Pariser Abkommen»: Alle Länder in der Klimapolitik

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«Pariser Abkommen»: Alle Länder in der Klimapolitik gefordert - NZ...
http://www.nzz.ch/international/europa/vor-der-plenarversammlung-in...
«Pariser Abkommen»
Das Pariser Abkommen, das alle Staaten zu Klimaschutzmassnahmen
verpflichtet, ist das Ergebnis vieler Kompromisse. Es ermöglicht es, die
Anstrengungen aller Länder mit der Zeit zu erhöhen.
von
Markus Hofmann, Paris
13.12.2015, 20:51 Uhr
47
Kommentare
Worum es in der globalen Klimapolitik im Kern geht, hat die Pariser
Klimakonferenz in einem ihrer Beschlüsse vom vergangenen Samstag in
klaren Worten festgehalten. Der Klimawandel sei eine dringende und
potenziell nicht rückgängig zu machende Gefahr für menschliche
Gesellschaften sowie den Planeten. Um dieser Bedrohung zu begegnen und
die Treibhausgasemissionen rasch zu senken, sei die weitestmögliche
Zusammenarbeit aller Länder notwendig. Gleichzeitig stellen die 195 Staaten
sowie die EU mit «grosser Sorge» fest, dass ein Graben zwischen den
Anstrengungen der einzelnen Länder im Kampf gegen den Klimawandel und
dem angestrebten Ziel einer Begrenzung der globalen Erwärmung auf
deutlich unter 2 Grad Celsius bestehe.
Die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit, die in einem Entscheid der
21. Klimakonferenz der Uno ihren Ausdruck findet, versuchen die Staaten
nun mit einem neuen Klimavertrag, dem Pariser Abkommen, zu überbrücken.
Daran gearbeitet haben sie seit Jahren. Bereits 2007 hatte man sich in Bali
vorgenommen, ein solches Abkommen spätestens 2009 in Kopenhagen ins
Leben zu rufen. Es misslang. Doch nach mehreren Jahren harter
Verhandlungen, die mehr Tiefen als Höhen kannten und oft durch einen
unergiebigen Streit zwischen Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern
gekennzeichnet waren, ist es geschafft. 12 Seiten und 29 Artikel umfasst das
völkerrechtlich bindende Pariser Abkommen, hinzu kommen 20 Seiten
weniger verbindlicher, aber gleichwohl wichtiger Entscheide.
Die Dekarbonisierung fehlt
Ganz zu Beginn wird das Klimaziel verankert. So soll die globale
durchschnittliche Erwärmung der Erdatmosphäre im Vergleich zur
vorindustriellen Zeit auf deutlich unter 2 Grad Celsius gehalten werden.
Zudem sollen Anstrengungen unternommen werden, damit die Erwärmung
nicht über 1,5 Grad steigt; damit anerkennt man ausdrücklich, dass die
Risiken und Auswirkungen des Klimawandels auf diese Weise signifikant
reduziert werden können.
Über die Zahl 1,5 wurde an der Klimakonferenz ausgiebig gestritten. Dass sie
Eingang ins Abkommen gefunden hat, ist vor allem ein Sieg der kleinen
Inselstaaten, die sich durch den Anstieg des Meeresspiegels in ihrer Existenz
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14.02.2016 11:33
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bedroht sehen.
Ziele sind gut und recht, entscheidend ist aber, wie sie erreicht werden sollen.
Dies war daher einer der grossen Knackpunkte an den Pariser
Verhandlungen. Die Staaten einigten sich darauf, möglichst rasch das
Maximum der Treibhausgasemissionen zu erreichen. Entwicklungsländern
wird dafür etwas mehr Zeit als den Industriestaaten eingeräumt. Nach dem
Peak sollen die Emissionen rasch sinken.
Dies ist eine vergleichsweise schwache Formulierung. Etliche
Umweltschutzorganisationen und Wissenschafter hatten gehofft, dass die
Pfade der Emissionsminderung mit klaren Daten verknüpft würden. Eingang
ins Pariser Abkommen fand ein Kompromiss: In der zweiten Hälfte des 21.
