Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz

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Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz
Akademisches Lehrkrankenhaus der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz
Nuklearmedizin
Selektive Interne Radiotherapie (SIRT) bei malignen Lebertumoren
Was versteht man unter einer Selektiven Internen Radiotherapie ?
Die Selektive Interne Radiotherapie (SIRT) ist eine Form der Strahlentherapie zur
Behandlung fortgeschrittener Tumoren und Metastasen in der Leber. Anders als bei der
herkömmlichen Bestrahlung werden bei der SIRT die Krebszellen nicht von außen, also
durch gesundes Gewebe hindurch, sondern direkt in der Leber bestrahlt. Hierzu werden
radioaktiv markierte Kunstharzkügelchen über die Leberarterie in die Leber geleitet. Die
Mikrokugeln gelangen so unmittelbar zum erkrankten Gewebe. Dort lagern sie sich ab,
verkleinern den Tumor oder zerstören ihn sogar ganz.
Die SIRT wird vor allem dann eingesetzt, wenn eine Operation oder Chemotherapie nicht
erfolgreich war oder nicht in Frage kommt.
Wie wirkt die SIRT ?
Die SIRT ist eine minimal-invasive Therapie: Über einen Katheter werden Millionen
Kunstharzkügelchen, die mit radioaktivem Yttrium-90 versehen sind, in die Leberarterie
eingeschwemmt und auf diese Weise direkt zum erkrankten Gewebe geleitet. Diese
sogenannten Mikrosphären (ca.35 µm Durchmesser) lagern sich in unmittelbarer Nähe des
Tumors ab, verschließen dort die kleinsten versorgenden Gefäße und geben ihre Strahlung
ab. Dies behindert einerseits die Durchblutung des Tumors, andererseits kann die
Strahlung direkt auf das erkrankte Gewebe wirken. Yttrium-90 setzt dabei Strahlen frei,
die maximal einen Zentimeter in das umliegende Gewebe eindringen. Benachbartes
Gewebe oder angrenzende Organe sind von der Bestrahlung deshalb kaum betroffen.
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Wer kommt für eine Behandlung in Frage ?
Eine SIRT ist in den Fällen anwendbar, in denen eine operative Entfernung des
Lebertumors nicht möglich ist und auch andere Verfahren, wie z.B. die systemische
Chemotherapie kein oder nur ein begrenztes Ansprechen des Tumors bewirkt haben.
Indikation für eine SIRT –Therapie sind primäre [z.B. Hepatocelluläres Carcinom (HCC),
Cholangiocelluläres Carcinom (CCC)] und sekundäre (z.B. Metastasen eines Colorektalen
Carcinoms, eines Mammacarcinoms, eines Melanoms, Karzinoide) bösartige Tumore der
Leber.
Voruntersuchungen
Vor der Therapie mit den Mikrosphären wird zunächst eine ausführliche Anamnese des
Patienten erhoben. Alle bereits vorliegenden Befunde müssen außerdem kritisch in
Hinblick auf die Indikationsstellung und das Vorliegen möglicher Kontraindikationen hin
überprüft werden.
Zur
diagnostischen
Abklärung
sind
weitere
Voruntersuchungen erforderlich. Dafür sollte auf
jeden
Fall
eine
kontrastmittelverstärkte
Computertomographie des Brust- und Bauchraumes
durchgeführt werden. Unter Umständen kann auch
eine Magnetresonanztomographie notwendig sein. Um
Tumormanifestationen außerhalb der Leber sicher
Abb. 1
FDG-PET/CT-Aufnahmen der Leber mit
Tumormanifestation
ausschließen zu können, ist darüber hinaus eine
Positronen–Emissions-Tomographie
(PET)
erforderlich, die in unserer Abteilung mit Hilfe einer sog. hochauflösenden (HD) PET/CT
erfolgt.
Neben der Tumorausbreitung muss auch die Leberfunktion durch Blutuntersuchungen
überprüft werden.
Etwa 2 Wochen vor der SIRT wird eine angiographische Darstellung der
Oberbaucharterien in der Abteilung Radiologie durchgeführt, über die die arterielle
Gefäßversorgung der Leber, atypische Gefäßverläufe und makroskopisch sichtbare
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Umgehungskreisläufe zu benachbarten Organen dargestellt werden. Gefäße, die z.B. den
Magen und den Zwölffingerdarm versorgen, werden verschlossen, um ein Abfließen der
Mikrosphären in diese Organstrukturen zu verhindern. Falls das Gefäß, das die
Gallenblase arteriell versorgt (die Arteria cystica) kaliberstark ausgebildet ist, ist auch ein
Verschluss dieses Gefäßes zu erwägen. Um Kurzschlussverbindungen zwischen Leber
und Lunge (Shunts) ausschließen zu können, injiziert man an Eiweiß gebundene
Technetium-Partikel (MAA, makroaggregiertes Albumin mit Technetium99), die sich
ähnlich wie die später bei der Therapie verwendeten Yttrium – 90 – Mikrosphären
verhalten.
