Der heimliche „Obstfuchs“

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Marderhund
Der heimliche
„Obstfuchs“
Der Marderhund, ein asiatisch-stämmiger Vertreter der Hundeartigen, hat vor
Jahrzehnten Deutschland von Osten her
erobert und vermehrt sich bei uns ebenso wie der Waschbär. Nach der Berner
Konvention soll die Ausbreitung solcher
invasiver gebietsfremder Tierarten, die
die biologische Vielfalt gefährden können, streng kontrolliert werden. Aus
dem Grund wurde der Marderhund mit
ganzjähriger Jagdzeit auch ins Bayerische Jagdgesetz aufgenommen.
Den deutschsprachigen Namen Marderhund erhielt der „echte Hund“
durch sein Aussehen. Er sieht aus
wie eine Mischform zwischen Marder
und Hund. Tatsächlich hat das kleine
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Raubtier während der Evolution auch
Merkmale von Mardern erworben. Aufgrund seiner Fellzeichnung wird es
oft mit dem Waschbären verwechselt,
weshalb es im Englischen die irreführende Bezeichnung Raccoon Dog, also
„Waschbärhund“, erhalten hat.
Merkmale
Bei einer Schulterhöhe bis 30 Zentimetern und einer Kopf-Rumpf-Länge von
maximal 70 Zentimetern können die
fuchsgroßen Marderhunde Gewichte
bis zu acht Kilogramm erreichen. Der
längliche Körper ruht auf relativ kurzen
Beinen. Trotz eines hundeartigen Gangs
sind die Neubürger keine schnellen
Läufer.
Foto: Tierfotoagentur.de/P. Weimann
Fast 24.000 Marderhunde wurden im vorletzten
Jagdjahr in Deutschland erlegt, mit einer Streckensteigerung um mehr als 18 Prozent seit dem Vorjahr. In Bayern liegt die Strecke bislang zwischen
35 und 60, doch wir sollten auf eine weitere Ausbreitung der eigentümlichen Allesfresser gefasst sein.
Dr. Claudia Gangl, BJV-Fachreferentin für Tierschutz
und Wildbiologie, stellt den Enok vor.
Der Marderhund weist eine so genannte
Verkehrtfärbung auf: Die Unterseite ist
schwarz-braun, die Oberseite deutlich
heller mit lebhaften Schattierungen in
Beige, Schwarz und Braun. Der kleine
Hund trägt eine markante Gesichtsmaske und einen beiderseits wegstehenden
Backenbart. Anders als beim Waschbären ist die Rute nicht geringelt.
Charakteristisch sind im Winter die nicht
gleichmäßig verteilten, sondern büschelartig aus der Unterwolle herausragenden
Grannenhaare, so dass der Marderhund
in der kalten Jahreszeit etwas unproportioniert aussieht. Da sich der Haarwechsel über einen großen Teil des Jahres hinstreckt, ist der Balg nur für kurze Zeit im
Winter nutzbar.
Verhalten
Marderhunde sind nicht territorial,
beanspruchen aber als verpaarte Tiere Streifreviere von mehreren Hundert
Hektar, die sie Zeit ihres gemeinsamen Lebens bewohnen. In dicht besiedelten Gebieten weisen die Reviere
eine deutlich geringere Größe auf.
Die Tiere sind gesellig und leben in
kleinen Familiengruppen, die aus einem Pärchen und deren Nachwuchs
bestehen. Noch nicht geschlechtsreife
Marderhunde wandern ab und leben
einzelgängerisch. Die Mitglieder einer Familiengruppe nutzen gemeinsame Kot- und Urinplätze, so genannte
Latrinen. Marderhunde können nicht
bellen, an Lautäußerungen hört man
von ihnen Schnarren, Knurren, Winseln und Miauen.
Verbreitung und Lebensraum
Der Marderhund ist ein heimlicher
und scheuer Bewohner von Laub- und
Mischwäldern mit viel Unterholz. Da
er wasserliebend ist, hält er sich auch
gerne in Flussauen und Niederungsgebieten auf. Hauptsache, die einfachen,
selbstgegrabenen Erdbaue liegen trocken. Bewohnt werden auch verlassene Baue von Fuchs und Dachs oder
umgestürzte Wurzelteller, Heuschober, Reisighaufen und Schilfnester.
