die gegen Penicillin resistent geworden waren. Diese Antibiotika gehören zur
Klasse der Beta-Lactam-Antibiotika, benannt nach ihrer gemeinsamen chemischen Struktur.
Diese Antibiotika hemmen die Neusynthese der bakteriellen Zellwand. Da die prokaryontische
Zelle von Bakterien einzigartige Strukturen wie die Zellwandsubstanz Murein besitzt, können
Antibiotika die Bakterienzellen zerstören, ohne mit der eukaryontischen Zelle des Menschen in
Konflikt zu geraten.
Entstehung von Antibiotikaresistenzen
Wird ein neues Antibiotikum entdeckt und angewendet, dauert es oft nur kurze Zeit, bis resistente Bakterien auftauchen. Dafür sorgt die natürliche Selektion, die die Evolution der Lebewesen und die Bildung neuer Lebensformen vorantreibt. Sehen sich Bakterienzellen mit einem
bestimmten Antibiotikum konfrontiert, werden alle empfindlichen Zellen im Wachstum gehemmt
oder abgetötet. Aufgrund der großen Vielfalt genetischer Ausstattungen der Bakterien gibt es
aber irgendwo immer einige Keime, die die hemmende Aktivität der Antibiotika außer Kraft setzen können. So besitzen Bakterien und Pilze, die selbst Produzenten eines Antibiotikums sind,
grundsätzlich ein Resistenzgen gegen dieses Antibiotikum, um sich nicht selbst zu schaden.
Diese resistenten Bakterien sind nun gegenüber allen anderen Konkurrenten im Vorteil: Sie
überleben und vermehren sich. Viele multiresistente Keime können beispielsweise ein Enzym
bilden, das die Beta-Lactam-Struktur der Antibiotika spaltet und inaktiv macht.
Bakterienplasmide und Antibiotikaresistenzen
Fast alle Bakterien können neben dem Bakterienchromosom als Hauptträger der genetischen
Informationen auch kleinere DNA-Moleküle, sogenannte Plasmide, besitzen. Die DNA der Plasmide wird häufig zwischen verschiedenen Zellen derselben Bakterienart und bisweilen auch zwischen verschiedenen Arten und Gattungen übertragen. Da auf den Plasmiden oft die Gene für
die Resistenzen liegen, können diese relativ leicht auch auf Krankheitserreger unter den Bakterien übertragen werden. Dies ist besonders der Fall, wenn die häufige Anwesenheit von Antibiotika zu einem großen Selektionsdruck auf die Keime führt. Plasmide können Resistenzen regelrecht sammeln, wenn eine große Zahl von Bakterien mit unterschiedlichen Resistenzgenen
auf engem Raum vorliegt.
Wo entstehen die Resistenzen?
Resistenzen durch Desinfektionsmittel
Resistenzen gegen Antibiotika entstehen offensichtlich nicht nur bei Verwendung von Antibiotika, sondern auch durch den Gebrauch von
marktüblichen Reinigungs- und Desinfektionsmitteln, insbesondere wenn quartäre
Ammoniumverbindungen (QAV) dort enthalten
sind. Zu diesen Stoffen gehört beispielsweise
Benzalkoniumchlorid, das Bestandteil vieler
Desinfektions- und Reinigungsmittel (z. B. Sagrotan) ist. Bakterien, die gegen solche Desinfektionsmittel resistent geworden sind, reagieren
häufig auch nicht mehr auf Antibiotika.
Antibiotikaresistente Mikroorganismen werden
heutzutage - vielleicht aufgrund des übermäßigen Desinfektionsmittelgebrauchs - auch in der
Umwelt gefunden. Sie tauchen in der Kanalisation, in Kläranlagen, in Flüssen und auf Äckern
auf, die mit Klärschlamm gedüngt werden.
© 2012 by Fachbuchverlag Pfanneberg, Haan-Gruiten
Seite 2
Staphylococcus aureus tanzt auf allen Hochzeiten
Staphylokokken sind Ursache für
verschiedenste Infektionserkrankungen sowohl bei Menschen
als auch bei Tieren. Die
Fähigkeit, die Artgrenzen zu
überwinden, trifft besonders für
S. aureus zu. Der Organismus
kann relativ leicht zwischen Menschen und Tieren übertragen
werden. Der Keim ist beispielswiese als Erreger von Entzündungen der Milchdrüse bei Kühen
(Mastitis) bekannt.
Staphylokokken
führen
beim
Menschen zu Infektionskrankheiten wie eitrige Wundinfektionen
und Hautentzündungen wie Furunkel. Sie spielen zudem als Erreger von Lebensmittelvergiftungen eine wichtige Rolle.
Wenn sich die S. aureus-Erreger
im Lebensmittel stark vermehren,
bilden sie Toxine, die beim Verzehr der betroffenen Speisen zu Erbrechen und Übelkeit führen.
MRSA bei Tieren
Der Erwerb von Antibiotikaresistenzen durch Staphylokokken macht diese noch gefährlicher. Die
resistenten Keime werden bei Nutztieren immer öfter gefunden. Sogar im Stallstaub können
die MRSA-Keime nachgewiesen werden.
MRSA wurde in den letzten Jahren bei Rindern und Geflügel, vor allem aber bei Schweinen immer häufiger nachgewiesen. Bei Schweinen breitet sich ein bestimmter MRSA-Typ innerhalb
der Tierbestände aus, der sich von dem Krankenhauskeim unterscheidet und zu dessen Gefährlichkeit für den Menschen noch wenige Erkenntnisse vorliegen. Da die Schweine gesund bleiben,
kann der Besitz der Keime vom landwirtschaftlichen Personal nicht erkannt werden. In Deutschland tragen inzwischen 58 % aller bei der Schlachtung getesteten Schweine diesen MRSAStamm.