In der Nuklearmedizinischen Abteilung wird dann eine szintigraphische Untersuchung
durchgeführt, bei der die von Leber und Lunge ausgehende Strahlung gemessen und
zueinander ins Verhältnis gesetzt wird. Das so ermittelte Shuntvolumen darf nicht größer
als 10 % (max.15 %) der insgesamt verabreichten Radioaktivität sein.
Die Indikationsstellung zur Therapie erfolgt in enger Zusammenarbeit zwischen der
nuklearmedizinischen, radiologischen und onkologischen Abteilung.
Kontraindikationen:
Hier muss man zwischen relativen und absoluten Kontraindikationen
(Ausschlusskriterien) unterscheiden.
Absolute Kontraindikationen
•
Vorherige Bestrahlung der Leber
•
Aszites (Bauchwasser)
•
Deutlich eingeschränkte Leberfunktion (Bilirubin über 1,8 – 2,0 mg/dl,
Gerinnungsparameter, Albumin)
•
Shuntvolumen zwischen Leber und Lunge > 15 %
•
In der Vorbereitungs-Angiographie Nachweis eines Rückstromes (Stromumkehr des
Blutes) in andere Organe
•
Tumormanifestationen außerhalb der Leber (Ausnahmen möglich)
•
Behandlung mit Capecitabine: Therapiepause vor SIRT 4-6 Wochen, nach SIRT
6 Wochen erforderlich
•
Vollständige Portalvenenthrombose bzw. Flussumkehr
•
Karnofsky – Index < 60 %
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•
Lebenserwartung < 3 Monate
•
Schwangerschaft
•
Alter < 18 Jahre
•
Technisch nicht sicher platzierbarer Katheter
Relative Kontraindikationen
• Nachweis von Knochenmetastasen, die unter systemischer Therapie stabil oder
rückläufig sind, während die hepatische Tumormasse einen Progress aufweist.
•
Shuntvolumen zwischen Leber und Lunge > 10% und < 15%; hier kann bei einer
entsprechenden Dosisreduktion die Therapie ggf. dennoch durchgeführt werden.
• Teilthrombose der Pfortader.
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Wie kann man sich eine Behandlung mit SIRT vorstellen ?
Begründet auf eine interdisziplinäre Indikationsstellung (Onkologie, Nuklearmedizin und
Radiologie) und Sichtung der Laborergebnisse, der Schnittbilduntersuchungen und der
PET/CT-Untersuchung erfolgt die Therapie.
Durchführung:
Nach lokaler Betäubung der Haut im Bereich der Leiste wird ein kleiner Schnitt (Inzision)
gemacht, um einen dünnen Plastikschlauch (Katheter) in die Schlagader des Beckens
einzuführen.
Unter
Kontrastmitteleinspritzung
und
Durchleuchtungskontrolle
(Angiographie) wird der Katheter bis in die Leberarterie geschoben. Zunächst werden die
bereits in der Voruntersuchung verschlossenen Gefäße überprüft. Sollten sich
Umgehungskreisläufe (Kollaterale) gebildet haben, müssen diese occludiert werden.
Anschließend sondiert man selektiv die linke und rechte Leberarterie mit dem Katheter
und die eigentliche Behandlung wird durchgeführt. Abhängig vom Ausmaß des
Tumorbefalls
werden
ein
Leberlappen
oder
beide
Leberlappen
behandelt.
Nach jeder Injektion der Mikrosphären sowie jeder Umpositionierung des Katheters
erfolgt
eine
Kontrastmitteleinspritzung
und
Durchleuchtungskontrolle.
Abb. 2
Applikation der Yttrium-90-markierten
Mikrosphären im Angiographieraum
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Abb. 3
Spezielle Apparatur zur Applikation der
Sphären
Abb. 4
SIRT erfolgt durch ein Ärzteteam bestehend
aus Nuklearmediziner und Radiologe
Durch die Betäubung der Haut spürt der Patient von dem Einbringen des Katheters in die
Schlagader nichts. Bei der wiederholten Injektion von Kontrastmittel über den Katheter
entsteht im entsprechenden Organbereich ein Wärmegefühl, das jedoch innerhalb weniger
Sekunden wieder vergeht.
