Europa nach 1648

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Europa nach 1648
Jan Bruners
Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges 1648 begann eine kurze Übergangsphase, in der die
innenpolitischen Krisen in verschiedenen europäischen Staaten und die Folgen des Krieges überwunden wurden. Das Jahr 1660 stellte in mehrfacher Hinsicht einen bedeutsamen Einschnitt
dar: der Pyrenäenfrieden von 1659 beendete den spanischen-französischen Krieg und gleichzeitig
die spanische Vormachtstellung, England und die nördlichen Niederlande (seit 1648 unabhängig)
traten als Seemächte die Nachfolge Spanien-Portugals an. Der Friede von Oliva 1660 nach dem
Ersten Nordischen Krieg (1655 - 1660) zwischen Schweden und Dänemark kam unter französischer Vermittlung zustande und zeigte zum ersten Mal die Stärke des französischen Einflusses.
Kurz darauf begann das persönliche Regiment Ludwig XIV., und Frankreich konnte sich als Hegemonialmacht des Kontinents durchsetzen (Expansion vor allem auf Kosten des Reiches), bis durch
die Verbindung Englands und der Niederlande unter Wilhelm von Oranien (Glorious Revolution, 1688/9) eine starke Allianz gegen Frankreich entstand. Im Pfälzischen Krieg (1688 - 1697)
mußte sich Frankreich erstmals einer großen europäischen Koalition geschlagen geben und die
Reunionsgewinne (Elsaß und Lothringen) abtreten. Die Verteilung der freiwerdenden schwedischen Besitzungen nach dem Zweiten Nordischen Krieg (Schweden - Dänemark, Polen, Sachsen,
Rußland 1700 - 1720) entsprachen dem Prinzip des Gleichgewichts. England verstärkte seinen
Einfluß, im Osten etablierte sich Rußland als neue Großmacht.
Ein Ergebnis des 30jährigen Krieges war die Zerschlagung der habsburgischen Universalmonarchie gewesen, einerseits durch die Stärkung der Reichsstände gegenüber dem Kaiser, andererseits
durch die (teilweise) Trennung der deutschen und der spanischen Habsburger. Nach dem Tod
des letzten spanischen Habsburgers, Karl II. (1665 - 1700) gab es zwei berechtigte Erben: den
Sohn des Kaisers Leopold I. (1658 - 1705), Karl, und den Enkel Ludwig XIV., Herzog Philipp
von Anjou. Gegen den Einzug Philipps in Madrid - der das Mächtegleichgewicht erheblich störte - bildete sich die Große Haager Allianz aus Großbritannien, dem Kaiser und den nördlichen
Niederlanden, denen sich Preußen, das Reich (d.h. die Reichsstände) und Savoyen anschlossen,
es kam zum Spanischen Erbfolgekrieg (1701 - 1714). 1705 starb Leopold I. und sein Sohn Joseph I. (1705 - 1711) wurde Kaiser, nach dessen Tod wurde sein Bruder Karl VI. (1711 - 1740)
zum Kaiser gewählt. Weil eine Vereinigung Spaniens mit den kaiserlichen Erblanden nicht im
Interesse der Partner war, wurde 1713 der Friede von Utrecht ohne Beteiligung von Kaiser und
Reich geschlossen: Philipp V. blieb spanischer König (wobei jede Union mit Frankreich verboten
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war), Frankreich und Spanien mußten Gebiete an den Kaiser, Großbritannien und die nördlichen
Niederlande abtreten.
Karl VI. verkündete unmittelbar nach dem Frieden von Utrecht die Pragmatische Sanktion, nach
der seine Kinder (auch Töchter) in der Erbfolge Vorrang vor denen seines verstorbenen Bruders
Joseph haben sollten. Er erreichte nach mühsamen Verhandlungen die Zustimmung seiner Erbländer, Ungarns, der Großmächte und des Reiches. Nach Karls Tod bestieg seine Tochter Maria
Theresia (1740 - 1780) den österreichischen Thron. Neben anderen bezweifelte Kurfürst Karl
Albrecht von Bayern, ein Schwiegersohn Jospehs, die Rechtmäßigkeit ihrer Herrschaft und erhob
eigene Erbansprüche. Den Österreichischen Erbfolgekrieg (1740 - 1748) löste allerdings erst der
Einmarsch des preußischen Königs Friedrich II. in Schlesien aus (Erster Schlesischer Krieg 1740 1742). Nach der Einnahme Schlesiens durch Preußen und Böhmens durch eine Allianz aus Bayern, Frankreich und Sachsen wurde Karl Albrecht von Bayern als Karl VII. (1742 - 1745) zum
Kaiser gewählt. Durch den Frieden von Breslau 1742 mit Preußen (Abtretung Schlesiens und der
Grafschaft Blatz an Preußen) konnte Österreich neue Kräfte sammeln und die sogenannte Pragmatische Armee aus Österreichern, Niederländern, Briten und deutschen Söldnern bilden, die
Karl VII. aus Böhmen und Bayern vertrieb und die Franzosen 1743 besiegte.
