Andersen Nachfeld_Zielsprache

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Christiane Andersen
Wortfolge im gesprochenen Deutsch. Markiertheit vs. Unmarkiertheit als Kriterien der
Nachfeldbesetzung aus kontrastiver Perspektive
1 Vorbemerkung
Die Wahl sprachlicher Mittel hängt in der Sprachproduktion von vielen Faktoren ab. Aus
kontrastiver Perspektive sind es neben den sprachsystematischen Regeln besonders Faktoren
der sprachlichen Norm und der sprachlichen Realisierung in sowohl Herkunfts- als auch
Zielsprache, die innerhalb der Möglichkeiten des Sprachsystems den Sprachgebrauch
bestimmen. Dieses Verhältnis ist besonders augenfällig, wenn Herkunfts- und Zielsprache
sehr ähnlich sind, was im Folgenden am Deutschen und Schwedischen gezeigt werden soll.
Interessant ist hierbei eine Lehrsituation, in der die Lerner häufig ad hoc-Bildungen
produzieren, die vom Lehrenden nach ihrer Akzeptanz eingeschätzt werden müssen. Wenn
Lerner auch als Sprachbenutzer der Zielsprache bewusst wahrgenommen werden, können
möglicherweise neue Einblicke in das Verhältnis von Kompetenz und Performanz einerseits
und Grammatikmodell und sprachlicher Realisierung andererseits gewonnen werden.
2 Wortfolgeprobleme
Wenn nun im Weiteren Wortfolgeprobleme diskutiert werden sollen, dann hat dies zwei
Gründe. Erstens gehört die Topologie, d.h. Phänomene der Reihenfolge von sprachlichen
Ausdrücken zu den zentralen linguistischen Fragestellungen, mit denen sich vornehmlich
Syntax und Pragmatik beschäftigen. Phänomen der Abfolge von sprachlichen Einheiten
werden bereits im frühen Erstsprachenerwerb internalisiert, daher sind sie starken
sprachsystematischen und psycholinguistischen Regeln unterworfen, die schwer zu
beschreiben sind.
Zweitens wird die Wortfolge im Deutschen häufig als relativ frei charakterisiert, d.h. es gibt
eine Reihe von informationsstrukturellen Phänomenen und daher genügend verwirrende
Wortstellungsvorschläge von sowohl Theoretikern als auch Didaktikern. Zwar ist man sich
darin einig, dass die Wortfolge durch die drei festen Stellungen des finiten Verbs (Verberst-,
Verbzweit-, Verbletztstellung) maßgebend beeinflusst wird, was das Deutsche zum typischen
Vertreter der germanischen Sprachen ausweist (vgl. König 1996: 42). Aber im Unterschied
zum Englischen sei das Deutsche eine SOV-Sprache, d.h. die Verbletztstellung wird als
basaler Stellungstyp vorausgesetzt, was jedoch nur für eingebettete Sätze zutrifft (vgl. König
& Gast 2009: 181). Von welchem strukturellen Satztyp bei der Grundwortfolge ausgegangen
wird, ist abhängig davon, welcher theoretische Ansatz1 angelegt wird.
Im Duden werden „Fremdsprachige“ darauf aufmerksam gemacht, dass das finite Verb im
Deutschen unterschiedliche Stellungen einnehmen kann. Die drei Satzformen nach der
Stellung des finiten Verbs werden zwar nicht nach einer Rangordnung behandelt, doch wird
der Verbzweitsatz als Muster für alle Aussagesätze eingeführt und damit indirekt als
Grundform angesehen. Die Freiheiten bei der Anordnung von Satzgliedern und Wortformen
in den drei „Satzformen“ seien aber nicht grenzenlos, sondern geprägt von der Satzklammer,
die die Verbformen des Prädikats enthält (vgl. Duden 4, 2005: 874-878). Die deutsche
Satzklammer schafft daher ein gemeinsames Grundmuster in der Wortfolge grammatischer
Sätze: Vorfeld – linke Satzklammer – Mittelfeld – rechte Satzklammer – Nachfeld. Dadurch
entstehen typischerweise mit Konstituenten reichlich gefüllte Mittelfelder, die häufig in der
Schriftsprache anzutreffen sind und besonders bei Lernern mit einer skandinavischen
1
König & Gast (2009: 159ff.) gehen von einem generativen Ansatz aus, der u.a. bei Abraham (1995: 565ff.)
vertreten wird.
Herkunftssprache Schwierigkeiten bereiten. Dennoch wird in Fremdsprachengrammatiken
aus praktischen Gründen weitgehend von dem grammatischen Satz ausgegangen, was
einerseits eine willkommene Vereinfachung nach sich zieht, doch andererseits von vorn
herein viele sprachliche Erscheinungen von der sprachtheoretischen und damit auch von der
pädagogischen Betrachtungsweise ausschließt. Ehlich bemerkt treffend: „Die Linguistik ist in
ihren Kategorien, in ihren Voraussetzungen, vor allen Dingen aber in ihren stillschweigenden
Voraussetzungen, den Präsuppositionen bei ihrer Arbeit, in einer erheblichen Weise durch
sehr frühe Entscheidungen bestimmt [...]. Ich möchte hier von einem ‚Satz-bias’ der
Linguistik reden, von einer Art Drift hin zu diesem Satzkonzept, sozusagen einer schiefen
Ebene, auf der das Nachdenken immer wieder fast von selbst sich auf das Konzept ‚Satz’ hin
bewegt.“ (Ehlich 2004: 80) In der vorliegenden Untersuchung wird aus strukturellen Gründen
dennoch vom grammatischen Satz ausgegangen, wohl wissend, dass im untersuchten Korpus
die Grenze zwischen Sätzen und damit zwischen z.B. Nachfeldbereich und sich
anschließendem Vorfeld in einer Äußerung häufig schwer festzulegen ist.
3 Stellungsfelder-Konzeptionen für den deutschen und schwedischen Satz
Die Beschäftigung mit der Wortfolge des deutschen Satzes ist geprägt durch die auf Erdmann
(1886) und Drach (1937) zurückgehende Feldertopologie. Die dänischen Germanisten Bech
(1955, 1957) und Diderichsen (1941, 1942) haben ebenfalls gleich nach Drachs FelderKonzeption ein Instrumentarium zur Beschreibung der Linearstruktur des deutschen Satzes
entwickelt. Diderichsens Stellungsfelderanalyse gilt für die Beschreibung der Satztopologie
der skandinavischen Sprachen bis heute als richtungweisend.2 Man kann daher davon
ausgehen, dass die Stellungsfelder-Konzeptionen für das Deutsche und die skandinavischen
Sprachen wissenschaftshistorisch eine gemeinsame Grundlage haben, was unter anderem in
einer ähnlichen Terminologie wurzelt, die nahe Verwandtschaft der Sprachen trägt ebenfalls
dazu bei. Ein Vergleich der Stellungsfeldermodelle in den Referenzgrammatiken der
deutschen und schwedischen Gegenwartssprache zeigt aber bei genauerem Hinsehen
deutliche Unterschiede, die sich durch eine unterschiedliche Beschreibungssystematik
auszeichnen und auch durch sprachsystematische Unterschiede bedingt sind. Letzteres ist
besonders für die vorliegende Untersuchung interessant.
