Sonderheft 2014 - Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie

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Sonderheft 2014
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Endokrinologie ist eines der zentralen Fachgebiete der
klinischen und forschenden Medizin: Hormone spielen bei
nahezu allen Vorgängen im menschlichen Körper eine
wichtige Rolle. Daher freuen wir uns, dieses Sonderheft
über den Verbreitungskreis der Deutschen Medizinischen
Wochenschrift (DMW) einer breiten Leserschaft präsentieren zu können.
Editorial
Alljährlich berichten wir über ausgewählte Themen des
Intensiv­kurses „Klinische Endokrinologie“ – dieses Mal aus
Essen. Zentrales Anliegen des Intensivkurses ist stets, interessante Entwicklungen bei Diagnostik und Therapie der
Hormon- und Stoffwechselerkrankungen zu geben. Auf
den folgenden Seiten finden Sie daher Antworten auf
­Fragen wie: „Bei welchen klinischen Anzeichen ist an ein
Phäochromozytom zu denken? Welche diagnostischen
Mittel stehen hierfür zur Verfügung? Wie haben sich das
Verständnis und die Möglichkeiten bei der Behandlung des
Altershypogonadismus verändert?“ Ferner hat Herr Professor Helmut Schatz die Geschichte der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie unterhaltsam für Sie zusammengefasst (S. 21 ff.).
Jörg Gromoll
Christof Schöfl
Seit ihrer Gründung hat sich die Deutsche Gesellschaft für
Endokrinologie immer weiter entwickelt und ihre Eigenständigkeit gestärkt. Dies spiegelt sich auch im Konzept von
„Endokrinologie 2020“ wider, das aus drei Säulen besteht:
Im Zentrum steht die Säule „Klinik, Praxis und Wissenschaft“, flankiert von den Säulen „Strategie und Politik“
­sowie „Finanzen und Organisation“. Besonderen Wert legt
die Gesellschaft auf die Förderung des klinischen und wissenschaftlichen Nachwuchses, so zum Beispiel der „YARE –
Young Active Research in Endocrinology“. Weitere Informa­
tionen finden Sie unter www.endokrinologie.net. Neueste
Nachrichten aus der Endokrinologie finden sich auch im
Blog der DGE unter http://www.blog.endokrinologie.net.
Wir wünschen Ihnen eine anregende und aufschlussreiche
Lektüre!
Prof. Dr. rer. nat. Jörg Gromoll
Präsident der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
Korrespondenz:
Prof. Dr. med. Christof Schöfl
Schriftleiter der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
und Herausgeber der Endokrinologie Informationen
Prof. Dr. med. Christof Schöfl
Abteilung Endokrinologie und Diabetologie
Medizinische Klinik 1
Universitätsklinikum Erlangen
Ulmenweg 18
91054 Erlangen
Endokrinologie Informationen 2014; Sonderheft
1
Seite 2
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Endokrinologie
Informationen
Sonderheft
 1 Editorial
Übersichtsarbeiten
  4 Selen und Schilddrüse
  7Wachstumshormontherapie
Inhalt
in der Transitionsphase
11 Testosteronsubstitution / -therapie
bei Altershypogonadismus?
16Phäochromozytom
21 Sechs Jahrzehnte
Deutsche ­Gesellschaft
für Endokrinologie
Impressum
Verlagsanschrift:
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart
Telefon (07 11) 89 31-0, Fax -322
Redaktion:
Dr. Marion Rukavina
Telefon (07 11) 89 31-502, Fax -408
[email protected]
Anzeigenleitung:
Ulrike Bradler
Telefon (07 11) 89 31-466, Fax -624
[email protected]
Satz:
Frank-Meinhart Stephan, Stuttgart
Druck und Verarbeitung:
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Verlag und Copyright:
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Hinweis:
Wie jede Wissenschaft ist die Medizin ständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung
und klinische Erfahrung erweitern unsere
­Erkenntnis, insbesondere was Behandlung,
medikamentöse Therapie sowie Diagnostik
(Laborwerte etc.) anbelangt. Soweit in dieser
Zeitschrift Dosierungen, Applikationen oder
Laborwerte erwähnt werden, darf der Leser
zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Herausgeber und Verlag große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angaben dem Wissensstand bei Fertigstellung entsprechen. Für
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Endokrinologie Informationen 2014; Sonderheft
3
Bild: © Sebastian Kaulitzki, Fotolia
Übersicht
Selen und Schilddrüse
J. Feldkamp
Die Schilddüse ist, bezogen auf 1 g
Trockengewicht, das selenreichste
­Organ des menschlichen Körpers [1].
Selen wird biologisch als Seleno­
cystein verwertet und stellt die 21.
proteinogene Aminosäure dar.
4
D
ie wichtige Rolle der Glutathionperoxidase für das katalytische Zentrum konnten 2
Arbeitsgruppen im Jahr 1973 zeigen.
[2, 3]. Die Effekte einer selenverarmten Diät auf die Aktivität der Glutathionperoxidase, die durch Reaktion
mit H2O2 vor schädlichen freien
­Radikalen schützt, wurde 1988 erstmals im Tierexperiment an Ratten
vermutet [4]. Ein Jahr später konnte
bei Ratten gezeigt werden, dass 2
weitere Enzyme – die Typ 1- und die
Typ 2-Dejodase – durch einen Selenmangel in ihrer Funktion gehemmt
werden [5]. Anfang der 90er Jahre
machten dann 3 Arbeitsgruppen fast
zeitgleich die Entdeckung, dass die
Typ 1-Dejodase ein Selenoenzym ist
[6–8].
Die klinische Bedeutung des
Selen­
mangels für die menschliche
Schilddrüse konnte zu dieser Zeit
eine belgische Arbeitsgruppe dokumentieren [9]. Durch die alleinige
Selensupplementation in einer Bevölkerung mit Selen-und gleichzeitigem Jodmangel in Zaire, kam es zur
Verstärkung einer Hypothyreose bei
Endokrinologie Informationen 2014; Sonderheft
Personen mit einem sogenannten
myxödematösen Kretinismus. Als
Ursache vermuten die Forscher zum
einen die Zytotoxität der zellulären
intrathyreoidalen Wasserstoffperoxidkonzentration (H2O2). Zum anderen führt die Selen­supple­menta­
tion zu einer verbesserten Wirkung
selenabhängiger Dejodasen. Die daraus resultierende vermehrte Konversion von Levothyroxin (T4) zu Trijodthyronin (T3) und reverse T3, führt
zu einem schnellen Verbrauch von
Levothyroxin – damit auch Jod – und
zu einem erheblichen Abfall von T4.
Diese frühen klinischen Arbeiten
dokumentierten endgültig die Bedeutung der Selenversorgung für die
normale Funktion der Schilddrüse.
Selen und
Autoimmunerkrankungen
der Schilddrüse
Den ersten Hinweis auf einen
klinischen Zusammenhang zwischen Selenstatus und Auotimmunität der Schilddrüse gab Schmidt
1998 mit einer kleinen Beobachtungsstudie [10]. 2002 publizierte
ten wie Gärtner et al. beschreiben.
Eine griechische Untersuchung beispielsweise, konnte die günstige Selenwirkung bei Hashimotothyreoi­
ditispatienten unter Schilddrüsenhormonsubstitution bestätigen [15].
Mazokopatis et al. zeigten in einer
Studie mit 80 Frauen nach 6 Monaten mit 200 µg Selen-Therapie noch
TPO-Antikörper absenkende Effekte.
Nach Absetzen kam es innerhalb von
6 Monaten zu einem Wiederanstieg
der Antikörper [16]. Eine weitere
Arbeits­gruppe untersuchte die Wirkung von 200 µg Selenmethionin bei
Thyroxin-substituierten Patienten
mit Nachweis einer TPO-Antikörperabnahme nach 3 Monaten. Eine anschließende Dosisreduktion auf
100 µg konnte diesen Effekt nicht
mehr bestätigen, so dass diese Autoren eine tägliche Selendosis von
200 µg bei der Hashimotothyreoiditis für erforderlich halten [17].
In einer italienischen Untersuchung wurden 46 von 76 Hashimotopatienten mit normaler Schilddrüsenfunktion oder nur leicht erhöhtem TSH mit 80 µg Natriumselenit
über 1 Jahr behandelt, die übrigen
Patienten wurden nur beobachtet
[18]. Nach 6 Monaten konnte in der
Selengruppe eine Abnahme der
Echogenität der Schilddrüse verhindert werden. Die TPO-Antikörper
waren nach 6 Monaten nicht unterschiedlich, nach 1 Jahr in der Selengruppe jedoch signifikant niedriger.
Eine Beeinflussung der TSH- oder
Thyroxinwerte wurde nicht beobachtet.
In China wurden 134 Patienten
(89 mit subklinischer Hypothyreose;
45 mit Hypothyroeose) einfach blind
mit Plazebo oder 200 µg Selen behandelt. Nach 3 Monaten zeigte sich
eine Abnahme der TPO-Antikörper
in der Selengruppe um 4,3 % und
nach 6 Monaten um 12,6 % (beide
p < 0,05) [19]. Eine 2013 publizierte
niederländische Studie konnte keinen
Effekt auf TPO-Antikörper und Schilddrüsenfunktion bei euthyreoten Patienten unter einer Dosis von 200 µg
Natriumselenit nachweisen [20].
Eine der größten Studien mit
­ elen zur Autoimmunität der SchildS
drüse, wurde an Schwangeren in Italien durchgeführt [21]. Unter 2227
Schwangeren wurden zwischen der
20.–30. Schwangerschaftswoche 169
Schwangere mit positiven TPO-Antikörpern identifiziert und randomisiert einer Therapie mit 200 µg Natriumselenit (n = 85) oder Plazebo
(n = 84) zugeteilt. In der Plazebogruppe entwickelten 48,6 % der
Frauen eine Postpartumthyreoiditis,
wohingegen nur 28,6 % der Frauen
aus der Verumgruppe eine Postpar­
tumthyreoiditis aufwiesen. Eine definitive Hpothyreose entwickelten
20,3 % der TPO-Antikörper-positiven
Frauen unter Plazebo, aber nur 11,7 %
der Frauen in der Selengruppe. In
der Kontrollgruppe (kein Antikörpernachweis) waren es nur 3,7 %.
Eine Reihe experimenteller Arbeiten zeigt, dass Selen die Autoimmunprozesse der Schilddrüse beeinflussen kann. So wird durch Selen
die HLA-DR-Expression auf Thyreozyten gesteigert [22]. Im murinen
Tiermodell kann Selen die lymphozytäre Infiltration der Schilddrüse
reduzieren und eine Abnahme der
Thyreoglobulinantikörper bewirken.
Gleichzeitig werden die immunprotektiven CD 4+ und CD 25+ regulatorischen T-Zellen heraufreguliert
[23]. Die Expression der Apoptosemoleküle FAS / FASL wird durch
­Selen herabgesenkt und beugt daher
dem Zelltod im Rattenmodell der
Autoimmunthyreoiditis vor [24].