Ein preußisch-französisches Bündnis und der Einmarsch Preußens in Böhmen löste den Zweiten Schlesischen Krieg (1744) aus. Nach dem Tod Karls VII. 1745 verzichtete sein Nachfolger
Maximilian III. Joseph auf den Kaisertitel und erhielt Bayern gegen die Anerkennung der Pragmatischen Sanktion zurück. Im Frieden von Dresden wurde Schlesien als Besitz Friedrichs II.,
der als Gegenleistung Franz I. (1745 - 1765), den Gemahl Maria Theresias, als Kaiser anerkannte,
bestätigt. Dem neuen Kaiser gelang es nicht, das Reich in ein Bündnis zwischen Rußland und Österreich (1746) gegen Frankreich einzubeziehen. Schließlich mußte Österreich 1748 dem Frieden
von Aachen zwischen Frankreich und den Seemächten beitreten, dessen Hauptinhalt die Rückgabe der gegenseitig eroberten Kolonien war. Österreich erhielt die eroberten südlichen Niederlande
von Frankreich zurück, mußte aber seine Besitzungen in Italien an die spanischen Bourbonen
abgeben. Die Pragmatische Sanktion wurde anerkannt und der preußische Besitz Schlesiens erneut bestätigt. Mit diesem Frieden begann auch der deutsche Dualismus, der im 19. Jahrhundert
entscheidende Bedeutung hatte.
Allerdings waren die kolonialen Auseinandersetzungen Großbritanniens und Frankreichs in Amerika nicht beendet, sondern führten bald zum Siebenjährigen Krieg (1756 - 1763): die Westminsterkonvention (England, Preußen, Rußland) und der Versailler Vertrag (Frankreich, Österreich)
schufen zwei Machtblöcke. In Europa wurde der Konflikt als Dritter Schlesischer Krieg Preußens
(von Großbritannien etwas unterstützt) und Österreichs (mit Frankreich), in Amerika und Indien
als French and Indian War Englands und Frankreichs geführt. Preußen konnte sich durch die Mobilisierung der letzten Reserven behaupten und im Frieden von Hubertusburg (1763) seine Stellung als Großmacht bestätigen lassen (Festschreibung des deutschen Dualismus). England siegte
sowohl in Nordamerika als auch in Indien und wurde durch den Frieden von Paris (1763) die
unbestritten führende See- und Kolonialmacht der Welt: alle nordamerikanischen französischen
Besitzungen und große Teile der indischen und afrikanischen Eroberungen gingen an London.
Im amerikanischen Unabhängigkeitskampf (1775 - 1783) engagierte sich Frankreich auf der Seite
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der Kolonien und zwang Großbritannien schließlich zur Anerkennung der Unabhängigkeit der
USA, konnte aber aus seinem Engagement keinerlei Gewin ziehen.
Der sich zunehmend von seiner Mutter Maria Theresia emanzipierende Kaiser Joseph II. (1765
- 1790) versuchte, seinen Staat territorial auf Kosten des austarierten Reichssystems zu erweitern.
Die bayerische Erbfolgefrage schien einen guten Ansatzpunkt zu bieten, um den Verlust Schlesiens an Preußen zu kompensieren. Nach dem Tod Maximilian II. Josephs von Bayern (1777)
- und damit dem Aussterben der Wittelsbacher in Bayern - entstand eine pfälzisch-bayerischen
Großmacht der Wittelsbacher unter Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz, die das europäische
Gleichgewicht bedrohte. Graf Kaunitz erreichte die Anerkennung österreichischer Rechtsansprüche auf einen Teil des Kurfürstentums (Bayern-Straubing) durch Karl Theodor. Daraufhin diskreditierten Friedrich II. von Preußen und Zarin Katharina II. den Kaiser wegen Nichtachtung
der Reichsverfassung (Unteilbarkeit der Kurfürstentümer) und zwangen ihn im Bayerischen Erbfolgekrieg (1778 - 1779) zum Frieden von Teschen: Österreich mußte die annektierten Gebiete
herausgeben und einer Vereinigung der fränkischen Markgraftümer Ansbach-Bayreuth mit Preußen zustimmen. Die Garantiemächte des Friedens waren Frankreich und Rußland, das in Zukunft
eine größere Rolle in der europäischen Politik spielen sollte.
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