In der Duden-Grammatik wird die „Wortstellung“ als Abfolge von Satzgliedern und
Prädikatsteilen charakterisiert, wobei sich die Satzglieder in Feldern vor, zwischen und hinter
einer für das Deutsche konstitutiven Satzklammer platzieren lassen. Ausgehend von der
Stellung des finiten Verbs werden drei Satzformen angenommen (vgl. Duden 4, 2005: 875).
Vorfeld
Svea
finite Verbform/
linke Satzklammer
hat
Svea
har
Mittelfeld
einen Brief
an die Bank
übrige Verbformen/
rechte Satzklammer
geschrieben.
Nachfeld
skrivit
ett brev
till
banken.
Abb. 1: Topologische Felder im Satz nach Duden-Grammatik (2005: 874ff.)
Die topologischen Felder Vorfeld, Mittelfeld, Nachfeld, die durch die Satzklammer entstehen,
weisen bekanntlich für die einzelnen Satztypen unterschiedliche Grade der Notwendigkeit
auf: Während das Vorfeld bei Verbzweitsätzen syntaktisch notwendig ist, wird bei
2
Dazu ausführlich bei Askedal (1986: 194), der einen gründlichen Vergleich zwischen skandinavischen und
deutschen Stellungsfeldermodellen durchgeführt hat.
Voraussetzung des finiten Verbs in allen drei Satztypen das Nachfeld immer als nicht
notwendig angesehen. Die rechte Verbklammer ist nur in Verbletztsätzen obligatorisch (vgl.
Zifonun et al. 1997: 1503) Dass Nachfelder grammatisch nicht notwendig sind, hingegen aber
vorkommen, um Konstituenten diskursspezifisch hervorzuheben, ist schon länger beobachtet
worden. Bereits in der Grammatik von Jung (1966/1990) werden ‚Ausgangspol’ und ‚Zielpol’
für die Satzklammer verwendet und Motive „die Ausrahmung und Nachstellung veranlassen“
eingeräumt (Jung 1966/1990: 137). In seiner richtungsweisenden Untersuchung bespricht
Altmann (1981) Ausklammerungen und Rechtsversetzungen. Diese und andere
Bezeichnungen weisen auch darauf hin, dass Nachfeldpositionen in Grammatiken als nicht
obligatorisch angesehen werden.
Die Duden-Grammatik erwähnt ebenfalls, dass bisweilen Satzglieder nachgestellt werden
können: „Man spricht hier von Rechtsversetzung oder von Ausklammerung, bei der
Satzgliedstelle nach der rechten Satzklammer von Nachfeld.“ (Duden 4, 2005: 901)3
In Abbildung 1 sind ein deutscher Satz und seine Übersetzung ins Schwedische im
Feldermodell der Duden-Grammatik kontrastiert worden, um die verschiedenen Wortfolgen
zu verdeutlichen. Das Mittelfeld bleibt im schwedischen Satz leer und die Objekte ett brev till
banken [ein Brief an Bank+best.Artikel] werden in der unmarkierten schwedischen
Satzgliedfolge ins Nachfeld platziert. Ein Mittelfeld wie im deutschen Satz ist daher nicht
vorhanden.
Die Lernergrammatik Tysk syntax geht ebenfalls von einem deutschen Feldermodell aus, man
nimmt hier hingegen an, dass es im Schwedischen keine Entsprechung zum tysk slutfält
[deutsches Nachfeld] gebe (vgl. Andersson et al. 2002: 31).
Fundament
[Vorfeld]
Johannes
Fin/Binl [finites
Verb/|Nebensatzeinleitung]
hat
Hat
dass
Fundament
Johannes
har
Har
att
Mittfält
[Mittelfeld]
einen Brief an die
Bank
Johannes einen
Brief an die Bank
Johannes einen
Brief an die Bank
Slutfeld
[Nachfeld]
geschrieben.
geschrieben?
geschrieben
hat
Mittfält
skrivit ett brev till banken
Johannes skrivit ett brev till banken?
Johannes har skrivit ett brev till
banken
Abb. 2: Topologische Felder in einer Lernergrammatik (vgl. Andersson et al. 2002: 31)
In der Abbildung 2 zeigt sich nun ein interessantes Bild. Die drei Satztypen werden in dieser
Lernergrammatik im Kontrast präsentiert und gleichzeitig wird betont, dass es im
schwedischen Satz kein entsprechendes Nachfeld gebe. Im Stellungsfelderschema erscheinen
keine Satzklammerfelder, außerdem fallen rechte Satzklammer und Nachfeld zusammen. Das
Mittelfeld des schwedischen Satzes enthält sowohl die rechte Satzklammer als auch die sich
in allen drei Satztypen rechts anschließenden Objekte. „Der Unterschied zwischen den beiden
3
In der Duden-Grammatik ist zwar erstmalig ein Abschnitt zur gesprochene Sprache zu finden. Dieser Teil wird
aber nicht grammatisch beschrieben, sondern aus kommunikationsfunktionaler Perspektive.
Wortstellungsregularitäten werden weiterhin größtenteils aus der Schriftsprache abgeleitet (vgl. Duden 4, 2005:
1175-1257).
Sprachen beruht demnach darauf, dass das Deutsche eine SOV-Sprache mit Steuerung von
rechts nach links ist, während das Schwedische eine SVO-Sprache mit Steuerung von links
nach rechts ist.“ (Andersson et al. 2002: 31, Übersetzung C.A.) Damit wird zwar angedeutet,
dass der Verbkomplex im Deutschen nach rechts extraponiert wird, doch wird die konstitutive
Rolle der deutschen Satzklammer und das sich dadurch bildende Mittelfeld etwas verwischt.
In Svenska Akademins grammatik (1999) wird ein Positionsschema für den schwedischen
Satz mit den drei Hauptfeldern initialfält, mittfält, slutfält [Vorfeld, Mittelfeld, Nachfeld]
vorgeschlagen. Die Positionen des finiten Verbs und der Rest des Prädikats erhalten keine
eigenen Feldpositionen, sondern werden ins Mittelfeld und Nachfeld geschoben.
Vorfeld
Mittelfeld
Einleiter
eftersom
[weil]
Subjekt
Per
[Per]
Nachfeld
Adverbial
nog inte
[wohl nicht]
Fintites Verb
skulle
[würde]
Rest der Verbformen
vilja träffa någon nu
[wollen treffen jemanden
nun]
Abb. 3: Positionsschema typisch für schwedische Nebensätze – af-sats (vgl. Teleman et al.
Band. 4, 1999: 7; Übersetzung C.A.)
In Abbildung 3 wird die schwedische Wortfolge im Nebensatz dargestellt. Der entscheidende
Unterschied zum deutschen Wortfolgeschema ist die Ordnung im Mittelfeld, die durch die
Stellung des Adverbials regiert wird. Das Modaladverbial nog inte steht standardsprachlich
vor dem finiten Verb im Mittelfeld des Nebensatzes, im Nachfeld schließen sich der Infinitiv
des Modalverbs und danach eine weiterer Infinitiv an, gefolgt von Objekt und
Temporaladverb. Danach werden zwei Satztypen unterschieden: a) af-sats (Adverbial vor
dem finten Verb im Mittelfeld) und b) fa-sats (Adverb nach dem finiten Verb im Mittelfeld).
Af-Sätze sind typisch für Nebensätze, während fa-Sätze die typische Wortfolge im
standardsprachlichen Hauptsatz ausmachen.