Übersicht
Gärtner dann die erste Studie, die
plazebokontrolliert die Wirkung der
Gabe von 200 µg Natriumselenit auf
die Höhe der Antiköper gegen thyreoidale Peroxidase (TPO-Antikörper)
untersuchte [11]. Nach 3-monatiger
Selentherapie kam es bei Patienten
mit Hashimotothyreoiditis, die mit
Levothyroxin substituiert waren, zu
einer signifikanten Abnahme der
TPO-Antikörper im Vergleich zur
Plazebogruppe. In einem Fragebogen
(SF 12) gaben deutlich mehr Patienten unter Selen eine Verbesserung
oder zumindest ein stabiles Befinden an, als in der Gruppe der plazebobehandelten Patienten. Die gleiche Arbeitsgruppe konnte in einer
Untersuchung an Kindern und Jugendlichen diesen Effekt nicht bestätigen [12]. In der Untersuchung erhielten 18 Kinder eine LevothyroxinMonotherapie, 13 Kinder eine kombinierte Behandlung mit L-Thyroxin
und 100 µg Natriumselenit und eine
3. Gruppe (n = 18) 200 µg Natriumselenit. Während die TPO-Antikörper
in Gruppe 1 (Levothyroxin-Monotherapie) und Gruppe 3 (200 µg Selen) signifikant abnahmen, konnte
dies in der Kombinationsgruppe
nicht beobachtete werden. In einer
weiteren Studie erhielten Kinder in
der Türkei mit frisch diagnostizierter
Hashimotothyreoiditis (n = 23) über
3 Monate eine niedrige Dosis (50 µg)
Selen. Auch bei diesen Kindern kam
es nicht zu einer Abnahme der Antikörper. Jedoch berichten die Autoren
bei 35 % der untersuchten Kinder
von einer Abnahme des Schilddrüsenvolumnes um mindestens 30 % [13].
Aber auch bei Erwachsenen ist
die positive Wirkung von Selen auf
die TPO-Antikörperkonzentration
nicht durchgängig reproduzierbar.
Eine österreichische Untersuchung
an einem Kollektiv von 18 mit Selen
und L-Thyroxin behandelten Erwachsenen fand keine Abnahme der
TPO-Antikörper in der Verumgruppe
im Vergleich zu Plazebo (n=18) über
einen Zeitraum von 3 Monaten [14].
Ergebnisse anderer Studien hingegen können vergleichbaren Effek-
Zusammenfassend zeigen die bisherigen Studien zur Autoimmunthyreoidits in den meisten – aber nicht
in allen Fällen – eine positive Beeinflussung des schilddrüsenspezifischen Antikörpers. Dies betrifft vor
allem mit L-Thyroxin substituierte
Patienten. Bei Schwangeren mit
TPO-Antikörpern wird die Frequenz
der Postpartumthyreoiditis und der
Hypothyreose vermindert. Experimentelle Daten belegen eine wichtige Rolle von Selen bei Autoimmunprozessen der Schilddrüse. Weitere
Endokrinologie Informationen 2014; Sonderheft
5
große Studien, die die Selenversorgung der Bevölkerung, den Jodstatus
und die Stoffwechsellage berücksichtigen, sind notwendig, um das
Verständnis für die Rolle von Selen
bei der Autoimmunthyreoiditis näher
zu beleuchten.
Selen und Morbus Basedow
Übersicht
Bei Patienten mit Morbus Basedow finden sich niedrigere Selenwerte im Blut als in Vergleichskollektiven [25] und werden Patienten
mit verschiedenen Schilddrüsenerkrankungen verglichen, so weisen
auch hier Patienten mit M. Basedow
(n = 18) die niedrigsten Selenwerte
auf [26]. In einer retrospektiven
Analyse an 77 Patienten gingen hohe
Selenwerte (> 120 µg/L) bei Hyperthyreose eher mit e
­ iner Remisssion
einher, als niedrige Selenwerte [27].
Eine Selensupplementation in Kombination mit Vitamin C, Vitamin E
und β-Carotin als Antioxidantien,
führte in einer kleinen Behandlungsgruppe (n = 28) schneller zu einer
Remissionserreichung, als die alleinige Therapie mit Methimazol [28].
Eine große multizentrische Studie
mit fast 500 geplanten Probanden
soll die Frage klären, ob eine Selensupplementation von 100 µg/Tag die
Remissionsrate nach 24–30-monatiger thyreostatischer Behandlung verbessert und ob die TSH-Rezeptorantikörperwerte nach 18 Monaten Thyreostase beeinflusst werden [29].
Des Weiteren wurden die Effekte
einer Selenbehandlung bei milder
endokriner Orbitopathie in einer
multizentrischen Studie untersucht.
Der Augenbefund wurde durch einen für die Therapie unabhängigen
Augenarzt objektiviert [30]. Nach
6-monatiger Therapie konnte unter
der Selenmedikation eine Verbesserung des Augenbefundes dokumentiert werden, die Progression der Augenerkrankung wurde verlangsamt
und die Patienten gaben eine gebesserte Lebensqualität an.
6
Zusammenfassung: In der sehr
schwierigen Therapie der endokrinen Orbitopathie ist die Behandlung
mit Selen, zumindest für den Zeitraum der floriden Erkrankung, aufgrund der Datenlage sinnvoll.
Selen und Struma
In mehreren Untersuchungen
wurde weltweit ein Zusammenhang
zwischen Selenversorgung und
Schilddrüsengröße gefunden. Eine
größere französische Untersuchung
mit 1900 Teilnehmern ergab hierbei
eine negative Korrelation jedoch nur
bei Frauen, nicht bei Männern [31].
Eine dänische Untersuchung (n = 805)
bestätigte diese Ergebnisse. Gleichzeitig wurde in Dänemark eine Assoziation zwischen niedrigen Selenwerten im Serum und dem Auftreten einer Struma multinodosa gesehen [32]. Auch in anderen Regionen
der Welt (Pakistan, Iran, Türkei) war
eine zunehmende Schilddrüsengröße mit niedrigen Selenspiegeln verknüpft, was auch bereits für Kinder
galt [33–36].
Zusammenfassung: Eine ausreichende Selenversorgung scheint für
die Integrität der Schilddrüse ebenso notwendig wie eine gute Jodzufuhr. Ob eine Selensupplementation
zur Behandlung einer Struma sinnvoll ist, bleibt ungeklärt. Aktuelle
deutschlandweite bevölkerungsbasierte Daten zur Selenversorgung
gibt es derzeit nicht.
Literatur
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Selenium: biochemical role as a component of glutathione peroxidase. Science.
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Endokrinologie Informationen 2014; Sonderheft
ney and brain produced by selenium deficiency. Biochem J 1989; 259: 887–892
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and the thyroid gland. Biochimie. 1999;
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11.Gärtner R, Gasnier BC, Dietrich JW, et al.
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with autoimmune thyroiditis decreases
thyroid peroxidase antibodies concentrations. J Clin Endocrinol Metab. 2002;
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13.Onal H, Keskindemirci G, Adal E, et al. Effects of selenium supplementation in
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15.Duntas LH, Mantzou E, Koutras DA. Effects of a six month treatment with selenomethionine in patients with autoimmune thyroiditis. Eur J Endocrinol. 2003;
148: 389–393
Weiterführende Literatur
beim Autor.
Korrespondenz:
PD Dr. med. Joachim Feldkamp
Klinikum Bielefeld Mitte
Klinik für Allgemeine Innere Medizin,
Endokrinologie, Diabetologie,
­Pneumologie, Infektiologie
[email protected]
Übersicht
Wachstumshormontherapie in der
Transitionsphase
B. P. Hauffa
Ein Wachstumshormon (WH)-­
Mangel im Kindesalter muss bei
­unzureichendem Längenwachstum
(Wachstumsgeschwindigkeit < 25.
Perzentile, Kleinwuchs) differential­
diagnostisch in Betracht gezogen
werden. Nach Ausschluss anderer
­Ursachen, Nachweis einer niedrigen
IGF1-Serumkonzentration und Doku­
mentation eines unzureichenden
­Anstiegs von Wachstumshormonen
in 2 unab­hängigen Funktionstests
gilt ein kind­licher WH-Mangel als
­gesichert [1].
I
n epidemiologischen Studien liegt
die Prävalenz des kindlichen WHMangels bei 17,9–28,7 / 100 000
Kinder und Jugendliche < 18 Jahre
[2–4]. Ziel einer Therapie ist nicht
nur die Normalisierung des Längenwachstums, das mit Aufholwachstum
und dem Erreichen einer normalen
Erwachsenengröße verbunden ist.
Sie muss auch Stoffwechselstörungen in verschiedenen Zielgeweben
beheben, die Folge des WH-Mangels
sind [5]. Deshalb wird die kindliche
WH-Therapie in schweren Fällen
nach Abschluss des Längenwachstums im Erwachsenenalter fortgeführt. Beim Übergang der WH-Therapie in die adulte Phase (Transition)
sind einige Prinzipien zu berücksichtigten .
Die Transitionsphase als
physiologische Lebensphase
Bild oben: © Schünke M. u. a. Prometheus.
LernAtlas der Anatomie. Kopf, Hals und
Neuroanatomie. Illustrationen von M. Voll und
K. Wesker. 3. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2012.
Die Transitionsphase, auch „juvenil-adoleszente Phase“ bzw. „late
adolescent phase“, ist der Übergang
zwischen Pubertätsende und Errei-
chen des Erwachsenenphänotyps.
Ihr Beginn wird mit dem Erreichen
des Pubertätsstadiums G5 bei Jungen (mittleres Alter [± 2 sd] 14,7 ± 2,2
Jahre) und B5 bei Mädchen (mittleres Alter 14,0 ± 2,4 Jahre) beziehungsweise mit dem Ende des Längenwachstums definiert [6, 7]. In großen longitudinalen Wachstumsstudien wird das Erreichen von 99 %
der Erwachsenengröße als Ende des
Längenwachstums angesehen. Bei
Jungen geschieht dies im Alter von
16,8 ± 2,2 Jahren, bei Mädchen mit
15,2 ± 2,0 Jahren [8].
Das Ende der Transition ist weniger gut definiert. Medizinpsychologen verwenden den Chronotyp des
Schlafs und das Alter bei der Akrophase. Sie haben die Beobachtung
gemacht, dass Jugendliche ihre Einschlafphase in immer tiefere Nachtstunden verlegen, bis dann eine Umkehr dieser Entwicklung erfolgt. Der
Zeitpunkt dieser Umkehr markiert
das Erreichen des Erwachsenenalters, er liegt bei Jungen bei 20,9 und
Endokrinologie Informationen 2014; Sonderheft
7
Übersicht
bei Mädchen bei 19,5 Jahren [9]. Alternativ wird der P
­ lateaubeginn der
Ganzkörper-Knochenmineraldichte
(„peak bone mass“) verwendet. Das
Plateau wird bei Jungen im Mittel
(95 % CI) mit 23,1 Jahren (20,8–25,5),
bei Mädchen mit 19,9 Jahren (17,4–
22,4) erreicht [10]. Je nach Definition
erstreckt sich die Transitionsphase
bei Jungen über etwa 4–9 Jahre, bei
Mädchen über 4–6 Jahre. Die Transitionsphase besitzt eine eigene Physiologie, die folgende Merkmale kennzeichnet:
●● Erreichen der Erwachsenen­
größe,
●● Schluss der Wachstums­fugen,
●● Erreichen der maximalen Knochendichte,
●● Ausprägung der adulten Beckenform,
●● Eruption der bleibenden Zähne,
●● Ausbildung einer adulten Korpus /
Zervix-Ratio (Uterus),
●● Stabilisierung des Menstruations­
zyklus bei Mädchen,
●● Reifung von Enzymsystemen.
In der Transitionsphase haben
Frauen das geringste Risiko für Fehlgeburten beziehungsweise intrauterine Wachstumsretardierungen [11].
Die Transitionsphase chronisch endokrinologisch kranker Patienten
beinhaltet charakteristischerweise
einen Betreuungsübergang vom pädiatrischen zum internistischen Endokrinologen.
Der kombinierte WH-Mangel
in der Transition
Beim kombinierten WH-Mangel
treffen junge Erwachsene mit „childhood onset“ und einer pädiatrisch
geprägten Therapie auf eine Betreuungstruktur, die auf den WH-Mangel mit Beginn im Erwachsenenalter
(„adult onset“) ausgerichtet ist.