Um ggf. auftretende Nebenwirkungen wie ein Druckgefühl im Oberbauch oder z.B. durch
die längere Liegezeit bedingte Schmerzen im Rücken zu verhindern, werden dem
Patienten entsprechende Medikamente appliziert. Bereits vor der SIRT erfolgt eine
medikamentöse Einleitung auf der Onkologischen Therapiestation. Zusätzlich wird
praetherapeutisch ein Blasenkatheter gelegt, insbesondere um Unruhezustände während
der Angiographie und den darauffolgenden Kameraaufnahmen zu verhindern.
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Nach Beendigung der SIRT wird ein Druckverband an der Einstichstelle in der Leiste
angelegt und der Patient aufgefordert ca. 6 Stunden Bettruhe einzuhalten.
Im Anschluss an die Therapie werden in der Nuklearmedizinischen Abteilung eine
Szintigraphie der Leber (Bremsstrahlung) sowie SPECT / CT- Aufnahmen des
Oberbauchs zur Dokumentation der regelrechten Implantation und zum Ausschluss einer
Verschleppung der Mikrosphären durchgeführt.
Dauer:
Die Behandlung an sich dauert etwa 2-3 Stunden. Anschließend müssen die Patienten drei
Tage lang auf der Onkologischen Station beobachtet werden, bis der Großteil der
Strahlenenergie von den Mikrosphären an das befallene Gewebe abgegeben worden ist.
Strahlenbelastung
Bei der SIRT wird ein kurz wirksamer Betastrahler in die tumorversorgenden Gefäße
eingebracht. Betastrahler haben im Lebergewebe eine Reichweite von nur wenigen
Millimetern bis zu ca. 1 cm. Dadurch wird in der Leber bzw. im Tumorgewebe eine sehr
hohe Strahlendosis erreicht, während das gesunde Lebergewebe bzw. die umliegenden
Organstrukturen in nur geringem Maße Strahlen ausgesetzt sind. Innerhalb der Leber
entsteht allerdings durch Wechselwirkung mit dem Gewebe Röntgenbremsstrahlung, die
eine größere Reichweite als Betastrahlung aufweist. In Deutschland ist nach Empfehlung
der Strahlenschutzkommission (SSK) ein mindestens 48-stündiger stationärer Aufenthalt
erforderlich. Die Halbwertszeit des Yttriums liegt bei ca. 3 Tagen. Nach ca. 11 Tagen ist
keinerlei Strahlenemission mehr nachweisbar. Innerhalb der ersten Woche sollte daher ein
enger Kontakt zu anderen Personen vermieden werden, d.h. der Patient sollte z.B. nicht im
selben Bett wie sein Partner schlafen und nicht länger als zwei Stunden im Flugzeug oder
Zug neben einem Mitreisenden sitzen. Vor allem von Kindern und Schwangeren muss in
den ersten Tagen nach der SIRT etwas Abstand eingehalten werden.
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Welche Nebenwirkungen und Komplikationen können auftreten ?
Nebenwirkungen:
Kurze Zeit nach der Behandlung kommt es häufig zu Schmerzen im Bereich der Leber
und des Oberbauches, dazu auch Übelkeit oder Fieber. Verursacht wird dies durch die
Embolisation der kleinen Lebergefäße. Die Beschwerden können jedoch mit
Medikamenten effektiv behandelt werden.
Komplikationen:
Die SIRT ist bei erfahrenen Untersuchern ein sehr sicheres Verfahren. Eine durch die
SIRT möglicherweise auftretende Komplikation ist eine Implantation von Mikrosphären
z.B. in die Gallenblase oder den Magen. Hierdurch kann es zur Entstehung einer
Gallenblasenentzündung bzw. eines Magengeschwürs kommen. Bei eingeschränkter
Leberfunktion kann es in seltenen Fällen in den Wochen nach der Therapie zu einer
Strahlenhepatitis (Leberentzündung) kommen. Durch Umgehungskreisläufe (Shunts)
zwischen Leber und Lunge kann es auch zu einer Verschleppung von Sphären in die
Lunge und dadurch zu einer Strahlenpneumonitis (Lungenentzündung) kommen. Eine
weitere denkbare Komplikation könnte eine Infektion sein. Im Regelfall lassen sich diese
Komplikationen medikamentös beherrschen.