Vorfeld
Mittelfeld
Einleiter
Finit.
Verb
skulle
[würde]
Per
[Per]
Nachfeld
Subjekt
Adverbial
Rest der Verbformen
(-)
nog inte
[wohl nicht]
vilja träffa någon nu
[wollen treffen jemanden
nun]
Abb. 4: Positionsschema typisch für schwedische Hauptsätze – fa-sats (vgl. Teleman et al.
Band 4, 1999:7; Übersetzung C.A.)
Aus kontrastiver Perspektive kann festgehalten werden, dass wir es zwar mit ähnlichen
Wortfolgekonzeptionen im Deutschen und Schwedischen zu tun haben, gegeben durch einen
gemeinsamen theoretischen Ansatz, doch sind die Felderschemata in beiden Sprachen anders
konzipiert, was durch die unterschiedlichen typologischen Hauptmerkmale des
grammatischen Satzes in beiden Sprachen bedingt ist. Wir haben es hier mit zwei diametralen
Extraponierungen des Verbkomplexes zu tun. Das Deutsche extraponiert den Verbkomplex
nach rechts und schafft daher die typische Satzklammer; im Schwedischen wird der
Verbkomplex nach links extraponiert, ohne die für das Deutsche so typische Satzklammer zu
bilden. Die feste Position des Modaladverbials im schwedischen Nebensatz ist in der
schwedischen Referenzgrammatik daher auch Grundlage für die beiden Feldertypen. Das
finite Verb erhält im Unterschied zum Deutschen eine ins Mittelfeld integrierte Position. Das
Nachfeld ist im Schwedischen entweder gar nicht (vgl. Abb. 2) oder mit Prädikatsrest
einschließlich Komplementen und Adjunkten konzipiert (vgl. Abb. 3 und 4).
Daraus ergeben sich natürlicherweise verschiedenartige Wortfolgeprobleme. Der schwedische
Lerner produziert häufig Wortfolgen, die sowohl durch Transfer4 u.a. aus der Muttersprache
als auch durch Reflexion auf die Felderschemata zurückzuführen sind, wie zum Beispiel:
(1) *weil ich nicht mehr will treffen meinen Freund heute
(2) *weil ich nicht mehr meinen Freund will treffen heute
(3) ?weil ich nicht mehr treffen will meinen Freund heute
(3a) ?weil ich nicht mehr meinen Freund treffen will heute
(3b) weil ich heute meinen Freund nicht mehr treffen will
Die Beispiele (1-2) sind mit großer Wahrscheinlichkeit Transfers aus dem Schwedischen, sie
weisen die typische Wortfolge im schwedischen Nebensatz auf: Das finite Verb steht vor dem
Partizip und es gibt eine Extraposition von Komplementen und Adjunkten nach dem
Verbkomplex. In Beispiel (3) liegt eine Extraposition eines Objekts und Temporaladverbs
vor; in Beispiel (4) steht nur das Temporaladverb im Nachfeld. Die Wortfolgen in (3) und
(3a) sind unterschiedlich stark markiert, d.h. ein möglicher Kontext für diese Wortfolgen liegt
nicht ohne Weiteres auf der Hand, ist aber nicht ausgeschlossen. Für die Beispiele (3, 3a)
können in der gesprochenen Sprache dennoch genug Vorkommen nachgewiesen werden, wie
weiter unten noch zu zeigen ist. Eindeutig unmarkiert ist die Wortfolge nur in Beispiel (3b).
4 Untersuchungsansatz: markiertes vs. unmarkiertes Nachfeld
Aus diesen Beobachtungen hat sich ein neuer Untersuchungsansatz herauskristallisiert.
Schwedische Lerner verwenden, wie aus unterschiedlichen Gründen gezeigt wurde, häufig
eine Wortfolge mit Extraposition nach der rechten Verbklammer, das betrifft sowohl die
Nebensatz- als auch die Hauptsatzwortfolge. Solche Nachfelder weisen unterschiedliche
Grade der Markiertheit auf. (Als unmarkiert soll vorläufig nur die rechte Satzklammer ohne
Nachfeldbesetzung angesehen werden.) Die Frage ergibt sich nun, inwieweit das Nachfeld
wirklich fakultativ ist. Gibt es vielleicht Fälle, wo ein Nachfeld besetzt bleiben muss? Und
welche Rolle spielen dabei die Grade der Markiertheit? Wann kann man von unmarkierter
Wortfolge bei Besetzung des Nachfelds sprechen?
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass sich diese Fragestellungen aus der
Kontrastperspektive ‚schwedische erwachsene Lerner des Deutschen’ herausgebildet haben.
Die Folgeüberlegungen bestehen nun in der Vermutung, dass auch Sprachbenutzer des
Deutschen in verschiedenen Situationen des Sprechens und Schreibens eine
Nachfeldbesetzung vornehmen: „Das Nachfeld ist viel öfter besetzt, als in den Grammatiken
behauptet wird, und zwar nicht nur in der gesprochenen Sprache, und es wird gar nicht so
selten durch rechtsverschobene Konstituenten besetzt, von denen übereilig gemeint wird,
solche Konstituenten gehören ‚eigentlich’ ins Mittelfeld.” (Dalmas 2009: 371) Solche
Schlussfolgerungen ergeben sich, wenn man von vielschichtigen Erscheinungen des
Sprachgebrauchs ausgeht und nicht, wie häufig üblich, von Wortfolgeregeln, die durch ein
standardsprachliches Modell ansetzt werden. Dann müssten allerdings auch
Sprachgebrauchsvarianten erklärt und das Wortfolgemodell differenziert werden, was
natürlich zu neuen Fragestellungen führt.
4
Die Begriffe Lerner und Transfer werden hier und im Folgenden nicht weiter definiert. Alle Beobachtungen,
die mit Lernvorgangsaktivitäten in Beziehung stehen, sind zwar in meiner Lehrtätigkeit entstanden, aber nicht
weiter lerntheoretisch oder psycholinguistisch ausgewertet worden.
Aus der Perspektive des Sprachbenutzers werden Wortfolgephänomene letztendlich nach
Natürlichkeit d.h. nach Unmarkiertheit eingeschätzt. Hingegen wirkt eine markierte
Wortfolge unnatürlich oder ungewöhnlich. Markierte und unmarkierte Wortfolge ist jedoch
im Einklang mit einer einzigen Theorie schwer zu beschreiben. In der angewandten
Grammatik übernimmt der Lehrende in solchen Situationen häufig eine Art
Schietsrichterposition. Er hilft dem Lerner, indem er die produzierten Wortfolgen als
‚markiert’ oder ‚unmarkiert’ bewertet. Was die deutsche Wortfolge betrifft, wählen die
schwedischen Sprecher häufig eine Nachfeldbesetzung. Sie produzieren daher in der Regel
zwar keine ungrammatischen, hingegen aber ungewöhnliche bzw. markierte Wortfolgen.