Vor dem Übergang in die Erwachsenenbetreuung erhält der
adoleszente Patient möglicherweise
noch Wachstumshormone in wachstumsfördernder Dosis (0,035 mg/kg/
Tag). Hydrokortison wird in einer eher
niedrigen Dosis von 10 mg/m²/Tag
8
(aufgeteilt auf 3 Dosen) gegeben, um
das Ergebnis der wachstumsfördernden Therapie nicht zu gefährden. Die Behandlung einer zentralen
Hypothyreose mit L-Thyroxin erfolgt
mit 1–2 µg/kg/Tag. Die Pubertätsinduktion bei hypogonadotropem Hypogonadismus ist nach vorsichtiger
Dosiserhöhung über einen Zeitraum
von 2–3 Jahren beendet. Jungen zwischen 16 und 18 Jahren bekommen
hierfür alle 4 Wochen 250 mg Testosteron Enantat i. m; Mädchen eine
Kombination aus täglich 1,5–2,0 mg
Estradiolvalerat (Tag 1–28) und
10 mg Medroxyprogesteronacetat
(Tag 14–28). Andere Präparate sind
zur Pubertätsinduk­tion nicht geeignet oder zugelassen.
Ein etwa gleichaltriger Patient, bei
dem der internistische Endokrino­
loge einen „adult onset“ kombinierten
WH-Mangel neu diagnostiziert, wird
anders behandelt. Er erhält zu Beginn ein Wachstumshormon in einer
Dosis von täglich 0,15–0,3 mg und
wird dann bis zur Normalisierung
der IGF1-Konzentrationen titriert.
Bei hypogonadadotropem Hypogonadismus erhalten junge Männer
> 18 Jahre alle 3 Monate 1000 mg
i. m. Testosteron Undecanoat, alternativ 25–50 mg/Tag Testosteron-Gel
transdermal.
Bei jungen Frauen kommen fer­
tige Kombinationen von 2,0 mg Estradiolvalerat mit Gestagenen (in
der 2. Zyklushälfte) zum Einsatz.
Alternativ können transdermale
­
­Estrogene in Kombination mit Ges­
tagenen appliziert werden. Die
­Glukokortikoid-Substitution erfolgt
meist mit 2 Dosen Hydrokortison
15–25 mg/Tag.
Management des
kombinierten WH-Mangels
in der Transition
Mehrere Maßnahmen sind erforderlich, um den Übergang von einer
pädiatrisch optimierten Therapie zu
einer für Erwachsene optimierten
Therapie zu gestalten.
In den meisten Fällen muss die
WH-Therapie zur Testung der soma-
Endokrinologie Informationen 2014; Sonderheft
totropen Achse vorübergehend beendet werden. Diese Maßnahme
basiert auf der Beobachtung, dass
­
sich nach Beendigung einer pädiatrischen WH-Therapie (zum Abschluss
des Längenwachstums) die Sekretion
von Wachstumshormon bei vielen
Patienten normalisiert. Die Häufigkeit der Normalisierung hängt jedoch von der Ursache des WH-mangels ab. Beim isolierten WH-Mangel
normalisierte sich die somatotrope
Achse bei 56 % der Patienten, bei
multiplen hypothalamo-hypophysären Ausfällen ließ sich eine Normalisierung nur bei 11 % beobachten. Lagen nach der Bestrahlung von Hypothalamus und Hypophyse Hirntumoren vor, normalisierte sich die
WH-Sekretion lediglich bei 3 % aller
Patienten. Bei WH-Mangel nach
Therapie eines Kraniopharyngeoms
im Kindesalter kam es in der Regel
zu keiner Erholung der somatotropen Achse [12–16]. Auch bei genetischen Formen des kombinierten
WH-Mangels ist nicht von einer Normalisierung der WH-Sekretion auszugehen. Laut Konsensus der Expertenkonferenzen soll beim Ausfall
von mehr als 3 Achsen, bei tumorbedingter Zerstörung von Hypothalamus und / oder Hypophyse und bei
genetischen Formen des WH-Mangels die WH-Therapie ohne Unterbrechung fortgesetzt werden. Nach
Abschluss des Längenwachstums
muss dann lediglich auf die niedrigere „Stoffwechseldosis“ umgesetzt
werden, diese beträgt im Transitionsalter initial 0,2–0,5 mg/Tag [17, 18].
Die deutschen Zulassungstexte der
meisten WH-Präparate setzen allerdings auch in diesen Fällen den
Nachweis einer Serum-IGF1-Konzentration von < −2 SD nach Absetzen
der WH-Therapie über 1 Monat für
eine Weiterbehandlung voraus.
In allen anderen Fällen ist ein erneuter Nachweis eines WH-Mangels
mittels IGF1-Messung in Kombination
mit geeigneten Funktionstests für
die Weiterbehandlung mit Wachstumshormon erforderlich. Die Zulassungsvorschriften der WH-Präpa-
Tab. 1 Maßnahmen bei Patienten
mit kombiniertem Wachstums­
hormonmangel in der Transition.
●● WH-Therapie absetzen und
IGF1 messen
●● Test wiederholen (wenn indiziert)
●● Wiederaufnahme der WH-­
Therapie (wenn indiziert)
●● Kontrolle kernspintomografischer
Veränderungen der Hypo­
thalamus-Hypophysen-Region
●● Diagnose neu hinzugekommener
Achsenausfälle
●● Kontrolle und Anpassung der
Begleittherapie (L-Thyroxin,
Sexual­steroide, Glukokortikoide)
Diagnostik
●● Ausgangsbefund in Bezug
auf ­Körperzusammensetzung
und Knochendichte (DXA)
●● QoL: AGHDA, Nottingham Health
Profile
rate in Deutschland gehen unterschiedlich von 1 oder 2 Stimulationstests aus. Die Grundlagen der
Behandlung des schweren WH-Mangels im Erwachsenenalter sind in
Leitlinien festgehalten [19]. Tab. 1
zeigt die Aufgaben der TransitionsSprechstunde bei der Aufnahme von
„childhood onset“-Patienten .
Bei diesen Maßnahmen sind viele Details nicht ausreichend durch
Studien belegt. So ist nicht abschließend geklärt, wie lange die WH-Therapie vor dem Wiederholungstest
unterbrochen werden darf, um im
Falle eines persistierend schweren
der täglichen Praxis haben sich diese
Cut-off-Werte nicht durchgesetzt.
Vielmehr werden Cut-off-Werte angewandt, die aus Konsensus-Empfehlungen pädiatrischer und internistischer Fachgesellschaften stammen (Tab. 2). Dabei ist zu beobachten, dass sich die Empfehlungen
über die Zeit geändert haben und in
den Details nicht übereinstimmen
[18, 19, 24, 25].
In der Essener TransitionsSprechstunde wenden wir für den
IHT die Kriterien des ESPE-Konsensus für die Transition und für den
GHRH-Arginin-Test die BMI-bezogenen Kriterien der GRS und AACE an.
Bei Unterschreiten der dort beschriebenen Cut-off-Werte liegt ein
persistierender WH-Mangel vor, bei
dem eine Indikation zur Weiterbehandlung besteht.
Nicht alle Patienten, die in der
Kindheit wegen anderer Diagnosen
mit WH behandelte wurden, benötigen wiederholte Tests und eine Weiterbehandlung, viele von ihnen benötigen aber die Betreuung in einer
Transitions-Sprechstunde (Tab. 3).
Übersicht
●● Ergänzung molekulargenetischer
WH-Mangels keine Nachteile für
den Patienten zu erzeugen. Einerseits muss die Unterbrechung lang
genug anhalten, um der Reaktionslage der somatotropen Achse Gelegenheit zu geben, in ihren Grundzustand zurückzukehren. Dies ist nach
mindestens 1 Monat der Fall [18].
Wird die WH-Therapie länger als 1
Jahr unterbrochen, fällt die altersentsprechende Zunahme des Knochenmineralgehalts und der Knochendichte an der LWS unzureichend aus [20]. Bei Unterbrechung
der Therapie über 2 Jahre kommt es
zu einem Anstieg des LDL- und
­Abfall des HDL-Cholesterins in den
Bereich eines erhöhten kardiovaskulären Risikos. Die Stammfettmasse
nimmt signifikant zu [21]. Somit
sollten Transitions-Patienten nach
einem Monat Therapieunterbrechung
zügig nachuntersucht werden.
Der Insulinhypoglykämie-Test,
der GHRH-Arginin-Test und der Glukagon-Test gelten als Verfahren erster Wahl während der Transition
und im Erwachsenenalter [22]. Zu
den wenigen Studien, die Cut-offWerte für WH- Patienten in der
Transition gemessen mit dem Anstieg gesunder Gleichaltriger verglichen haben, gehört die Studie von
Donaubauer et al. [23]. Diese Cut-offWerte lagen deutlich höher als die
für das spätere Erwachsenenalter
akzeptierten Werte. Dies mag auf
die physiologisch höhere Aktivität
der somatotropen Achse beim Adoleszenten zurückzuführen sein. In
Fazit
Bei 50–60 % aller Patienten mit
einem kindlich diagnostizierten isolierten WH-Mangel lässt sich dieser
in der juvenil-adulten Phase nicht
mehr nachweisen. Bei Jugendlichen
mit genetischem, tumorbedingtem
oder radiatio-induziertem WH-Mangel, bzw. bei chirurgisch bedingter
hypothalamo-hypophysärer Schädi-
Tab. 2 Empfohlene Cut-off-Werte bei wiederholten WH-Tests in der Transition und im Erwachsenenalter, bei deren
Unterschreiten ein persistierender WH-Mangel angenommen werden muss.
Federführende Fachgesellschaft
Jahr
Cut-off-Wert WH-Peak (ng/ml)
Insulinhypoglykämietest
adult
Transition
GHRH-Arginin-Test
adult
Transition
ESPE
2005
< 3
< 5
–
–
GRS
2007
< 3
–
≤ 11 (BMI < 25)
≤  8 (BMI ≥ 25 < 30)
≤  4 (BMI ≥ 30)
–
AACE
2009
< 5
–
wie GRS
–
ES
2011
< 5
–
< 4,1
–
ESPE: European Society for Pediatric Endocrinology; GRS: Growth Hormone Research Society; AACE: American Association
of Clinical Endocrinologists; ES: Endocrine Society (USA)
Endokrinologie Informationen 2014; Sonderheft
9
Tab. 3 Empfehlungen zur Transition für Jugendliche mit Indikation zur GH-Therapie im Kindesalter bei Erkrankungen
jenseits des WH-Mangels.
Diagnose
WH-Mangel
Transitions-Sprechstunde
Chronische Niereninsuffizienz
nein
keine Indikation
ja (nephrol.)
UTS / SHOX-Defekt
nein
keine Indikation
ja (endo. / gyn.)
Small-for-gestational-age (SGA)
nein
keine Indikation
nein
Prader-Willi-Syndrom
ja (> 85 %)
nur bei Erfüllung der adulten Kriterien
des GH-Mangels
ja (endo.)
Übersicht
gung oder bei bleibendem Ausfall
von mehr als 3 Achsen sehen die
deutschen Zulassungstexte nach Erreichen der Erwachsenenkörperhöhe eine Unterbrechung der WH-Therapie für 1 Monat mit Nachweis eines erniedrigten IGF1-Werts vor. In
allen andern Fällen muss bei erniedrigtem IGF1 der WH-Mangel zusätzlich durch mindestens einen Funktionstest bestätigt werden. Bei Bestätigung eines schweren WH-Mangels
soll die Therapie in der Erwachsenendosis wiederaufgenommen werden. Es liegen jedoch noch ungenügend Kenntnisse über die Cut-offWerte vor, die die für die Bewertung
des wiederholten WH-Tests geeignet
wären, sodass man sich derzeit am
ESPE-Consensus 2005 (IHT) und an
den Empfehlungen der GRS 2007 und
AACE 2009 (GHRH-Arginin-Test: BMIabhängige Cut-offs) orientieren sollte.