Wie ist der Erfolg bei einer SIRT-Behandlung einzuschätzen ?
Bisher wurden weltweit über 6.500 SIRT-Therapien durchgeführt. Die bisher
veröffentlichten Ergebnisse sind überaus positiv. Nahezu alle Autoren beschreiben eine
deutliche Größenabnahme der Lebertumore, verbunden mit einem starken Rückgang der
Tumormarker im Serum. Insbesondere die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) als
Verfahren zum Nachweis von Stoffwechselaktivität im Tumor zeigt eine deutliche
Abnahme der Tumoraktivität. Andere Autoren berichten im Vergleich mit etablierten
Therapieformen eine signifikante Überlebensverlängerung.
Es gilt zu bedenken, dass es sich bei der SIRT um eine palliative Therapieoption handelt,
die das Überleben der Patienten vermutlich verlängert, jedoch nur in vereinzelten
Ausnahmefällen eine Heilung der Tumorerkrankung erzielen kann, indem nach der SIRT
durch eine deutliche Größenregredienz der Tumormanifestation beispielsweise eine
Operation möglich wird.
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Was passiert nach der Behandlung ?
Der Patient sollte im Anschluss an die Intervention für ca. 6 Stunden Bettruhe einhalten.
Am Therapietag muss der Patient nüchtern bleiben. Zwieback und leichte Kost ist am
Folgetag möglich. Bereits am 3. Tag ist eine normale Kost unbedenklich. Bei der Therapie
mit radioaktiven Stoffen schreibt der Gesetzgeber darüber hinaus einen stationären
Aufenthalt von mindestens 48 Stunden vor.
Zur Kontrolle erfolgen in regelmäßigen Abständen körperliche Untersuchungen, sowie
CT- oder MRT- Aufnahmen der Leber. Da die Größenabnahme des Tumors jedoch nicht
unbedingt eine verminderte Tumoraktivität bedeutet, entsteht erst durch wiederholte PETAufnahmen und die Untersuchung des Blutes im Labor ein vollständiges Bild über den
Behandlungserfolg.
Kurzes Ablaufschema
•
Arztbrief des Onkologen, CT-Befunde und CT-Bilder sowie Laborbefund gehen ein
und werden bzgl. einer Indikationsstellung geprüft (Interdisziplinäre Besprechung
Nuklearmedizin/Radiologie/Onkologie). Danach telefonischer Kontakt durch Frau
Dr. Hoffmann mit dem behandelnden Onkologen. Bei geplanter Therapie erhält der
Patient eine telefonische Information durch die MTA Frau Schmidt oder die Leitende
MTA Frau Metternich über die Termine sowie eine schriftliche Informationsbroschüre.
•
PET/CT und ggf. CT/Angio (ggf. stationärer Aufenthalt auf der Onkologischen
Therapiestation).
•
Vorbereitungsangiographie (2 Tage stationärer Aufenthalt auf der Onkologischen
Therapiestation).
•
2 Wochen später Therapie (3 Tage stationärer Aufenthalt auf der Onkologischen
Therapiestation).
•
3 Monate nach Therapie: PET/CT
Da der behandelnde Onkologe weiterhin federführend im Therapieregime des
Patienten ist, erfolgen jegliche Befundinformationen, z.B. PET/CT-Befund etc. an
den Onkologen, nicht an den Patienten selbst.
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Welche Informationen benötigen wir im Vorfeld zur Begutachtung des
Falles ?
•
Einen ausführlichen Arzt-Bericht des behandelnden Onkologen mit Schilderung der
Beschwerden, den bisher bereits durchgeführten Therapiemaßnahmen, den relevanten
Vor- und Begleiterkrankungen und den Laborwerten (insbesondere Bilirubin-Wert)..
•
Aktuelle CT-Untersuchung (Computertomographie mit Kontrastmittel) des gesamten
Brust- und Bauchraumes; ggf. eine MRT-Untersuchung (Bilder und Befunde).
•
Überweisungsschein.
•
Schriftlich richten an:
Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz
Abteilung Nuklearmedizin
Rübenacher Straße 170
56072 Koblenz
•
Telefonische organisatorische Informationen richten an:
MTA Frau Lein oder MTA Frau Wilhelmi
Telefonnr. 0261-281-3552 oder 3553 oder 3515
Durchführende Ärztin der Abteilung Nuklearmedizin
Oberstabsarzt Dr. med. Manuela Hoffmann
Fachärztin für Nuklearmedizin
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