Das Prinzip der Markiertheit hat ursprünglich Trubetzkoy (1931) für phonologische
Oppositionen als „merkmaltragend vs. merkmallos“ eingeführt. Sie wurden sofort von
Jakobson (1932) mit „merkmalhaltig vs. merkmallos“ in die Morphologie übertragen. Später
hat Jakobson (1957, vgl. Jakobson 1971: 146) diese morphologische Opposition als
allgemeines Strukturprinzip zur Beschreibung von grammatischen Kategorien
folgendermaßen formuliert: „The general meaning of a marked category states the presence of
a certain (whether positive or negative) property A; the general meaning of the corresponding
unmarked category states nothing about the presence of A, and is used chiefly, but not
exclusively, to indicate the absence of A. The unmarked term is always the negative of the
marked term, but on the level of general meaning the opposition of the two contradictories
may be interpreted as ‘statements of A’ vs. ‘no statement of A’, whereas on the level of
‘narrowed’, nuclear meanings, we encounter the opposition ‘statement of A’ vs. ‘statement of
non-A’.“ (Jakobson 1971: 136)5
Jakobsons Prinzip der Markiertheit von grammatischen Kategorien soll im Weiteren als
Ansatzpunkt zur Beschreibung von Wortfolgephänomenen im Deutschen und Schwedischen
verwendet werden. Coseriu (1988) hat diesen Ansatz konsequent in einer diskursfunktionalen
Richtung verfolgt, indem er vom „Ort des Korrekten“ beim „Sprechen unter bestimmten
Umständen“ ausgeht (vgl. Coseriu 1988: 329). Das Korrekte entspricht nach meinem
Verständnis der Unmarkiertheit sprachlicher Mittel im entsprechenden Diskurs.
Wenn im deutschen grammatischen Satz nach der rechten Satzklammer das Nachfeld nicht
vorhanden ist, dann wird dieser Fall als unmarkiert angesehen. Wenn im schwedischen
grammatischen Satz ein Nachfeld vorhanden ist, dann wird dieser Fall ebenfalls als
unmarkiert betrachtet. Hiermit liegt eine Kontrastrelation des Deutschen und Schwedischen
vor.
5 Nachfeldbesetzung in einem Korpus der gesprochenen Sprache
Das Nachfeld, d.h. der Bereich hinter der rechten Verbklammer,6 ist abgesehen von
bestimmten satzförmigen Komponenten – die meisten Subjunktionalsätze werden unmarkiert
im Nachfeld platziert – eine potentielle Stelle im deutschen grammatischen Satz. Da nichtsatzwertige Konstituenten im Nachfeld keine notwendige Position im grammatischen Satz
ausmachen, wird es hauptsächlich für kommunikative Zwecke genutzt. Für rein
systembezogene Grammatiktheorien wie etwa die Generative Grammatik ist das Nachfeld
bisher kaum von Interesse gewesen und als Problem so gut wie gar nicht vorhanden (vgl.
5
In der generativen Phonologie hat der Begriff der Markiertheit ebenfalls eine große Rolle gespielt (vgl.
Chomsky & Halle 1968). Der Begriff der Markiertheit bezeichnet dort nicht nur ein positives Merkmal, das
einem Element zukommt, sondern bekommt den Status eines Prozesses bzw. einer Regel.
Wissenschaftshistorisch liegt hier meines Erachtens eine Aufarbeitung des Ansatzes von Jakobson vor.
6
Die Terminologie, was diese Position betrifft, ist ausgesprochen vielfältig. Häufig werden Ausklammerung,
Extraposition und rechtes Außenfeld mehr oder weniger synonym benutzt. In dieser Untersuchung wird nur
‚Nachfeld’ verwendet.
Abraham 1995; Haftka 1993; Inaba 20077). Eine Ausnahme bildet Haftka (1981). In
Grundzüge einer deutschen Grammatik behandelt sie ausführlich die Stellung nach der
rechten Verbklammer als „Nachtrag“: „Im Deutschen können im Prinzip alle nichtfiniten
Stellungsglieder eines Satzes im Vorfeld oder im Hauptfeld [Mittelfeld, Anmerkung C.A.]
stehen, jedoch wirken solche Sätze häufig steif, gekünstelt, überladen. Daher wird oft eines
der Stellungsglieder dem Satzfeld nachgestellt. Solche Nachträge unterliegen jedoch
bestimmten syntaktisch-strukturellen und kommunikativ-pragmatischen Bedingungen.“
(Hafka 1981: 761) Abgesehen von Altmann (1981) gibt es allerdings nur wenige
Untersuchungen, die das Nachfeld unter strukturellen und funktionalen Gesichtspunkten
gleichermaßen behandeln (vgl. dazu die Arbeiten von Rath 1965, Beneš 1968 und Kromann
1974). Neuere Ansätze aus diskursfunktionaler Perspektive in der geschriebenen Sprache sind
bei Vinckel-Roisin (2011) zu finden, Nachfeldbesetzung und Sprachwandel aus
pädagogischer Perspektive werden bei Voeste (2009) angedeutet.
Durch Beobachtung von schwedischen Sprachbenutzern des Deutschen haben sich hingegen
neue Fragen ergeben: Ist das Fehlen eines Nachfelds wirklich immer unmarkiert und woran
kann dies gemessen werden? Unter welchen Bedingungen treten im Deutschen Nachfelder
auf und inwieweit sind sie markiert? Interessant wäre daher, sowohl deutsche als auch
schwedische Sprecher im Dialog zu beobachten. Eine Art Vergleichskorpus mit deutschen
und schwedischen Gesprächen müsste allerdings erst erarbeitet werden.8
Fabricius-Hansen und Solfjeld (1994) haben deutsche und schwedische Sachprosa quantitativ
miteinander verglichen und die Dichte der Vorfelder untersucht. Ihre Ergebnisse zeigen, dass
beispielsweise die Vorfelder im norwegischen Teilkorpus häufiger Subjekte enthalten, im
deutschen Teilkorpus hingegen häufiger andere Satzglieder anzutreffen sind (vgl. FabriciusHansen & Solfjeld 1994: 38-41). Zudem scheinen die Vorfelder tendenziell umfangreicher
im deutschen als im norwegischen Teilkorpus zu sein (vgl. Fabricius-Hansen & Solfjeld
1994: 31). Für die vorliegende Untersuchung sind diese Ergebnisse insofern interessant, weil
man annehmen möchte, dass es eine Wechselwirkung zwischen umfangreichem Vorfeld und
fakultativem Nachfeld im Deutschen geben könnte. Umgekehrt ist im Schwedischen ein
Zusammenhang zwischen subjektlastigem Vorfeld und häufig umfangreichem Nachfeld nicht
ausgeschlossen. Doch sind dies nur Vermutungen, die im einzelnen überprüft werden
müssten.
Im Weiteren wird vorübergehend die kontrastive Perspektive verlassen und ein Korpus der
gesprochenen Sprache des Deutschen nach vorhandenen Nachfeldern durchgesehen. Es
handelt sich dabei um die Elizitierten Konfliktgespräche zwischen Müttern und jugendlichen
Töchtern. Das Korpus besteht aus 138 Tonaufnahmen und Transkripten (ca. 150 000 Tokens);
die Erhebungen wurden zwischen 1988 und 1990 durchgeführt.9
7
In einem weiteren generativen Ansatz behandelt Inaba (2007) aus diesem Grund nur die Subjunktionalsätze als
die einzig natürlichen Satzkomplementierungen im Nachfeld des Deutschen. Sie verweist auch auf
Konstituenten wie die hier untersuchten, die jedoch fast ausschließlich in der gesprochenen Sprache auftreten
würden. Sie sieht daher von solchen Fällen in ihrer Arbeit ab (vgl. Inaba 2007: 9).
8
Pankow (Andersen) (2007) hat bereits verschiedene Kommunikationstypen des gesprochenen Deutsch und
Schwedisch miteinander verglichen und unterschiedliche Strategien bei der Wahl der sprachlichen Mittel
festgestellt, jedoch in diesem Zusammenhang keine Wortfolgephänomene untersucht.
9
Elektronisch frei zugänglich am Institut für Deutsche Sprache Mannheim: Archiv für Gesprochenes Deutsch:
http://www.ids-mannheim.de/ksgd/agd/ Die Kennzeichnung der Beispiele nach Transkriptquellen ist aus
Platzgründen eingespart worden. Alle verwendeten Beispiele sind durchweg Korpusbelege, wo an einigen
Stellen die Transkription der Wortformen aus Gründen der Verständlichkeit vereinfacht wurde. Einbezogen
wurde jedoch das Symbol /*/, was Pausen signalisiert, da u.a. weiter unten eine Nachfeldklasse durch
eingeschobene Pausen konstituiert wird.
Im ersten Schritt wurden die Nachfeldbefunde nach ihrer syntaktischen Funktion
ausgesondert: Subjekt, Prädikat, Prädikativ, Adverbial, Attribut. Im zweiten Schritt sind die
Wortklassen und Phrasen in den Nachfeldern erfasst worden. Dabei zeigte sich, dass nicht alle
Wortformen und Phrasen eine Satzgliedfunktion haben.
(4) daß daß du des so anziehsch dass du do eiskalt fortgehsch ge * des schnall isch net ab do
isch bin ja net altmodisch oder was
(5) wolltsch ja als klarinett wolltsch ja a:ch alles lerne mh ja
In den Gesprächssequenzen (4, 5) erscheinen in den Nachfeldern Partikeln und Interjektionen
(ge, mh, ja). Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass sie als selbstständige Einheiten in der
Interaktion fungieren und nicht zum Aufbau von Sätzen dienen (vgl. Zifonun et al. 1997: 62f.,
362ff.). Sie sind daher auch keine syntaktischen Bestandteile des grammatischen Satzes. Der
Zusatz /oder was/ bezieht sich auf /isch bin ja net altmodisch/ und hat adverbiale Funktion, er
bildet aber eine eigene Intonationseinheit und wird unter anderem deswegen vom Satz
separiert (vgl. Zifonun et al. 1997: 1647). Die Korpusbefunde haben weiterhin gezeigt, dass
sämtliche Wortklassen (ausgeklammerte Verbformen sind jedoch nicht gefunden worden) und
Phrasentypen in den untersuchten Beispielen nachgewiesen werden konnten, d.h. allein
aufgrund der morphosyntaktischen Form sind keine Stellungsregularitäten nachzuweisen
gewesen. Anders verhält es sich mit syntaktischen und diskursiven Funktionen. Einige
syntaktische Funktionen, wie z.B. Adverbiale, sind häufiger in Nachfeldpositionen
anzutreffen. Ins Auge fiel auch, dass verschiedenartige diskursive Funktionen dabei eine
wichtige Rolle spielen und dass diese in der gesprochenen Sprache auf andere Weise als in
der geschriebenen die syntaktischen Strukturen im Nachfeld beeinflussen können. Die
Nachfeldkonstituenten sind in einem weiteren Schritt stufenweise geordnet worden.
-
Stufe 1: ausschließlich ausgeklammerte Konstituenten – nicht Teile des
grammatischen Satzes;
Stufe 2: häufig isoliert vorkommende Konstituenten – durch Pause(n) vom
grammatischen Satz getrennt;
Stufe 3: fakultativ an den grammatischen Satz gebundene Konstituenten - durch
eine kataphorische Einheit im Mittelfeld oder Vorfeld vorweggenommen;
Stufe 4: fakultativ an den grammatischen Satz gebundene Konstituenten;
Stufe 5: an den grammatischen Satz gebundene Konstituenten – (obligatorische)
Komplemente des Verbs der rechten Satzklammer.
Die Stufen 1 bis 5 folgen dem Prinzip des Grades der Gebundenheit an den grammatischen
Satz. Nur die zweite Aussonderungsstufe wird explizit durch eine diskursive Funktion
(Pausenfunktion) konstituiert. Alle anderen Aussonderungsstufen sind nach rein syntaktischen
Kriterien ermittelt worden. Diese syntaktisch motivierten Nachfeldklassen, die sich bei der
Analyse abgezeichnet haben, müssen in weiteren Untersuchungen durch ihre diskursiven
Funktionen erklärt werden, worin eine weitere Forschungsaufgabe besteht. Hierbei ist
anzumerken, dass die syntaktischen und diskursiven Funktionen von Konstituenten im
Nachfeld schwer in einem Arbeitsgang zu beschreiben sind, weil verständlicherweise mit
unterschiedlichem theoretischen und methodischen Werkzeug gearbeitet werden muss.
5.1 Ausschließlich ausgeklammerte Konstituenten – nicht Teile des grammatischen
Satzes
Hier handelt es sich um verschiedene Arten von sprachlichen Einheiten, die bisher noch nicht
vollständig erfasst worden sind. Ihre Klassifizierung ist immer noch recht sporadisch; dazu
gehören Negationspartikeln, Interjektionen und Anredeformen. Sie sind von der Satzeinheit
durch Pausen und eigene Intonation10 getrennt, wie in den Beispielen (6-9):
(6) da lasse mer doch jedesmal * eigentlich mit uns reden oder? schon ne?
(7) der vati sagt die andern sind viel besser als du obwohl du die beste sein müßtest * nach
deinem zeugnis von der grundschule her * voila!
(8) des des mag isch net hawwe ** almuth
(9) wolltsch ja als klarinett wolltsch ja a:ch als lerne mh ja
Kennzeichnend für diese Konstituenten ist, dass sie keine syntaktische Funktion in der
vorangegangenen Satzeinheit einnehmen, aber immer eine spezifische diskursive Funktion
haben. Sie sind die Diskurskonnektoren per se, daher sind sie nicht nur zurückverweisend,
sondern sie gliedern das Gespräch auch in Richtung zum Darauffolgenden: in Beispiel (6)
rückversichernd, in (7) zusammenfassend, in (8) hörerorientiert, in (9) nachdenklich
zusammenfassend. Eine Integrierung ins Mittelfeld ist syntaktisch schwer möglich.
(9a) *Wollte ich ja auch alles Klarinette wollte ich ja auch alles lernen hm, ja.
(9b) Wollte ich ja auch alles lernen. (FESTSTELLUNG) Wollte ich ja auch Klarinette lernen.
(SPEZIFIZIERUNG) Wollte ich ja auch lernen. (WIEDERHOLUNG) Mh, ja.
(ZUSAMMENFASSUNG)
In (9a) wird gezeigt, dass auch die standardsprachliche Übertragung zwar keinem
grammatisch wohlgeformten Satz entspricht, aber diese Art der Äußerung in der
gesprochenen Sprache kombiniert mit entsprechenden nonverbalen Mitteln auftreten kann. Es
ist eine Feststellung, auf die ein Neuansatz mit einer Spezifizierung folgt und mit einer
Wiederholung verschmilzt (9b). Die Sequenz /mh ja/ scheint sowohl zurückverweisend als
auch vorverweisend zu sein. Interjektion und Partikel sind diskursfunktional relativ
selbstständig. Sie fassen zusammen und bestätigen zugleich.