Mit Ausnahme von Jugendlichen mit
Prader-Willi-Syndrom und bei einem
Nachweis des WH-Mangels nach
dem 18. Lebensjahr gibt es nach Abschluss des Längenwachstums bei
Kindern keine Indikation zur Weiterbehandlung mit WH.
10
Weiterbehandlung mit WH nach Ende
des Längenwachstums
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Weiterführende Literatur beim Autor.
Korrespondenz:
Prof. Dr. med. Berthold P. Hauffa
Abteilung für pädiatrische
Endokrinologie und Diabetologie
Klinik für Pädiatrie II
Zentrum für Kinderheilkunde und
Jugendmedizin
Universität Duisburg-Essen
E-Mail [email protected]
Übersicht
Testosteronsubstitution /
-therapie bei
Altershypogonadismus?
E. Nieschlag1
In den Jahren 2005 und 2008 haben
Experten im Auftrag nationaler und
internatio­naler andrologischer
­Gesellschaften erstmalig Empfehlun­
gen zur „Untersuchung, Behandlung
und Überwachung des Altershypogo­
nadismus (Late-onset hypogonadism)
des Mannes“ verfasst, die als Richt­
linien allgemeine Anerkennung ge­
funden haben [1, 2]. Im vorliegenden
Beitrag werden Kernpunkte aus
­diesen Richtlinien auf­gegriffen und im
Lichte der seit der Erstveröffent­
lichung erschienenen P
­ ublikationen
kommentiert. Diese Textstellen wer­
den kursiv g
­ ekennzeichnet.
Definition des
Altershypogonadismus
Altershypogonadismus (Late-onset hypogonadism, LOH), der auch als alters­asso­
ziiertes Testosteronmangel-Syndrom (Testosterone Deficiency Syndrome, TDS)
­bezeichnet wird, ist ein klinisches und
biochemisches Syndrom, das mit fortschreitendem Alter einhergeht und durch
Symptome und Testosteronmangel (Werte
unter der Untergrenze für gesunde junge
Männer) einhergeht.
Den Begriff „Altershypogonadismus“ haben wir erstmalig in einer
Publikation 2002 verwandt [3] und
als Übersetzung „late-onset hypo­
gonadism“ beim 3rd International
Congress on the Aging Male in Berlin
2002 vorgeschlagen, der dann in die
Literatur übernommen wurde [4].
Altershypogonadismus / LOH ist als
alterspezifische Mischform aus pri1
Bild oben:
© Prometheus, Hals u. Innere ­Organe,
M. Schünke, E. Schulte, U. Schumacher,
M. Voll, K. Wesker, Thieme Verlag.
Univ.-Prof. em. Dr. med. Dr. h. c. Eberhard
Nieschlag, Centrum für Reproduktions­
medizin und Andrologie des Universitätsklinikum Münster und Center of Excellence in Genomic Medicine Research,
King Abdulaziz University, Jeddah, Saudi
Arabia; www.nieschlag.de
märem und sekundärem Hypogonadismus jetzt allgemein akzeptiert und
hat verschwommenen Begriffe wir
Klimakterium virile, männliche Menopause, Partial Androgen Deficiency
of the Aging Male (PADAM) als klare
nosologische Einheit verdrängt.
Klinische Diagnose und
Fragebögen
Um einen behandelbaren Hypogonadismus zu diagnostizieren, bedarf es gegenwärtig des Vorliegens von Symptomen
und Zeichen, die auf einen Testosteronmangel schließen lassen. Das am häu­
figsten mit Hypogonadismus assoziierte
Symptom ist eine erniedrigte Libido. Zu
weiteren Manifestationen des Hypogo­
nadismus gehören: erektile Dysfunktion,
erniedrigte Muskelmasse und -kraft, vermehrtes Körperfett, verminderte Knochendichte und Osteoporose, verminderte
Vitalität und depressive Verstimmungen.
Keines dieser Symptome ist spezifisch für
einen Androgenmangelzustand, aber sie
können den Verdacht auf einen Testosteronmangel lenken. Eines oder mehrere
dieser Symptome müssen durch einen
niedrigen Testosteronwert belegt werden.
Endokrinologie Informationen 2014; Sonderheft
11
Übersicht
Labordiagnose
Zur Bestimmung des Gesamttestosterons
sollte eine Serumprobe zwischen 07:00
und 11:00 Uhr gewonnen werden. Die
Messung des Gesamttestosterons im Serum ist der am besten akzeptierte Parameter zur Etablierung der Diagnose eines
Hypogonadismus. Es gibt keine generell
akzeptierten unteren Grenzwerte. Es wird
aber allgemein akzeptiert, dass ein Gesamttestosteronwert über 12 nmol/L
(350 ng/dL) keiner Substitution bedarf.
Basierend auf den Daten jüngerer Männer besteht in ähnlicher Weise Konsens,
dass Patienten mit Gesamttestosteronwerten unterhalb 8 nmol/L (230 ng/dL)
von einer Therapie profitieren werden.
Sollte der Gesamttestosteronwert zwischen 8 und 12 nmol/L liegen, kann die
wiederholte Bestimmung des Gesamttestosterons zusammen mit dem sexualhormonbindenden Globulin zur Berechnung
des freien Testosterons hilfreich sein.
Bei der Angabe von 8 nmol/L als
untere Grenze zur Indikation für
eine Testosteronsubstitution handelt es sich um einen Minimalkonsensus unter den beteiligten Experten. Davon abweichend zeigt die Er-
12
Patienten (n)
20
74
Normal
69
15
Testosteron (nmol / L)
Sowohl eine eigene Studie an
425 Männern mit Altershypogonadismus [5] als auch die große Europäische Male Aging Study (EMAS)
[6] mit über 3000 Probanden haben
den Libidoverlust als ein Kardinalsymptom bestätigt. Auch in der Perzeption der Ärzteschaft sind Libidoverlust und erektile Dysfunktion die
prominentesten Symptome eines
Testosteronmangels [7]. Allerdings
fanden wir, dass ein allgemeiner
Aktivitäts­
verlust der verminderten
Libido meist vorausgeht und dass
bestimmte Symptom-Cluster mit
Antriebsarmut, Libidoverlust und
depressiven Verstimmungen charakteristisch sind. Auch die EMAS
hat diese Symptomkonstellationen
bestätigt. Fragebögen wie der AMS
oder der ADAM haben sich zur Verlaufskontrolle einer Behandlung,
nicht aber zur primären Diagnose
bewährt.
Libidoverlust
VerlustderAntriebskraft
84
Zunahme Fettmasse
65
Depressivität
Konzentrationsmangel
Diabetesmellitustype2
(alsonon-obesemen)
67
Hitze / Schwitzen
Erektile Dysfunktion
75
12
10
8
Schwellenwerte
des Testosterons
für das Auftreten
derSymptome
desAltershypogonadismusbei
434 Patienten des
Instituts für Reproduktions-Medizin
0
Abb. 1 (nach Zitzmann, Faber & Nieschlag. JCEM 2006; 91: 4335–4343) [5].
fahrung, dass eine Substitution bei
Werten bereits unter 12 nmol/L zu
besseren Resultaten führt. Allerdings gibt es spezifische Grenzwerte
für die einzelnen Symptome.
Da Libidoverlust das häufigste
nach Therapie verlangende Symptom bildet und bereits bei Werten
unter 12 nmol/L einsetzt, ergibt sich
hieraus ein klarer Schwellenwert für
den Einsatz einer Testosterontherapie. Da die Werte jüngerer Männer
auch als Referenzwerte für ältere
Männern gelten, sind mehrere große
epidemiologische Studien aus den
USA [8], Australien [9] und Europa
[10, 11], von Bedeutung. Dabei liegt
die Untergrenze für Testosteron im
Serum bei gesunden jungen Männern zwischen 11 und 12 nmol/L.
Das Gesamttestosteron ist nach
wie vor der wichtigste diagnostische
Parameter, vorausgesetzt, dass es
mit einer strengen Qualitätskontrolle unterliegenden Methoden exakt
bestimmt wird. Das freie Testosteron
kann durchaus als zusätzlicher Para-
Endokrinologie Informationen 2014; Sonderheft
meter bei Grenzfällen herangezogen
werden. Allerdings wird gerade in
Deutschland von vielen Laboratorien
der „Freie Androgen-Index“ (FAI) als
Pseudoparameter angeboten, bei dem
lediglich das Gesamttestosteron
durch das Sexualhormonbindende
Globulin (SHBG) geteilt wird. Dieser
Index korreliert zwar bei Frauen,
nicht aber bei Männern mit dem tatsächlichen freien Testosteron. Dieser
kann über eine allgemein zugängliche Formel leicht berechnet werden
(http://issam.ch/freetesto.htm). Nur
das so gemessene freie Testosteron
kann in der Diagnostik hilfreich sein
[12, 13].
Die gegenwärtig üblichen immunometrischen Methoden zur Bestimmung von
Testosteron können zwischen Hypogonadismus und Eugona­
dismus unterscheiden. Die auf Massenspektrometrie basierenden Methoden sind jedoch genauer
und werden zunehmend als die Methode
der Wahl für die Bestimmung von Serumtestosteron betrachtet.
Knochendichte und
Frakturrate
Osteopenie, Osteoporose und Frakturen
treten bei jüngeren und älteren hypogonadalen Männern häufiger auf. Unter
Testosterontherapie nimmt die Knochendichte bei hypogonadalen Männern in allen Altersgruppen zu. Daten über Frakturraten unter Testosterontherapie liegen
noch nicht vor. Die Messung der Knochendichte in 2-jährigen Intervallen ist bei
hypo­gonadalen Männern anzuraten, bei
allen Männern mit Osteopenie sollten
Testosteronmessungen im Serum vorgenommen werden.
Die Zusammenhänge zwischen
Testosteronwerten und Knochendichte haben sich weiter erhärtet
[17, 18] und eine Reihe von Studien
haben die Zunahme der Knochendichte unter einer transdermalen
oder intramuskulären Testosterontherapie weiter substanziiert (z. B.
[19]). Trotz der gesicherten Zunahme der Knochendichte bei Patienten
mit Altershypogonadismus steht der
Beweis noch aus, dass eine Testosteronsubstitution auch die Frakturrate
vermindert.
Testosteron und
Sexualfunktionen
Bei der ersten Untersuchung ­aller Männer
mit erektiler Dysfunktion und / oder verminderter Libido sollte Serumtestosteron
gemessen werden.
Männer mit erektiler Dysfunktion und /
oder verminderter Libido sind Kandidaten
für eine Testosterontherapie.
Es gibt Hinweise auf einen therapeutischen Synergismus bei kombinierter Anwendung von Testosteron und Phospho­
di­
esterase-5-Inhibitoren bei hypogona­
dalen oder grenzwertig eugonadalen
Männern.
Der in den Richtlinien noch als
Hinweis erwähnte Synergismus der
kombinierten Phosphodiesterase5-Inhibitoren bei gleichzeitig erniedrigtem Testosteron ist inzwischen durch mehrere Studien erhärtet worden (z. B. [20]).
Da mit zunehmendem Alter auch
vermehrt Statine und Antihypertensiva verordnet werden, ist daran zu
denken, dass diese Medikamente zu
erektiler Dysfunktion führen können oder eine erektile Dysfunktion
verschlechtern können [21].
Testosteron und Übergewicht,
metabolisches Syndrom und
­Diabetes mellitus Typ 2
Viele Komponenten des metabolischen
Syndroms (Übergewicht, erhöhter Blutdruck, Dyslipidämie, verschlechterte Glukosetoleranz und Insulinresistenz) sind
auch bei hypogonadalen Männern zu beobachten. Serumtestosteron sollte bei
Männern mit Typ-2-Diabetes und Symptomen des Testosteronmangels gemessen werden.
Der Einfluss des Testosterons auf die Kontrolle des Blutzuckers bei Männern mit Diabetes sind weniger gut gesichert. Es ist
verfrüht, eine Testosterontherapie zur Behandlung des metabolischen Syndroms
oder des Diabetes mellitus bei fehlenden
Laborwerten oder klinischen Symptomen
des Hypogonadismus zu empfehlen.
Gerade in diesem Bereich wurden in den letzten Jahren neue Daten
vorgelegt. Grossmann et al. (2011)
[22] stellte neun Studien zusammen,
die einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Gewichtsabnahme und der Zunahme des Gesamttestosterons nachwies, wobei eine
Gewichtsabnahme zwischen 10 und
20 % zu einem Testosteronanstieg
um 3–6 nmol/L führte. Auch in der
EMAS wurde bei 2395 Männern, die
über 4,4 Jahre verfolgt wurden, ein
signifikanter Zusammenhang zwischen den Änderungen des Körpergewichtes und den Konzentrationen
an gesamtem und freiem Testosteron nachgewiesen. Die Gewichtsabnahme führte zu einem Anstieg und
die Gewichtszunahme zu einem Abfall des Testosterons [23].
Während Gewichtsabnahme zu
einem höheren Testosteronwert
führt, kann die Testosteronsubstitution bei erniedrigten Testosteronwerten zu einer deutlichen Gewichtsabnahme führen. Wie eigene
Daten [24] und jüngst Daten von
Saad et al. (2013) [25] und Yassin &
Doros (2013) [26] zeigten: Bei einer
Normalisierung der Testosteron­
werte mittels Testosteronundecanoat
kommt es zu einem Gewichtsverlust. Dies wurde an 255 Patienten
i. m. über fünf Jahre getestet, wobei
diese im Mittel 15,3 kg.
Ein erniedrigtes Testosteron ist
ein Prädiktor für das metabolische
Syndrom (z. B. Haring et al. 2009
[27]). Auch die Behandlung des metabolischen Syndroms und des Diabetes mellitus Typ 2 mit Testosteron
als adjuvante Therapie erzielte Fortschritte. In einer Placebo-kontrollierten Studie wurden Männer mit
metabolischem Syndrom und Diabetes mellitus Typ 2 mit Hilfe einer
Diät und Sport behandelt. Dabei
zeigte sich ein zusätzlicher günstiger
Effekt auf die HbA1c-Konzentrationen bei gleichzeitiger Testosterongabe [28]. Diese Substitutionstherapie
hat auch gleichzeitig auf die häufig
bei Diabetes Typ 2 bestehende erektile Dysfunktion einen signifikant
positiven Einfluss [29].
Die gefäßbedingte erektile Dysfunktion wird heute generell als ein
Endokrinologie Informationen 2014; Sonderheft
Übersicht
Zweifelsfrei sind massenspektrometrische Methoden (LC-MS / MS)
[14] der „Goldstandard“ für die Bestimmung von Testosteron. Sie bieten
den Vorteil, dass ein ganzes Spektrum von weiteren Steroidhormonen
in demselben Arbeitsgang mitbestimmt werden können [15]. Allerdings sind diese Metho­den nach wie
vor größeren Zentren vorbehalten
und haben sich bisher eigentlich nur
im Zusammenhang mit zulassungsrelevanten klinischen Studien durchgesetzt. Darüber hinaus haben Vergleiche von Methoden zur Bestimmung von Testosteron gezeigt, dass
in der Diagnostik des Hypogonadismus die Ergebnisse gut kontrollierter Immunoassays mit den massenspektrometrisch ermittelten Werten
sehr gut korrelieren [8, 10, 18].
13
Prodromum für koronare Herzkrankheit und Herzinfarkt betrachtet [30]. Dagegen kann eine Testosteronsubstitution einen präventiven
Effekt auf die Weiterentwicklung
­einer Arteriosklerose haben [31]. Sie
kann sogar zu einer Verbesserung
der Koronardurchblutung und verbesserten Herzleistung führen [32].
Testosteron (und andere anabole
­androgene Steroide) kann in missbräuchlich extrem hohen Dosen zur
Koronarsklerose führen [33]. Im
physiologischen Bereich dagegen hat
Testosteron eine kardioprotektive
Funktion.
Übersicht
Prostatakarzinom und benigne
Prostatahyperplasie (BPH)
Gegenwärtig gibt es keinerlei schlüssige
Beweise, dass eine Testosterontherapie
das Risiko für ein Prostatakarzinom oder
eine BPH erhöht. Es gibt ebenfalls keine
Beweise dafür, dass eine Testosteronbehandlung ein subklinisches Prostatakarzinom in ein klinisch manifestes Prostatakarzinom verwandelt. Es ist jedoch unbestritten, dass Testosteron bei Männern
mit lokal fortgeschrittenem und metastasierendem Prostatakarzinom das Wachstum stimuliert und die Symptome verschlechtert.
Vor einer Testosterontherapie muss das
Risiko eines Patienten für ein Prostatakarzinom abgeschätzt werden; dazu gehören
mindestens die digitale rektale Untersuchung (DRU) und die Messung des PSA
(PSA) im Serum.
Derzeit liegen keine weiteren
Daten vor, die gegen diese vorsich­
tige Vorgehensweise sprächen. Im
Gegenteil, die unter Testosterontherapie neu auftretenden Prostata­
karzinome scheinen mit derselben
Inzidenz aufzutreten, wie bei unbehandelten Männern [34].
Testosteron nach Behandlung ­
eines Prostatakarzinoms
Patienten, deren Prostatakarzinom erfolgreich behandelt wurde und die an den
nachgewiesenen Symptomen eines Hypogonadismus leiden, sollte eine Testosterontherapie nach einem angemessenen
14
Zeitraum nicht vorenthalten werden,
wenn es keine klinischen oder Laborzeichen mehr für die Erkrankung gibt.
Da eine Androgen-Entzugsbehandlung bei Prostatakarzinom zum
Vollbild des Hypogonadismus inklusive metabolischem Syndrom, koronare Herzkrankheit, Osteoporose
und Knochenfrakturen, ganz abgesehen von der verminderten Lebensqualität, führen kann [35], hat sich
die Frage gestellt, ob eine derartige
Therapie angesichts der Nebenwirkungen auf Dauer zu rechtfertigen
ist. Hier hat sich die Meinung erhärtet, dass, wenn mindestens ein Jahr
nach der erfolgreichen Behandlung
keine Zeichen eines Rezidivs bestehen, und der Gleason-Score vor der
Operation < 8 und das PSA < 10 ng/ml
lag, eine Testosteronsubstitution gerechtfertigt erscheint [36, 37, 38].
Allerdings muss hier mit aller Vorsicht und unter ständiger Kontrolle
vorangegangen werden, da große
definitive Studien noch fehlen.
Testosteronbehandlung und
Applikationsformen
Zur Substitutionstherapie sollten Präparate mit natürlichem Testosteron verwandt werden. Gegenwärtig erhältliche
intramuskuläre, subdermale, transdermale, orale und bukkale Testosteronpräparate sind sicher und effektiv.
Da das Auftreten unerwünschter Nebenwirkungen (insbesondere eines erhöhten
Hämatokrits oder eines Prostatakarzinoms) ein schnelles Absetzen der Testosteronsubstitution erforderlich macht,
werden kurzwirkende Präparate vor langwirkenden Depotpräparaten bei der Erstbehandlung von LOH-Patienten bevorzugt.
An dieser Empfehlung hat sich
grundsätzlich nichts geändert. In der
Praxis stellt sich heraus, dass vorwiegend transdermale Gele und Testosteronundecanoat i. m. eingesetzt
werden [39]. Bei den Gelen ist darauf
zu achten, dass es nicht zu einem
unbeabsichtigten Transfer durch
Hautkontakt auf Kinder und Frauen
Endokrinologie Informationen 2014; Sonderheft
kommt. Über einige derartige Fälle
mit Zeichen einer Androgenisierung
bei Jungen, Mädchen und Frauen
wurde berichtet [40, 41]. Die Gefahr
sollte am geringsten bei Präparaten
sein, die kurz nach dem Auftragen
wieder abgewaschen werden können, da hier das Eindringen in die
Haut in wenigen Minuten nach Applikation erfolgt [42].
Nebenwirkungen und
Überwachung
Eine Testosteronbehandlung ist bei Männern mit Prostata- oder Mammakarzinom kontraindiziert.
Männer mit einer deutlichen Erythrozytose
(Hämatokrit > 52 %; unbehandelter obstruktiver Schlafapnoe, unbehandelter
schwerer Herzinsuffizienz sollten nicht
mit Testosteron behandelt werden, bevor
diese Komorbiditäten zurückgegangen
sind. Während es noch nicht völlig geklärt
ist, welcher kritische Grenzwert nicht
überschritten werden sollte, kann eine
Dosisanpassung und / oder ein gelegent­
licher Aderlass erforderlich sein, um den
Hämatokrit unter 52–55 % zu halten.
Übergewichtige Männer tendieren häu­
figer zu unerwünschten Nebenwirkungen.
Die Gefahr einer Polyzythämie
besteht vor allem bei älteren injizierbaren Testosteronpräparaten
wie Testosteronenanthat, die zu unphysiologisch hohen Spitzenwerten
im Serum führen und vor Testosteronundecanoat i. m. überwiegend
eingesetzt wurden [43]. Diese Gefahr ist mit den moderneren Präparaten, die physiologische Serumspiegel erzeugen, geringer geworden.
Aller­dings bleibt zu beachten, dass
ältere Männer im Vergleich zu jüngeren ebenso wie übergewichtige
Männer empfindlicher auf Testosteron im Hinblick auf die Erythropoese
reagieren [5] und daher grundsätzlich eine Behandlung bei älteren
Männern mit niedrigeren Dosierungen als bei jüngeren hypogonadalen
begonnen werden sollte. Obwohl
Testosteron bei konventionell optimal behandelter Herzinsuffizienz
durchaus einen zusätzlichen positi-
ven Effekt ausüben kann [44, 45],
muss auch hier eine Überdosierung
des Testosterons vermieden werden,
die zum Aufsehen erregenden vorzeitigen Abbruch einer entsprechenden Studie geführt hat [46].
Schlussfolgerung und
Ausblick
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Testosterone: Action, deficiency, substitution. 4th edition, Cambridge, Cambridge University Press; 2012: 517–534
Übersicht
In den zehn Jahren, seit diese
Empfehlungen erstmalig konzipiert
wurden, hat unser Verständnis des
Altershypogonadismus und die Möglichkeit der Behandlungen enorm
zugenommen. Bei Anwendung dieser Kriterien weist der Altershypogonadismus eine deutlich niedrigere
Inzidenz auf als ursprünglich vermutet (und von Pharmafirmen erhofft). So gingen Araujo et al (2007)
[47] noch davon aus, dass 10–30 %
der über 60jährigen Männer betroffen sein könnten, während die EMAS
von 3–5 % der 60–79-jährigen ausgeht [48]
Zur Überraschung skeptischer
Beobachter hat sich Testosteron in
den letzten Jahren zu einem Biomarker für die generelle Gesundheit und
die Lebenserwartung schlechthin
herauskristallisiert. Diese Rolle des
Testosterons wird inzwischen durch
mehrere große epidemiologische
Studien belegt [49, 50, 51, 52]. Aus
dieser Beobachtung den Schluss zu
ziehen, hypogonadale Patienten mit
erniedrigten Testosteronwerten auch
mit Testosteron zu substituieren,
erhält zusätzliche Unterstützung
­
durch die signifikant höhere Lebenserwartung bei substituierten im
Gegensatz zu nicht-substituierten
­
hypogonadalen Patienten [34].
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 9.Sartorius G, Spasevska S, Idan A et
al.Serum testosterone, dihydrotestos-
Die Zitate 16–52 können beim Autor
angefordert werden.
Korrespondenz:
Prof. em. Dr. med. Dr. h. c.
Eberhard Nieschlag
Centrum für Reproduktions­medizin
und Andrologie des Universitätsklinikum Münster
[email protected]
Endokrinologie Informationen 2014; Sonderheft
15
Bild: © Andreas Odersky, Fotolia
Phäochromozytom
Möglichkeiten der L­ abordiagnostik
für P
­ rädiktion des klinischen Befundes
und der Genetik
Übersicht
M. Peitzsch1, M. Gruber2 und G. Eisenhofer1, 2
Phäochromozytome sind katechola­
minproduzierende Tumoren, welche
vom chromaffinen Gewebe des
­Nebennierenmarks abstammen.
Von diesen werden die extra-adrenal
vorkommenden, ebenso neuroendo­
krinen Paragangliome unterschieden.
Diese sind bevorzugt im sympathi­
schen Nervengeflecht des Bauch- und
Beckenbereiches, seltener im Thorax
oder im Hals-Nacken-Bereich lokali­
siert. Die meisten Phäochromozytome
und Paragangliome treten sporadisch
auf. Jedoch sind ca. 30 % auf eine
Keimbahnmutation in einem von
mittlerweile 11 bekannten Suszepti­
bilitätsgenen zurückzuführen [1, 2].
P
häochromozytome und Paragangliome (PPGL) sind durch
eine gesteigerte Katecholaminsekretion gekennzeichnet, deren
Höhe und Muster sehr variabel sind.
Die oft episodische Sekretion der Katecholamine erzeugt im klassischen
Fall anfallartige Kopfschmerzen,
Schwitzen, Tachykardie, Palpitationen und arteriellen Bluthochruck.
Diese Symptome müssen nicht regelhaft auftreten. Asymptomatische
Verläufe sind möglich. Diese eher
unspezifischen Leitsymptome erklären sich aus der unterschiedlichen
kardiovaskulären sowie metabolischen Wirkung der gesteigerten Sekretion von Noradrenalin und Adrenalin in den Blutstrom. Im Falle des
Nichterkennens bzw. Nichtbehandelns von PPGL können diese zu
Herzrhythmusstörungen, Myokardinfarkt, Myokardinfarkt ähnlicher
Symptomatik (Tako-Tsubo-Syndrom),
Schlaganfall oder im schlimmsten
Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin, Universitätsklinikum
Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden
2
Medizinische Klinik III, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen
Universität Dresden
1
16
Endokrinologie Informationen 2014; Sonderheft
Fall zum Tode führen. Folglich sollte
beim Auftreten der genannten Symptome sowie bei behandlungsresistenter Hypertonie die Existenz eines
PPGL bzw. das Auftreten eines Rezidivs bei entsprechender Vorerkrankung abgeklärt werden.
Weiterhin erfordert das Vorliegen eines adrenalen Inzidentaloms,
eine bekannte prädisponierende
­familiäre Syndromerkrankung oder
auch eine für PPGL positive Fami­
lienanamnese, eine biochemische
Diagnostik.
Laborchemische Marker /
Substanzen zur Diagnose
von PPGL
Katecholamine, oder besser deren Metabolite, werden zur laborchemischen Diagnose von PPGL
­herangezogen. Hierbei ist durch das
verbesserte Verständnis des Katecholaminmetabolismus in den letzten 10 Jahren ein Wechsel weg von
der Messung der Katecholamine im
Plasma und der Vanillinmandelsäure
im Urin hin zur Messung der Metanephrine, den O-methylierten Metaboliten der Katecholamine zu verzeichnen. Die wohl wichtigste Ent-
legen sind. Dies wurde in internationalen Qualitätssicherungsprogrammen und anderen Studien durch
vergleichsweise niedrig gemessene
Konzentrationen an freien Metanephrinen demonstriert [8]. Daraus
­ergab sich 2011 auf einem weiteren
Expertensymposium zum Phäochromozytom folgende Schlussfolgerung:
Enzym-immunologische Verfahren
sind ungeeignet für klinische screening-Protokolle, die zur biochemischen Detektion von Phäochromo­
zytomen entwickelt wurden. Die
Frage, welcher laborchemische Test
überlegen ist, und damit generelle
Anwendung finden sollte, bleibt bis
dato unbeantwortet.
Trotz modernster Messtechniken
wie der LC-MS / MS sind beide vorgeschlagenen Verfahren mit einigen
präanalytischen Herausforderungen
verbunden. Wie kürzlich gezeigt
wurde, ist eine 20 bis 30-minütige
Liegendpositionierung des Patienten
sowie eine 12-stündige Nahrungs­
karenz vor der Blutabnahme Voraussetzung für eine adäquate Interpretation der Laborergebnisse [9]. Diese
als obligatorisch anzusehenden präanalytischen Bedingungen sind ggf.
im klinischen Alltag nicht immer zu
realisieren. Daher kann ein Zurückgreifen auf die Sulfat-konjugierten
Metanephrine, gemessen im 24Stunden-Sammelurin, eine entsprechende Alternative darstellen. Hierbei ist allerdings anzumerken, dass
es sich bei diesen um sogenannte
Downstream-Metabolite der freien
Metanephrine handelt. Sie werden
durch eine Sulfotransferase hauptsächlich im Gastrointestinaltrakt gebildet. Die Messung der Sulfat-konjugierten Metanephrine erfolgt üb­
licherweise nach saurer Hydrolyse,
welche in Abhängigkeit der Reaktionsbedingungen hinsichtlich pHWert und Temperatur variieren kann
[10]. Verschärft wird das Problem
durch das Fehlen kommerziell erhältlicher Standards. Diese könnten
als Kalibratoren und interne Standards bei potentiell auftretende Probleme während der Probenvorberei-
tung korrigierend wirken. Zusätzlich
zeigte sich in den letzten Jahren
mehrfach: Kommerziell erhältliche
Qualitätskontrollmaterialien eignen
sich nicht zur assay-Validierung hinsichtlich der Probenvorbereitung, da
die entsprechenden Standardsubstanzen fehlen [7, 10]. Abhilfe hierfür
könnte zukünftig durch die schwierigere, aber mittels moderner LCMS / MS-Techniken mögliche Messung der freien Metanephrine im
Urin geschaffen werden [7, 11].
Biochemische und molekularbiologisch-genetische
Stratifizierung von PPGL
Übersicht
deckung hierbei war die Katecholamin-O-Methyltransferase. Dieses
Enzym kommt sowohl in Zellen des
Nebennierenmarks als auch in Phäochromozytom-Tumorzellen vor. Dort
wandelt es Noradrenalin zu Normetanephrin, Adrenalin zu Metanephrin und Dopamin zu 3-Methoxytyramin um [3]. In Patienten mit PPGL
dominiert die O-Methlyierung zu
Metanphrinen gegenüber der üblicherweise stattfindenden intraneuronalen Desaminierung. Die kontinuierlich hohe intratumorale O-Methylierung führt in Patienten mit
PPGL zu relativ hohen und vor allem
kontinuierlichen Anstiegen der Metanephrine. Katecholamine hingegen werden teilweise nur episodisch
oder in niedrigen Mengen sekretiert
[4].
Die oben beschriebenen Zusammenhängen zeigen eine Überlegenheit der Metanephrine gegenüber
den Katecholaminen als diagnostische Marker. Phäochromozytom-Experten empfehlen daher seit einem
internationalen Treffen 2005: Wird
ein Katecholaminüberschuss aufgrund klinischer Zeichen vermutet,
sollte die initiale Diagnostik auf das
Vorliegen von PPGL eine Messung
der freien Metanephrine im Plasma
oder / und den Sulfat-konjugierten
Metanephrinen im Urin beinhalten
[5]. Im Zuge dessen sind in den letzten Jahren verschiedene analytische
Methoden sowohl etabliert als auch
weiterentwickelt worden. Hierzu
zählen vor allem die Anwendung der
Flüssigchromatografie gekoppelt mit
der Tandem-Massenspektrometrie
(LC-MS / MS) [6, 7]. Gegenüber der
ursprünglichen Anwendung der
HPLC mit elektrochemischer Detektion (HPLC-ECD) generiert diese
­Methode präzisere Ergebnisse und
erlaubt einen höheren Probendurchsatz. Im Weiteren gibt es enzym-­
immunologische Verfahren, bei
deren Anwendung allerdings mehr
und mehr deutlich wird, dass sie gegenüber HPLC-ECD und LC-MS / MSMethoden im Hinblick auf ihre
Messgenauigkeit / -sicherheit unter-
Obwohl ein Großteil der auftretenden PPGL sporadisch, d. h. nicht
auf eine Keimbahnmutation zurückzuführen ist, resultiert ein signifikanter Anteil aus Keimbahnmutationen von inzwischen 11 bekannten
Suszeptibilitätsgenen (Tab. 1) [1, 2].
Genexpressionsanalysen haben hierbei einen Zusammenhang zwischen
Genexpression und biochemischem
Phänotyp hervorgebracht. Diese folgt
einer Zweiteilung hinsichtlich der
Produktion oder Nichtproduktion
von Adrenalin.
Die erste Gruppe (Cluster 1) beinhaltet Tumoren, die durch Mutationen im von-Hippel-Lindau-Gen (VHL)
sowie durch Mutationen in Genen
von Succinat-Dehydrogenase-Untereinheiten (SDHA, SDHB, SDHC, SDHD)
verursacht werden. Diese Tumor­
entität lässt sich in zwei Unterentitäten (VHL vs. SDHx) mit ebenfalls
deutlich abgegrenzten Genexpressionsmustern sowie biochemischen
Phänotypen unterteilen. Biochemisch ist dieses Cluster durch eine
stark erhöhte Noradrenalin-Produktion sowie eine stark reduzierte Adrenalin-Ausschüttung gekennzeichnet. Dies sollte idealerweise durch
die Betrachtung der freien Metanephrine im Plasma bewertet werden.
Etwa 70 % der Tumoren, die durch
eine Mutation in einer der SDH-­
Untereinheiten (SDHB, SDHD) verursacht wurden, sind durch erhöhte
Konzentrationen von 3-Methoxyty-
Endokrinologie Informationen 2014; Sonderheft
17
Tab. 1 Phänotypische Merkmale erblich bedingter PPGL in Abhängigkeit des betroffenen Gens.
Gen
Chromosomale
Lokation
Biochemischer Phänotyp
NF1
17q11.2
MN oder MN und NMN
Prävalenz
innerhalb PPGL
5 %
Tumorlokation
Neigung zu
Malignität
A+++
niedrig
+++,
EA+
niedrig
VHL
3p25-26
NMN
5 %
A
RET
10q11.2
MN oder MN und NMN
5 %
A+++
SDHD
11q23
NMN und / oder MTY
4 %
KN+++, EA + A+
mittel
SDHB
1p36.13
NMN und / oder MTY
10 %
EA+++, A + EA+, KN+
hoch
SDHC
1q23.3
NMN und / oder MTY
< 2 %
KN+++, EA + A+
niedrig
+++,
niedrig
EA + A+
niedrig
SDHA
5p15
NMN und / oder MTY
< 1 %
KN
SDHAF2
11q12.2
keine Daten verfügbar
< 1 %
KN+++
niedrig
TMEM127
2q11.2
MN oder MN und NMN
< 2 %
A
niedrig
MAX
14q23
NMN > MN (häufig normal)
2 %
A
HIF2A*
14q21-q24
+++
+++
niedrig / mittel
Übersicht
MN: Metanephrin; NMN: Normetanephrin; MTY: 3-Methoxytyramin; NF1: Neurofibromatose Typ 1;
VHL: von Hippel Lindau; RET: rearranged during transfection; SDH: Succinat-Dehydrogenase (Untereinheiten D, B, C, A);
SDHAF2: SDH complex assembly factor 2; TMEM127: Transmembranprotein 127; MAX: MYC assozierter Faktor X;
HIF2A: Hypoxia Inducible Factor 2A; A: adrenales Phäochromozytom; EA: extra-adrenales Paragangliom;
KN: Kopf-Nacken-Paragangliom
*erste Hinweise im Zusammenhang mit erblich bedingter Polyzythämie [2] ramin, dem O-methylierten Metaboliten von Dopamin, gekennzeichnet.
Dabei können ebenfalls deutlich erhöhte Konzentrationen von Normetanephrin beobachtet werden [12].
Die zweite Gruppe (Cluster 2) umfasst Tumore mit Mutationen im
RET (rearranged after transfection),
NF1 (Neurofibromatosis Type 1)
oder TMEM127-Gen (transmembrane protein 127). Diese sind vor allem
durch eine gesteigerte AdrenalinProduktion charakterisiert [12].
Die dargestellten Zusammenhänge oder Beziehungen zwischen
dem Auftreten verschiedener Mutationen und dem zugehörigen biochemischen Phänotyp gewähren
einen Einblick in die Biologie des
­
­Tumors. Diese stehen möglicherweise
mit weiteren phänotypischen Besonderheiten wie der gesteigerten
Neigung zur Metastasenbildung, der
Tumorlokation oder dem geringeren
Alter bei Erstdiagnose von Cluster 1Tumoren gegenüber Cluster 2-Tumoren in Verbindung [12].
Der biochemische Phänotyp lässt
Rückschlüsse auf eine ggf. vorlie­
gende Mutation zu und kann somit
Hinweise geben, welche Gene auf
eine entsprechende Mutation getes-
18
tet werden sollten. Bei 11 möglichen
Genen, welche für die Existenz eines
PPGL verantwortlich sein können,
hilft dies unnötige Analysen und damit Kosten zu vermeiden.
Personalisierte genetische
Untersuchungen
Personalisierte medizinische Betreuung von PPGL-Patienten sollte
aufgrund des hohen Anteils an vererblichen Tumoren grundsätzlich in
Betracht gezogen werden. Um un­
nötige Tests zu vermeiden, sollte
hierbei das Auftreten bestimmter
klinischer Merkmale in die Über­
legung, welche Gene zu testen sind,
einbezogen werden. Hierzu ist auch
die Betrachtung der familiären Vorgeschichte hinsichtlich eines PPGL
hilfreich.
Das Auftreten von PPGL im Zusammenhang mit dem MEN2-Syndrom (Multiple Endokrine Neuroplasie 2) oder dem von-Hippel-LindauSyndrom ist weithin bekannt. Sollten sich klinische Anzeichen, wie
das zusätzliche Auftreten eines
Schilddrüsenkarzinoms oder eines
Angioms in der Anamnese zeigen,
steht die Untersuchung des RETGens und des VHL-Gens im Vorder-
Endokrinologie Informationen 2014; Sonderheft
grund. Hierbei gibt der biochemische Phänotyp weitere Hinweise.
VHL-Mutationen führen nicht zur
Ausbildung von Tumoren mit Adrenalin bzw. Metanephrin-Produktion.
Im Gegensatz dazu sekretieren
Phäochromozytome im Zusammenhang mit dem MEN2-Syndrom sowohl Noradrenalin als auch Adrenalin und deren Metabolite. Hierbei
wäre das RET-Gen auf eine entsprechende Mutation zu testen. Das gehäufte Auftreten von sogenannten
Café-au-lait-Flecken oder von Neurofibromen legt eine Mutation im
Neurofibromatose-Typ1-Gen (NF1)
nahe. In diesem Fall sind, wie auch
beim Vorliegen einer RET-Mutation,
die Katecholamin-Metabolite Metanephrin und Normetanephrin erhöht.
Bei fehlender PPGL-Vorerkrankung innerhalb der Familie sowie
der Abwesenheit der o. g. klinischen
Merkmale kann das Alter des Patienten prädiktiv für das Vorliegen eines
genetischen Defekts sein. Grundsätzlich kann man hier annehmen, dass
VHL-, SDHB- und SDHD-Mutationen
im Vergleich zu NF1- und RET-Mutationen eher bei jüngeren PPGL-Pa­
tienten auftreten [13].
Tab. 2 Leitlinien zur personalisierten Untersuchung bei Verdacht auf
­ orliegen eines PPGL.
V
Anzeichen und Symptome eines Katecholamin-Überschusses
→Bestimmung von Normetanephrin und Metanephrin
→geringer Anfangsverdacht (negative Testergebnisse schließen die Existenz
eines katecholamin-produzierenden Tumors für gewöhnlich aus)
→Falsch-Positive Testergebnisse möglich
Abdominale oder adrenale Inzidentalome
→Betrachtung von Tumorlokation und Tumorgröße
→Adrenal – Bestimmung von Normetanephrin und Metanephrin
→Extra-Adrenal – Bestimmung von Normetanephrin, Metanephrin und
3-Methoxytyramin
→ Hoher Anfangsverdacht (erhöhte Konzentrationen sind sehr verdächtig;
bei Tumorgrößen < 1 cm, sind negative, bzw. nicht erhöhte Konzentration
fragwürdig)
→ routinemäßige biochemische Untersuchung in regelmäßigen Abständen
→ RET, TMEM127, MAX, (NF1) – Bestimmung von Normetanephrin und
­Metanephrin
→ VHL – Bestimmung von Normetanephrin
→ SDHx – Bestimmung von Normetanephrin und 3-Methoxytyramin
→ Hoher Anfangsverdacht (erhöhte Konzentrationen sind sehr verdächtig)
Vorgeschichte bezüglich PPGL
→ routinemäßige biochemische Untersuchung in regelmäßigen Abständen
→ Beachtung / Vergleich von / mit Vorbefunden (inkl. 3-Methoxytyramin)
→ Hoher Anfangsverdacht (erhöhte Konzentrationen sind sehr verdächtig)
Weitere Faktoren bei der Identifizierung möglicher genetischer Defekte bei PPGL-Patienten sind die Tumorlokation, der biochemische Phänotyp sowie das Auftreten von Metastasen (Tab. 1). Bilaterale, adrenale
Tumore und multifokale, extra-adrenale Tumore sind mit einem besonders hohen Risiko für das Auftreten
von SDHx-Mutationen verknüpft.
Beim Auftreten letzterer sollte eine
mögliche Mutation in einem der Succinat-Dehydrogenase-Gene (SDHx)
untersucht werden. In Verbindung
mit erhöhten Konzentrationen von
3-Methoxytyramin sowie üblicherweise erhöhten NormetanephrinKonzentrationen sollte hier vor allem SDHB- und SDHD-Mutationen
nachgegangen werden. Dies ist besonders bedeutsam, da in mindestens 40 % der betroffenen Patienten
ein maligner Krankheitsverlauf gezeigt wurde [14]. Mutationen des
RET-, TMEM127- sowie des MAX-
Gens sind dem gegenüber nur selten
mit extra-adrenalen Tumoren verknüpft.
Schlussfolgerungen
Bluthochdruck sowie weitere
klinische Anzeichen von PPGL wie
paroxysmale Tachykardie, Kopfschmerzen, Schwitzen und Blässe
sind zurückzuführen auf eine tumorale Produktion und Freisetzung von
Katecholaminen. Patienten mit dieser
Symptomatik sollten daher auf das
Vorhandensein von PPGL geprüft
werden.
Für eine erste Untersuchung
wird die Bestimmung der freien Metanephrine im Plasma oder / und der
Sulfat-konjugierten Metanephrine
im Urin empfohlen. Beide Tests werden derzeit in diagnostischer Sensitivität und Spezifität als vergleichbar angesehen. Falsch-positiv erhöhte Normetanephrin-Konzentrationen lassen sich ggf. durch die
Übersicht
Prädisponierende erbliche Veranlagung oder identifizierte
Keimbahnmutation
Anwendung eines Clonidin-Tests
aufklären [15]. Bei Erhöhungen von
Metanephrin und 3-Methoxytyramin wird eine Testwiederholung unter strenger Beachtung der präanalytischen Bedingungen empfohlen [9].
Circa 30 % der PPGL-Erkrankungen werden durch Keimbahn-Mutationen verursacht. Daher sollte eine
molekulargenetische Untersuchung
personalisiert in die Diagnostik miteinbezogen werden (Tab. 2). Die molekulare Diagnostik sollte sorgfältig,
hinsichtlich vorliegenden Hinweisen
für eine Syndromerkrankung, in Abhängigkeit phänotypischer Besonderheiten (klinisches Erscheinungsbild, Erstmanifestations-Alter, Tumorlokalisation) und des biochemischen Phänotyps (Tab. 1) ausgewählt
werden.
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2013; 138: 76–81
Korrespondenz:
Dr. Mirko Peitzsch
Institut für Klinische Chemie und
­Laboratoriumsmedizin
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus
an der Technischen Universität Dresden
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Übersicht
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21.03.2013 11:55:19
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Übersicht
Sechs Jahrzehnte
Deutsche ­Gesellschaft
für Endokrinologie
H. Schatz
Die Deutsche Gesellschaft für Endokri­
nologie (DGE) repräsentiert als wis­
senschaftliche Fachgesellschaft und
­Interessenvertretung all diejenigen, die
auf dem Gebiete von Hormonen und
Stoffwechsel forschen, lehren oder
ärztlich tätig sind. Die Gründung der
Deutschen Gesellschaft für Endo­
krinologie erfolgte im Jahr 1953 in
Hamburg (Abb. 1).
D
er Arzt und Zoologe Arnold
Adolph Berthold wird weltweit als Pionier der Endokrinologie betrachtet. Durch Entfernung und Replantation der Hoden
bei männlichen Küken konnte er im
Jahre 1849 in Göttingen zeigen,
welch g
­ roße Bedeutung hormonpro-
duzierende Drüsen für den Körper
haben (Abb. 2). Auch die Väter der
modernen Diabetologie, Paul Langerhans, Josef von Mering und Oskar
Minkowski arbeiteten auf damals
deutschem Gebiet (Abb. 3). Zu dieser
Zeit war die Diabetologie noch eine
Disziplin der Endokrinologie – und
Acta Endocrinol. 12 / 1953
Abb. 1 Mitteilung der Gründung der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie in den Acta Endocrinologica 1953.
Endokrinologie Informationen 2014; Sonderheft
21
1849 in Göttingen: Kastration
männlicher Küken hemmte deren
Entwicklung. Nach Reimplantation
der Hoden normale Entwicklung.
Übersicht
Arnold Adolph Berthold
*1803 Soest, † 1861 Göttingen
Gedenktafel in Göttingen
Abb. 2 Der Pionier der Endokrinologie: Arnold Adolph Berthold.
Gründung der
Deutschen Gesellschaft
für Endokrinologie im
Jahre 1953
das ist in vielen Ländern der Welt bis
heute noch so.
A. A. Berthold und P. Langerhans
sind auch Namensgeber der höchsten
Auszeichnungen für das Lebenswerk
der deutschen Fach­
gesellschaften
von Endokrinologie und Diabetologie, die Berthold-Medaille (Tab. 1)
und die Langerhans-Medaille.
Auf Vorschlag von Arthur Jores
wurde 1953 in Hamburg die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie
(DGE) gegründet (Abb. 1). Im Jahre
1964 verselbständigte sich die Dia-
Tab. 1 Die Träger der Berthold-Medaille.
Berthold-Vorlesung und Medaille
Die höchste internationale Auszeichnung der Gesellschaft
1980: H. H. Simmer, USA
1981: A. Prader, Zürich, Switzerland
1982: Keine Vorlesung im Archiv
vorhanden.
1983: S. Reichlin, Arizona, USA
1984: J. T. Potts jr., Massachusetts, USA
1985: W. F. Ganong, San Francisco,
USA
1986: N. Josso, Paris, France
1987: P. Franchimont, Liege, Belgien
1988: A. Ullrich, USA
1989: A. Oksche, Giessen, Germany
1990: H. Studer, Bern, Switzerland
1991: D. Knorr, Gilching, Germany
1992: P. C. Scriba, München, Germany
1993: K. Federlin, Giessen, Germany
1994: L. E. Braverman, Boston, USA
1995: R. G. Edwards, Cambridge, UK
1996: S. A. Wells, Pennsylvania, USA
1997: D. de Wied, Utrecht, NL
22
1998: G. Schütz, Heidelberg, Germany
1999: P. Czernichow, Paris, France
2000: S. W. J. Lamberts, Rotterdam, NL
2001: R. Cone, Portland, USA
2002: P. Gruss, Göttingen, Germany
2003: W. B. Huttner, Dresden,
Germany
2004: I. Huhtaniemi, London, UK
2005: S. L. Berga, Pittsburgh, USA
2006: A. Dunaif, Chicago, USA
2007: J. G. Verbalis, Washington, USA
2008: R. Leibel, New York, USA
2009: W. Scherbaum, Düsseldorf,
Germany
2010: A. Grüters-Kieslich, Berlin,
Germany
2011: J. Köhrle, Berlin and H.-D. Röher,
Düsseldorf, Germany
2012: E. Nieschlag, Münster, Germany
2013: B. Allolio, Würzburg, Germany
Endokrinologie Informationen 2014; Sonderheft
betologie einem internationalen
Trend folgend und es etablierte sich
die Deutsche Diabetes-Gesellschaft
(DDG) mit ihrem ersten Vorsitzenden Karl Oberdisse. Tab. 2 zeigt alle
DGE-­Präsidenten von 1953 bis heute.
Seit 1953 finden jährlich Sym­
posien statt. Die Hauptthematik der
ersten beiden Tagungen veranschaulicht Abb. 4. Die Besonderheit der
der DGE ist ihre Interdisziplinarität:
Unter den Mitgliedern finden sich
Internisten, Pädiater, Gynäkologen,
Chirurgen, Neurochirurgen und Nuklearmediziner sowie klinische Chemiker, Biochemiker, Molekularbiologen, Zoologen und Genetiker. Diese
Liste erhebt keinen Anspruch auf
Vollständigkeit.
Im Jahre 1964 entstand in der
Deutschen Demokratischen Republik (DDR) die Gesellschaft für Endokrinologie und Stoffwechselerkrankungen. Ihr erster Präsident war
Konrad Seige. Nach der Wiederver­
einigung Deutschlands verschmolz
sie mit der DGE. Heute hat die DGE
etwa 1600 ordentliche Mitglieder,
dazu kommen außerordentliche
Mit­
glieder aus den endokrinologischen Assis­tenz­­berufen, Seniormitglieder, korrespondierende Mitglieder und Ehrenmitglieder.
Endokrinologische Bücher
und Zeitschriften
Das erste umfassende Lehrbuch
der Endokrinologie von Artur Biedl
erschien 1910 beim Verlag Urban &
Schwarzenberg in deutscher Sprache.
Das erste endokrinologische Fachblatt „Endokrinologie“ erschien im
Jahre 1928. Dieses wurde 1964 offizielles Organ der Gesellschaft für
Endo­
krinologie und Stoffwechsel­
erkrankungen in der DDR und später
in englischer Sprache als „Experimental and Clinical Endocrinology“
(Exp. Clin. Endo­
crinol.) weitergeführt. Für die DGE diente die Acta
Endocrinologica als offizielles Publikationsorgan. Darin wurden auch
die Abstracts der DGE-Symposien
publiziert. Nach der deutschen Wiedervereinigung wählte man „Experi-
Josef von Mering
*1848 Köln, † 1908 Halle / Saale
Oskar Minkowski
*1858 Kaunas / Lit., † 1931 Fürstenberg
Übersicht
Paul Langerhans
*1847 Berlin, † 1888 Funchal / Madeira
Abb. 3 Die Väter der Diabetologie: Paul Langerhans sowie Joseph von Mering und Oskar Minkowski (v. l. n. r.).
mental and Clinical Endocrinology“
als offizielles Organ der DGE. Im Jahre
2005 wurde diese Zeitschrift auch
offizielles wissenschaftliches Organ
der Deutschen Diabetes-Gesellschaft
(DDG), unter Erweiterung des Titels
auf „Experimental and Clinical Endocrinology & Diabetes “.
Gesellschaftsstruktur
Die Amtszeit des Präsidenten der
Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie beträgt heute drei Jahre, die
des Tagungspräsidenten ein Jahr,
dessen Aufgabe die Organisation des
Jahressymposiums ist (Tab. 2). Das
Jahressymposium findet in der Regel
an dessen Wirkungsort statt. Innerhalb der DGE besteht eine Akademie
für Endokrinologische Weiterbildung, die sich derzeit reorganisiert.
Neun Sektionen, drei Kommissionen
und drei Arbeitsgruppen befassen
sich mit den verschiedenen endokrinen Organen oder mit berufspolitischen und anderen Aspekten. Un­
sere Nachwuchsgruppierung stellt
darunter die Arbeitsgemeinschaft
„Young ­
Active Research in Endo­
crinology“ (YARE) dar, junge, hochaktive Endokrinologen vom Doktorandenstadium bis zum 35. Lebensjahr. Es werden drei Register über
endokrine Erkrankungen geführt.
Die DGE betreibt eine Geschäftsstel-
le mit der Endo­science GmbH und
eine Pressestelle, die derzeit beim
Georg Thieme Verlag angesiedelt ist.
Das „Industrie­
forum Hormone“
(IFH) unterstützt die Aktivitäten der
DGE auf vielerlei Gebieten.
Auszeichnungen, Preise,
Fellowships
Jährlich werden verschiedene
Preise, Projektförderungen und Stipendien vergeben, die herausra­
gende Arbeiten auf dem Gebiet
„Hormone und Stoffwechsel“ auszeichnen. Die höchste Würdigung
für das Lebenswerk eines in- und
ausländischen Endokrinologen ist
die Berthold-Vorlesung mit Verleihung der Berthold-Medaille. Bis zum
40. Lebensjahr können sich Forscher
um den Schöller-Junkmann-Preis
bewerben. Der Marius-Tausk-Förderpreis unterstützt die Forschungen
von jüngeren Endokrinologen. Mit
dem Dietrich-Knorr-Preis werden
Nebennieren- und Gonadenuntersuchungen prämiert; auf dem Gebiet
der Schilddrüse wird der Von Basedow-Preis vergeben. Neuroendokrinologische Forschung wird mit dem
Ernst und Berta Scharrer-Preis ausgezeichnet, für Osteologen steht der
Von Recklinghausen-Preis zur Ver­
fügung. Es existierte auch ein MSDFellowship. Mit dem Novartis-Preis
Tab. 2 Die Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Endokrino­
logie 1953–2013.
1953 – 1963: A. Jores
1963 – 1968: K. Oberdisse
Ein Jahr Amtszeit
beinhaltete auch die Organisation
des Jahressymposiums
1969: J. Zander
1970: E. Tonutti
1971: J. Tamm
1972: H. L. Krüskemper
1973: H. Schriefers
1974: J. R. Bierich
1975: H. Karg
1976: H. Breuer
1977: G. Bettendorf
1978: E. F. Pfeiffer
1979: P. W. Jungblut
1980: J. Hammerstein
1981: H. Helge
1982: H. Breuer
Zwei, ab 1988 drei Jahre Amtszeit
mit wechselnden Vorsitzenden
des Organisationskomitees der
Jahressymposien
1983 – 1984: M. Breckwoldt
1985 – 1987: P. C. Scriba
1988 – 1990: W. Staib
1991 – 1993: E. Nieschlag
1994 – 1996: W. Wuttke
1997 – 1999: R. Ziegler
2000 – 2002: K. Voigt
2003 – 2005: H. Lehnert
2006 – 2008: Gudermann
2009 – 2011: A. Pfeiffer
2012 – 2014: J. Gromoll
Endokrinologie Informationen 2014; Sonderheft
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innerhalb der DGE während der
­Jahrestagungen, Förderung junger
Endokrinologen einschließlich der
YARE-Gruppe – Young Active Research in Endocrinology – und verstärkte Wissenschaftspräsentation
auf der Homepage der DGE.
Homepage der DGE
Übersicht
Hamburg 1953
Zentrale Steuerung der Sexualfunktionen. Die Keimdrüsen des
Mannes.
Goslar 1954
Stoffwechselwirkungen der
Steroid­hormone.
Abb. 4 Die ersten beiden Tagungsbände der DGE-Symposien 1953 und 1954.
werden jüngere Wissenschaftler bis
zum 35. Lebensjahr geehrt, ebenso
mit einem von der Firma Pfizer gesponsertem Fellowship.
Gegenwärtig wird im Vorstand
der DGE über eine Neuordnung der
Preise und Förderungen unserer Gesellschaft nachgedacht mit dem Ziel,
eine neutrale, von Firmeninteressen
möglichst unabhängige Verteilung
der Auszeichnungen und der Preisgelder zu etablieren.
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Das Konzept
„Endokrinologie 2020“
Unter der derzeitigen Präsidentschaft von Prof. Gromoll wurde ein
Konzept „Endokrinologie 2020“ erarbeitet, das aus drei Säulen besteht:
Im Zentrum steht die Säule „Klinik,
Praxis und Wissenschaft“, flankiert
von den zwei Säulen „Strategie und
Politik“ sowie „Finanzen und Organisation“. Das Programm für „Wissenschaft“ umfasst stärkere Interaktion mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft, verstärkte Präsen­
ta­
tion von Forschungsgruppierungen
Endokrinologie Informationen 2014; Sonderheft
Der Homepage der DGE können
weitere Details entnommen werden; insbesondere zu Struktur, Personen und Preisen. Ferner können
alle Pressemitteilungen und Kurzbeiträge im DGE-Blog inklusive aller
Kommentare der Leser und vieles
andere nachgelesen werden.
Sie sind herzlich dazu eingeladen, www.endokrinologie.net anzuklicken!
Der Beitrag basiert auf einem Vortrag
für die Deutsch-Russische Tagung
über Endokrino­logie und Diabetologie
des Koch-Metschnikow-Forums in
der Russischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften in Moskau,
24.–25. Oktober 2013.
Korrespondenz:
Univ.-Prof. Dr. med. Dr. h. c.
Helmut Schatz
Mediensprecher der Deutschen
Gesellschaft für Endokrinologie
Direktor a. D. der Med. Univ.-Klinik
Bergmannsheil der Ruhr-Universität
Bochum
[email protected]
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