Jahrhunderts soll eine «Balance zwischen menschengemachten Emissionen
und der Entfernung von Treibhausgasemissionen durch Senken» erreicht
werden (zum Beispiel durch die Wiederaufforstung von Wäldern oder andere
Formen der künstlichen Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre). Das
bedeutet, dass zwischen 2050 und 2100 die Treibhausgasemissionen auf
netto null fallen sollen. Das Wort «Dekarbonisierung» taucht im Vertrag
nicht auf. Dieses wäre ein deutlicheres Signal für ein baldiges Ende des
fossilen Zeitalters gewesen.
Ein Paradigmenwechsel ist, dass alle Staaten dazu beitragen müssen, die
Klimaziele zu erreichen. Das 2020 auslaufende Kyoto-Protokoll hat nur
Industriestaaten in die Pflicht genommen. Mittlerweile sind aber neben den
USA und der EU China und Indien zu den grössten Treibhausgas-Emittenten
aufgestiegen. Die Industriestaaten wollten daher mit gutem Grund nicht
länger alleine für die Reduktion von Treibhausgasen zuständig sein.
Bisher haben 188 Staaten ihre nationalen Klimaziele bei der Uno eingereicht.
Das Pariser Abkommen schafft einen Mechanismus, dass diese nationalen
Anstrengungen nicht nur regelmässig überprüft, sondern auch nach und nach
verschärft werden. Ein erstes Mal soll eine Überprüfung 2023 und danach alle
fünf Jahre stattfinden. Ebenfalls entschieden wurde, dass sich die Staaten
bereits 2018 über ihre Klimaziele austauschen. Länder, die Ziele für 2025
festgelegt haben, sollen bis 2020 neue Ziele definieren. Jene Staaten, die ihre
Ziele bis 2030 gesetzt haben, sollen diese aufdatieren.
Dieses System der Überprüfung ist ziemlich robust. Es kompensiert zu einem
Teil die zurückhaltend formulierten globalen Klimaziele.
Wie immer war die Frage der Finanzierung höchst umstritten. Gemäss
Pariser Abkommen sollen Industriestaaten die Entwicklungsländer im Kampf
gegen den Klimawandel finanziell unterstützen. Auch andere Länder –
hiermit sind die zu einigem Wohlstand gekommenen Schwellenländer
gemeint – sind aufgerufen, weiterhin oder neu Finanzhilfen zu leisten.
Die von den Industriestaaten bereits 2009 versprochenen 100 Milliarden
Dollar pro Jahr fanden Eingang in einen Entscheid der Klimakonferenz.
Ebenfalls festgehalten wird, dass vor 2025 ein neues Finanzierungsziel gesetzt
werden soll, das die 100-Milliarden-Dollar-Basis nicht unterschreiten darf.
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Emissionshandel möglich
Die Staaten erachten es gemäss Pariser Abkommen als wichtig, dass vom
Klimawandel verursachte Schäden abgewendet und minimiert werden
müssen. Dieser Passus war den Entwicklungsländern ein wichtiges Anliegen.
Er begründet aber keine Haftpflicht oder Kompensationszahlungen. Dies
hätten die USA und Europa nicht akzeptiert. Der bereits bestehende
Mechanismus im Umgang mit Klimaschäden, der 2013 in Warschau
eingeführt wurde, wird weitergeführt.
Weiterhin sind «freiwillige» Massnahmen zur Reduktion von Klimagasen
möglich. Der Emissionshandel soll also nach wie vor möglich sein.
Sobald 55 Staaten, die zusammen für mindestens 55 Prozent der globalen
Treibhausgasemissionen verantwortlich sind, das Pariser Abkommen
ratifiziert haben, wird es in Kraft treten.
Die wichtigsten Punkte
Die wichtigsten Bestimmungen des rechtlich bindenden «Pariser
Abkommens» sowie weiterer, rechtlich weniger verbindlicher Entscheide
sind folgende:
Die globale durchschnittliche Erwärmung der Erdatmosphäre soll deutlich
unter 2 Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit gehalten
werden. Es sollen zudem Anstrengungen unternommen werden, damit die
Temperatur nicht über 1,5 Grad steigt; damit anerkennt man, dass die
Risiken und Auswirkungen des Klimawandels auf diese Weise signifikant
gesenkt werden können.