5.2 Häufig isoliert vorkommende syntaktische Konstituenten – durch Pause(n) vom
grammatischen Satz getrennt
Hier sind solche Konstituenten gefiltert worden, die durch ihre syntaktische Funktion zwar
an den Satz gebunden, aber durch eine deutliche Pause (im Transkript durch ein oder
mehrere Sternchen gekennzeichnet) vom Klammersatz abgetrennt sind.
(10) sie is nich sie war dagegen hat sich die bravo awa echt eingehend angekuckt fünf oder
sechs * hintereinander durchgelesen un kam dann zu dem entschluß dass die bravo * mehr
was für kinder isch * also so für jugendliche wie in unserem alter
(10a) (?) mehr was für Kinder - also so für Jugendliche wie in unserem Alter - ist
(10b) Die Bravo ist etwas für Kinder. Die Bravo ist etwas für Jugendliche in unserem Alter.
In Beleg (10) wird nach einer Pause der Zusatz /also so für jugendliche in unserem alter/ an
die rechte Satzklammer /isch/ [ist] angefügt. Zusätze wie dieser haben häufig eine adverbiale
Funktion, hier ist es aber Teil eines Prädikativs, der inhaltlich wiederaufgenommen wird, wie
in (10a und b) gezeigt wird. Dass es sich hier um einen Zusatz handelt, ist durch die
konnektiv-modifizierenden Partikel /also so/ und durch die deutliche Pause begründet (vgl.
10
Die Intonation übernimmt eine wichtige Rolle bei der Abgrenzung zur rechten Satzklammer. Bahnbrechend
zur Intonation von Interjektionen ist die Arbeit von Ehlich (1986), der u.a. die Interjektionen MH und ÄH zu den
primären Interjektionen zählt (vgl. Ehlich 1986: 215ff.), die in seinen Beispielen jedoch initial vorkommen.
Kowall und O’Connell (2004) untersuchen später Interjektionen intonatorisch im Gesprächszusammenhang und
stellen fest, dass ÄH „typischerweise“ sehr häufig final auftritt (vgl. Kowall & O’Conell 2004: 90f.).
Zifonun 1997:1647f.). Es zeigt sich hier auch, dass sich solche Einheiten nicht ohne Weiteres
in das Mittelfeld integrieren lassen, wenn man die Konstruktion in (10a) betrachtet. In
Beispiel (11) hingegen liegt ein Einschub vor, der gesprochen durch Pausen und schriftlich
durch z.B. Gedankenstrich abgetrennt werden müsste, wie in Beispiel (11a):
(11) der vati sagt die andern sind viel besser als du obwohl du die beste sein müßtest * nach
deinem zeugnis von der grundschule her * voila!
(11a) Der Vati sagt, die anderen sind viel besser als du, obwohl du – nach deinem Zeugnis
von der Grundschule her – die Beste sein müsstest.
In manchen Fällen wird die Rechtsversetzung durch eine Art Korrelat vorweggenommen wie
in Beleg (12):
(12) s lernen außerdem ah so wenige in de ferie * fast niemand!
(12a) Es lernen außerdem so wenige in den Ferien, fast niemand.
(12b) *Fast niemand lernt außerdem so wenige in den Ferien.
(12c) ? So wenige und fast niemand lernt in den Ferien.
Dieser Fall ist besonders interessant, weil hier ein Subjekt nach einer Pause nach rechts
versetzt wird. Das Korrelat /s/ (es) steht unbetont im Vorfeld (vgl. 12a) und verweist daher
nur sehr schwach auf das durch Pause betonte /fast niemand/ voraus; die Konstituente /so
wenige/ ist das eigentliche Subjekt, das ins Vorfeld gestellt, das Korrelat ersetzt. Die
eigentlichen Subjekte /so wenige/ und /fast niemand/ konkurrieren miteinander syntaktisch
(vgl. 12b, c); sie sind diskursspezifisch eine Art synonymische Wiederaufnahme, was recht
häufig in der gesprochenen Sprache, verstärkt durch eine Pause, rechtsversetzt auftritt. Der
Fall in Beispiel (12) ist auch insofern ungewöhnlich, weil hier das Nachfeld nicht durch eine
rechte Satzklammer abgegrenzt wird. Streng genommen müsste man hier von einem
Mittelfeld ausgehen, wenn man die Pause unberücksichtigt lässt, allerdings müssten dann
auch zwei nebengeordnete Subjekte angenommen werden: /so wenige/ und /fast niemand/.
Beide Einheiten können im Vorfeld nicht nebengeordnet werden (vgl. 12c).
5.3 Fakultativ an den grammatischen Satz gebundene Konstituenten - durch eine
kataphorische Einheit im Vorfeld oder Mittelfeld vorweggenommen
In einem weiteren Schritt sind solche Konstituenten herausgefiltert worden, die ohne Pause
nach der rechten Satzklammer auftreten und durch eine kataphorische Einheit bereits im
Vorfeld oder im Mittelfeld vorweggenommen wurden. Es handelt sich dabei durchweg um
Adverbiale und Präpositionsobjekte, die nachträglich (nach rechts versetzt) einen relevanten
Gesprächsgegenstand thematisieren.
(13) erstens hab isch des selbst hab ich überall nachgelese im lexikon
(14) ja ich will ja ich will ja auch keine kleidungsstücke kaufen aber wenn ich jez irgn etwas
super seh ne kurze hose oder oder n tishirt oder so ne datschkappe
(15) da kam mer sich doch überhaupt nimmer wohlfühle in so einem saustall ?
Wenn die Thematisierungseinheiten /im lexikon/, /ne kurze hose oder oder n tishirt oder so ne
datschkappe/ und /in so einem saustall/ an die Stelle der kataphorischen Einheit ins Vorfeld
oder Mittelfeld eingegliedert werden, scheint sich die jeweilige diskursfunktionale
Äußerungsbedeutung zu verändern, wie in (13a, 14a, 15a):
(13a) Hab ich im Lexikon nachgelesen.
(14a) Wenn ich jetzt eine kurze Hose sehe.
(15a) In so einem Saustall kann man sich doch nicht wohlfühlen.
Die Nachfeldposition in den Beispielen (13, 14, 15) wirkt natürlicher, d.h. in der dialogischen
Äußerung unmarkiert, während die ins Mittelfeld verschobenen Konstituenten in (13a, 14a,
15a) zwar korrekt, aber unnatürlich kontextlos erscheinen, was dafür spricht, dass Nachfelder
im Dialog als diskursive Gewichtungsstellen für diskursrelevante Gegenstände und
Sachverhalte genutzt werden. Aus diskursfunktionaler Sicht ist daher die im Korpus
vorgefundene Nachfeldposition eher zwingend.
5.4 Fakultativ an den grammatischen Satz gebundene Konstituenten
In der darauffolgenden Filterstufe finden sich solche Konstituenten im Nachfeld, die nicht
durch ein Korrelat oder eine kataphorische Einheit im Vor- oder Mittelfeld angekündigt
werden und als fakultative Komplemente und Supplemente an den syntaktischen Satz
gebunden sind. Sie können in der Regel gut ins Mittelfeld integriert werden und gelten dann
häufig als unmarkierte Stellungen, während eine Position rechts nach der Satzklammer als
markiert gilt (vgl. Duden 4, 2005: 886ff.).
In diese relativ große Gruppe fallen viele Adverbiale, wie in Beispiel (16), sowie
Präpositionalobjekte in Beispiel (17) und einige Attribute.
(16) manschmal wenn isch jetzt an mein schrank geh morgens
(17) da steht was drin was euch intressiert über atomkraftwerke über * sport oder was weiß
ich für noch alles
Diese Nachfeldstellungen werden mehr noch als die vorherige Gruppe als markierte
Ausklammerungen angesehen, wenn von der schriftsprachlichen Norm ausgegangen wird,
denn hier liegen keine kataphorischen Einheiten im Mittelfeld vor.
(16a) Wenn ich jetzt morgens an meinen Schrank gehe.
(17a) Da steht was über Atomkraftwerke... drin.
In (16a) und (17a) sind sie ganz natürlich im Mittelfeld platziert. Viele verschiedene
Verwendungskontexte sind hier denkbar. Als Nachfeldbesetzungen sind sie im Dialog jedoch
häufig anzutreffen. Man spricht hier von Nachträgen (vgl. Zifonun et al. 1997: 1671f.) mit
der Begründung, dass die Sprecher einzelne Aspekte des Sachverhalts nicht rechtzeitig in die
Planung einbeziehen könnten. Diskursspezifisch wird durch die Rechtsversetzung von der
Sprecherin (siehe Korpusbeleg 17) eine Teilinformation intendiert hervorgehoben. Wir haben
es daher mit einer geplanten Sprecherabsicht zu tun.
5.5 An den grammatischen Satz gebundene Konstituenten – (obligatorische)
Komplemente des Verbs der rechten Satzklammer
Diese Kategorie umfasst solche Konstituenten, die in keinem der vier Filterschritte erfasst
wurden. Es handelt sich um ausgeklammerte Einheiten mit einer maximalen Bindung an den
Satz. Damit sind in dieser Gruppe Konstituenten enthalten, die
-
als Bestandteil des Satzes und in die Satzklammer integrierbar sind,
durch keine Pause vom Trägersatz abgegrenzt sind,
durch keine syntaktisch gleichwertige Einheit im Vor- oder Mittelfeld
vorweggenommen sind,
nicht weglassbar sind.
Vor allem aufgrund der beiden Tatsachen, dass es sich um obligatorische Komplemente
handelt und dass diese durch keine gleichwertige Konstituente weder im Vorfeld noch im
Mittelfeld vorweggenommen sind, können sie rechts der rechten Satzklammer nicht
wegfallen. Der Satz wäre sonst grammatisch nicht vollständig. (Was nicht heißt, dass auch
derartige Sätze in der gesprochenen Sprache ausgeschlossen sind.)
(18) isch hab jo gsagt manschmo:!
(19) er hat äh gesagt elf mark und dann elf mark und dann wenn ma sich mal so n eis kaufen
will
(20) wem mer die annern sieht die kommn da an mit so massenweis geld
In den Belegen (18, 19) sind die Einheiten im Nachfeld Komplemente des Verbs sagen, die
durch ihre Herausstellung nach rechts stark thematisieren; in (19) wird das Komplement
zudem noch erweitert und satzwertig ausgebaut. In der Äußerung sind diese
Nachfeldpositionen für den Dialog zentral; syntaktisch wären die Sätze bei Wegfall zudem
unvollständig, sagen verlangt obligatorisch ein Objekt.
Im Beispiel (20) wird ein Präpositionsobjekt zum Verb ankommen ausgeklammert. Die
Konstituente /mit so massenweis geld/ ist ebenfalls sowohl syntaktisch als auch
diskursfunktional nicht weglassbar. Dennoch sind sie innerhalb der Dialogstruktur völlig
natürlich, d.h. unmarkiert. Solche grammatischen Konstruktionen sind zwar in dem
untersuchten Korpus nicht gerade häufig vorhanden, dennoch scheinen sie typische
Konstruktionen in einer dialogischen Syntax zu sein. In (18) liegt beispielsweise ein
Rückverweis auf etwas bereits Gesagtes vor - /manschmo:/ ist bereits früher erwähnt worden
und daher überhaupt nur möglich in dieser Nachfeldposition. Auer (2007: 121) spricht
neuerdings von „emergenten Strukturen“ in der so genannten online-Syntax. Diese Belege
könnten solche Sturkuren sein. In dem hier untersuchten Zusammenhang von Markiertheit vs.
Unmarkiertheit ergibt sich eine wichtige Opposition. Die Nachfeldkonstituenten der Gruppe
‚(obligatorische) Komplemente des Verbs der rechten Satzklammer’ wären im
generalisierenden Satzfeldermodell stark markierte Positionen bzw. ungrammatisch, im
dialogischen Gebrauch hingegen natürlich und daher unmarkiert.
6 Ergebnisse und Neuansatz: Markiertheit vs. Unmarkiertheit
Die Durchsicht von einem Dialogkorpus wie die Mutter-Tochter-Gespräche hat eine wichtige
Beobachtung bestätigt: Die Grenzpositionen Vorfeld und Nachfeld wurden bisher in einem
topologischen Modell festgelegt, das von einem kontextfreien Satzkonstrukt ausgeht.
Normalerweise abstrahieren Modelle vom konkreten Sprachgebrauch, d.h. Modelle sind
immer Verallgemeinerungen. Nur hat inzwischen das Wortfolgemodell zu der Sichtweise
beigetragen, dass Vorfelder in germanischen Sprachen strukturell immer notwenig sind.
Nachfelder hingegen sind strukturell nicht notwenig und höchstens aus diskursiver Sicht
berechtigt und damit markiert.
Die stufenweise Filterung der Konstituenten der Nachfelder im Dialogkorpus hat jedoch
deutlich gezeigt, dass Positionen nach der rechten Satzklammer in dialogischen Äußerungen
regelhaft häufig auftreten. 11
Von den untersuchten Nachfeldbelegen (vgl. dazu ausführlicher Andersen 2011) ist die
Gruppe mit den selbstständigen Konstituenten (selbstK), die nicht Teile des grammatischen
11
In einer meines Wissens bisher einzigen quantitativen Studie zum Nachfeld in der gesprochenen Sprache
kommt Zahn (1991) ferner zum Schluss, dass sowohl die Ausklammerung in gesprochener Sprache etwas
häufiger auftritt als auch „mehr Stellungselemente ausgeklammert [werden], von denen bisher angenommen
wurde, sie seien nicht ausklammerungsfähig [...] also Subjekte [...], Akkusativ- [...] und Dativobjekte [...],
Prädikative [...].“ (Zahn 1991: 225f.)
Satzes sind, die größte, während die Gruppe mit fakultativen Konstituenten (fakK)
syntaktisch am vielfältigsten ist. Die fakultativ an den grammatischen Satz gebundenen
Konstituenten mit und ohne kataphorischer Einheit im übergeordneten Satz haben sich hier
als die typischen Konstituenten im Nachfeld gezeigt. Es sind meistens Adverbiale und
Präpositionsobjekte. Ins Nachfeld gestellte Adverbiale und Präpositionsobjekte scheinen
offensichtlich typische syntaktische Einheiten im untersuchten Korpus zu sein. Obligatorische
Komplemente des Verbs (oblK) wurden zwar in geringer Zahl im Nachfeld ermittelt, sie sind
aber dennoch nicht zu übersehen.