Hier hält er meist auch – als einziger
Hundeartiger – mehrere Wochen Winterruhe, für die er sich im Herbst eine
dicke Feistschicht angefressen hat. In
Gegenden mit milden Wintern sind die
Tiere jedoch eigentlich das ganze Jahr
über unterwegs. Dabei ist er hauptsächlich dämmerungs- und nachtaktiv.
im Sommer und Herbst. Auch menschliche Abfälle und Aas werden nicht
verschmäht.
Der Marderhund ist kein Jäger wie der
Rotfuchs, sondern er durchstreift sein
Revier eher gemächlich sammelnd
wie ein Dachs. Kletterkünste wie der
Waschbär kann er auch nicht vorweisen.
Fressfeinde
Das kleine Raubtier hat ähnlich wie
der verwandte Rotfuchs eine Menge
Feinde. So stellen ihm Wolf, Luchs,
Steinadler, Uhu und auch wildernde
Hunde nach. Bei Gefahr kann sich ein
Marderhund totstellen. Viele Räuber
lassen sich davon sogar beeindrucken. Nicht aber der Mensch. Der
erlegt ihn – dank ganzjähriger Jagdzeit – wann immer er seiner ansichtig
wird.
Fortpflanzung
Die Paarungszeit findet im Februar
und März statt und vergeht bei bereits etablierten Paaren recht ruhig.
Aus durchschnittlich fünf bis sieben,
in Einzelfällen bis zu 16 Welpen kann
der Wurf bestehen, den die Fähe nach
einer Tragezeit von 60 bis 65 Tagen
im Bau wölft. Das Paar lebt monogam
und bleibt ein Leben lang zusammen, auch außerhalb der Fortpflanzungszeit. Die Rüden beteiligen sich
intensiv an der Pflege und Aufzucht
der Jungen, während die Fähe auf der
Nahrungssuche ihren hohen Energiebedarf für die Milchproduktion deckt.
Die jungen Marderhunde sind im Alter
von fünf Monaten selbstständig und
werden ab jetzt auch heftig abgewehrt.
Bejagung
Dem Marderhund gebührt aufgrund
seines Status als Neozoon nicht einmal ein Schutz vor Nachstellungen in
der Zeit der Jungenaufzucht nach § 22
Abs. 4 BJG, wie ihn zum Beispiel der
Rotfuchs genießt. Geht man aber davon aus, dass Marderhunde von März
bis Mai die Welpen wölfen und diese
mehrere Monate zum Selbstständigwerden benötigen, sollte der Schutz
vor allem des säugenden Muttertieres
in dieser Zeit bis Ende Juli eigentlich
selbstverständlich und deshalb Ehrensache sein. Da auch der Marderhundrüde, noch mehr als der Fuchsrüde, an der Aufzucht beteiligt ist und
Fähe und Rüde sich vor allem im Dunkeln nicht eindeutig unterscheiden
lassen, sollte auch ihm eine Jagdruhe
zuteil werden. Erst wenn sicher der
ganze Wurf eines Paares eliminiert
ist, können auch die Elterntiere waidgerecht erlegt werden und einer sinnvollen Nutzung zugeführt werden.
Wie wertvoll ist doch ein Balg, der
zum richtigen Zeitpunkt aus der Natur gewonnen wird, gegenüber Pelzen
aus quälerischen Pelztierzuchten, wie
zum Beispiel aus Fernost.
Ernährung
Als Allesfresser ist der Marderhund
wenig wählerisch. Er erbeutet am
liebsten kleine Nagetiere, Insekten,
bodenbewohnende Vögel und deren Eier oder Amphibien, im Wasser
schwimmend auch mal einen Krebs,
eine Muschel oder ein Fischlein. Neben der tierischen Kost frisst er aber
auch pflanzliche Nahrung, wie Früchte, Blätter und Sämereien, vor allem
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