Prof. Dr. Heiner Keupp Wie der Balanceakt Familie gelingen kann Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Fachtag „Kompetent Familien stärken“ des Netzwerks Familienpaten Bayern am 15.11.2011 im Bürgerhaus Ismaning Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Das Projekt Familiepaten verstehe ich als innovatives Angebot der familiären Gesundheitsförderung. Es aktiviert zivilgesellschaftliche Potentiale dort, wo familiärer Alltag in der Spätmoderne nicht mehr auf traditionelle lebensweltliche Ressourcen zurückgreifen kann. Die Förderung familiärer Verwirklichungschancen als Ermöglichungsraum für gesundes Aufwachsen ist vor allem dort erforderlich, wo bei prekären Lebensbedingungen und Krisen das das Bewältigungspotential von Familien nicht (mehr) ausreicht. Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Familie als Ermöglichungsraum für gesundes Aufwachsen These 1: Familie ist ein zentraler Ort für gesundes Aufwachsen, aber sie ist auch eine Projektionsfläche für ideologische Kontroversen (siehe die aktuelle Diskussion um das Betreuungsgeld). Wir brauchen einen nüchternen Blick auf veränderte Familienwelten, die mit rückwärtsgewandten Idealisierungen nicht angemessen verstanden werden. „Doing family“ ist ein aktiver Herstellungsprozess, ein Balanceakt, der Ressourcen verlangt, die längst nicht immer verfügbar sind. Hier braucht es eine differenzierte Infrastruktur von Unterstützungsleistungen, die zur öffentlichen Daseinsvorund –fürsorge gehören. Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Familie als Ermöglichungsraum für gesundes Aufwachsen These 2: Die Fokussierung auf das „Ermöglichen“ von Gesundheit und ganz besonders auf das gesunde Aufwachsen junger Menschen lenkt den Blick auf Familie. In den öffentlichen Diskursen wird Familie häufig idealisiert als „natürlicher“ Garant für das gesunde Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen. Vermehrt wird sie aber auch unter Generalverdacht unzulänglicher Sorge für gesunde Lebensführung gestellt. Es ist notwendig, sie vor allem als zentralen Ort für die Gewährleistung und aktive Mitgestaltung gesundheitsförderlicher Lebensbedingungen und Kompetenzen in den Blick zu nehmen. Voraussetzung dafür ist, dass alle Familien in ihren unterschiedlichen Lebenslagen die hierfür notwendigen Rahmen- und Gestaltungsbedingungen sowie bedarfsgerechten Unterstützungen erreichen. Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Der Katastrophen-Guru: Dr. Michael Winterhoff Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Familie als Ermöglichungsraum für gesundes Aufwachsen These 3: Wenn nachweislich etwa 80 Prozent aller Kinder unter gesundheitlich guten Bedingungen aufwachsen, so sollte ein solcher Befund nicht als selbstverständlich („naturwüchsig“) gesehen, sondern als positiver Beleg dafür gewertet werden, dass Familien in der großen Mehrzahl in der Lage und bereit sind, Gesundheit positiv zu gestalten. Es zeigt zudem, dass Staat und Gesellschaft hierfür mit wichtigen Förderbedingungen beitragen; diese dürfen keinesfalls in Frage gestellt werden. Vielmehr müssen sie als Element von „Grundsicherung“ für alle weiterentwickelt und so ausgestaltet werden, dass sie auch wirklich für alle zugänglich sind. Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Familie als Ermöglichungsraum für gesundes Aufwachsen These 4: Alarmierend ist die andere Seite des Befunds: Ein erheblicher und zudem wachsender Teil von Kindern und Familien lebt mit massiven gesundheitlichen Problemen und Defiziten. Überwiegend sind sie eine Folge struktureller, systematischer Überforderungen in der alltäglichen Familiengestaltung infolge fehlender materieller, personaler und ideeller Ressourcen (u.a. Einkommen, Wohnraum, Bildung, Kompetenz, soziale Integration). Das richtet den Blick der öffentlichen Verantwortung ganz besonders auf die Rahmenbedingungen Zeit, Geld und soziale Infrastruktur sowie auf den Mangel an zeitund bedarfsgerechten Förderleistungen für Familien und deren Erreichbarkeit für alle. Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Beziehungen in der Spätmoderne Abschied von der Familie als „mythologischer Matrix“ und: Wie Familien heute leben? Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Familie als „mythologische Matrix“ In ihr ist „das Ich eingebettet in eine Kontinuität des Seins, die sich erstreckt von der menschlichen Gemeinschaft über das, was wir heute 'Natur' nennen, bis hinein ins Reich der Götter oder anderer geheiligter Wesen. Das Ich ist in dieser Welt in einem emphatischen Sinn nicht einsam." (1994, S. 90). Diese Matrix bildet die Basis "für die Sehnsucht, die selbst die modernsten Menschen nach jener Welt zu entwickeln scheinen, einer Welt, in der alles im vollen Wortsinn ein 'Ganzes' war." Dieses mythologische Weltverständnis bekam im Laufe der Geschichte immer mehr Risse und "mit jedem dieser Risse (ging) eine gewisse Individuierung einher - das Individuum fiel aus dem festen Zusammenhang von Gemeinschaft, Kosmos und Göttern heraus." Quelle: Peter Berger: Die Sehnsucht nach Sinn (1994). Quelle: P.L. Berger (1994). Sehnsucht nach Sinn. Glauben in einer Zeit der Leichtgläubigkeit. Frankfurt. Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Dreischritt im Wertewandel 50er 60er 70er 80er 90er 2000er Außenorientierung Innenorientierung Innen/Außen-Orientierung Das Selbst passt sich an. Das Selbst emanzipiert sich. Neue Vermittlung zwischen Selbst und Umwelt • Gebote und Verbote • Rangordnungen und Herrschaftsbeziehungen • Konventionen, Institutionen • Pflichterfüllung und Anpassungsbereitschaft • Tugendhaftigkeit und Verzicht • Erweiterung der Optionsspielräume • Enttraditionalisierung und Individualisierung • Emanzipation • Autonomie • Individualismus • Genuss, Erlebnis, Wellness Maxime: Maxime: Selbst-Kontrolle Selbst-Verwirklichung • Steigende Wertigkeit persönlicher Ressourcen • Neues Sozialbewusstsein • Projekte bürgerschaftlichen Engagements vermitteln zwischen Innen und Außen • ‚Vermittlungs-Schlüssel‘ im Boundary-Management werden zentral Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Maxime: Selbst-Management Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Dreischritt im Wertewandel: Familie 50er 60er 70er 80er Außenorientierung Innenorientierung Das Selbst passt sich an. Das Selbst emanzipiert sich. Maxime: Selbst-Kontrolle Maxime: Selbst-Verwirklichung Familie ist normiert • ‚Man‘ hat Familie Familie wird hinterfragt 90er 2000er Innen/Außen-Orientierung Neue Vermittlung zwischen Selbst und Umwelt Maxime: Selbst-Management Familie als Möglichkeit • Familie als Pflicht • Statusverlust der traditionellen Kernfamilie • Neue Wertschätzung von Familie als emotionale Heimat • Typischer Familienzyklus und biographische Muster • Konkurrenz durch alternative familiäre Lebensformen • Familie ist freiwilliges Bekenntnis und Commitment • Rollenverteilung und Eltern-Kind-Beziehungen sind vorgegeben • Emanzipation und Berufstätigkeit der Frau • Vielfalt und Offenheit von Familienformen • Zunehmender Kinderverzicht • Hierarchische Struktur der Beziehungen • Anstieg der Scheidungsrate • Beziehungsmanagement und Vermittlung verschiedener Bedürfnisse • Eskalierender Generationenkonflikt • Eher partnerschaftliches Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Generationenverhältnis 11 Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Beziehungen