Der Kontakt mit Tieren, die die resistenten Bakterien mit sich führen, kann bei Landwirten, Tierärzten und Schlachtpersonal zu einer Besiedlung mit MRSA, wenn auch nicht unbedingt zu einer
Infektionserkrankung, führen. Studien zeigten, dass 23 % aller deutschen Schweinelandwirte MRSA-positiv sind.
Tierkliniken und Tierarztpraxen werden ebenfalls von MRSA-Keimen nicht verschont. Kleintiere wie Hunde und Katzen, aber auch Pferde können infiziert werden.
Lebensmittel mit MRSA-Staphylokokken
Einige MRSA-Infektionen des Menschen, die durch Lebensmittel hervorgerufen wurden,
sind bislang beschrieben worden. Dabei wurden die Lebensmittel durch MRSA-besiedelte
Personen verunreinigt.
Ein anderer, wesentlich beunruhigenderer Weg der resistenten Keime ist die Ausbreitung von
den besiedelten Nutztieren über Fleisch und Milch auf die Konsumenten. Dass vielfach resistente Bakterien in die menschliche Nahrungskette eingeschleppt werden, zeigen aktuelle Untersuchungen: Rohes Fleisch fast aller Tierarten kann Methicillin-resistente Keime enthalten.
Meist ist allerdings die Keimzahl so niedrig, dass keine direkte Gefahr für die Konsumenten
besteht.
© 2012 by Fachbuchverlag Pfanneberg, Haan-Gruiten
Seite 3
Antibiotikaresistenzen in der Lebensmittelkette
Bei Salmonellen sieht die Resistenzsituation in der deutschen Landwirtschaft nicht besser aus.
Labore haben in den Jahren 2000 bis 2008 aus fast 4000 Proben von Schweinen Salmonellen
isoliert; davon waren nur 16 % vollkommen antibiotikasensibel und immerhin 77 % mehrfach
resistent. Ähnlich ist die Situation bei Geflügel. Hohe Resistenzzahlen in deutschen Masthähnchenbeständen spiegeln sich in entsprechenden Keimbefunden im verkaufsfertigen Hähnchenfleisch wider.
Eine repräsentative Untersuchung aus dem Jahr 2009 bestätigt die Ergebnisse für Salmonellen
und kommt zu ähnlichen Ergebnissen bei Campylobacter, dem Keim, der zurzeit die höchste
Zahl von Lebensmittelerkrankungen verursacht.
Aber auch rohes Gemüse enthält häufig antibiotikaresistente Keime. Untersuchungen zeigen
beispielsweise, dass die Darmflora von Vegetariern mehr resistente Bakterien als die von Nichtvegetariern enthält. Nicht vergessen ist, dass der EHEC-Ausbruch in Deutschland 2011 von E.
coli-Keimen hervorgerufen wurde, die Vielfach-Antibiotika-Resistenzen besaßen.
Fazit
Nicht nur bei Krankheitserregern in Krankenhäusern, auch in Nutztieren und auf Lebensmitteln
sind Antibiotikaresistenzen ein gravierendes Problem. Selbst wenn resistente Keime in Lebensmitteln nur in seltenen Fällen direkt zu einer Erkrankung führen, so können die Entwicklungen in der Lebensmittelkette zu einer dramatischen Verschlechterung der Verfügbarkeit anwendbarer Antibiotika im Gesundheitswesen führen. Die Ursachen der zunehmenden Resistenz
der Mikroorganismen müssen bekämpft und Konsequenzen aus der Resistenzentwicklung gezogen werden.




Der massive und nicht sachgerechte Einsatz von Antibiotika beim Menschen und in der
Tierzucht muss auf das unbedingt Notwendige eingeschränkt werden.
Die Wirkung von antimikrobiellen Haushaltsreinigern und Seifen auf Antibiotikaresistenzen sollte weiter erforscht und deren Einsatz notfalls eingeschränkt werden.
Insbesondere bei Fleisch und Fleischerzeugnissen sind die grundsätzlichen Hygienemaßnahmen strikt anzuwenden. Erhitzen von Lebensmitteln wie Garen von Fleisch und
Pasteurisieren der Milch tötet pathogene Keime und damit auch antibiotikaresistente Erreger ab.
Die Überwachung der Antibiotikaresistenzen von Bakterien vor allem in den Nutztierbeständen ist zur Verhinderung der weiteren Ausdehnung und Entstehung resistenter Keime von großer Bedeutung. Im Rahmen des Zoonosen-Monitorings wird in Deutschland
die Resistenzsituation bei Zoonoseerregern (von Tier auf Mensch wechselnde Krankheitserregern) und anderen Bakterien analysiert.
Beitrag von Dr. Heribert Keweloh, Mikrobiologe und Fachbuchautor
(u. a. von „Mikroorganismen in Lebensmitteln“, erschienen im
Fachbuchverlag Pfanneberg, Haan-Gruiten, 4. Auflage 2011)
Homepage von Dr. Heribert Keweloh: www.mikrobiol.de
für seine Online-Reihe „Unterrichtsmaterial Hygiene und Mikroorganismen“ auf den Webseiten für die gastgewerblichen Medienpakete des Fachbuchverlags Pfanneberg (für registrierte Lehrkräfte zum kostenfreien Download).
Fachbuchverlag Pfanneberg
Düsselberger Str. 23
42781 Haan
Tel.: 02104 6916-0
www.der-junge-koch.de
www.hotel-restaurant-kueche.de
www.pfanneberg.de
© 2012 by Fachbuchverlag Pfanneberg, Haan-Gruiten
Seite 4
Herunterladen