In diesen Gruppen finden sich auch eine Reihe von Konstituenten, die nicht ohne Weiteres in
das Mittelfeld verschoben werden können (siehe Beispiele 12a-c), oder sie sind zwar
grammatisch akzeptabel, erhalten aber im Mittelfeld eine andere diskursive Funktion (siehe
Beispiele 16a und 17a).
Mit Jakobsons Markiertheitsprinzip ist anfangs eine kreuzweise Opposition im Deutschen und
Schwedischen festgestellt worden:
[- dt NF] UNMARKIERT [- schw NF] MARKIERT
[+dt NF] MARKIERT
[+ schw NF] UNMARKIERT
Während Nachfelder im Schwedischen weitgehend grammatikalisiert sind, werden diese in
der deutschen Wortfolge als fakultative Teile angesehen (vgl. Zifonun et al. 1997: 1503).
Nachfelder werden als nicht konstitutiv betrachtet, das Vorfeld ist hingegen konstitutiv für
Verbzweitsätze: „In keinem Verbstellungstyp muss jedoch ein Nachfeld realisiert werden.“
(Zifonun et al. 1997: 1644) Wenn man von einem (kontextfreien) Feldermodell ausgeht, ist
dem wohl auch so. Sowie wir aber die Sprachverwendung einbeziehen, muss diese
Grundannahme kommunikationssituativ relativiert werden. Es ist daher kein Zufall, dass in
Untersuchungen zur gesprochenen Sprache die Rolle des Nachfelds neuerdings mehr
Beachtung findet.12
Ausgehend von dem hier untersuchten Korpus der gesprochenen Sprache kann
selbstverständlich nicht behauptet werden, dass Nachfelder für bestimmte strukturelle
Satztypen konstitutiv seien. Wohl lässt sich aber in allen Belegen nachweisen, dass die
vorkommenden Konstituenten in der Position rechts der rechten Verbklammer
diskursfunktional notwendig sind. Das hat allerdings auch Konsequenzen für die Struktur des
grammatischen Satzes. Die Konstituenten im Nachfeld (NF) sind, wie anfangs beschrieben,
stufenweise vornehmlich nach ihren syntaktischen Funktionen ermittelt worden:
[NF (selbstK (Partikeln, Interjektionen))]
[PAUSE NF (Adverbial, Objekt, Subjekt, Attribut)]
[KATAPHER NF (Adverbial, Präpositionsobjekt)]
[NF (fakK (Adverbial, Präpositionsobjekt))]
[NF (oblK (Präpositionsobjekt, Akkusativobjekt))]
Wenn wir von der Erwartbarkeit von Konstituenten in einem Nachfeld ausgehen, dann sind es
im untersuchten Korpus Partikeln, Interjektionen und andere Zusätze, die im Nachfeld häufig
zu finden sind. Sie sind daher unmarkiert im Verhältnis zu den anderen Konstituenten:
12
Das gilt für verschiedenen Kommunikationsformen der gesprochene Sprache des Deutschen bereits bei Filpus
(1994) und auch Averintseva-Klisch (2005). Für Ausklammerungen und Nachfelder in der Schriftsprache siehe
Żebrowska (2007) und Vinckel (2006). Wenn auch die theoretischen Ansätze der Beiträge unterschiedlich
konzipiert sind, ist man sich dahingehend einig, dass sich die Position nach der rechten Verbklammer je nach
Kommunikationsform bereits in der deutschen Gegenwartssprache etabliert hat.
UNMARKIERT
[NF (Partikeln,
Interjektionen)]
MARKIERT
[PAUSE NF (Adverbial, Objekt, Subjekt,
Attribut)]
[KATAPHER NF (Adverbial,
Präpositionsobjekt)]
[NF (fakK (Adverbial, Präpositionsobjekt))]
[NF (oblK (Präpositionsobjekt,
Akkusativobjekt))]
Weiterhin hat sich ergeben, dass die Konstituenten mit adverbialer Funktion am ehesten im
Nachfeld erwartbar sind.
UNMARKIERT
[NF (Adverbial)]
MARKIERT
[NF (Präpositionsobjekt, Akkusativobjekt,
Subjekt, Attribut)]
Diese Ergebnisse zeigen auch, dass ein Neuansatz diskursfunktional verankert sein muss und zwar nicht nur für die gesprochene Sprache - und eine syntaktische Herangehensweise
durchaus vertretbar ist. (Schwedische Lerner produzieren in solchen Fällen grammatische
Sätze, die diskursfunktional angemessen sind!) Das heißt auch andererseits, dass Nachfelder
nicht nur rein diskursfunktional untersucht werden sollten. Es gibt durchaus einen
syntaktisch-topologischen Ansatz, der hier zu berücksichtigen ist.13 In diesem Zusammenhang
sei noch einmal betont, dass in den bisher aufgenommenen Belegen nur die Konstituenten
berücksichtigt worden sind, die unmittelbar rechts der rechten Satzklammer stehen und selbst
keine eingebetteten Sätze ausmachen. Diese Konstituenten treten jedoch selten allein auf,
sondern ihnen folgen gewöhnlich noch weitere Einheiten im Nachfeld. Es lässt sich daher
feststellen, dass Kombinationen von Konstituenten eher üblich sind, wie in der Äußerung
(21):
(21) also manschmol do wollt er misch halt net weggehn lassen ja * abends * so m ähm wenn
de schon halb neun is oder so * un da find isch des dann schon noch * weil isch mhm
eigentlisch ziemlisch seltn weggehe
Das Adverb abends folgt erst nach der Partikel ja und einer Pause, danach treten weitere
Gesprächspartikel auf, gefolgt von einem Temporalsatz und weiteren interaktiven Einheiten
(siehe Abb. 6).
Nachfeld
Partikel +
Pause
ja*
Temporaladverb Gesprächspartikel Temporalsatz
abends
so m ähm
wenn de schon
halb neun is
Konjunktion +
Partikel + Pause
oder so*
Abb. 6: Weites Nachfeld
13
Dahingehend ist bereits Höhle (1982) der Ansicht, dass so genannte normale Wortstellung mithilfe
spezifischer Kriterien und in Abhängigkeit von der Intonation im Satz festgelegt werden kann. Höhle (1982: 76)
bringt die ‚normale Wortstellung‘ eines Satzes mit einer ‚normalen Betonung‘ in Verbindung; hier gibt es
meines Erachtens Parallelen zum Ansatz ‚Unmarkiertheit’.
Nach /oder so/ beginnt möglicherweise das Vorfeld des nächsten grammatischen Satzes.
Syntaktisch bzw. strukturell ist aber erst das finite Verb find (Beispiel 21) eine eindeutige
Grenze zum beschriebenen Nachfeld. Diese Konstituenten sind diskursfunktional notwendig.
Häufig sind sie auch weder syntaktisch weglassbar noch ins Mittelfeld verschiebbar.
Nachfelder sind in der gesprochenen Sprache nachweisbar nicht nur regelmäßig besetzt,
sondern auch weniger flexibel, was ihre Verschiebbarkeit ins Mittel- und Vorfeld betrifft. Die
Stellungsfelderregeln könnten dahingehend neu überdacht werden. Die Regel, rein nach
obligatorischen und fakultativen Positionen in der Struktur des deutschen Satzes zu
unterscheiden, scheint daher eher eine Übergeneralisierung zu sein.
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[email protected]
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