in der Spätmoderne Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Die „entfesselte Welt“ des Anthony Giddens: „Die wichtigste der gegenwärtigen globalen Veränderungen betrifft unser Privatleben – Sexualität, Beziehungen, Ehe und Familie. Unsere Einstellungen zu uns selbst und zu der Art und Weise, wie wir Bindungen und Beziehungen mit anderen gestalten, unterliegt überall auf der Welt einer revolutionären Umwälzung. (...) In mancher Hinsicht sind die Veränderungen in diesem Bereich komplizierter und beunruhigender als auf allen anderen Gebieten. (...) Doch dem Strudel der Veränderungen, die unser innerstes Gefühls-leben betreffen, können wir uns nicht entziehen.“ Quelle: A. Giddens: Entfesselte Welt. Wie die Globalisierung unser Leben verändert (2001) Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Anthony Giddens zu Familie als Beziehungsgemeinschaft: „Eine gute Beziehung ist eine von Gleichberechtigten, in der jeder Partner gleiche Rechte und Pflichten hat. In einer Beziehung respektiert jeder den anderen und wünscht sein Bestes. Die Beziehung beruht auf Kommunikation, daher ist das Verständnis für den Standpunkt des anderen von wesentlicher Bedeutung. Gespräch und Dialog sind die Grundlagen ihres Funktionierens. Beziehungen funktionieren dann am besten, wenn die Partner offen aufeinander zugehen – gegenseitiges Vertrauen muss man sich erarbeiten; man kann es nicht einfach als gegeben annehmen. Und schließlich ist eine gute Beziehung frei von willkürlicher Machtausübung, Zwang und Gewalt.“ Quelle: A. Giddens: Entfesselte Welt. Wie die Globalisierung unser Leben verändert (2001) Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Anthony Giddens zur „Demokratie der Gefühle“ in Familienbeziehungen: „Eine Demokratie der Gefühle erscheint mir für die Verbesserung unserer Lebensqualität ebenso wichtig wie die Existenz einer demokratischen Öffentlichkeit.“ Eltern-Kind-Beziehungen brauchen als Basis eine prinzipielle Gleichberechtigung – was nicht im Widerspruch zur elterlichen Autorität steht. Disziplin und Respekt bedürfen der Grundlage einer vernünftigen Begründung. „Demokratie bedeutet ebenso die Anerkennung von Pflichten wie von gesetzlich verankerten Rechten. Der Schutz der Kinder muß die erste Aufgabe von Gesetzgebung und Politik sein.“ Quelle: A. Giddens: Entfesselte Welt. Wie die Globalisierung unser Leben verändert (2001) Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Familie als Ermöglichungsraum für gesundes Aufwachsen These 5: Familien- und Gesundheitsförderung in öffentlicher Verantwortung muss sich konsequent auf die von zunehmender Vielfalt und Unterschiedlichkeit geprägte soziale Wirklichkeit beziehen. Familienstrukturen, - stile und –mentalitäten haben sich ebenso grundlegend verändert wie die äußeren gesellschaftlichen, besonders von Arbeitsmarkt und Arbeitswelt geprägten Rahmen- und Gestaltungsbedingungen für Familienleben. Familien befinden sich zudem in einem permanenten Herstellungsprozess in vielfältigen Übergängen mit immer wieder neuen Anforderungen und entsprechendem Unterstützungsbedarf. Der wachsende Pluralismus von Lebensauffassungen und Familienformen sowie die Vielfalt unterschiedlichster Umwelten erfordern differenzierte Betrachtungen familialer Lebenskonzepte und eine entsprechende Diversität öffentlicher Hilfe und Förderung. Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Beziehungen in der Spätmoderne Wo liegen die Hauptprobleme für Heranwachsende und ihre Familien? Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Elterneinschätzung: „Meinem Kind geht es sehr gut“ Quelle: Robert-Koch-Institut: KIGGS Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Psychische Auffälligkeiten bei 3 bis 17-Jährigen (Elternangaben); KiGGSSonderauswertung des RKI im Rahmen des 13. KJB 14 12 Prozent 10 8 6 4 2 3 4 5 6 7 8 Gesamt 9 10 Jungen 11 12 13 Mädchen Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « 14 15 16 17 Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Psychosoziale Probleme und elterliche Einkommenssituation Quelle: Robert-Koch-Institut: KIGGS Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Quelle: Robert-Koch-Institut: KIGGS Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Heranwachsende aus sozial benachteiligten Familien bzw. mit Migrationshintergrund – auch sonst gesundheitlich benachteiligt: Sie sind motorisch weniger leistungsfähig sie ernähren sich ungesünder und bewegen sich weniger ihr Medienkonsum ist höher sie haben häufiger mehrere Gesundheitsprobleme und geringeres Wohlbefinden, sie verfügen über weniger persönliche, familiäre und soziale Ressourcen geschlechtsspezifische Differenzen ergeben sich verschärft sie zeigen häufiger Verhaltensauffälligkeiten (ADHS; v.a. Jungen), sie haben häufiger psychische Probleme und Essstörungen (v.a. Mädchen). (Quelle: KiGGS-Daten; nach Angaben der Eltern und der Jugendlichen) Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Wie sieht die Lösungskompetenz der vorhandenen Hilfesysteme aus und wie könnte sie kooperativ verbessert werden? 05.01.2012 Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Ist-Zustand Die aktuelle Situation zeigt versäulte und in sich eingeschlossene Systeme, die einen eigenen Denkstil und Sprachcode entwickelt haben, die unterschiedlichen Handlungslogiken folgen, die unterschiedlich funktionierenden und gesetzlich definierten institutionellen Muster unterliegen und – nicht zuletzt – die aus unterschiedlichen fiskalisch geordneten Töpfen bezahlt werden. 05.01.2012 Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Was wird gebraucht? Eine Vernetzung der vorhandenen Hilfssysteme, die bedarfsgerechte Förder-, Hilfs- und Schutzangebote ermöglichen. Dazu gehören: Familienbildung Professionelle Erziehungs- und Familienberatung Frühe Hilfen Familienpaten Familienselbsthilfe Also eine gute Mischung professioneller und bürgerschaftlicher Angebote 05.01.2012 Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Besonderer Förderungsbedarf bei Aufwachsen in Armutslage Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen Kindern von psychisch, sucht- und chronisch erkrankten Eltern Traumatisierte Kinder und Jugendliche Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Quelle: Der SPIEGEL vom 03.08.2009 Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Empfehlungen Gesundheitsförderung in der frühen Kindheit durch ein integriertes System früher Förderung Frühe Hilfen müssen als umfassendes Unterstützungsangebot für Eltern von der Schwangerschaft über die Geburt bis zu den ersten Lebensmonaten/-jahren organisiert werden. Familienhebammen sind hier ein mögliches Angebot, allerdings bedürfen sie einer sozialdiagnostischen Qualifizierung. Bewährte Formen der Familienbildung (wie HIPPY, Opstapje, Rucksack, Auf den Anfang kommt es an) sollten Standardangebot werden. Am besten geeignet scheinen Early-excellence-Projekte, Kinder-Tages-Zentren (KiTZ), „Haus für Familien“, Mütter- und Familienzentren und Mehr-Generationen-Häuser, die sozialraumbezogen ausgerichtet sind und ein komplexes Angebot machen können. Frühe Hilfen dürfen nicht unter einer Kontrollperspektive wahrgenommen werden, sondern als abrufbare Assistenz und als Orte, an denen sich Familien treffen und austauschen und damit auch selbst organisieren können. Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Quelle: DIE ZEIT vom 30.07.2009 Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Empfehlungen Gesundheitsförderung im Schulalter Die steigenden gesundheitlichen Belastungen (Ernährungsprobleme, Übergewicht, chronische Erkrankungen wie Allergien und psychosoziale Probleme wie ADHS) dürfen nicht medikalisiert werden. Weil in der Schule alle Kinder erreicht werden können, bedarf es einer verbesserten Kooperation von gesundheitsförderlichen Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe und der Schule durch den Ausbau der Schulsozialarbeit. Speziell in den Ganztagesangeboten ist die systematische Förderung von altersspezifischen Gesundheitsthemen relevant. Förderung der Elternselbsthilfe (etwa durch Projekte wie Elterntalk) Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Erwerb von Methylphenidat (z.B. Ritalin) durch Apotheken Quelle: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, BfArM 2008 Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Quelle: DER SPIEGEL 34/2011, S. 39 Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Quelle: DIE ZEIT vom 30.07.2009 Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Empfehlungen Gesundheitsförderung im Jugendalter Dringend erforderlich ist eine stärkere fachliche (und politische) Aufmerksamkeit für die gesundheitlichen Herausforderungen und Risiken des Jugendalters (vor allem psychosoziale Probleme wie Sucht, Essstörungen, Depressionen). Notwendig ist die Unterstützung bei der Erarbeitung realistischer und erreichbarer Lebensziele und der identitären Grenzziehung. Diese sind Voraussetzung für Gewinnung von Lebenskohärenz. Unterstützung ist vor allem bei der Bewältigung von Übergängen (z.B. Schule – Beruf) relevant. Jugendliche in ambulanten, teilstationären und stationären Hilfen zu Erziehung bedürfen einer genügend intensiven, aber an ihre Lebenswelt anschlussfähige, nicht ausgrenzende und mit dem Gesundheitssystem vernetzte Hilfen. Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Empfehlungen Arbeitsfeldübergreifende Herausforderungen Verbindliche Netzwerkbildung Netzwerke für eine verbesserte Kooperation von Kinder- und Jugendhilfe, Gesundheitssystem und Eingliederungshilfe sind erforderlich. In diesen vernetzten Strukturen sind zielgenaue Handlungsstrategien bezogen auf den jeweiligen Sozialraum, die speziellen Problemkonstellationen und unter Berücksichtigung der Erfahrungen und Kompetenzen der beteiligten Systeme zu entwickeln, durchzuführen und zu evaluieren. Diese Netzwerke sind von besonderer Bedeutung in den Bereichen Frühe Förderung, Kindertagesbetreuung, Schnittstelle Schule – Kinder und Jugendhilfe, Jugendliche in belastenden Lebenslagen, Kinder und Jugendliche mit Behinderung. Die Koordination ist Aufgabe des Kinder- und Jugendhilfesystems und muss finanziert sein In einem Bundesmodellverbund ist diese Netzwerkförderung anzuschieben und zu evaluieren. Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Gesundheitsförderung von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien Gestaltung der lokalen Netzwerke Einbettung in eine kommunalpolitische Gesamtstrategie Abstimmung und Verknüpfung mit vorhandenen lokalen Netzwerken (keine Doppelstrukturen) Bildung von bedarfsgerechten und arbeitsfähigen Strukturen „unterhalb“ der lokalen Netzwerke (z.B. sozialraumorientiert, themenbezogene, altersgruppenspezifisch) Vernetzung als professionelle Handlungsanforderungen – keine Reduzierung auf ein „Sicht-Zusammen-Setzen“ Kooperation braucht Koordinierung und Qualitätssicherung Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Gesundheitsförderung von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien Gestaltung der lokalen Netzwerke Aufbau lokaler und