Alle Staaten müssen dazu beitragen, die Klimaziele zu erreichen. Ihre
«ehrgeizigen» Anstrengungen müssen sie veröffentlichen. Bisher traf diese
Pflicht vor allem die Industriestaaten. Zudem dürfen einmal gemachte
Klimaversprechen im Laufe der Zeit nicht abgeschwächt werden.
Die Staaten verfolgen das Ziel, möglichst rasch das Maximum der
Treibhausgasemissionen zu erreichen. Entwicklungsländern wird dafür
etwas mehr Zeit als den Industriestaaten eingeräumt. Danach sollen
Anstrengungen unternommen werden, dass die Emissionen rasch sinken.
In der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts soll eine «Balance zwischen
menschengemachten Emissionen und der Entfernung von
Treibhausgasemissionen durch Senken» (zum Beispiel durch
Wiederaufforstung von Wäldern) erreicht werden. Zwischen 2050 und
2100 müssen die Treibhausgasemissionen also auf Null (netto) fallen.
Die Staaten sollen Senken für Treibhausgase (damit sind zum Beispiel
Wälder gemeint) schützen und fördern.
Ein globales Ziel für die Anpassung an den Klimawandel wird verankert.
Damit soll die Widerstandskraft (Resilienz) der Staaten gestärkt und die
Verletzlichkeit gegenüber dem Klimawandel reduziert werden.
Die Staaten erachten es als wichtig, dass vom Klimawandel verursachte
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Schäden abgewendet und minimiert werden müssen. Dieser Artikel war
den Entwicklungsländern ein wichtiges Anliegen. Dies begründet aber
keine Haftpflicht oder Zahlungen von Kompensationen; dies hätten die
USA und die europäischen Staaten nicht akzeptiert. Der bereits bestehende
Mechanismus im Umgang mit Klimaschäden, der 2013 in Warschau
eingeführt worden ist, wird weitergeführt.
Industrieländer sind dazu verpflichtet, Entwicklungsländer im Kampf
gegen den Klimawandel finanziell zu unterstützen. Auch andere Länder –
hiermit sind die mittlerweile zu einigem Wohlstand gekommenen
Schwellenländer gemeint – sind ebenfalls aufgerufen, weiterhin oder neu
Finanzhilfen zu leisten. Zudem soll vor 2025 ein neues quantitatives
Finanzierungsziel gesetzt werden, wie die Plenarversammlung einem
separaten Entscheid beschlossen hat. Bereits versprochen haben die
Industrieländer, dass sie jährlich 100 Milliarden Dollar aus staatlichen und
privaten Quellen ab 2020 bereitstellen wollen, um den ärmsten Ländern zu
helfen. Diese 100 Milliarden Dollar dürfen nicht unterschritten werden.
Jeder Staat soll regelmässig einen nationalen Treibhausgas-Bericht
veröffentlichen. Bisher traf diese Pflicht die Industriestaaten.
Die Staaten sollen regelmässig zusammenkommen, um die Fortschritte
beim Erreichen des langfristigen Klimaziels zu überprüfen. Ein erstes Mal
soll ein solches Treffen 2023 und danach alle fünf Jahre stattfinden. An der
Klimakonferenz wurde ebenfalls entschieden, bereits 2018 einen «Dialog»
durchzuführen, an dem man sich über die Klimaziele der einzelnen Staaten
austauscht. Länder, die Klimaziele für 2025 festgelegt haben, soll bis 2020
neue Ziele definieren. Jene Staaten, die ihre Ziele bis 2030 gesetzt haben,
sollen diese veröffentlichen oder aufdatieren.
Weiterhin sind freiwillige Massnahmen zur Reduktion der Klimagase und
für die Anpassung möglich. Der Handel mit Klimazertifikaten soll also
nach wie vor möglich sein.
Das Abkommen wird in Kraft treten, sobald es 55 Staaten ratifiziert haben,
die zusammen für mindestens 55 Prozent der globalen
Treibhausgasemissionen verantwortlich sind.
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