interdisziplinärer Netzwerke (Jugendhilfe, Gesundheitshilfe, Schulen, Polizei, Gerichte etc.) als zentraler Kern des Landesgesetzes: Schaffung verbindlicher Kommunikationsstrukturen Gestaltung eines fachlichen Austauschs der Beteiligten über die jeweiligen Aufgabenzuständigkeiten hinaus (Wechselseitigkeit der Perspektiven) Klarheit in der gemeinsamen Orientierung Erhöhung der Transparenz über Hilfeangebote und Erweiterung der Hilfe- und Förderprogramme für Familin Gewinnung von Erkenntnissen für kommunale Berichterstattung Anregung von interdisziplinären Fortbildungen Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Abschlussthese 1: Alle Familien brauchen Förderung Gesundheitsförderung als komplexer Herstellungsprozess positiver Entwicklungsbedingungen undAlle –ressourcen für jeden einzelnen Menschen kann Familien brauchen Förderung als komplexer Herstellungsprozess positiver wirksamGesundheitsförderung nur greifen, wenn er als Teil eines Gesamtkonzepts von FördeEntwicklungsbedingungen und –ressourcen für jeden einzelnen Menschen rung organisiert wird und wenn „Förderung“ generell einen kann wirksam nur greifen, wenn er als Teil eines Gesamtkonzepts vongrundlegend Förderung organisiert höheren Stellenwert erhält.wird und wenn „Förderung“ generell einen grundlegend höheren Stellenwert erhält. FörderungFörderung muss sich Lebensgestaltung entfalten. Bei mussals sichPrinzip als Prinzip„normaler“ „normaler“ Lebensgestaltung entfalten. Bei ihr geht es primär nicht umDefizitDefizit- und Risikobewältigung, sondern um die für ihr geht es primär nicht um und Risikobewältigung, sondern um alle Menschen bedeutsame Aneignung individueller Kompetenzen und die für alle Ressourcen. Menschen bedeutsame Aneignung individueller KompetenDeshalb muss es möglich, selbstverständlich und auch gesellschaftlichDeshalb anerkannt muss sein, zures eigenen Lebensgestaltung sich das in denund auch zen und Ressourcen. möglich, selbstverständlich verschiedenen Lebens- und Entwicklungsphasen notwendige Wissen und gesellschaftlich anerkannt sein, zur eigenen Lebensgestaltung sich das in Können anzueignen. Nötig ist ein differenziertes, niedrigschwelliges den verschiedenen LebensEntwicklungsphasen notwendige Wissen Förderangebot, das denund Zugang für alle sicherstellt. und Können anzueignen. Nötig ist ein differenziertes, niedrigschwelliges Förderangebot, das den Zugang für alle sicherstellt. Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Abschlussthese 2: Überwindung von Armut und prekären Lebenslagen ist Grundvoraussetzung für nachhaltige Gesundheitsförderung Gesundheit ist ähnlich wie die Bildung zu einer sozialen Frage geworden. Soziale Herkunft, sozialökonomische Verhältnisse sowie soziale Umwelten prägen maßgeblich die Chancen auf gesundes Leben und gesundes Aufwachsen. Die strukturelle Überwindung insbesondere von Kinder- und Familienarmut muss als relevantester Beitrag zur Herstellung auch von Gesundheitsgerechtigkeit Anerkennung finden. Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie « Familiäre Verwirklichungschancen und ihre Förderung Abschlussthese 3: Familienpaten als wichtige Ressource Familien Paten sind ein innovatives Angebot der familiären Gesundheitsförderung. Es aktiviert zivilgesellschaftliche Potentiale dort, wo familiärer Alltag in der Spätmoderne nicht mehr auf traditionelle lebensweltliche Ressourcen zurückgreifen kann. Die Förderung familiärer Verwirklichungschancen als Ermöglichungsraum für gesundes Aufwachsen ist vor allem dort erforderlich, wo bei prekären Lebensbedingungen und Krisen das das Bewältigungspotential von Familien nicht (mehr) ausreicht. Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie «