Verschwinden - Zemaljska udruga Podunavskih Švaba u Hrvatskoj

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Vom „Verschwinden“ der deutschsprachigen Minderheiten
Ein schwieriges Kapitel in der Geschichte Jugoslawiens 1941–1955
Flucht, Vertreibung und Deportation der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg
sind mittlerweile ein vielbeachtetes Thema. Die Ereignisse nach 1944/45, ihre
Ursachen und ihre Folgen werden heute zunehmend in einer europäischen
Perspektive betrachtet. Das Land Jugoslawien, das nach dem Zusammenbruch
der Habsburger Monarchie entstand und in dessen Grenzen über eine halbe
Million Menschen deutscher Herkunft lebten, und das Schicksal der Jugoslawiendeutschen zwischen 1941 und 1955 wurden in diesem Zusammenhang bisher
jedoch nur vereinzelt untersucht.
Im kommunistischen Jugoslawien wurde das Thema der deutschen Minderheiten
mit einem Tabu belegt. Die offizielle Sprachregelung hieß, dass die Deutschen
„verschwunden“ seien – einerseits suggerierte der Begriff, dass sie sich mit der
Wehrmacht „zurückgezogen“ hätten, andererseits wurde der Begriff euphemistisch
verwendet.
Jüngste Forschungen dokumentieren ein zunehmend differenzierteres Bild zu
einem wichtigen Kapitel der gemeinsamen Geschichte. Im vorliegenden Band
werden die Ergebnisse der Internationalen Tagung Vom „Verschwinden“ der
deutschsprachigen Minderheiten: Ein schwieriges Kapitel in der Geschichte
Jugoslawiens 1941—1955 präsentiert.
Vom „Verschwinden“
der deutschsprachigen
Minderheiten
Ein schwieriges Kapitel
in der Geschichte
Jugoslawiens 1941–1955
ISBN 978-3-946867-00-5
Vom „Verschwinden“ der
deutschsprachigen Minderheiten
Ein schwieriges Kapitel in der
Geschichte Jugoslawiens 1941–1955
Vom „Verschwinden“ der
deutschsprachigen Minderheiten
Ein schwieriges Kapitel in der
Geschichte Jugoslawiens 1941–1955
Inhalt
6
Vorwort
118
Christian Glass, Andreas Kossert
Vom „Verschwinden“ der deutschsprachigen Minderheiten
Ein schwieriges Kapitel in der Geschichte Jugoslawiens 1941–1955
Sanja Petrović Todosijević
Die Betreuung deutscher Kinder in jugoslawischen Kinderheimen
nach dem Zweiten Weltkrieg (1946 –1952)
126
Georg Wildmann
Die Entstehung der Dokumentation Leidensweg der Deutschen
im kommunistischen Jugoslawien
Deutsche in Jugoslawien nach 1918
Minderheiten und Mehrheiten
137
Mathias Beer
‚Flucht und Vertreibung‘ aus Jugoslawien in vergleichender Perspektive:
zehn Thesen
10
Günter Schödl
Südslawen und Deutsche: Zur langfristig-historischen Dimensionierung
der Vertreibung aus Jugoslawien
24
Zoran Janjetović
Die jugoslawische Minderheitenpolitik zwischen den beiden Weltkriegen
39
Carl Bethke
Gab es „Jugoslawiendeutsche“? Regionale Spezifika und
nationale Integrationsprozesse deutscher Minderheiten im Gebiet
des südslawischen Staates (1918 –1948)
Das „Dritte Reich“
NS-Besatzungspolitik und Holocaust
58
73
Thomas Casagrande
Die „volksdeutsche“ SS-Division „Prinz Eugen“ und die nationalsozialistische
Aufstandsbekämpfung in Jugoslawien (1941–1944)
152
Stefan Karner
Die deutschsprachige Volksgruppe Sloweniens und AVNOJ
160
Aleksandar Krel
Die ethnische Mimikry der deutschen Minderheit im sozialistischen
Jugoslawien
171
Leni Perenčević
Donauschwäbische Erzählungen über Internierung und Enteignung.
Beispiele aus der volkskundlichen Sammlung des Instituts für Volkskunde
der Deutschen im östlichen Europa (IVDE)
184
Wolfgang Kessler
Das historische Umfeld des Zweiten Weltkriegs in Jugoslawien im Spiegel
donauschwäbischer Ortsheimatbücher
196
Jože Dežman
Das vergessene Vermächtnis der deutschen Minderheit in Slowenien
210
Thomas Dapper
Wege nach Mramorak
220
222
227
228
231
Abkürzungsverzeichnis
Konkordanz der Ortsnamen
Bildnachweis
The authors
Impressum
Milan Koljanin
Holocaust in Serbia: Ideology and Experience
Das „Verschwinden“ der deutschsprachigen Minderheiten
Vertreibung, Deportation, Internierung
82
Mitja Ferenc
Das Schicksal der deutschen Minderheit in Slowenien
nach dem Zweiten Weltkrieg
96
Michael Portmann
Die donauschwäbische Bevölkerung in der Vojvodina: Flucht, Internierung
und Aussiedlungspolitik (1944 –1954)
107
Danach
Donauschwaben – eine Spurensuche
Vladimir Geiger
Die Internierungslager für die deutsche Bevölkerung in Kroatien
(1945 –1947)
6
CHRISTIAN GLASS/ANDREAS KOSSERT
Christian Glass
Andreas Kossert
Vom „Verschwinden“
der deutschsprachigen Minderheiten
Ein schwieriges Kapitel in der
Geschichte Jugoslawiens 1941–1955
Radkersburg. Seit dem Frieden von St. Germain 1919 ist die kleine Stadt an der Mur
geteilt. Der historische Stadtkern liegt in der österreichischen Steiermark, Burg samt
Vorstadt – Oberradkersburg oder Gornja Radgona – in der heute slowenischen
Štajerska. Auf der slowenischen Seite der Brücke über die Mur steht am Flussufer der
Grenzstein mit der Inschrift „St. Germain 28 juin 1919“. In der Südsteiermark, entlang
der Mur, offenbart sich die Tragik des europäischen Kontinents, die hier in besonderer
Weise manifest wird. Aus der Konkursmasse des Habsburger Reiches fiel der südliche
Teil, über fünfzig Prozent des Gemeindebezirks, an das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, aus dem auch das heutige Slowenien hervorging. Der Rest kam zur
neu gegründeten Republik Österreich. Nach heftigen Kämpfen und nationalistischem
Schlagabtausch folgte die umstrittene Grenzziehung, die jahrzehntelang einen tiefen
Graben zwischen beiden Seiten zur Folge hatte. Die Besatzung Sloweniens durch die
Nationalsozialisten mit ihrer brutalen Germanisierungspolitik befeuerte einen neuen
Höhepunkt des Konflikts in der Region, der zur Vertreibung der Deutschen aus Slowenien nach Kriegsende führte. Jahrzehntelanges Schweigen war die Folge. Erst allmählich besann man sich beiderseits der alten neuen Nachbarschaft, die hier besonders
greifbar ist. Zeichen dieses neuen Dialogs ist die „Europabrücke“ über die Mur, die
Slowenien und Österreich nicht mehr trennt, sondern symbolisch die historischkulturelle Verbundenheit der Region unterstreicht.
Diesen symbolischen Ort hatte die Bundesstiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung gemeinsam mit dem Donauschwäbischen Zentralmuseum in Ulm für die Internationale Tagung vom 21. bis 23. März 2012 unter dem Titel Vom „Verschwinden“ der
deutschsprachigen Minderheiten: Ein schwieriges Kapitel in der Geschichte Jugoslawiens
1941-1955 gewählt. Als Kooperationspartner konnten das Deutsche Historische
Museum in Berlin, das Muzej Vojvodine im serbischen Neusatz/Novi Sad, das Hrvatski
Institut za povijest im kroatischen Zagreb sowie das Ludwig Boltzmann Institut für
Kriegsfolgen-Forschung und das Institut für Wirtschafts-, Sozial- und Unternehmensgeschichte der Universität Graz gewonnen werden. Weit über hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Serbien, Kroatien, Slowenien, Österreich, Bosnien, Ungarn
und Deutschland fanden den Weg in das historische Zehnerhaus am Radkersburger
Hauptplatz.
Flucht, Vertreibung und Deportation der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg
sind mittlerweile ein vielbeachtetes Thema. Die Ereignisse nach 1944/45, ihre Ursachen
und ihre Folgen werden heute zunehmend in einer europäischen Perspektive betrachtet. Das Land Jugoslawien, das nach dem Zusammenbruch der Habsburger Monarchie
entstand und in dessen Grenzen über eine halbe Million Menschen deutscher Herkunft lebten, und das Schicksal der Jugoslawiendeutschen zwischen 1941 und 1955
wurden in diesem Zusammenhang bisher jedoch nur vereinzelt untersucht. „Verschwinden“, so beschrieb man in Serbien lange Zeit euphemistisch die Leerstelle, die
aus der Vertreibung von mehreren Hunderttausend Deutschen resultierte. Im kommunistischen Jugoslawien war das Fehlen der Nachbarn lange Zeit aus dem öffentlichen Diskurs verdrängt worden. Das Donauschwäbische Zentralmuseum und das
VORWORT
Museum der Vojvodina hatten das Thema erstmals in der gemeinsam konzipierten
Ausstellung Daheim an der Donau. Zusammenleben von Serben und Deutschen in der
Vojvodina aufgegriffen. Die Darstellung des Schicksals der Donauschwaben in der
Ausstellung, die 2009 zunächst in Neusatz/Novi Sad und anschließend in Ulm gezeigt
wurde, löste besonders in Deutschland und Österreich lebhafte Diskussionen aus. Der
Geschichte des „Verschwindens“ und dem Schicksal der „Verschwundenen“ galt deshalb das Hauptaugenmerk der Tagung. Präsentiert wurden neue Forschungsergebnisse renommierter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die in dieser Form
erstmalig den Gesamtkontext aus Vorgeschichte, Ursachen und Motiven für die Vertreibung der Deutschen aus Jugoslawien, vor allem der Donauschwaben, in den Blick
nahmen.
In dem vorliegenden Band präsentieren wir die Ergebnisse der Tagung. Wir danken allen Institutionen, die gemeinsam mit uns dieses Experiment gewagt und die
Herausforderung gemeistert haben. Ebenso danken wir allen Mitwirkenden für ihre
engagierten Beiträge, die wir mit diesem Band als europäisches Projekt in serbischer
und deutscher Sprache dokumentieren. Namentlich möchten wir Zoran Janjetović
(Belgrad) erwähnen, der von Anfang an das Konferenzprojekt wie auch den vorliegenden Band begleitet hat. Ebenso danken wir Hans Supritz, dem Bundesvorsitzenden
der Landsmannschaft der Donauschwaben, für sein Engagement als Brückenbauer
zwischen Donauschwaben und Serben. Unter den vielen, denen wir zu großem
Dank verpflichtet sind, nennen wir namentlich Leni Perencević, Leonie Mechelhoff,
Wolfgang Kessler und Marianne Graumann.
Wir hoffen auf wichtige Impulse für die weitere Beschäftigung mit dem Schicksal
der Donauschwaben in Jugoslawien, die auch die Radkersburger Tagung nur ansatzweise aufgreifen konnte. Wir gedenken Zoran Ziletić (Belgrad), der leider im Dezember 2013 verstorben ist. Sein Name steht für serbisch-deutsche Versöhnung und sein
zivilgesellschaftliches Engagement hat wesentlich zur Thematisierung des Schicksals
der Donauschwaben in Serbien beigetragen. Auf dem Podium Deutsch-serbischer Dialog. Rückblick und Perspektiven wurde, auch durch die Beiträge von Zoran Ziletić,
deutlich, dass dem „Verschwinden“ längst eine differenzierte Aufarbeitung der
Geschichte Jugoslawiens gefolgt ist. Der fruchtbare Dialog in Radkersburg zeigte: Die
gemeinsame Aufarbeitung der Geschichte ist nicht nur möglich, sondern sie wird
bereits lebhaft praktiziert. Die besondere Tagungsatmosphäre brachte wichtige
Impulse für eine Verständigung zwischen einst konkurrierenden nationalen Denkkategorien. Die frühe Märzsonne tat ihr Übriges. An der Grenze vormals verfeindeter
Welten gelegen, erwies sich Radkersburg als ein sehr geeigneter Ort für die Überwindung von Vorurteilen, einseitig nationalen Denkkategorien, Klischees und Tabus in
den Köpfen. Diese Botschaft ging von Radkersburg aus. Sie hat Grenzen überwunden,
nicht nur über die Mur.
7
8
9
Deutsche in Jugoslawien nach 1918
Minderheiten und Mehrheiten
10
GÜNTER SCHÖDL
Günter Schödl
Südslawen und Deutsche:
Zur langfristig-historischen Dimensionierung
der Vertreibung aus Jugoslawien1
Einer der frühen wissenschaftlich-literarischen Wegbereiter des Nachdenkens über
das Zusammenleben der Völker im Donau-Karpaten-Raum war der aus einer deutschen Bürgerfamilie in der oberungarisch-slowakischen Zips (ung. Szepes/slowak.
Spiš) stammende Theologe und Pädagoge Jakob Glatz (1776–1831). Nicht grundlos
anonym und nur außerhalb Ungarns griff er nach seinem Studium in Deutschland
unter dem Eindruck von Französischer Revolution und napoleonischer Expansion,
von kollektiver Gewalt und früher magyarischer Nationalbewegung die Debatten über
das ungarisch-deutsche Verhältnis in seinen Freymüthigen Bemerkungen eines Ungars
über sein Vaterland 2 auf: „Außer den Nationalungern giebt es in Ungarn eine Menge
Einwohner anderer Nationen“, aber der „Nationalstolz oder Nationalhaß“ des „Madjaren oder Nationalungers“ richte sich vor allem gegen die Deutschen.
In mehrfacher Hinsicht ist Glatzens Diktum bemerkenswert. Es ist ein Beleg dafür,
dass die seit Jahrhunderten kulturell geformte Wahrnehmung des Zusammenlebens
von Magyaren und Deutschen in Ungarn von jeher auch vorurteilhaft-konfliktartige
Züge aufwies; ferner dafür, dass sie um 1800 einen Wandel durch Nationalisierung zu
erfahren beginnt; schließlich berührt Glatz die im frühen 19. Jahrhundert charakteristische Kombination von ungarischem staatsbezogenem Patriotismus mit deutschungarischem Nationalbewusstsein, das in erster Linie noch kulturell und in einem vornationalen Sinne ethnisch geprägt war. Diese wechselseitige Nationalisierung des
ungarisch-deutschen Verhältnisses vom „nationalen Erwachen“ um 1800 bis hin zur
aggressiven Entladung im Kontext des Zweiten Weltkrieges ist auch für die Erörterung
des südslawisch-deutschen Verhältnisses von Bedeutung. Entfaltung und programmatisch-mentale Prägung der slowenischen, kroatischen und serbischen Nationalismen
sind zum Teil unter den langfristig-strukturellen Bedingungen des historischen
Ungarns bzw. der Habsburgermonarchie zustande gekommen. Ganz besonders gilt
dies für unser Thema der Wechselwirkung zwischen südslawischer Nationalpolitik
und deutschen Minderheiten.
Nicht von selbst versteht sich derzeit die Erforschung eines längeren geschichtlichen Zeitraums vor der deutsch-südslawischen Gewaltexplosion zwischen dem
Angriff NS-Deutschlands auf Jugoslawien im Frühjahr 1941 und der Vertreibung der
donauschwäbischen Minderheit seit Kriegsende. Insbesondere nicht im öffentlichen
Diskurs in Deutschland. So war sie in der Ausstellung Erzwungene Wege3 ebenso
schwach ausgeprägt wie weithin in slowenischen, kroatischen und serbischen Meinungsäußerungen. Gerade in der massenmedial-publizistischen Debatte über die Vertreibung von Deutschen aus Ostmittel- und Südosteuropa zeichnet sich eine Art historiographisches Do-ut-des ab. Die Vertriebenenverbände einerseits akzeptieren mehr
oder weniger die bisherige These „der Anderen“, die Vertreibung sei als Reaktion der
ostmitteleuropäischen Staaten auf NS-Deutschlands Ostexpansion und Terror zu
erklären; andererseits kommt es in den teilweise vertriebenenkritischen deutschen
Massenmedien ebenso wie in den „Vertreiberstaaten“ zur allmählichen Enttabuisierung einer vorbehaltlosen Erforschung der tatsächlichen Vertreibungsereignisse. So
entfallen Political-Correctness- und Revanchismuseinwände. Unzweifelhaft positiv zu
bewerten sind zwar die damit verbundenen neuen Chancen historisch-politischer
Kommunikation zwischen den Deutschen und ihren östlichen Nachbarn, auch Chan-
SÜDSLAWEN UND DEUTSCHE
cen für die Befriedigung des wachsenden Good-will- und Integrationsbedarfs der EUOsterweiterung. Aber derlei erinnerungs- und europapolitische Dogmatisierung eines
bestehenden historiographischen gentlemen agreement ist nicht ohne Weiteres mit der
überfälligen Verwissenschaftlichung der Vertreibungsthematik vereinbar. Die notwendige Enttabuisierung und Überwindung von Kommunikationsbarrieren sollten
nicht dadurch erkauft werden, dass Problembewusstsein und wissenschaftliche Analyse durch eilfertige Kompromissrituale ersetzt werden.
Es sind besonders zeitgeschichtliche Ereignisse im Kontext des Zweiten Weltkrieges, darunter eben auch der Untergang deutscher Minderheiten ab 1945, die oftmals
so wahrgenommen werden, als sprächen sie für sich selbst. Rekonstruktion von Abläufen und Zuschreibung kausaler Anteile scheinen schon allein aus ihrer ereignisgeschichtlichen Dramatik eindeutig zu sein, zumal, wenn sie sich mit aktuellen
geschichtspolitischen Erwartungen decken. In der Folge nimmt sich zuweilen die
zusätzliche Berücksichtigung zeitlich vorgelagerter Sachverhalte als analytisch scheinbar entbehrlich aus. In der Literatur über die Ursachen der deutschen Zwangsmigration seit 1944/45 erweist sich diese verbreitete methodische Praxis als Einbruchstelle
für die Instrumentalisierung von Geschichte zur historischen Bebilderung und Legitimierung nach tagespolitischen Bedürfnissen.
Ein Korrektiv ist darin zu suchen, dass die langfristig-strukturellen, kausal verdichteten Vorstufen und Bedingungen zur Sprache gebracht werden. Im Falle der
südslawisch-deutschen Konfliktkonstellation vor und nach 1945 sind insofern zu
erörtern: zum einen die programmatische Repräsentation südslawischer Staatsbildung
– hier vorrangig am kroatischen Beispiel. Zum anderen wird eine langfristig „gelernte“
Disposition südslawischer Nationen zu Selbstkult und gleichermaßen Unsicherheit im
Umgang mit „Fremden“ zu betrachten sein. Ergänzend zu thematisieren ist die frühe
„deutschnationale“ Transformation deutschsprachiger Streusiedlungen in eine einzige, nationalistisch definierte deutsche Minderheit in südslawischer Umgebung schon
vor dem Ersten Weltkrieg.4
Aufgrund dieser Vorüberlegungen skizzieren die folgenden Ausführungen „strukturell“ verfestigte Sachverhalte programmatisch-kultureller und organisatorisch-taktischer Art, die sich schon im Laufe des 19. Jahrhunderts vorbereiten. Diese haben –
dies sei als Hypothese vorangestellt – dazu beigetragen, dass sich mit Beginn 1939/41
im deutsch-südslawischen Verhältnis die Spiralbewegung der Radikalisierung und der
Enthemmung wechselseitiger Gewalt immer mehr beschleunigte und schließlich
selbstzerstörerisch verselbstständigte. Mit anderen Worten: Längst vor der heißen
Phase von Radikalisierung und Konflikt im Zweiten Weltkrieg sind im südslawischdeutschen und südslawisch-österreichischen Verhältnis Wahrnehmungen und Denkweisen, Verhaltensmuster und politische Praktiken geformt worden, die irreversibel
konfliktträchtig waren. Allerdings haben sie die Gewaltexplosion bei Kriegsende noch
nicht vollständig und unabwendbar vorprogrammiert. So werden konstituierende
Momente in der kroatischen und serbischen Einstellung zu den Deutschen in der
Habsburgermonarchie, dem Deutschen Reich sowie zu den deutschen Minderheiten
vor Ort zu ermitteln sein; ferner die Tendenzen zur Absolutsetzung einer national
durch Abgrenzung definierten In-group, desgleichen der zentrale diskursive Topos des
deutschen „Drangs“ nach Osten.
I.
Mit diesem Erkenntnisinteresse die geschichtlich-langfristige Herausbildung des südslawisch-deutschen Verhältnisses – zunächst dessen kroatische, dann die serbische
Variante – zu erörtern, kann an dieser Stelle nicht für den gesamten Zeitraum vom
frühen 19. Jahrhundert bis zur jugoslawischen Staatsbildung Ende 1918 unternommen werden. Stattdessen sollen einige konstitutive Teilphänomene betrachtet werden.
Der Blick richtet sich dabei auf langfristig vorprogrammierte und im Verlauf des
20. Jahrhunderts wirksame Elemente der südslawischen Wahrnehmung deutscher
Minderheiten und auf die politische Praxis gleichermaßen. Um frühe und langfristig
11
12
GÜNTER SCHÖDL
wirksame Erscheinungsformen nationaler Selbstdefinition, Abgrenzung und Identitätsbildung geht es dabei ebenso wie um alarmistische Visualisierung des Deutschen
überhaupt, als Übermacht mit dem sinnbildlichen Topos „Drang (nach Osten)“,
außerdem als nationale Minderheit, welche die südslawische Nations- und Staatsbildung gefährdet oder sogar verhindert.
Das frühe nationalpolitische Denken im Zeichen des Illyrismus5 wie auch die
frühe politische Praxis – die Eliten-, Programm- und Organisationsbildung – der illyristischen Bewegung seit dem Anfang der Dreißigerjahre des 19. Jahrhunderts entfalteten sich von Anfang an weniger aus eigenem Antrieb als in Reaktion auf einen
umfassenden Wandel der politischen Umwelt. Das kulturell-politische Selbstverständnis der südslawischen Bevölkerung hatte, allerdings schichten- und regionsspezifisch
außerordentlich unterschiedlich, zunächst inhaltliche Impulse aufklärerischer,
schließlich durch napoleonische Expansion und Gründung der Illyrischen Provinzen,
auch politischer Art empfangen. Diese ersten nationalen und zugleich liberalen
Ansätze erfuhren nach 1815 das ganze Ausmaß der eigenen Ohnmacht und des Assimilationsdrucks infolge der Restabilisierung der habsburgischen Macht, und noch
stärker durch die ungarische Reform- und Nationalbewegung Ende der 1820er Jahre
– nun nicht mehr als Germanisierung, sondern als Magyarisierung.
Die Südslawen vor allem im ungarischen Teil der Habsburgermonarchie lernten die
politische Moderne als gleichermaßen anziehend und gefahrvoll kennen. Schon im
Anfangsstadium der südslawischen, besonders der kroatischen nationalen Bewusstseinsbildung war eine widerspruchsvolle, konfliktträchtige und labil-alarmistische Psychodynamik angelegt: Sie bewegte sich zwischen den Gegenpolen von romantischem
Sentiment und ambitioniertem Aktionismus, von illusionärer Programmdogmatik und
latent aggressivem Opfermythos. Dieser erste illyristische Anlauf zur nationalen Selbstdefinition und Selbstorganisation der Kroaten unter den deformierenden Bedingungen
der Ära Metternich blieb nicht ganz ohne Ergebnis. Er hatte wenigstens in städtischen
Intellektuellenzirkeln die Einsicht zu Tage gefördert, dass angesichts des Wandels der
ungarischen Adelsnation zur modernen, sich liberal artikulierenden Nation eine antiassimilative Gegenwehr nicht mehr im Namen der traditionellen kroatischen Adelsnation möglich war. Die illyristische Programmbildung konzentrierte sich in der Folge
auf die „Schaffung einer Sprach- und Kulturnation im von der kroatischen ständischen
politischen Tradition vorgegebenen Rahmen.“6 Und spätestens nach dem Scheitern der
Revolution von 1848/49 meldete sich außerdem eine selbstbewusste illyristische Verweigerung gegen den Führungsanspruch (pan-)slawischer Politikprojekte zu Wort.
Unter diesen Bedingungen nahm die frühe kroatische Nationalpolitik der ersten
Jahrhunderthälfte überwiegend die defensive Signatur eines Projekts von Selbstdefinition und Selbsterhaltung an. Die Nationalisierung der ungarischen Adelsnation führte
dazu, dass alle Staatsbürger Ungarns ungeachtet ihrer ethnisch-sprachlichen Zuordnung als individuell gleichberechtigte, gegebenenfalls zu assimilierende Angehörige
einer homogenen magyarischen Staatsnation reklamiert wurden. Hingegen führte die
mit dem Illyrismus beginnende, fast gleichzeitige Nationalisierung der kroatischen
Adelsnation ihrerseits zur Kombination eines südslawischen Homogenitätsideals mit
markant erhöhtem Bedarf an Abgrenzung sowohl gegen die expansive magyarische
Staatsnation als auch gegenüber den benachbarten Südslawen. Diese wurden bis in die
1860er Jahre hinein noch nicht endgültig als Kroaten, Slowenen oder Serben identifiziert. Charakteristisch war auch die ausgeprägte Anti-Disposition gegenüber Minderheiten überhaupt, insbesondere gegenüber der deutschen. Die deutsche Minderheit
wird als Vorposten, als Irredenta eines „Drangs“, das heißt einer nach mittelalterlicher
Ostsiedlung und habsburgischer Südostwendung dritten deutschen Ostexpansion,
aufgefasst und zuweilen geradezu dämonisiert.
Nationalpolitische Entwicklungstendenzen dieser Art erfuhren Mitte des 19. Jahrhunderts unter dem Einfluss von Neoabsolutismus, Verfassungsexperimenten und
dem Österreichisch-Ungarischen Ausgleich von 1867 eine Verstärkung.7 Die reichspolitische Rangerhebung Ungarns zu einer weitgehend autonomen Reichshälfte, zu einer
SÜDSLAWEN UND DEUTSCHE
„Monarchie in der Monarchie“ mit eigener Regierung und Franz Joseph als König,
ignorierte als „dualistische“ Umstrukturierung des Kaisertums Österreichs die kroatischen Hoffnungen auf Zusammenfassung der kroatischen Länder, das heißt Kroatiens
mit Dalmatien und Slawonien, als Dreieinigem Königreich mit weitgehender Autonomie. Die Teilung der kroatischen Länder wurde sogar vertieft, weil Kroatien und Slawonien der ungarischen Reichshälfte zugeordnet wurden. Offensichtlich ließ sich die
nationalpolitische Mobilisierung der Südslawen innerhalb dieser österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie aber nur noch verzögern. Dagegen war eine Entnationalisierung, bis 1848 wohl noch nicht ausgeschlossen, per Assimilierung nicht mehr vorstellbar.
Im Mittelpunkt der nationalpolitischen Debatte der Kroaten stand neben der Positionierung zu dem übergeordneten ungarischen Staatswesen weiterhin die innersüdslawische Identitätsproblematik, also die Selbstdefinition und Taktik der Kroaten
gegenüber den anderen Südslawen. Dabei zeichneten sich zwischen den 1850er und
1870er Jahren zwei konkurrierende nationalpolitische Denkrichtungen ab, beide nicht
so scharf voneinander zu unterscheiden wie die Literatur8 zuweilen den Anschein
erweckt. Ihr zeitweilig scharfer Gegensatz relativiert sich, wenn nicht nur der zeitgenössische weltanschaulich-programmatische Habitus, sondern auch dessen taktischer
und soziostruktureller Zusammenhang berücksichtigt wird. Dies gilt besonders für die
Unterscheidung einer kulturell-nationalen und einer politisch-staatlichen Ausrichtung
dieser beiden Strömungen der kroatischen politischen Modernisierung. Die beiden
Denkrichtungen wurden durch zwei sehr unterschiedliche „Lehrer der Nation“ vertreten, den katholischen Bischof Josip Juraj Strossmayer (1815–1905) und Ante Starčević
(1823–1896). Strossmayer formulierte gemeinsam mit Franjo Rački (1828–1894) das
„jugoslawistische“ Programm einer zunächst lediglich kulturellen Einigung der Südslawen aus kroatischer Initiative innerhalb der Habsburgermonarchie. Dies in der
Nachfolge jener Illyrischen Partei (Ilirska Stranka), in der sich seit 1841 unter anderen
Ljudevit Gaj (1809–1872) gegen die assimilatorische „Kollaboration“ der KroatischUngarischen Partei (Horvatsko-vugerska stranka), danach der Unionisten wandte.
Schließlich trat der ebenfalls illyristisch inspirierte, aber ausgesprochen österreichfeindliche Starčević in den Vordergrund. Sein weniger politisch-praktisch als politisch-pädagogisch gemeinter Appell an die kroatische Nation, ihren historisch- und
naturrechtlich legitimierten Anspruch auf selbstbestimmte Staatsbildung durchzusetzen, steht am Anfang einer langen, seither vielfach abgewandelten Tradition des
„exklusiven“ kroatischen Nationalismus. Sie reicht sowohl bis zum Ustascha-Staat als
auch zu der nach 1991 in Kroatien zunächst regierenden HDZ.9 Während Strossmayer
die jugoslawistische Parteirichtung der 1860 gegründeten Nationalpartei (Narodna
Stranka) repräsentiert, geht die konkurrierende Partei des [historischen, G. S.] Rechts
(Stranka Prava) von 1878 auf Starčević und seine Staatsrechtsbewegung aus den
1860er Jahren zurück.
II.
Die nationalpolitischen Zielsetzungen dieser beiden konkurrierenden Strömungen
wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vielfach aus taktischen Gründen
zugespitzt. Die Strossmayer‘sche Richtung proklamierte zunächst die lediglich kulturelle Einigung der Südslawen, und zwar innerhalb, erst seit dem Ausgang des 19. Jahrhunderts auch außerhalb einer föderalisierten Habsburgermonarchie. Dagegen wollte
Starčević mit Hilfe seiner großkroatischen Vision einer von den Alpen bis zur Ägäis
ausgreifenden Staatsbildung nach Auflösung der Habsburgermonarchie in erster Linie
die absolut gesetzte kroatische Nation vor der Selbstaufgabe bewahren, sie regelrecht
mobilmachen. Strossmayers Jugoslawismus berücksichtigte durchaus die Ergebnisse
einer jahrzehntelangen Debatte über sprachlich-ethnische und historisch-territoriale
Abgrenzungskriterien bei der Definition bzw. der innersüdslawischen Abgrenzung
des Kroatischen. Der radikale Nationalismus der Starčevićaner dagegen zeigte sich
gleichermaßen ungeduldig und unduldsam. Er negierte sowohl die Möglichkeit einer
13
14
GÜNTER SCHÖDL
multinational-austroslawischen Habsburgermonarchie als auch die nationalen Identitäten der nichtkroatischen Südslawen, zumal der Serben. Einig war man sich jedoch in
der Ablehnung einer – über eine lockere habsburgische Personalunion hinausgehende
– Realunion mit Ungarn, vor allem aber in der Ablehnung jedweder Variante von
neoabsolutistischem oder deutschliberalem Wiener Zentralismus.
Zwar war diese Variantenbildung des kroatischen Nationalismus in der europäischen Epoche des Nationalen durchaus nichts Ungewöhnliches. Beide Varianten
konnten die gewissermaßen funktionale Legitimierung als Integrationsideologie einer
nach Identität und Selbstbestimmung strebenden Großgruppe beanspruchen. Dennoch waren sie, wie die anderen südslawischen Nationalbewegungen auch, charakterisiert durch die radikalisierungsanfällige Kombination von kollektiver Existenz- und
Entnationalisierungsangst mit aufgestauter Frustration, die sich auf die gesellschaftlichen Existenzbedingungen insgesamt bezog. Die historische Erfahrung mit verunsichert-emanzipatorischen Nationalismen belegt von jeher einen gesteigerten, aggressionsträchtigen Projektionsbedarf. „Den Deutschen“ als Projektionsobjekt dieser Art zu
betrachten, war trotz des unterschiedlichen Radikalisierungsgrads der beiden Nationalismusphänomene die ihnen gemeinsame massenpädagogische Praxis. Dies ist
allerdings keineswegs mit der aggressiven Massendynamik populistischen Deutschenhasses als komplementäre Begleiterscheinung von Nationalismus und Demokratie
gleichzusetzen. Als Beleg aus dem epochentypischen Bereich politischer Architektur
sei auf eine symbolträchtige Entscheidung Bischof Strossmayers hingewiesen: Trotz
seiner oberösterreichischen Abstammung und seiner Prägung im deutschsprachigen
Kulturleben Wiens (1840–1842 und 1849) und Pests (1833–1837) wählte er für den
symbolkräftigen Ausbau des Doms von Đakovo eben bewusst – entgegen dem Zeitgeschmack – nicht gotische Vorbilder, die von deutschem Mittelalter und Reichstradition gekündet hätten, sondern romanische.
Nicht symbolisch-indirekt, sondern praktisch-explizit war Starčevićs nationalistische Stigmatisierung des deutschen bzw. österreichischen Elements im Zusammenhang mit seinem extensiv-kroatischen Bekenntnis von 1883 gemeint, dass „alle Einwohner Kroatiens ohne Rücksicht auf jene einzelnen Namen [Nationalitäten, G. S.]
einträchtig sein müssen. Indem wir uns an diesen Grundsatz halten, lieben wir [...] den
Serben, Deutschen, Italiener, Juden, Zigeuner [...].“10 In der „genetischen“ Grundmasse
dieser radikalen Nationalismusvariante und ihrer Nachfolgephänomene im 20. Jahrhundert ist eine geradezu strukturelle Ignoranz gegenüber der nationalen Minderheit
als solcher, außerdem die kroatozentrische Negation slowenischer und serbischer nationaler Identitäten verankert. Und außerdem eine grundsätzliche Anti-Haltung gegenüber deutscher oder österreichischer Präsenz im Südosten. Ob Wiener Zentralismus
oder Austroslawismus, ob „Magyaroler“ oder deutsche Minderheitsbevölkerung vor
Ort: dies alles wird alarmistisch-deformiert wahrgenommen als Gefahr der Germanisierung, als deutscher „Drang“ [nach Osten, G. S.]. Geradezu als funktionales Amalgam erweist sich diese Verbindung von verspätet-unsicherer Selbstdefinition und negativer Wahrnehmung des Fremdnationalen an sich, insbesondere des deutschen
Elements im eigenen Lande.
Die politische Kultur der Südslawen innerhalb der Habsburgermonarchie, wie sie
sich schließlich am Vorabend des Ersten Weltkriegs darstellt, bietet weitere Belege für die
langfristig bedeutsame Kontinuität vorurteilhaft-negativer Wahrnehmung deutscher
respektive deutschösterreichischer Übermacht in Zentraleuropa sowie deutscher Minderheiten im Südosten – wenn auch noch nicht für weit verbreiteten, gezielten Deutschenhass. Die nach dem Zusammenbruch der österreichischen Machtposition in Italien 1859 kaum noch erwartete Restabilisierung der Habsburgermonarchie, der
preußisch-deutsche Sieg gegen Frankreich von 1870/71 und die robuste magyarische
Hegemonie in Kroatien-Slawonien in Verbindung mit der Zersplitterung des politischen
Lebens in Kroatien hatten die Voraussetzungen geschaffen für die Wahrnehmung
Deutschlands respektive Österreichs als Übermacht. Die seit Österreichs Niederlage
gegen Preußen gehegten Hoffnungen Starčevićs und insgeheim auch Strossmayers auf
SÜDSLAWEN UND DEUTSCHE
eine Revolutionierung Zentraleuropas und der Habsburgermonarchie gingen so zu
Schanden. Nach jahrzehntelanger politischer Depression schufen Erschütterungen der
Habsburgermonarchie im Zeichen deutsch-tschechischer Auseinandersetzungen ab
1897 sowie des verstärkten Unabhängigkeitsbegehrens Ungarns ab 1903 neue Konditionen für die politische Mobilisierung der Südslawen. Die kroatische Politik in Ungarn
orientierte sich neu. Sie war nun – trotz der Ohnmacht gegenüber dem magyarischen
Hegemoniedruck – zur Zusammenarbeit mit Budapest, dessen neue Regierung die
Zugehörigkeit zur Habsburgermonarchie zu lockern suchte, gegen Wien bereit.
Zugleich solidarisierten sich – über die „dualistische“ Grenze zwischen Österreich
und Ungarn hinweg – die Kroaten und Serben der beiden Reichshälften. Vor allem
aber unternahmen es die jugoslawistischen Erben Strossmayers zusammen mit einem
pragmatischen Flügel der Starčević-Bewegung unter antiösterreichischen bzw.
antideutschen Vorzeichen, den kroatisch-serbischen Gegensatz zu überwinden. Zwischen 1903 und 1905 formierte sich im Sinne der kroatisch-serbischen Einheitsparole
„Eine Nation“ („Jedan narod!“) eine programmatisch gewandelte südslawische Nationalpolitik innerhalb der Habsburgermonarchie, die allerdings schon ab 1908/09 während der bosnischen Annexionskrise wieder entzaubert wurde. Unter überwiegend
kroatischer Führung mit teilweiser Einbeziehung zweier rivalisierender serbischer
Parteien regierte ab 1905 die Kroatisch-Serbische Koalition (Hrvatsko-srpska koalicija).
Ihr Nahziel war die Aufwertung der Südslawen innerhalb der Habsburgermonarchie,
und zwar zunächst per Ablösung der dualistischen Reichsstruktur von 1867 durch
einen österreichisch-ungarisch-südslawischen Trialismus. Es sollte sich aber spätestens 1908 zeigen, dass dieser Neue Kurs (Novi kurs) auch eine Schattenseite hatte. Die
mit ihm verbundene Betonung des Nationalen, überhaupt nationaler Homogenität im
jugoslawistischen Sinne, engte nicht nur gegenüber dem ungarischen Koalitionspartner die Kompromiss- und Koalitionsmöglichkeiten ein, sondern auch gegenüber
anderen kroatischen Parteien. So gegenüber der radikalen Variante der StarčevićBewegung, der Reinen Rechtspartei (Čista stranka prava) unter Josip Frank und der
Kroatischen Volks- und Bauernpartei (Hrvatska pučka seljačka stranka) der Brüder
Stjepan und Antun Radić. Außerdem musste selbst das Führungspersonal der Kroatisch-Serbischen Koalition (KSK) um Frano Supilo widerwillig das Illusionäre seines
kroatisch-serbischen Einheitsprogramms zur Kenntnis nehmen. Gerade diese Erfahrung begünstigte den Bedarf an Ablenkungsstrategien primär durch die negative Markierung des deutschen respektive österreichischen Elements, zumal angesichts der
fortschreitenden Verfeindung zwischen Habsburgermonarchie und Serbien aufgrund
der Annexionskrise von 1908/09.
Aktiviert wurde das traditionelle Deutschenstereotyp in Verbindung mit dem
Bedrohungstopos „Drang“ [nach Osten, G. S.] als Methode der Überwindung innersüdslawischer Solidarisierungshindernisse, überhaupt des Politisierungsdefizits der
südslawischen Bevölkerungsmehrheit. Mit anderen Worten: je mehr sich die südslawische Homogenität, besonders die kroatisch-serbische Zusammenarbeit, als Illusion
erwies, desto negativere, tendenziell paranoid-aggressive Züge nahm die öffentlich
verbreitete Wahrnehmung des Deutschen an. Dies ist vor allem an der KSK-Agitation
gegen die Ostpolitik des Deutschen Kaiserreiches, an der seit 1906 intensivierten Balkanpolitik Österreich-Ungarns und mancherorts an den wachsenden Spannungen
entlang der deutsch-slowenischen Sprachgrenze sowie in Syrmien abzulesen.
Bei der sprachlich-propagandistischen Darstellung des deutschen Elements als
negativer Folie südslawischer Selbstwahrnehmung, schließlich jugoslawistischer
Selbststilisierung, kam die führende Rolle nicht etwa den südslawischen KSK-Politikern aus der ungarischen Reichshälfte zu, die am ehesten mit der deutschen Minderheitsbevölkerung in Berührung kamen. Tonangebend waren vielmehr die dalmatinisch-kroatischen Wortführer der KSK wie Josip Smodlaka, Frano Supilo und Ante
Trumbić, die nicht über derartige eigene Erfahrung verfügten. Trumbić hatte eine
geradezu paradigmatisch-vollständige Formulierung geliefert, als er am 7. November
1903 im dalmatinischen Landtag das Programm der künftigen KSK präsentierte und
15
16
GÜNTER SCHÖDL
dabei sein Auditorium auf die Gefahr des deutschen „Drangs“ einschwor: „Von den
Alpen bis zur Mariza – auf zur Verteidigung gegen das Deutschtum!“11
Parlament und Öffentlichkeit waren auf eine Erläuterung dieser emblematischknappen Chiffre nicht mehr angewiesen. Sie stand für jedermann erkennbar in der
Kontinuität einer älteren politischen Begriffs- und Bildersprache. Im Kontext der kroatischen Nationalbewegung des 19. Jahrhunderts entstanden, war sie mit dem Auftreten
der Kroatischen Fortschrittlichen Jugend (Hrvatska Napredna Omladina) als neuer Trägergeneration der kroatischen und serbischen Politik innerhalb der Habsburgermonarchie seit Mitte der 1890er Jahre im kollektiven Bewusstsein verankert worden. Als
Smodlakas These, dass „Drang“, Habsburgermonarchie und deutsche hegemoniale
Präsenz im Südosten mit Existenz und Entfaltung der Südslawen grundsätzlich nicht
vereinbar seien, sollte sie Gemeingut werden.12 Als Beispiel für ihre programmatischparteipolitische Präsenz sei das Programm der zur KSK gehörenden Kroatischen Volksund Fortschrittspartei (Hrvatska pučka napredna stranka) vom 4. Juni 1906 angeführt:
„Jede Nation hat das Recht, sich zu vereinigen und ihr Schicksal in ihrem Staate zu
lenken [...]. Kroaten und Serben sind eine Nation mit zwei gleichberechtigten Namen
[...].“ Kroatische Politik bedeute daher: „Erweckung des kroatischen Nationalbewußtseins [...], Verbreitung des Bewußtseins der Einheit der kroatischen und der serbischen
Nation, [...] kulturelle und wirtschaftliche Annäherung an Slowenen und Bulgaren;
Schutz gegen kulturelle und wirtschaftliche Eroberungstendenzen von welcher fremden Politik auch immer und Einvernehmen [...] mit den Donau- und Balkanvölkern
zum Zwecke der Verteidigung gegen diese Eroberungsbestrebungen [...].“13
So ausgeprägt die Wechselbeziehung zwischen einerseits tatsächlich unsicherem
und verspätetem nationalen Bewusstsein der Kroaten und andererseits dem Kult nationaler Homogenität respektive alarmistischer Wahrnehmung deutscher Präsenz und
Einflussnahme auch war, es gab im ohnehin sehr zersplitterten kroatischen Parteiwesen auch Gruppierungen, die aus unterschiedlichen Gründen diesem Trend der
Selbstvergewisserung per nationaler Abgrenzung nicht gleichermaßen folgten. So
wahrte die Radić-Partei, die sich in der Zwischenkriegszeit als Kleinbürger- und Bauernpartei fast dem Rang einer nationalen Repräsentanz nähern sollte, in der Vorkriegszeit durchaus Abstand zur KSK. Dabei war auch sie unter dem Einfluss der Fortschrittlichen Jugend sowie Tomáš Garrigue Masaryks entstanden. Allerdings gewichtete
sie den sozialen Reformbedarf stärker; einer Koalition mit dem ungarischen Unabhängigkeitsstreben zog sie durchaus eine kroatische, eventuell trialistisch aufgewertete
Autonomie innerhalb einer föderalisierten, womöglich austroslawischen Habsburgermonarchie vor. Die deutsche „Gefahr“ aber wurde von ihr nicht weniger als von der
KSK artikuliert und propagandistisch genutzt.
Daneben war es Josip Franks großkroatische Reine Rechtspartei, die die Chance
kroatischer nationaler Staatsbildung eher in der Unterstützung Wiens und einer aktiven Balkanpolitik der Mittelmächte sah. Damit stand sie in scharfer Opposition zur
KSK, zum Jugoslawismus und zur Anlehnung an Budapest. Im Grunde eine paradoxe
Konstellation: Ausgerechnet der radikalnationalistische Flügel der einstigen StarčevićBewegung koalierte mit Wien, und dies trotz der „Nibelungentreue“ zwischen den
beiden mitteleuropäischen Monarchien, die das deutsche Element in Mitteleuropa
gegen den Jugoslawismus bildeten. Eine Allianz, welche die spätere Zusammenarbeit
zwischen deutschem und kroatischem Radikalnationalismus im Zweiten Weltkrieg,
und damit die Katastrophe der deutschen bzw. donauschwäbischen Minderheit, in
gewissem Maße bereits vorzeichnete.
III.
Die politische Kultur der Serben in der Habsburgermonarchie entwickelte sich im
19. Jahrhundert unter anderen Voraussetzungen. Anders als für die frühe illyrischkroatische Nationalbewegung, war für sie kein vergleichbarer politischer Rahmen aus
alteuropäisch-ständischer Überlieferung vorgegeben, welcher der Formierung einer
Sprach- und Kulturnation den Weg hätte weisen können.14 Die „österreichischen“ Ser-
SÜDSLAWEN UND DEUTSCHE
ben waren von den ungarischen Ständen als „illyrische“ Nation zwar anerkannt, aber
sie waren lediglich mit kirchlichen Autonomierechten ausgestattet. Außerdem war ihr
Territorium nicht im engeren Sinne politisch definiert, sondern lediglich kirchenpolitisch durch die Zuständigkeit des orthodoxen Metropoliten von Karlowitz.
Die Herauslösung eines serbischen Eigenbewusstseins aus dieser vornationalen
kirchlichen Gemeinschaft, erste Ansätze nationaler serbischer Kulturinstitutionen und
ein serbisches Bürgertum kamen zwar schon vor der kroatischen Nationalbewegung
zustande. Dennoch garantierten weder die günstigen Bedingungen in der kroatischslawonischen Militärgrenze (bis 1871/1881), noch die Nachbarschaft mit dem konnationalen Fürstentum Serbien (ab 1882 Königtum) oder die Existenz des selbstständigen
Kronlandes Serbische Woiwodschaft und Temescher Banat (1849 –1860) eine langfristige Herausbildung serbischer nationaler Identität oder gar einer besonderen österreichisch-serbischen Identität. Günstigere Bedingungen in dieser Hinsicht ergaben sich
paradoxerweise erst Ende des 19. Jahrhunderts. Die Intensivierung des Assimilationsdrucks im 1867 wesentlich selbstbewusster gewordenen Ungarn sorgte in Kroatien-Slawonien dafür, dass die serbische Politik ihre zeitweilige Kollaboration mit Budapest
nicht aufrecht halten konnte und so nach der Jahrhundertwende reif für die Zusammenarbeit mit den Kroaten, das heißt mit dem Jugoslawismus der KSK wurde. Außerdem
provozierte der Magyarisierungsdruck seit den späten 1890er Jahren in der Batschka
und dem Banat als wichtigsten donauschwäbischen Wohngebieten erste Ansätze zur
minderheitenpolitischen Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Serben.
So kam es zum Zusammenwirken zwischen Edmund Steinacker, dem Begründer
der ungarndeutschen Bewegung, und dem serbischen Politiker Mihajlo Polit-Desančić.
Solange es keine deutschen Minderheitsvertreter im ungarischen Reichstag gab, vertrat Polit-Desančić in Abstimmung mit Steinacker dort sogar zuweilen donauschwäbische Interessen. Polit-Desančić gehörte der 1869 von Svetozar Miletić (1826 –1901)
gegründeten Serbischen Freisinnigen Volkspartei (Srpska narodna slobodoumna
stranka) an. Er führte seit 1885 die wichtigste Nachfolgepartei, für die charakteristisch
war, dass sie in der Praxis ihre serbisch-nationalen Ziele jener Abwehr von Magyarisierung und politischer Benachteiligung unterordnete, die sie im Zusammenwirken
mit den anderen nationalen Minderheiten, eben auch mit den Deutschen, betrieb.
Dieser Kurs war das Ergebnis von Miletićs Enttäuschung über seine seit 1860 praktizierte Zusammenarbeit mit der ungarischen Nationalbewegung gegen Wien. Nach
Miletićs Meinung war der Assimilationsdruck, der vom zentralistischen deutschösterreichischen Neoabsolutismus, vom „Germanismus“ überhaupt, auf die Serben ausgeübt wurde, durch die Aufwertung Ungarns im Jahre 1867 nicht überwunden, sondern
durch forcierte Magyarisierung nur variiert worden. Das Feindbild „Germanismus“
bezog sich aber nicht so sehr auf die Wahrnehmung der Deutschen in der ungarischen
Vojvodina, sondern auf Österreich und auf das deutsche Element in Zentraleuropa
überhaupt. Dies war wiederum Ergebnis der Erfahrungen mit Krone und Wien seit
der ungarischen Revolution von 1848/49 gewesen. Die „Gefahr, die den kleineren Völkern droht, kommt aus dem Westen, und zwar nicht nur durch den Kanal des Germanismus, sondern auch durch den Kanal des Absolutismus.“15 Die Auflösung und Wiedereingliederung der Serbischen Woiwodschaft in Ungarn hatte das nationalpolitische
Hauptziel zunichte gemacht, die Einheit und Selbstbestimmung der serbischen Bevölkerung des Kaisertums Österreich mit legalen Mitteln zu erreichen.
Miletić als einflussreichster serbischer Politiker im engeren Ungarn, das heißt
außerhalb Kroatien-Slawoniens, repräsentierte eine Spielart serbischer Nationalpolitik, die erst nach der Okkupation Bosnien-Herzegowinas durch die Habsburgermonarchie 1878 Züge eines revolutionären Großserbismus und der Feindschaft gegen
Wien annahm. Eine andere, ursprünglich anarchistisch-sozialistische Denkrichtung
der serbischen nationalpolitischen Debatte stieß bei Miletić, überhaupt bei den Konnationalen in Südungarn und den kroatischen Ländern, auf skeptische, letztlich nur
schwache Resonanz. Es war Svetozar Marković (1846 –1875), Mitgründer der Nationalen Radikalen Partei (Narodna radikalna stranka) im Jahre 1869, der das Nationale
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18
GÜNTER SCHÖDL
lediglich als Instrument, in der serbischen Gegenwart zudem als Hindernis, der
erstrebten gesellschaftlichen Transformation auffasste. Er war sich des Problems der
westbalkanischen kleinräumigen Mischkonstellationen bewusst, auch des Problems
der Abgrenzung südslawischer Ethnika untereinander. Daher versuchte er, das tradierte nationalpolitische Ziel homogener Staatsbildung, generell der nationalen
Mehrheits-Minderheits-Unterscheidung, zu relativieren. Den notwendigen Entwicklungsprozess Serbiens hielt er für unvereinbar mit der Einflussnahme von Großmächten und mit verkrusteten internen Interessenkonstellationen. Deren Funktionalisierung für Wandel und Entwicklung, beide überfällig, könnten grundsätzlich nicht
auf die Mobilisierung von Individuen in großen, nationalstaatlichen Verbünden, sondern nur in kleinen, frei assoziierten und selbstbestimmten Gemeinschaften gegründet werden. Das Nationale zur modernisierenden und selbstbestimmten Aktivierung
der Gesellschaft von unten zu nutzen, sei Voraussetzung dafür, dass sich überlebte
Staatsgebilde wie das Fürstentum Serbien und die Habsburgermonarchie auflösen,
auch dafür, dass die Unterscheidung von Nationen und nationalen Minderheiten
überflüssig werde.
Die Karriere seines anfänglichen Gesinnungsgenossen, Nikola Pašić (1845–1926),
seit den späten 1890er Jahren mehrfacher Ministerpräsident Serbiens, sollte unter
anderem ganz im Gegenteil darauf beruhen, die manipulative, antimodernistischherrschaftstechnische Zweckentfremdung des Nationalen zur serbischen Expansion
und innersüdslawischen Machtverteilung zu perfektionieren. Die von Pašić führend
mit vorbereitete Gründung des Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen am
1. Dezember 1918 sollte das vollendete Gegenstück zu Markovićs theoretischem Entwurf werden, mithin auch zu dessen Konzept, die Menschen nicht primär als Träger
einer bestimmten nationalen Identität wahrzunehmen. Marković wollte, dass die
deutsche Minderheitsbevölkerung in serbischer Umgebung nur als solche betrachtet
werde und nicht von vorneherein als „geborene“ Repräsentantin, als Vorposten habsburgischer oder reichsdeutscher Macht im Südosten.
SÜDSLAWEN UND DEUTSCHE
Josip Juraj Strossmayer (1815–1905)
Ante Starčević (1823–1896)
Ljudevit Gaj (1809 –1872)
Frano Supilo (1870 –1917)
Josip Frank (1844 –1911)
Stjepan Radić (1871–1928)
Antun Radić (1868 –1919)
Edmund Steinacker (1839–1929)
Mihajlo Polit-Desančić (1833 –1920)
Svetozar Miletić (1826 –1901)
Svetozar Marković (1846 –1875)
Ante Trumbić (1864–1938, rechts),
Nikola Pašić (1845–1926, links)
Jovan Cvijić (1865 –1927)
Tin Ujević (1891–1955)
Jovan Skerlić (1877–1914)
IV.
Wie Markovićs Gedanken zur Zähmung und zivilisatorischen Nutzung des Nationalen der Unbill widriger politischer Zeitläufte zum Opfer fielen, so schloss sich um 1900
auch das schmale Zeitfenster für die Verwirklichung einer nicht nationalistisch verzerrten gegenseitigen Wahrnehmung von Südslawen und Deutschen, das sich zu dieser Zeit in Südungarn und Kroatien-Slawonien kurzfristig geöffnet hatte. Die lokalen
wie die reichspolitischen Bedingungen hatten sich geändert. Die beginnende deutschnationale, ansatzweise auch deutschvölkische Organisation der Donauschwaben vor
allem in der Batschka und dem Banat einerseits,16 andererseits wiederum in Kroatien
und Dalmatien die Formierung der österreich- und deutschkritischen Kroatisch-Serbischen Koalition 1903/1905 begünstigten im Südosten jene unheilvolle deutsch-slawische Verfeindung, die als Nebenerscheinung der säkularen Nationalisierung Ost- und
Zentraleuropas seit Mitte des 19. Jahrhunderts entlang der deutsch-slawischen Sprachgrenze im Gang war. So sind es nicht nur die allmähliche antirussische und antislawische Außenpolitik des Deutschen Reiches, auch nicht die balkanpolitische Initiative
der beiden Mittelmächte ab 1906/08, welche die serbische Wahrnehmung der deutschen Präsenz in Serbiens Politik wie auch bei den Serben in der Habsburgermonarchie
veränderten, sondern auch die im Zeichen der KSK zustande kommende deutschkritische Konfliktorientierung ungarnserbischer Politik. Es waren Radikalisierungsimpulse dieser Art, welche die gegenseitige Wahrnehmung mit geradezu anonym-elementarer Kraft deformierten. Verzerrte Wahrnehmung und aggressive Konditionierung,
wie sie drei Jahrzehnte später vor allem in der Batschka und dem Banat während und
unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg zur Entladung kommen werden, sind insofern nicht nur aus der Kriegssituation seit 1939/41 und sicher nicht primär aus dem
Zusammenleben von Serben und Deutschen in der Vojvodina selbst zu erklären, sondern in hohem Maße aus langfristig und überregional zustande gekommenen Voraus-
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GÜNTER SCHÖDL
setzungen. Dass Wahrnehmung und Sprache, Emotionen und politische Praktiken im
deutsch-serbischen Verhältnis längst vor der Gewaltexplosion in der Mitte des 20. Jahrhunderts ihrer eigenen Epoche fremd zu werden und eine verhängnisvolle Zukunft
anzukündigen begannen, lässt auch ein kurzer Blick auf die letzten Jahre vor dem Ersten Weltkrieg erahnen.
Als die KSK zu erschlaffen schien, als die jugoslawistische Mobilisierung innerhalb
der Habsburgermonarchie zeitweilig Ermüdungserscheinungen zeigte, wurde die
zunehmende Solidarisierung mit dem Königreich Serbien gegen den Griff der Habsburgermonarchie zunächst nach Bosnien-Herzegowina, dann nach dem Westbalkan,
zum Radikalisierungsimpuls. An die Stelle der Gründergeneration der KSK und der
Fortschrittlichen Jugend in den kroatischen Ländern 1890er Jahre trat seit 1910/12 die
Nationalistische Jugend (Nacionalistička omladina), verzweigt in den südslawischen
Gebieten Österreichs und Ungarns, Bosniens und der Herzegowina sowie Serbiens.
Wenn die Fortschrittlichen wie Dušan Mangjer 1897 ihre Aufgabe darin erblickten, das
Bewusstsein der einen „kroatischen oder serbischen“ Nation herzustellen, um einen
Schutzwall gegen den deutschen „Drang nach Osten“17 zu errichten, dann begriff man
nun das Deutsche an sich als die Antithese des Jugoslawismus. Man identifizierte sich
während der Balkankriege von 1912/13 im Sinne eines Jovan Cvijić mit Serbien, mit
einem naturalistischen Machtkult, mit den „siegreichen Rächern Kosovos“ und Selbstopfermythen, die sich um „Türkenkriege“ und das Kosovo ranken, mit nationalrevolutionärer Gewalt an sich.18
Seit den 1890er Jahren wurde das Ziel kroatisch-serbischer Einheit, zuweilen auch
der langfristig-evolutionären Staatsbildung, in den romantisch-historischen, literarisch-bildungsbürgerlichen Kategorien des klassischen Nationalismus zur Debatte
gestellt. Nun ist es der appellative, integrale Nationalismus eines Milan Marjanović,
der die Vision kroatisch-serbischer Einheit zu einer einzigen, jugoslawischen Identität
zuspitzt. Oder vielleicht auch das Vorbild eines Maurice Barrès, der den französischen
radikalen Nationalismus vor 1914 prägte. Seiner apodiktisch-irrationalen Bekenntnissprache bedienten sich Tin Ujević, Oskar Tartaglia und andere. Sie zelebrieren mit
Barrès – „Je ne puis vivre que selon mes morts. Eux et ma terre me commandent une
certaine activité“19 – eine nationale Pflicht des Einzelnen, die aus Rasse, Blut und
Boden spreche: „Wir fühlen sie in unserem Blut.“20 In diesem Kontext führte Jovan
Skerlić, der einst von Marković inspirierte serbische Stichwortgeber einer jungen,
bewusst jugoslawischen Generation am Vorabend von 1914, das klassisch nationalistische Einheitspostulat zusammen mit dem inhaltsleer-radikalen, objektlos-disponierten Nationalismus. Die integrale, absolute Gemeinschaft, wie er sie unter Berufung auf Starčević beschwor, lasse keinerlei Beeinträchtigung zu, weder von außen
noch von innen, weder durch deutsch-mitteleuropäische Macht noch durch deutsche
Minderheiten im jugoslawischen Staat selbst.
Alle Auffassungen dieser Art, ob südslawische Einzelnationalismen, ob visionärer
integraler Jugoslawismus oder hegemonialer großserbischer Nationalismus, traten mit
Beginn der bosnisch-herzegowinischen Annexionskrise im Oktober 1908 in eine
Phase anhaltender Mobilisierung ein. Sie gehört insbesondere durch wechselseitige
Radikalisierung der öffentlichen Meinung in Serbien wie in Deutschmitteleuropa
bereits zur unmittelbaren Vorgeschichte von Julikrise 1914 und Erstem Weltkrieg.
Zwei Organisationen sind in diesem Zusammenhang der Radikalisierung des serbischen Nationalismus und damit einer nationalistisch verzerrten Wahrnehmung des
deutschösterreichischen und reichsdeutschen Elements, zu nennen. Zum einen die
Nationale Verteidigung (Narodna odbrana), gegründet im Oktober 1908 als Protestbewegung gegen die Annexion der als serbisch beanspruchten, aber bereits seit 1878
durch die Habsburgermonarchie kontrollierten osmanischen Verwaltungseinheiten
(Vilajets) Bosnien und Herzegowina. Zum anderen die schon etwa seit der Jahrhundertwende aktive, formell erst im Mai 1911 gegründete Geheimorganisation Vereinigung oder Tod (Ujedinjenje ili smrt), auch Schwarze Hand (Crna ruka) genannt, eine
Art Offiziersverschwörung.
SÜDSLAWEN UND DEUTSCHE
Zwischen diesen beiden Organisationen existierten gewisse Verbindungen, womöglich eine vereinbarte Arbeitsteilung. Als öffentlich agierende Spezialorganisation für
nationalistische Agitation ähnlich dem Alldeutschen Verband oder der Action Française ist die Nationale Verteidigung (Narodna odbrana) zu nennen. Sie zielte auf die
Einfügung der historisch aufgeladenen und alarmistisch präsentierten Topoi „Bedrohung“ (seitens Deutschmitteleuropas) und „Gegenwehr“ (seitens Serbiens) in Bildersprache, Symbolketten und Gefühlswelt der öffentlichen Meinung. Die althergebrachten, inzwischen eher stereotypen Warnungs- und Mobilisierungsformeln wurden in
der Propaganda der Nationalen Verteidigung stärker situations- und anwendungsbezogen ausformuliert: „Aus dem Norden kommen neue Türken, furchtbarer und
gefährlicher als die alten [...]. Schon sind die Vorzeichen des kommenden Kampfes zu
fühlen. Das serbische Volk steht vor der Frage: ‚Sein oder Nichtsein‘.“21 Diese charakteristische, paranoid-aggressive Argumentation repräsentiert den psychodynamischen
Kern des Piemontismus als extrem nationalistischer Mobilisierungssprache. Sie implementiert in das kollektive Bewusstsein nicht nur ein bestimmtes Feindbild, sondern
versucht, das südslawische, zumindest das breite kroatisch-serbische Identitätenspektrum im serbischen Sinne zu reduzieren. So werden Serbentum und Jugoslawismus
tendenziell gleichgesetzt. Zumindest in Teilgebieten wie Bosnien-Herzegowina oder
dem Banat und der Batschka werden die kroatische Identität und die charakteristische
kleinteilig-plurale Nationalitätenstruktur ignoriert.
V.
Die bisherigen Darlegungen gelten der These, dass die Gewaltexplosion im südslawisch-deutschen respektive donauschwäbischen Verhältnis unmittelbar nach Ende
des Zweiten Weltkrieges nicht nur als Reaktion auf die Kriegsereignisse zu erklären ist.
Was besonders in der Vojvodina und Slowenien nach Evakuierung und Flucht an
Gewalttaten gegen die verbliebene deutschsprachige Bevölkerung geschehen ist, kann
mit dem Terminus „Vertreibung“ nicht voll und ganz erfasst werden. Der anschauliche, aber im Übermaß ausdeutbare Begriff „Vertreibung“ erweist sich weniger als konzise Definition denn als Metapher dokumentarisch-appellativen Zuschnitts. Vor allem
lässt seine situative Ereignisbindung nicht erkennen, dass in der „Vertreibung“ auch
die destruktive Wirkung langfristig verfestigter Fehlwahrnehmung und bereits vor
dem Zweiten Weltkrieg „gelernter“ kollektiver Verfeindung zur Entladung gelangte.
Forschung wie gegenwärtiges öffentliches Interesse in den jugoslawischen Nachfolgestaaten richten sich nicht mehr primär auf Erinnerung und Dokumentation. Mit
zunehmender zeitlicher Entfernung vom subjektiven Erlebnishorizont der betroffenen
Generation gelten sie eher einer objektivierenden, vergleichend-systematischen
Erschließung und Aktualisierung dieser Sachverhalte. In diesem Sinne war es Zweck
der vorliegenden Ausführungen, einige langfristig zustande gekommene Entstehungsund Gestaltungsfaktoren der südslawisch-deutschen Konfrontation während und
nach dem Zweiten Weltkrieg deutlich zu machen. Was in dieser knappen Skizze einer
„Entstehungsgeschichte“ nationalpolitisch dimensionierter Wahrnehmung und ihrer
politischen Konkretisierung beim gegenwärtigen Forschungsstand noch nicht möglich war und nur durch detaillierte Forschung, die bi- oder multinational angelegt sein
muss, zu leisten sein wird, ist: die Rekonstruktion der Art und Weise, wie diese inhaltlich-mentale Prägung des südslawischen Deutschenbildes sich verhaltens- und entscheidungsprägend auswirkte. Wie gelangte sie zur Anwendungsreife und wie funktioniert sie, wie müssen ihre Gründe gewichtet werden? Es liegt nahe, diese
Untersuchungsschritte nicht etwa nur für die südostdeutschen, sondern für alle „Vertreibungsgebiete“ vergleichend durchzuführen.
Diese Untersuchung der Vertreibung von Deutschen aus dem östlichen Europa
kann nicht mehr ausschließlich aus der Perspektive der Betroffenen, also nicht nur aus
der deutschen Perspektive, sondern nur bi- oder multinational unternommen werden.
Dies ist eine Voraussetzung für Entnationalisierung und Objektivierung, insgesamt
für die Verwissenschaftlichung der einschlägigen Forschung und massenmedialen
21
22
GÜNTER SCHÖDL
Präsentation. Insofern sind diese Ausführungen lediglich als Anregung gedacht. Diese
Art der historisch-langfristigen Spurensuche, des Recherchierens nach frühen nationalpolitischen Zeugnissen vorurteilhafter Definition und konfliktträchtiger Aufladung der südslawischen Wahrnehmung des deutschen Elements im Südosten, sollte
nicht politisch überfrachtet werden. Es geht nicht um deutsches historiographisches
Aufrechnen südslawischen Fehlverhaltens gegen die deutsche Schuld an Krieg und
Okkupation. Stattdessen ist die systematisch-übernationale Thematisierung langfristiger kognitiver und politischer Voraussetzungen eines bestimmten zwischennationalen
Konflikts das eigentliche Anliegen.
Beim gegenwärtigen, durchaus noch defizitären Forschungsstand können diese
Ausführungen nur vorläufiger, essayistischer Art sein. Für ihre systematische Komplettierung wären beispielsweise gesicherte und zwischennational kommunizierte,
kultur- und alltagsgeschichtliche Kenntnisse auch der deutschen Wahrnehmung ostmitteleuropäischer Nachbarnationen nötig. Mehr noch jenes Bildes, das die Deutschen im östlichen Europa im alltäglichen Zusammenleben abgegeben haben und des
Bildes, das sich ihre national fremde Umwelt von den Deutschen und Österreichern
gemacht hat. Eine Beeinträchtigung der Vertreibungsforschung im deutschen Sprachraum ist darin zu erblicken, dass – so paradox dies auch klingen mag – sie zu sehr nur
als Vertreibungsforschung betrieben worden ist. Wenn Entstehungsbedingungen und
Vorstufen, kognitive Verfeindung und kollektive Einübung aggressiven Verhaltens
vom Beginn des nationalen Zeitalters an, also seit dem frühen 19. Jahrhundert, a priori
und alternativlos als geradezu zwangsläufige Entwicklung hin zu Krieg und Vertreibung erörtert werden, ist dies gleichbedeutend mit weitgehender Vorprogrammierung
der Ergebnisse.
Ein weiteres Defizit der Forschung liegt darin, dass konstitutive Begriffe und Kategorien nationalstaatlicher Provenienz weiterhin gültig sind. Beispielsweise sorgt eine
Strukturierung der Bevölkerung der „Vertreiberstaaten“ entsprechend den nationalpolitischen Kategorien von „Staatsnation“ und „nationale Minderheit“ von vorneherein
für eine der südslawischen Realität widersprechende Ausblendung diverser Abstufungen zwischen beiden Kategorien respektive assimilativen Übergängen. Dies behindert
eine Ausdifferenzierung mittels Verhaltens- und Kausalvarianten, die für das Gesamtgeschehen von nationalgesellschaftlicher Inklusion und Minderheitenexklusion sehr
wohl von Bedeutung wären. Mit anderen Worten: Die Forschung, die a priori von
einem Untersuchungsobjekt „(deutsche) Minderheit“ ausgeht, verfehlt den Umstand,
dass dies so, das heißt, kompakt und scharf abgegrenzt von „Staatsnation“, eher ein
Ausnahmephänomen war. Es ist vielmehr erst durch deutschnational-nationalsozialistische „Volksgruppen“-Strategie und durch Erinnerungspolitik nach der Vertreibung konstituiert worden. So aber wird die erstrebte Antwort auf die Frage nach der
Genesis der Vertreibung der Deutschen mehr oder weniger vorweggenommen. Und
dies unabhängig davon, ob die Vertreibung als kurzfristiges, situatives Ergebnis spontaner kollektiver Gewalt oder als langfristiges und zwangsläufiges Ergebnis einer geradezu teleologischen Entfaltung des nationalen Prinzips aufgefasst wird.
1
2
3
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Erweiterte und durch Belege ergänzte Fassung des Vortrags. Der mündliche Ductus der Ausführungen ist beibehalten worden.
Jakob Glatz, Freymüthige Bemerkungen eines Ungarn über sein Vaterland, Teutschland 1799,
zitiert nach Wolfgang Kessler, Politik, Kultur und Gesellschaft in Kroatien und Slawonien in der
ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Historiographie und Grundlagen. München 1981, S. 83.
Katharina Klotz, Doris Müller-Toovey, Wilfried Rogasch (Hg.), Erzwungene Wege. Flucht und
Vertreibung im Europa des 20. Jahrhunderts, Zentrum gegen Vertreibungen, Berlin 2006.
Siehe dazu Günter Schödl, Am Rande des Reiches, am Rande der Nation, in: Ders. (Hg.), Land an
der Donau (Deutsche Geschichte im Osten Europas, Bd. 5). Berlin 1999 (2. Auflage), S. 349 – 655,
S. 666 – 671, S. 692 –701.
SÜDSLAWEN UND DEUTSCHE
5 Siehe dazu Kessler, Politik, Kultur und Gesellschaft in Kroatien, S. 91; Arnold Suppan, Die Kroaten, in: Adam Wandruszka und Peter Urbanitsch (Hg.), Die Habsburgermonarchie 1848 – 1918
Bd. III,1: Die Völker des Reiches. Wien 1980, S. 626 –733; Wolf Dietrich Behschnitt, Nationalismus bei Serben und Kroaten 1838 – 1914. Analyse und Typologie der nationalen Ideologie. München 1980, S. 133 –161; Ludwig Steindorff, Kroatien. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Regensburg/München 2001, S. 94–151; Günter Schödl, Kroatische Nationalpolitik und „Jugoslavenstvo“.
Studien zu nationaler Integration und regionaler Politik in Kroatien-Dalmatien am Beginn des
20. Jahrhunderts. München 1990, S. 13 – 47.
6 Kessler, Politik, Kultur und Gesellschaft in Kroatien, S. 91.
7 Siehe dazu Mirjana Gross, Počeci moderne Hrvatske. Neoapsolutizam u civilnoj Hrvatskoj i Slavoniji 1850 –1860 [Die Anfänge des modernen Kroatiens. Neoabsolutismus in Zivilkroatien und
Slawonien 1850 – 1860], Zagreb 1985; zum größeren Zusammenhang dies. (Hg.), Društveni razvoj u Hrvatskoj. Od 16. stoljeća do početka 20. stoljeća [Die gesellschaftliche Entwicklung in
Kroatien. Vom 16. Jahrhundert bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts]. Zagreb 1981; Heinrich Lutz,
Österreich-Ungarn und die Gründung des Deutschen Reiches. Europäische Entscheidungen
1867–1871. Frankfurt am Main u. a. 1979; Helmut Rumpler, 1804–1914: eine Chance für Mitteleuropa. Bürgerliche Emanzipation und Staatsverfall in der Habsburgermonarchie (Österreichische Geschichte, Bd. 1804, hrsg. v. Herwig Wolfram). Wien 1997; András Gergely, Magyarország története a 19. században [Ungarische Geschichte im 19. Jahrhundert]. Budapest 2003,
S. 279 –326, 360 – 384.
8 Vgl. Behschnitt, Nationalismus, S. 175 f., 184 ff. und Steindorff, Kroatien, S. 117–121.
9 Hrvatska demokratska zajednica = Kroatische Demokratische Gemeinschaft.
10 Ante Starčević, Slowenen und Serben, 1883, zitiert nach Behschnitt, Nationalismus, S. 184; zum
Zusammenhang siehe Mirjana Gross, Povijest pravaške ideologije [Geschichte der Ideologie der
Rechtspartei], Zagreb 1973.
11 Zitiert nach Schödl, Kroatische Nationalpolitik, S. 247; zur KSK siehe Schödl, Am Rande des
Reiches, S. 234 – 298.
12 Schödl, Kroatische Nationalpolitik, S. 270.
13 Zitiert nach Behschnitt, Nationalismus, S. 366.
14 Kessler, Politik, Kultur und Gesellschaft in Kroatien, S. 91 und 96 ff.
15 Svetozar Miletić, Srbi i Mađari [Serben und Ungarn], 1868, zitiert nach Behschnitt, Nationalismus, S. 91; siehe dazu Dimitrije Đorđević, Die Serben, in: Wandruszka und Urbanitsch (Hg.), Die
Habsburgermonarchie, S. 173 f.
16 Siehe dazu Günter Schödl, Alldeutscher Verband und deutsche Minderheitenpolitik in Ungarn
1890–1914. Zur Geschichte des deutschen „Extremen Nationalismus“. Frankfurt am Main u. a.
1978; ders., Am Rande des Reiches, S. 392 – 454.
17 Dušan Mangjer, Narodna misao [Der nationale Gedanke]. Zagreb 1897, S. 2, zitiert nach Behschnitt, Nationalismus, S. 202.
18 Behschnitt, Nationalismus, S. 201– 230.
19 Zitiert nach Günter Schödl, Alldeutsch-deutschnationale Politik in der Habsburgermonarchie
und im Deutschen Reich, in: Ders. (Hg.), Formen und Grenzen des Nationalen. Beiträge zu nationaler Integration und Nationalismus im östlichen Europa (Erlanger Osteuropa-Studien, Bd. 2).
Erlangen 1990, S. 49 – 89, hier S. 49.
20 Oskar Tartaglia, zitiert nach Behschnitt, Nationalismus, S. 225.
21 Nationale Verteidigung (Narodna odbrana). Belgrad 1911, S. 21, zitiert nach Behschnitt, Nationalismus, S. 304, Anm. 324.
23
24
ZORAN JANJETOVIĆ
Zoran Janjetović
Die jugoslawische Minderheitenpolitik
zwischen den beiden Weltkriegen
Die Festung Peterwardein in osmanischer Zeit, Stich
von Gaspar Bouttats
aus dem Werk Sacr.
Caes. Ma. Leopoldo
has Turcis ereptas, et
Favente Deo eripiendas Hongariae Civitates, aliasque Turcias
(Diese durch die Heilige Majestät Kaiser
Leopold den Türken
entrissenen und mit
Gottes Hilfe noch zu
entreißenden Städte
Ungarns und andere
türkische [Städte]),
Antwerpen, um 1700.
In diesem Referat werden wir die Politik des jugoslawischen Staates gegenüber seinen
nationalen Minderheiten skizzieren und die Gründe, die ihn zu dieser Politik bewogen
haben. Dabei werden wir berücksichtigen, wie sich die jugoslawische Minderheitenpolitik in verschiedenen Bereichen des Lebens der deutschen Minderheit widergespiegelt hat.
Das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, das 1929 in Königreich Jugoslawien umbenannt wurde (wie es umgangssprachlich von Anfang an genannt wurde),
entstand im Herbst 1918 aus den Ruinen der Habsburgermonarchie und des Osmanischen Reiches, das bereits 1912 vom Balkan zurückgedrängt worden war. Diese Reiche
hatten jahrhundertelang Südosteuropa dominiert, waren aber beide ausgesprochen
multiethnische Gebilde, die in ihren (sich verändernden) Grenzen eine Vielzahl von
Völkern und Religionen vereinten. Im Unterschied zu den anderen Nachfolgestaaten
vereinigte das SHS-Königreich Gebietsteile von beiden verschwundenen Imperien:
einige wurden 1918 angeschlossen, einige 1912 oder 1913, einige hatten sich (wie Serbien und Montenegro) in einem langen Befreiungsprozess vom Osmanischen Reich
gelöst. Die jahrhundertelange Herrschaft der beiden großen Imperien brachte nicht nur
zahlreiche bis heute spürbare kulturelle Einflüsse, sondern wirkte sich in bedeutendem
Maße auch auf das demografische Bild der Gebiete aus, von denen heute die Rede ist.1
Slawen haben sich auf der Balkanhalbinsel im Laufe des 6. und 7. Jahrhunderts
angesiedelt, allerdings war das Territorium, in dem sie sich niedergelassen haben,
bedeutend größer als das, auf dem heute, die Bulgaren eingeschlossen, die südslawischen Völker leben. Dies ist vor allem eine Folge des Fehlens einer slawischen politischen Herrschaft im größeren Teil dieser Territorien und im überwiegenden Teil ihrer
Geschichte.2 Innerhalb fremder Staaten kam es zur leichten und spontanen Assimilation der relativ dünn siedelnden Bevölkerung. Auf diese Weise verloren die Slowenen
fast die Hälfte ihres ethnischen Territoriums.3 Daneben kam es infolge von Kriegshandlungen zu massiven Bevölkerungsverschiebungen – sei es in Form von Flucht, sei
es durch die systematische Besiedlung verlassener Gebiete mit neuer Bevölkerung, um
die militärische Kampfkraft zu heben4 oder die Wirtschaftskraft zu stärken. Kriege
schufen auch die Möglichkeit der spontanen Ansiedlung einer neuen Bevölkerung in
DIE JUGOSLAWISCHE MINDERHEITENPOLITIK ZWISCHEN DEN BEIDEN WELTKRIEGEN
den Räumen, die die ältere Bevölkerung vollständig
oder teilweise verlassen hatte. Die Machthaber haben
auch in Friedenszeiten aus ökonomischen und fiskalischen Gründen Menschen, oft ihrer Nationalität,
angesiedelt, was das ethnische Bild der Ansiedlungslandschaften verändert hat.
Auf diese Weise führte die 1100 Jahre dauernde
Dominanz der Deutschen über die Slowenen durch
schrittweise friedliche Besiedlung zur Durchdringung
des slowenischen ethnischen Territoriums mit deutscher Bevölkerung, die mit der Zeit in einem großen
Teil dieses Gebiets zur Mehrheitsbevölkerung wurde.
Die Feudalherren siedelten Deutsche auch in Gebieten
mit größerer Bevölkerungsdichte von Slowenen an, so
im Fall der untersteirischen Städte oder der Gottschee,
die zu einer überwiegend deutschen Insel in einem
slowenischen Meer wurde. Deutsche kamen auch in
andere slowenische Städte, und durch den sozialen
Aufstieg der zugezogenen Slowenen stieg dort durch
deren Assimilation die Zahl der Deutschen. Diese soll,
stellten später slowenische Autoren fest, gewaltsam gewesen sein, doch sind sie dabei
der Komplexität des Phänomens nicht gerecht geworden.
Albaner begannen in das „Heilige serbische Land“, das Kosovo-Gebiet, seit dem
Ende des 17. Jahrhunderts in größerer Zahl einzuwandern, als viele Serben das Gebiet
verlassen hatten. Damit begann ein 300 Jahre dauernder Prozess, der sich nicht, wie oft
in der serbischen Historiografie zu lesen ist, unvermittelt ereignete5 und nicht ausschließlich gewaltsam stattfand. Gewalt spielte tatsächlich eine wichtige Rolle, aber
auch viele andere Faktoren (Natalität, Assimilation, gesellschaftliche und religiöse
Unterschiede, Opportunismus, Unterstützung der Regierung, der Umgang Serbiens
mit den Albanern 1878) trugen zur Veränderung des ethnischen Bildes von Kosovo,
Metohija und Westmakedonien bei.
Die türkische Invasion verdrängte große Massen der serbischen Bevölkerung nach
Westen und Norden auf das Gebiet des Königreichs Ungarn (einschließlich Kroatiens).6 Eine beträchtliche Zahl von Türken ließ sich in Städten unter osmanischer Herrschaft nieder, einige aber auch in den Dörfern Makedoniens, Serbiens und des Kosovos. Nach dem Rückzug der osmanischen Macht verließ ein großer Teil dieser Türken
die Heimat.7
Nach der Befreiung von den Türken war das südliche Ungarn (die heutige Vojvodina und darüber hinaus) vor allem mit serbischen und rumänischen Hirten sehr
dünn besiedelt. Die ungarische Bevölkerung war zum größten Teil vor der osmanischen Herrschaft geflüchtet oder während ihrer Herrschaftszeit verschwunden, weshalb die Türken Serben als Arbeitskräfte ansiedelten. Vor dem Fall der osmanischen
Herrschaft in Pannonien war die serbische Bevölkerung durch Flüchtlinge aus Serbien
und dem Kosovo zahlenmäßig verstärkt worden. Da diese Bevölkerung zahlenmäßig
unzureichend und wirtschaftlich nicht produktiv genug war, gingen die habsburgischen Behörden und die privaten Großgrundbesitzer (denen das neu befreite Land
zugeteilt worden war) dazu über, Deutsche, Ungarn, Slowaken, Rusinen, Tschechen,
Spanier und Angehörige anderer Völker anzusiedeln. Diejenigen, die sich nicht anpassen konnten, sind verschwunden oder fortgezogen, während Deutsche, Ungarn, Slowaken und Rusinen nach anfänglichen Schwierigkeiten in der neuen Heimat Wurzeln
schlugen.8 Südslawische Historiker und noch häufiger Politiker haben diese Ansiedlung fremder Bevölkerung als Usurpation angesehen, als Begründung dienten ihnen
Beispiele für Unterdrückung, Zwangsumsiedlung und Robotdienst, den die Serben
leisten mussten, um den Besitz für die Kolonisten vorzubereiten, sowie die Steuer, die
sie für die privilegierten Kolonisten einige Zeit zahlen mussten. Auch wenn es das alles
25
Einwohner verschiedener Nationen im
Königreich Ungarn:
Serben, Kroaten,
Deutsche, kolorierter
Stich, 2. Hälfte
19. Jahrhundert.
26
„Kaiser Joseph II
unterschreibt das
Ansiedlungspatent“, aus dem Buch
Szeghegy im ersten
Jahrhundert seines
Bestandes von Johann
Jauß, Kula, 1886.
ZORAN JANJETOVIĆ
gegeben hat, wird oft vergessen, dass auch serbische Ansiedler bestimmte Privilegien
genossen haben, doch machten Politiker und Propagandisten der Zwischenkriegszeit
für das gesamte im Verlauf der Kolonisation durch Deutsche, Ungarn und andere erlittene Unrecht deren entfernte Nachkommen, ihre Zeitgenossen, verantwortlich.
In Kroatien und Slawonien erscheinen Deutsche und Tschechen schon Ende des
17. Jahrhunderts, in größerer Zahl kamen sie allerdings erst seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, angezogen durch die niedrigen Bodenpreise.9 Ähnlich war es auch in Bosnien, wo neben einigen staatlichen Kolonien von Deutschen und Polen mehrere Siedlungen aus privater Initiative von Zuwanderern entstanden. Der Zuzug auswärtiger
Industriearbeiter in die bosnischen Städte hinterließ kaum Spuren, da diese in der
Mehrheit nach 1918 wieder wegzogen.10
Die Ansiedlungs- und die Lebensbedingungen
der fremdstämmigen Bevölkerung blieben der einheimischen Bevölkerung und den einheimischen
Politikern bis in die Zwischenkriegszeit ein Dorn im
Auge. Die fremden Kolonisten haben häufig Privilegien erhalten, die ihnen einen schnelleren ökonomischen Aufstieg ermöglichten. Dass sie oft dieselbe
Sprache sprachen wie die herrschenden Kreise,
machte die Sache noch schlimmer: soziale Unterschiede wurden mit nationalen gleichgesetzt,
obwohl z. B. die Gottscheer Bauern ausgesprochen
arm blieben – wie auch ein Großteil der Ungarn in
der Vojvodina, der Deutschen in Bosnien und der
Albaner und der Türken in den südlichen Gebieten.
Dennoch bestand bei der Intelligenz und den
Politikern aller drei „staatsbildenden“ Nationen im
SHS-Königreich ein starkes Gefühl der historischen
Ungerechtigkeit, an der die Völker „schuld“ sein
sollten, deren Angehörige sich durch die Schaffung
des neuen Staates in der Lage nationaler Minderheiten fanden. Dieses Gefühl war Teil des nationalen
Gedächtnisses und der Selbstperzeption, das heißt
Teil der nationalen Identität, die wie immer zum
Gutteil auf den Unterschieden zu anderen wie auch
auf Animosität diesen gegenüber gründete.11 Der jugoslawische Staat entstand als Triumph des serbischen, kroatischen und slowenischen Nationalismus über die multinationalen Imperien. Unter den veränderten Bedingungen konnten die Angehörigen der
ehemals führenden oder privilegierten Völker, die sich jetzt in der Lage nationaler
Minderheiten wiederfanden, nicht mit einer gleichberechtigten Behandlung rechnen.
Obwohl sie den größten Teil der Minderheitenbevölkerung ausmachten, wurden auch
die Angehörigen der anderen, überwiegend slawischen Minderheiten nicht gleichberechtigt behandelt.
Das war bereits bei der Entstehung des Staates der Südslawen abzusehen. Auch
wenn er sich auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker berief, entstand er nicht auf
demokratische Weise. Die große Mehrheit der jugoslawischen Bevölkerung wurde
nicht nach ihrer Meinung gefragt. Das galt in noch größerem Maß für die Angehörigen der Minderheiten. Albaner und Türken waren bereits 1912/13 gegen ihren Willen
und gegen ihren Widerstand in die Königreiche Serbien und Montenegro bzw. 1918,
wieder gegen albanischen Widerstand, in das SHS-Königreich einbezogen worden.12
In Slowenien wurde die deutsche Bevölkerung vor vollendete Tatsachen gestellt, und
die neuen Grenzen wurden mit Waffengewalt und Unterstützung des serbischen Heeres gesichert.13 Die Murinsel mit ihrer kroatisch-ungarischen Bevölkerung wurde
ebenfalls in einer bewaffneten Aktion angeschlossen.14 Im innerhalb Ungarns autonomen Königreich Kroatien-Slawonien wurde die Vereinigung durch einen kleinen
DIE JUGOSLAWISCHE MINDERHEITENPOLITIK ZWISCHEN DEN BEIDEN WELTKRIEGEN
Kreis von Politikern proklamiert, die auf der Grundlage eines sehr restriktiven Wahlrechts gewählt worden waren.15 Die Minderheiten mussten einfach den Willen der
„Mehrheit“ achten, den die politische Elite auszudrücken vorgab. In der Batschka, der
Baranja und im Banat, Gebiete, die die serbische Armee nach dem sogenannten Belgrader Waffenstillstand mit Ungarn am 13. November 1918 friedlich besetzte, wurde
die Vereinigung ebenfalls ohne jedes demokratische Verfahren ausgerufen und am
25. November 1918 durch die Große Nationalversammlung proklamiert. Deren Delegierte waren auf lokalen Treffen ausgerufen worden, an denen slawische Bürger, sofern
sie darüber informiert waren, nach eigener Entscheidung teilnehmen konnten. Deshalb fehlte der Versammlung selbst in Bezug auf die slawische Bevölkerung die formale demokratische Legitimation. In der Großen Nationalversammlung waren neben
578 Serben und 89 Kroaten auch 62 Slowaken und 21 Rusinen sowie sechs Deutsche
und ein Ungar vertreten.16 Das zeigt, dass die Deutschen etwas besser als die Ungarn
behandelt wurden, aber man muss bedenken, dass es sich dabei um den Versuch handelte, die auf wenige nationalbewusste deutsche Anführer gestützte Minderheit von
den Ungarn zu trennen. Diese Politik gegenüber der deutschen und den slawischen
Minderheiten wurde in der Vojvodina in den ersten Nachkriegsjahren fortgesetzt, was
zeigt, dass die Serben Verbündete gegen die früher herrschenden Ungarn brauchten
und nicht etwa die Notwendigkeit einsahen, den Minderheiten nationale Rechte zu
gewähren. Die Große Nationalversammlung „erinnerte“ sich erst auf Intervention von
Jaša Tomić daran, in ihre Deklaration auch die Zusage von Rechten für die nationalen
Minderheiten aufzunehmen.17 Das alles war in Hinsicht auf die künftige Rolle der
Minderheiten im politischen und im öffentlichen Leben von Bedeutung.
Der Minderheitenschutzvertrag, den das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen nach reichlich Widerstand am 5. Dezember 1919 unterschrieb, garantierte im
neuen Staat völkerrechtlich ein Minimum an Minderheitenrechten.18 Es sollte sich bald
zeigen, dass in vielen Teilen noch nicht einmal dieses Minimum beachtet wurde, auch
wenn in manchen Fragen die Regierung mehr konzedierte, als im Vertrag zugesagt worden war. Davon profitierte neben der rumänischen und der italienischen gerade die
deutsche Minderheit. Die Minderheiten selbst blieben weiterhin unzufrieden mit der
Umsetzung des Minderheitenschutzvertrags und der Haltung des Völkerbunds, der sich
um die Umsetzung kümmern sollte.19 Dabei beschwerten sich die Deutschen in nur
einer Petition über das Vorgehen der jugoslawischen Behörden, während die Ungarn
und die (vom Staat nicht als eigene Volksgruppe anerkannten) Makedonier die Mehrzahl der Petitionen einreichten.20 Bei innenpolitischen Rechtsakten nahmen die jugoslawischen Behörden nur minimal Rücksicht auf die Minderheiten. Auf der einen Seite war
das Königreich bestrebt, sich im Gegensatz zur Realität der Welt als mehr oder weniger
homogener Nationalstaat darzustellen, in dem die Minderheitenfrage keine wesentliche
Rolle spielte. Damit wurde diese gleichzeitig bewusst aus dem öffentlichen und politischen Leben verdrängt, was Teil der Strategie war, die Minderheiten in allen Bereichen
zurückzudrängen. Auf der anderen Seite wollte sich die jugoslawische Regierung nicht
die Hände binden.21 Zugeständnisse wurden, wenn sie gemacht wurden, auf dem Verordnungsweg gewährt (wie zu Beginn der 1930er Jahre, als Erleichterungen für das deutsche Schulwesen zur Diskussion standen) oder durch internationale Verträge erzwungen (wie im Falle des Vertrags mit Italien und der Schulkonvention mit Rumänien).
Auf politischem Gebiet bot der neue Staat von Anfang an formal weitergehende
Möglichkeiten des Minderheiteneinflusses auf politische Entscheidungen. Im Unterschied zu Österreich-Ungarn und zum Osmanischen Reich gewährte er – freilich nur
für Männer – das allgemeine und gleiche Wahlrecht, was der höchste politische Standard jener Zeit war. Die Stimmabgabe war allerdings öffentlich und stand deshalb
unter dem Druck der Behörden. Daneben bestand für Angehörige der Minderheiten
eine Reihe formaler und faktischer Einschränkungen, wollten sie ihrem politischen
Willen erfolgreich Ausdruck geben. Den Minderheitenangehörigen in der Vojvodina
wurde wegen des erst Mitte 1922 auslaufenden Optionsrechts bis dahin unter dem
Vorwand kein Wahlrecht gewährt, dass sie als „Bürger auf Widerruf “ nicht über die
27
28
ZORAN JANJETOVIĆ
Verfassung des Landes entscheiden dürften.22 Gleichzeitig wurde von denselben
Staatsbürgern verlangt, dass sie Steuern zahlten und Militärdienst leisteten. Die Angehörigen der slawischen Minderheiten hatten von Anfang an das Wahlrecht, aber
wegen ihrer geringen Zahl, ihrer großen Zerstreuung und des fehlenden Entgegenkommens der großen serbischen Parteien davon keinen Vorteil. Die Rusinen zogen
sich deshalb und wegen des Einflusses des unierten Klerus sofort aus dem politischen
Leben zurück, der tschechischen Elite gelang es nicht, auf einer zentralistischen Basis
die Konnationalen zu sammeln, die überwiegend für kroatische Parteien stimmten,
während die Slowakische Nationalpartei ohne jeden konkreten Erfolg agierte.23
Im Süden war die Lage anders. Dort besaßen die Minderheiten bereits seit 1913 die
bürgerlichen Rechte und damit auch das Wahlrecht. Albaner, Türken und slawische
Muslime organisierten sich 1919 in der Partei Džemijet, die jedoch vor allem für die
materiellen Interessen der Agas und Begs eintrat. Immerhin war sie als solche in der
Position, die notwendige Mehrheit für die Annahme der Verfassung 1921 zu sichern.
Als Gegenleistung versprach die herrschende Nationalradikale Partei bestimmte Konzessionen in der Agrarfrage.24 Das war das einzige Beispiel von Minderheiteneinfluss
auf Schlüsselentscheidungen im Staat. Die Partei Džemijet gewann 1923 bei den Wahlen 14 Mandate, war aber bis zum Ende des Jahres 1924 durch innere Spaltung und
Druck der Regierung praktisch vernichtet.25
Im Nordteil des Landes haben Ungarn und Deutsche 1922 ihre Parteien gegründet, zum Jahresbeginn 1923 auch die Rumänen. Sie alle setzten sich für allgemeine
Bürger- und besondere Minderheitenrechte ein und wurden gleich nach ihrer Gründung unter Polizeiaufsicht gestellt. Als irredentistisch wurden besonders die ungarische und die rumänische Partei verdächtigt. Wegen innerer Zwietracht blieben sie
wenig erfolgreich. Die rumänische Partei wurde zudem durch die (zahlenmäßige,
wirtschaftliche und kulturelle) Schwäche der rumänischen Minderheit eingeschränkt,
während die ungarische Partei in großem Maße elitär blieb – begrenzt auf die ungarische Intelligenz und einen Teil des Bürgertums, der Mehrheit der armen ungarischen
Bevölkerung blieb sie jedoch fremd.26
Die Deutsche Partei erwies sich (ausgenommen die Anfangserfolge des Džemijet)
bedingt als die erfolgreichste. Ihr Erfolg zeigte sich weniger in konkreten Wohltaten,
die sie für die jugoslawischen Deutschen ausgehandelt hätte,27 als vielmehr darin, dass
sie ständig die Zahl ihrer Wähler steigerte und sich als Institution etablierte, die half,
die heterogenen deutschen Gruppen zu einer homogenen nationalen Minderheit zu
verschmelzen.28 Sie war besonders in der Vojvodina aktiv – wo die Behörden den
Deutschen gegenüber nachgiebiger waren, um sie von den Ungarn zu trennen und wo,
außer in Slowenien, der größte Teil der nationalbewussten Deutschen lebte. In Slowenien war die Aktivität der Partei begrenzt wegen der sinkenden Zahl an Deutschen
und der revanchistischen Politik der Regierung, die auf allen Feldern das „historische
Unrecht“ an den Slowenen korrigieren und den politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Einfluss der „Volksdeutschen“ schwächen wollte.
Am 6. Januar 1929 begann die Königsdiktatur, die für alle Parteien, und damit
auch für die Minderheitenparteien, das Aus bedeutete. Nach dem Wiederaufleben
des politischen Lebens zweieinhalb Jahre später wurden die Minderheitenparteien
nicht wieder erneuert. Seit dieser Zeit wurden nur einzelne ihrer Repräsentanten in
die Regimeparteien kooptiert, in denen sie trotz des gelegentlichen Vorbringens von
Minderheitenklagen und -bitten nur eine dekorative Rolle spielten und zur Gewinnung der Minderheitenstimmen dienten. In den 1930er Jahren hatten die Minderheiten auf politischer Ebene nur als Wählermasse Bedeutung, die allerdings immer häufiger Ratschlägen aus dem jeweiligen Mutterland folgte. Das gilt insbesondere für die
deutsche Minderheit bei den letzten Wahlen vor dem Zweiten Weltkrieg im Jahre
1938.29
Um einerseits „das historische Unrecht zu korrigieren“ und andererseits die soziale
Lage der Angehörigen der Mehrheitsvölker zu verbessern, führte die Regierung gleich
zu Beginn eine Reihe sozialer und wirtschaftlicher Maßnahmen durch. Die wichtigste
DIE JUGOSLAWISCHE MINDERHEITENPOLITIK ZWISCHEN DEN BEIDEN WELTKRIEGEN
war in jedem Fall die Agrarreform, die auf die Entmachtung der größtenteils fremdnationalen Großgrundbesitzer zielte. Ihre Besitzungen waren jedoch nicht das einzige
Ziel der Agrarreform, unter der ebenfalls große Gemeinden, die Banken und die Glaubensgemeinschaften litten. Wenngleich dabei auch die Gemeinden, Banken und Glaubensgemeinschaften der Mehrheitsvölker belastet wurden, trafen die relativen Verluste
die Angehörigen der Minderheiten stärker. Vor allem blieben sie, die kleine Zahl der
Slowaken ausgenommen, von der Zuteilung des von der Agrarreform erfassten Landes
ausgeschlossen. Das traf vor allem die Deutschen, aber mehr noch die wesentlich zahlreicheren armen Ungarn, die auf dem Großgrundbesitz arbeiteten oder von ihm Land
gepachtet hatten. Das von ihnen bearbeitete Land wurde unter lokalen slawischen
Agrarinteressenten aufgeteilt, unter Kolonisten aus weniger entwickelten Gebieten und
vor allem unter national begeisterten Kriegsfreiwilligen. Die Gemeinden, die Land verloren, mussten dabei dieselben Steuern zahlen wie früher, und an vielen Orten lehnten
die Kolonisten es auch nach dem Verstreichen des Freijahrs ab, die Gemeindeumlagen
zu zahlen. Das alles schwächte die Minderheiten wirtschaftlich, schuf Unzufriedenheit,
zumal es einem großen Teil der Kolonisten – insbesondere im Süden – nicht gelang,
sich wirtschaftlich zu etablieren.30 Der Verlust des Kirchenbesitzes erschwerte das
Funktionieren der kirchlichen Fürsorge- und Bildungseinrichtungen. Dass fast alle
Schulen bald verstaatlicht wurden, war ein schwacher Trost.
Der Verlust des Großgrundbesitzes tangierte die deutsche Minderheit weniger als
die ungarische: die meisten deutschen Großgrundbesitzer gab es in Slowenien, und
die Zerschlagung der Güter betraf die deutsche Minderheit im Großen und Ganzen
nicht. In der Vojvodina und in Slawonien war die Zahl der deutschen Großgrundbesitzer auch nicht allzu groß, und sie lebten in der Regel nicht auf ihrem Besitz. Die
deutschen Pächter und Lohnarbeiter blieben ohne Land, doch war generell die Lage
der Schwaben in diesen Gebieten günstig, weil bei ihnen der Prozentsatz der Landlosen viel geringer war als bei den Ungarn.
Eine andere Methode, die Wirtschaftskraft der Minderheiten zu schwächen, war die
Schließung ihrer Geldinstitute oder deren Umwandlung in jugoslawische Institute (die
sogenannte Nationalisierung). Diesem Prozess fiel die deutsche Minderheit – zumindest in der Vojvodina – letztendlich nicht zum Opfer. Die Zahl ihrer Geldinstitute hatte
sich zwar verringert, aber nicht ihr Gesamtkapital und der Prozentsatz, mit dem diese
Geldmittel am Kapital der Vojvodina beteiligt waren. Es kam zu einer Stärkung der
Banken und Sparkassen, und auch viele Nichtdeutsche vertrauten den deutschen Instituten ihr Geld an.31 Auch in Slowenien blieben die deutschen Banken sehr stark.32
Darüber hinaus wurden auch Maßnahmen ergriffen, um jugoslawische Mitglieder
in die Verwaltungs- und Aufsichtsorgane der Minderheitenbanken und -unternehmen zu bringen. Diese Maßnahmen blieben reine Formalität, bei der jugoslawische
Politiker eine Sinekure erhielten, während die Unternehmen weiter arbeiteten wie
zuvor. Einige Unternehmen beriefen sogar bewusst jugoslawische Politiker in ihre
Aufsichtsorgane, um sich vor Missgunst der Staatsverwaltung zu schützen und um
über sie eine Verbindung zur Regierung zu haben.33 In der gesamten Zwischenkriegszeit gelang es den Behörden nicht, die Eigentumsverhältnisse an den Wirtschaftsunternehmen wesentlich zu verändern. Sie gehörten im nördlichen Landesteil auch weiterhin zum größeren Teil Juden, Deutschen, Ungarn und anderen Nichtjugoslawen,
sogar wenn es sich um Aktiengesellschaften handelte.34 In den südlichen Landesteilen
mit ihrer weniger entwickelten Wirtschaft war die Lage von Anfang an günstiger für
die Jugoslawen.
Das Schulwesen war seit dem 19. Jahrhundert nicht nur ein Mittel zur Bildung, sondern auch eine Waffe zum Ausbau der Nation. Als solche wurde es auch in der Habsburgermonarchie eingesetzt, wenngleich dort die freie Wahl unter verschiedenen Schularten bestand. Bald nach der Bildung des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen
(1920) wurde das gesamte Schulwesen verstaatlicht. Auf diese Weise wollten die
Behörden die kulturellen Unterschiede überwinden, die die südslawische Bevölkerung
trennten, und den Einfluss der katholischen Kirche sowie das Nationalbewusstsein der
29
30
Die dritte und vierte
Klasse der staatlichen Grundschule in
Gakowa, um 1930.
Ein Schüler zeigt
Bilder der jugoslawischen Königsfamilie
Karađorđević.
ZORAN JANJETOVIĆ
Minderheiten schwächen. Das Minderheitenschulwesen wurde stark beschnitten. Der
Minderheitenschutzvertrag wurde so interpretiert, dass er keine Minderheitenschulen
in den Gebieten vorsah, die Serbien und Montenegro bis 1913 erworben hatten; deshalb wurden die dort ohnehin wenigen türkischen, albanischen und zinzarischen
(aromunischen) Schulen geschlossen.35 In Slowenien wurde das deutsche Schulwesen
drastisch eingeschränkt, und dieser Prozess wurde in der gesamten Zwischenkriegszeit mit der Begründung fortgesetzt, dass sich die Zahl der Deutschen vermindert
hätte.36 Auf der einen Seite wurden in Kroatien ungarische Schulen geschlossen, die
sowohl für die Angehörigen der ungarischen Minderheit als auch zur Madjarisierung
der übrigen Bevölkerung eröffnet worden waren,37 während die ohnehin wenigen
deutschen Schulen zweisprachig waren.38 Zudem wurden die zahlreichen ungarischen
Schulen in der Vojvodina massenhaft geschlossen und die Lehrer, die nicht den Treueeid leisten wollten oder nicht rechtzeitig die neue „Staatssprache“ erlernt hatten, entlassen.39 Die rumänische Minderheit wurde durch den freiwilligen Exodus der Intelligenz, die großenteils gerade aus Lehrern bestand, getroffen. Andererseits wurden
Schulen für Südslawen eröffnet, und diese Möglichkeit wurde auch den Slowaken und
den Deutschen geboten, die sich dadurch von ihren promagyarischen Sympathien
abwenden sollten, die viele von ihnen hegten.40 In den ersten Jahren wurde eine ganze
Reihe deutscher Schulen eröffnet, doch wurde bald die Praxis der Namensanalyse eingeführt, um die Einschreibung von Minderheitenangehörigen mit slawischen Familiennamen in ungarische und deutsche Schulen zu verhindern. Obwohl mehrfach abgeschafft, blieb diese Praxis fast die gesamte Zwischenkriegszeit hindurch in Gebrauch.
Obgleich die Behörden behaupteten, die Praxis sei zur Behebung der Magyarisierungsfolgen gedacht,41 waren auch Deutsche davon betroffen – was in einer Region
mit ausgeprägter interethnischer Mischung insbesondere innerhalb derselben Glaubensgemeinschaft verständlich ist. Zudem garantierte der Minderheitenschutzvertrag
nur das Elementarschulwesen in der Muttersprache, und die Elementarschulen in
Jugoslawien hatten nur vier Klassen. In ihnen wurden parallele Minderheitenabteilungen eingerichtet.
Im Unterschied zu den übrigen Minderheiten erhielten die Deutschen in der Vojvodina zu Beginn der 1930er Jahre über das gesetzliche Minimum und die Bestimmungen einiger Artikel des Minderheitenschutzvertrags hinaus gewisse Erleichterungen
auf dem Gebiet des Schulwesens. Im September 1930 wurde ihnen durch eine Verordnung des Bildungsministers ermöglicht, Kinder auf der Grundlage einer Erklärung
DIE JUGOSLAWISCHE MINDERHEITENPOLITIK ZWISCHEN DEN BEIDEN WELTKRIEGEN
der Eltern und der Muttersprache einzuschulen. Zur Kontrolle wurden paritätische
Kommissionen aus Eltern und Lehrern vorgesehen. Deutschen Lehrern wurde erlaubt,
Kurse für Analphabeten zu halten, das Deutsche wurde als Unterrichtssprache in den
ersten beiden Klassen der höheren Volksschule zugelassen, der Unterricht in der
„Staatssprache“ begann erst in der dritten Klasse und private Kindergärten wurden
erlaubt. Vorklassen, wie sie das Volksschulgesetz für Minderheitenangehörige vorsah,
waren für Deutsche nicht mehr verpflichtend, die Gründung einer privaten deutschen
Lehrerbildungsanstalt wurde genehmigt. Sie nahm im Oktober des Folgejahres in
Groß-Betschkerek den Lehrbetrieb auf und wurde zwei Jahre später nach Neu-Werbass verlegt. Damals wurde dort auch eine private deutsche Bürgerschule eröffnet.42
Die Regierung gewährte diese Konzessionen nicht aus innerer Überzeugung, sondern
weil sie die Beziehungen zur Weimarer Republik verbessern wollte, von der sie sich
Hilfe bei der Lösung der Wirtschaftskrise versprach. Trotzdem gab es bei der Umsetzung dieser Vorrechte Probleme in Kroatien,43 insbesondere aber in Slowenien,44 wo
die lokalen Behörden die alte Politik fortführten. Die Annäherung an das „Dritte
Reich“ und die Niederlage Frankreichs, der jugoslawischen Schutzmacht, führten 1940
zur Eröffnung von vier privaten deutschen Gymnasien und einer Landwirtschaftsschule.45 Der winzigen italienischen Minderheit in Dalmatien wurden 1924 durch den
Vertrag über Zusammenarbeit und Freundschaft mit Italien und seine Auslegung
Konzessionen im Bereich des Schulwesens gewährt,46 während mit dem verbündeten
Rumänien erst nach langen Verhandlungen 1933 ein Vertrag über die Minderheitenschulen im Banat unterschrieben wurde, den Jugoslawien nur langsam und unwillig
umsetzte.47 Diese drei Beispiele beweisen eindeutig, dass die jugoslawische Regierung
nur unter Druck von außen bereit war, ihre dem Wesen nach assimilatorische Schulpolitik zurückzunehmen.
Presse und Vereinswesen waren die Gebiete des Minderheitenlebens, auf die die
Regierung am wenigsten Einfluss nehmen konnte. Die Pressefreiheit war im Zwischenkriegsjugoslawien immer durch Zensur eingeschränkt, und diese betraf die Minderheitenblätter oft stärker als die anderen. Trotzdem verfügten die beiden größten
Minderheiten im Nordteil des Landes, die Deutschen und die Ungarn, über ein ziemlich entwickeltes Pressewesen. Während die ungarische Presse vor allem politisch
gefärbt war, bestand bei den Deutschen neben dem Deutschen Volksblatt, das vorgab,
das Organ der gesamten Minderheit zu sein, eine Reihe anderer Blätter – Unterhaltungs-, Wirtschafts- und Fachblätter usw. Die anderen Minderheiten im Nordteil des
Landes hatten – wegen ihrer kleinen Zahl und ihrer zerstreuten Siedlung – keine so
vielfältige Presse, auch wenn jede von ihnen über einige Periodika verfügte.48 Im Süden
war die Situation völlig anders: Der größte Teil der albanischen und türkischen Massen bestand aus Analphabeten, so dass kein Bedarf an einem Pressewesen bestand.
Zudem erschwerte in diesen Gebieten die allgemeine Armut die Existenz einer Minderheitenpresse, und die Behörden waren nicht geneigt, Blätter in albanischer oder
türkischer Sprache zu erlauben. Deshalb existierten dort nur wenige kurzlebige Blätter
der Minderheitenparteien.49
Mit dem Vereinswesen stand es ähnlich: Im Süden gab es kaum Vereine, denn das
dortige zurückgebliebene Milieu und die Gesellschaft, die zu einem guten Teil immer
noch über Familien und Stämme funktionierte, hatte keinen Bedarf an Vereinigungen.50 Im Norden hatten diese eine lange und reiche Tradition. Die neue Regierung
liquidierte oder slawisierte seit 1918 viele, insbesondere kulturelle, Minderheitenvereine.51 Die ungarischen Gesellschaften haben sich nach einigen Jahren erholt, erhielten
aber niemals vollständige Handlungsfreiheit.52 Gegenüber den Deutschen in der Vojvodina waren die Behörden entgegenkommend, so dass diese bereits 1920 den Kulturbund als kulturelle, soziale und wirtschaftliche Dachorganisation gründen konnten,
aus dem sich bald mehrere Abteilungen mit besonderen Aufgaben entwickelten. Weit
entfernt davon, dass die Arbeit des Kulturbunds ohne Hindernisse gewesen wäre (er
wurde 1924 und 1929 aufgelöst), war er die Vertikale der kulturellen und aller anderen
Zusammenschlüsse der Deutschen in der gesamten Zwischenkriegszeit und eine
31
32
ZORAN JANJETOVIĆ
Organisation, die die Angehörigen aller anderen Minderheiten, aber auch des Mehrheitsvolkes, bewunderten.53 Seine Zweiggruppen waren allerdings nicht gleichmäßig
über das Land verteilt. Die meisten gab es in der Vojvodina, während sie sich in Bosnien, Slawonien und Slowenien erst nach 1927 in wesentlich geringerer Zahl entwickelten. Zudem wurde seit Beginn der 1930er Jahre der Kulturbund durch den Konflikt zwischen der alten Führung und den jungen, pronationalsozialistischen
„Erneuerern“ zerrissen. Das führte zur Gründung einer rivalisierenden Organisation
in Slawonien, und zu Beilegung des Konflikts kam es erst 1938/39 auf Initiative Berlins. Allerdings kam die pronationalsozialistische Garnitur an die Spitze, die in allem
wohlwollend den Weisungen aus dem Reich folgte, was sich letzten Endes an der deutschen Minderheit rächen sollte.54 Die Vereinigungen der übrigen Minderheiten waren
oft durch Zwietracht gespalten, litten unter Geldmangel und wurden manches Mal
durch allzu große Ambitionen belastet.55
Insgesamt genommen war die Lage der nationalen Minderheiten im Königreich
Jugoslawien nicht gut. Sie war durch die historischen Erfahrungen der südslawischen
Völker im Osmanischen und im Habsburger Reich bedingt, durch einen gewachsenen,
allerdings unsicheren Siegernationalismus und die Praxis der Minderheitenpolitik in
allen Nachbarländern sowie nahezu allen europäischen Staaten. Die Lage der deutschen Minderheit war in einigen Segmenten besser als die einiger anderer zahlenmäßig, wirtschaftlich und kulturell schwächerer Minderheiten, die zudem kein so starkes
Mutterland besaßen. Die „Volksdeutschen“ standen im Durchschnitt besser da als die
übrige Bevölkerung (zum Teil auch dank ihrer gut organisierten Genossenschaften),
besaßen ein entwickeltes Pressewesen und zahlreiche Organisationen, und zu Beginn
der 1930er Jahren erhielten sie im Schulwesen größere Konzessionen als jede andere
Minderheit. Im Unterschied zur Mehrzahl der anderen Minderheiten mussten sie
heterogene Gruppen in eine einheitliche nationale Minderheit verschmelzen und trafen dabei in Kroatien und Slawonien, besonders aber in Slowenien auf eine zurückweisende Politik der Behörden. Insgesamt gesehen war die Lage der nationalen Minderheiten in Jugoslawien zwischen den beiden Weltkriegen nicht glänzend, entsprach
aber dem europäischen Durchschnitt des Umgangs mit Minderheiten in dieser Zeit.
Die Deutschen befanden sich aus den genannten Gründen in einer etwas besseren
Lage als die anderen, aber das reichte nicht aus, um Loyalität zum neuen Staat zu entwickeln. Diejenigen, die an der Macht waren, praktizierten eine restriktive Politik
gegenüber den Minderheiten, um den Staat zu konsolidieren, und waren sich dabei
nicht bewusst, dass sie ihn auf diese Weise nur schwächten. Das sollte sich klar im
Verlauf des Zweiten Weltkriegs zeigen.
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Die immer noch beste Übersicht über die auf dem Territorium Jugoslawiens historisch entstandenen gesellschaftlichen, kulturellen, religiösen und anderen Unterschieden bietet Milorad Ekmečić,
Stvaranje Jugoslavije 1790 –1918 [Die Schaffung Jugoslawiens 1790–1918], Bd. 1– 2, Belgrad 1989.
Istorija naroda Jugoslavije, Bd. 1– 2, Belgrad 1953 –1960.
Milko Kos, Kolonizacija i germanizacija slovenske zemlje [Kolonisation und Germanisierung der
slowenischen Gebiete], in: Historijski zbornik 4 (1951), S. 9 –19.
Das beste Beispiel ist die habsburgische Militärgrenze, die zunächst mit geflüchteten Serben,
Wlachen und Kroaten besiedelt wurde, später mit Deutschen, Rumänen usw. Auf ihrer Seite siedelten die türkischen Machthaber im Grenzgebiet zunächst slawische, später unterschiedliche
muslimische Bevölkerung an. Ähnlich ging die Republik Venedig vor. Vgl. Johann Heinrich
Schwicker, Die Geschichte der österreichischen Militärgrenze, Wien/Teschen 1883; Peter Krajasich, Die Militärgrenze in Kroatien (Dissertationen der Universität Wien 98), Wien 1974 oder
1976; Istorija naroda Jugoslavije 1953, passim; Karl Kaser, Freier Bauer und Soldat. Die Militarisierung der agrarischen Gesellschaft an der kroatisch-slawonischen Militärgrenze 1535–1881
(Zur Kunde Südosteuropas 2,22), Wien/Graz 1997; Milan Turkovićk, Die Geschichte der ehemaligen Croatisch-Slavonischen Militärgrenze, Sušak 1936; Franz Vaniček, Specialgeschichte der
österreichischen Militärgrenze, Bd. 1– 4, Wien 1875; Gunther E. Rothenberg, The Military Border in Croatia 1740–1880, Chicago/London 1966; Olga Zirojević, Srbija pod turskom vlašću
DIE JUGOSLAWISCHE MINDERHEITENPOLITIK ZWISCHEN DEN BEIDEN WELTKRIEGEN
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2007, S. 121–125; Dušan Popović, Srbi u Vojvodini [Die Serben in der Vojvodina], Bd. 1, Novi Sad
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Ost- und Südosteuropa: Bevölkerung 8, Beiheft), Wien 2004, S. 22 – 23, 33 – 35; Zef Mirdita, Vlasi.
Starobalkanski narod [Die Wlachen. Ein altbalkanisches Volk], Zagreb 2009, S. 113 –159.
Im Verlauf der Großen Wanderung der Serben 1689 haben nicht annähernd alle Serben das Kosovogebiet verlassen wie auch bei weitem nicht alle, die gewandert sind, aus dem Kosovo stammten
und nicht alle Serben gewesen sind. (Es gab nämlich auch katholische Albaner unter den Flüchtlingen.) Die Albaner sind nach und nach zugewandert, und die Serben sind nach und nach abgewandert. Dazu hatte die Migration nicht nur eine Richtung: Es gab Serben, die zuwanderten, und Albaner, die aus dem Kosovo weiter nach Norden und Osten auswanderten. Dazu Dimitrije Bogdanović,
Knjiga o Kosovu [Das Buch über das Kosovo] (Posebna izdanja/Srpska akademija nauka i umetnosti 656), Belgrad 1985, S. 98 –118; Zirojević, S. 146 –187; Stefan Čakić, Velika seoba Srba 1689/90
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Popović, Srbi u Vojvodini, Bd. 1, S. 71–109; Zirojević, Srbija pod turskom vlašću, S. 121–125;
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ZORAN JANJETOVIĆ
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Einer der führenden Nationalismustheoretiker, Anthony D. Smith, definiert die Nation als
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S. 287–286.
An konkreten Ergebnissen können wir erwähnen, dass es der Partei der Deutschen zweimal
gelang, aus den Finanzgesetzen die Bestimmungen zu entfernen, die den Anhängern der Minderheit den Landkauf im Grenzgürtel verbot sowie die Schreibung deutscher Namen in der
ursprünglichen (und nicht der phonetischen) Form in Dokumenten. Obwohl letztere Regelung
auf den ersten Blick unbedeutend erscheinen mag, haben die Behörden die unterschiedliche
Schreibweise benutzt, um Wahlberechtigte aus den Wählerlisten zu streichen.
Plautz, Das Werden der deutschen Volksgemeinschaft, S. 55 – 65; Rasimus, Als Fremde im Vaterland, S. 232 – 255; Bethke, Deutsche und ungarische Minderheiten, S. 287– 296.
Janjetović, Deca careva, pastorčad kraljeva, S. 200 – 213.
Milivoje Erić, Agrarna reforma i kolonizacija u Jugoslaviji 1918 –1941. godine [Agrarreform und
Kolonisation in Jugslawien 1918 –1941], Sarajevo 1958; Obradović, Agrarna reforma i kolonizacija
na Kosovu; Juraj Demetrović, Agrarna reforma i kolonizacija u Jugoslaviji [Agrarreform und Kolonisierung in Jugoslawien], Belgrad 1933; Nikola Gaćeša, Agrarna reforma i kolonizacija u Bačkoj
1918 –1941 [Agrarreform und Kolonisation in der Batschka 1918 –1941] (Monografije/Institut za
izučavanje istorije Vojvodine 10), Novi Sad 1968; ders., Agrarna reforma i kolonizacija u Sremu
1919 –1941 [Agrarreform und Kolonisation in Syrmien 1919 –1941] (Monografije/Institut za
izučavanje istorije Vojvodine 10), Novi Sad 1975; ders., Agrarna politika i kolonizacija u Banatu
1919 –1941 [Agrarpolitik und Konlosation im Banat 1919 –1941] (Monografije/Institut za
izučavanje istorije Vojvodine 2), Novi Sad 1972; ders., Radovi iz agrarne istorije i demografije
[Arbeiten zur Agrargeschichte und zur Demographie], Novi Sad 1995; Snježana Ružić, Agrarna
reforma i kolonizacija u Slavoniji, Srijemu i Baranji 1918.–1929. odnos lokalnog stanovništva i
naseljenih dobrovoljaca [Agrarreform und Kolonisation in Slawonien, Syrmien und der Baranja
1918 –1929. Die Haltung der einheimischen Bevölkerung und die Ansiedlung von Kriegsfreiwilligen], in: Scrinia slavonica 1 (2001), S. 228 –253; Đorđo Krstić, Kolonizacija u Južnoj Srbiji [Die
Kolonisation in Südserbien], Sarajevo 1928; Đoko Bogojević, Agrarna reforma, u: Jubilarni zbornik
života i rada Srba, Hrvata i Slovenaca 1918 –1928, T. 1 (Matica živih i mrtvih Srba, Hrvata i Slovenaca), Beograd 1928; Zdenka Šimončić-Bobetko, Agrarna reforma i kolonizacija u Hrvatskoj
1918 –1941 [Agrarreform und Kolonisierung in Kroatien 1918 –1941] (Biblioteka Hrvatska povijesnica), Zagreb 1997; Vaso Šaletić, Kolonizacija Južne Srbije [Die Kolonisierung Südserbiens], in:
Agrarna misao, 1938, Nr. 11/12; Arpad Lebl, Prilog istoriji agrarne reforme i kolonizacije u
Vojvodini 1781–1941 [Ein Beitrag zur Agrarreform und zur Siedlung in der Vojvodina 1781–1941],
in: Zadružni arhiv 1 (1953), S. 51–74; Vladan Jovanović, Jugoslovenska država i Južna Srbija
1918 –1929. Makedonija, Sandžak, Kosovo i Metohija u Kraljevini SHS [Der jugoslawische Staat
und Südserbien 1918 –1929. Makedonien, Sandschak, Kosovo und Metohija im Königreich Jugoslawien 1918 –1929] (Biblioteka studije i monografije), Beograd 2002, S. 208 –226; Ferenc Mák, The
Ideological Base of the Southern Slav Agrarian Reform 1919 –1941, in: Ferenc Gereben (Hg.), Hungarian minorities and Central Europe: regionalism, national and religious identity (Publications of
the Research Group of Regional and Minority Cultures), Pilicsaba 2001, S. 249 – 265.
Boris Kršev, Bankarstvo u Dunavskoj banovini [Das Bankwesen in der Donaubanschaft] (Biblioteka istorija), Novi Sad 1998, S. 40 – 47; Mesaroš, Položaj Mađara u Vojvodini, S. 105; Nikola
Gaćeša, Privreda Vovjodine između dva svetska rata [Die Wirtschaft der Vojvodina zwischen den
beiden Kriegen] in: ders., Radovi iz agrarne istorije i demografije, Novi Sad 1995, S. 196–223, S. 200.
Dušan Biber, Socijalna struktura nemačke nacionalne manjiine u Kraljevini Jugoslaviji [Die Sozialstruktur der deutschen nationalen Minderheit im Königreich Jugoslawien], in: Jugoslovenski
istorijski časopis 1978, Nr. 1– 4, S. 404 – 407, hier S. 406; ders., Nacizem in Nemci v Jugoslaviji
1933–1945 [Der Nationalsozialismus und die Deutschen in Jugoslawien 1933 –1945], Ljubljana
1966, S. 28.
Branko Bešlin, Nacionalizacija banaka sa isključivo stranim kapitalom u Vojvodini posle Prvog
svetskog rata [Manuskript, Privatbesitz Zoran Janjetović], S. 13 –14; Popi, Formiranje, razvoj i
delovanje Rumunske stranke, S. 317.
Ljubica Šijački, Privredni razvitak Banata između dva svetska rata [Die wirtschaftliche Entwicklung des Banats zwischen den beiden Kriegen] (Monografije/Filozofski Fakultet u Novom Sadu,
Institut za istoriju 33), Novi Sad 1987, S. 197– 230; Teodor Avramović, Privreda Vojvodine od
1918. do 1929/30. godine s obzirom na stanje pre Prvog svetskog rata [Die Wirtschaft der Vojvodina von 1918 bis 1929/30 unter besonderer Berücksichtigung ihres Zustands vor dem Ersten
Weltkrieg] (Posebna izdanja/Matica srpska), Novi Sad 1965, S. 140 –145, S. 154 –157, S. 163 – 200;
Gordana Krivokapić Jovic, Oklop bez viteza. O socijalnim osnovama i organizacionoj strukturi
Narodne radikalne stranke u Kraljevini SHS (1918 –1929) [Harnisch ohne Ritter. Über die sozialen Grundlagen und die Organisationsstruktur der Nationalradikalen Partei im Königreich der
Serben, Kroaten und Slowenen (1918 –1929)] (Studije i monografije/Institut za noviju istoriju
Srbije), Beograd 2002, S. 312 – 314; Arpad Lebl, Industrija šećera u Banatu [Die Zuckerindustrie im
Banat], in: Istoriski glasnik 1957; H. 3–4, S. 24–58; Tone Zorn, Nemški trgovski obrati v
Sloveniji v letih 1938/1939 (Značaj in lastišnvo) [Deutsche Handelsbetriebe in Slowenien in den
DIE JUGOSLAWISCHE MINDERHEITENPOLITIK ZWISCHEN DEN BEIDEN WELTKRIEGEN
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Jahren 1938/39. Bedeutung und Eigentümerschaft], in: Kronika 18 (1970), H. 2, S. 113 –120; Antoša
Leskovec, Upravni in gospodarski razvoj Maribora v 19. Stoletju [Verwaltungs- und Wirtschaftsentwicklung Marburgs an der Drau im 19. Jahrhundert], in: Kronika 31 (1983), 2 – 3, S. 167–175.
Janšar Redžepagić, Razvoj prosvete i školstva albanske narodnosti na teritoriji današnje Jugoslavije do 1918. godine [Die Entwicklung von Bildung und Schulwesen der albanischen Nationalität
auf dem Gebiet des heutigen Jugoslawien bis 1918], Priština 1968, S. 309 – 315; Ljubodrag Dimić,
Prosvetna politika Kraljevine Jugoslavije na Kosovu i Metohiji 1918 –1941. i istoriografija [Die
Bildungspolitik des Königreichs Jugoslawien in Kosovo und Metohija 1918–1941 und die Historiographie], in: Istorija 20. veka 8 (1990), Nr. 1–2, S. 189 –196, hier S. 193; ders., Kulturna politika
Kraljevine Jugoslavije [Die Kulturpolitik des Königreichs Jugoslawien], Bd. 3 (Stubovi kultue 2),
Beograd 1997, S. 127–128; ders., Činjenice i interpretacije o prosveti i svakodnevnom teroru
[Fakten und Interpretationen zur Bildung und zum alltäglichen Terror], in: Milorad Ekmečić/
Slavko Terzić (Hg.), Odgovor an knjigu Noela Malkolma Kosovo – kratka istorija [Antwort auf
das Buch von Noël Malcolm: Kosovo. A Short History (London 1998)] (Zbornik radova/Istorijski
institut 18), Beograd 2000, S. 158; Max Demeter Peyfuss, Die aromunische Frage von den
Ursprüngen bis zum Frieden von Bukarest (1913) und die Haltung Österreich-Ungarns (Wiener
Archiv für Geschichte des Slawentums und Osteuropas 8), Wien/Köln/Graz 1974, S. 121; Katrin
Boeckh, Von den Balkankriegen zum Ersten Weltkrieg. Kleinstaatenpolitik und ethnische Selbstbestimmung auf dem Balkan (Südosteuropäische Arbeiten 97), München 1996, S. 355.
Ervin Dolenc, Kulturni boj. Slovenska kulturna politika v Kraljevini SHS 1918 –1929 [Der Kulturkampf. Die slowenische Kulturpolitik im Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen
1918 –1929], Ljubljana 1996; Andrej Vovko, Nemško manjšinsko šolstvo na Slovenskem v
obdobju stare Jugoslavije [Das deutsche Minderheitenschulwesen in Slowenien in der Zeit des
alten Jugoslawien], in: Zgodovinski časopis 40 (1986), Nr. 3, S. 311– 321.
Gujaš, „Nacionalna obrana“, S. 64 – 68, S. 72 – 87.
Josef Volkmar Senz, Das Schulwesen der Donauschwaben im Königreich Jugoslawien (Das Schulwesen der Donauschwaben von 1918 bis 1944, Bd. 2) (Veröffentlichungen des Südostdeutschen
Kulturwerks, Reihe B; 26), München 1969, S. 20; Geiger, Nijemci u Đakovu i Đakovštini, S. 77.
Mesaroš, Položaj Mađara u Vojvodini, S. 188 –189; Dimić, Kulturna politika Kraljevine Jugoslavije, S. 11, S. 65, S. 69; Branislav Gligorijević, O nastavi na jezicima narodnosti u Vojvodini
1919 –1929 [Über den Unterricht in den Sprachen der Nationalitäten in der Vojvodina 1919 –1929],
in: Zbornik Matice srpske za istoriju 5 (1972), S. 55– 83, hier S. 61. Diese Praxis wurde bis in die
1930er Jahre fortgesetzt (Pétition présenté a la Société des Nations au sujet de l’enseignement
primaire de la minorité hongroise et de la loi du 5 décembre 1929 sur l’enseignement primaire en
Yougoslavie, s.l. 1930; Pétition présenté a la Société des Nations au sujet de la destitution en masse
des instituteurs de la nationalité hongroise en Yougoslavie et de loi yougoslave du 27 septembre
1929 sur les écoles normales d’instituteurs, Budapest 1930).
Dimić, Kulturna politika Kraljevine Jugoslavije, S. 11; Senz, Das Schulwesen der Donauschwaben, S. 37.
Biljana Šimunović-Bešlin, Prosvetna politika u Dunavskoj banovini (1929 –1941) [Die Bildungspolitik in der Donau-Banschaft (1929 –1941)] (Monografije/Filozofski Fakultet u Novom Sadu,
Odsek za istoriju 46), Novi Sad 2007; S. 197–198; Dimić, Kulturna politika Kraljevine Jugoslavije,
S. 66; Mesaroš, Položaj Mađara u Vojvodini, S. 193, S. 195, S. 202; Sajti, Hungarians in the Vojvodina, S. 151; Carlile A. Macartney, Hungary and Her Successors. The Treaty of Trianon and its
Consequences 1919–1937, London/New York/Toronto 1937, S. 419. Die Namensanalyse wurde
auch in anderen Teilen des Landes durchgeführt. Vgl. Vovko, Nemško manjšinsko šolstvo na
Slovenskem, S. 313, S. 317; Arnold Suppan, Zur Lage der Deutschen in Slowenien zwischen 1918
und 1938. Demographie – Recht – Gesellschaft – Politik, in: ders./Helmut Rumpler (Hg.),
Geschichte der Deutschen im Bereich des heutigen Slowenien 1848-1941 = Zgodovina Nemcev
na območju današnje Slovenije 1848 –1941 (Schriftenreihe des Österreichischen Ost- und Südosteuropa-Instituts 13), Wien 1988, S. 170 – 240, hier S. 180).
Hans Paul Höpfner, Deutsche Südosteuropapolitik in der Weimarer Republik (Europäische
Hochschulschriften: Reihe 3, 182), Frankfurt/M. 1983, S. 320 – 322; Hans-Ulrich Wehler, Einleitende Darstellung, in: Theodor Schieder (Hg.), Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien
(Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa 5), Bonn 1961, S. 3E –132E,
hier S. 26E; Dimić, Kulturna politika Kraljevine Jugoslavije, S. 26 –27; Senz, Das Schulwesen der
Donauschwaben, S. 95 –100, S. 218; Josip Mirnić, Nemci u Bačkoj u Drugom svetskom ratu [Die
Deutschen in der Batschka während des Zweiten Weltkriegs] (Monografije/Institut za izučavanje
istorije Vojvodine 6), Novi Sad 1974, S. 34.
Geiger, Nijemci u Đakovu i Đakovštini, S. 77; Senz, Das Schulwesen der Donauschwaben, S. 91;
Dimić, Kulturna politika Kraljevine Jugoslavije, S. 27– 28; Macartney, Hungary and Her Successors, S. 416.
Suppan, Zur Lage der Deutschen in Slowenien, S. 206 – 207. In Slowenien wurde die Politik der
Verringerung der Zahl der deutschen Minderheitsabteilungen fortgesetzt. Vgl. Vovko, Nemško
manjšinsko šolstvo, S. 316, S. 320; Suppan, Zur Lage der Deutschen in Slowenien, S. 233.
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ZORAN JANJETOVIĆ
45 Šimunović-Bešlin, Prosvetna politika, S. 300–301; Biber, Nacizem in Nemci v Jugoslaviji,
S. 84 – 85, S. 203, S. 224 – 225; Dimić, Kulturna politika Kraljevine Jugoslavije, S. 49; Senz, Das
Schulwesen der Donauschwaben, S. 123 –124. In dieser Zeit haben diese Einrichtungen zu guten
Teilen den nationalsozialistischen Geist unter der deutschen Jugend verbreitet – was eingedenk
der Bedingungen, unter denen sie eröffnet worden sind, zu erwarten war.
46 Den Italienern wurde ausnahmsweise die Eröffnung von Privatschulen mit Lehrern aus Italien
erlaubt. Vgl. Ilija Pržić, Zaštita manjina [Der Schutz der Minderheiten], Belgrad 1930, S. 143 –149;
László Rehak, Manjine u Jugoslaviji. Pravno-politička studija [Minderheiten in Jugoslawien. Eine
rechtspolitische Untersuchung], ungedruckte Dissertation, Novi Sad/Beograd 1965, S. 182 –196;
Pierre Jaquin, La question des minorités entre l’Italie et Yougoslavie, Paris 1929, S. 49 – 52.
47 Branislav Gligorijević, Jugoslovensko-rumunska konvencija o uređenju manjinskih škola
Rumuna u Banatu 1933. godine [Die jugoslawisch-rumänische Konvention über die Einrichtung
von Minderheitsschulen für Rumänen im Banat 1933], in: Zbornik Matice srpske za istoriju 7
(1973), S. 79 –103; Popi, Rumuni u jugoslovenskom Banatu, S. 102; Andrea Schmidt-Rösler,
Rumänien nach dem Ersten Weltkrieg. Die Grenzziehung in der Dobrudscha und im Banat und
die Folgeprobleme (Europäische Hochschulschriften: Reihe 3; 622), Frankfurt am Main 1994,
S. 427–435; Rehak, Manjine u Jugoslaviji, S.204; Die jugoslawisch-rumänische Schulkonvention:
eine vorbildliche Regelung, Nation und Staat 6 (1932/33), H. 10/11, S. 657– 659.
48 Branko Bešlin, Vesnik tragedije. Nemacka štampa u Vojvodini 1933 –1941. godine [Bote der Tragödie. Die deutsche Presse in der Vojvodina 1933 –1941], Novi Sad 2001; Šandor Mesaroš, Mađari
u Vojvodini 1929 –1941 [Die Ungarn in der Vojvodina 1929 –1941 (Monografije/Filozofski
Fakultet u Novom Sadu, Institut za istoriju 33), Novi Sad 1989, S. 367– 371, S. 378; ders., Položaj
Mađara u Vojvodini, S. 157, S. 160, S. 220, S. 243; Sajti, Hungarians in the Vojvodina, S. 155; Tanja
Žigon, Nemško časopisje na Slovenskem [Das deutsche Zeitschriftenwesen in Slowenien]
(Knjižna zbirka Scripta), Ljubljana 2001, S. 59 ff.; Popi, Rumuni u jugoslovenskom Banatu, S. 40,
S. 70 –71, S. 146; Popi, Formiranje, razvoj i delovanje Rumunske stranke, S. 333; Nikola Gaćeša,
Rusini između dva svetska rata [Die Rusinen zwischen den beiden Weltkrigen], in: ders. Radovi
iz agrarne istorije i demografije, Novi Sad 1995, S. 318 –356, hier S. 350 –353; Vladimir Biljnja,
Rusini u Vojvodini. Prilog izučavanju istorije Rusina u Vojvodini (1918–1941) [Die Rusinen in der
Vojvodina. Ein Beitrag zur Erforschung der Geschichte der Rusinen in der Vojvodina (1918 –1941)]
(Posebna izdanja/Vesnik), Novi Sad 1987, S. 60, S. 85 – 86, S. 90; Vlado Kostelnik, Klasno i nacionalno u emancipaciji i konstitutiranju jugoslavenskih Rusina-Ukrajinaca [Das Klassenmäßige
und das Nationale in der Emanzipation und der Konstituierung der jugoslawischen RusinenUkrainer], in: Klasno i nacionalno u suvremenom socijalizmu (Biblioteka Naših tema), Knj. 2,
Zagreb 1970, S. 572 – 589, hier S. 576; Dugački, Češka i slovačka manjina, S. 49 –70; Janjetović,
Deca careva, pastorčad kraljeva, S. 269 –281.
49 Jovanović, Jugoslovenska država i Južna Srbija, S. 344 – 345; Ministère des affaires étrangères Beograd: La Yougoslavie d’aujourd’hui, Belgrade 1935, S. 86; Hrabak, Džemijet, S. 82, S. 234, S. 238;
Ismail Eren, Turska štampa u Jugoslaviji (1866 –1966) [Die türkische Presse in Jugoslawien
1866 –1966], in: Prilozi za orijentalnu filologiju 14–15 (1964/65), S. 375 – 380.
50 Janjetović, Deca careva, pastorčad kraljeva, S. 288 – 289.
51 Dolenc, Kulturni boj, S. 15, S. 47, S. 55, S. 57, S. 60 – 61; Camillo Morocutti, Gross-Deutschland,
Gross-Südslawien, Wien/Leipzig 1928, S. 39 – 41.
52 Mesaroš, Položaj Mađara u Vojvodini, S. 223 – 234; The Hungarian Minorities in Succession
States (Publications of the Hungarian Frontier Readjustment League 1), Budapest 1927, S. 108;
Dimić, Kulturna politika, S. 80.
53 Rasimus, Als Fremde im Vaterland, S. 16 –180, S. 342 – 354, S. 445 – 477; Wilhelm von DorotkaEhrenwall, Der Schwäbisch-deutsche Kulturbund. Sein Werden und Wirken [Manuskript,
Museum der Vojvodina], Neusatz 1935; Plautz, Das Werden der deutschen Volksgemeinschaft,
S. 18–39; Mirnić, Nemci u Bačkoj, S. 25 – 36.
54 Biber, Nacizem in Nemci v Jugoslaviji, 44 –79, 167– 211; Mirnić, Nemci u Bačkoj, S. 36 – 50; Rasimus, Als Fremde im Vaterland, S. 477–509; Bethke, Deutsche und ungarische Minderheiten,
S. 381– 448, S. 565 – 581.
55 Popi, Formiranje, razvoj i delovanje Rumunske stranke, S. 127–131, S. 141; Biljnja, Rusini u Vojvodini, S. 23, S. 29, S. 45, S. 55 – 57; Gaćeša, Rusini između dva svetska rata, S. 349 – 351; Dugački,
Češka i slovačka manjina, S. 200 – 205, 317– 326; Hanzl, Borbeni put, S. 36 – 38.
GAB ES „JUGOSLAWIENDEUTSCHE“?
39
Carl Bethke
Gab es „Jugoslawiendeutsche“?
Regionale Spezifika und nationale
Integrationsprozesse deutscher Minderheiten im
Gebiet des südslawischen Staates (1918 –1948)
„Unsere Freude am 1. Dezember steht mit dem Staatsgedanken durchaus im Einklang,
obgleich wir der Idee des Feiertages eine andere Bedeutung zu Grunde legen, als
unsere slawischen Nachbarn. Auch für uns Deutsche ist der 1. Dezember ein Tag der
Vereinigung, ein Tag der Zusammenschlüsse all jener Volksgenossen, die vorher verschiedenen anderen Staatsgebieten angehörten. Was deutsch ist nach der Abstammung und Gesinnung in der Wojwodina, in Kroatien, Bosnien, Dalmatien, Slowenien,
das ist durch den staatsrechtlichen Akt des neuen Herrschers zu einer einzigen Volksgemeinschaft, zu einem gleichen Schicksal zusammengeschmiedet worden.“ (Die
Deutschen zum Einigungstag des dreinamigen Volkes, in: Deutsches Volksblatt, abgedruckt in: Cillier Zeitung, 18.12.1921.)1
Die Gründung des jugoslawischen Staates 1918 stellte insbesondere für die Einwohner der früher habsburgischen Gebiete einen Bruch mit der überkommenen politischen, gesellschaftlichen und symbolischen Ordnung dar. Unter dem serbischen
Königshaus sollten laut der staatlichen Herrschaftsideologie von nun an Serben, Kroaten und Slowenen sowie die Einwohner Bosnien und Herzegowinas, Montenegros
und Mazedoniens eine gemeinsame Nation darstellen. Angesichts der Übermacht
konfessioneller Bindungen, längst eingesetzter divergierender Nationsbildungsprozesse sowie infolge der lebensweltlichen und strukturellen Unterschiede erwies sich
dies als utopisches, praktisch gescheitertes Projekt. Besonders die kroatische Bevölkerung, die in der Masse erst jetzt das Wahlrecht erlangte, machte bei jeder Wahl Ablehnung oder Distanz deutlich. Auch Slowenen, Serben und Bosniaken wählten meist
national definierte Parteien, ebenso große Teile der nichtslawischen Minderheiten der
Ungarn, Albaner und Deutschen. Soziale Hierarchien und andere Distinktionsmerkmale erwiesen sich demgegenüber im politischen Bereich bzw. bei Wahlen als erstaunlich nachgeordnet. Doch „homogen“ waren die Nationalitäten keineswegs: so war
unter den ex-habsburgischen Serben, besonders der Vojvodina, zeitweise ein beträchtlicher Regionalismus zu verzeichnen, lebensweltliche Unterschiede gab es sicher auch
z. B. zwischen Zentralkroatien, Dalmatien und der Herzegowina. Wohl einzigartig
komplex war die Situation bei den 1921 505.790 Personen deutscher Muttersprache:
ihre Siedlungsgebiete lagen über die ganze nördliche Staatshälfte verstreut (Slowenien,
Kroatien, Bosnien, Vojvodina) und unterschieden sich nach historischer Erfahrung
und gesellschaftlicher Struktur erheblich voneinander.2 Dies hatte Folgen für die
unterschiedliche Lage der deutschen Minderheiten während des Zweiten Weltkriegs
und in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Auch innerhalb der jeweiligen historischen
Landesteile konnten die Unterschiede ausgeprägt sein, z. B. durch die Konfession,
oder auch sozial und kulturell zwischen Großstädtern in Essegg oder Zagreb einerseits
und den Bauern andererseits.
Das Aufzeigen solcher Varianten, Spezifika und besonderer Entwicklungspfade ist
geeignet, Klischees und Stereotypen entgegenzuwirken: Nicht alle Gruppen von Deutschen waren reich oder „frühere Herren“, manche waren irredentistisch, andere aber
auf ein gutes Verhältnis zu Belgrad bedacht. Im Folgenden wird die Entwicklung bei
den Deutschen in verschiedenen Landesteilen verglichen, um differenzieren zu können, welche Bedingungen mit dem deutschen Einfluss, dem jugoslawischen Rahmen,
40
CARL BETHKE
Marburg an der Drau,
um 1927.
Essegg, um 1907.
oder aber letztlich doch eher dem historischen und sozialen regionalen Umfeld zu erklären sind. Gefragt wird, inwieweit die Deutschen in Jugoslawien eine einheitliche Volksgruppe ausbildeten, und wie ausgeprägt die Unterschiede zwischen den einzelnen historischen Landesteilen des neuen Staates auch in ihren Reihen waren und bleiben.
Die Vielfalt der Siedlungsgebiete und Lebenswelten
In den Jahren nach 1918 hatte der Topos der Grenz- und Auslandsdeutschen in der
deutschen Gesellschaft bekanntlich eine enorme Konjunktur. Im Vordergrund standen dabei grenznahe, früher preußische Gebiete, welche die Weimarer Republik durch
den Versailler Vertrag hatte abtreten müssen, und deren Wiedererlangung man durch
Verweis auf das Selbstbestimmungsrecht der dort lebenden Deutschen anstrebte.
Doch in der Folge wandten sich Diplomatie, Wissenschaftler und Institute sowie zivilgesellschaftliche Organisationen wie der Verein für das Deutschtum im Ausland (VDA)
bald auch allen anderen deutschen Minderheiten weltweit zu.
Von den durch den „Korridor“ (Westpreußen) oder dem Sudetenland geprägten
Vorstellungen wich die Situation der Deutschen im jugoslawischen Staat allerdings
erheblich ab. Von alters her zum Deutschen Reich bzw. Deutschen Bund gehört hatten
hier nur die bis 1918 auf Graz orientierten südlichen Teile der Steiermark, diese waren –
Sarwasch, 1907.
41
GAB ES „JUGOSLAWIENDEUTSCHE“?
anders als z. B. die donauschwäbischen Siedlungsgebiete – auch von der deutschen
Nationalbewegung des 19. Jahrhunderts beansprucht worden. Allein das Abstaller
Feld war ein 1919 durch die „Flussgeografie“ der Friedensmacher abgetrennter Ausläufer des binnendeutschen Sprachraums – mit 1910 6.399 Deutschen war dies allerdings eine kleine Gruppe innerhalb der deutschen Minderheit.3 Doch hatte sich das
Deutsche in der Untersteiermark bis 1918 auch südlich der Sprachgrenze bei den Eliten (z. B. Adligen und Industriellen) und in den Städten behauptet. In Marburg an der
Drau, Pettau und Cilli war Deutschsprachigkeit zur Habsburgerzeit ein Merkmal bürgerlicher Kultur, ein Muster, das zuziehende Beamte, Militärs und Experten immer
wieder verstärkten, und in das sich Aufsteiger und Zuwanderer aus der Umgebung
fügten.4 Schon anders war es im südwestlichen Slowenien, der Krain um die Hauptstadt Laibach (Ljubljana). Die Deutschen waren dort nur eine Minderheit, in Verwaltung und Kirche dominierten schon vor 1918 Slowenen. Es gab zwar ein Gebiet, welches mehrheitlich Deutsche bewohnten, die Gottschee, doch dies war eine im
Mittelalter von Auswanderern gegründete „Sprachinsel“ an der Grenze zu Kroatien,
wo man einen kargen Lebensunterhalt durch Land- und Forstwirtschaft sowie Wanderhandel erwirtschaftete. Viele Gottscheer waren im 19. Jahrhundert in die USA emigriert.5
Laibach, 1907.
42
Im jungen Hanffeld,
Weprowatz, 1939.
CARL BETHKE
Auch die übrigen Siedlungsgebiete gingen auf
Auswanderungen aus Deutschland zurück. Die
größte Gruppe waren die Donauschwaben in Kroatien (Slawonien, Baranja, Syrmien) und der Vojvodina (Batschka, Banat). Diese waren dorthin nach
den „Türkenkriegen“ im 18. Jahrhundert aus Südund Westdeutschland gezogen (vgl. Amerika, Russland) – gerufen, gefördert und privilegiert von einheimischen Adligen und den Herrschern des
aufgeklärten Absolutismus, Maria Theresia und
Joseph II. Diese Landstriche hatten nie zu Deutschland gehört, staatliche Institutionen, weitgehend
auch die Schulen, Kirche und städtische Eliten, wurden im 19. Jahrhundert national-ungarisch oder
kroatisch dominiert. In den Städten und unter den
Aufsteigern assimilierten sich viele, verstärkt durch
den Katholizismus und die Mischehen. Andererseits
lebten in den südöstlichen ländlichen und multikulturellen Grenzräumen Ungarns und Kroatiens viele
Schwaben neben den ihrerseits früh nationalbewussten Serben. Durch deren orthodoxe Konfession
war die kulturelle und familiäre Vermischung mit
den Einheimischen dort schwächer. Zudem hatte
gerade in der fruchtbaren und lagegünstigen Vojvodina (Donau!) nach dem Ausbau der Infrastruktur
im 19. Jahrhundert ein frühkapitalistischer sozioökonomischer Differenzierungsprozess eingesetzt, der als Gewinner eine wohlhabende schwäbische Mittelschicht aus Bauern, Handwerkern und Kleinindustriellen
(z. B. Hanf) entstehen ließ.6 Ab 1900 fassten dort deutschnationale Bestrebungen Fuß,
welche das Aufgehen in der ungarischen Nation in Frage stellten. In Kroatien hatten es
solche Konzepte wegen der Verwurzelung in der katholischen Umgebung schwer,
zumal in Städten wie Essegg. Auf dem Land waren die verstreut siedelnden, nicht ganz
so wohlhabenden Deutschen kaum durch den Staat, eher schon durch einheimische
Adlige angeworben worden, meist aber handelte es sich um private Landkäufe von
Deutschen vor allem aus Ungarn im 19. Jahrhundert.7 Bescheiden war auch die wirtschaftliche Lage der bäuerlichen Einwanderer in Bosnien, die nach der Okkupation
1878 den k. u. k Beamten, Soldaten und Unternehmern gefolgt waren. Abgesehen von
einigen unzufriedenen Katholiken aus Norddeutschland, die nach Bosnien auswanderten (Kolonie Windthorst), waren viele „Kolonisten“ evangelisch, darunter
Donauschwaben und Deutsche aus dem armen Galizien und gar Russland, wo man
begann, ihren Bodenerwerb einzuschränken. Anfangs kauften die Siedler ihr Land bei
muslimischen Grundherrn (den Begs), später, ab 1893, vergab der Staat Wald- und
Brachland aus öffentlichem Besitz zur Pacht.8
In Slowenien wurde, wie in Böhmen, vor 1914 die Vorherrschaft der Deutschen in
„Nationalitätenkämpfen“ herausgefordert, nationale „Schutzvereine“ wie die Südmark
in Graz, Burschenschaften und Schriftsteller wie Peter Rosegger engagierten sich
dabei. Dagegen fanden die Deutschen in Ungarn, Kroatien und Bosnien im binnendeutschen Raum kaum Beachtung. Der Gustav-Adolf-Verein aus Leipzig unterstützte
die kleinen deutsch geprägten lutherischen Kirchen in Slowenien, Kroatien und Bosnien. Ungarn hatte einen national eigenständigen Protestantismus hervorgebracht,
doch die weitaus meisten Schwaben dort waren wie Kroaten und Ungarn katholisch.
Die Berliner Außenpolitik bzw. die preußisch geprägten Eliten sahen noch keinen
Grund für Eingriffe zugunsten dieser meist ländlichen Deutschen im ohnehin „verfreundeten“ habsburgischen Nachbarreich. Erst während des Ersten Weltkriegs wuchs
das Interesse an diesem Teil „Mitteleuropas“ etwas.9
GAB ES „JUGOSLAWIENDEUTSCHE“?
Der neue Staat als gemeinsamer Rahmen: „Rollentausch“ oder Identitätswandel10
In Slowenien, besonders in der Untersteiermark, sowie in der Vojvodina kehrten sich
im Herbst 1918 die überkommenen sozialen und politischen Hierarchien um. Durch
militärische Besetzung suchten Serbien und Slowenien die Annexionen schon vor den
Friedensverträgen von St. Germain und Trianon zum Faktum zu machen, auch mit
Repressalien wie beim „Marburger Bluttag“. Die Beamten wurden entlassen, mit ihnen
wanderte ein großer Teil der Stadtbevölkerung, somit die meisten Deutschen Sloweniens, sofort oder infolge der in den Verträgen vorgesehenen „Option“ ab. Der Großgrundbesitz wurde per Agrarreform vielfach enteignet, öffentliche Symbole, Denkmäler und Bezeichnungen ausgetauscht. Über das komplett verstaatlichte Schulwesen
und die römische Kirche sollten möglichst viele Steirer (wieder) Slowenen werden.
Während in der Untersteiermark nun also statt der Deutschen die Slowenen dominierten, kam es in der Vojvodina zu einem „Rollentausch“ zwischen Ungarn und Serben. Hier förderten die Behörden sogar das „Deutschtum“ der „Schwaben“ – da man
sich davon die Abwendung von ihrem bisherigen Vaterland Ungarn versprach. Da die
Friedensverträge muttersprachlichen Grundschulunterricht vorsahen, entstanden
bald sogar deutsche Schulen, wo es sie bis 1918 nicht gegeben hatte. In Kroatien dagegen, wo der Landtag zivil aus Ungarn ausgetreten war, änderte sich, da es vorher schon
„autonom“ verwaltet wurde, für die Deutschen viel weniger. Ohnehin besuchten sie
meist kroatische Schulen, als Katholiken assimilierten sie sich umso mehr. In Bosnien
wiederum war die österreichische Elite zwar auch abgewandert (wie in Slowenien),
doch assimilierten sich die dortigen evangelischen oder norddeutschen Kolonisten
indes kaum.
Die Schwaben der Vojvodina waren mit 1921 316.579 (Kroatien 124.156) von landesweit 505.790 Muttersprachlern zudem die größte deutsche Teilgruppe im Staat.11
Darauf verwies auch der Name der 1920 bis 1941 (mit Unterbrechungen) bestehenden
Dachorganisation Schwäbisch-Deutscher Kulturbund. Anders als in der Untersteiermark waren die Schwaben 1918 dort kaum ins geografisch und emotional ferne „Mutterland“ abgewandert, gegebenenfalls war für sie wie bei den Gottscheern die Überseemigration wichtiger. In der Vojvodina (nicht in Kroatien) nahm die Zahl der
Deutschen nach 1918 anfangs sogar zu, durch Entmachtung der bisherigen ungarischen Elite des „St. Stefansreichs“ korrelierte die Hinwendung der Schwaben zu
Deutschland dort mit gleichzeitigen Trends sozialen Wandels (Säkularisierung, Aufstieg der Mittelschichten) der 1920er Jahre. Ganz anders in der Untersteiermark: die
Zahl der Deutschen ging von 1910 73.148 auf 1921 22.531 und 1931 12.410 dramatisch zurück. Aufgrund von Bildung und sozialer Stellung behielten die meist gewerblich-städtischen Untersteiermärker aber sowohl unter den Deutschen des Gesamtstaates als auch innerhalb der Deutschen Sloweniens besonderes Gewicht. Ihnen und den
Vojvodina-Schwaben gemeinsam war, dass eine starke ökonomische Basis bestand für
eine „zivilgesellschaftliche“ Selbstorganisation. Denn die neuen Grenzen hatten zwar
viele jahrhundertealte Austauschbeziehungen zerschnitten, doch gelang es gerade den
Gewerbetreibenden und Industriellen der Untersteiermark (z. B. August Westen), sich
zu behaupten; auf den durch Schutzzölle vor Konkurrenz abgeschirmten Märkten des
Balkanlandes erwiesen sich ihr Können und ihre Expertise als gefragt. Ebenso profitierten die Mittelbauern der Vojvodina vom Wegfall der Großgrundbesitze infolge der
jugoslawischen Agrarreform, sie konnten diese mittelfristig zur Arrondierung ihres
Besitzes nutzen. Dagegen wurde der Besitz des Grafen Auersperg in der Gottschee
enteignet, die bäuerlichen Deutschen dort und in Bosnien hatten nur wenige Ressourcen für ein kulturelles Eigenleben.
Das Presseorgan des Kulturbundes war das Deutsche Volksblatt mit landesweitem
Anspruch. Mit dem Kulturbund verbunden waren die Partei der Deutschen und verschiedene Genossenschaften. In den Städten und Institutionen des neuen Staates, z. B.
beim Wehrdienst, im Studium, im Parlament oder über die Gesandtschaft lernten sich
Deutsche verschiedener Landesteile kennen. Das Motto des Kulturbundes war „staatstreu und volkstreu“. Seine meist aus der Vojvodina stammenden Funktionäre suchten
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44
CARL BETHKE
die Lage der Minderheit durch loyale Mitarbeit im Staat sowie Eingaben und Absprachen mit den serbisch geprägten Belgrader Regierungen zu verbessern. Dabei konnten
sie darauf rechnen, dass auch den serbischen Eliten eine Orientierung der Schwaben
an Deutschland, statt wie bisher an Ungarn, politisch ungefährlicher, später auch wirtschaftlich einträglicher erschien. Die Ausweitung des Kulturbund-Netzwerkes über
die Vojvodina hinaus gelang allerdings nur langsam, in Kroatien, wo eine andere strategische Situation vorlag und die Schwaben oft zur regionalistischen Kroatischen Bauernpartei hielten, zunächst sogar überhaupt nicht. Der Politische und wirtschaftliche
Verein der Deutschen in der Untersteiermark und die Gottscheer deutsche Bauernpartei
arbeiteten mit der Partei der Deutschen zwar zusammen,12 lebensweltlich relevanter
waren aber zunächst in allen Regionen lokale Vereine und Zeitungen, wie z. B. die
Cillier Zeitung. In Bosnien, wie auch allgemein, war sodann die kleine Evangelische
Kirche ein Hort deutscher Identität, seit 1920 mit einer landesweiten nationalen Organisation, ab 1931 unter Bischof Philipp Popp. Zu den „demokratischen“ 1920er Jahren
gehört auch, dass unter dem Einfluss der nationalistischen Presse bornierte Beamte
und Behörden sowie xenophobe pressure groups wie die ORJUNA (Organisation Jugoslawischer Nationalisten) vielfach und zum Teil auch gewalttätig versuchten, Vereine
und Politiker der Minderheit zu behindern und deren soziale Stellung zu bekämpfen,
am meisten wohl in Slowenien.13
1929 wurde in Jugoslawien ein autoritäres Regime eingeführt und der Kulturbund
verboten. Doch zeigte sich, dass die Deutschen, zumal die in territorialer Hinsicht
„unverdächtigen“ Schwaben, „Privilegien“ aushandeln konnten, da dies Belgrad unter
anderem für die ökonomischen Beziehungen zum Deutschen Reich nützlich war. Die
Weimarer Republik hatte als Ausdruck eines breiten gesellschaftlichen Interesses die
Organisationen der deutschen Minderheiten stets unterstützt; zur Zeit Gustav Stresemanns und der konservativen Kabinette ab 1930 entwickelte sich daraus eine gezielte
Einflussnahme über den Völkerbund und bei den Regierungen (wie für das „Deutsche
Haus“ in Cilli). 1931 wurde im Kontext dieser Bemühungen der Kulturbund wieder
zugelassen, er dehnte sich nun landesweit aus.14 Eine Verordnung sorgte für deutschen
Schulunterricht auch in Kroatien. Deutsche Vertreter aus der Vojvodina und der
Untersteiermark wurden über die Liste der Regimepartei in die Parlamente gewählt.
Es zeigte sich damals, dass Deutschland als Mutterland ökonomisch und politisch viel
einflussreicher sein konnte als Österreich, zumal man in Belgrad noch den posthabsburgischen Legitimismus fürchtete. Auch hatten Jugoslawiens Versuche einer reziproken Behandlung mit Kärnten für den Schwäbisch-Deutschen Kulturbund eher fatale
Auswirkungen gehabt, bis hin zum Verbot 1924. Ohnehin war der Zeitgeist großdeutsch, gerade in österreichischen Vereinen (Südmark), welche sich deutschen Minderheiten widmeten. Doch das Konzept, die heterogenen Gruppen in den einzelnen,
historisch sehr verschiedenen Landesteilen als eine „deutsche Minderheit in Jugoslawien“ zu verstehen und diese über den Kulturbund von der Vojvodina aus zu führen,
kam tatsächlich vor allem schwäbischen und jugoslawischen Interessen entgegen,
während der potenzielle Irredentismus der Steirer bzw. Abstaller auf diese Weise
zunächst effektiv marginalisiert bzw. politisch buchstäblich an den Rand gedrängt
wurde.15
Der Nationalsozialismus – Ambivalenzen der Ära Stojadinović-Korošec
Unter den Nationalsozialisten nahm die ideologische Bedeutung der „Volksdeutschen“
im Rahmen der deutschen Außenpolitik weiter zu. Schon vor der Machtergreifung
war aber auch den jugoslawischen Behörden die Faszination für diese Ideen vor allem
unter den jüngeren Deutschen des Landes aufgefallen. Wichtig für den Ideologietransfer waren Studenten, die bei den Deutschen etwa zur Hälfte im Land selbst und
ansonsten in Deutschland und Österreich ausgebildet wurden; aus der Gegenrichtung
kamen Doktoranden, die das „Grenz- und Auslandsdeutschtum“ erforschten16 sowie
einzelne Mitarbeiter etwa des Volksbundes für das Deutschtum im Ausland (Bezeichnung seit 1933, vormals Verein für das Deutschtum im Ausland, VDA). Auch der
GAB ES „JUGOSLAWIENDEUTSCHE“?
45
Rundfunk, der die „Volksdeutschen“ mit eigenen Sendungen gezielt ansprach, übte
Einfluss aus. Schon 1933 kam es unter den Deutschen besonders Sloweniens zu öffentlichen Sympathiebekundungen (z. B. Hitlergruß, Hakenkreuze) die von slowenischnationaler Seite mit Gegendemonstrationen beantwortet wurden. Dass die Reaktionen auf die Machtergreifung in der Presse, z. B. im Slovenec, noch polarisierter
ausfielen als in der Vojvodina, dürfte mit der präsenten Angst oder Hoffnung auf
Grenzrevision zusammenhängen. Allerdings hatten auch demokratische Politiker
Österreichs 1920 und dann noch einmal im Frühjahr 1933 versucht, mit friedlichen
Mitteln eine Rückgabe des Abstaller Feldes zu erreichen.17
Für das nationalsozialistische Deutschland schienen solche „Grenzkorrekturen“ in
Südosteuropa allerdings kein wirkliches Ziel zu sein. Politisch-strategisch riet Hitler
den Ungarn, sich auf die Tschechoslowakei zu konzentrieren,18 zugleich suchte man
bei Jugoslawien und Rumänien, Prags Bündnispartnern in der „Kleinen Entente“, Einfluss zu gewinnen. Vielmehr wurde „Südosteuropa“ als ökonomischer „Ergänzungsraum“ konzipiert, das heißt diese Länder sollten Absatzmärkte für deutsche Industrieprodukte werden und dafür per Clearing-System an Deutschland Rohstoffe liefern. Da
der Zugang zu den westeuropäischen Märkten wegen der Kolonien für die Balkanstaaten erschwert und Deutschland bereit war, hohe Preise zu zahlen, erschien diese
Zusammenarbeit den dortigen autoritären Regimen attraktiv. Das hatte politische
Konsequenzen, zeitweise wurde gar von Jugoslawien aus NS-Propaganda nach Österreich eingeschleust, nach dem Putsch-Versuch 1934 zeigte man sich in Jugoslawien bei
der Unterbringung 2.500 geflüchteter NS-Aktivisten großzügig. Flankiert von Besuchen Hermann Görings 1934 und Hjalmar Schachts 1936 wuchs der ökonomische
Einfluss Deutschlands während der Regierungszeit des Ministerpräsidenten Milan
Stojadinović (1935–1939) in Jugoslawien stark an.19
In jenen Jahren entstanden im ganzen Land bis hin nach Bosnien neue Ortsgruppen
des Kulturbundes und seines Netzwerks, dessen kulturelle (u. a. private Oberschulen
und Lehrerbildungsanstalt), sportliche und soziale Angebote immer breiter gefächert
waren. Neben Besuchen, Patenschaftsabonnements von Zeitungen und ganzen Büchereiausstattungen aus Deutschland war damit auch die Möglichkeit für Reisen, Kurse
und Weiterbildungen in Deutschland verbunden, sogar für die Hausierhändler aus der
Gottschee. Entsprechend wuchs der Einfluss des Nationalsozialismus auf die Minderheit. Ab 1934 wurde die konservative Kulturbundführung durch eine oppositionelle
Gruppe meist jüngerer und stärker ideologisierter NS-„Erneuerer“ herausgefordert.
Nach dem Ausschluss der „Erneuerer“ aus dem Kulturbund 1935 verlegten einige von
ihnen den Schwerpunkt nach Kroatien, wo sie sich durch Gründung der Kultur- und
Studenten aus Leipzig
besuchen „Volksdeutsche“, Sanktivan, um
1943.
46
CARL BETHKE
Wohlfahrtsvereinigung eine zusätzliche Anhängerschaft aufbauten. Diese „innervölkische Auseinandersetzung“ hat die Geschichte der Donauschwaben und GottscheeDeutschen mitgeprägt, offensichtlich standen dahinter auch Konkurrenzen reichsdeutscher Institutionen, etwa zwischen Botschaft, VDA und SS.20 In der Untersteiermark
waren die Gegensätze bei den Deutschen, hier geführt vom protestantischen Senior
Johann Baron, nicht so stark. Dafür gingen das Innenministerium unter Anton
Korošec, dem Führer des politischen Katholizismus in Slowenien, und die Behörden
des autoritären Regimes ab 1935, quasi „gedeckt“ durch die Annäherung an Deutschland, rigoros gegen die Minderheit vor. Diverse Ortsgruppen des Kulturbundes wurden aufgelöst und verboten.
Nach dem „Anschluss“ wurde in Graz das Südostdeutsche Institut gegründet, welches
sich der deutschen Minderheit vor allem in der Untersteiermark widmete. In Abstall
kam es zu prodeutschen Demonstrationen.21 Hitler hatte zunächst das Wiener Bankenkapital und 1939 die tschechische Industrie in die Hand bekommen, nachdem 1940 gar
der Rivale Frankreich ausgeschaltet worden war, erlangte Deutschland hegemonialen
Einfluss in der Region. In Berlin übernahm 1938 statt des VDA die von SS-Leuten
geführte Volksdeutsche Mittelstelle (VoMi)22 die Förderung der deutschen „Volksgruppen“, auf Veranlassung bzw. Befehl der VoMi wurde 1938/39 in Jugoslawien die bisherige
Kulturbundführung durch „Erneuerer“ unter Sepp Janko ersetzt. Die in den Jahren
zuvor aufgelösten Kulturbund-Ortsgruppen in Slowenien wurden nun wieder zugelassen,23 zugleich aber wurde der Kulturbund ideologisch und äußerlich in eine NS-Organisation umgewandelt, zum Teil mit parastaatlichen Zügen. Erst jetzt, unter dem Eindruck des Krieges und der „deutschen Siege“, wurde die Mehrheit der Deutschen vom
Kulturbund „erfasst“. Zugleich kam der Antisemitismus deutlicher als je zuvor zum Ausdruck, z. B. in der Presse (Deutsches Volksblatt, Slawonischer Volksbote).24
Die „Neue Ordnung“: verschiedene Territorien und Kontexte
im Zweiten Weltkrieg
Entsprechend den Ausgangsbedingungen war die Lage der deutschen Minderheiten
im ehemaligen Jugoslawien nach dem Aprilkrieg 1941 und bei der nachfolgenden
Aufteilung des Landes unterschiedlich. Obwohl Teile der Slowenen Hoffnungen auf
das Ende Jugoslawiens gerichtet hatten, wurde ihre Nation am vollständigsten negiert.
Die südwestliche Region mit der Hauptstadt Laibach fiel an Italien, die nordöstlichen
Teile der Krain und die Untersteiermark wurden zwar nicht formal annektiert, aber
deutscher Zivilverwaltung unterstellt. In den folgenden Jahren versuchte das NSRegime, die dortige Bevölkerung über den Steierischen Heimatbund zu assimilieren,
Hitler reiste sogar persönlich nach Marburg (26. April1941 „Machen Sie mir dieses
Land wieder deutsch!“). Dazu wurde die seit 1914 zugewanderte südslawische Bevölkerung sowie die nationalslowenische Intelligenz, darunter die Pfarrer, 1941 nach Serbien und Kroatien abgeschoben. Umgekehrt musste die deutsche Bevölkerung der an
Italien gefallenen Gottschee ihre Heimat verlassen und wurde im „Sawe-Sutla-Streifen“ angesiedelt, zusammen mit Südtirolern und Deutschen aus den 1940 von der
UdSSR besetzten, zuvor rumänischen Gebieten Bukowina und Bessarabien. Viele Slowenen wurden zur Zwangsarbeit verschleppt. Gegen diese nationale Unterdrückung
erhob sich in Slowenien wie in ganz Jugoslawien die kommunistisch geführte Partisanenbewegung unter Josip Broz Tito, welche die deutsche Seite mit aller Gewalt niederzuhalten versuchte. Die slowenischen Antikommunisten suchten dagegen zunehmend
ihr Heil in der Kollaboration, so dass es zudem zum Bürgerkrieg kam.25
Die Batschka und die Baranja – also die Regionen mit den höchsten deutschen
Bevölkerungsanteilen – fielen wieder an Ungarn.26 Der Einmarsch wurde von den jüngeren, nicht mehr im Königreich Ungarn sozialisierten Deutschen eher mit Enttäuschung aufgenommen. Die Serben wurden hier, zumindest nach der Razzia im Januar
1942, etwas besser als in Kroatien behandelt (z. B. Schulen, Parlamentsvertreter), die
Partisanenbewegung war am schwächsten und so wurden wegen der relativ sicheren
Lage z. B. 1942 sogar Kinder aus norddeutschen Großstädten dorthin evakuiert.
GAB ES „JUGOSLAWIENDEUTSCHE“?
Ungarn hatte schon nach dem Zweiten Wiener
Schiedsspruch am 30. August 1940 mit Deutschland ein „Volksgruppenabkommen“ geschlossen.
Dieses sicherte dem NS-Volksbund unter Franz
Basch eine weitreichende Autonomie zu. Doch
darüber hinaus gab es in Ungarn bis zur deutschen Besetzung im März 1944 auch deutschsprachige Zeitungen (Pester Lloyd) und Abgeordnete,
die nicht das Volksbund-Lager repräsentierten.
Als Ungarn in der Ära des Ministerpräsidenten
Miklós Kállay 1942/43 vorsichtig auf Distanz zu
Deutschland ging, ergaben sich daraus für die
katholische Opposition um Pfarrer Adam Berenz
aus Apatin und die Zeitung Donau Spielräume.
Insbesondere wandte sich diese „Treuebewegung“
gegen den Eintritt in die Waffen-SS, in vielen Dörfern Südwestungarns kam es zu Auseinandersetzungen zwischen dem Volksbund und den
„Schwarzen“.27
Das Banat blieb Teil des von Deutschland
besetzten Rest-Serbien. Sowohl in Serbien als
auch in Kroatien wurden Verordnungen erlassen,
welche die aus dem Kulturbund hervorgegangenen „Volksgruppen“-Organisationen, hier unter
Sepp Janko, zu Körperschaften öffentlichen
Rechts mit breit ausgebauter Selbstverwaltung
erklärten. Dieses Modell schloss an die 1940 mit
Rumänien und Ungarn geschlossenen Regelungen an, ging aber noch darüber hinaus,
einschließlich z. B. der Möglichkeit der Besteuerung und Bestrafung. Vertreter der
Volksgruppe waren stark an der Zivilverwaltung im Banat beteiligt, der Verwaltungschef hatte ein Deutscher zu sein, so dass die Region innerhalb Serbiens eine Sonderstellung hatte. Wie in allen Gebieten kam es im Banat nach dem deutschen Einmarsch zu
Misshandlungen von Juden. Die Formationen der „Volksgruppen“ haben die Ermordung der Juden nicht durchgeführt, wohl aber begleiteten die Zeitungen und „Propagandaämter“ den Holocaust mit hate speech. Zudem beteiligten sich sowohl Einzelne
als auch die „Wirtschaftsämter“ an der Aufteilung des jüdischen Vermögens.28 Da die
Schwaben noch Bürger Serbiens, Kroatiens und Ungarns waren, man jedoch deutscherseits die Mobilisierung ihrer Wehrkraft wünschte, wurden diese für die Waffen-SS
geworben. Aus ihnen und verschiedenen regionalen Einheiten der einzelnen „Volksgruppen“ wurde 1942 die Division „Prinz Eugen“ gebildet, die vor allem zur Partisanenbekämpfung in Bosnien und Kroatien eingesetzt wurde. Obwohl sie als „FreiwilligenDivision“ deklariert wurde, erfolgte die Einberufung faktisch unter Zwang.29
Das Territorium des 1941 neu geschaffenen Unabhängigen Staats Kroatien (NDH)
schloss mehrheitlich serbisch besiedelte Gebiete ein, so in Teilen Bosniens und Herzegowinas sowie in Ostsyrmien. In Ostsyrmien leitete ein Deutscher, Jakob Eilecker, die
Zivilverwaltung. Da sich die breit verankerte, deutscherseits 1941 zunächst favorisierte Kroatische Bauernpartei nach dem Einmarsch der Wehrmacht einer direkten
Kollaboration verweigerte, griff man auf die Ustascha zurück, eine terroristische Splittergruppe aus dem italienischen Exil. Diese suchte die Zahl der Serben durch Vertreibungen, Ermordungen und Umtaufen zu reduzieren, was in Verbindung mit dem
kommunistischen Aufstand nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion in
einem blutigen und grausamen Partisanenkrieg resultierte.30 In seinem Verlauf wurden die deutschen Dörfer militärisch angegriffen bzw. überfallen, bereits im Sommer
1941 mussten die ersten Siedlungen in Bosnien geräumt werden, 1942/43 folgten
West- und Mittelslawonien. Dies schuf für die Deutschen Kroatiens und Bosniens
47
Handwaage und
Lehrvertrag als
Zeugnisse guter
Nachbarschaft: Josef
Birli besaß eine große
Stickerei. Als er 1944
flüchten musste,
überließ er seinem
Lehrling Ratomir
Prodanić Teile des
Ladeninventars.
Prodanić bewahrte
sie lebenslang für
ihn auf.
48
CARL BETHKE
früh eine deutlich andere Situation als nördlich der Donau oder anderswo in der „Festung Europa“ zu diesem Zeitpunkt. Anfangs wollte die „Volksgruppen“-Organisation
unter Branimir Altgayer31 die Flüchtlinge in früher von Serben bewohnten „Kolonistendörfern“ in Ostsyrmien ansiedeln. Doch 1942 erfolgte die „Umsiedlung“ der meisten Bosniendeutschen in das Generalgouvernement, um sie im Rahmen des Generalplans Ost bei Zamość nach Vertreibung der dortigen Bevölkerung „anzusetzen“.
Dieser Plan scheiterte, ab 1943 wurden die Flüchtlinge dann in den größeren deutschen Dörfern Ostslawoniens (um Essegg) und Ostsyrmiens untergebracht, bevor
einige Monate später die Evakuierung nach Deutschland erfolgte.32 Vereinzelt gab es
Deutsche auf Seiten der Partisanen (Thälmann-Bataillon).33
Vertreibung und/oder Lagerhaft
Das Ende der deutschen Minderheiten Jugoslawiens begann mit dem Seitenwechsel
Rumäniens im August 1944. Die sowjetischen Truppen marschierten nun in wenigen
Wochen auf die serbische Grenze vor. Anfangs wollte man in Berlin von einer Evakuierung nach Deutschland nichts wissen, so dass sie nur in sehr unterschiedlichem
Ausmaß gelang. Im Banat zu 10 Prozent, in der Batschka zu 50 Prozent und in Kroatien zu 80 Prozent. Man wird davon ausgehen können, dass einflussreiche Funktionäre, welche die Rache der Sieger zu fürchten hatten, unter den Zurückgeblieben nur
in der Minderheit vertreten waren. Der Roten Armee folgten im Banat und in der
Batschka im Oktober 1944 die jugoslawischen Einheiten hinterher, nach der Besetzung der Ortschaften kam es zu Mordaktionen an wirklichen oder vermeintlichen
„Tätern“, bzw. an der Elite und der Intelligenz. Anfangs standen die Gebiete nördlich
der Donau unter Militärverwaltung, vielerorts eigneten sich Partisanen den zurückgelassenen Besitz wild an. Am 23. November 1944 wurde eine Verordnung zur Beschlagnahme von Feindvermögen erlassen, welche die Enteignung von Kriegsverbrechern
und Personen deutscher Abstammung vorsah, es sei denn, sie hatten in den Reihen
der Volksbefreiungsarmee gekämpft. Die Enteignung umfasste Häuser und Grundstücke, aber auch Schmuck, Urheberrechte etc. Kurz darauf wurde damit begonnen, die
gesamte deutsche Bevölkerung in Teile ehemals deutscher Dörfer wie Jarek und
Rudolfsgnad zu verschleppen und diese in Lager umzuwandeln. Etwa 11.000 Deutsche, überwiegend Frauen, aus der Vojvodina wurden Weihnachten 1944 in die Sowjetunion zur Zwangsarbeit deportiert, erst 1949 wurden sie nach Deutschland entlassen. Allerdings war die Überlebendenquote in den Lagern in Jugoslawien niedriger.
Festgehalten wurden überwiegend Frauen und Kinder, Kriegsverbrecher hingegen
fanden die jugoslawischen Behörden nach eigenen Angaben nur vereinzelt. Nach
Kriegsende entstanden ähnliche Lager auch in Kroatien (u. a. Kerndia). Wie das Gesetz
über Agrarreform und Kolonisation vom 23. August 1945, welches die Verteilung des
enteigneten Besitzes regelte, zeigte, stand hinter der Internierung eindeutig die Absicht
der Vertreibung. Doch dafür hatten die Siegermächte auf der Potsdamer Konferenz
Jugoslawien kein Mandat erteilt, sie schickten 1945/46 die von dort eintreffenden
Transporte wieder zurück in die Lager. Dort waren inzwischen auch jene interniert
worden, die nach Kriegsende in gutem Glauben nach Jugoslawien zurückgekehrt
waren. Da man einerseits die Arbeitskraft der Häftlinge maximal ausnutzen und andererseits möglichst wenig Nahrung und Medikamente zur Erhaltung derselben bereitstellen wollte, kam etwa ein Fünftel der Insassen in der Folgezeit an Hunger und Seuchen um. Besser ging es jenen, die nahe der ungarischen Grenze bei Bauern zur
Zwangsarbeit eingesetzt waren, weil von dort aus massenweise die Flucht gelang. Die
Lager in Kroatien wurden 1946 aufgelöst, vermutlich wohl wegen der größeren familiären Vermischung mit der umwohnenden kroatischen Bevölkerung. Von dort wurde
zumindest niemand in die Sowjetunion verschleppt. Ab 1948 erfolgte die Auflösung
der letzten Lager in der Vojvodina. Die Überlebenden wanderten in den 1950er Jahren
nach Deutschland aus.34
Zoran Janjetović weist darauf hin, dass in Slowenien schon früh eigenständige
Pläne zur Vertreibung der Deutschen vorhanden waren, was die Entschlüsse auf
GAB ES „JUGOSLAWIENDEUTSCHE“?
gesamtjugoslawischer Ebene möglicherweise beeinflusste. Da die Partisanen diese
Teile Jugoslawiens aber erst als letzte im Mai 1945 einnahmen, vollzog sich die Vertreibung dort im Kontext der diversen Morde und Racheakte bei Kriegsende, aber auch in
Zusammenhang mit anderen umfangreichen Fluchtbewegungen, zum Teil noch unter
Tieffliegerbeschuss, in das nahe Österreich. Nach slowenischen Quellen sollen 15.000
bis 16.000 Deutsche geflohen sein, 9.474 wurden ausgesiedelt. Auch hier erfolgten die
Evakuierungsbefehle zu spät, für die Gottscheer sogar erst am letzten Tag des Krieges.
Einige von jenen, denen die Flucht nicht gelang, auch hier vor allem politische Gegner,
wurden hingerichtet und in Karsthöhlen, Wäldern, stillgelegten Bergwerken, zugeschütteten Panzergräben etc. verscharrt. Die Übrigen, darunter die Gottscheer, wurden im Juni 1945 in Lagern wie Sterntal, Tüchern und Schloss Heberstein interniert.
Es herrschte Mangelernährung, zum Teil brachen Seuchen aus. Bis zum Sommer 1946
wurden die Lager geschlossen. Die Slowenien-Deutschen wurden in mehreren Wellen
zwischen September 1945 und Februar 1946 vertrieben. In Abstall wurden die Deutschen am 13. Januar 1946 verhaftet, um sie mit der Bahn nach Wien zu deportieren. In
diesem Fall waren es die Sowjets, die auf eine Rückkehr des Transportes nach Jugoslawien drängten, was eine wochenlange Irrfahrt auslöste. Auffallend sind die großen
Differenzen über die Zahl der Todesopfer, laut dem slowenischen Historiker Dušan
Nećak sollen es 1.000 bis 1.500 Personen sein.35 „Typologisch“ hatte also im slowenischen Fall das Flucht- und Vertreibungsgeschehen unmittelbar bei Kriegsende ein
größeres Gewicht als bei den Donauschwaben, wo eine frühzeitige Evakuierung für
einige mit einer langen Lagerhaft für andere kontrastiert.
Die unterschiedlichen historischen Voraussetzungen und Entwicklungen wirkten
auch nach der Vertreibung fort. So ließen sich die Untersteirer unmittelbar in Österreich nieder, während sie in Deutschland keine Landsmannschaft oder Zeitungen hatten. Die Gottschee-Deutschen folgten nach einem älteren Migrationsmuster zum größeren Teil ihren Landsleuten in die USA. In der Bundesrepublik Deutschland wurden
der Größe entsprechend die Donauschwaben am einflussreichsten. Wie früher waren
die Batschkaer und Banater dominant,36 während die Deutschen aus Kroatien, den
Großstädten und Bosnien weiterhin eine nachgeordnete Rolle spielten. Evangelische
wie Franz Hamm oder Christian Brücker nahmen auch jetzt prominente Positionen
ein. Ein Indiz für die Attitüde zum Staat war die bis in die 1980er Jahre verwendete
Bezeichnung Landsmannschaft der Deutschen aus Jugoslawien, faktisch war dies aber
eine donauschwäbische Organisation, später wurde dann bis in 1990er Jahre die
Bezeichnung Landsmannschaft der Donauschwaben aus Jugoslawien gebraucht.37 Auch
Publikationen trugen Namen wie Jahrbuch der Deutschen aus Jugoslawien, beim
Patenschaftsabkommen mit der Stadt Sindelfingen verpflichtete man sich 1964 gar zur
Pflege „jugoslawiendeutscher Kultur“.38 Nach 1990 wurde indes deutlich, dass sich in
den neugegründeten Staaten Unterschiede ergaben. Zu der weitreichendsten Rehabilitation schien Kroatien bereit, wo die historischen Beziehungen weniger belastet
waren als in Slowenien und Serbien.39 Allerdings hat sich die Debatte nach 2000 in
Serbien sehr entspannt – gemessen an Tschechien und Polen – was wohl, wie früher
schon, am Fehlen eines Territorialkonflikts liegt.40
Zusammenfassung: „Jugoslawiendeutsche“ – analytischer Vergleich und Thesen
Jene politisch-kulturellen Akteure, die nach 1918 für das Konzept einer „deutschen
Minderheit“ eintraten, begegneten, wie in der Einleitung gezeigt, dem neu gegründeten jugoslawischen Staat keineswegs mit grundsätzlicher Ablehnung. Vielmehr verstand man dessen sprachnationalen Einigungsanspruch – wie seit dem 19. Jahrhundert viele Protagonisten dieser Idee – offenbar in einer gewissen Analogie zu den
eigenen deutschnationalen Bestrebungen. Der in den folgenden Jahren immer wieder
beteuerten „staatstreuen“ Ausrichtung des Kulturbundes entsprach das Bestreben seiner Funktionäre, die deutschsprachigen Gruppen dieses Staates zu einer einzigen
Minderheit zusammenfassen zu wollen. Dass dieser Anspruch nach dem Zweiten
Weltkrieg – als Selbstbezeichnung – symbolpolitisch neu auflebte, fällt auf im Ver-
49
50
CARL BETHKE
gleich etwa zu den Sudetendeutschen, wo meines Erachtens ein solcher hinsichtlich
der Tschechoslowakei in der Selbstdarstellung kaum oder gar nicht reklamiert wurde,
obwohl in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg ja eine vergleichbare „Täter“-Konstellation vorlag. Einmal mehr mag man sich daran erinnern, wie jeweils spezifisch sich die
Situation der deutschen Minderheiten in den einzelnen Staaten nach 1918 entwickelte;
und es wäre zur Erklärung vielleicht hinzuzufügen, dass innerhalb der Landsmannschaft der Deutschen „aus Jugoslawien“ tatsächlich die Donauschwaben, zumeist aus
der Vojvodina, dominierten, deren Erfahrungen durch die Nachbarschaft mit den Serben geprägt wurden. Dass man im Kulturbund wie auch in der Selbstdarstellung der
Vertriebenenverbände und Landmannschaften dem jugoslawischen Gedanken keineswegs die Legitimation absprach, sollte im Übrigen auch ideengeschichtlich nicht
allzu sehr verwundern, denn der Jugoslawismus war historisch nichts weniger – und
nichts mehr – als eine weitere Form der sprachnationalistischen Pan-Bewegungen im
Mitteleuropa des 19. Jahrhunderts; die Assoziation mit Tito und Kommunismus hingegen stellte sich für die im Königreich Jugoslawien sozialisierte Generation weniger
automatisch ein, als es den Nachgeboren heute scheint. Der Vergleich mit Jugoslawien
mag darauf verweisen, dass für den relativen Erfolg der Nationalbewegung in Deutschland bzw. im binnendeutschen Raum im 19. Jahrhundert keineswegs nur die Sprache
allein entscheidend war. Vielmehr hat sich die Nationalbewegung dort ebenso regelmäßig auch über ein bestimmtes Set an imperialen Narrativen, Symbolen und Institutionen (Kaiser und Reich, Deutscher Bund etc.) historisch legitimiert. Dazu aber gab
es im Fall des jugoslawischen Nationsbildungsprojektes keine wirkliche Entsprechung,
der Glaube an eine gemeinsame mittelalterliche oder frühneuzeitliche Geschichte
konnte hier kaum plausibel und erfolgreich gemacht werden.
Allerdings: In der Praxis stieß auch bei der deutschen Minderheit die von den
Funktionären angestrebte Herausbildung einer gemeinsamen Gruppenidentität als
„Deutsche in Jugoslawien“ an gewisse Grenzen, schon wegen der geografischen Entfernung zwischen den kulturell und sozial so unterschiedlichen Gruppen von Deutschen in den verschieden geprägten Landesteilen. Heute agieren die Organisationen
der Donauschwaben, Gottscheer und Untersteirer wohl punktuell einmal als Verbündete, aber ansonsten eigenständig und getrennt. Diese Trennung ist nicht nur kulturell
bedingt, vielmehr basiert sie auch auf unterschiedlichen Erfahrungen und Interessen.
Typologisch lässt sich das Modell einer wegen der Rivalität um Territorium weitaus
konfliktträchtigeren „Grenzlandminderheit“ in der Untersteiermark ziemlich klar von
den auf Auswanderung zurückgehenden Diaspora-Situationen bei den Donauschwaben, in Bosnien und in der Gottschee unterscheiden. Daraus folgten, trotz des gemeinsamen Staates und eines zeitbedingt sehr „gesamtdeutschen“ Bewusstseins der politischen Akteure, verschiedene, ja entgegengesetzte Reaktionen auf die 1918 neu
entstandene Situation und unterschiedliche Erwartungen an die Zukunft. Der Kulturbund als gemeinsames Dach konnte die gewachsenen Identitäten und Interessen
lediglich eine Zeit lang überwölben, aber nicht auflösen. Die Modelle „Grenzland“ und
„Volksgruppe“ bewirkten zudem auch unterschiedliche Politiken des „Mutterlandes“
in der Zeit des Zweiten Weltkrieges und blieben in veränderter Form auch nach 1945
sichtbar. Für die subjektive Konstitution als „Grenzlandminderheit“ mit Revisionsanspruch scheinen andererseits die objektiven Unterschiede an Mehrheitsverhältnissen
und geografischer Lage zwischen dem Abstaller Feld einerseits (mit klarer deutscher
Mehrheit) und den Städten der Untersteiermark andererseits, nicht wirklich entscheidend gewesen zu sein. Das dürfte an der Wirkungsmacht eines historischen Narrativs
gelegen haben, welches die ganze Untersteiermark, selbst dort, wo sie von Slowenen
bewohnt wurde, als deutschen „Kulturboden“ reklamierte. Freilich dürfte dieses Konstrukt deswegen plausibel bzw. opportun erschienen sein, weil es überkommene soziokulturelle Machtverhältnisse verschlüsselte bzw. diese in ihm diskursiv weiterwirkten.
Die Vielfalt der historischen und sozialen Situationen erlaubte es, durch Vergleich
der hier untersuchten Gruppen jene Faktoren näher zu bestimmen, welche einer Assimilation entgegenstanden oder sie beschleunigten: Für die Konservierung ethnischer
GAB ES „JUGOSLAWIENDEUTSCHE“?
Identität scheint unter Vojvodina-Schwaben sowie Untersteirern erstens die privilegierte ökonomische Lage der Eliten eine wichtige, wenn auch für sich nicht hinreichende Grundlage gewesen zu sein. Dies gilt, insbesondere mit Blick auf den politischkulturellen Aktivismus, im Vergleich zu den ärmeren Gruppen der Deutschen in
Kroatien, Bosnien und der Gottschee. Dass die Donauschwaben dabei die führende
Rolle einnahmen, lag zweitens sicher auch an ihrer Zahl; wobei die politische Bedeutung der Untersteirer im Vergleich zu den numerisch wesentlich stärkeren Deutschen
Kroatiens zeigt, wie kontextgebunden und relativ die Bedeutung der numerischen
Größe einer Minderheit sein kann. Die Bosniendeutschen waren demgegenüber
gering an Zahl und darüber hinaus oft auch wirtschaftlich nicht sehr stark. Bei ihnen
war es drittens vor allem das konfessionelle Eigenleben im Rahmen der evangelischen
Kirche, welches gerade in der dortigen Umgebung einen Faktor bei der Stabilisierung
der Gruppenidentität darstellte – im Vergleich etwa zu den stärker assimilierten, meist
katholischen Deutschen in Kroatien. Freilich waren letztlich beide politisch tonangebenden deutschen Gruppen, Untersteirer wie Vojvodina-Schwaben, mehrheitlich
katholisch, so dass der Faktor Konfession und Nationalismus gerade bei den Deutschen nicht überschätzt werden sollte. Viertens wird für die Bewahrung der ethnischen Eigenart z. B. bei den Gottscheedeutschen trotz bescheidener Lebensverhältnisse und katholischer Konfession die kompakte Siedlungslage ein Faktor gewesen
sein. Eine ähnliche Situation wie dort hätte in der Untersteiermark wie in der Vojvodina eine deutliche andere politische Ausgangslage geschaffen.
Schließlich und fünftens aber ist auch festzustellen, dass letztlich keiner dieser Faktoren bzw. die „typologischen“ und soziokulturellen Unterschiede den Untergang der
so verschiedenen deutschen Gruppen am Ende des Zweiten Weltkriegs verhinderten.
Auch die oben postulierte Unterscheidung von Grenzland und Diaspora hat dafür
letztlich keine Rolle gespielt. Vielmehr lag die relative Gleichförmigkeit des Schicksals
dieser Gruppen in der Veränderung des Verhältnisses zu den andersethnischen Nachbarn ab 1941 und den totalitären Regimen begründet. Denn wie immer man die
Ereignisse in den Jahren 1945 bis 1948 erklärt und einschätzt, es dürfte feststehen, dass
wohl keine Minderheit ohne ein gedeihliches Zusammenleben mit der Umgebung
und den Nachbarn überleben kann, unabhängig davon, wie sozial vielfältig und historisch unterschiedlich die Voraussetzungen und Bedingungen ansonsten auch gewesen
sein mögen.
1
2
http://www.dlib.si/?URN=URN:NBN:SI:DOC-BL1NBX1R; auf dem Server der slowenischen
Nationalbibliothek http://www.dlib.si/browse/besedila u. a. die beiden wichtigsten Zeitungen der
Deutschen aus Slowenien, die Mariborer/Marburger Zeitung sowie die Cillier bzw. Deutsche Zeitung, online.
Der folgende Beitrag versteht sich als Synthese bzw. Vergleich der Forschungsergebnisse zu Deutschen in einzelnen Teilregionen. Zu den historisch und geografisch breiter kontextualisierten
Darstellungen gehören u. a.: Zoran Janjetović, Nemci u Vojvodini [Die Deutschen in der Vojvodina], Beograd 2009; Günter Schödl (Hg.), Land an der Donau (Deutsche Geschichte im Osten
Europas 5), Berlin 2002; für Kroatien und Bosnien: Goran Beus-Richembergh, Nijemci, Austrijanci i Hrvati. Prilozi za povijest njemačko-austrijske nacionalne manjine u Hrvatskoj i Bosni i
Hercegovini [Deutsche, Österreicher und Kroaten. Beiträge zur Geschichte der deutsch-österreichischen Minderheiten in Kroatien und Bosnien-Herzegowina], Zagreb/Sarajevo 2010; Valentin
Oberkersch, Die Deutschen in Syrmien, Slawonien, Kroatien und Bosnien. Geschichte einer
deutschen Volksgruppe in Südosteuropa, München 1989 (vor allem ab 1918); Slowenien: Arnold
Suppan (Hg.), Zwischen Adria und Karawanken (Deutsche Geschichte im Osten Europas 8), Berlin 2002; Harald Heppner (Hg.), Slowenen und Deutsche im gemeinsamen Raum. Neue Forschungen zu einem komplexen Thema, München 2002; Helmut Rumpler und Arnold Suppan
(Hg.), Geschichte der Deutschen im Bereich des heutigen Slowenien 1848 –1941, Wien/München
1988; Ernst Hochberger, Anton Scherer und Friedrich Spiegel-Schmidt, Die Deutschen zwischen
Karpaten und Krain, München 1994.
51
52
CARL BETHKE
3
Eduard G. Staudinger, Von der Mehrheit zur Minderheit. Die deutschsprachige Bevölkerung des
Abstaller Feldes im 19. und frühen 20. Jahrhundert, in: Harald Heppner (Hg.), Slowenen und
Deutsche im gemeinsamen Raum, S. 96 –111; Franz-Josef Schober, Vom Leben an der Grenze,
Bad Radkersburg 2009.
4 Tamara Griesser-Pečar, Maribor, Marburg an der Drau. Eine kleine Stadtgeschichte. Wien/Köln/
Weimar 2011, S. 156 –172; Janez Cvirn, Das Cillier Deutschtum und das Problem der nationalen
Identität, in: Feliks J. Bister und Peter Vodopivec (Hg.), Kulturelle Wechselseitigkeit in Mitteleuropa. Deutsche und slowenische Kultur im slowenischen Raum vom Anfang des 19. Jahrhunderts
bis zum Zweiten Weltkrieg, Ljubljana 1995, S. 155–164.
5 Joachim Hösler, Geschichte – Selbstverständnis – Außenwahrnehmung, in: Mitja Ferenc und
Joachim Hösler (Hg.), Spurensuche in der Gottschee. Deutschsprachige Siedler in Slowenien,
Potsdam 2011, S. 13–39, hier u. a. S. 14, S. 20 ff., S. 24 f.
6 Zur Struktur der Deutschen im damaligen Ungarn jetzt: Gerhard Seewann, Geschichte der Deutschen in Ungarn, Bd. 2.: 1860 – 2006, München 2012, S. 71–113; vgl. Ingomar Senz, Wirtschaftliche Autarkie und politische Entfremdung 1806 bis 1918, München 1997.
7 Oberkersch, Die Deutschen in Syrmien, Slawonien, Kroatien und Bosnien, S. 12 –32; v. a. auch
zur Situation in den Städten: Wolfgang Kessler, Aus der Dominanz in die Marginalität. Zur deutschen Sprache in Kroatien im 19. Jahrhundert, in: Deutsche Ostkunde 32 (1986), S. 67–79.
8 Nach Akten des Gustav-Adolf-Werks im Evangelischen Zentralarchiv Berlin: Carl Bethke, Deutsche „Kolonisten“ in Bosnien. Vorstellungswelten, Ideologie und soziale Praxis in Quellen der
evangelischen Kirche, in: Bosna i Hercegovina u okviru Austro-Ugarske 1878 –1918 [BosnienHerzegowina im Rahmen Österreich-Ungarns 1878 –1918], Zbornik radova. Filozofski Fakultet
(Hg.), Sarajevo 2011, S. 235–266; Amila Kasumović, Modaliteti eksterne kolonizacije u Bosni
1890–1914. Case study za njemačke erarne kolonije [Modalitäten der externen Kolonisation in
Bosnien 1890–1914. Case study für die deutschen Ärarkolonien], in: Prilozi 38 (2009), S. 81–120;
im Überblick bei Oberkersch, Die Deutschen in Syrmien, Slawonien, Kroatien und Bosnien,
S. 32 –39, S. 130 f., S. 143, S. 164.
9 Martin Moll, Kein Burgfrieden. Der deutsch-slowenische Nationalitätenkonflikt in der Steiermark 1900 –1918, Innsbruck 2007; Suppan, Zwischen Adria und Karawanken, S. 317– 348; zu den
Anfängen deutschnationaler Mobilisierung in Ungarn: Seewann, Geschichte der Deutschen in
Ungarn, S. 122 –145; ebd., S. 145 z. B. eine Äußerung Bismarcks, in der er sich gegen eine Unterstützung ungarndeutscher Interessen aussprach.
10 Zur Zwischenkriegszeit bei der deutschen Minderheit insgesamt: Carl Bethke, Deutsche und
ungarische Minderheiten in Kroatien und der Vojvodina 1918 –1941. Identitätsentwürfe und ethnopolitische Mobilisierung, Wiesbaden 2009; Johann Böhm, Die Deutsche Volksgruppe in Jugoslawien 1918 –1941. Innen- und Außenpolitik als Symptome des Verhältnisses zwischen deutscher Minderheit und jugoslawischer Regierung, Frankfurt am Main 2009; Zoran Janjetović,
Deca careva, pastorčad kraljeva. Nacionalne manjine u Jugoslaviji 1918 –1941 [Kinder der Kaiser,
Stiefkinder der Könige. Nationale Minderheiten in Jugoslawien 1918 –1941], Beograd 2005;
Georg Wildmann, Die Tragödie der Selbstbehauptung im Wirkfeld des Nationalismus der Nachfolgestaaten 1918 –1944 (Donauschwäbische Geschichte 3), München 2010, S. 471– 605; Slowenien: Arnold Suppan, Jugoslawien und Österreich 1918 –1938. Bilaterale Außenpolitik im europäischen Umfeld, Wien 1996; Dušan Nećak, Die „Deutschen“ in Slowenien (1918 –1955). Kurzer
Abriss, Ljubljana 1998 (http://wff1.ff.uni-lj.si/oddelki/zgodovin/wwwrepe/DIE%20DEUTSCHEN%20IN%20SLOWENIEN%201918%201955.pdf); Mitja Ferenc und Božo Repe, Die
deutsche Minderheit in Slowenien in der Zwischenkriegszeit, in: Slowenisch-Österreichische
Beziehungen im 20. Jahrhundert, Ljubljana 2004, S. 161–176 (http://www.sistory.si/publikacije/
prenos/?target=pdf&urn=SISTORY:ID:26834#page=491); Mitja Ferenc, Für immer untergegangen? Die Gottscheer im 20. Jahrhundert, in: Mitja Ferenc und Joachim Hösler (Hg.), Spurensuche
in der Gottschee. Deutschsprachige Siedler in Slowenien, Potsdam 2011, S. 41– 91; Oberkersch,
Die Deutschen in Syrmien, Slawonien, Kroatien und Bosnien, S. 177– 364.
11 Die Zahlen sind der jugoslawischen Volkszählung von 1921 entnommen. Die Begriffe Vojvodina
und Kroatien werden demnach im Sinne der historischen und nicht der heutigen Staatsgrenzen
verwendet, also Vojvodina als die ehemals ungarischen Gebiete Batschka, Baranja und Banat,
und Kroatien im Sinne des Königreichs Kroatien-Slawonien, also mit Ost-Syrmien, vgl. Kraljevina Jugoslavija: Definitivni rezultati popisa stanovništva od 31 januara 1921 god. [Königreich
Jugoslawien: endgültige Resultate der Volkszählung vom 31. Januar 1921], Sarajevo 1932 (http://
www.sistory.si/publikacije/prenos/?urn=SISTORY:ID:4758).
12 Zu Parteien: Bethke, Deutsche und ungarische Minderheiten, S. 287–296; Böhm, Die Deutsche
Volksgruppe in Jugoslawien, S. 74 –106; Slowenien: Nećak, Die „Deutschen“ in Slowenien, S. 12;
Suppan, Jugoslawien und Österreich 1918 –1938, S. 695 ff.; Vasilij Melik, Die Deutschen und die
Wahlen im jugoslawischen Slowenien zwischen den beiden Weltkriegen, in: Helmut Rumpler
und Arnold Suppan (Hg.), Geschichte der Deutschen im Bereich des heutigen Slowenien
1848 –1941, Wien/München 1988, S. 248 –254.
GAB ES „JUGOSLAWIENDEUTSCHE“?
13 Bethke, Deutsche und ungarische Minderheiten, u. a. S. 187–191, S. 228 –236, S. 272 – 287, S. 315 ff.,
S. 187–191; Oberkersch, Die Deutschen in Syrmien, Slawonien, Kroatien und Bosnien, S. 197 f.,
S. 282 f.; Slowenien: Arnold Suppan, Deutsche und österreichische Kultur zwischen den beiden
Weltkriegen, in: Feliks J. Bister und Peter Vodopivec (Hg.), Kulturelle Wechselseitigkeit in Mitteleuropa. Deutsche und slowenische Kultur im slowenischen Raum vom Anfang des 19. Jahrhunderts bis zum Zweiten Weltkrieg, Ljubljana 1995, S. 21– 34; Griesser-Pečar, Maribor, S. 229 – 234.
14 Einige Materialien von 1931–1935 aus Ortsgruppen in Slowenien sind im Fond Kulturbund des
Staatsarchivs Osijek (Državni Arhiv Osijek), z. B. Ortsausschuss Maribor, Bericht 1931.
15 Bethke, Deutsche und ungarische Minderheiten, S. 345–351; s. z. B.: Aufzeichnung des Vortragenden Legationsrates Reinebeck, Bericht über die am Rande der Völkerbundtagung geführten
Gespräche zwischen Kraft, Marinković und Stresemann über die Lage der deutschen Minderheit
in Jugoslawien, 20.9.1929, in: Akten zur deutschen Auswärtigen Politik, Ser. B. Bd. XIII, Göttingen 1979, Nr. 29. Die Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik („ADAP“) jetzt online unter
http://digi20.digitale-sammlungen.de; zum Streitfall um das „Deutsche Haus“ in Cilli u. a.: Suppan, Jugoslawien und Österreich 1918 –1938, S. 801– 808.
16 Bethke, Deutsche und ungarische Minderheiten, S. 387– 392; Elizabeth Harvey, Mobilisierung
oder Erfassung? Studentischer Aktivismus und deutsche „Volkstumsarbeit“ in Jugoslawien und
Rumänien 1933 –1941, in: Carola Sachse (Hg.), „Mitteleuropa“ und „Südosteuropa“ als Planungsraum. Wirtschafts- und kulturpolitische Expertisen im Zeitalter der Weltkriege, Göttingen 2010,
S. 363 – 390.
17 Suppan, Jugoslawien und Österreich 1918 –1938, S. 701 ff., S. 1009; Nećak, Die „Deutschen“ in Slowenien, S. 14; Bethke, Deutsche und ungarische Minderheiten, S. 381– 387; zum Folgenden in der
Vojvodina u. a.: Zoran Janjetović, Die Donauschwaben in der Vojvodina und der Nationalsozialismus, in: Mariana Hausleitner und Harald Roth (Hg.), Der Einfluss von Faschismus und Nationalsozialismus auf Minderheiten in Ostmittel- und Südosteuropa. München 2006, S. 219 – 235; Dušan
Biber, Nacizem in Nemci v Jugoslaviji [Der Nationalsozialismus und die Deutschen in Jugoslawien],
Ljubljana 1966 (http://www.sistory.si/publikacije/prenos/?urn=SISTORY:ID:9165).
18 Ignác Romsics, Hungary in the Twentieth Century, Budapest 1999, S. 196 ff.; Seewann, Geschichte
der Deutschen in Ungarn, S. 217 f.; vgl. Tagesbericht über die Unterredung zwischen dem deutschen Außenminister Neurath, dem ungarischen Ministerpräsidenten Darányi und Außenminister
Kánya, Budapest, 13. Juni 1937 (http://www.forost.ungarisches-institut.de/pdf/19370613-1.pdf);
das Ungarische Institut München stellt online zur Verfügung Quellen und Materialien zur Beziehungs- und Integrationsgeschichte in Ostmittel- und Südosteuropa im 20. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung Ungarns, der Minderheitenfrage und der europäischen Integration. Die Quellen
stammen z. B., wie in diesem Fall, aus der Edition Allianz Hitler Horthy Mussolini, Budapest 1966
oder den Meldungen aus dem Reich (SD-Berichte), in denen es oft auch um „Volksdeutsche“ ging.
19 John R. Lampe, Balkans into Southeastern Europe. A Century of War and Transition, Basingstoke
2006, S. 133 –140; zu Diskursen und Konzepten: Carola Sachse (Hg.), „Mitteleuropa“ und „Südosteuropa“ als Planungsraum. Wirtschafts- und kulturpolitische Expertisen im Zeitalter der
Weltkriege, Göttingen 2010; Carl Freytag, Deutschlands „Drang nach Südosten“. Der Mitteleuropäische Wirtschaftstag und der „Ergänzungsraum Südosteuropa“ 1931–1945, Göttingen 2010; zu
den NS-Flüchtlingen: Suppan, Jugoslawien und Österreich 1918 –1938, S. 421– 437.
20 Bethke, Deutsche und ungarische Minderheiten, S. 381– 505; Böhm, Die Deutsche Volksgruppe
in Jugoslawien, S. 197– 277; Janjetović, Nemci u Vojvodini, S. 220 – 230; Oberkersch, Die Deutschen in Syrmien, Slawonien, Kroatien und Bosnien, S. 228 – 251, 288; zur Gottschee: Ferenc, Für
immer untergegangen? Die Gottscheer im 20. Jahrhundert, S. 53–56; In der Gottschee wurden
die Erneuerer von dem 1939 erst 23-jährigen Wilhem Lampeter angeführt, der nach dem Krieg
in der DDR/Leipzig Professor für Agrarwissenschaften wurde. Dr. Gerd Simon, Tübingen, hat auf
seiner Homepage eine Darstellung Lampeters von ca. 1942 verlinkt aus BA (Bundesarchiv) NS
21/ 820 + Slg Schumacher 343, Titel: Die Gottscheer Volksgruppe 1930 –1942. Darin schildert
Lampeter die Auseinandersetzungen mit den konservativen Vertretern der Kulturbundleitung in
der Gottschee um Hans Arko und den Pfarrer Josef Eppich aus seiner damaligen (SS-)Sicht
(http://homepages.uni-tuebingen.de/gerd.simon/gottschee.pdf).
21 Über die Nazifizierung in Slowenien: Suppan, Zwischen Adria und Karawanken, S. 380–390;
Janjetović, Deca careva, pastorčad kraljeva, S. 310; M. Ferenc-Repe, Die deutsche Minderheit in
Slowenien in der Zwischenkriegszeit, S. 175; Nećak, Die „Deutschen“ in Slowenien, S. 15; Schober,
Vom Leben an der Grenze, S. 191; Stefan Karner: Deutsche Positionen in der slowenischen Wirtschaft am Vorabend der Okkupation (1939/40), in: Festschrift Othmar Pickl zum 60. Geburtstag,
Graz 1987, S. 257– 282; zum Südostdeutschen Institut: Christian Promitzer, Täterwissenschaft:
Das Südostdeutsche Institut in Graz, in: Südostforschung im Schatten des Dritten Reiches. Institutionen – Inhalte – Personen, München 2004, S. 93 –114.
22 Die Bundesarchiv-Findbücher der VoMi (BA R 57) sowie anderer relevanter Institutionen (Prinz
Eugen-Division etc.) sind seit ca. 2011 inzwischen zunehmend online recherchierbar (http://startext.net-build.de:8080/barch/MidosaSEARCH/R-59-44715/index.htm). Für die Zeit vor 1941
scheinen die VoMi-Bestände leider nicht ergiebig bzw. nicht vorhanden zu sein.
53
54
CARL BETHKE
23 Ortsgruppe Maribor des Schwäbisch-Deutschen Kulturbundes. Der Verlauf der gestrigen Gründungsversammlung, in: Mariborer Zeitung, 10.11.1939 (http://www.dlib.si/?URN=URN: NBN:SI:
DOC-NCA3BPWQ).
24 Bethke, Deutsche und ungarische Minderheiten, S. 558 – 624; weitere Beispiele zur NS-Gleichschaltung bei Böhm, Die Deutsche Volksgruppe in Jugoslawien, u. a. S. 302; zu Kroatien aus Sicht
der Behörden: Nikica Barić, Njemačka manjina u dokumentima banskih vlasti Banovine Hrvatske 1939.–1941. [Die deutsche Minderheit in Dokumenten der Banschaftsbehörden der Banschaft Kroatien 1939 –1941], in: Časopis za suvremenu povijest [Zeitschrift für Zeitgeschichte]
2 (2002), S. 435 – 470.
25 Suppan, Zwischen Adria und Karawanken, S. 406 – 415; Oliver von Wrochem (Hg.), Machen Sie
mir dieses Land wieder deutsch. Nationalsozialistische Germanisierungspolitik und ihre Folgen.
Das Beispiel Slowenien, Hamburg 2010; Tone Ferenc (Hg.), Quellen zur nationalsozialistischen
Entnationalisierungspolitik in Slowenien 1941 bis 1945, Maribor 1980 (http://www.karawankengrenze.at/ferenc/index.php?r=documentlist); zur Bürgerkriegsthematik und Kollaboration besonders: Tamara Griesser-Pečar, Das zerrissene Volk. Slowenien 1941–1946. Okkupation, Kollaboration, Bürgerkrieg, Revolution, Wien 2003. Diverse gedruckte jugoslawische und deutsche Quellen
und Memoiren sowie Wehrmachts-Akten zum Zweiten Weltkrieg in Jugoslawien finden sich bei
www.znaci.net.
26 Krisztián Ungváry, Vojvodina under Hungarian Rule, in: Sabrina P. Ramet und Ola Listhaug
(Hg.), Serbia and the Serbs in World War Two, Basingstoke 2011, S. 70 – 89; diverse Einzelheiten
zur politischen Situation auch bei Enikö A. Sajti, Hungarians in the Voivodina, New York 2003,
S. 191– 402, u. a. 201 f.; zum Einmarsch und zur Verwaltung: Wildmann, Die Tragödie der Selbstbehauptung im Wirkfeld des Nationalismus, S. 736 ff.
27 Josip Mirnić, Nemci u Bačkoj u drugom svetskom ratu [Die Deutschen in der Batschka im Zweiten Weltkrieg], Novi Sad 1974, hier S. 207 ff.; Seewann, Geschichte der Deutschen in Ungarn,
S. 292 f.; Artikel von Berenz aus der Zeitung Die Donau finden sich abgedruckt in: Weitblick eines
Donauschwaben. Dokumentation eines Abwehrkampfes 1935–1944, gegen nationalsozialistische
Einflüsse unter den Donauschwaben in Jugoslawien und Ungarn, im Wochenblatt für das katholische Deutschtum Jugoslawiens und Ungarns Die Donau, erschienen in Apatin (Batschka), Jugoslawien, ab 1941 Ungarn. Dieterskirch 1968.
28 Akiko Shimizu, Die deutsche Okkupation des serbischen Banats 1941–1944 unter besonderer
Berücksichtigung der deutschen Volksgruppe in Jugoslawien, Münster 2003, S. 175–182, S. 245–295;
Johann Böhm, Die deutschen Volksgruppen im Unabhängigen Staat Kroatien und im serbischen
Banat. Ihr Verhältnis zum „Dritten Reich“ 1941–1944, Frankfurt am Main 2012.
29 Thomas Casagrande, Die volksdeutsche SS-Division „Prinz Eugen“. Die Banater Schwaben und
die nationalsozialistischen Kriegsverbrechen, Frankfurt am Main 2003, u. a. S. 191, S. 267.
30 Holm Sundhaussen, Unabhängiger Staat Kroatien, in: Edgar Hösch, Karl Nehring und Holm
Sundhaussen, Lexikon zur Geschichte Südosteuropas, Wien/Köln/Weimar 2004, S. 707 f.
31 Überblick zur „Volksgruppe”: Mario Jareb, The History of the German Ethnic Group in the Independent State of Croatia, in: Review of Croatian History 1 (2007), S. 201– 217.
32 Carl Bethke, Von der „Umsiedlung“ zur „Aussiedlung“: Zur destruktiven Dynamik „ethnischer
Flurbereinigung“ am Beispiel der Deutschen in Bosnien und Kroatien 1941–1948, in: Mariana
Hausleitner (Hg.), Vom Faschismus zum Stalinismus. Deutsche und andere Minderheiten in
Ostmittel- und Südosteuropa 1941–1953, München 2008, S. 23–39; dort auch zu Hitlers Rede
vom 6.10.1939 und den von mir untersuchten Wirkungen, S. 26 f.; u. a. Böhm, Die deutschen
Volksgruppen im Unabhängigen Staat Kroatien und im serbischen Banat, S. 229, argumentiert
bei der „Umsiedlung“ auf Grundlage allein der Berliner Akten meines Erachtens zu „intentionalistisch“, während Kenner des Kriegsgeschehens wie Enver Redžić, Bosnia and Hercegovina
in the Second World war, London 2001, S. 30 ff., die Evakuierung im Vordergrund sehen. In
den Akten der Volksgruppen-Führung im Staatlichen Archiv Osijek wie auch im 2012 von mir
durchgesehenen Bestand des Landwirtschaftsamts der Volksgruppe im Archiv in Slavonski
Brod (Centar za povijest Slavonije i Baranje, Fond Njemacka narodna skupina, Kutija 174) ist
ab 1941/42 von „Evakuierung“ und deutschen „Flüchtlingen“ aus Bosnien die Rede, vgl. Presseartikel wie z. B. „‚Wir fühlen uns wie zu Hause’. Besuch bei unseren Flüchtlingen. Verständnis
und Entgegenkommen der Gastgeber“, in: Volk an der Grenze (Ruma), ca. 22.8.1942, dort
heißt es u. a.: „Keiner trennt sich leicht von seiner Heimat, aber keiner will unter der ewigen
Bedrohung von Gut und Leben auf die Dauer sein Leben fristen“. Es gab dem Artikel nach bei
der Volksgruppen-Organisation sogar bereits damals einen „Beauftragten für die Flüchtlingsbetreuung“, einen gewissen Mundweil. Zu den Evakuierungen aus Slawonien siehe auch s. a.
Marica Karakaš Obradov, Migracije njemačkog stanovništva na hrvatskom području tijekom
Drugoga svjetskog rata i poraća [Migrationen der deutschen Bevölkerung auf kroatischem
Gebiet während des Zweiten Weltkriegs und der Nachkriegszeit], in: Scrinia Slavonica 12,1 (2012),
S. 271–294, hier zumal S. 272–275 (http://hrcak.srce.hr/index.php?show=clanak&id_clanak_
jezik=130506); Oberkersch, Die Deutschen in Syrmien, Slawonien, Kroatien und Bosnien,
S. 387–397.
GAB ES „JUGOSLAWIENDEUTSCHE“?
33 In den 1960er Jahren eignete sich die DDR-Diplomatie die Thälmann-Partisanen erinnerungspolitsch an, s. dazu noch Heinz Kühnrich und Franz-Karl Hitze, Deutsche bei Titos Partisanen
1941–1945. Kriegsschicksale auf dem Balkan in Augenzeugenberichten und Dokumenten.
Schkeuditz 1997. Es gibt auch einen Spielfilm (DDR/Jugoslawien 1989) zu dieser Thematik „Lass
mich doch eine Taube sein“, nach dem Roman von Wolfgang Held (http://www.progress-film.de/
de/filmarchiv/film.php?id=1380&back=true).
34 Michael Portmann, Die kommunistische Revolution in der Vojvodina 1944 –1952. Politik,
Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur, Wien 2008; wertvoll zumal zu den außenpolitischen Einflüssen:
Zoran Janjetović, Between Hitler and Tito. The Disappearance of the Vojvodina Germans, Belgrade 2000, hier S. 295–310; Edition jugoslawischer Akten u. a. zum Vertreibungsgeschehen für
Kroatien: Mato Artuković, Zdravko Dizdar, Vladimir Geiger et al. (Red.): Partizanska i
komunistička represija i zločini u Hrvatskoj 1944 –1946. Dokumenti [Repression und Verbrechen
der Partisanen und Kommunisten 1944 –1946. Dokumente], Slavonski Brod 2005; Bd. 2: Slavonija,
Srijem i Baranja, ebd. 2006; von Vladimir Geiger auch diverse Aufsätze und Monografien u.a. zu
einzelnen Lagern, z. B.: Logor Krndija 1945.–1946., ebd. 2008; in englischer und deutscher Sprache
u. a.: ders., Prisoners and Victims of the Communist Internment Camp “Krndija”, 1945 –1946
(http://www.hrastovac.net/historical/Krndija-Logor.htm); ders., Bosnia and Herzegovina’s Ethnic
German Human Losses during WWII and Thereafter (October 2013) (http://www.hrastovac.net/
historical/Geiger,Bosnia‘s-DS-losses.htm); ders.: Volksdeutsche-Fatum der kollektiven Schuld, in:
Review of Croatian History 1 2005, S. 211–226 (http://hrcak.srce.hr/file/35408); die ältere deutsche Literatur hierzu beruht vor allem auf Befragungen im Rahmen der sogenannten Ost- Dokumentation, welche im Verlauf der 1950er Jahre zu den meisten Orten in der Vojvodina und Slawonien in Deutschland durchgeführt wurden. Dieses Material befindet sich in der Außenstelle
des Bundesarchivs in Bayreuth.
35 Janjetović, Between Hitler and Tito, S. 111 f.; Suppan, Zwischen Adria und Karawanken,
S. 415– 422; Schober, Vom Leben an der Grenze, S. 199 f.; Nećak, Die „Deutschen“ in Slowenien,
S. 25– 43; ders., Zwangsmigrationen im slowenischen Raum während des Zweiten Weltkrieges
und in der unmittelbaren Nachkriegszeit, in: Sabine Rutar und Rolf Wörsdorfer (Hg.), Sozialgeschichte und soziale Bewegungen in Slowenien, Essen 2009, S. 127–145 (Mitteilungsblatt des Instituts für soziale Bewegungen 41 [2009]); Stefan Karner, Die deutschsprachige Volksgruppe in
Slowenien. Aspekte ihrer Entwicklung 1939 –1997, Klagenfurt 1998, S. 132 –149; die Entdeckung
immer neuer Massengräber aus dieser Zeit im Karst gehört heute zu den Eigenheiten der Aufarbeitung des Leninismus in Slowenien. Mitja Ferenc, Mitglied der staatlichen Untersuchungskommission, veröffentlichte u. a: Secret World War two mass graves, in: Crimes committed by totalitarian regimes. Reports and proceedings of the 8. April European Public Hearing on Crimes
Committed by Totalitarian Regimes. Ed. Peter Jambrek, published by the Slovenian Presidency of
the Council of the European Union, Ljubljana 2008, S. 155–160, (http://www.mp.gov.si/fileadmin/
mp.gov.si/pageuploads/mp.gov.si/PDF/poprava_krivic/Crimes_committed_by_Totalitarian_
Regimes.pdf).
36 In dem Band von Michael Schwartz, Funktionäre mit Vergangenheit. Das Gründungspräsidium
des Bundes der Vertriebenen und das „Dritte Reich“, München 2013, geht es u. a. um Josef Trischler aus der Batschka: Trischler war ab 1938 für das Kulturbund-Netzwerk im jugoslawischen und
während der Kriegszeit auch im ungarischen Parlament Abgeordneter – eine „Karriere“, die er
1949 im Bundestag und später im Rahmen der Landsmannschaft der Deutschen aus Jugoslawien
fortsetzte. Obwohl er selbst katholisch war, war ihm dabei indirekt die Unterstützung des Batschkaers Franz Hamm hilfreich, der wiederum in die kirchlichen Netzwerke der evangelischen Kirche eingebunden war. Ebd., u. a. S. 461 f. Untersteirer und Gottschee-Deutsche waren dagegen im
Bund der Vertriebenen nahezu unbedeutend.
37 Z. B. Landsmannschaft der Donauschwaben aus Jugoslawien, Geschichte, Gegenwart und Kultur
der Donauschwaben, Sindelfingen 1991; vgl. auch das heute noch bestehende Hilfskomitee für die
deutsche Evangelische Landeskirche aus dem ehemaligen Jugoslawien (http://www.ev-ostkirchen.
de/12.html).
38 Richtlinien zur Übernahme einer Patenschaft für die Landsmannschaft der Donauschwaben aus
Jugoslawien durch die Stadt Sindelfingen vom 23.5.1964 unter http://www.sindelfingen.de/site/
Sindelfingen-Internet/get/4154524/StadtrechtSifi-03-03-RichtlinienPatenschaftDonauschwabe
n.d-205.pdf; Jugoslawien und die Bundesrepublik Deutschland hatten zu diesem Zeitpunkt keine
diplomatischen Beziehungen!
39 Kroatische Regierung will Entschädigungen an Österreicher zahlen, 2.12.2005, Deutsche Welle
(http://www.vifaost.de/texte-materialien/aktuelle-berichte/dw-ostfokus/?do=detail&id=
pan@0080624609); zum derzeitigen Stand von Rehabilitierung und Restitution in den einzelnen
Staaten siehe z. B. die Website des österreichischen Außenministeriums: http://www.bmeia.gv.at/
reise-aufenthalt/buergerservice-schutz-hilfe/vermoegensfragen.
40 Siehe das deutsch-serbische Ausstellungsprojekt Daheim an der Donau. Zusammenleben von Deutschen und Serben in der Vojvodina, Ausstellungskatalog, hrsg. von Christian Glass und Vladimir
Mitrović, Ulm/Novi Sad 2009.
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AUTOR
BEITRAG
Das „Dritte Reich“
NS-Besatzungspolitik und Holocaust
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THOMAS CASAGRANDE
Thomas Casagrande
Die „volksdeutsche“ SS-Division „Prinz Eugen“ und
die nationalsozialistische Aufstandsbekämpfung
in Jugoslawien (1941–1944)
Als 1918 in Folge des Ersten Weltkrieges das Königreich Jugoslawien gegründet wurde,
umfasste es verschiedene sich abweisend bis feindlich gesinnte Volksgruppen. Argwöhnisch beäugten sich Serben, Kroaten, Slowenen, Bosniaken und Deutsche und stritten
um ihren Platz im Vielvölkerstaat.1 Als dann Anfang April 1941 Verbände von Wehrmacht und Waffen-SS in Jugoslawien einmarschierten, spiegelte sich das gegenseitige
Misstrauen auch in der Kampfbereitschaft der jugoslawischen Armee wider. Nur die
serbischen Einheiten leisteten ernsthaft Widerstand, während die kroatischen die Waffen niederlegten2 und der vom Deutschen Reich versprochenen Gründung ihres eigenen Staates entgegensahen, an dessen Spitze die Ustascha-Bewegung gesetzt wurde. Vor
allem aber die „volksdeutsche“ Bevölkerung hoffte auf einen Sieg der deutschen Truppen. Wie die anderen deutschsprachigen Bevölkerungsgruppen Südosteuropas, die
nach dem Ersten Weltkrieg und der Zerschlagung Österreich-Ungarns auf die verschiedenen neu gegründeten Staaten verteilt wurden, hatten sich auch die Donauschwaben
in Jugoslawien nur schwer mit ihrem Status als machtlose Minderheit abfinden können
und nur widerwillig hatten sie die Hoheit des jugoslawischen Staates anerkannt.3 Die
Kriegssituation zwang die deutsche Bevölkerung nun endgültig zu einer Entscheidung,
die sowohl Chancen als auch Risiken barg, über die es aber für die überwiegende Mehrheit keinen Zweifel geben konnte. Zu eng war die Verbindung zum Deutschen Reich,
dessen Einfluss sich mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus auf die verschiedenen
„Volksdeutschen“ noch verstärkt hatte.4 So war es selbstverständlich, dass die deutschen
Einheiten wie schon im rumänischen Banat5 auch in Jugoslawien begeistert empfangen
wurden. Aber nicht nur das Deutsche Reich, auch die SS hatte bereits seit einiger Zeit
ihre Fühler nach den „Volksdeutschen“ ausgestreckt. Bereits seit den Dreißigerjahren
waren die „Erneuerer“, wie sich die jungen „volksdeutschen“ Aktivisten in Jugoslawien
nannten, in engem Kontakt mit der nationalsozialistischen Bewegung und dem Deutschen Reich. 1939 wurde einer ihrer Vertreter, Sepp Janko, mit Unterstützung der von
der SS geführten Volksdeutschen Mittelstelle (VoMi)6 Obmann des Schwäbisch-Deutschen Kulturbundes und 1940 Volksgruppenführer.7
Andere „Erneuerer“ wie Jakob Lichtenberger, Michel Reiser und Gustav Halwax
wurden frühzeitig in der Waffen-SS ausgebildet.8 Der schon seit den Dreißigerjahren
bestehende bewaffnete „Selbstschutz“ der Volksgruppenorganisation ergriff gar aktiv
für die deutsche Seite Partei, nahm an Kämpfen teil, besetzte Ortschaften und entwaffnete serbische Einheiten.9 Noch bevor Teile der „Volksdeutschen“ gegen die jugoslawische Armee die Waffen ergriffen, waren „volksdeutsche“ Soldaten bereits generell zur
Desertion aufgerufen worden.10 Nur wenige Tage nach dem Einmarsch erging folgerichtig die Anweisung, alle „volksdeutschen“ jugoslawischen Kriegsgefangenen freizulassen.11 „Volksdeutsche“ Denunzianten bezichtigten serbische und jüdische Nachbarn
des vermeintlichen oder auch wirklichen Widerstandes und meldeten sie bei den
deutschen Besatzungseinheiten.12 Der Schulterschluss der überwiegenden Mehrheit
der „volksdeutschen“ Bevölkerung mit dem Deutschen Reich konnte somit bereits im
April 1941 eindeutiger nicht sein13 und ihrer frühen Parteinahme wurde schnell
gedankt. Besonders im Banat, das nach der Zerschlagung des jugoslawischen Staates
der deutschen Militärhoheit unterstellt worden war,14 konnten sich die deutschen Interessen in allen Bereichen durchsetzen. „Volksdeutsche“ übernahmen die Höfe geflohener
DIE „VOLKSDEUTSCHE“ SSDIVISION „PRINZ EUGEN“
serbischer Bauern, stiegen in der Verwaltung des
Banats auf und bereicherten sich bei der Arisierung
des jüdischen Besitzes.15 In den auf den Einmarsch
folgenden Monaten des Jahres 1941 wurde mithilfe
der bewaffneten Verbände der Volksgruppe, des zur
Deutschen Mannschaft (DM) umbenannten und ausgebauten „Selbstschutzes“, die Partisanenbewegung
im Banat zerschlagen, so dass hier, im Unterschied zu
den anderen Gebieten des ehemaligen Jugoslawiens,
schon früh von einer Befriedung im Sinne der deutschen Besatzung gesprochen werden konnte.16 Mit
dem Ergebnis, dass das Banat in der landwirtschaftlichen Produktion einen Beitrag zur deutschen Kriegswirtschaft leisten konnte.17 Zur gleichen Zeit, als für
die „Volksdeutschen“ im Banat die lang „[…] gehegten Wünsche der Volksgruppe […] infolge der Besetzung des Landes fast restlos in Erfüllung […]“ gingen,18 gelang es den deutschen Besatzungstruppen,
die Partisanen auch in den anderen Gebieten Jugoslawiens in die Defensive zu drängen.19
Für die Waffen-SS und die Wehrmacht waren die
orts- und sprachkundigen „volksdeutschen“ Freiwilligen seit den ersten Tagen des Jugoslawienfeldzugs
besonders bei der Aufklärung gegen Partisanenverbände eine willkommene Verstärkung. Bei der Werbung setzte die SS auf ihre bereits bestehenden Kontakte zur Volksgruppe. Nur wenige Tage nach dem Einmarsch wurde einer der „volksdeutschen“
Aktivisten, Gustav Halwax, als SS-Untersturmführer vom Divisionskommandeur der
SS-Division „Das Reich“, SS-Gruppenführer Paul Hausser,20 mit der Organisation der
Aufnahme weiterer „Volksdeutscher“ beauftragt. Während sich die „Volksdeutschen“
Jugoslawiens von Beginn an im Partisanenkampf in ihrer Heimat bewährten, häuften
sich Ende 1941 die Beschwerden von SS-Führern über den „volksdeutschen“ Ersatz an
der Ostfront. So klagte der Kommandeur der 3. SS-Division „Totenkopf “, SS-Gruppenführer Theodor Eicke, über die mangelnde Tauglichkeit des „volksdeutschen“
Ersatzes und verlangte, dass dieser vor der Entsendung an die Front erst einmal gründlich „[…] in der Heimat in Fremdenbataillonen […]“ ausgebildet werden sollte.21
Während der deutsche Vormarsch vor Moskau im früh einsetzenden Winter 1941
zum Stillstand kam, war der Partisanenaufstand in Jugoslawien soweit unter Kontrolle,22 dass eine Veränderung der Aufstandsbekämpfung geplant werden konnte. Bei
einer Besprechung des Reichsführers-SS, Heinrich Himmler, mit den Volksgruppenführern des Banats, Sepp Janko, und Kroatiens, Branimir Altgayer, in Berlin im
November 1941 wurde darum die Aufstellung eines Banater Regiments beschlossen,
das ebenso wie die „Einsatzstaffel“ (ES) in Kroatien verstärkt die Partisanenbekämpfung übernehmen sollte.23 Die Wehrmachtsführung drängte dabei zur schnellstmöglichen Aufstellung der „volksdeutschen“ Verbände, damit fronttaugliche Divisionen des
Heeres aus Jugoslawien möglichst schon im Februar 1942 abgezogen und an die Ostfront verlegt werden konnten.24 Für die „Volksdeutschen“ Jugoslawiens wiederum bot
sich so die Chance, in der eigenen Heimat beziehungsweise deren unmittelbarer Nähe
bleiben zu können.25 Als am 1. März 1942 das SS-Führungshauptamt (SS-FHA) die
Aufstellung einer „Freiwilligen-Gebirgsdivision“ befahl, standen die wichtigsten Charakteristika der neuen Division schnell fest. Bezüglich der Stellenbesetzung, der Führer, Unterführer und Mannschaften, sollte so weit wie möglich auf den „serbischen
Raum“ und damit auf das West-Banat mit seinem hohen Anteil „volksdeutscher“
Bevölkerung zurückgegriffen werden. Denn nur hier konnte die SS ungehindert von
außenpolitischer Rücksichtnahme die ganze wehrfähige Bevölkerung rekrutieren.
Darüber hinaus erwartete man, die Division mit zusätzlichen „deutschvölkischen
59
Rede Sepp Jankos auf
der Feier zum 1. Mai
in Werschetz, 1941.
60
THOMAS CASAGRANDE
SS-Divisionseinheit
„Prinz Eugen“,
Werschetz, 1942.
Freiwilligen“ so verstärken zu können,26 dass sie ihren Aufgaben voll gerecht werden
würde. Die neue Division war für die Partisanenbewegung technisch als eine Division
aller „Waffengattungen“ gedacht: zwei Gebirgsjäger-Regimenter mit jeweils vier Bataillonen, ergänzt durch Artillerie, Panzer und Flak, dazu eine Reiterschwadron und der
Tross mit Wirtschaftsbataillon, Werkstattkompanie, Sanitär- und Veterinärabteilung.27
Hinzu kamen Lasttiere für den Transport in unwegsamen Gelände28 und eine Propaganda-Abteilung für die Vertiefung des Kontakts der SS-Division zur deutschen
Volksgruppe.29 Der Verbindung der Division zu den „volksdeutschen“ Bevölkerungsgruppen, die letztendlich die überwältigende Mehrheit der Mitglieder stellen würden,
wurde dabei von Beginn an ein hoher Stellenwert eingeräumt. Die Besetzung des Postens des Divisionskommandeurs mit einem „Volksdeutschen“ aus Siebenbürgen, SSGruppenführer Artur Phleps,30 sollte ebenso wie das Divisionszeichen die Bedeutung
der Division für die „Volksdeutschen“ unterstreichen. Bei den „volksdeutschen“ Mitgliedern der Division wurden die klassischen SS-Runen am Kragenspiegel durch die
Odalrune ersetzt, dem altgermanischen Zeichen für Besitz, und mit dem Wahlspruch
„Ehre, Blut und Boden“ wurde noch einmal die Bedeutung des bäuerlichen Elements
bei der Division hervorgehoben.31 Für die Namensgebung der Division wurde auf den
als „Befreier“ des Balkans von osmanischer Herrschaft seit dem 18. Jahrhundert gefeierten Prinzen Eugen von Savoyen zurückgegriffen.
Aufgrund der begrenzten Bevölkerungszahl32 war schnell absehbar, dass nur bei
einer fast vollständigen Ausschöpfung der männlichen Bevölkerung die Division die
benötigte Stärke alleine aus dem Bereich des Militärbefehlshabers Serbien erreichen
würde. Wegen der eher klein gewachsenen bäuerlichen Bevölkerung der „Volksdeutschen“ wurde so auch die Tauglichkeitsvoraussetzung zum Dienst in der „Prinz Eugen“
auf kv (kriegsverwendungsfähig) Heer und 160 cm reduziert.33 Der deswegen entstandene Mangel an Arbeitskräften in der Landwirtschaft wurde durch Zwangsarbeit der
serbischen Nachbarn gedeckt, so dass auch hier ein direkter Zusammenhang zwischen
„volksdeutschem“ Dienst in der Division und „volksdeutscher“ Herrschaft über die serbischen Nachbarn sichtbar wurde.34 Phleps verfolgte wegen des eingeschränkten Potenzials an Wehrtauglichen im Bereich des Militärbefehlshabers Serbien von Anfang an das
Ziel, die Division durch „Volksdeutsche“ aus allen Gebieten Südosteuropas zu verstärken.35 Es dauerte aber noch einige Zeit, bis 1943 die Division von einer Banater vollends
zu einer alle Volksgruppen umfassenden Einheit wurde. Laut einer Statistik des Jahres
1944 setzte sich die Division dann wie folgt zusammen: aus dem jugoslawischen Banat
kam nach wie vor der größte Anteil der Mitglieder der „Prinz Eugen“, nämlich
DIE „VOLKSDEUTSCHE“ SSDIVISION „PRINZ EUGEN“
53,6 Prozent. Ein weiterer großer Teil, insgesamt 21,3 Prozent, kam aus Rumänien und
dort vor allem aus dem nordöstlichen Banat. Aus Kroatien kamen 11,204 Prozent der
Mitglieder. Hinzu kamen noch knapp 2,92 Prozent aus der Slowakei und 2,57 Prozent aus
Ungarn.36 Die restlichen acht Prozent waren Reichsdeutsche, die einen überproportional
hohen Teil des Führungs- und Rahmenpersonals stellten.37 Insgesamt kamen damit gut
88 Prozent der SS-Soldaten der „Prinz Eugen“ aus donauschwäbischen Gebieten mit
einem engen, zum Teil heimatlichen Kontakt zum Operationsgebiet. Ein Umstand, der
für den Einsatz und die Geschichte der Division von großer Bedeutung war.
Schon bei der Werbung im Frühling 1942 im Banat und dann im Herbst desselben
Jahres in Kroatien wurde sichtbar, dass sowohl die Interessen der Volksgruppenführung als auch der überwiegenden Mehrheit der „Volksdeutschen“ von dem Wunsch
der reichsdeutschen Militärbehörden nach einer möglichst umfassenden Ausschöpfung des Wehrpotenzials für den Partisanenkampf kaum zu trennen waren. Dies wird
in dem im Banat für die Werbung veröffentlichen Aufruf überdeutlich, dessen wesentliche Punkte später für Kroatien übernommen wurden:38
„Die deutsche Wehrmacht hat im Frühjahr des vergangenen Jahres unsere Dörfer
und Wohnstätten unter ihren Schutz genommen. [I]n unserem Land versuchte der
bolschewistische Gegner […], sein Haupt zu erheben, die Straßen unsicher zu machen
und unsere Dörfer anzuzünden. […] Für uns aber ist es nunmehr eine Ehrensache,
dass wir, den Traditionen unserer Väter folgend, den Schutz von Haus und Hof selbst
übernehmen. Ich rufe Euch daher auf, dass alle Männer vom 17. bis zum 50. Lebensjahr, […] sich bei ihrem Bürgermeister und in Belgrad bei der Kreisleitung der Volksgruppe zum Dienst mit der Waffe zum Schutze unserer Wohnstätten melden. Von
diesem Dienst kann sich keiner, der gesund ist, ausschließen. Deutsche Volksgenossen, zeigt Euch Eurer Väter würdig durch mannhaften Einsatz und die Tat!“39
Während die erste Phase der Meldung noch recht erfolgreich verlief, wurde schnell
klar, dass die Division die notwendige Anzahl von Rekruten nur erhielte, wenn das
Freiwilligkeitsprinzip verwässert würde.40 Schon zum damaligen Zeitpunkt kam es
deswegen zu Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf die Frage der Freiwilligkeit
beziehungsweise der Wehrpflicht der „Volksdeutschen“.41 Bei der Einberufung der
„Freiwilligen“ wurde der bereits im Banater Aufruf angedeutete Zwang mit dem Zusatz
„Die Nichtbefolgung der Einberufung zieht die strengste Strafe nach sich“42 noch verstärkt. Der Aufruf in Kroatien wurde sogar noch schärfer als der Banater formuliert.
Doch strich der deutsche Gesandte in Kroatien, Siegfried Kasche, den eigenmächtig
vom Volksgruppenführer Branimir Altgayer erlassenen Stabsbefehl zur Wehrpflicht
um den Passus „auf Befehl des Führers“ mit dem Hinweis, dass ein ausdrücklicher
Führerbefehl nicht vorliege.43 Aber auch die Mitgliedschaft in der Volksgruppe ging
von Beginn an mit einem gewissen Gehorsam gegenüber der Volksgruppenführung
und der von ihr beschlossenen Maßnahmen einher.44 Während vor dem Einmarsch
der deutschen Truppen in Jugoslawien durchaus nicht alle „Volksdeutschen“ in den
Volksgruppen organisiert waren, mussten nach dem Einmarsch Aufnahmebeschränkungen für das Banat erlassen werden, da nun, wie der Volksgruppenführer vermerkte,
alle, auch Menschen mit „[…] zu viel serbische[m] Blut, unzuverlässig und asozial
[…]“45, an den Privilegien der Volksgruppe teilhaben wollten. In Bezug auf die Mitglieder der Division aus anderen „volksdeutschen“ Siedlungsgebieten kommt hinzu,
dass dort nur die Wahl bestand zwischen dem Dienst in der Waffen-SS oder in den
jeweiligen Einheiten der nationalen Armeen. Dass dabei der Dienst in der Waffen-SS
im Allgemeinen und in der SS-Division „Prinz Eugen“ im Besonderen vorgezogen
wurde, zeigt sich nicht nur in der Massendesertion von „Volksdeutschen“ aus der
rumänischen Armee 1943 nach der Niederlage von Stalingrad,46 sondern auch in Versetzungswünschen von „Volksdeutschen“ aus Kroatien von anderen SS-Einheiten zur
„Prinz Eugen“.47 Die überwiegende Mehrheit zog es vor, in der Division zu dienen,
anstatt in den anderen nationalen Armeen unter der Befehlsgewalt kroatischer, rumänischer und ungarischer Offiziere48 oder an der Ostfront, wo die Gefahr zu fallen
höher war. Dennoch muss man davon ausgehen, dass es bei der Meldung der „Volks-
61
62
THOMAS CASAGRANDE
deutschen“ zur 7. SS-Division neben echten Freiwilligen auch zum Dienst verpflichtete
oder gar gezwungene Rekruten gab.49
Bereits am 27. April 1942, noch während der Aufstellungs- und Ausbildungsphase
und Monate bevor die Division ihre ersten Einsätze im Partisanenkampf in Serbien
durchführen sollte, verfasste der Divisionskommandeur SS-Gruppenführer Phleps Taktische Grundsätze zur Führung des Kleinkriegs. Die von Phleps so früh verfasste Schrift ist
als Plan für die Aufstandsbekämpfung ein so genauer und gnadenloser Entwurf der
zukünftigen Einsätze der 7. SS-Division „Prinz Eugen“, dass sie hier eingehender zitiert
werden soll.
„SS-Freiwilligen Division >Prinz Eugen< vom 27.4.42
Geheim!50
Taktische Grundsätze für die Führung des Kleinkriegs
Die Bevölkerung muss wissen, dass sie keine Schonung findet, wenn Banden unangemeldet in ihrem Raum auftreten und es zum Kampfe kommt. Dem fanatisch kämpfenden Feind muss ein noch fanatischer und besser kämpfender Streiter entgegentreten. Es
muss also das Kämpferische mit dem Jagdmässigen vereint in kühnem Wagen zum
Erfolg gebracht werden. Auch geht die Bande nach getaner Arbeit wieder in die Bevölkerung auf, zumeist in Räumen, aus denen sie entstammt […]. Frauen und Kinder sind
zumeist die Beobachter und Nachrichtenübermittler unserer Gegner. Grössere Bandenaktionen werden einheitlich geleitet, dieselben Bilder des Kampffeldes zeigen, die wir aus
dem Kampf mit regulären Formationen kennen. Jede Gegenbande bekommt die Aufgabe eine bestimmte Bande tage-wochen-monatelang bis zur Vernichtung zu verfolgen.
[…] Die Stärke der Gegenbande wird nach der zur jagenden Bande festgelegt. […] Als
geringste Stärke ist die Gruppe zu betrachten. In schwierigem Gebirgsgelände ist die
Gruppe aus dem alpinen Zug zu entnehmen und nötigenfalls aus besonders gewandten
Kletterern zusammenzusetzen. […] Dem Zug können als Verstärkung schwere Waffen
wie s.MG, 1. und s. Gr. W., PAK und sogar Jagd-Geschütze zugewiesen werden. […] Um
die Bevölkerung vom Ernst der Lage zu überzeugen und ihr den Boden zur Unterstützung der Banden zu nehmen, ist es oft zweckmäßig, wenn die Streifabt. beim Verweilen
in Ortschaften Geiseln an sicherem Orte in Haft setzen, um im Falle eines Bandenüberfalls oder sonstigen feindseligen Handlungen durch Bevölkerungsteile exekutiert zu
werden. […] Das Bataillon [ist] die Kampfeinheit, mit der die meisten Kampfhandlungen, selbst stärkeren Banden gegenüber, zum entscheidenden Abschluss gebracht werden können. Wenn nur irgendwie angängig, wird dem Bataillon eine Gebirgs-Kanonenoder Geb.Haubitz-Batterie zugeteilt, denn alle bisherigen Bandenkämpfe haben gezeigt,
dass die irregulären Kämpfer Artl.-Feuer nicht vertragen. […] Eine fanatisierte Bevölkerung, besonders serbischer Nationalität, verträgt keine von Humanitätsduselei beeinflußte, vornehme, duldende Behandlung. Sie respektiert nur die brutale Gewalt. Sie will
und muss den Herren jeder Zeit fühlen! […] Die Bevölkerung muss derart durch die
Aktionen unserer Abteilungen und durch das Auftreten des Einzelnen beeindruckt sein,
dass bereits das Erscheinen eines einzelnen Mannes, der die Odalsrune am Spiegel und
das Hoheitszeichen am Arme trägt, Respekt einflösst und jede feindselige Handlung
erstickt. Wo aber Ordnung und Disziplin herrscht, da muss wieder die Überzeugung
Platz greifen, dass eine sich den Gesetzen fügende Bevölkerung unter dem Schutz des
deutschen Schwertes in Ruhe und gut leben und jederzeit der Unterstützung des deutschen Soldaten teilhaftig werden kann. […] Beteiligt sich die Bevölkerung am Bandenkampf, so ist sie ohne Schonung zur Gänze niederzumachen und der Ort anzuzünden.
[…] Die Bevölkerung muss schon nach dem ersten Auftreten unserer Abteilungen
wissen, dass sie keine Gnade findet, wenn sie sich nicht friedfertig verhält. […] Es wird
wohl selten der Fall sein, dass [die Division] […] über alle ihre kriegsgliederungsgemäss zustehenden Kräfte verfügt, vielmehr werden oft Teile abgetrennt oder Rgts(Gefechtsgruppen-)weise in weit voneinander entlegenen Räumen eingesetzt sein.
[…] Diese hier entwickelten Grundsätze [sind] durch Rgt.- und Abt.-Kommandeure
erläuternd Führern und Unterführern bekanntzugeben und bei jeder Gelegenheit zu
DIE „VOLKSDEUTSCHE“ SSDIVISION „PRINZ EUGEN“
erläutern. Sie sind unter strengsten Verschluss zu halten, damit sie nicht in Feindeshand fallen.“51
Im Oktober 1942 begannen mit der Verlegung nach Südserbien die Kampfeinsätze
der Division. Serbien wurde nach der Niederschlagung der Aufstände 1941 zum Zeitpunkt der Verlegung relativ sicher von den Besatzungsbehörden kontrolliert,52 so dass
das in der Ausbildungszeit Erlernte noch langsam verfeinert werden konnte,53 ohne
dass sich die einzelnen Einheiten gleich in größeren Kämpfen beweisen mussten. Wie
von Phleps vorausgesehen, wurde die Division nicht geschlossen eingesetzt, sondern
in Bataillons- und Kompaniestärke auf Städte und Dörfer verteilt, von denen aus die
Verfolgung von Partisaneneinheiten aufgenommen wurde. Die für die Einsätze detailliert ausgefertigten Tagesbefehle enthielten neben den notwendigen militärtechnischen Einzelheiten zur Verwendung schwerer Waffen, zu Marschrouten, Ausrüstung
und Verpflegung immer wieder auch Warnungen vor „[…] als Bauern, selbst Weiber,
getarnte[n] Banditen […].“54
Wie mit der Zivilbevölkerung umzugehen war, entsprach ganz den Vorgaben aus
den Taktischen Grundsätzen: „Jeder irreguläre Kämpfer ist vogelfrei/Div.Bef. 370/42/
wenn eine Vernehmung keinen Erfolg verspricht, ist er sofort zu erschiessen, andernfalls als Gefangener mitzunehmen.“55 In einem anderen Befehl heißt es Ende 1942:
„Wer […] flüchten will, wird niedergemacht.“56 Gleichzeitig geht aus den Befehlen
hervor, dass das Erschießen von Zivilisten nicht willkürlich in der Entscheidungsgewalt einzelner SS-Männer lag, sondern nur im Rahmen von Befehlen durchzuführen
war, die der Aufrechterhaltung der Besatzungsherrschaft dienten: „Auf Morden, Rauben und Plündern steht die Todesstrafe. […] Ich verbiete Grausamkeiten und alle
durch den Kampf nicht bedingten und daher vermeidbaren Härten gegenüber waffenlosen Einwohnern.“57 Im Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht wurden dann auch die von der „Prinz Eugen“ besetzten Ortschaften Kraljewo, Uschitze,
Ivanitza, Tschatschak, Raschka, Mitrowitza und Novi Pazar im Zusammenhang mit
„Säuberungsmaßnahmen“ genannt.58 Die Taktischen Grundsätze zur Führung des
Kleinkriegs waren in der Tat eine direkte Handlungsanweisung, die auch an die Regimenter weitergegeben wurde. Ein Regimentsbefehl vom 4. Dezember 1942 während
des Einsatzes in Serbien lautete: „Bezüglich Kampfführung verweise ich auf die von
der Division wiederholt ergangenen Befehle und Weisungen (Kleinkrieg usw.).“59
In ihrem ersten Einsatz hatte die SS-Freiwilligen-Gebirgs-Division „Prinz Eugen“60
bei der Unterdrückung von Partisanenaktivitäten überzeugen können, so dass der
deutsche Gesandte in Belgrad, Gerhard Feine, sie den „[…] deutschen militärischen
Hauptmachtfaktor in Serbien nannte.“61 Nachdem nicht nur das Banat, sondern Ende
1942 auch Südserbien relativ sicher kontrolliert wurden, entsprach es den Interessen
der Besatzungsbehörden, der SS, der Wehrmacht und der Volksgruppenführung, den
„Machtfaktor“ „Prinz Eugen“ nach Kroatien zu verlegen. Dort hatte der Partisanenkrieg so an Intensität zugenommen, dass sowohl die Versorgung des Deutschen Reichs
mit Rohstoffen, als auch die Existenz deutscher Streusiedlungen massiv gefährdet war.
Für die Wehrmacht war es dabei weiter von Bedeutung, dass sie mit möglichst geringen eigenen Kräften an der Kontrolle Jugoslawiens beteiligt war, da sie jede Division
für den Kampf an der Ostfront benötigte. Die SS wiederum sah gerade in Südosteuropa eine Chance, sich weiter personell zu vergrößern und begann bald mit der Aufstellung weiterer Verbände, diesmal aus kroatischen Muslimen (Bosniaken, Anm. d.
Red.).62 Und auch für die „Volksdeutschen“ im Banat setzte sich der direkte Zusammenhang zwischen ihrem Einsatz und ihren Siedlungsgebieten weiter fort:63 die Standorte der Ausbildungs- und Ersatzeinheiten der 7. SS-Division „Prinz Eugen“ im Banat
wurden beibehalten. Bis ins Jahr 1944 wurden Soldaten der Division als Erntehelfer in
ihre Heimat freigestellt64 und die im Banat eingesetzten Sturmbanne der DM, die aus
für den Dienst in der „Prinz Eugen“ zu jungen oder zu alten „Volksdeutschen“ zusammengestellt wurden,65 erhielten die Namen von gefallenen Banater Schwaben.66 Insgesamt ergab die Situation in Kroatien ein komplexes und gleichzeitig auch verworrenes
Bild. Im Unterschied zum Bereich des Militärbefehlshabers Serbien galt es in Kroatien,
63
64
THOMAS CASAGRANDE
DIE „VOLKSDEUTSCHE“ SSDIVISION „PRINZ EUGEN“
65
Einsatz der „Prinz
Eugen“ gegen Partisanen, Jugoslawien
(Ort nicht bekannt),
Oktober 1942
(Aufnahme aus dem
Archiv Heinrich
Hoffmann).
die deutschen Interessen in Einklang mit dem Ustascha-Staat und den italienischen
Verbündeten zu bringen. Gleichzeitig war der Krieg in Kroatien ein von unglaublicher
Grausamkeit aller Beteiligten geführter Krieg67 „jeder gegen jeden“ schon vor der Verlegung der „Prinz Eugen“. Die Ustascha terrorisierte von Anfang an die serbische
Zivilbevölkerung und schreckte auch vor Übergriffen gegen muslimische Bosniaken
nicht zurück, die wiederum in erster Linie unter den an ihnen verübten Massakern
serbischer Nationalisten, der Tschetniks, zu leiden hatten. Neben den ethnisch begründeten Auseinandersetzungen68 zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen
bekämpften die multiethnischen kommunistischen Partisanen Titos sowohl die Ustascha, als auch die serbischen Nationalisten sowie die deutschen und italienischen Verbände. Darüber hinaus kam es zwischen italienischen und kroatischen Einheiten
immer wieder wegen Grenzstreitigkeiten zu Konflikten.
Für die „Prinz Eugen“ bestimmte auch in Kroatien die klassische Aufstandsbekämpfung den Alltag. Es ging gegen einen schwer zu fassenden Gegner, der sich die
Unterstützung weiter Bevölkerungsteile zu sichern wusste. Der Alltag der Einheiten
war von ermüdenden Märschen durch unzugängliches Gelände bestimmt, im Sommer
bei unerträglicher Hitze und im Winter bei schneidender Kälte.69 In den Ruhephasen
wurden die verschiedenen Einheiten zur Sicherung der Gebiete auf einzelne Städte
oder Regionen aufgeteilt. Im größeren Verband von zwei Gefechtsgruppen oder auch
in ganzer Stärke wurde die Division nur eingesetzt, wenn versucht wurde, Titos Partisanenarmee als Ganzes zu treffen. Die erste dieser Operationen, genannt „Weiß“, wurde
von Januar bis Mitte März 1943 durchgeführt. Die 7. SS-Division versuchte zusammen
mit zwei deutschen Infanteriedivisionen70 sowie kroatischen und italienischen Verbänden, die Konzentration der Partisanenarmee Titos in Kroatien zu zerschlagen. Diese
war Ende 1942 so stark geworden, dass Tito die konstitutive Sitzung des AVNOJ im
bosnischen Bihać an der Grenze zu Kroatien durchführen konnte.71 Nach der Zerschlagung der Tito-Verbände war beabsichtigt, die Region auch von allen nationalistischen
Tschetnik-Verbänden zu säubern. Aber weder in der Operation „Weiß“ noch in einer
der folgenden groß angelegten Operationen sollten die Ziele erreicht werden. Das
Dilemma der deutschen Besatzungspolitik in Jugoslawien wurde schon 1943 sichtbar.
Die Kampfkraft der verbündeten Armeen war nicht mit der Kampfkraft der deutschen
Einheiten vergleichbar und im Kampf gegen große Partisanenverbände nicht zuverlässig. Weder die neben den deutschen Verbänden eingesetzten kroatischen noch die italienischen Divisionen erreichten rechtzeitig den Aufstellungsraum. Trotzdem konnte
aus zahlenmäßigen Gründen nicht auf sie verzichtet werden.
Mit der nächsten großen Operation „Schwarz“ im Mai und Juni 1943 sollte die
Division „Prinz Eugen“ nicht nur die Verbände Titos, sondern auch die königstreuen
nationalen Kräfte unter Mihailović in Serbien und Montenegro vernichten. Dabei war
sie in zwei Gefechtsgruppen aufgeteilt und wieder durch kroatische und deutsche Einheiten verstärkt. Mit Hilfe der deutschen Luftwaffe gelang es, die Konzentration der
Partisanenarmee zu zerschlagen.72 Obwohl nur wenig eigene Verluste verzeichnet
wurden und man hohe Verluste der Partisanen zählte, konnte nicht verhindert werden, dass sich die Kerntruppen Titos absetzten73 und in anderen Räumen wieder neu
formierten. Dass die Einsätze der Division, ganz wie in den Taktischen Grundsätzen
geplant und vorhergesehen, sich zwangsläufig immer wieder gegen einzelne Ortschaften und ihre Bevölkerung richteten, belegen verschiedene Divisionsbefehle.74 Zum
Teil wurden „Sühnemaßnahmen“ so willkürlich durchgeführt, dass sie auch verbün-
Darstellung der
Operation „Schwarz“
in der Enzyklopädie
Jugoslawiens.
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THOMAS CASAGRANDE
dete Bevölkerungsteile der muslimischen Bosniaken und dabei sogar Freiwillige der
aufzustellenden muslimischen SS-Division trafen.75 Dies führte zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den die Vorfälle untersuchenden SS-Polizeikräften, die die
Proteste der muslimischen Seite unterstützten, und der nun unter Führung des SSBrigadeführers Carl von Oberkamp76 stehenden 7. SS-Division. Ein von der 1. Kompanie des Jäger-Regiments 1 der „Prinz Eugen“ am 12. Juli 1943 unter dem Kompanieführer Carl Juels begangenes Massaker an Männern, Frauen und Kindern des Dorfes
Kosutica rief neben dem SS-Brigadeführer und Chef der Polizeiverbände in Kroatien,
Konstantin Kammerhofer, den Reichsführer-SS, Heinrich Himmler, auf den Plan.
Himmler beauftragte schließlich Phleps,77 den Vorfall zu untersuchen, wobei Phleps in
seinem Abschlussbericht keine Verfehlung des Kompanieführers Juels und seiner
Männer feststellen konnte, da diese nur nach seinen, Phleps, eigenen Richtlinien
gehandelt hätten und während des Gefechts nicht hätten merken können, dass sie
auch „Muselmanen“ erschossen!78
Eine erste Veränderung der Kämpfe ergab sich für die Division, weiter unter Führung von SS-Brigadeführer von Oberkamp, in der zweiten Hälfte des Jahres 1943 nach
dem Austritt Italiens aus der Achse. Sowohl die Kämpfe bei der Entwaffnung der italienischen Truppen, als auch die Kämpfe gegen die, durch italienische Waffen und Einheiten verstärkten Partisanenverbände glichen nun schon eher dem von Phleps prognostizierten Kampf mit regulären Formationen. Mit der Eroberung Dubrovniks79 und
besonders während der Kämpfe um Split80 im Rahmen der Operation „Achse“81
konnte die 7. SS-Division „Prinz Eugen“ zeigen, dass sie den Anforderungen des Krieges gegen einen mit schweren Waffen ausgerüsteten Gegner gewachsen war.82 Im
Anschluss gelang im Oktober 1943 in der Operation „Herbstgewitter“ die Säuberung
der Inseln Hvar und Bratsch sowie der Halbinsel Peljeschatz und danach die Befriedung der dalmatischen Küste im Unternehmen „Landsturm“.83
Im gleichen Zeitraum intensivierten die Besatzungsbehörden in den Dörfern und
Städten die Suche nach Partisanenunterstützern. Auch hier war die „volksdeutsche“
Bevölkerung, diesmal „volksdeutsche“ Frauen, zuverlässige Stütze der deutschen
Besatzung. So hieß es über regelmäßig durchzuführende Razzien und damit verbundene Leibesvisitationen der festgenommen weiblichen Verdächtigen, dass neben deutschem weiblichem Personal „[…] hierfür vor allem „volksdeutsche“ Frauen […]“ einzusetzen seien.84 Sowohl die Razzien als auch verschiedene gleichzeitig durchgeführte
„Säuberungsmaßnahmen“ der „Prinz Eugen“ wurden unter dem Operationsnamen
„Falkenjagd“ geführt. Während die „volksdeutschen“ Frauen beim Aufbringen von
Partisanensympathisanten aktiv waren, wurden in der Nähe von Stolatz ganze Ortschaften niedergebrannt und die dortige „kommunistische Bevölkerung“ vernichtet.
Dabei waren die „volksdeutschen“ Männer der Einheiten der „Prinz Eugen“ nicht nur
in den Mannschaften aktiv. Der Kompanieführer der an der Maßnahme beteiligten
9. Kompanie des 1. Bataillons des 14. Regiments der „Prinz Eugen“ war zu diesem
Zeitpunkt der schon genannte „Erneuerer“ Jakob Lichtenberger.85
Von Dezember 1943 bis Februar 1944 erstellte das Referat Kroatien der Volksdeutschen Mittelstelle verschiedene umfassende Lageberichte.86 Da die Verluste relativ gering
waren – für den vierteljährigen Zeitraum wurden ca. 75 tote Selbstschutzmänner und
Zivilisten gemeldet – lag der Schwerpunkt der Ausführungen auf den Versuchen der
Partisanen, vor allen Dingen die Jugend der „volksdeutschen“ Bevölkerung zum Eintritt
in die „antifaschistischen Organisationen“ zu bewegen. Darüber hinaus versuchten die
Partisanen, „volksdeutsche“ Gefangene für die seit einiger Zeit bestehende deutschsprachige Partisanenkompanie „Ernst Thälmann“ zu rekrutieren. Allerdings zeigen die
Berichte, dass sich diese Versuche als vergeblich erwiesen und sich die Kluft zwischen
den Tito-Partisanen und den „Volksdeutschen“ weiter vertieft hatte. Grund dafür sei,
„a) die Flucht der für das „Volksbefreiungsheer“ gemusterten Volksgruppenangehörigen; b) das Bestreben der Frauen und Jugendlichen, sich dem Beitritt zu den antifaschistischen Frauen- und Jugendorganisationen zu entziehen; c) die Feststellung, dass
trotz der getroffenen Vorkehrungen Nachrichten über Tätigkeit und Bewegung der
DIE „VOLKSDEUTSCHE“ SSDIVISION „PRINZ EUGEN“
Banden durch Volksgruppenangehörige an die deutsche Polizei und Wehrmachtsstellen gegeben werden“.87
Die „zusammenfassende Lagebeurteilung“ über Februar 1944 schloss mit den
Worten: „Trotz den der Volksgruppe durch das Bandenwesen bereiteten Schwierigkeiten ist sie bestrebt, ihre Kriegspflichten voll zu erfüllen. Das eigenständige Leben der
Volksgruppe entwickelt sich zufriedenstellend und die notwendige Grenzziehung
gegenüber der fremdvölkischen Umwelt wird immer klarer.“88
Obwohl offensichtlich der größte Teil der „volksdeutschen“ Zivilbevölkerung auch
weiter hinter der deutschen Besatzungsmacht stand, kam es doch auch zu diesem Zeitpunkt noch zu Weigerungen einzelner „Volksdeutscher“, den Einberufungen zur Waffen-SS Folge zu leisten.89
Für die Division „Prinz Eugen“, die nun von SS-Brigadeführer Otto Kumm geführt
wurde, wiederholte sich in der ersten Hälfte des Jahres 1944 das bekannte Bild des
Partisanenkriegs der zurückliegenden Jahre. Obwohl sie in direkten Kämpfen den
Partisaneneinheiten überlegen war, gelang es ihr nicht, deren Absetzung und Neuformierung zu verhindern.
Dass beim Kampf der „Prinz Eugen“ immer wieder auch die verschiedenen Interessen und auch die Rivalität zwischen den Volksgruppen von Bedeutung waren, ist
sichtbar geworden. Selten lässt sich dies so eindeutig zeigen, wie bei einem von der
„Prinz Eugen“ durchgeführten Massaker, das im Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher in Nürnberg zur Sprache kam.90 Die Ermordung hunderter Männer, Frauen und
Kinder91 des Dorfes Otok in der Nähe von Split im März 1944 durch eine Einheit der
„Prinz Eugen“ war dabei nicht nur Ausdruck einer generell barbarischen Kriegsführung,92 sondern auch Ausdruck des Kampfes verschiedener Bevölkerungsgruppen um
Macht und Reichtum in der gemeinsamen Heimat. Mitglieder der vom „volksdeutschen“ SS-Obersturmbannführer Bernhard Dietsche geführten Einheiten der Division
stammten aus den donauschwäbischen Siedlungsgebieten Syrmien und Slawonien,
aus denen wegen der starken Partisanentätigkeit die „Volksdeutschen“ evakuiert werden mussten. Die Mitglieder der SS-Einheiten, die in Otok mordeten, hatten Kenntnis,
dass die dortige Bevölkerung zur Umsiedlung in die Dörfer und Bauernhöfe, die ihre
eigenen Familien hatten verlassen müssen, vorgesehen war. Ein Zusammenhang, der
auch den damaligen deutschen Behörden nicht verborgen blieb, wie den Ausführungen des deutschen Gesandten in Kroatien, Siegfried Kasche, zu entnehmen ist.93
Grundsätzlich ist festzuhalten: anders als in anderen Kampfgebieten war die „Prinz
Eugen“ in Jugoslawien keine kämpfende Truppe in der Fremde. Im Kampf gegen Titos
Partisaneneinheiten bekämpften „Volksdeutsche“ ihre Nachbarn, neben denen sie
zum Teil seit Jahrhunderten gelebt hatten. Bei den Kämpfen ging es um die „volksdeutsche“ Herrschaft über die gemeinsame Heimat.
Der Sommer 1944 wurde zum Höhe- und Wendepunkt der Kämpfe der „Prinz
Eugen“. Fast wäre es der Division, die bis auf das 14. Regiment geschlossen teilnahm,94
in der Operation „Rösselsprung“ im Juni 1944 gelungen, sich Titos in seinem Hauptquartier in der Nähe von Drvar zu bemächtigen.95 Wie von Phleps gefordert, fand im
Anschluss die „ungehinderte freie Jagd“ auf die sich zurückziehenden Partisanenverbände statt, so dass kurzfristig ein Rückgang der Partisanenaktivitäten erreicht
wurde.96 Mit dem absehbaren Sieg der Roten Armee gegen die Heeresgruppe Mitte
und den alliierten Erfolgen nach der Landung in der Normandie stieg der Druck der
Partisanen wieder97 und es machte sich eine erste Unsicherheit unter der „volksdeutschen“ Bevölkerung breit.98 Phleps forderte im Juli 1944 die Auflösung des kroatischen
Staates und noch größere Härte: „Konzentrationslager, Arbeitskolonnen und die
Todesstrafe müssen Hand in Hand die Übeltäter fassen, weil der Balkanmensch die
milde Hand nicht verträgt. Er muss die Peitsche fühlen.“99 Die Evakuierung der gesamten männlichen Bevölkerung zwischen 12 und 70 Jahren als Arbeitskräfte ins Deutsche Reich sowie die Schussfreiheit auf alle männlichen Zivilisten im Anschluss,100 die
Otto Bayer, weltanschaulicher Führer im V. SS-Gebirgskorps und SS-Standartenführer, forderte, konnten wegen der folgenden Ereignisse nicht mehr umgesetzt werden.
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THOMAS CASAGRANDE
Nach dem endgültigen Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte im Juli 1944 wechselte zuerst Rumänien im August die Fronten. Der folgende schnelle Vorstoß der Roten
Armee nach Jugoslawien beendete die Operation „Rübezahl“101, den letzten großangelegten Versuch, doch noch Titos Einheiten zu zerschlagen. Im September erklärte auch
das bis dahin verbündete Bulgarien dem Deutschen Reich den Krieg. Damit wurde der
Einsatz der „Prinz Eugen“ endgültig zum Kampf gegen reguläre Formationen, denn
nicht nur bulgarische, rumänische und russische Einheiten, sondern auch große Partisanenformationen suchten nun die Konfrontation mit der 7. SS-Division.102 Ihr erster
vollständiger Fronteinsatz fand unter hohen Verlusten in der Nähe von Niš statt, als die
Division den Rückzug der Heeresgruppe E aus Griechenland decken musste.103 Zur gleichen Zeit wurde die „volksdeutsche“ Zivilbevölkerung so gut es ging evakuiert,104 wobei
dies aber durch den Durchbruch der Roten Armee im Banat fast völlig misslang.105
Unter dem Kommando von SS-Brigadeführer August Schmidhuber ging es bis Ende
1944 für die Division durch ihr altes Einsatzgebiet unweit der Siedlungsgrenze des
Banats in Richtung österreichischer Grenze zurück, wo ihre Reste bis auf kleine Teile,
die sich absetzen konnten, im Mai 1945 in jugoslawische Kriegsgefangenschaft ging.
Die „volksdeutsche“ SS-Division „Prinz Eugen“ war der radikalste Ausdruck der
Identifikation der „Volksdeutschen“ Jugoslawiens mit dem Deutschen Reich und der
vermeintlichen Überschneidung reichsdeutscher und „volksdeutscher“ Interessen.
Der Preis für die „Volksdeutschen“ war hoch: Hinrichtung der Aktivisten, Massendeportationen und Zwangsarbeit, „Konzentrationslager“ und Ausschluss aus dem öffentlichen Leben. Wenige Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der „Prinz Eugen“
endete auch die Geschichte der „Volksdeutschen“ in Jugoslawien.
„Das deutsche Volk im Reich hat […] uns wieder in seine Gemeinschaft aufgenommen und unsere Gegner haben uns als Deutsche kennengelernt.“106 1943 hatte
dies aus dem Mund des Volksgruppenführers Sepp Janko wie eine Verheißung geklungen. Nach dem Ende des Krieges wurde es für die „Volksdeutschen“, vor allen Dingen
für die Banater Schwaben in Jugoslawien, zum Verhängnis. Dass ihr Einsatz in der
7. SS-Division „Prinz Eugen“ eng mit der Aufwertung der deutschen Volksgruppe,
und im Kontext des Krieges dann auch mit Herrschaftssicherung gegenüber den slawischen Nachbarn verwoben war, konnte gezeigt werden.
Es ist selbstverständlich, dass die kollektive Verurteilung, Internierung und Vertreibung aller „Volksdeutschen“, gerade unter Einschluss von Familien, von Frauen
und Kindern, Unschuldigen unsägliches Leid zufügte und selbst Unrecht war. Aber
wer wollte einem Artikel aus der Belgrader Zeitung Politika vom 24. Dezember 1944
widersprechen, in dem es hieß:
„[…] Wer könnte die unzähligen Sabotageakte, den Verrat und die Denunziationen, die die Deutschen aus Jugoslawien während der schweren Tage in Jugoslawien
verübten, aufzählen? Wer würde die Plünderungen, Morde, Schlägereien und das
Erhängen anführen können, die von ihnen an unserem Volke seit April 1941 begangen
wurden? […] Man könnte ein dickes Buch schreiben, voll von Missetaten, Leid und
Elend. Und was sollen wir über die Prinz Eugen Div. sagen? Sie wurde aus Volksdeutschen des Banats zusammengestellt und zog im Verlaufe von 3 Jahren brandstiftend,
zerstörend und mordend durch Serbien, Herzegowina und Montenegro.“107
DIE „VOLKSDEUTSCHE“ SSDIVISION „PRINZ EUGEN“
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Holm Sundhaussen, Experiment Jugoslawien. Von der Staatsgründung bis zum Staatszerfall,
Zürich 1993, S. 36 – 37.
Detlef Vogel, Deutschland und Südosteuropa. Von politisch-wirtschaftlicher Einflußnahme zur
offenen Gewaltanwendung und Unterdrückung, in: Wolfgang Michalka (Hg.), Der Zweite Weltkrieg. Analysen, Grundzüge, Forschungsbilanz, München 1989, S. 538 –539.
Die wiederholten Versuche der Donauschwaben, ihre Aufteilung auf verschiedene Staaten zu verhindern, scheiterten endgültig auf der Pariser Konferenz 1920. Vgl. Josef Volkmar Senz,
Geschichte der Donauschwaben, München 1987, S. 187; Hans-Ullrich Wehler, Nationalitätenpolitik in Jugoslawien. Die deutsche Minderheit 1918 –1978, Göttingen 1982, S. 26.
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Zur Entstehung der ethnischen Gruppe der Donauschwaben, ihrer Situation in Jugoslawien und
dem steigenden Einfluss des Nationalsozialismus siehe Thomas Casagrande, Die „Volksdeutsche“
SS-Division „Prinz Eugen“. Die Banater Schwaben und die nationalsozialistischen Kriegsverbrechen, Frankfurt 2003, S. 87–146.
Otto Weidinger, Division das Reich. Der Weg der 2. SS-Panzer-Division „Das Reich“, Bd. 2:
1940 –1941, Coburg 1994 (4. Aufl.), S. 326 – 327.
Vladis O. Lumans, Himmler’s Auxiliaries. The Volksdeutsche Mittelstelle and the German National Minorities of Europe 1933 –1945, London 1993, S. 42.
Matthias Annabring, Volksgeschichte der Deutschen in Jugoslawien (Geschichte der Donauschwaben, Bd. 2), Stuttgart 1955, S. 70 –71.
Schreiben Jankos zur Abordnung von Lichtenberger und Reiser im September 1941, Bundesarchiv Berlin (BAB), NS19/2358; Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (Hg.), Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Bd. 5: Das
Schicksal der Deutschen in Jugoslawien, Bonn 1961, S. 65 – 66.
Sepp Janko, Weg und Ende der deutschen Volksgruppe in Jugoslawien, Graz/Stuttgart 1982,
S. 162; Louis de Jong, Die deutsche fünfte Kolonne im Zweiten Weltkrieg. Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, Bd. 4, Stuttgart 1959, S. 218.
Schreiben des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW) an das Auswärtige Amt (AA) vom
28.3.1941, Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes (PAAA) Inl.IIg 251/2419 Bl. H297814–
H297816.
Schreiben des AA vom 15.4.1941, ebenda, Bl. H297823–H297829.
Berichte von Johann Wüscht, Jakob Lichtenberger und anderen „volksdeutscher“ Aktivisten vom
17.4.1941, die in einer Mappe an Helmut Triska, Referatsleiter im Auswärtigen Amt, übergeben
wurden, PAAA Inl.IIg 251/2419.
Bericht des Beauftragten der ungarischen Regierung Dr. Novak. Kopie am 14.5.1941 an das OKW
und das AA verschickt, PAAA Inl.IIg 253/2423.
Sundhaussen, Experiment Jugoslawien, S. 68.
Siehe Beschwerdeschreiben von Sepp Zwirner, Landesbauernführer der deutschen Volksgruppe, an die VoMi über die nicht schnell genug durchgeführte Verteilung des jüdischen
Besitzes vom 31.10.1941, PAAA Inl.IId R100614. Auf der Liste der an der Arisierung beteiligten „Volksdeutschen“ findet sich eine Reihe von späteren Mitgliedern der 7. SS-Division, u. a.
Georg Awender, Ludwig Halbweiß, Christof Mayer-Helmer, ebd. 19/2 R100587. SS-Gruppenführer Staatsrat Harald Turner, Chef der Militärverwaltung in Serbien, übergab im März 1942
einen Teil der „Judengelder“ Serbiens an Arthur Phleps zur Unterstützung des Aufbaus der
„Prinz Eugen“. Dieser musste die Gelder allerdings zurückgeben, da der Höhere SS- und Polizeiführer (HSSPF) Serbiens, SS-Obergruppenführer August Meyszner, auf einer ordnungsgemäßen Abrechnung bestand. Schreiben Meyszners an Heinrich Himmler vom 4.9.1942, BAB
NS19/1672.
Bericht des Polizeipräfekten im Banat, Franz Reith, 15.1.1942 an das AA, PAAA Inl.IIg 283/2500.
Vortrag von Leopold Egger, Leiter des wirtschaftlichen Hauptamtes, auf der Banater Hochschulwoche 3.4. bis 10.4.1944, PAAA Inl.IId 5/3.
Janko, Weg und Ende, S. 230.
Klaus Schmider, Der Partisanenkrieg in Jugoslawien 1941–1944, Hamburg u. a. 2002, S. 69 –104.
Dokumentation der Vertreibung, Bd. 5, 65E und BAB NS19/2725.
Schreiben Theodor Eickes vom 15.11.1941 an Hans Jüttner, SS-Obergruppenführer und Chef des
SS-Führungshauptamtes (FHA), Militärarchiv Prag, Karton 1,4/kr1.SS Kraftfahr-, Ausbildungsund Ersatzregiment.
Schmider, Der Partisanenkrieg, S. 69 –104.
Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg (Hg.), Der Dienstkalender Heinrich Himmlers
1941–1942 (Hamburger Beiträge zur Sozial- und Zeitgeschichte, Quellen, Bd. 3), bearbeitet von
Peter Witte, Hamburg 1999, S. 256; Janko, Weg und Ende, S. 214.
Schreiben des Chefs des OKW, Wilhelm Keitel, an Heinrich Himmler 30.12.1941, BAB
NS19/3519, Bl. 197–186.
Keine andere SS-Division der Aufstellungsjahre bis 1944, die Divisionskampfstärke erreichte, war
in einem so begrenzten Gebiet eingesetzt wie die „Prinz Eugen“. Die maximale Entfernung des
Kampfraums vom Aufstellungsgebiet betrug nie mehr als 400 Kilometer. In der Tat fand ein
Großteil der Kämpfe entweder im direkten Umfeld der „volksdeutschen“ Heimat oder aber nur
100 bis 200 km entfernt statt.
Verfügung des SS-FHA zur Aufstellung der Division vom 1.3.1942, BAB NS19/3519, Bl. 138 – 213.
Ebenda, Bl. 57.
BAB, NS19/2878, Bl. 1–2.
BAB, NS19/3519, Bl. 55.
Phleps war bereits früh von der SS gefördert worden, da man sich durch ihn eine größere Anziehungskraft bei der Werbung von „Volksdeutschen“ erhoffte. Schreiben Bergers an Himmler vom
10.4.1941, BAB, NS19/2724.
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THOMAS CASAGRANDE
31 Mehr zur Mythologisierung der „volksdeutschen“ Geschichte für die SS-Divsion „Prinz Eugen“ in
Casagrande, „Prinz Eugen“, S. 219 – 221.
32 Nach der letzten jugoslawischen Volkszählung von 1931 lebten ca. 500.000 „Volksdeutsche“ im
damaligen Jugoslawien. Nach der Zerschlagung und Aufteilung Jugoslawiens 1941 und der Abtretung der Baranja und Batschka an Ungarn verblieben insgesamt ca. 150.000 „Volksdeutsche“ in Slawonien, Kroatien und Bosnien-Herzegowina. Im Bereich des Militärbefehlshabers Serbien lebten im
Westbanat ungefähr 120.000 und in Restserbien ungefähr 16.000 „Volksdeutsche“. Die Volksgruppenführung liegt für alle Regionen bei etwas höheren Zahlen. Vgl. Dokumentation der Vertreibung,
Bd. 5, S. 11E und Janko, Weg und Ende, S. 89 – 90. Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang auch
ein Schreiben der VoMi an Heinrich Himmler vom 31.3.1942, in dem unter Verweis auf eine Erhebung Ende 1941 von ca. 199.000 Mitgliedern der Volksgruppe im NDH-Staat gesprochen wird. Die
Begründung dazu lautet, dass die starke Erhöhung „auf die Rückdeutschung des kroatisierten
Deutschtums infolge der politischen Ereignisse zurückzuführen“ sei. BAB, NS19/319, Bl. 17. Siehe
auch S. 9 und Anm. 45 in diesem Text.
33 Für andere SS-Divisionen galten die SS-Eignung und 170 cm Mindestgröße, für SS-Brigaden und
Polizei 165 –168 cm und kv Heer, für Konzentrationslager SS-geeignet und kv und 165 cm, BAB
NS 31/367, Bl. 23.
34 Beschluss zur „Arbeitsleistungsdienstpflicht für die gesamte serbische Bevölkerung“, PAAA Inl.
IId 26/4 R100615.
35 Schreiben Phleps an Altgayer im September 1942, PAAA Inl.IIg 305/2563.
36 Bericht über die „Landsmannschaftliche Zusammensetzung der Division“ vom 20.2.1944, Militärarchiv Freiburg (MA) RS3-7/17, Bl. 463. 0,006 Prozent kamen aus sonstigen „volksdeutschen“
Gruppen und wurden nicht näher zugeordnet.
37 Otto Kumm, „Vorwärts, Prinz Eugen!“ Geschichte der 7. SS-Freiwilligen-Division „Prinz Eugen“,
Osnabrück 1978, S. 40.
38 Aufruf im September 1942 in Kroatien, PAAA Inl.IIg 305/2562 Bl. K21.
39 Aufruf im Banat, PAAA Inl.IIg 17d/1767 Bl. 129690 –129691. Der Anfang wurde noch einmal
kurz vor der endgültigen Form abgeändert. PAAA Inl.IIg 323/2606 Bl. H299599.
40 Janko, Weg und Ende, S. 216.
41 Vgl. unter anderem den Briefwechsel der VoMi, des OKW und des AA in den Jahren 1942–1944,
PAAA Inl.IIg 254/2426 Bl. N1–N16, Inl.IIc R100384. Auch in Historikerkreisen setzt sich die
Auseinandersetzung über die Existenz eines „Führerbefehls“ beziehungsweise der Aufgabe des
Freiwilligkeitsprinzips fort (vgl. Robert Herzog, Die Volksdeutschen in der Waffen-SS, Tübingen
1955, S. 13; George Stein, Geschichte der Waffen-SS, Düsseldorf 1967, S. 153; Bernd Wegner,
Hitlers Politische Soldaten, Paderborn 1997, S. 273).
42 Dokumentation der Vertreibung, Bd. 5, Anlage 8, S. 177E.
43 Schreiben Kasches an das AA in Berlin vom 19.9.1942, PAAA Inl.IIg 305/2562 Bl. K21.
44 Janko, Weg und Ende, S. 22 – 32.
45 Weisung Jankos zur letzten Hauptkontrolle der Volksgruppen-„Bewährungsmitglieder“, BAB NS
19/2601.
46 Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (Hg.), Dokumentation
der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Bd. 3: Das Schicksal der Deutschen in
Rumänien, Bonn 1957, S. 54E und Anlage 8 sowie verschiedene Schreiben des AA im März 1943,
PAAA Inl.IIg 17e/1768 Bl. 130043 – 47, 17a/1755 Bl. 327923 – 24.
47 Siehe Ausbildungsbericht des SS-Grenadier-Ausbildungsbataillons „Ost“ an das SS-FHA vom
20.10.1943, Militärarchiv Prag, 18. SS-Division „Horst Wessel“, Karton 4.
48 Siehe auch den Bericht eines „Volksdeutschen“ aus der Baranja in: Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (Hg.), Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa. Bd. 2: Das Schicksal der Deutschen in Ungarn, Bonn 1956, S. 3.
49 Dokumentation der Vertreibung, Bd. 5, S. 65 – 66.
50 Alle Unterstreichungen und Hervorhebungen im Original, der Verfasser.
51 Artur Phleps an die SS-Freiwilligen-Division „Prinz Eugen“ am 27.4.1942, MA RS3-7/15,
Bl. 199 – 228.
52 Im Kriegstagebuch des OKW finden sich für Herbst 1942 kaum Berichte über nennenswerte
Kampfhandlungen in Serbien, während sich vor allen Dingen in Westbosnien die Situation ab
Mitte November verschärft. Vgl. Andreas Hillgruber u. a. (Hg.), Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht (Wehrmachtführungsstab) 1940 –1945, geführt von Helmut Greiner
und Percy Ernst Schramm, im Auftrag des Arbeitskreises für Wehrforschung hrsg. v. Percy Ernst
Schramm in Zusammenarbeit mit Andreas Hillgruber, Walther Hubatsch und Hans-Adolf
Jacobsen, 4. Bde., München 1982, Tb. II, S. 948 ff., 986 ff., 1038 ff.
53 Kumm, „Vorwärts, Prinz Eugen!“, S. 43.
54 Phleps Vorbefehl vom 3.10.1942 an die Division, MA RS4/1419 Bl. 43 – 44.
55 Befehl an die vorgeschobenen Kompanien vom 1.10.1942, Militärarchiv Prag, inr.e.1/kr.1. 7.
SS-Gbe.-Division „Prinz Eugen“.
56 Ebenda, Sonderbefehl für das Unternehmen „Jasenovo-Kokin Brod“.
DIE „VOLKSDEUTSCHE“ SSDIVISION „PRINZ EUGEN“
57 Divisionsbefehl vom 13.12.1942, MA RS4/1419 Bl. 60, Bl. 70. Hervorhebungen im Original. Die
Frage nach dem Verhältnis von im Sinne der SS berechtigten und unberechtigten „Sühnemaßnahmen“ sollte in den kommenden Jahren immer wieder von Bedeutung sein und wird auch
später im Text noch einmal aufgegriffen.
58 Hillgruber, Kriegstagebuch des OKW, 1942, Tb.II, S. 997, 1013, 1155. Ein Mitglied der Schlachterkompanie der „Prinz Eugen“ bestätigte dem Verfasser die summarische Erschießung von Serben während der dortigen Stationierungszeit.
59 Divisionsbefehl vom 4.11.1942, MA RS4/1419, Bl. 61.
60 Offizielle Bezeichnung ab 1943. Paul Hausser, Soldaten wie andere auch, Osnabrück 1966, S. 377.
61 Schreiben Feines Dezember 1942, PAAA Inl. IIg. 323/2606 Bl. H299538.
62 Siehe u. a. Schreiben Bergers an das AA vom 7. Januar 1943, PAAA Inl. IIe. 1769 Bl. 130165.
63 Janko, Weg und Ende, S. 233.
64 MA:RS4/1136, Bl. 3938.
65 Befehl Himmlers zur Verwendung der „Volksdeutschen“ bei Sicherungsmaßnahmen und Einberufung zur DM aller 17- bis 60-Jährigen, die nicht im aktiven Wehrdienst standen. PA/AA Inl. IIg
323/2606 H299550.
66 Veröffentlichung in den Amtsblättern der Volksgruppe vom 15.11.1943, PAAA Inl. IIc. R100383.
67 Siehe verschiedene Berichte muslimischer Gemeinden vom 10.2.1943. Sie enthalten eine Fülle
von erschütternden Einzelheiten. PAAA Inl. IIg. 310/2574 Bl. F12–F14.
68 Siehe zu Ursachen und Struktur ethnischer Konflikte Casagrande, „Prinz Eugen“, S. 27–77.
69 Siehe Bericht von Oberkamp im Januar 1944, MA RS 3-7/17.
70 Die 714. Infantrie-Division (ID) und die 717. ID waren beide eigens für Besatzungszwecke aufgestellt worden und hatten „Säuberungsaufgaben“ und „Sühnemaßnahmen“ an der Zivilbevölkerung
durchgeführt, die Tausende von Serben das Leben kosteten. Vgl. Walter Manoschek und Hans Safrian, 717./117.ID. Eine Infantrie-Division auf dem Balkan, in: Hannes Heer und Klaus Naumann
(Hg.), Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944, Hamburg 1995, S. 359 – 61.
Beide Divisionen waren aber nach Einschätzung des OKW nicht den Anforderungen des Krieges
gegen eine gut gerüstete Partisanenarmee gewachsen. Vgl. Hillgruber, Kriegstagebuch des OKW,
1943, Tb. I, S. 65.
71 Sitzungsprotokoll des Kongresses, PAAA Inl. IIg. 86/1957 Bl. H300310–300313.
72 Siehe Divisionsbefehl vom 10.5.1943 zur Operation „Schwarz“, MA RS 4/1420 und Lageberichte vom 21.5. und 27.5.1943, vgl. Hillgruber, Kriegstagebuch des OKW, 1943, Tb. I, S. 514
und 545. In der Abschlussmeldung wird von nur 465 eigenen Toten bei 281 Vermissten, aber
von mindestens 10.000 bis 12.000 toten Partisanen gesprochen, vgl. Hillgruber, Kriegstagebuch
des OKW, 1943, Tb. I, S. 647. Das Missverhältnis erklärt sich aus der Gewohnheit der deutschen Verbände, posthum alle Getöteten zu Partisanen zu erklären, vgl. Heer, Vernichtungskrieg, S. 57– 59.
73 Hillgruber, Kriegstagebuch des OKW, 1943, Tb. I, S. 642.
74 Siehe u. a. Divisionsbefehle Operation „Weiß“ MA RS 4/1419, „Schwarz“ MA RS 4/1420 Do. 24.
75 Bericht des Chefs der Polizeiverbände, SS-Brigadeführer Kammerhofer, über Vergeltungsmaßnahmen von Wehrmacht und Waffen-SS im Raum Sarajewo vom 15. Juli 1943, BA NS19/1434
Bl. 2 – 6.
76 Phleps war mit der Bildung des V. SS-Korps beauftragt worden, er sollte aber auch weiterhin
den Oberbefehl und den direkten Kontakt zu seiner Kernformation der „Prinz Eugen“ behalten.
Schreiben Himmlers an Phleps vom 31.3.1943 BA NS19/2601, Bl. 6.
77 Schreiben Himmlers and Phleps vom 6.8.1943 BA NS19/1434 Bl. 8.
78 Abschlussbericht Phleps an Himmler vom 7.9. 1943, MA N756/149. In diesem Zusammenhang
soll eine Personalzuweisung zur 7. SS-Division vom 29.3. 1943 nicht unerwähnt bleiben. Der SSHauptsturmführer Hans Bothmann wurde zusammen mit 85 seiner Männer vom Sonderkommando zur Liquidierung von Juden im Vernichtungslager Kulmhof nahe Łódź, damals Litzmannstadt, auf Weisung Himmlers zur „Prinz Eugen“ versetzt. Sie blieben bei der Division bis
Februar 1944, bevor sie wieder nach Kulmhof zurückkehrten, um die dortige Ermordung der
Juden endgültig abzuschließen. Schreiben des Reichsstatthalters vom Warthegau Greiser an
Himmler und Schreiben von Himmlers persönlichem Stab Dr. Brandt an das SS-FHA, BA
NS19/2635. Neben Bothmann dienten mit Victor Brack und Friedrich Krüger noch weitere exponierte Mörder der Juden in der „Prinz Eugen“. Vgl. Casagrande, „Prinz Eugen“, S. 216 und
270 – 271. Krüger verglich denn auch die Einsätze der „Prinz Eugen“ mit seinen Erfahrungen bei
der Niederschlagung von Aufständen in Polen und der dortigen Liquidierung der jüdischen
Bevölkerung. BA NS19/2653 Bl. 102.
79 Eingesetzt wurde die „Gefechtsgruppe Schmidhuber“. SS-Brigadeführer August Schmidhuber
wurde am 20. Januar 1945 zum Divisionskommandeur der „Prinz Eugen“ ernannt.
80 Eingesetzt wurde die „Gefechtsgruppe Schmidhuber“. SS-Standartenführer Heinrich Petersen
bekam für seinen Einsatz in Split das Ritterkreuz verliehen. Ernst-Günther Krätschmer, Die
Ritterkreuzträger der Waffen-SS, Oldendorf 1982 (3. Auflage), S. 589.
81 Hillgruber, Kriegstagebuch des OKW, 1943, Tb. II, S. 850 und 1647.
71
72
THOMAS CASAGRANDE
82 Manachem Shelah, Die Ermordung italienischer Kriegsgefangener, September – November 1943,
in: Hannes Heer und Klaus Naumann (Hg.), Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht
1941 bis 1944, Hamburg 1995, S. 193 –197 und Hillgruber, Kriegstagebuch des OKW, 1943, Tb. II,
S. 1094 ff.
83 Die vom Kommandeur der „Prinz Eugen“, Otto Kumm, 30.1.1944 bis 20.1.1945 verfasste Divisionsgeschichte besteht aus einer Aneinanderreihung von militärischen Details, wie sie auch in
anderen Büchern ehemaliger Mitglieder der Waffen-SS üblich ist. Die dargestellten rein militärischen Aspekte halten dabei dem Vergleich mit Originaldokumenten stand, während alle Aspekte
der Aufstandsbekämpfung, der Zivilisten zum Opfer fielen, geleugnet werden, so dass weder
dementsprechende Divisionsbefehle, noch die Taktischen Grundsätze erwähnt werden. Kumm,
„Vorwärts, Prinz Eugen!“, S. 120 –121.
84 Befehl des Panzeroberkommandos 2 vom 21. Dezember 1943, MA RS 3-7/14 Bl. 60 ff.
85 Siehe Divisionsbefehl Operation „Falkenjagd“, MA RS 4/1131 Bl. 4021 und 4024.
86 Lageberichte 12/43 bis 2/44 „Referat Kroatien der Volksdeutschen Mittelstelle“, PAAA Inl. IIg
404/2824 Bl. 393201– 220.
87 Ebenda Bl. 393211.
88 Ebenda Bl. 393209.
89 Siehe Telegrammwechsel zwischen AA und OKW zwischen März und Mai 1944, PA/AA Inl. IIc.
R 100384.
90 Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof in
Nürnberg, Nürnberg 1949. Band XX, S. 409.
91 Über die genaue Anzahl herrscht Uneinigkeit. In Nürnberg wurde von 834 Opfern des Massakers
ausgegangen (vgl. Nürnberg 1949, S. 409), während 1944 die kroatische Seite von 1.000 und die
deutschen Behörden von 486 Opfern sprachen. Bericht von Phleps an den deutschen Gesandten
in Kroatien, Siegfried Kasche, vom 16. April 1944, PA/AA Inl. IIg. 404/2824.
92 Der Abschlussbericht Phleps an Kasche vom 16. April 1944 sieht wieder keinerlei Schuld bei den
SS-Einheiten, da die nachträglichen Erschießungen berechtigt gewesen seien, wegen: „Fund von
Munition, Propagandamittel, Verweigerung der Aussagen, feindliches Verhalten durch Verweigerung von Unterkunft, Stroh.“ PA/AA Inl. IIg. 404/2824 Bl. H298876.
93 Verschiedene Schreiben des deutschen Gesandten in Kroatien, Kasche, zwischen April und
November 1944, PA/AA Inl. IIg. 404/2824 und 405/2828.
94 MA RS 4/1135 Bl. 3937 ff. Wie für alle SS-Divisionen waren auch für die „Prinz Eugen“ im Oktober 1943 neue Nummerierungen eingeführt worden. Die Regimenter 1 und 2 wurden zu 13 und
14. Georg Tessin, Waffen-SS und Ordnungspolizei im Kriegseinsatz 1939 – 1945, Osnabrück
2000, S. 17.
95 Die Division wurde hier zum ersten Mal im Wehrmachtsbericht erwähnt. Krätschmer, Die Ritterkreuzträger, S. 975.
96 Hillgruber, Kriegstagebuch des OKW, 1944–1945, Tb. I, S. 664 – 665.
97 Ebenda, S. 670.
98 Lagebericht der VoMi von Juni 1944, PA/AA, Inl. IIg. 255/2429 Bl. H299000.
99 Bericht Phleps an den Reichsführer-SS vom 10. Juli 1944, BA NS19/2154 Bl. 5.
100 Schreiben Bayer an den Reichsführer-SS vom 16. März 1944, BA NS19/279 Bl. 83.
101 Hillgruber, Kriegstagebuch des OKW, 1944 –1945, Tb. I, S. 684 – 685.
102 Ebenda, S. 697.
103 Kumm, „Vorwärts, Prinz Eugen!“, S. 287.
104 In Kroatien konnten fast alle, in der Batschka und der Baranja fast die Hälfte der „Volksdeutschen“ evakuiert werden. Dokumentation der Vertreibung, Bd. 5, S. 88E.
105 Telegramm des Höheren SS- und Polizeiführers Serbien, Montenegro und Sandschak in Belgrad,
Hermann Behrends, an Himmler vom 8. Oktober 1944, BA NS19/3809.
106 Rundfunkansprache Jankos vom 8. April 1943, PA/AA Inl. IIc. 32/153 R100380.
107 Auszüge aus einem Artikel der Politika, PA/AA Inl. IIg 254/2427.
HOLOCAUST IN SERBIA
73
Milan Koljanin
Holocaust in Serbia:
Ideology and Experience
After the establishment of a totalitarian system in January 1933, the National Socialist
regime in Germany reduced all social conflicts to a struggle for the defense of the
higher “Aryan” race, embodied in the German nation, where the Jews were presented
as an absolute evil. Instead of class, they offered a racial struggle, which had to be finished by the complete annihilation of the Jewish opponents. This struggle was elevated
to a level of a moral commandment of the German people.1 The racist ideology in
which anti-Semitism played a key role became a means of general mobilization of the
Germans to achieve internal unity and imperial plans.
Extremely aggressive propaganda created the notion of a Germany fighting against
the “Jewish evil”, not only for its people, but also for the salvation of other nations,
which was the reason why they should take part in this struggle. In reality, the degree
of involvement of other nations and states in the “final solution of the Jewish question”
(Holocaust) was determined by a number of factors, primarily by the position they
were assigned in the “new order” and anti-Semitic tradition,2 but also by their own
political and social goals.
Immediately after Germany´s occupying forces entered Serbia, it introduced a
variety of anti-Jewish measures, the same as in other areas under German occupation.
By order of the Military Commander in Serbia on 31 May 1941 (Order concerning the
Jews and Gypsies – Verordnung betreffend die Juden und Zigeuner) social isolation,
looting, forced labor and a whole host of other degrading and discriminatory measures received their “legal” basis. After the attack on the Soviet Union on 22 June 1941
and the commencement of sabotages and insurgent fighting in the coming months,
mass arrests and executions of Jews, along with their Serbian compatriots, followed.
Thus began the “Final Solution of the Jewish question” in Serbia.3
The beginning of German occupation of Serbia was marked by imposing forced
labor obligations upon Jews. This was the „answer“ to the ideological stereotype of the
Jew who avoids physical activity because they are preoccupied with money, trade and
speculation. The forced manual labor of Jews, which they had to carry out in the most
difficult conditions possible, was not only a punishment, but a „revolutionary“ change
in their social position in front of the largest possible number of people.
Like other anti-Jewish measures, forced labor primarily had practical importance
because it used the free labor of the Jews, and this made it possible to control them
effectively. For the occupying soldiers and members of the German minority (Ethnic
Germans or “Volksdeutsche”) various humiliations of Jews also had a significant individual and collective psychological function. By humiliating the Jews – the supposed
inhuman antithesis of Germans and Aryans and primordial enemy of mankind – their
own superiority was stressed and confirmed.4
From the anti-Semitic perspective it seemed quite „natural“ that the carriers of the
fight against the „Jewish evil“, i.e. occupation administration and local Germans, ruthlessly sacked and placed Jewish property under their control. „The rule was that the
German soldiers and “Volksdeutsche” get into Jewish homes, in which some things
had accidentally been left behind that had not previously been ransacked, and were to
take everything they liked. If anyone protested, even by just saying something, he was
savagely beaten. No one even dared to think about appealing to higher authorities,
because it was considered to be a defamation of the German military, and in addition
to a beating the man would be exposed to detention and torture in German prisons.”5
74
MILAN KOLJANIN
“Volksdeutsche” were usually placed as commissioners of Jewish businesses and
often of those where they had been previously employed. Such measures had both
symbolic and practical importance. After the internment of Jews and destruction up
until 10 May 1942, the completion of the seizure of their property followed.6
Although formally a part of the German occupation area of Serbia and under the
jurisdiction of the „autonomous“ Serbian quisling government, the Banat region was
really under the control of the German minority. The anti-Jewish measures which were
introduced by the occupying administration in Serbia took place fastest in the Banat.
They culminated in the internment of the entire Jewish population in camps and
deportation to Belgrade in August and September 1941. Through this, the Banat
became the first area under the control of the “Third Reich” that was completely
„cleansed of Jews“ (judenrein).7
In the implementation of these measures, the engagement of leadership and institutions of the German minority was the determinant. For the “Volksdeutsche” in
Southeast European countries, including Yugoslavia, the German leadership intended
to play the role of „racial core“ and trusted guardians of the interests of “Third Reich”
in this area.8 During the invasion of the Wehrmacht in April 1941, the German population was one of the pillars of the destruction of Yugoslavia and the establishment of
the occupying power. The “peaceful neighbors” were transformed overnight into brutal members of the “dominant nation”. As early as in their very first crimes, they
attacked not only Serbs, but also Jews, with public executions receiving an important
symbolic function.
The public hanging of a prominent Jew, the director of the sugar factory in Petrovgrad/Groß-Betschkerek (today Zrenjanin) Viktor Elek on 24 April 1941, had an
important symbolic function, and this seemed in particular to be a “revolutionary”
one. Besides the local Germans, the hanging was attended en masse by members of the
other ruling nation, Hungarians. “I saw crowds of people going towards ‘Bagljaš‘: by
carriage, car, bicycle and foot. They were Germans and Hungarians, male and female,
young and old. The most of them were workers from the sugar mills, especially the
Hungarians. [...]”9
The forced labor of Jews also had an important symbolic function in the Banat.
“Immediately on the first morning when the German military marched in, I saw the
Jews on the street rounded up and forced with the use of a whip to clean the streets. On
that occasion, a German crowd passed by, young and old, male and female, who
shouted at the Jews and ran up to them, slapped them or spat in expression of their
abhorrence. I have seen highly intelligent Jewish people who were dragging oxen carts
around the town and carrying timber for individual Germans. “10
Forced labor of Jews
in the Banat region,
undated.
HOLOCAUST IN SERBIA
75
Deportation of Jews
from Zrenjanin camp,
undated.
„When Jews and Jewish women were taken to forced labor, I know that the Germans
expressed their displeasure against the Jews. They said in loud voices that they noticed
that it was the way it should be, and to let them work in the way they never did. [...] German women passing by shouted, ‚Good, just send them to work‘.“11 Nandor Komloš
underwent the following whilst carrying out forced labor: “German peasants from
Petrovgrad and the surrounding area, for whom we had to load trash into the car, constantly yelled at us, scolded us, mocked us: ‘Oh Jews, oh Jews, now you will serve us, we
are your masters, does it feel good to you?’ and they forced us to work even faster.”12
“Revolutionary” confiscation of Jewish property in the Banat was performed first
as a mass robbery13, and then as a full expropriation. Here the roles of the previous
owners and their German employees were also swapped. Oskar Fischgrund from
Pančevo also said: “Immediately after the Germans invaded, small and large groups of
German soldiers entered my manufacturing store and carried out the same actions
without asking me or my permission and took all they could. The next day, the commissioner was appointed, Franz Wild, the former accountant in my shop, a German
from Pančevo, a native of Žombolj. As the commissioner he robbed the most.”14
The anti-Jewish measures in the Banat culminated in the internment of the entire
Jewish population in detention camps and deportation to Belgrade in August and September 1941. The number of internees amounted to 3.300. Thus, as previously mentioned, the Banat became the first area under the control of the „Third Reich“ that was
completely “cleansed of Jews”.15
At the end of April 1941, when the work of Serbian police in Belgrade was reestablished, a section for Jews and Gypsies (Section VII) was set up within its Department
of Special Police. The section was directly subordinate to the Jewish department within
the Gestapo (IV D, later IV B4). The section’s task was to implement German orders
about the Jews, which included: registration, organization of forced labor, registration
of property, carrying out controls to ensure the Jewish population were wearing a yellow strip (Jew’s star), respecting of the prohibition of practicing certain professions,
the prohibition of visiting public premises, public events, swimming, and many others.
The local authorities, districts and district offices of the city administration had the
same task. The Special Police independently carried out arrests of the Jews who violated the Order of May 31, led the investigations and handed them over to the Gestapo.16
The attack on the Soviet Union on the part of Germany and her allies marked the
beginning of mass destruction of Jews in the occupied areas in the East. At the same
time, there was a deterioration in the position of Jews in other occupied countries,
including Serbia. This was followed by an even stronger anti-Jewish propaganda campaign that used the traditional and the new anti-Semitic stereotypes. The initiative for
76
MILAN KOLJANIN
the killing of Jews shown by representatives of the occupying administration was based
on ideological dogma about the role of the „World Jew“ in history. The beginning of
the final settlement of the Jewish Communist (Bolshevik) representatives in the East
heralded the beginning of dealing with its exponents in Serbia. There was no doubt
that the perpetrators of the sabotages were the Communists and their sympathizers.
The mythical image of the „World Jew“ who with the two levers of plutocracy (Liberal-Mason) and communism (Bolshevik) caused global carnage and destruction in
order to establish his rule, served along with a series of anti-Semitic stereotypes as a
universal explanation of the recent past but also for interpreting contemporary events.
Identification of the struggle against Bolshevism as the fight against the Jews was
immediately felt in propaganda.17 Then began the reprisals against Jews and Communists, who were collectively accused and convicted of sabotage and the German losses
in advance. Alongside them, other patriots were killed too, most of all the hostages in
massive “retaliatory measures”.18
The fight against insurgents and mass repressions were both interpreted in propaganda as part of the struggle against the „World Jew“, whose true nature had been
learned over time by German people and Germany‘s leaders. The Jew was able to
deceive the gullible part of Serbian people so that it now threatened their very survival.
This interpretation was to fulfill a definite political purpose. Killing Jews was a just
punishment for their destructive work. However, the mass executions of Serbs was, in
fact, the fight against the „World Jew“, which was causing the Serbs to fail. In this projection, the Germans appear as the saviors of the Serbs, not to be blamed for death and
internment of tens of thousands of people, because the real culprits were, in fact, the
Jews. On the other hand, this large, existential danger was to mobilize the Serbs in the
fight against this evil, by which they would acquire their worthy place in the German
„new order“.
The expression of a wide anti-occupant mood was a great expansion of the uprising
in September and October 1941. Resistance was expressed in the form of the Serbian
population helping persecuted Jews, whether of acquaintances or total strangers.19
From 20 July 1941 the internment of Jews began, first in Šabac, and from 22 August in
Belgrade and Niš. Due to the spreading of the uprising, Hitler ordered, on 16 September 1941, its quashing by the strongest means possible and entrusting of all powers in
Serbia to General Franz Böhme. Next followed the orders of Field Marshal Keitel to
shoot 100 “Communists” for the life of each German soldier taken, and 50 for each
soldier wounded. Based on these orders, mass executions of Serbian civilians began,
and then also of Jewish men after the arrival of General Böhme to Serbia on 18 September 1941.20 In his orders on 25 September 1941, General Böhme strongly encouraged a vindictive anti-Serb mood. General Böhme and most of the personnel of his
unit were Austrians, among whom it was easy to encourage an anti-Serb bias. Böhme
emphasized particularly the stereotype of Serbian treachery as a characteristic not only
of Serbian men, but of women also. He asked his subordinates to create a formidable
example for all of Serbia “which must hit the entire population in the hardest manner”21.
The motivational basis for the proceedings of the occupation forces against the
Serbs was based on anti-Serb bias and resentment embedded in the racist notion of
inferior Slavs. Its role was certainly played by circumstances of war, that is, losses in
battles with insurgents. The mass killing of Serbian civilians certainly had an impact
on the Wehrmacht soldiers in making the killing of civilians a routine, regardless of
their ethnic or „racial“ origin.
If the Serbs’ racist motivation was blurred in this proceeding, in the case of the killing of Jewish men it appeared in its „pure“ form. According to the anti-Semitic ideological model, General Böhme interpreted Keitel’s order of killing a hundred „Communists“ for each murdered and 50 for each wounded German soldier, by shooting
primarily Jews and Communists. We should bear in mind the widespread antiSemitism among the Austrians, which became an integrative part of Nazi ideology. In
HOLOCAUST IN SERBIA
the order of October 10, General Böhme sought
to detain all Communists, suspected men, all
Jews and a number of nationalist and democratic-minded elements as hostages. This was
the basis for the arrest of all Jewish men and
their execution in October and November 1941,
and this is how Wehrmacht got a central place in
the „Final solution“ in Serbia.22
Anti-Semitic propaganda was presented in a
fully rounded form at the „Exhibition of Freemasons, Jews and Communists,“ better known
as the „Anti-Masonic Exhibition“, which was
formally opened on October 22 in Belgrade.23
The propaganda messages of this exhibition
were based on the mythological image of Jews,
who were presented as an absolute evil and as the largest Serbian evil. In the artistic
representations of the exhibition and the accompanying advertising material, basic
stereotypical models were used: modern and traditional. The first presented the Jew as
a sleek capitalist who mastered the Serbian economy and sat on the backs of Serbian
peasants, workers and citizens. The second was the character of the Jew who held the
scale and determined who would prevail: Communists or money (capitalists).24 All
propaganda instruments, in the exhibition and beyond, suggested that even such a
great evil as Jewry could, in all its forms, be defeated with great effort and sacrifice.25
The opening of the “Anti-Masonic exhibition” coincided with the peak of mass
reprisals in Serbia, and also was the announcement of new ones. One of the main tasks
of the exhibition certainly was to provide ideological justification for the mass repressions, including those directed against Jews. By early November 1941, the Jewish male
population in Serbia was almost completely destroyed. The anti-Semitic messages
from the exhibition were the reason for some papers to send new calls to Serbs to
destroy “communist gangs” led by the remaining Jews.26 The exhibition was also the
announcement of mass arrests and internment in the Banjica concentration camp of
members of the Serbian intellectual elite, among them a group of professors at the
University of Belgrade, in early November 1941. They were branded as Freemasons
and intellectual pioneers of the armed struggle that threatened to bring about the
destruction of Serbian people.27
One of the main goals of the propaganda which followed this extensive military
operation to destroy the rebels in autumn 1941, was to divide and then destroy the two
rebel groups. Separately from that, in early November 1941, a conflict started between
Communist partisans and the forces of Colonel Draža Mihailović. This certainly made
it easier for Germans to quickly break major partisan groups in western Serbia at the
end of November and destroy the center of Mihailović’s movement at Ravna Gora in
early December 1941.28
One of the measures used to suppress the uprising was the mass internment of the
population. In the headquarters of General Böhme on 6 October 1941, it was decided
to build a camp in the village of Zasavica in Western Serbia. According to the report of
the Operations Group of Police (Einsatzgruppe Sipo/SD) of 9 October, the camp was to
be built on the model of the German concentration camps, and its capacity would be
for 50.000 people, but to be increased to 500.000. Because of the long rains, General
Böhme ordered on 28 October that the camp should be moved to a new location in the
pavilions of the Belgrade Fairground. Meanwhile, at the meetings of representatives of
the Foreign Ministry, Main Reich Security Office (RSHA) and occupational authorities
in Serbia, it was concluded that the remaining Jewish and Roma men should be shot,
and their families interned in Serbia itself.
By early December 1941 the uprising movement in Serbia had been mostly
destroyed. According to a report of the operational department of General Böhme to
77
Poster of the AntiMasonic Exhibition.
78
MILAN KOLJANIN
the Wehrmacht commander in the South East on 5 December, the plans for the massive resettlement of women and children, rebels and other unreliable elements were
delayed. Then it was stated that all Jews and Gypsies should be taken to a concentration camp near Zemun. On December 8, 1941, the Jewish camp Zemun (Judenlager
Semlin) was opened. The camp was on the left bank of the Sava river in the territory of
the Independent State of Croatia. There all the remaining Jews in Serbia were interned,
around 6.400 of them, and about 600 Roma.29
Sources indicate that the main activities of the Special Police Department in the
persecution of Jews in relation to the violation of the Order concerning the Jews and
Gypsies, were to discover their true identity and/or investigation of communist activities. After an order for all Jews to come to the Jewish police on December 11, 1941,
after which they were interned in the camp at the Belgrade Fairground, the main activities of the Special Police in respect to the „Jewish question“ was the search for hidden
Jews. Captured Jews were delivered to German authorities, or were sent directly to the
Banjica concentration camp (Anhaltelager Dedinje) where they were quickly taken to
be shot at the military shooting range near the village Jajinci.30
The internment of the remaining Jews in Serbia was linked with the destruction of
insurgent movements and delaying of the mass displacement of the population from
the insurgent areas. The decision to kill interned Jewish women and children was
linked to the issue of the fight against insurgents. On December 20 1941, the Military
commander in Serbia, General Paul Bader, evaluated that the occurrence of warmer
days would bring the revival of unrest and rebel activity.31
Due to the increasing needs of the German war industry for labor32, the prospective
for captured rebels was changed in March 1942. A greater influx of prisoners in German concentration camps in Serbia was expected, which got an additional purpose in
April and May 1942 and became distribution centers for the referral of able-bodied
prisoners in German concentration and labor camps. In mid-March 1942, the Wehrmacht commander of the South East, General Walter Kuntze, expected that the Jewish
camp Zemun would be used for that purpose, along with the camps in Niš, Šabac and
Belgrade (Banjica). The decision about the killing of Jewish prisoners had by then
already been made.
Up until May 10, 1942, Jewish women and children from the camp at the Belgrade
Fairground were killed in a gas van (mobile gas-chamber), which carried out the “Final
solution of the Jewish question” in Serbia.33 The strong anti-Semitic propaganda continued despite the fact that there was a missing, even fictitious, basis for linking the
Jews of Serbia with the events in it. However, despite this, the mythical notion of the
“World Jew” as an absolute evil, and, simultaneously, the largest Serbian evil, retained
its universal propaganda and ideological usefulness in interpreting the past and, above
all, contemporary events until the end of German occupation.
Internment of Jews
in the Belgrade
Fairground Camp,
undated.
HOLOCAUST IN SERBIA
1 Yehuda Bauer, The Place of the Holocaust in Contemporary History, in: John K. Roth, Michael
Berenbaum (eds.), Holocaust. Religious and Philosophical Implications, New York 1989, pp. 33 – 34.
2 Raul Hilberg, Zločinci, žrtve, posmatrači. Jevrejska katastrofa 1033 –1945, Belgrade 2001, pp. 93 –127,
225 – 245.
3 Christopher R. Browning, Fateful Months. Essays on the emergence of the Final Solution (revised
edition), New York/London 1991, pp. 39 – 48; Milan Koljanin, Nemački logor na Beogradskom
sajmištu 1941–1944. Belgrade 1992, pp. 19 – 31; Walter Manoschek, ‘Serbien ist judenfrei’. Militärische Besatzungspolitik und Judenvernichtung in Serbien 1941/42, Munich 1993, pp. 35 – 49;
Ženi Lebl, Do ‘konačnog rešenja’. Jevreji u Beogradu 1521–1942, Belgrade 2001, pp. 287– 315.
4 Bauer, The Place of the Holocaust in Contemporary History, pp. 16 –17.
5 Archives of Yugoslavia, Belgrade (AY), 110-385-604, Yugoslav State Commission for War Crimes,
Statement of Olga Feldman Antić.
6 АY, 65-1265-224а, Oglas-Kundmachung, Adolf Mostbeck's appointment for the commissioner of
the Geza Kon A.D, Belgrade, 24.VI.1941. See also: Vesna Aleksić, Banka i moć. Socijalno-finansijska istorija Opšteg jugoslovenskog bankarskog društva A.D. 1928 –1945, Belgrade 2002, p. 146.
7 Božidar Ivković, Uništenje Jevreja i pljačka njihove imovine u Banatu 1941–1944. In: Tokovi revolucije, Zbornik istorijskih radova, No. 1, Belgrade 1967, pp. 373 – 403; Pokrajinska komisija za
utvrđivanje zločina okupatora i njihovih pomagača u Vojvodini: Zločini okupatora i njihovih
pomagača u Vojvodini protiv Jevreja (istrebljenje, deportacija, mučenje, hapšenje i pljačka), Novi
Sad 1945, pp. 192 – 290; Zločini fašističkih okupatora i njihovih pomagača protiv Jevreja u Jugoslaviji, Savez jevrejskih opština Jugoslavije, Belgrade 1952, pp. 9 –13; The Crimes of the Fascist
Occupants and their Collaborators against Jews in Yugoslavia, Belgrade 1957, pp. 2 – 3.
8 Milan Ristović, Nemački ‘novi poredak’ i jugoistočna Evropa 1940/41–1944/45. Planovi o
budućnosti i praksa, Belgrade 1991, pp. 95 –114.
9 АY, 110, 669, 33 – 34, Draga Nikin’s statement. See also the announcement about Viktor Elek’s hanging in German, Hungarian and Serbian. Here it is stated that at the same time as Elek – a Jew – was
shot, Sava Cukić, a Serbian from Aradac, was too; AY, 110, 669 – 67. Zločini fašističkih okupatora i
njihovih pomagača protiv Jevreja u Jugoslaviji, Fotodokumentacija, Photograph No. 4; Jovan Rajs,
Kristina Hjerten von Gnedda, Opunomoćenik ućutkanih, Belgrade 2004, pp. 31– 32.
10 АY, 110, 691–143, Dr. Boža Ankić’s statement.
11 See note 7.
12 АY, 110, 690 – 209, Nandor Komloš’s statement.
13 Ivan Singer, Blagoslov moga oca. Moje spasenje, Vršac 2006, p.69.
14 АЈ, 110, 674 – 52, Ivković, op.cit. pp. 392 – 401.
15 See note 7.
16 Branislav Božović, Stradanje Jevreja u okupiranom Beogradu 1941–1944, Belgrade 2012, pp. 241– 252.
17 Uloga Jevreja u boljševizmu (The Jewish role in Bolshevism), in: Novo Vreme, No. 38, 24. June
1941. This commentary was broadcast on Belgrade Radio (Sender Belgrad) a day beforehand.
18 Venceslav Glišić, Teror i zločini nacističke Nemačke u Srbiji 1941–1944, Belgrade 1970, passim;
Manoschek, ‘Serbien ist judenfrei’, passim.
19 Milan Fogel, Milan Ristović, Milan Koljanin, Righteous among the Nations – Serbia, Belgrade
2010, passim; Jaša Almuli, Stradanje i spasavanje srpskih Jevreja. Belgrade 2010, passim.
20 Christopher R. Browning, Fateful Months. Essays on the emergence of the Final Solution, New
York-London 1991, revised edition, pp. 45 – 48; W. Manoschek, ’Serbien ist judenfrei’, pp. 55 – 56.
21 Manoschek, ’Serbien ist judenfrei’, p. 60.
22 Ch. R. Browning, Fateful Months, pp. 39 – 56; W.Manoschek, ’Serbien ist judenfrei’, passim.
23 Juče je svečano otvorena antimasonska izložba, in: Novo Vreme, No. 147, 23 October 1941. See
also: Nadežda Jovanović, Odnos okupatora i kvislinga prema masoneriji u Srbiji 1941–1942, in:
Godišnjak grada Beograda, Book XVIII, Belgrade 1971, pp. 77–107; Branko Petranović, Srbija u
Drugom svetskom ratu, Belgrade 1992, pp. 424 – 425.
24 Kosta Nikolić, Nemački ratni plakat u Srbiji 1941–1944, Belgrade 2000, pp. 148–150.
25 Ove nedelje otvara se antimasonska izložba u Beogradu. In: Novo Vreme, No. 145, 21 October 1941.
26 Jevreji su nam nekad pili krv na pamuk, a danas zavode Srbe ne bi li došlo samouništenje naše, in:
Narodne novine, No. 3, 16 November 1941.
27 Dr. Lazar Prokić: Antimasonska izložba kao vaspitno nacionalno sredstvo. In: Ponedeljak, No. 15,
10 November 1941.
28 Petranović, Srbija u Drugom svetskom ratu, pp. 228 – 244, 262 – 275; Kosta Nikolić, Istorija Ravnogorskog pokreta 1941–1945, Book 1, Belgrade 1999, pp. 143 –164.
29 M.Koljanin, Nemački logor na Beogradskom sajmištu, pp. 45 – 47, 62.
30 Logor Banjica. Logoraši. Knjige zatočenika Koncentracionog logora Beograd-Banjica (1941–1944),
Vol. I–II, Belgrade 2009.
31 Koljanin, Nemački logor na Beogradskom sajmištu, pp. 107–108.
32 Ulrich Herbert, Geschichte der Ausländerbeschäftigung in Deutschland 1880 bis 1980. Saisonarbeiter, Zwangsarbeiter, Gastarbeiter, Berlin/Bonn 1986, pp. 120 –124, 141–167.
33 Manoschek, ’Serbien ist judenfrei’, pp. 194 –195; Koljanin, Nemački logor na Beogradskom sajmištu,
pp. 126 –127.
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80
AUTOR
BEITRAG
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Das „Verschwinden“
der deutschsprachigen Minderheiten
Vertreibung, Deportation, Internierung
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MITJA FERENC
DAS SCHICKSAL DER DEUTSCHEN MINDERHEIT IN SLOWENIEN NACH DEM ZWEITEN WELTKRIEG
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Mitja Ferenc
Das Schicksal der deutschen Minderheit
in Slowenien nach dem Zweiten Weltkrieg
Anzahl und Präsenz von Deutschen in Slowenien bis zum Jahre 1945
Die Deutschen, die vor dem Zweiten Weltkrieg auf dem Gebiet des heutigen Sloweniens
ständig gelebt haben, sind auf drei Weisen in das slowenische nationale Territorium
gelangt. Die deutsche politische Herrschaft brachte deutsche weltliche und kirchliche
Herren nach Slowenien. Später kamen deutsche Bürger hinzu, in den letzten Jahrhunderten auch Großunternehmer und Angehörige intellektueller Berufe. Diese Deutschen
lebten vor allem in den Städten und Märkten (Marburg an der Drau, Pettau, Cilli, Laibach, Gonobitz, Windisch Feistritz usw.), insbesondere als Hausbesitzer, Gewerbetreibende, Freiberufler, Handwerker und Großgrundbesitzer, in einigen Regionen auch als
Bauern. Diese Deutschen gab es noch vor dem Ersten Weltkrieg, doch wanderten die
Angehörigen der intellektuellen Berufe (Gymnasiallehrer, Volksschullehrer, Beamte)
nach der Bildung des Staates der Slowenen, Kroaten und Serben bzw. des Königreichs
der Serben, Kroaten und Slowenen im Herbst 1918 nach Österreich ab. Zur zweiten
Gruppe gehörten diejenigen Deutschen, die sich im Mittelalter in der sogenannten
Höhenkolonisation in Slowenien ansiedelten. Das waren vor allem die Gottscheer Deutschen, die nach 1330 eingewandert sind und die als „deutsche Insel“ ihr deutsches
Bewusstsein bewahrten, und die Zarzer Deutschen, die sich während des 13. Jahrhunderts im Tal der Selzacher Zeier niederließen und, umgeben von slowenischer Bevölkerung, mehrheitlich ihre deutsche Identität verloren. Zur dritten Gruppe rechnen wir vor
allem diejenigen Deutschen, die der Frieden von St. Germain im Jahre 1919 von mehr
oder weniger geschlossen deutschen Gebieten abgetrennt hat. Das waren die Abstaller
Deutschen, die die Grenze an der Mur von der Obersteiermark abtrennte, und die Deutschen in vier Dörfern (Sinnersdorf, Ginzenhof, Fixelsdorf, Rottenberg) südlich des kleinen Flusses Kutschenitza im nordwestlichen Teil des Übermurgebiets, der die Staatsgrenze bildete.1
Nach der österreichischen Zählung aus dem Jahr 1919 lebten in den Gebieten, die
dem slowenischen Teil des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen angeschlossen wurden, 106.377 Einwohner mit deutscher Umgangssprache. Die Deutschen machten etwa zehn Prozent der Gesamtbevölkerung aus, nach den Zählungen
der Jahre 1921 und 1931 waren es etwas weniger als vier Prozent bzw. 2,5 Prozent
(28.998 Personen mit deutscher Muttersprache).2 Auf die Gründe für die statistische
Abnahme der Zahl der Deutschen kann ich an dieser Stelle nicht eingehen. Bezogen
auf ihre eine halbe Million zählende nationale Gruppe in Jugoslawien lebten in Slowenien acht Prozent aller Deutschen in Jugoslawien. Abgesehen von den Deutschen in
Bosnien und der Herzegowina, bildeten sie die zahlenmäßig kleinste, allerdings auch
die wirtschaftlich und sozial bei Weitem stärkste und am besten organisierte deutsche
nationale Gruppe mit einer reichen politischen und kulturellen Tradition und einem
stark betonten Nationalbewusstsein.3
Die Besatzung
Die Aufteilung des slowenischen Gebiets zwischen Deutschland, Italien, Ungarn und
dem Unabhängigen Staat Kroatien führte im Jahr 1941 zunächst zur Umsiedlung von
etwa 12.000 Gottscheer Deutschen (95 Prozent). Aus der Gottschee, die Teil des
Königreichs Italien wurde, siedelten sie die deutschen Behörden in der Untersteiermark in dem deutschen Besatzungsgebiet entlang der Flüsse Sawe und Sutla an, an der
Grenze zu Italien und zum Unabhängigen Staat Kroatien. Dazu vertrieben die Natio-
nalsozialisten von dort fast alle Slowenen, etwa 37.000 Personen, und vernichteten
und beseitigten nach rund 600 Jahren die deutsche nationale Insel in der Gottschee.4
Hinsichtlich der Einstellung zur deutschen Minderheit nach Kriegsende muss man
feststellen, dass die scharfe Besatzungspolitik des deutschen Okkupators und die
Unterstützung der Besatzer durch einen Teil der deutschen Minderheit, insbesondere
bei Maßnahmen der deutschen Besatzungsbehörden zum Ethnozid (zur massenhaften Vertreibung, Germanisierung, Gewalt usw.), die Forderung nach der kollektiven
Verantwortung der großen Mehrheit der Deutschen in Slowenien zur Folge hatte.
Dabei ist zu beachten, dass die Forderung nach Vertreibung und Beschlagnahme des
Vermögens nicht nur auf Seiten der kommunistischen Partisanen zu finden war, sondern auch beim gegnerischen, das heißt antirevolutionären, antikommunistischen
politischen Lager, und das bereits seit der Besetzung 1941. Die slowenischen bzw.
jugoslawischen Nachkriegsbehörden nutzten das Verhalten der deutschen Minderheit
während des Zweiten Weltkriegs nach Kriegsende als Rechtfertigung für die endgültige Abrechnung mit den Deutschen in Slowenien und Jugoslawien.5
Die Abrechnung mit den Deutschen
Die rechtliche Grundlage für die Abrechnung mit den Deutschen bildeten die Beschlüsse,
die während des Krieges das Präsidium des Antifaschistischen Rates der nationalen
Befreiung Jugoslawiens (AVNOJ) gefasst hatte. Unter den Vorschriften, die die Rechtslage
der Deutschen in Jugoslawien nach der Befreiung regelten, war der erste und wichtigste
der Beschluss des AVNOJ-Präsidiums vom 21. November 1944.6 Danach wurde das Vermögen von Deutschen (des deutschen Staates, deutscher Staatsangehöriger und von Personen deutscher Nationalität) in Slowenien und Jugoslawien konfisziert. Diese und die
auf sie folgenden gesetzlichen Vorschriften erklärten die Deutschen – Staatsbürger des
Deutschen Reiches wie auch jugoslawische Staatsangehörige – zu Staats- und Volksfeinden. Zum Feindvermögen wurde auch ihr Vermögen gerechnet, das laut Beschluss
Eigentum des neuen jugoslawischen Staates wurde. Bis Ende des Jahres 1945 erließen die
staatlichen Organe in Slowenien 20.293 Enteignungsbeschlüsse. Durch sie wurden
Karte der Drau-Banschaft mit deutschen
Siedlungen.
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MITJA FERENC
DAS SCHICKSAL DER DEUTSCHEN MINDERHEIT IN SLOWENIEN NACH DEM ZWEITEN WELTKRIEG
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Auf dem Bahnhof
in Gottschee bei
der Umsiedlung der
Gottscheer 1941.
Industrieunternehmen, Bauernwirtschaften, Geldinstitute, Handelsfirmen, Gastwirtschaften und Handwerksbetriebe, Mietshäuser, Großgrundbesitz usw. beschlagnahmt.
Verschiedene staatliche Institutionen begannen Berechnungen, doch stellten sie bald
fest, dass die zusammengetragene Dokumentation unvollständig war.7
Die Begründungen, mit denen die neuen jugoslawischen Behörden die Verstaatlichung des deutschen Besitzes rechtfertigten, waren verschieden: materielle, ethischmoralische, national-defensive, ideologische und wirtschaftlich-strategische. Überwiegend wurde die Entschädigung für Besatzungsschäden angeführt, doch ermöglichte die
Beschlagnahme Jugoslawien zugleich, an die für den wirtschaftlichen Wiederaufbau
notwendigen Mittel zu gelangen, bevor auf internationaler Ebene Verhandlungen über
Kriegsentschädigungen begonnen hatten. Mit der Agrarreform und der Aufteilung des
beschlagnahmten deutschen Eigentums (besonders beachtlich war der Grundbesitz der
Deutschen in der Vojvodina) gewann die neue Regierung die Bauern, und damit die
Bevölkerungsmehrheit, für sich. Die Enteignung des deutschen Besitzes war nämlich
mit keinerlei Risiko verbunden, während eine verfrühte allgemeine Nationalisierung
ein allzu großes Risiko und außenpolitische Schwierigkeiten bedeutet hätte. Freilich
darf man bei der Entscheidung der Behörden nicht übersehen, dass damit der deutschen Minderheit für immer die Möglichkeit genommen werden sollte, in den Gebieten, in denen sie lebte, das Wirtschaftsleben zu dominieren. Der Beschluss des AVNOJPräsidiums entzog dem Staat, der die Hauptbesatzungsmacht gewesen war, und
Personen, die ihm national angehörten, das Eigentum. Er sah die Kollektivbestrafung
vor.8
Bei der Abrechnung mit den Deutschen zogen die Behörden auch andere Rechtsvorschriften heran, die Zivil- und Militärgerichte praktizierten, so zum Beispiel das
Gesetz über Strafarten, die Verordnung über kollektive Amnestie und Begnadigung, die
unter anderen die Mitglieder des Schwäbisch-Deutschen Kulturbundes von der Amnestie ausnahm, was bedeutete, dass die Mehrzahl der Angehörigen der deutschen Nationalität und ihrer aktiven und mutmaßlichen slowenischen Sympathisanten nicht
begnadigt wurde. Die breiteste Grundlage für die Verurteilung von Jugoslawiendeutschen bot das Gesetz über strafbare Handlungen gegen Volk und Staat, das rückwirkend
galt. Von den wichtigsten Vorschriften sind noch das Gesetz über die Agrarreform und
die Kolonisierung zu nennen, aufgrund dessen der beschlagnahmte deutsche Grundbesitz, soweit er nicht in Staatsbesitz blieb, unter den Kolonisten aufgeteilt wurde, sowie
das Gesetz über die Wählerlisten vom August 1945, das neben anderen der Gesamtheit
der Kulturbundmitglieder und ihren Familienangehörigen kollektiv das Wahlrecht versagte.
Beschluss des
AVNOJ-Präsidiums
vom 21. November
1944.
Mit der Vertreibung und der Beschlagnahme des Vermögens verloren die Angehörigen der deutschen Minderheit de facto die jugoslawische Staatsangehörigkeit, auch
wenn dies de jure erst am 4. Dezember 1948 vollzogen wurde, als die Änderung des
Staatsangehörigkeitsgesetzes der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien in Kraft trat.9
Dieser Rechtszustand dauerte bis zum Jahr 1951, als im Juli die Verordnung über
die Beendigung des Kriegszustands mit Deutschland und im Januar die Verordnung
über die Beendigung des Kriegszustands mit der Bundesrepublik Österreich erlassen
wurden, die besagten, dass mit ihrer Inkraftsetzung für Deutschland und Österreich
und für deren Staatsangehörige die aus dem Kriegszustand mit Deutschland resultierenden Vorschriften nicht mehr angewendet wurden.10
In ähnlichen historischen Situationen hat man vergleichbare Beschlüsse über die
Deutschen, wie sie das AVNOJ-Präsidium erlassen hat, auch anderenorts gefasst. Vertreibung und Enteignung trafen einen Großteil der Deutschen aus der Mehrzahl der
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MITJA FERENC
DAS SCHICKSAL DER DEUTSCHEN MINDERHEIT IN SLOWENIEN NACH DEM ZWEITEN WELTKRIEG
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treibung und Umsiedlung von Deutschen sowie der Einschränkung ihrer persönlichen Freiheit zusammenhingen.16 Die OZNA, das Korps der Volksbefreiung Jugoslawiens
(KNOJ) sowie die Volksmiliz verhafteten zuerst die Mitglieder des Schwäbisch-Deutschen Kulturbundes, die Funktionäre des Steierischen Heimatbundes in der Steiermark
und des Kärntner Volksbundes in Oberkrain. Im Juni und Juli 1945 kamen auch die
übrigen in Slowenien verbliebenen deutschen Einwohner an die Reihe. Einige wurden
in Gefängnishaft genommen, die Mehrzahl allerdings in Lagern interniert. Um die
Vertreibung der deutschen Minderheit durchzuführen, wurden in Slowenien wie in
anderen jugoslawischen föderativen Einheiten spezielle Konzentrationslager errichtet.
Über diese Lager wusste man bis zu den demokratischen Veränderungen in Slowenien
nur wenig. Für die slowenische kommunistische Führung existierten sie überhaupt
nicht, man durfte sie noch nicht einmal erwähnen. Mit Ausnahme eines einzigen
Lagers (Fülowcze) wurden die Konzentrationslager in Slowenien im Mai und Juni
1945 errichtet. Sie wurden von der slowenischen OZNA eingerichtet und verwaltet,
die gegen Kriegsende über vorbereitete Listen von Personen verfügte, die nach dem
Krieg verhaftet werden sollten. Das zentrale Konzentrationslager für Deutsche aus
ganz Slowenien errichtete die OZNA in Sterntal bei Pettau.17 Die erste bekannte Nachricht über die Verbringung von Deutschen in dieses Lager stammt vom 19. Mai 1945.18
Nach Meinung des Adjutanten des OZNA-Befehlshabers für Slowenien, Mitja Ribičič,
konnte man ohne Weiteres 20.000 bis 25.000 Deutsche auf sieben Quadratkilometern
unterbringen.19 Nach den Instruktionen der OZNA sollten hierher alle „Volksdeutschen“, Gottscheer und Deutschen in zivilen Dienststellungen (Fabrikarbeiter, Mitarbeiter der Post, Eisenbahn und anderer Institutionen) gebracht werden. Die übrigen
Konzentrationslager waren Hrastowetz bei St. Leonhard in den Windischen Büheln,
in Bresternica bei Marburg, in Brunndorf bei Marburg, in der Stadt Gottschee und in
Tüchern bei Cilli. Neben diesen Konzentrationslagern existierten einige sogenannte
Sammelbasen, von denen die Internierten in die Lager überführt wurden. Solche kleineren „Sammelbasen“ richtete man zum Beispiel in Thesen bei Marburg, in Gams bei
Marburg, in Gonobitz und in Hrastnik ein. In Slowenien wurden alle Konzentrationslager bis zum Ende des Jahres 1945 aufgelöst. Die Lager Hrastowetz und Fülowcze
wurden Anfang September, das Lager Sterntal erst Anfang Oktober 1945 geschlossen.
Anderenorts in Jugoslawien geschah dies wesentlich später, die letzten Lager für Deutsche wurden erst im Sommer 1948 aufgelöst. Nach den Worten des Adjutanten des
OZNA-Befehlshabers für Slowenien, Mitja Ribičič, soll die jugoslawische Führung
beschlossen haben, „dass in Slowenien keine Lager sein sollen, da die Reaktion gerade
diese Art der Herrschaft am meisten gegen unsere staatliche Ordnung ausnutzt“.20 Einige
Konzentrationslager (Bresternitza, Brunndorf, Tüchern) blieben, nachdem die OZNA
sie der Verwaltung des Innenministeriums unterstellt hatte, zunächst bestehen. Sie
erhielten den Status von Arbeitslagern und wurden amtlich als Straflager bezeichnet.21
Flüchtlingskinder
aus Slawonien,
der Gottschee und
Syrmien in der Schule
des österreichischen
Flüchtlingslagers
Wagna, 1946/47.
osteuropäischen und südosteuropäischen Staaten. Circa 12 Millionen ethnische Deutsche wurden aus Polen, der Tschechoslowakei, Ungarn, Jugoslawien, Rumänien, Bulgarien, der Sowjetunion und den baltischen Staaten vertrieben.11
Gottscheer im österreichischen Flüchtlingslager Feffernitz,
undatiert.
Die Flucht
Viele Deutsche verließen noch vor Ende des Weltkriegs organisiert den slowenischen
Raum. Die Mehrzahl dieser „einheimischen“ Deutschen, die sich aufgrund ihrer bisherigen Aktivitäten bedroht fühlten, zog sich rechtzeitig auf österreichisches Gebiet
zurück. Dort wurden sie von den Alliierten in Lagern interniert. Mit denen, die in Slowenien verblieben waren, wollte die jugoslawische, und mit ihr auch die slowenische
politische Führung, „ohne jede Sentimentalität“ abrechnen. Man schätzt, dass mit dem
Rückzug der Deutschen Wehrmacht vor Kriegsende etwa 15.000 bis 16.000 Deutsche
geflüchtet sind.12 Organisation und Ablauf des Rückzugs lassen sich leicht vor allem aus
schriftlich festgehaltenen Erinnerungen rekonstruieren. Mit der Eisenbahn versuchte
man vor allem, Frauen mit Kindern zu evakuieren. Die Mehrzahl machte sich allerdings mit Pferdefuhrwerken auf den Weg. Die Fahrzeugkolonnen stießen unterwegs
auf unterschiedliche Hindernisse und erreichten verschiedene Ziele. Wegen des viel zu
späten Rückzugs waren viele Menschen auf den Straßen, die voll von deutschen und
kroatischen Militäreinheiten sowie serbischen Tschetniks auf dem Rückzug und Zivilpersonen waren. Die jugoslawische Armee holte sie ein, hielt sie an und ließ sie umkehren. Frauen und Kinder wurden zur Grenze geschickt, während die Männer in Sammelstellen und von dort in Lager abgeführt oder alle verhaftet wurden.13 Eine
Ausarbeitung von Franjo Baš aus dem Jahre 1946 gibt an, dass am 1. Oktober 1945 in
der Untersteiermark und im Übermurgebiet 9.349 Deutsche gelebt haben, davon 3.587
in Haft bzw. in Lagern.14 Diese Statistik stellte nur ein Zwischenergebnis dar, da die
organisierte Ausweisung erst in den Folgemonaten durchgeführt wurde. Die teilweise
erhaltene Dokumentation ermöglicht nur einen annähernden, überschlägigen Vergleich der Behandlung der verschiedenen Kategorien von Deutschen und ihres Schicksals nach dem Krieg, d. h. der Geflüchteten, der Ausgesiedelten, der Gefangenen und
Verurteilten, der Ermordeten und der Verstorbenen. Wie mit den Deutschen verfahren
wurde, lässt sich anhand von Archivbeständen zum Kulturbund rekonstruieren, die zu
großen Teilen diejenigen erfassen, die in den ersten Nachkriegsmonaten verhaftet worden sind. Verhöre und Gerichtsverhandlungen erfuhren 4.918 Personen, die größtenteils dem Kulturbund angehört hatten, unter ihnen allerdings nur 1.604 Personen mit
deutscher oder österreichischer Staatsangehörigkeit. Für 511 fehlen Angaben über eine
Verurteilung, 296 wurden ausgesiedelt, 236 wurden ohne Gerichtsverfahren hingerichtet, 261 einem Gericht überstellt, 79 entlassen, 50 in Lagern interniert, 21 starben, 12
flüchteten.15 Auf der Grundlage dieses Archivbestands können wir zwar nicht generell
den Umgang mit den Deutschen beurteilen, doch enthält er die wenigen erhaltenen
Unterlagen über das Schicksal derjenigen, die nicht geflüchtet waren.
Die Lager
Alle Maßnahmen gegen die Deutschen, seien sie nationale Minderheit oder Ausländer gewesen, führte nach
dem Krieg die jugoslawische politische Polizei aus,
beziehungsweise eine Sondereinheit der Armee, die
Abteilung zum Schutz des Volkes (OZNA). Andere
Staatsorgane wagten es nicht, sich einzumischen, und
konnten es auch nicht. Die OZNA informierte über ihr
Vorgehen noch nicht einmal die für die auswärtigen
Beziehungen zuständigen politischen Funktionäre, was
zu Unzufriedenheit und Beschwerden vor allem hinsichtlich der Sicherstellung und Beschlagnahme von
Eigentum führte. Vor allem ließ die OZNA keine Einmischung anderer Organe in Fragen zu, die mit der Ver-
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MITJA FERENC
Lager Sterntal,
undatiert.
Die Vertreibung
Die ersten nichtorganisierten Aussiedlungen geschahen aus Gebieten nahe der österreichischen Grenze, indem man die Menschen einfach über die Grenze jagte. Bereits
im Mai 1945 verfuhr die OZNA so zuerst mit den Gottscheer Deutschen, die das
Kriegsende auf der Flucht noch auf slowenischem Gebiet ereilt hatte, danach Ende
Mai und in den folgenden Wochen auch mit anderen Gruppen, die über die Grenze
bei St. Egedi abgeschoben wurden. Aus einem Bericht von Ende Mai geht hervor, dass
von ihnen etwa 4.500 über Pesnitz bei Marburg zur österreichischen Grenze geschickt
wurden. Dabei hielt die OZNA arbeitsfähige Männer in ihren Lagern oder in Repatriierungsbasen zurück und zog sie zu verschiedenen Arbeiten heran.22
Die organisierten Aussiedlungen der Deutschen geschahen in drei Wellen. In der
ersten Welle von Mai bis September 1945 begann man mit der Vertreibung zuerst dort,
wo man es eilig hatte, das heißt in Gebieten, in denen die deutschen Besatzungsbehörden Gottscheer Deutsche und Deutsche aus Rumänien in Häusern vertriebener Slowenen angesiedelt hatten. Man erwartete nämlich die Rückkehr der slowenischen Vertriebenen. Bis zur Sommermitte 1945 war das Gebiet an Sawe und Sutla frei von
deutschen Kolonisten.23 Die Transporte dieser Deutschen wurden im Frühling und
Sommer 1945 alle über Marburg und über die Repatriierungsbasis Brunndorf gelenkt.
Mit der massenhaften Internierung von Deutschen im Konzentrationslager Sterntal
und auch in Hrastowetz begann die OZNA erst um den 27. Juni 1945.
Die zweite Welle, die besser organisiert war, begann im September 1945 und dauerte bis November, als OZNA und KNOJ wegen der Wahlen zur verfassungsgebenden
Versammlung des Demokratischen Föderativen Jugoslawiens (11. November 1945)
die Aussiedlungen vorübergehend unterbrachen. Diese Welle erfasste diejenigen, die
in Lagern interniert waren. Die meisten wurden mit Eisenbahntransporten nach
Österreich ausgewiesen.
Die dritte und stärkste Welle dauerte von Ende Dezember 1945 bis Juni 1946. Sie
erfasste fast alle verbliebenen Deutschen in Slowenien. Diese Welle ging von Westen
aus, das heißt von Laibach (Ljubljana), Oberkrain und Unterkrain, durch die Gebiete
von Cilli und Marburg bis ins Übermurgebiet. Im Januar 1946 erfasste sie auch zwei
Gebiete, die als Teil des geschlossenen deutschen Sprachraums nach dem Ersten Weltkrieg an das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen gefallen waren, das Abstaller Feld und das nordwestliche Übermurgebiet mit mehrheitlich bäuerlicher Bevölkerung. Seit Dezember 1945, als die OZNA mit der letzten Phase der vollständigen
„Säuberung“ der Deutschen in Slowenien begann, wurden über acht Grenzübergänge
(Rosenbach, Koren, Seeland, Aßling, Drauburg, St. Egidi, Hodasch und Kotoriba in
Kroatien) 49 Gruppen beziehungsweise Transporte verschickt. Die mit dem Zug
transportierten Aussiedler wurden über die grenznahen Sammelbasen Podroschtze
DAS SCHICKSAL DER DEUTSCHEN MINDERHEIT IN SLOWENIEN NACH DEM ZWEITEN WELTKRIEG
und Schentilja nach Österreich und über Hodosch und Kotoriba nach Ungarn
geschickt. Die meisten Transporte liefen über Rosenbach.24
Den Ausgewiesenen blieb, als man sie in die Lager verbrachte, nur kurze Zeit (oft
nur wenige Minuten) für die Vorbereitung, sie konnten nur die notwendigsten Dinge
mit sich nehmen. In den Lagern fanden sich ganze Familien, von Kindern bis zu alten
Leuten, die Hungersnöten ausgesetzt waren, ansteckenden Krankheiten und physischen und psychischen Qualen. Diejenigen, die direkt ausgesiedelt wurden, konnten
mehr Gepäck mitnehmen. Die Vertreibung der Deutschen geschah vor allem über die
jugoslawisch-österreichische Grenze. Da die britischen Besatzungskräfte in Österreich
sie nicht aufnehmen wollten, begannen die jugoslawischen Behörden in Absprache
mit den sowjetischen Besatzungsbehörden in Ungarn, sie über die ungarische Grenze
auszuweisen. Die sowjetischen Organe transportierten sie weiter nach Österreich und
teilweise nach Deutschland. Das ging nicht ohne Spannungen zwischen den britischen
und den sowjetischen Besatzungsbehörden, die ebenfalls Transporte zurückschickten.
Personen, die abgelehnt wurden, überschritten einfach die Grenze in andere Besatzungsgebiete. Die Ausweisung in den kalten Wintermonaten mit ungeeigneten Verkehrsmitteln (Viehwaggons) über die Grenzübergänge und auch die heimliche Vertreibung der Menschen über die erwähnten amtlichen Übergänge gegen den Willen
der britischen Besatzungsorgane in Österreich und Ungarn war eine wahre Tragödie.
Viele Vertriebene starben während der Transporte, die die Organe der Alliierten
zurückschickten, und nach ihrer Rückkehr mussten die Überlebenden noch einmal
mehrere Wochen oder Monate im Lager in Marburg verbringen.25
Insgesamt registrierte der Staatssicherheitsdienst 9.474 ausgesiedelte Personen.26 Bei
diesen wird für 7.470 Personen der Aufenthaltsort oder -bezirk angegeben, für 2.004 der
Aufenthalts- oder Aussiedlungsort nicht genannt. Unter den Bezirken steht nach der Zahl
der Ausgesiedelten Marburg-Stadt an erster Stelle (1.662), es folgen Radkersburg (1.344),
Gurkfeld (1.129), Marburg-Land (791), Drauburg (531), Cilli-Stadt und Cilli-Land (509),
Krain (499), Olsnitz (481), Laibach-Stadt (447) und Aßling (350). Geringere Zahlen werden verzeichnet für die Bezirke Politschany (154), Pettau (151), Praßberg (125), Stein
(124), Trifail (83), Luttenberg (59), Gottschee (35), Rudolfswerth (10) Görz (3) und
Tschernembl (3). Einige Hundert Deutsche aus Slowenien wurden auch in Lager in der
Vojvodina verbracht (Rudolfsgnad im Banat), einige über Lager in Kroatien (Tenje bei
Essegg).27 Es gibt keine Hinweise darauf, dass Deutsche aus Slowenien in die Sowjetunion
deportiert worden sind.
Die Gerichte
Trotz der Überzeugung von der Kollektivschuld der Deutschen versuchten die Behörden in Slowenien nach der ersten „Rache“-Welle jeweils individuelle Schuld festzustellen, vor allem bei denen, die verdächtigt wurden, Kriegsverbrechen begangen zu
haben. Die Kommission zur Feststellung der Verbrechen der Okkupatoren und ihrer Helfer für Slowenien erklärte auf Grundlage der gesammelten Unterlagen in den Jahren
1944 bis 1946 einige Hundert Deutsche aus Slowenien zu Kriegsverbrechern. Vor
Gericht kamen die Deutschen, derer man auf jugoslawischem Gebiet habhaft wurde.
Diejenigen, die man als Kriegsverbrecher verdächtigte und die unter den Schutz der
Alliierten flüchteten, lieferten diese trotz Auslieferungsanträgen der jugoslawischen
Behörden nicht aus. Eine große Zahl von Deutschen wurde in Abwesenheit verurteilt,
auch um ihren Besitz leicht beschlagnahmen zu können.
Diejenigen Deutschen, die verdächtigt wurden, während des Zweiten Weltkrieges
Kriegsverbrechen begangen zu haben, insbesondere Funktionäre des nationalsozialistischen Besatzungsapparats, und in Slowenien geblieben waren, setzte die OZNA in
Gefängnissen und in den erwähnten Lagern fest. Einige von ihnen – die Zahl kann
nicht festgestellt werden – liquidierte sie ohne Gerichtsverfahren (man sagt, dass der
letzte Massenmord an Deutschen in Slowenien um den 6. Januar 1946 stattgefunden
hat), einige wurden vor Kriegsgerichte gestellt und verurteilt. Welche Rolle dabei der
von jugoslawischen Behörden enteignete Besitz der Getöteten und Verurteilten
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DAS SCHICKSAL DER DEUTSCHEN MINDERHEIT IN SLOWENIEN NACH DEM ZWEITEN WELTKRIEG
gespielt hat, ist wieder eine andere Frage. Man muss erwähnen, dass die OZNA zum
Jahresanfang 1946 sogar Deutsche liquidiert hat, die von den Militärgerichten wegen
der Mitgliedschaft im Kulturbund nur zu verhältnismäßig kurzen Strafen verurteilt
worden waren (zum Beispiel ein halbes Jahr Zwangsarbeit), oder Deutsche, die sich
wegen der Kulturbund-Mitgliedschaft noch in Untersuchungshaft befanden.28
Todesopfer, Liquidierungen
Anhand der freilich unvollständigen Dokumentation lässt sich erschließen, dass die
Zahl der Liquidierten oder wegen schlechter Lebensverhältnisse Verstorbenen nach
dem Krieg etwa ein Zehntel der in Slowenien Verbliebenen ausgemacht hat, das heißt
ca. 1.000 bis vielleicht 1.500. In Slowenien arbeitet man seit einigen Jahren an einer
Namensliste der Opfer des Zweiten Weltkrieges. Unter den 95.000 Opfern, darunter
14.000 nach Ende des Zweiten Weltkrieges liquidierte Personen, wurden bis heute 522
Todesopfer aus der deutschen Bevölkerung erfasst. Als Täter wird in 94 Fällen die
Jugoslawische Armee genannt, in 428 Fällen die OZNA. Fast alle Opfer waren Zivilisten. In der Datenbank findet man derzeit noch 709 Personen mit fremdklingenden,
vor allem deutschen Familiennamen, die nach dem Krieg in Sammellagern ermordet
wurden oder gestorben sind. Allerdings lässt sich ihre Nationalität nicht zuverlässig
feststellen.29 In Sterntal wurden viele Internierte nach der Einlieferung in das Lager
ohne jedes Gerichtsverfahren ermordet. Sie wurden in den nahen Schottergruben
erschossen und begraben. Dem Schicksal einiger Deutscher kann man anhand von
Todeslisten nachgehen, die aus dem Lager an Pfarrämter mit der Aufforderung, die
Toten zu begraben, übersandt worden sind.30 Eine größere Zahl von Internierten aus
diesem Lager wurde nach Bacher überstellt, wo man sie erschoss und in ausgehobenen
Gruben begrub. Man schonte noch nicht einmal Kranke.31 Schätzungsweise verlegte
die OZNA aus dem Konzentrationslager Sterntal bei Pettau etwa 400 Internierte nach
Bacher, darunter etwa die Hälfte steirische und Gottscheer Deutsche und sogenannte
Kollaborateure der Besatzungsmacht. In den letzten Jahren haben wir in Slowenien
600 geheime Gräber entdeckt, darunter einige von ermordeten Angehörigen der deutschen Minderheit. Einige wurden bereits untersucht und bestätigt und sollen als
Gedenkstätte gestaltet werden, so zum Beispiel die Begräbnisstätten Bacher, St. Heinrich im Bachergebirge, Mirnik-Wald in Tepanje, im Wald gegenüber dem Eingang in
das Lager Sterntal, Kosnitza, Koschelj bei Wöllan, Goritze bei Schönstein, Dobowetz
bei Rohitsch Sauerbrunn, Tschreta bei Kötsch. Ein grausames Schicksal erlitten Kinder, deren Eltern ermordet worden waren und die aus den Lagern in „staatliche Sozialanstalten“ gebracht wurden. Am besten bekannt ist das Beispiel des Kinderlagers
„Petritschek“ in Cilli.32
Die Abrechnung mit den Deutschen gegen Kriegsende war so gründlich, dass in
Slowenien nur noch die zerstreuten „Reste der Reste” der einst starken nationalen
Minderheit leben. Die „Deutschen“33 in Jugoslawien blieben nach dem Zweiten Weltkrieg bis zum Zerfall Jugoslawiens ohne den größten Teil ihres früheren Vermögens
und ohne Minderheitenschutz. Ihre Lage besserte sich erst nach 1948, als ihre Frage
für die jugoslawischen Behörden endgültig gelöst war. Das tragische Schicksal, das sie
durch Rachemaßnahmen erlebten, war die Folge historischer Ereignisse, der scharfen
nationalsozialistischen Besatzungspolitik, der Paranoia vor ihrer Rückkehr, der
Euphorie wegen des Sieges über sie und ihre Verbündeten. Ihr Schicksal ist mit dem
der Deutschen in anderen Staaten Ost- und Südosteuropas vergleichbar.34
Die Anzahl der „Deutschen“ heute
Nach dem Schicksal, das die deutsche Minderheit während und nach dem Zweiten Weltkrieg ereilt hat, ist es nicht verwunderlich, dass die Bevölkerungszählungen nach dem
Zweiten Weltkrieg feststellten, dass die Zahl der Deutschen und Österreicher (nach der
Nationalität) bzw. von Personen mit deutscher Muttersprache noch nicht einmal ein
Zehntel der Vorkriegszahl erreichte. Auch wenn die Zählungen nicht die absolute Wahrheit über Zustand und Lage der „Deutschen“ in Slowenien wiedergeben, lassen sich aus
ihren Ergebnissen die wesentlichen strukturellen Eigenschaften und Prozesse erschließen.
Die Höchstzahl wurde in der Zählung des Jahres 1948 festgestellt (1.824 Deutsche,
582 Österreicher, insgesamt 2.406 Personen), danach nahmen sie zahlenmäßig ab. Die
sinkende Zahl der Deutschen und Österreicher bei den Zählungen 1953 (1.906, nach
der Muttersprache 2.590), 1961 (986), 1971 (700), 1981 (560, nach der Muttersprache
1.189) und 1991 (745, nach der Muttersprache 1.543) zeigt keine statistisch auszuschließende Entwicklung, sondern stimmt mit der historischen Entwicklung überein
(z. B. der genehmigten Ausreise bzw. Aussiedlung der in Jugoslawien verbliebenen
„Deutschen“ seit Anfang der 1950er Jahre). Bei späteren statistischen Angaben, insbesondere nach dem Jahr 1961, müssen wir berücksichtigen, dass nach Slowenien auch
„deutsche“ Angehörige aus gemischten Familien zugewandert sind, von slowenischen
Arbeitern mit befristeter Anstellung im Ausland, vor allem in Österreich und Deutschland, und auch einige sonstige Deutsche und Österreicher sich in Slowenien niedergelassen haben.
Neben der geringen Zahl war ein weiteres Merkmal der „Deutschen“ in Slowenien
ihre Verteilung, ihre Zerstreutheit über das Gesamtgebiet Sloweniens.35 Nach der
Volkszählung von 1991 lebten sie in 309, Personen mit deutscher Muttersprache sogar
in 459 Ortschaften. Österreicher und Deutsche sowie Personen mit deutscher Muttersprache lebten nirgendwo geschlossen. Ihre Konzentration erreichte in keinem Bezirk
(Zählungen der Jahre 1948 und 1953) bzw. keiner Gemeinde (Zählungen seit 1971)
ein Prozent der Gesamtbevölkerung. Die Zahl der Personen beider Nationalitäten
oder nur mit deutscher Muttersprache war auch in den Ortschaften an der Grenze zu
Österreich gering. So lebten zum Beispiel nach der Zählung des Jahres 1991 nur in vier
Ortschaften mehr als zehn Personen beider Nationalitäten, mehr als zehn Personen
mit deutscher Muttersprache in zwölf Ortschaften.
Ein weiteres Merkmal der Deutschen ist ihre Nichtautochthonizität, so dass wir die
Mehrzahl der Personen mit deutscher oder österreichischer Nationalität nicht den
wenigen Verbliebenen der deutschen Vorkriegsminderheit in Slowenien zurechnen
können. Denn etwa die Hälfte der Personen, die sich zur österreichischen oder deutschen Nationalität bekannte, ist aus dem Ausland zugewandert, sieben Prozent aus
den früheren jugoslawischen Republiken. 54 Prozent der Personen, die die österreichische oder die deutsche Nationalität angaben, sind im Ausland geboren worden.
Besondere Merkmale der Deutschen in Slowenien sind auch ihr Migrationsverhalten (zeitweiser Aufenthalt im Ausland) und ihre ungewöhnliche soziale Struktur, die
in vielem stark vom slowenischen Durchschnitt abweicht: die Unausgewogenheit zwischen den Geschlechtern (nur ein Drittel männlich), eine geringe Zahl an Kindern,
ein hoher Altersdurchschnitt, ein großer Anteil von sich zeitweise im Ausland aufhaltenden Personen, die nationale Inhomogenität der Familien.36 Im Jahre 2002 verzeichnete die Volkszählung 963 Personen mit deutscher Muttersprache und nach der nationalen Zugehörigkeit 181 Österreicher und 499 Deutsche. Die Volkszählung des
Jahres 2011 wurde nicht auf klassische Weise, sondern nach den Unterlagen des statis-
Massengrab Marburger Deutscher
auf dem Bacher,
Untersuchung am
10. August 2007.
Untersuchung
von Gräbern in
der Umgebung des
Lagers Sterntal,
undatiert.
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tischen Amtes ermittelt und enthält keine Angaben zur Nationalität oder zum Glaubensbekenntnis.37
Nach den demokratischen Veränderungen des Jahres 1990 sind in Slowenien mehrere deutsche Vereinigungen entstanden: Die älteste, die Freiheitsbrücke (Društvo Most
svobode / Freedomsbridge), wurde im Dezember 1990 in Marburg gegründet. In ihrem
Programm forderte sie die Pflege und Bewahrung des Kulturerbes der Deutschen im
slowenischen Raum und die Anerkennung der Deutschen Minderheit in Slowenien
auf demselben Niveau wie die italienische und die ungarische Minderheit. Es folgten
Vereine, die mit der deutschen Sprachinsel in der Gottschee verbunden waren, wie der
Gottscheer Altsiedler Verein (Društvo Kočevarjev staroselcev) in Krapflern, den 1992
Gottscheer aus dem Tal von Tschermoschnitz und Pöllandl ins Leben riefen. Er vereinigt vor allem Gottscheer aus dem ehemaligen Bezirk Rudolfswerth, darunter solche,
die sich 1941 nicht haben umsiedeln lassen, und ihre Nachkommen und Sympathisanten. Ihre Absicht und ihr Ziel sind die Bewahrung der sprachlichen, kulturellen, ethnischen und architektonischen Charakteristika des Gottscheer Volkes und die Bewahrung und Entwicklung des Bewusstseins und der Identität, der Gottscheer Kultur und
Sprache unter den alteingesessenen Gottscheern und den Auswanderern. Die Slowenische Gottscheer Gesellschaft Peter Kosler (Slovensko kočevarsko društvo Peter Kosler) aus
Laibach wurde 1994 gegründet. Sie wurde nach Peter Kosler benannt, dem Kartografen aus der Gottschee und Autor der ersten Karte der slowenischen Gebiete. Die Aktivitäten der Gesellschaft sind auf die Bewahrung unseres Gottscheer Kulturerbes
gerichtet, das gleichzeitig auch ein Erbe Sloweniens ist.38 In Marburg entstand auf Initiative der in Marburg und Umgebung lebenden deutsch sprechenden Einwohner Sloweniens am 1. Dezember 2000 der Kulturverein deutschsprachiger Frauen „Most svobode – Freiheitsbrücke – Freedomsbridge“ (Kulturno društvo nemško govorečih žena
Mostovi Marburg). Ziel des Vereins ist die Bewahrung der sprachlichen, ethnischen
und kulturellen Spezifika der deutsch sprechenden Einwohner Sloweniens. In diesem
Sinne vertieft und erweitert die Vereinigung die Verbindungen zwischen den Deutschsprachigen und ihren Nachkommen in der Heimat und in der Welt und strebt danach,
Verbindungen auch zu den anderen Nationalitäten auf dem Gebiet der Republik Slowenien und über deren Grenzen hinaus zu schaffen und zu pflegen.39 In Abstall begann
im Jahr 2007 der Kulturverein Josef Matl (Kulturno društvo Josef Matl) seine Tätigkeit,
benannt nach dem Kultur- und Literaturhistoriker Josef Matl. Die jüngste Vereinigung
in Slowenien ist der Kulturverein Cilli an der Sann (Kulturno društvo Celje ob Savinji)
mit Sitz in Slatina v Rožni dolini. Er wurde am 24. Januar 2011 auf Initiative der
deutschsprachigen Einwohner Cillis und seiner Umgebung mit dem Ziel gegründet,
die sprachlichen, ethnischen und kulturellen Eigenarten der deutschsprachigen Einwohner in Slowenien zu erhalten. Er engagiert sich für die verfassungsmäßige Anerkennung der autochthonen deutschsprachigen nationalen Gemeinschaft. In diesem
Sinne arbeitet die Gruppe und erweitert die Verbindungen zwischen den Deutschsprachigen und ihren Nachkommen in der Heimat und in der Welt.40 Den Kulturverein
deutschsprachiger Jugend (Kulturno društvo nemško govoreče mladine) mit Sitz in Gottschee und dem Vorsitzenden Vito Oflak gründeten junge Nachkommen von Deutschen aus der Steiermark und aus Krain. Der Verein hat ein breites Tätigkeitsspektrum;
die zentrale Idee ist der Zusammenschluss junger Leute, die ihr Interesse an deutscher
Kultur, deutscher Sprache und an ihren deutschen Wurzeln verbindet sowie ihr
Wunsch, gemeinsam die deutsche Kunst und Literatur zu entdecken, Deutsch zu lernen oder ihre Sprachkenntnisse zu vervollkommnen. Ein wichtiger Teil ihrer Aktivitäten ist auch darauf gerichtet, Menschen mit deutschen Wurzeln über ihre Rechte zu
informieren und gemeinsam mit gleichgesinnten Vereinigungen für die Anerkennung
der deutschen bzw. altösterreichischen Minderheit in Slowenien einzutreten.41
Die Frage der Anerkennung der deutschen Minderheit in der Republik Slowenien
Die Republik Österreich stellte im Juni 1992 kurz nach der Anerkennung der Republik
Slowenien die Frage nach der Anerkennung der deutschsprachigen Einwohner in Slowe-
DAS SCHICKSAL DER DEUTSCHEN MINDERHEIT IN SLOWENIEN NACH DEM ZWEITEN WELTKRIEG
nien. Inoffiziell hatte sich die Frage schon nach den Mehrparteienwahlen im April 1990
gestellt. In der gesamten Nachkriegszeit hatte sich Österreich nicht getraut, in Bezug auf
Jugoslawien diese Frage aufzuwerfen. Beide Staaten lösten das Problem schließlich durch
den Abschluss des Kulturabkommens, das 2002 in Kraft trat.42 Darin wurde bestimmt,
dass die Rechte der deutschsprachigen ethnischen Gemeinschaft in § 61 der Verfassung
der Republik Slowenien abgesichert werden43 und nicht in § 64 (der die Stellung der
ungarischen und der italienischen Minderheit bestimmt). Damit wurde der Unterschied
zwischen den individuellen und kollektiven Rechten eindeutig festgehalten.44
Die Forderungen nach Restitution des beschlagnahmten deutschen Besitzes
Nach den gesellschaftlichen und politischen demokratischen Veränderungen in Slowenien im Frühjahr 1990 und nach der Selbstständigkeit stellte sich die Frage, wie der
Staat die Rückgabe der enteigneten, „nationalisierten“ Immobilien regeln sollte. Die
Republik Slowenien verabschiedete im Jahr 1991 das Gesetz über die Entnationalisierung, dessen wesentliche Absicht die Korrektur des Unrechts an den Personen war,
deren Eigentum auf Grundlage der so genannten revolutionären Maßnahmen der
Nachkriegszeit verstaatlicht worden war.45 Das Gesetz verbindet die Restitution verstaatlichten Vermögens mit der jugoslawischen Staatsbürgerschaft der betroffenen
Personen zum Zeitpunkt der Verstaatlichung – die die umgesiedelten und ausgesiedelten Deutschen nicht besaßen. Hinzu kommt eine Entscheidung des Verfassungsgerichts, die teilweise die im Beschluss des AVNOJ-Präsidiums vom November 1944
festgehaltenen Prinzipien (Grundsatz der Kollektivschuld) außer Kraft setzt. Früheren
Angehörigen der deutschen Minderheit, die enteignet worden waren, wurde die Möglichkeit des Nachweises gegeben, dass sie während der Besatzungszeit nicht illoyal
gewesen waren. Wer das beweisen konnte, erhielt ohne Weiteres die slowenische
Staatsbürgerschaft und damit das Recht auf Restitution des Eigentums. Diese Entscheidung des Verfassungsgerichts wurde Gegenstand österreichischer Vorhaltungen
gegenüber Slowenien wegen „diskriminierender Entnationalisierung“, da diese nicht
im Einklang mit modernen Rechtsprinzipien und dem Europarecht stehe, da die Enteigneten ihre Unschuld beweisen und nicht umgekehrt ihnen eine etwaige Schuld
nachgewiesen werden musste. Slowenien wies diese Anschuldigungen zurück, wobei
es sich ebenfalls auf internationale Konventionen berief.46
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Fran Zwitter, Nemci na Slovenskem [Die Deutschen in Slowenien], in: Sodobnost 6 (1938),
S. 483 – 497.
Mitja Ferenc / Božo Repe, Nemška manjšina v Sloveniji med obema vojnama = Die deutsche
Minderheit in Slowenien in der Zwischenkriegszeit, in: Slovensko-avstrijski odnosi v 20. stoletju =
Slowenisch-Österreichische Beziehungen im 20. Jahrhundert (Historia 8), Ljubljana 2004,
S. 148 –150, S. 162 –165.
Dušan Biber, Nacizem in Nemci v Jugoslaviji 1933 –1941 [Der Nationalsozialismus und die Deutschen in Jugoslawien 1933 –1941], Ljubljana 1966, S. 11–15.
Hans Hermann Frensing, Die Umsiedlung der Gottscheer Deutschen. Das Ende einer südostdeutschen Volksgruppe (Buchreihe der Südostdeutschen Historischen Kommission 28), München 1970; Tone Ferenc, Nacistična raznarodovalna politika v Sloveniji 1941–1945 [Die nationalsozialistische Entnationalisierungspolitik in Slowenien 1941–1945], Maribor 1968, S. 587– 592;
Mitja Ferenc, Kočevska, pusta in prazna. Nekdanje nemško jezikovno območje na Kočevskem po
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Beschluss des AVNOJ-Präsidiums über den Übergang von Feindvermögen in das Eigentum des
Staates, über die staatliche Verwaltung des Vermögens abwesender Personen und die Sequestra-
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tion des Vermögens, das von den Besatzungsbehörden zwangsveräußert wurde, in: Uradni list
Demokratične federativne Jugoslavije 1 (1945), Nr. 2 – 25 (6.2.1945), veröffentlicht in einer besonderen Beilage des Uradni list Slovenskega narodnoosvobodilnega sveta in Narodne vlade za Slovenijo 1 (1945), Nr. 6 (6.6.1945).
Jože Prinčič, Podržavljenje nemške imovine na slovenskem ozemlju po drugi svetovni vojni
1945 –1955 [Die Verstaatlichung des deutschen Besitzes im slowenischen Gebiet nach dem Zweiten
Weltkrieg], in: Nećak (Hg.), „Nemci“ na Slovenskem 1941–1955. Izsledki projekta, S. 309 – 316.
Prinčič, Podržavljenje nemške imovine na slovenskem ozemlju po drugi svetovni vojni
1945 –1955, S. 291, 292.
Božo Repe, „Nemci“ na Slovenskem po drugi svetovno vojno, v: Dušan Nećak (Hg.), „Nemci“ na
Slovenskem 1941–1955, Ljubljana 2002, S. 197– 200. S. 197– 200.
Ukaz o prenehanju vojnega stanja z Nemčijo [Verordnung über die Aufhebung des Kriegszustands mit Deutschland], Uredni list FLRJ 7 (1951), Nr. 35 – 350 (1.8.1951); Ukaz o prenehanju
vojnega stanja z Zvezno republiko Avstrijo [Verordnung über die Aufhebung des Kriegszustands
mit der Republik Österreich], ebd., Nr. 4 – 54 (17.1.1951).
Für die „Volksdeutschen“ aus Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn waren entscheidend die
Bestimmungen des § 13 der „Mitteilung über die Dreimächtekonferenz von Berlin“ („Potsdamer
Abkommen“) vom 2.8.1945, in dem Stalin, Truman und Attlee unter anderem vereinbarten, dass
„die Überführung der deutschen Bevölkerung oder Bestandteile derselben, die in Polen, Tschechoslowakei und Ungarn zurückgeblieben sind, nach Deutschland durchgeführt werden muss.
Sie stimmen darüber überein, dass jede derartige Überführung, die stattfinden wird, in „ordnungsgemäßer und humaner Weise erfolgen soll“.
Repe, „Nemci” na Slovenskem po drugi svetovno vojno, S. 204.
Vgl. z. B. Theodor Schieder (Hg.), Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien, Dokumentation
der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Bd. 5, Bonn 1961; Wilhelm Lampeter /
Ludwig Kren, Gottscheer Flüchtlingsschicksale. Bericht über Umsiedlung und Vertreibung sowie
die Zeit danach, Gottschee 4/5, Weilheim 1994; T. Ferenc, Nemci na Slovenskem med drugo
svetovno vojno, S. 166 –169.
Franjo Baš, Doneski k problematiki slovenještajerskega nemštva pred in med okupacijo 1941–1945
[Beiträge zur Problematik des slowenisch-steirischen Deutschtums vor und während der Besatzung 1941–1945], Inštitut za narodnostna vprašanja v Ljubljani, S. 5.
Mateja Malnar, Analiza fonda Kulturbunda v Arhivu MNZ, Diplomarbeit, Univerza v Ljubljani,
Filozofska fakulteta, Oddelek za zgodovino, 1997.
Arhiv Republike Slovenije [im Folgenden ARS] – dislocirana enota 1, Brzojavka notranjega ministrstva DFJ 13.1.1946 in notranjega ministrstva Slovenije [Telegramm des Innenministeriums des
Demokratischen Föderativen Jugoslawiens und des Innenministeriums Sloweniens], 14. und
26.1.1946; ARS – dislocirana enota 2, PSNOS-KUNI, f. 498/II, Zapisnik konference predstavnikov
ministrstev in drugih ustanov [Protokoll der Konferenz der Vertreter der Ministerien und anderer
Institutionen], 4.10.1945; ARS, AS 223, šk. 28, dopis sekretarja okrožnega komiteja KPS Marburg
Sergeja Kraigerja centralnemu komiteju KPS [Schreiben des Sekretärs der Kreiskomitees der Kommunistischen Partei Sloweniens (KPS) Sergej Kraiger an das Zentralkomitee der KPS], 16.6.1945.
ARS-2, štab za repatriacijo [Stab für die Repatriierung], f. 132, navodila oddelka OZNA [Anweisungen einer Abteilung der OZNA], 26.6.1945.
Milko Mikola (Hg.), Dokumenti in pričevanja o povojnih koncentracijskih taboriščih v Sloveniji
[Dokumente und Zeugenaussagen über die Nachkriegskonzentrationslager in Slowenien],
Ljubljana 2007, S. 12 –16.
Milko Mikola (Hg.), Dokumenti in pričevanja o povojnih izgonih prebivalstva v Sloveniji [Dokumente und Zeugenaussagen über die Nachkriegsvertreibungen der Bevölkerung in Slowenien],
Ljubljana 2009., dok. št. 6, S. 43.
ARS, AS 1199, KUNI, Konferenčna seja predstavnikov ministrstev in drugih ustanov v Ljubljani,
4. oktobra 1945, ob razpravi o vprašanju izgona Nemcev iz Slovenije in zaplembi njihovega
premoženja.
Mikola, Dokumenti in pričevanja o povojnih koncentracijskih taboriščih v Sloveniji, S. 24.
T. Ferenc, Nemci na Slovenskem med drugo svetovno vojno, S. 175.
M. Ferenc, Kočevska, pusta in prazna, S. 271– 275.
ARS, AS 1931, šk. 1062, Poročilo o selitvah „Volksdeutscherjev“ v letih 1945 –1946, sestavil major
Zvone Debevc [Bericht über die Auswanderungen von „Volksdeutschen“ in den Jahren
1945 –1946, verfasst von Major Z. Debevc], 26.11.1951.
Repe, „Nemci” na Slovenskem po drugi svetovno vojno, S. 211– 214; Ferenc, Nemci na Slovenskem med drugo svetovno vojno, S. 185 –188.
Poročilo o selitvah „Volksdeutscherjev“ (wie Anm. 24).
Mikola, Dokumenti in pričevanja o povojnih izgonih prebivalstva v Sloveniji, S. 14.
Ferenc, Nemci na Slovenskem med drugo svetovno vojno, S. 190.
Schreiben des Instituts für neueste Geschichte, Laibach [Inštitut za novejšo zgodovino, Ljubljana]
an den Autor, 7. März 2012.
DAS SCHICKSAL DER DEUTSCHEN MINDERHEIT IN SLOWENIEN NACH DEM ZWEITEN WELTKRIEG
30 Mikola, Dokumenti in pričevanja o povojnih koncentracijskih taboriščih v Sloveniji, S. 87– 95.
31 Zdenko Zavadlav, Iz dnevniških zapiskov mariborskega oznovca [Aus den Tagebuchaufzeichnungen eines Mariborer OZNA-Mannes], Maribor 1990, S. 91– 93.
32 Dokumentarfilm Otroci s Petrička, [Die Kinder aus Petričko], Regie Milan Zupanič, 2007.
33 Als „Deutsche“ bezeichne ich Angehörige von Personen deutscher und österreichischer Nationalität und Personen mit deutscher Muttersprache.
34 Dušan Nećak, „Nemci“ v Sloveniji 1938–1948 [Die „Deutschen“ in Slowenien 1938–1948], in:
Slovensko-avstrijski odnosi v 20. stoletju = Slowenisch-Österreichische Beziehungen im 20. Jahrhundert (Historia 8), Ljubljana 2004, S. 349 – 402.
35 Mehr als die Hälfte der Personen beider Nationalitäten lebte in Ortschaften mit ein, zwei oder
drei Personen einer der beiden Nationalitäten. In solchen Ortschaften leben 40 Prozent der Personen mit deutscher Muttersprache.
36 Vgl. dazu T. Ferenc: „Nemci“ na Slovenskem v popisih prebivalstva po drugi svetovni vojni [Die
„Deutschen“ in Slowenien in den Bevölkerungszählungen nach dem Zweiten Weltkrieg], in:
Nećak (Hg.), „Nemci“ na Slovenskem 1941–1955. Izsledki projekta, S. 317– 368; Dušan Nećak,
„Nemci“ na Slovenskem 1945–1955 v luči nemških in avstrijskih dokumentov [Die „Deutschen”
in Slowenien im Lichte deutscher und österreichischer Dokumente], in: Nećak (Hg.), „Nemci“ na
Slovenskem 1941–1955, S. 219–290.
37 Mitja Ferenc, Etno- in socialnodemografska struktura „Nemcev“ na Slovenskem v obdobju
jugoslovanske države po 2. svetovni vojni [Die ethno- und sozialdemographische Struktur der
„Deutschen“ in Slowenien in der Periode des jugoslawischen Staates nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Soočanje z demografskimi izzivi, Zbornik 14. mednarodne multikonference Informacijska družbe – IS 2011, zvezek B, S. 33 – 37.
38 http://www.gottscheer.eu.
39 http://www.drustvo-mostovi.si/.
40 http://www.altoesterreicher.net/kulturno-drustvo-celje-ob-savinji.
41 http://www.altoesterreicher.net.
42 Das Abkommen zwischen den Regierungen der Republik Österreich und der Republik Slowenien
über die Zusammenarbeit in den Bereichen Kultur, Bildung und Wissenschaft wurde am
30.4.2001 in Laibach unterzeichnet. Die österreichische Seite ratifizierte es im Juli 2001, die slowenische im Februar 2002, so dass es am 1.5.2002 in Kraft trat.
43 § 61: „Jeder hat das Recht, frei die Zugehörigkeit zu seinem Volk oder seiner Volksgruppe zum
Ausdruck zu bringen, seine Kultur zu fördern und zum Ausdruck zu bringen sowie seine Sprache
und Schrift zu gebrauchen.“; Ustava Republike Slovenije [Verfassung der Republik Slowenien],
in: Uradni list Republike Slovenije 1 (1991), Nr. 33/9 (23.12.1991).
44 Mehr dazu bei Ferenc, Kočevska, pusta in prazna, S. 330 – 336.
45 Zakon o denacionalizaciji [Gesetz über die Entnationalisierung], in: Uradni list Republike Slovenije 1 (1991), Nr. 27/91 (29.11.1991).
46 Ferenc / Repe, Nemška manjšina v Sloveniji med obema vojnama, S. 642 – 645, 693 – 697.
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MICHAEL PORTMANN
Michael Portmann
Die donauschwäbische Bevölkerung
in der Vojvodina: Flucht, Internierung und
Aussiedlungspolitik (1944–1954)
Im vorliegenden Beitrag soll auf der Grundlage des spärlich vorhandenen Quellenmaterials aus serbischen und vojvodinischen Archiven1 das Schicksal der donauschwäbischen Bevölkerung in der Autonomen Provinz Vojvodina (Autonomna Pokrajina Vojvodina, APV) im Zeitraum von 1944 bis 1954 nachgezeichnet werden. Zudem werden
die Grundzüge der jugoslawisch-kommunistischen Deutschenpolitik dargelegt und in
einen breiteren internationalen Kontext eingeordnet.
Quellenlage
Die Archivsituation in der Republik Serbien beziehungsweise in der Autonomen Provinz Vojvodina lässt eine vollständige Einsicht in die Pläne, Ziele und Maßnahmen der
jugoslawisch-kommunistischen Bevölkerungs- und Nationalitätenpolitik unmittelbar
nach dem Zweiten Weltkrieg bis heute nicht zu. Mehrere Gründe sind dafür verantwortlich. In erster Linie ist anzuführen, dass praktisch sämtliche in Belgrad befindlichen
Akten aus dem Bundesinnenministerium (Ministarstvo unutrašnih poslova, MUP) nicht
zugänglich sind. Laut Homepage des vor Kurzem neu organisierten Militärarchivs Serbien sind Unterlagen aus dem Verteidigungsministerium mittlerweile in 26 Fonds
geordnet und für Forscher zur Einsicht freigegeben worden.2 Dennoch: über die jugoslawische Polizei, die kommunistische Geheimpolizei OZNA (Abteilung zum Schutze des
Volkes), die militärische Spezialeinheit KNOJ (Korpus der Volksverteidigung Jugoslawiens) sowie über die Tätigkeit der Innenbehörden auf allen Verwaltungsebenen ist das
zugängliche Quellenmaterial unergiebig und in jeder Hinsicht unbefriedigend. Unter
den geschilderten Umständen ist es kaum verwunderlich, wenn sich das historiografische Bild zur jugoslawischen Deutschenpolitik nach 1944/1945 einigermaßen farblos
präsentiert.
Tatsächlich stammt das meiste, was zum Schicksal der deutschsprachigen Bevölkerung nach der kommunistischen Machtübernahme im Herbst 1944 bekannt ist, aus
donauschwäbischer Forschungsarbeit und Erinnerungsberichten3 und nicht etwa aus
„jugoslawischen“ (d. h. slowenischen, kroatischen4 und serbischen) Archiven. Mit
dem vorliegenden Beitrag soll diesem Forschungsdesiderat zumindest ansatzweise
entgegengewirkt werden.
Flucht, Erschießung und Internierung
Jugoslawische Quellen schweigen bis heute, ob Tito im Herbst 1944 konkrete Weisungen
über den Umgang mit den einheimischen Deutschen erließ, oder ob die Verhaftungen,
Erschießungen, die Verpflichtung zum Arbeitsdienst und die partielle Internierung von
Donauschwaben seit Oktober 1944 ohne klare Vorgaben der Parteispitze und damit
nach eigenem Ermessen höherer Militärs und Parteifunktionäre erfolgten. In der Dokumentation der Vertreibung5 und in der donauschwäbischen Literatur wird allgemein von
einem geplanten, zentral gesteuerten Vorgehen ausgegangen.6 Jugoslawische Quellen
können diese Annahme weder eindeutig bestätigen noch klar widerlegen. Die Organisationsstruktur der im Oktober 1944 errichteten kommunistischen Militärverwaltung für
das Banat, die Batschka und die Baranja (Vojna uprava za Banat, Bačku i Baranju) mit
ihrer Abteilung für Mobilisation, Lager und Arbeitsdienst weist allerdings darauf hin, dass
zumindest ein eher allgemeiner, möglicherweise nur mündlicher Befehl von ganz oben
DIE DONAUSCHWÄBISCHE BEVÖLKERUNG IN DER VOJVODINA
eine „Spezialbehandlung“ für die verbliebenen einheimischen „Schwaben“ (und zu
Beginn auch der Magyaren) anordnete. Bei der hierarchischen Befehlsstruktur von Partei und Armee hätten derartige Aktionen wohl kaum ohne das Wissen und das grundsätzliche Plazet Titos durchgeführt werden können. Im Unterschied allerdings beispielsweise zur Tschechoslowakei oder auch Polen dürfte das „Deutschenproblem“ für die
jugoslawisch-kommunistische Führungsspitze vorderhand nur zweitrangig gewesen
sein. Zuoberst auf der Prioritätenliste stand zumindest bis zum Ende des Krieges die
endgültige Vernichtung der einheimischen Bürgerkriegsgegner. Eine kollektive Aussiedlung der „Deutschen“ (und auch anderer Bevölkerungsgruppen) dürfte bis zum Sommer
1945 von den künftigen kommunistischen Machthabern nicht geplant gewesen sein.
Bereits während des Krieges war es im Rahmen der nationalsozialistischen „Volkstumspolitik“ zu Umsiedlungen von „Volksdeutschen“ gekommen. Derartige Umsiedlungsaktionen gingen dann ab dem Frühjahr 1944 in Evakuierungsmaßnahmen und
Fluchtbewegungen über. Aus Syrmien und Slawonien konnte noch vor dem Einmarsch der Roten Armee und der jugoslawischen Partisanen im Herbst 1944 praktisch die gesamte „volksdeutsche“ Bevölkerung evakuiert werden. Nach eigenen
Berechnungen dürften rund 65.000 Batschka- und 5.000 Baranjadeutsche die Ankunft
der Roten Armee und der Partisanen Titos erlebt und erlitten haben. Im Banat blieben
circa 85.000 Deutsche zurück. Wenn man vielleicht von knapp 10.000 im Lande verbliebenen Sloweniendeutschen ausgehen darf, sind insgesamt in ganz Jugoslawien
zwischen 160.000 und 170.000 „volksdeutsche“ Zivilisten nach Herbst 1944 unter die
Herrschaft Titos geraten. Eine überwiegende Mehrheit davon – nämlich ca. 155.000
Personen – befand sich auf dem Gebiet der späteren Autonomen Provinz Vojvodina,
also im Banat, der Batschka und in Syrmien.7 Allerdings weist nun eine – sowohl in
der deutschen als auch der serbischen Historiografie bisher kaum beachtete – von der
kommunistischen Militärverwaltung im November/Dezember 1944 durchgeführte
Bevölkerungszählung nur noch 100.000 Personen aus, die sich als Deutsche deklarierten.8 Wie lässt sich dieser eklatante Unterschied erklären? Mehrere Zehntausend Personen, die anlässlich der jugoslawischen Zählung im Jahr 1931 noch Deutsch als Muttersprache angegeben hatten, sind damals aus berechtigter Angst vor Repression und
Vergeltung nach Möglichkeit zu Magyaren, Serben und Kroaten „geworden“. Und
rund 6.500 „Volksdeutsche“ waren noch vor der Zählung in diesem blutigen Herbst
von Soldaten der Volksbefreiungsarmee (NOV) erschossen worden.9 Wie immer in
Fällen, wo Menschen aufgrund der objektiv nicht zu erhebenden ethnischen Zugehörigkeit eingeteilt werden, ist für ihr weiteres Schicksal die behördliche Fremdbestimmung und nicht deren subjektive Aussage entscheidend. Auch die kommunistischen
Machthaber gingen – ungeachtet der Ergebnisse ihrer Zählung – von rund 150.000
und eben nicht nur 100.000 Personen in der späteren AP Vojvodina aus, die in ihren
Augen als „deutsch“ zu gelten hatten.
Am 17. Oktober 1944 entstand auf Anordnung Titos im Banat, der Batschka und
der Baranja eine nach sowjetischen Vorgaben gestrickte Militärverwaltung, die bis zu
ihrer Auflösung Mitte Februar 1945 ganz wesentlich über das Schicksal der „Volksdeutschen“ bestimmte.10 Die Etablierung dieser Militärverwaltung wurde denn auch
damit begründet, dass in diesen Gebieten „[…] viele Deutsche und Magyaren leben,
die sich zur Zeit der Besatzung den slawischen Einwohnern gegenüber feindlich verhalten und an allen Gräueltaten teilgenommen haben […]. Besonders die hiesigen
Schwaben haben sich den Serben, aber auch allen anderen Völkern gegenüber barbarisch verhalten. Deswegen ist es notwendig, dass wir gründlich [Hervorhebung im
Original, Anm. dieses Autors] mit allen Schwaben abrechnen und auch mit jenen
Magyaren, die Verbrechen begangen haben.“11 Die 103 Tage der Militärverwaltung
standen ganz im Zeichen der Ahndung, Verhaftung, Verurteilung und Ermordung
von mehrheitlich „volksdeutschen“, aber auch andersnationalen (magyarischen, kroatischen, serbischen) Kriegsverbrechern, Kollaborateuren und „Volksfeinden“. Eine tragende Rolle fiel dabei der Geheimpolizei OZNA sowie der militärischen Sondereinheit
KNOJ zu. Es waren allen voran Angehörige von OZNA und KNOJ, die tatsächliche
97
98
MICHAEL PORTMANN
entlang eines 10 km breiten Gürtels östlich der Donau zwischen Batschki Breg im
Norden und Palanka im Süden, einschließlich Sombor. Das Gleiche wird in der
Baranja gemacht.“15 Ausgenommen von der Kollektivhaft waren vorerst in den Reihen der Volksbefreiungsarmee kämpfende Deutsche, Fachkräfte und Personen aus
sogenannten Mischehen. Die Lagerüberweisungen wurden von der OZNA und dem
KNOJ in Zusammenarbeit mit den militärischen Einheiten der nach wie vor bestehenden Orts- und Gebietskommandanturen durchgeführt, wobei es immer wieder
zu Unregelmäßigkeiten und Misshandlungen kam. Dazu aus dem Bericht der außerordentlichen Kontrollkommission für das Banat vom 15. Mai 1945: „Die Internierung der Deutschen wurde an keinem einzigen Ort rechtmäßig durchgeführt. Dies
deshalb, weil an die Internierung schnell und ohne genau festgelegte Kriterien herangegangen wurde. Somit passierten unvermeidliche Fehler wie: Internierung solcher,
die es nicht verdient haben oder umgekehrt das Belassen auf freiem Fuße von solchen, die ins Lager gehen sollten. In diesem Sinne erhielt die Kommission viele
Beschwerden, die die unrechtmäßige Arbeit illustrieren. [...] Der Umgang mit den
Internierten ist nicht immer rechtmäßig und es gibt Fälle von Schlägereien und Vergewaltigungen: In St. Georgen an der Bega schlug der Kommandant des Lagers auf
zwei 80-jährige Lagerinsassen ein, der eine hat schon einen Schlaganfall gehabt und
der andere sieht nichts. Seine 45-jährige Tochter wurde vergewaltigt.“16
Spätestens bis zum Juni 1945 waren zwischen 105.000 und 110.000 Personen17 in
einem der anfänglich rund 80 Lager oder Ansiedlungen unter spezieller Verwaltung
inhaftiert.
nicht interniert
Tabelle : Zahl der
„Volksdeutschen“
auf dem Gebiet
Jugoslawiens, 1945.
Total
Volksdeutsche
Total
Kinder
Frauen
Total
Männer
Interniert
Kinder
Föderale
Einheit
Autonome
Provinz und
Gebiet
Frauen
oder vermeintliche Kriegsverbrecher jeglicher Nationalität liquidierten. Laut einem
Bericht des Leiters der Abteilung II der OZNA für die Vojvodina aus dem Jahr 1946
sind in den ersten Monaten nach dem Einmarsch der Partisanen auf dem Territorium
der Vojvodina 9.668 Personen von OZNA-Soldaten erschossen worden, darunter
6.763. Deutsche, 1.776 Magyaren, 436 Kroaten und 693 Personen anderer Nationalität
(Russen, Tschechen, Slowaken, Rusinen, Bunjewatzen).12
Der erste bekannte Befehl der kommunistischen Führung zur teilweisen Internierung der donauschwäbischen Bevölkerung aus dem Banat erging bereits am 18. Oktober 1944.13 Darin hieß es unter anderem, dass jene Deutschen, die ihre Häuser verlassen
hatten, nicht dorthin zurückkehren dürften, sondern in Lager einzuweisen seien. Am
29. November 1944 befahl der Kommandant der Militärverwaltung, Ivan Rukavina,
alle deutschen männlichen Bewohner (ausgenommen davon waren die als Antifaschisten akzeptierten Deutschen) zwischen 16 und 60 Jahren in dafür vorgesehenen Lagern
zu konzentrieren. Die (noch) nicht internierte deutsche Bevölkerung sollte fortan
„strengstens überwacht“ und in ihrer Bewegungsfreiheit drastisch eingeschränkt werden.14 Der Umgang mit der donauschwäbischen Bevölkerung zur Zeit der Militärverwaltung deutet darauf hin, dass ein klarer diesbezüglicher Befehl aus dem Oberkommando der Armee beziehungsweise dem Politbüro der Kommunistischen Partei nicht
vorgelegen hat. Die Behandlung der einheimischen Deutschen orientierte sich offenbar
vielmehr an einem konkreten, wenn auch überspannten Sicherheitsbedürfnis von
Armee und Partei als an im Voraus definierten politisch-ideologischen Richtlinien.
Die zweite Phase der räumlichen Konzentration der donauschwäbischen Bevölkerung lässt sich zeitlich zwischen Ende März und Juni 1945 eingrenzen. In diesen
drei Monaten wurden praktisch alle noch auf dem Gebiet der Vojvodina verbliebenen
Jugoslawiendeutschen entweder in Lager geschafft oder in Dörfern unter spezieller
Verwaltung (naselje pod specijalnim režimom) zusammengezogen. Ausschlaggebend
für die totale Konzentration dürften erneut militärische Forderungen gewesen sein,
wie ein Befehl der III. Armee an das Kommando des Militärgebiets der Vojvodina
vom 24. März 1945 nahelegt: „Während der vergangenen Kämpfe wurde ein verbrecherisches Verhalten der Bevölkerung deutscher Nationalität festgestellt. Sofortige
Aussiedlung der deutschen Bevölkerung ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht
Männer
Die Militärverwaltung für das Banat,
die Batschka und die
Baranja (1944/45).
99
DIE DONAUSCHWÄBISCHE BEVÖLKERUNG IN DER VOJVODINA
Serbien
-
-
-
281
-
-
-
188
125
341
Kosovo
-
-
-
-
1
3
-
4
-
4
30.745
54.099
20.896
105.740
2.000
3.000
1.000
6.000
-
111.740
3.000
4.500
3.100
10.600
700
1.000
300
2.000
-
12.600
Slowenien
-
-
-
-
1.700
2.200
803
4.703
-
4.703
Montenegro
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
Makedonien
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
BosnienHerzegowina
469
222
426
1.117
1
1
2
4
-
1.121
34.214
58.821
24.422
117.485
4.402
6.204
2.105
12.899
125
130.509
Vojvodina
Kroatien
Total
Quelle: ASCG, F-50, 35/844: Tabellarische Übersicht der internierten und nicht internierten Deutschen auf dem Territorium
Jugoslawiens, undatiert, nicht gezeichnet.
1
In dieser Zeile fehlt die Aufschlüsselung nach Männern, Frauen und Kindern. Daher beträgt die Summe in der Horizontalen um
28 weniger als in der Vertikalen.
100
MICHAEL PORTMANN
Schrittweise ging man dazu über, die arbeitsfähige von der arbeitsunfähigen Bevölkerung räumlich zu trennen. Die Gefangenen wurden in der Landwirtschaft und für
Aufräum- und Renovierungstätigkeiten eingesetzt, wobei die meist katastrophalen
Lagerbedingungen für die sehr hohe Todesrate unter den „Volksdeutschen“ verantwortlich waren. Sogar in einem Bericht des jugoslawischen Innenministeriums aus
dem Jahr 1947 wurde diesbezüglich festgehalten: „Der Zustand in diesen Lagern ist in
jeder Hinsicht äußerst schlecht. Die Unterkunft, die hygienischen Bedingungen, die
Ernährung und die Kleidung sind weit unter den minimalen Anforderungen für ein
geordnetes Leben. Obwohl dieses Ministerium und das Innenministerium der Volksrepublik Serbien viele Maßnahmen zur Verbesserung der Umstände getroffen haben,
wurden nur schwache Ergebnisse erzielt.“18
Zwischen Oktober 1944 und März 1948 sind auf der Basis von zuverlässigen statistischen Hochrechnungen in Jugoslawien circa 50.000 „Volksdeutsche“ umgekommen.19 Der überwiegende Teil (rund 43.500 Personen) starb auf der Flucht oder an den
Folgen der physischen und seelischen Belastungen in den Arbeits- und Krankenlagern. Rund 6.500 Donauschwaben, die sich zwischen 1941 und 1944 aufgrund ihrer
Funktion oder Tätigkeit tatsächlich oder angeblich eines Kriegsverbrechens schuldig
gemacht hatten, dürften beim ersten Kontakt mit den jugoslawischen Partisanen ohne
Gerichtsverfahren hingerichtet worden sein.20 Insgesamt ist rund ein Drittel der in den
Machtbereich der Volksbefreiungsarmee gefallenen Donauschwaben im Zeitraum
von dreieinhalb Jahren gestorben. Bei dieser hohen Sterblichkeit muss berücksichtigt
werden, dass größtenteils Kinder und ältere Menschen von der Internierung betroffen
waren und Arbeitsdienst zu leisten hatten.
Die jugoslawische Deutschenpolitik im internationalen Kontext (1944–1948)
Im Vergleich mit anderen ostmittel- und südosteuropäischen Ländern mit einer
deutschsprachigen Vorkriegsbevölkerung bietet die einleitend angesprochene Quellensituation viel Raum für Spekulationen, wie die kommunistische Spitze um Josip
Broz Tito, Moša Pijade, Edvard Kardelj, Aleksandar Ranković und Milovan Đilas das
„Problem“ der einheimischen Deutschen nach dem Krieg zu lösen gedachte. Über den
künftigen Umgang mit den Jugoslawiendeutschen wurde innerhalb des Politbüros der
Kommunistischen Partei Jugoslawiens vermutlich seit dem Jahre 1944 diskutiert, auch
wenn bisher keine schriftlichen Zeugnisse dieser Gespräche aufgetaucht sind.21 Auch
die jugoslawische Exilregierung in London verfügte zumindest bis März 1944 über
keine konkreten Pläne, was mit den Deutschen nach dem Krieg geschehen sollte,
obwohl einige Minister für deren Aussiedlung plädierten.22 Einzig die serbisch-nationalistischen Tschetniks sahen in ihren Programmen eine Vertreibung aller illoyalen
nationalen Minderheiten vor.23
Die jugoslawischen Kommunisten schienen jedoch auch im Herbst 1944 noch
keine derartigen Pläne verfolgt zu haben. Zumindest der oft zitierte Beschluss des
AVNOJ-Präsidiums über den Übergang von Feindvermögen in das Eigentum des Staates, über die staatliche Verwaltung des Vermögens abwesender Personen und die Sequestration des Vermögens, das von den Besatzungsmächten zwangsveräußert wurde vom
21. November 1944 deutet mit Blick auf dessen Entstehungszeitpunkt darauf hin, dass
man sich vielmehr an den bereits geschaffenen Fakten – nämlich der Flucht einer
Mehrheit der Jugoslawiendeutschen – orientiere und dementsprechend agierte. Tatsächlich war dieser Beschluss des AVNOJ-Präsidiums die erste normative Regelung in
Bezug auf die einheimische deutschsprachige Bevölkerung.
Noch bevor die jugoslawische Partei- und Staatsführung so recht wusste, was mit
den im Lande verbliebenen Jugoslawiendeutschen geschehen sollte, meldete im
Dezember 1944 die Sowjetunion ihre Ansprüche auf „volksdeutsche Arbeitskraft“ an.
Die sowjetische Regierung hatte sich bereits 1943 mit der Ausarbeitung eines Planes
über die Rekrutierung deutscher Arbeitskräfte beschäftigt.24 Obwohl die „Nutzung
deutscher Arbeit“ als eine Form deutscher Reparationsleistungen erst auf der Konferenz von Jalta (4. bis 11. Februar 1945) von den Alliierten festgeschrieben werden
DIE DONAUSCHWÄBISCHE BEVÖLKERUNG IN DER VOJVODINA
101
Sitzung des Politbüros des ZK der KP
Jugoslawiens unter
Führung Titos in Vis,
Mitte 1944. Von links
nach rechts: Vladimir
Bakarić, Ivan
Milutinović, Edvard
Kardelj, Josip Broz
Tito, Aleksandar
Ranković, Svetozar
Vukmanović und
Milovan Đilas.
sollte,25 kam es bereits zwischen Ende Dezember 1944 und Anfang Januar 1945 zu
Deportationen internierter Donauschwaben aus der Vojvodina in die Sowjetunion.
Nachdem Stalin am 16. Dezember 1944 die vom Volkskommissar für Innere Angelegenheiten, Lavrentij P. Berija, ausgearbeiteten Vorschläge für Südosteuropa abgesegnet und erweitert hatte, begann der NKWD (Innenministerium der UdSSR) in Jugoslawien um die katholische Weihnachtszeit 1944 mit den ersten „Sammelaktionen“.
Neben Jugoslawien waren Ende 1944/Anfang 1945 auch Rumänien und Ungarn von
der Verschleppung einheimischer „Volksdeutscher“ in die Sowjetunion betroffen. Insgesamt wurden aus diesen drei Ländern gemäß sowjetischen Quellen bis zum Januar
1945 rund 68.000 „Volksdeutsche“ (davon 10.935 Personen aus Jugoslawien, 33.073
Personen aus Rumänien und 23.707 aus Ungarn) in die UdSSR deportiert.26
Auf den 26. Dezember datiert eine an den Kommandanten der Militärverwaltung
für das Banat, die Batschka und die Baranja, Ivan Rukavina, gerichtete Meldung über
den bevorstehenden Besuch des sowjetischen Generalmajors und NKWD-Mitarbeiters Mikhail A. Zapevalin.27 Darin wurde Rukavina angewiesen, dem für die Mobilisierung und Überweisung der deutschen Arbeitskräfte in die UdSSR zuständigen sowjetischen Geheimdienstler „in allen Bereichen entgegenzukommen“ und seinen
Forderungen zu entsprechen.28 Ob innerhalb des jugoslawischen Politbüros über die
Zahl der zu deportierenden Deutschen zuvor gesprochen, oder ob (und dies scheint
wahrscheinlicher) den Wünschen aus Moskau diskussionslos zugestimmt wurde, ist
nach wie vor offen. Auch über die konkrete Durchführung dieser Zwangsverschickung
ist in den zugänglichen serbischen Quellen nichts zu finden. In sowjetischen Dokumenten taucht – wie oben gesehen – die Zahl von knapp 11.000 Personen (davon
7.243 Frauen und 3.692 Männer) auf, die zur Arbeit in den Osten geschickt wurden.29
Je vier Transportzüge aus der Batschka und dem Banat brachten diese Menschen zwischen dem 29. Dezember 1944 und dem 6. Januar 1945 in die Kohlenreviere und
Industriegebiete des Donezbeckens.30 Nach donauschwäbischen Angaben sind knapp
2.000 jugoslawische Donauschwaben während des Transportes beziehungsweise vor
allem während der Arbeit in der Sowjetunion gestorben.31
Wieso Jugoslawien im Protokoll der Potsdamer Konferenz vom 1. August 1945
nicht als eines jener Länder (neben Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn) genannt
wird, aus denen eine „geregelte Überführung der deutschen Bevölkerung“ erfolgen
soll, ist eine in der Historiografie nach wie vor unbeantwortete Frage. Eine mögliche
Erklärung dafür könnte sein, dass bis zur Beendigung des Krieges für die Politbüro-
102
MICHAEL PORTMANN
mitglieder andere Probleme (namentlich die Eliminierung der südslawischen Bürgerkriegsgegner) als jenes der Aussiedlung beziehungsweise Vertreibung der einheimischen Deutschen im Vordergrund standen. Tatsächlich handelten die jugoslawischen
Kommunisten stets isolierter und waren schwächer in die internationale Politik eingebunden als beispielsweise die Exilpolitiker aus der Tschechoslowakei oder Polen, die
sich während des Krieges in Konsultation mit den Kriegsalliierten intensiv über das
künftige Schicksal „ihrer“ Deutschen Gedanken machen konnten. Zudem mag für die
Vertreter der Alliierten die deutsche Bevölkerung in Jugoslawien im Vergleich zu jener
in Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn zahlenmäßig zu schwach gewesen sein,
um auf der Konferenz behandelt zu werden. Sicher hingegen ist, dass das Präsidium
des Ministerrats des Demokratischen Föderativen Jugoslawien spätestens seit Juni
1945 eine Überführung der noch im Land verbliebenen Deutschen wünschte und diesen Schritt folgendermaßen begründete: „Die Regierung Jugoslawiens ist der Auffassung, dass die sich innerhalb der Grenzen Jugoslawiens befindenden Deutschen ausgesiedelt und nach Deutschland überführt werden müssen. Wir haben das Recht auf
diese Aussiedlung, da
! die Deutschen, die sich heute in Jugoslawien befinden, vom deutschen Eroberer
auf Boden kolonisiert wurden, der den Jugoslawen gehört.
! die deutsche Minderheit seit dem Tag der Ansiedlung in unserem Land und bis
heute gegen die Interessen der Völker Jugoslawiens arbeitet, indem sie sich in den
Dienst des deutschen Imperialismus stellt. Dies äußerte sich im Besonderen während dieses Krieges, als sie mit allen Mitteln aktiv gegen unsere Armee und unsere
Volksbefreiungsbewegung überhaupt gekämpft hat.
! die deutsche Minderheit während dieses Krieges so viele Verbrechen an den Völkern Jugoslawiens verübt hat, dass ihr weiteres Verbleiben innerhalb Jugoslawiens
den Aufbau unserer Staates behindern würde.“32
Offensichtlich aber gelang es der jugoslawischen Regierung nicht rechtzeitig, die Vertreter der Potsdamer Konferenz von ihrer Position in Bezug auf die Deutschen zu
unterrichten.
Zwischen Sommer 1945 und Anfang 1947 versuchte die jugoslawische Regierung
daher mehrmals und immer ohne Erfolg, einen international sanktionierten Transfer
der in der Vojvodina internierten Donauschwaben zu erreichen.33 Als aber im Juli
1946 selbst Moskau derartige Begehren zurückwies,34 begannen die jugoslawischen
Behörden, die Flucht von internierten Donauschwaben aus den Arbeits- und Konzentrationslagern aktiv zu unterstützen. Es ist davon auszugehen, dass bis Ende 1947 zwischen 35.000 und 40.000 Personen aus Jugoslawien entkommen sind.35 Zu diesem
Zeitpunkt zeichnete sich dann ein Wandel in der Behandlung der zurückgebliebenen
Deutschen ab: Die Fluchtbewegungen wurden gestoppt und viele jüngere Männer
wurden anstelle der entlassenen deutschen Kriegsgefangenen in Bergwerken und in
staatlichen Landwirtschaftsbetrieben eingesetzt. Die Lager in der Vojvodina wurden
bis zum März 1948 in mehreren Stufen aufgelöst, die Arbeitsfähigen gesondert erfasst
und auf Staatsgütern (Državno dobro) und in landwirtschaftlichen Genossenschaften
(Seljačka radna zadruga) als Arbeiter eingesetzt. Seit 1949 konnten die entlassenen
Jugoslawiendeutschen die jugoslawische Staatsbürgerschaft beantragen, nachdem sie
bis anhin – obwohl formaljuristisch nie der jugoslawischen Staatsbürgerschaft beraubt
– als staatenlos gegolten hatten.
Die „AVNOJ-Beschlüsse“: Irrtümer und Missverständnisse
Der oft zitierte Beschluss des AVNOJ-Präsidiums (und nicht vom gesamten AVNOJ)
vom 21. November 1944 über den Übergang von Feindvermögen in das Eigentum des
Staates, über die staatliche Verwaltung des Vermögens abwesender Personen und die
Sequestration des Vermögens, das von den Besatzungsmächten zwangsveräußert wurde
regelte unter anderem die – von wenigen Ausnahmen abgesehen – kollektive Enteignung der Jugoslawiendeutschen.36 Gemäß einer Auslegung aus dem Bundesinnenministerium vom 2. Januar 1946 konnte auch das testamentarisch weitergegebene Ver-
DIE DONAUSCHWÄBISCHE BEVÖLKERUNG IN DER VOJVODINA
mögen beschlagnahmt werden. Dies selbst dann, wenn die auf diese Weise in den
Besitz von deutschem Vermögen gelangten Personen ansonsten vom Beschluss nicht
betroffen gewesen wären.37
Das Eigentum von Angehörigen der deutschsprachigen Bevölkerung ging in aller
Regel ohne Gerichtsverfahren in staatlichen Besitz über. Es genügte die Feststellung
von Seiten eines Verwaltungsorgans, dass die Eigentümer der betreffenden Güter zum
Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beschlusses Angehörige der deutschen Volksgruppe
waren beziehungsweise die Staatsangehörigkeit des Deutschen Reiches besaßen.
Alleine in der Vojvodina sind 68.035 „deutsche“ Besitzungen38 mit einer Gesamtfläche
von 389.256 Hektar in den staatlichen Bodenfonds eingeflossen.39 Damit machte der
konfiszierte deutsche Besitz etwas mehr als die Hälfte vom gesamten Bodenfonds der
Vojvodina (668.412 Hektar) aus. Der Beschluss des AVNOJ-Präsidiums fiel zu einem
Zeitpunkt, als sich die Mehrheit der Donauschwaben bereits nicht mehr in Jugoslawien befand. Zehntausende von Häusern und Geschäften in der Vojvodina standen
leer, waren in der Zwischenzeit geplündert und zerstört worden. Diese Ausgangslage
dürfte auf die eine oder andere Weise die Beschlussfassung beeinflusst, ja vielleicht
sogar initiiert haben. Der Text wurde erst im Februar 1945 veröffentlicht und vom
jugoslawischen Parlament Ende 1945 bestätigt.
Immer wieder stößt man in der deutschsprachigen Literatur40 auf einen angeblichen zweiten Beschluss des AVNOJ-Präsidiums, der manchmal auf den 21. November
1943, öfters aber auf den 21. November 1944 datiert wird. Aufgrund dieses „Geheimerlasses“41 soll allen in Jugoslawien lebenden Personen deutscher Volkszugehörigkeit die jugoslawische Staatsbürgerschaft und alle bürgerlichen und staatsbürgerlichen
Rechte entzogen worden sein.42 Dieses Dokument befindet sich nach Aussage von Stefan Karner in seinem Besitz und wurde vom Politbüromitglied Moša Pijade gezeichnet.43 [Vgl. Stefan Karners Beitrag Die deutschsprachige Volksgruppe Sloweniens und
AVNOJ in diesem Band, Anm. d. Red.] Allerdings erlangte der Entwurf nie Gesetzeskraft, falls es ihn tatsächlich gegeben haben sollte. Die Jugoslawiendeutschen blieben
de jure bis zur Annahme einer anderen (meist der deutschen oder österreichischen)
Staatsbürgerschaft jugoslawische Staatsbürger, verloren aber nach Ausfertigung einer
„authentischen Auslegung“ am 8. Juni 1945 zum AVNOJ-Präsidiumsbeschluss vom
21. November 1944 sämtliche staatsbürgerlichen Rechte.44 Zum Zeitpunkt der Entstehung dieser Auslegung spielte die jugoslawiendeutsche Minderheit bereits keine Rolle
mehr in Politik und Gesellschaft. Im damaligen Verständnis der politischen Elite galt
als selbstverständlich, dass die internierten Deutschen keinerlei Rechte mehr besaßen
und nicht mehr als gleichberechtigte Bürger des Demokratischen Föderativen Jugoslawien galten. Der Inhalt der Auslegung vom 8. Juni 1945 floss im Übrigen auch in das
Gesetz vom 31. Juli 1946 zur Bestätigung und Änderung des Beschlusses über den Übergang von Feindvermögen in das Eigentum des Staates mit ein.45
Als Klammerbemerkung sei an dieser Stelle noch auf eine Stellungnahme des Präsidiums des Ministerrats vom Juni 1945 hingewiesen, in der als Reaktion auf die Verabschiedung des österreichischen Staatsbürgerschaftsgesetzes46 die Anwendung des
AVNOJ-Präsidiumsbeschlusses vom 21. November 1944 beziehungsweise der diesbezüglichen Auslegung vom 8. Juni 1945 auf österreichische Staatsbürger thematisiert
wurde. Dies war deshalb notwendig, da im Beschluss vom 21. November 1944 lediglich von „deutschen Staatsbürgern“ die Rede war. In der Stellungnahme gelangte man
zum Schluss, dass von der Konfiskation grundsätzlich auch österreichische Staatsbürger betroffen seien, falls sich diese zur Zeit des Krieges als Deutsche deklariert hätten.47
Schlussbemerkungen
Die jugoslawische Deutschenpolitik wurde ohne Zweifel überwiegend von den traditionellen Kräften bestimmt. Der internationalistische Zugang (Klasse vor Rasse) existierte mehrheitlich bloß auf dem Papier. Die jugoslawischen Behörden waren sich sehr
wohl im Klaren darüber, dass eine Mehrheit der donauschwäbischen Gefangenen sich
keines Verbrechens schuldig gemacht hatte: Die bundesstaatliche jugoslawische Kriegs-
103
104
MICHAEL PORTMANN
verbrecherkommission (Državna komisija za utvrđivanje zločina okupatora i nijhovih
pomagača) registrierte gerade einmal 2.150 „volksdeutsche“ Kriegsverbrecher.48 Indem
jedoch die damaligen militärisch-politischen Eliten davon ausgingen, dass praktisch
alle Jugoslawiendeutschen auch gleichzeitig Nationalsozialisten (gewesen) seien, maß
man der nicht objektivierbaren kollektiven Volkszugehörigkeit mehr Bedeutung bei
als dem individuellen Verhalten während der Kriegszeit.
Die größte zivilisatorische Katastrophe des vergangenen Jahrhunderts beruhte
nicht zuletzt auf der erzwungenen, pseudo-wissenschaftlich perfektionierten und pervertierten Einteilung von Menschen auf der Grundlage vermeintlich objektiver völkischer Kriterien. Es gehört daher zu den wichtigsten Aufgaben der Historikerin/des
Historikers, reflektiert und besonnen mit ethnisch-nationalen Kategorien umzugehen. Es sollten in der Geschichtswissenschaft und in der Geschichtsvermittlung nicht
Völker, Nationen und Ethnien aufeinandertreffen, sondern vielmehr konkrete Akteure
und Institutionen. Dies ist meines Erachtens einer der Schlüssel für eine erfolgreiche
nationale Versöhnung.
1
Ich stütze mich dabei auf Dokumente aus dem Archiv Jugoslawiens (Arhiv Jugoslavije, Belgrad),
dem Archiv des Militärhistorischen Instituts (Arhiv Vojno-istorijskog Instituta, Belgrad), dem
Archiv der Vojvodina (Arhiv Vojvodine, Novi Sad) und den Lokalarchiven in Subotica, Sombor
und Zrenjanin.
2 Siehe http://www.isi.mod.gov.rs/vojni_arhiv02/arhivska_gradja2.php?lang=sr-lat.
3 Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (Hg.), Dokumentation
der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Bd. 5: Das Schicksal der Deutschen in
Jugoslawien, Bonn 1961; Donauschwäbische Kulturstiftung (Hg.), Leidensweg der Deutschen im
kommunistischen Jugoslawien, Bd. 1: Ortsberichte über Verbrechen an den Deutschen im kommunistischen Jugoslawien, München 1991; Bd. 2: Erlebnisberichte über die Verbrechen an den
Deutschen durch das Tito-Regime in der Zeit von 1944 –1948, München 1993; Bd. 3: Erschießungen – Vernichtungslager – Kinderschicksale in der Zeit von 1944 bis 1948, München 1995; Bd. 4:
Menschenverluste – Namen und Zahlen zu den Verbrechen an den Deutschen durch das TitoRegime in der Zeit von 1944 –1948, München 1994; Dies. (Hg.), Verbrechen an den Deutschen in
Jugoslawien 1944 –1948, Die Stationen eines Völkermords, München 2000.
4 Es ist das Verdienst des Kroatischen Instituts für Geschichte in Zagreb (Hrvatski institut za povijest), dass die unmittelbare Nachkriegszeit in dieser Republik quellenmäßig gut belegt ist. Mittlerweile sind bereits vier nach Regionen gegliederte Dokumentenbände erschienen, in denen
kommunistische Repressionen und Verbrechen dokumentiert werden. Hrvatski institut za povijest (Hg.), Partizanska i komunistička represija i zločini u Hrvatskoj 1944.–1946. Dokumenti
[Verbrechen und Repressionen von Partisanen und Kommunisten in Kroatien 1944 –1946.
Dokumente], Slavonski Brod 2005 – 2011. Band 1: ohne Untertitel (2005); Band 2: Slavonija, Srijem i Baranja (2006); Band 3: Zagreb i središnja Hrvatska (2008), Band 4: Dalmacija (2011).
5 Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (Hg.), Dokumentation
der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Bd. 5: Das Schicksal der Deutschen in
Jugoslawien, Bonn 1961.
6 Dokumentation der Vertreibung, S. 91E.
7 Arhiv Vojvodine (im Folgenden: AV), F-183, pred. 130; 156; 195; 203, ohne weitere Angaben.
8 AV, F-205, fol.: „Podaci o stanovništvu Bačke 1945“ [Angaben zu den Einwohnern der Batschka
1945].
9 Hrvatski institut za povijest (Hg.), Partizanska i komunistička represija i zločini u Hrvatskoj
1944.–1946. Dokumenti, Slavonski Brod 2005, S. 324 – 326, hier S. 325 – 326.
10 Arhiv Jugoslavije (im Folgenden: AJ), F-513, XXXIV: Anordnung des Obersten Kommandanten
der Volksbefreiungsarmee (NOV) und der Partisaneneinheiten (POJ) über die Errichtung der
Militärverwaltung für das Banat, die Batschka und die Baranja, Dokument nicht datiert, gezeichnet von Tito.
11 AV, F-334, ohne weitere Angaben: Mitteilung aus dem Provinzkomitee der Vojvodina an alle
Mitglieder der KPJ im Banat, der Batschka und der Baranja vom 13. November 1944, nicht
gezeichnet.
12 Partizanska i komunistička represija, Dokumenti, Dokument Nr. 110, S. 324 – 326, hier
S. 325 – 326.
DIE DONAUSCHWÄBISCHE BEVÖLKERUNG IN DER VOJVODINA
13 Vojni arhiv (im Folgenden: VA), Fond Narodnooslobodilački rat (im Folgenden: NOR), kut.
1661, fasc. 1, dok. 11/1-4: Anordnung Nr. 2 vom Kommandanten des Militärgebiets der Volksbefreiungsarmee Jugoslawiens für das Banat vom 18. Oktober 1944, gezeichnet von Srević.
14 VA, kut. 1661, fasc. 1, dok. 19: Befehl des Kommandanten der Militärverwaltung für das Banat,
die Batschka und die Baranja, Ivan Rukavina, vom 29. November 1944, gezeichnet von Ivan
Rukavina.
15 AVII, kut. 1922, fasc. 3, dok. 6/37: Befehl von der III. Armee an das Kommando des Militärgebiets
der Vojvodina vom 24. März 1945, nicht gezeichnet.
16 AJ, F-513, XXXIV MP, III-3/176: Abschlussbericht der außerordentlichen Kontrollkommission
für das Banat an das Präsidium der außerordentlichen Kontrollkommission des Ministerrats für
die Vojvodina vom 15. Mai 1945, nicht gezeichnet.
17 AJ, F-513, XXXIV MP, III-3/160: Zahl der Lagerinsassen, Dokument undatiert (vermutlich im
Sommer 1945 entstanden), nicht gezeichnet.
18 AJ, F-50, 33/158: Streng vertraulicher Bericht über die Arbeit des Bundesinnenministeriums an
das Generalsekretariat der Bundesregierung vom 21. Januar 1947, S. 12, nicht gezeichnet.
19 Verbrechen an den Deutschen, S. 314.
20 Partizanska i komunistička represija, Dokumenti, Dokument Nr. 110, S. 324 – 326, hier
S. 325 – 326.
21 Milovan Đilas hält in seinen Memoiren fest, dass sich das Zentralkomitee der KPJ mehrmals über
das Schicksal der Deutschen beriet und entschied, sie außer Landes zu schaffen. Milovan Đilas,
Revolucionarni rat [Revolutionskrieg], Beograd 1990, S. 410.
22 Detlef Brandes, Großbritannien und seine osteuropäischen Alliierten 1939 –1943. Die Regierungen
Polens, der Tschechoslowakei und Jugoslawiens im Londoner Exil vom Kriegsausbruch bis zur
Konferenz von Teheran, München 1988, S. 410. Der jugoslawische Sprecher der BBC, T. Skrbić,
drohte allen Deutschen mit furchtbarer Rache: „Für jeden ermordeten Serben, für jede ermordete
Serbin werden die Schwaben in schwäbischen Leben einen hundertfachen Preis entrichten, und
keine Macht der Welt wird das Schwert der Rache aufhalten können, wenn die Zeit gekommen ist.
Das merkt Euch und haltet Euch bereit, denn der Tag ist nicht mehr fern, an dem wir mit den
Schwaben und all ihren Helfershelfern verfahren werden nach der Devise wie Du mir, so ich Dir.
Und zwar so, dass die Schwaben, wo immer sie sein mögen, mit Angst in den Knochen von unserer
gerechten Rache erzählen werden, solange es eine Erde gibt und eine Zeit.“ Zoran Janjetović, Die
Konflikte zwischen Serben und Donauschwaben, in: Südostforschungen, Bd. 58, München 1999,
S. 119 –168, hier S. 160.
23 Milan Vesović / Kosta Nikolić, Ujedinjene srpske zemlje. Ravnogorski nacionalni program, Beograd 1996 [Die Vereinigung serbischer Länder. Das nationale Programm von Ravna Gora (Das
nationale Programm der Tschetniks, Anm. d. Red.)]; Jozo Tomasevich, War and Revolution in
Yugoslavia, 1941–1945. The Chetniks, Stanford 1975, S. 169 –173.
24 Aleksei M. Filitov, Problems of Post-War Construction in Soviet Foreign Policy Conceptions
during World War II, in: Francesca Gari / Silvio Pons (Hg.), The Soviet Union and Europe in the
Cold War, 1943 – 53, Basingstoke 1996, S. 3 – 22, hier S. 6 –7.
25 Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der UdSSR (Hg.), Die Krim(Jalta)Konferenz
der höchsten Repräsentanten der drei alliierten Mächte – UdSSR, USA und Großbritannien
(4.–11. Februar 1945) (Die Sowjetunion auf internationalen Konferenzen während des Großen
Vaterländischen Kriegs 1941 bis 1945 4), Moskau/Berlin 1986, S. 227.
26 Bericht von L. P. Berija an I. V. Stalin und V.M. Molotov über die Arbeitsentsendung von internierten Deutschen aus den Territorien Ungarn, Rumänien, Tschechoslowakei und Jugoslawien in die
UdSSR vom 26. Januar 1945, gezeichnet vom Volkskommissar für innere Angelegenheiten der
UdSSR, L. Berija. Dokument abgedruckt in: T. V. Volokitina et. al. (Hg.), Sovetskij faktor v vostočnoj
Evrope 1944 –1953 [Der sowjetische Faktor in Osteuropa 1944 –1953], Band 1 1944 –1948. Dokumenty, Moskau 1999, S. 132, Dokument Nr. 33.
27 AV, F-170.88: Vertraulicher Brief aus dem Obersten Stab der Volksbefreiungsarmee an den Kommandanten der Militärverwaltung für das Banat, die Batschka und die Baranja, General Ivan
Rukavina, datiert auf den 26. Dezember 1944, Unterschrift unleserlich.
28 AV, F-170.88: Vertraulicher Brief aus dem Obersten Stab der Volksbefreiungsarmee an den Kommandanten der Militärverwaltung für das Banat, die Batschka und die Baranja, General Ivan
Rukavina, datiert auf den 26. Dezember 1944, Unterschrift unleserlich.
29 Siehe Fußnote 27.
30 Donauschwäbische Kulturstiftung (Hg.), Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien 1944 –1948.
Die Stationen eines Völkermords. München 2000, S. 87.
31 Ebd., S. 85 – 87.
32 AJ, F-50, 35/703: Vertraulicher Brief aus dem Präsidium des Ministerrats des Demokratischen
Föderativen Jugoslawien an das Sozialministerium und das Außenministerium des DFJ vom
11. Juni 1945, nicht gezeichnet.
33 Michael Portmann, Die kommunistische Revolution in der Vojvodina 1944 –1952. Politik,
Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur, Wien 2008, S. 262 – 267.
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MICHAEL PORTMANN
34 AJ, F-50, 35/980: Schreiben aus dem Außenministerium des FNRJ an das Präsidium des Ministerrats des FNRJ über die Aussiedlung der „Volksdeutschen“ vom 20. September 1947, gezeichnet
von S. Prica. Das Schreiben datiert zwar mit 20. September 1947, einleitend werden jedoch die
zwischen Juli und August 1946 getätigten diplomatischen Interventionen erläutert.
35 Michael Portmann, Die kommunistische Revolution in der Vojvodina 1944 –1952. Politik,
Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur, Wien 2008, S. 266.
36 Službeni list Demokratske Federativne Jugoslavije vom 6. Februar 1945, Nr. 2, Punkt 25. Deutsche
Übersetzung abgedruckt in: Dokumentation der Vertreibung, S. 180E–183E.
37 Istorijski Arhiv Subotica (im Folgenden: IASu), F-70/172: Schreiben aus dem Präsidium der
Volksversammlung der Autonomen Provinz der Vojvodina (NSAP Vojvodina) an alle Bezirks-,
Kreis- und Stadtausschüsse und an alle Bezirks-, Kreis- und Stadtkommissionen zur Konfiskation, datiert auf den 18. Januar 1946, gezeichnet vom Chef der Abteilung für innere Angelegenheiten, Danilo Grujić.
38 Davon in der Batschka: 29.706 Gebäude, in Syrmien 7.022 Gebäude und im Banat 24.973 Gebäude.
AV, F-185, pred. 96.
39 Nikola L. Gačeša, Agrarna reforma i kolonizacija u Jugoslaviji 1944 –1948 [Bodenreform und
Kolonisation in Jugoslawien 1944 –1948], Novi Sad 1984, S. 191.
40 Allen voran: Stefan Karner, Slowenien und seine „Deutschen“. Die deutschsprachige Volksgruppe
als Subjekt und Objekt der Politik 1939 bis 1998, Bonn 2000; Ders., Die deutschsprachige Volksgruppe in Slowenien. Aspekte ihrer Entwicklung, Klagenfurt/Wien 1998; Arnold Suppan, Zwischen Rache, Vergeltung und „ethnischer Säuberung“. Flucht, Vertreibung und Zwangsaussiedlung der Deutschen aus der Tschechoslowakei und Jugoslawien 1944 –1948, in: Zeitschrift für
Geschichtswissenschaft, 51 (2003), Heft 1, S. 74 – 84, hier S. 80; Statistisches Bundesamt (Hg.), Die
Deutschen Vertreibungsverluste. Bevölkerungsbilanzen für die deutschen Vertreibungsgebiete
1931/50, Wiesbaden 1958, S. 444. Kritische Anmerkungen dazu auch bei: Dušan Nećak, Die Deutschen in Slowenien 1938 –1948, in: Dušan Nečak et. al. (Hg.), Slovensko-avstrijski odnosi v 20. stoletju.
Slowenisch-österreichische Beziehungen im 20. Jahrhundert, Ljubljana 2004, S. 387– 388.
41 Karner, Slowenien und seine „Deutschen“, S. 22.
42 Eine slowenische beziehungsweise serbokroatische Fassung dieses angeblichen zweiten Beschlusses liegt bis dato nicht vor. Nećak, Die Deutschen in Slowenien, S. 387.
43 Karner, Die deutschsprachige Volksgruppe, S. 126.
44 Službeni list DFJ vom 8. Juni 1945, Punkt 347. Deutsche Übersetzung abgedruckt in: Dokumentation der Vertreibung, S. 183E–184E. In der Auslegung vom 8. Juni 1945 steht unter Artikel 1:
„Der Beschluss des Antifaschistischen Rates der Volksbefreiung Jugoslawiens vom 21. November
1944 (Artikel 1, Punkt 2) bezieht sich auf jene jugoslawischen Staatsbürger deutscher Volkszugehörigkeit [Hervorhebung dieses Autors], die sich während der Besatzung als Deutsche erklärt
haben.“
45 Službeni list Federativne Narodne Republike Jugoslavije vom 7. August 1946, Punkt 450. Deutsche Übersetzung abgedruckt in: Dokumentation der Vertreibung, S. 184E–188E.
46 Staatsgesetzblatt für die Republik Österreich, Jg. 1945/60, ausgegeben am 14. Juli 1945, Wien
1945, S. 82–84.
47 Partizanska i komunistička represija i zločini, Dokumenti, S. 270 – 272.
48 Portmann, Die kommunistische Revolution, S. 200.
DIE INTERNIERUNGSLAGER FÜR DIE DEUTSCHE BEVÖLKERUNG IN KROATIEN
107
Vladimir Geiger
Die Internierungslager für die
deutsche Bevölkerung in Kroatien (1945 –1947)
Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs wurden die jugoslawischen – und die kroatischen – deutschen Männer überwiegend, freiwillig oder unter Zwang, für deutsche, kroatische oder ungarische militärische oder halbmilitärische Truppen mobilisiert. Daheim
blieben vor allem Alte, Frauen und Kinder. Die deutsche Bevölkerung, die nicht evakuiert wurde oder flüchten konnte, war im Verlauf der Kriegshandlungen und unmittelbar
danach der Willkür der Sieger ausgesetzt. Gesetzlosigkeit, Plünderung, Misshandlungen, Totschlag und Vergewaltigung von Frauen wurden gegen Ende des Krieges und in
der unmittelbaren Nachkriegszeit zur alltäglichen Erfahrung der Jugoslawiendeutschen.1
Das Präsidium des Antifaschistischen Rates der nationalen Befreiung Jugoslawiens
(AVNOJ) erließ am 21. November 1944 den Beschluss über den Übergang von Feindvermögen in das Eigentum des Staates, über die staatliche Verwaltung des Vermögens
abwesender Personen und die Sequestration des Vermögens, das von den Besatzungsbehörden zwangsveräußert wurde, durch den auch die Situation der „Volksdeutschen“
bestimmt wurde.2 Dieser Beschluss des AVNOJ-Präsidiums verpflichtete die zuständigen Stellen nicht zum Nachweis der Unterstützung der Besatzungsmächte im Einzelfall, sondern betraf jede Person deutscher Nationalität, die nicht explizit Widerstand gegen den Nationalsozialismus geleistet hatte. Der kollektiven Vergeltung
entgingen nur diejenigen Deutschen, die nachweisen konnten, dass sie bei der Partisanenbewegung mitgewirkt oder diese unterstützt hatten. Für die Übrigen folgten die
Beschlagnahme des Vermögens, die Einweisung in Lager und die Vertreibung.3 Auf
Grundlage des Beschlusses des AVNOJ-Präsidiums vom 21. November 1944 wurde
eine Reihe von Beschlüssen, Verordnungen, Kommentaren und Gesetzen erlassen,
auf deren Grundlage die legale Ächtung der „Volksdeutschen“ möglich war und
schließlich vollzogen wurde.4 Die Frage der „Volksdeutschen“ in Jugoslawien wurde
einseitig und kompromisslos gelöst. Indem er die Kollektivschuld der „Volksdeutschen“ rechtfertigte, bezog der AVNOJ, der ein Garant für die Gleichberechtigung der
jugoslawischen Nationen und Nationalitäten sein sollte, eine chauvinistische und
genozidale Einstellung gegenüber der deutschen Minderheit.
Die Haltung der Volksbefreiungsarmee, der Partisaneneinheiten Jugoslawiens bzw.
der Jugoslawischen Armee und der „nationalen“ Behörden gegenüber den jugoslawischen, und damit den kroatischen, Deutschen, denen eine gesetzlich legitimierte Kollektivschuld zugeschrieben wurde, ist ein Musterbeispiel für ethnische Säuberung in
Jugoslawien und Kroatien gegen Ende des Zweiten Weltkriegs und unmittelbar nach
Kriegsende.5 Die Kriegsverbrechen, die ein Teil der jugoslawischen – und der kroatischen – „Volksdeutschen“ begangen hat,6 und ihre illoyale Haltung in der Besatzungszeit dienten als Begründung und als Rechtfertigung für die unmenschliche Behandlung der deutschen Minderheit unmittelbar vor und nach dem Kriegsende.7 In allen
Gebieten Jugoslawiens folgte auf die Etablierung der kommunistischen Herrschaft
eine Welle von Verhaftungen und Liquidierungen. Ihnen ausgesetzt waren tatsächliche und eingebildete politische Gegner aus allen nationalen und ethnischen Gruppen.
Nach der Übernahme der Exekutivgewalt in den jeweiligen Ortschaften verhafteten
Einheiten des Korps der Volksverteidigung (KNOJ) nach den Richtlinien der Abteilung
für den Schutz des Volkes (OZNA) für Kroatien die „Volksdeutschen“ und überstellten
sie in das Lager der Gebietskommandos.8
Die OZNA II für Kroatien berichtete dem OZNA II für Slawonien am 22. Januar
1945: „Nach der Befreiung dieser Gebiete darf kein Schwabe mehr bleiben, sondern
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VLADIMIR GEIGER
Bewohner Waschkas setzen sich für Familie Hauptmann ein, die am 14. Juli 1945 verhaftet und zunächst
in Groß-Pisanitz, dann in Kerndia interniert war. Schreiben des örtlichen Volksausschusses an den
Bezirksausschuss Slatina, 31. August 1945. 65 Bürger Waschkas unterzeichnen das Dokument und
erreichen die Entlassung der Familie Hauptmann aus dem Lager Kerndia am 2. September 1945 – eine
Ausnahme. Unter den internierten Familienmitgliedern waren ein Mädchen von 12 Jahren, vier Kleinkinder und ein Säugling.
jeder kommt entweder nach Deutschland oder in die Lager, und Verbrecher werden
verhaftet und bestraft [...].”9
Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs floh die Mehrzahl der kroatischen „Volksdeutschen“ vor den Kriegsereignissen oder wurde aus ihren Häusern vertrieben und
gelangte vor allem nach Österreich und Deutschland, aber auch auf das Gebiet der
Tschechoslowakei, Polens, Ungarns und Italiens und erlebte dort das Kriegsende.10
Trotz aller Bemühungen der jugoslawischen Behörden, die Rückkehr von „Volksdeutschen“ zu unterbinden, gelang es gleich nach Kriegsende vielen kroatischen „Volksdeutschen“, aus der Flucht oder Vertreibung, insbesondere aus Österreich und
Deutschland, in die Heimat und in ihre Häuser zurückzukehren. Gleich nach der
Rückkehr wurden sie verhaftet und in Lagern interniert, um zusammen mit den in der
Heimat verbliebenen „Volksdeutschen“ nach Deutschland bzw. Österreich ausgewiesen zu werden. Die dazu im Regelfall mitgeteilten Beschlüsse zeigen, dass die Vertreibung der „Volksdeutschen“ planmäßig betrieben wurde. Sie eröffnete auf einfachste
Weise die Möglichkeit, die Eigentumsverhältnisse und das demografische und das ethnische Bild Jugoslawiens radikal zu verändern.11
DIE INTERNIERUNGSLAGER FÜR DIE DEUTSCHE BEVÖLKERUNG IN KROATIEN
Die jugoslawische Exekutive wollte die Rückkehr der aus Jugoslawien geflohenen
und vertriebenen „Volksdeutschen“ verbieten. Den Beschluss, die Rückkehr der jugoslawischen „Volksdeutschen“ zu verhindern, traf die Staatskommission für Repatriierung
(Državna komisija za repatrijaciju) in Belgrad auf ihrer Sitzung am 22. Mai 1945; die
Regierung des Demokratischen Föderativen Jugoslawiens und der Generalstab der
Jugoslawischen Armee schlossen sich der Entscheidung an. Auch die zahlreichen kroatischen „Volksdeutschen“, die gegen Kriegsende aus der Heimat geflohen oder vertrieben worden waren, wurden nach dem Krieg an der Rückkehr nach Jugoslawien gehindert. Sie wurden an der österreichisch-jugoslawischen und der ungarisch-jugoslawischen
Grenze aufgehalten.12 Darüber hinaus wollte man auch die in Jugoslawien verbliebenen
„Volksdeutschen“ aus dem Land vertreiben. Das Präsidium des Ministerrats des Demokratischen Föderativen Jugoslawien (Belgrad) erklärte am 11. Juni 1945: „Die Regierung
Jugoslawiens steht auf dem Standpunkt, dass alle Deutschen, die sich in den Grenzen
Jugoslawiens befinden, ausgesiedelt und auf den Weg nach Deutschland gebracht werden sollen, sobald dafür die entsprechenden technischen Voraussetzungen geschaffen
worden sind.”13 Darüber informierte mit detaillierten Anweisungen die Landeskommission für die Repatriierung der Deutschen beim Innenministerium des Föderalen Staats
Kroatien in Zagreb am 7. Juli 1945 die Nationalausschüsse der Gebiete und Kreise:
„[…] für die Aussiedlung kommen alle deutschen Männer und Frauen nach folgenden Kriterien in Frage: 1) Wer Deutsch als Muttersprache hat (wer aus einer Ehe
eines Deutschen oder einer Deutschen stammt). – 2) Wer aus einer Ehe stammt, in der
der Vater Deutscher ist. – Davon sind ausgenommen: 1) Wer aktiv den nationalen
Befreiungskampf unterstützt hat (bleibt zusammen mit seiner engeren Familie – Kinder, Vater und Mutter). – […] 2. Deutsche Frauen, die mit Jugoslawen verheiratet sind
und Kinder haben. – 3. Kinder bis zum Alter von einschließlich 16 Jahren aus der Ehe
einer Jugoslawin mit einem Deutschen, soweit sich diese Jugoslawin entschließt, im
Lande zu bleiben und ihren deutschen Ehemann zu verlassen. Den Frauen, die als
Jugoslawinnen mit einem Deutschen verheiratet sind, steht frei, mit ihrem Mann fortzugehen oder mit ihrem Kind bis zum Alter von 16 Jahren im Lande zu bleiben. Soweit
es sich um einen weiblichen Ehepartner nicht jugoslawischer Nationalität handelt, ist
die Frau verpflichtet, ihrem deutschen Ehemann zu folgen. – […].”
Die Landeskommission für die Repatriierung der Deutschen beim Innenministerium des Föderalen Staates Kroatien forderte, für jeden einzelnen Deutschen, der nicht
ausgewiesen wurde, detailliert darzulegen, auf welcher Grundlage er von der Repatriierung ausgenommen war. Die für die Repatriierung bestimmten Personen konnten in die
Sammellager nur die allernotwendigsten persönlichen Gegenstände mitnehmen. Nach
den Weisungen sollte man sich bei der Durchführung der Aussiedlung/Vertreibung der
„Volksdeutschen“ „[…] keiner Methoden bedienen, die das Ansehen und die Autorität
unserer Volksregierung und -organe beschädigen könnten, sondern man sollte sich bei
der Durchführung dieser Maßnahmen von den Prinzipien der Humanität leiten lassen
und dabei genügend elastisch sein, doch trotzdem unnachgiebig und energisch und sich
von den Grundsätzen der Aussiedlung leiten lassen. In zweifelhaften Fällen, d. h. ob
jemand bleibt oder geht, soll er lieber gehen als bleiben. – […] All diese Maßnahmen
sind gewissenhaft und unverzüglich auszuführen, denn der Transport der Aussiedler
vom gesamten Territorium Kroatiens nach Deutschland wird unverzüglich erfolgen.”14
Auf der Potsdamer Konferenz der alliierten Siegermächte (Juli–August 1945)
wurde beschlossen (Art. XIII Ordnungsgemäße Überführung deutscher Bevölkerungsteile15), dass die verbliebene deutsche Bevölkerung aus Polen, der Tschechoslowakei
und Ungarn auf das Gebiet Deutschlands übersiedeln musste. Die Übersiedlung (ethnische „Säuberung“) wurde als dauerhafteste und befriedigendste Lösung legalisiert,
sie sollte „organisiert und auf humane Weise“ durchgeführt werden. Jene Staaten, die
in den Beschlüssen der Potsdamer Konferenz nicht erwähnt wurden, vor allem Jugoslawien, lösten das Problem der „Volksdeutschen“ auf noch drastischere Art.
Die Frage der Displaced Persons, insbesondere der „Volksdeutschen“, die gegen Ende
des Zweiten Weltkriegs und in der unmittelbaren Nachkriegszeit deren größte Gruppe
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110
VLADIMIR GEIGER
bildeten, war für Österreich ein großes wirtschaftliches, soziales und politisches Problem. Seit der Jahresmitte 1945 begann sich das Problem der Displaced Persons dort entscheidend zu verschärfen. Die Tschechoslowakei, Ungarn und Jugoslawien begannen
damals mit der massenhaften Vertreibung der „Volksdeutschen“. Die österreichische
Regierung protestierte bei den Alliierten und bestand darauf, unverzüglich die österreichischen Grenzen zu schließen.16 Von der österreichischen Grenze bzw. vom Transit
durch Österreich wurden ca. 5.000 bis 6.000 Jugoslawiendeutsche, überwiegend Alte,
Frauen und Kinder, zurückgewiesen. In dem Maße, in dem Jugoslawien durch die
Schließung der Grenzen nach Österreich, Italien und Ungarn durch die alliierten Besatzungsmächte Mitte Juli 1945 an der Vertreibung der „Volksdeutschen“ gehindert wurde,
folgte für die Mehrheit der „Volksdeutschen“ Lager und Zwangsarbeit.17 Deshalb enthalten die Beschlüsse zur Vertreibung der „Volksdeutschen“ nach Österreich und
Deutschland in der Regel die Bemerkung: „[…] solange keine Transportmöglichkeit
besteht, werden sie in Lagern zur Zwangsarbeit untergebracht.”18
Grab in Kerndia,
nach 1945.
Marija Čuković
aus Diakowar am
Grab ihrer Großmutter Marija Kurtz,
undatiert.
Mindestens 10.000, möglicherweise aber auch die Mehrzahl der ca. 20.000 in der
Heimat verbliebenen kroatischen „Volksdeutschen“ wurde nach der Schließung der
österreichischen Grenze und dem Aufnahmestopp für Vertriebene aus Jugoslawien im
Sommer 1945 in Lagern interniert, in denen einige Tausend der Betroffenen ihr Leben
verloren. Von den schätzungsweise rund 500.000 Deutschen, die bis zum Ende des
Zweiten Weltkriegs in Jugoslawien gelebt hatten, wurden ca. 240.000 vor dem Vorrücken der Roten Armee sowie der Volksbefreiungsarmee und der Partisaneneinheiten
Jugoslawiens evakuiert und sind niemals mehr in die Heimat zurückgekehrt. Vermutlich ca. 200.000 deutsche Zivilpersonen gerieten in Jugoslawien unter kommunistische
Herrschaft. Ein Viertel von ihnen verlor von Ende 1944 bis Anfang 1948 das Leben in
jugoslawischen Lagern, während der Rest durch ethnische Säuberungen verschwand
oder fliehen musste.19 Unter den „Volksdeutschen“, die in den jugoslawischen Nachkriegslagern ihr Leben lassen mussten, waren in erheblicher Zahl Frauen und Kinder.
Nach den niedrigsten Zahlenangaben verloren ca. 26.000 deutsche Frauen ihr Leben
in jugoslawischen Lagern. Von den ca. 45.000 dort internierten „volksdeutschen“ Kindern unter 14 Jahren starben mindestens 5.600 bis 6.000 in den Lagern. Haupttodesursache waren Krankheiten, vor allem Flecktyphus und Unterernährung.20 Nach gut
belegten neuesten Forschungen sind diese Zahlen höher anzusetzen.21
Nach einem Bericht des Innenministeriums der Volksregierung Kroatiens (Zagreb)
vom 12. November 1945 an das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Kroatiens
(Zagreb), der im Voraus dem Bundesinnenministerium des Demokratischen Föderati-
DIE INTERNIERUNGSLAGER FÜR DIE DEUTSCHE BEVÖLKERUNG IN KROATIEN
ven Jugoslawiens in Belgrad zugesandt worden war, waren im östlichen Slawonien,
in der Baranja und im westlichen Syrmien nach dem Stand vom 30. Oktober 1945
ca. 11.000 Deutsche, „deutsche Staatsbürger und solche deutscher Nationalität“, in verschiedenen Lagern untergebracht (Walpowo 3.806 Lagerinsassen, Kerndia bei Diakowar
3.500 Lagerinsassen, Manoster 1.681 Lagerinsassen, Schipowatz bei Naschitz 658
Lagerinsassen, Zmajevac-Popovac in der Baranja 550 Lagerinsassen, Owtschara bei
Wukowar 400 Lagerinsassen), die für verschiedene Arbeiten eingesetzt wurden. („Soweit
es die Verhältnisse erlauben, werden diese für verschiedene Arbeiten herangezogen, und
für sie gilt das Prinzip, dass sie sich durch ihre eigene Arbeit ernähren müssen.“) Im
Bericht wird erwähnt, dass unter den Lagerinsassen ca. 30 Prozent Alte und Kinder
waren, die überwiegend im Lager Kerndia untergebracht waren. Der Innenminister der
Volksregierung Kroatiens merkt in dem Bericht an: „Ein besonderes Problem bilden
Unterbringung und Ernährung […]. Bis auf Weiteres sind sie in besonderen Liegenschaften untergebracht, soweit die Verhältnisse es erlauben.”22
Nach Angaben des Innenministeriums der Föderativen
Volksrepublik Jugoslawien (Belgrad) vom 18. Januar 1946
befanden sich auf dem Gebiet Jugoslawiens in Lagern 117.485
„Volksdeutsche“, darunter 34.214 Männer, 58.821 Frauen und
24.422 Kinder; in Freiheit befanden sich dagegen 12.897
„Volksdeutsche“. Auf dem Gebiet Kroatiens waren in Lagern
10.600 „Volksdeutsche“, davon 3.000 Männer, 4.500 Frauen
und 3.100 Kinder untergebracht, in Freiheit lebten 2.000
„Volksdeutsche“, davon 700 Männer, 1.000 Frauen und 300
Kinder.23
Allen Hinweisen nach zu schließen, waren die größten
Lager für Angehörige der deutschen Minderheit auf dem
Gebiet Kroatiens im Laufe der Jahre 1945/46 Josipowatz
(Ober-Josefsdorf) bei Essegg, Walpowo, Groß-Pisanitz bei
Belowar, Kerndia bei Diakowar, Schipowatz bei Naschitz,
Pusta Podunawlje in der Baranja und Tenje bei Essegg.24
Im Mai 1945 wurden in Josipowatz und in Walpowo die
ersten großen Sammelzentren bzw. -lager für Deutsche aus
Kroatien, insbesondere aus Slawonien, Syrmien und der
Baranja, sowie für Bosniendeutsche aus dem Sawegebiet
gegründet. Die ersten Gruppen von „Volksdeutschen“ wurden in Josipowatz interniert,
im Laufe des Monats Mai 1945 mehr als 3.000 Personen, vor allem Ältere, Frauen und
Kinder. Transporte mit „Volksdeutschen“ aus den Lagern Josipowatz und Walpowo
sowie aus weiteren Lagern wurden seit Anfang Juli 1945 nach Österreich geschickt. In
überfüllten Viehwaggons, ohne ausreichend Nahrung und Wasser, erkrankte die Mehrheit durch Auszehrung, und einige überlebten die mehrtägige Reise nicht. Aus dem
Lager Josipowatz wurde am 8. Juli 1945 ein Transport mit ca. 3.000 Lagerbewohnern
auf den Weg geschickt. Nach einer erschöpfenden Fahrt wurden sie zwei Tage lang in
Leibnitz in Österreich in den Viehwaggons eingeschlossen, erst danach trieb sie die
bewaffnete Begleitung hinaus und ließ sie allein. Das Lager Josipowatz wurde am
10. Juli 1945 aufgelöst, die verbliebene kleinere Zahl der Lagerbewohner wurde in das
Lager Walpowo verlegt. Danach wurden am 22. Juli 1945 aus dem Lager Walpowo mit
Viehwaggons noch einmal 1.800 Personen in Richtung Österreich geschickt. Da sich
jedoch die britischen Besatzungstruppen dort weigerten, diese zu übernehmen, musste
der Transport von der Grenze zurückkehren, und nach einigen Tagen ziellosen Umherfahrens endete er schließlich in Groß-Pisanitz bei Belowar. Dasselbe widerfuhr im Lauf
des Monats Juli 1945 noch zwei weiteren Transporten. Nach einem kurzen Aufenthalt
der „Volksdeutschen“ in Groß-Pisanitz wurden die Transporte bis zum 10. August 1945
in die Lager für „Volksdeutsche“ im Osten Kroatiens weitergeleitet. Das bedeutete die
Fortsetzung des Leidens der Deutschen aus Slawonien, Syrmien, der Baranja und dem
bosnischen Sawegebiet aus diesen Transporten.25
111
Häftlinge in
Walpowo, 1945/46.
112
VLADIMIR GEIGER
Am Anfang wurden die Lagerbewohner außerhalb des Lagers als Arbeitskräfte
eingesetzt, zum Beispiel beim Straßenbau und für Saisonarbeiten in der Landwirtschaft. Bald kam es jedoch zur systematischeren Beschäftigung auf landwirtschaftlichen Gütern und in verschiedenen Unternehmen. Auch Bauern aus umliegenden
Dörfern holten Lagerbewohner, um sie in ihrer Landwirtschaft einzusetzen, beziehungsweise mieteten sie für Arbeiten und zahlten dafür an die Lagerverwaltung. Viele
Bauern, seien sie Kroaten, Serben oder andere gewesen, zeigten nach den Erinnerungen der Lagerbewohner Verständnis für ihre Lage und halfen mit Nahrung und Kleidung. Die Lebensbedingungen in den Lagern, insbesondere die hygienischen Verhältnisse und die Ernährung, waren mehr als armselig und unzureichend.26 Viele
Lagerbewohner erkrankten und starben. Vor allem seit dem Herbst/Winter 1945
wüteten in den Lagern Typhusepidemien und nahmen erschreckende Ausmaße an.
Erst nachdem die Regierung und die Lagerverwaltungen die nötigen Maßnahmen
ergriffen hatten, wurde der Typhus in der Mehrzahl der Lager zurückgedrängt.27 Auch
als sich die Bedingungen in den Lagern mehr oder weniger normalisiert hatten, blieb
das Leben dort kaum erträglich. Man starb vor allem an Krankheit, Erschöpfung,
Kälte und Hunger. Hinrichtungen waren keineswegs massenhaft und blieben die Ausnahme, aber es gab durchaus Misshandlungen und Tötungen. Die Lage der Deutschen,
insbesondere der Mütter mit Kindern, in den Lagern war ausgesprochen schwer.28
Obwohl die Lager für „Volksdeutsche“ in Jugoslawien Ende 1944 und auf dem
Gebiet Kroatiens im Mai 1945 eingerichtet worden waren, erließ das Innenministerium der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien erst im Mai 1946 eine Anweisung
über die Organisation des Lebens und der Arbeit in den Lagern für zivile Deutsche.29 Bis
zu diesem Zeitpunkt war die Behandlung der internierten „Volksdeutschen“ offensichtlich willkürlich und uneinheitlich.
Nach Auflösung der größten Lager für „Volksdeutsche“ in Kroatien, der Lager
Walpowo und Kerndia, im Laufe des Monats Mai 1946 wurden die Lagerinsassen
nicht in die Freiheit entlassen, sondern in andere Lager (Pusta Podunawlje in der
Baranja, Tenje bei Essegg, Gakowa in der Batschka und Rudolfsgnad im Banat) verlegt
oder verblieben zur Zwangsarbeit auf landwirtschaftlichen Gütern und in verschiedenen Arbeitsorganisationen im östlichen Slawonien und in der Baranja. Nach Auflösung des Lagers Pusta Podunawlje im August 1946 wurden die alten und kranken
Lagerinsassen in das Lager Rudolfsgnad verlegt, die arbeitsfähigen Lagerinsassen
dagegen in das Arbeitslager Tenje, das letzte größere Lager für „Volksdeutsche“ in Kroatien. Als dieses Lager im Januar 1947 aufgelöst wurde, wurden die letzten Lagerbewohner, einige Hundert an der Zahl, in das Lager Rudolfsgnad verlegt.30
Im Nachkriegsjugoslawien machten die kommunistischen Behörden, soweit „Volksdeutsche“ betroffen waren, keinen Unterschied nach Geschlecht und Lebensalter. Ihre
Lage und ihr Schicksal hingen im Einzelfall vom Lebensalter, den Kräften, der Gesundheit und vom guten oder bösen Willen derjenigen ab, die über sie Gewalt hatten und
über ihr Schicksal entschieden.31 In den jugoslawischen Lagern kam ein Viertel der in
der Heimat verbliebenen Deutschen um. Wenn wir an die Plünderungen denken, die
Misshandlungen und die zahlreichen Morde sowie die ausgesprochen schweren Bedingungen, unter denen die Deutschen nach der Entlassung aus den Lagern lebten, wird
klar, dass der Großteil von ihnen Jugoslawien so schnell wie möglich verlassen wollte,
das Land, in dem sie ihren Besitz, ihre nationalen Rechte und alle Zukunftsaussichten
verloren hatten.32
Nach begründeten Hinweisen verloren von April 1941 bis März 1948 ca. 9.000 bis
10.000 Kroatiendeutsche ihr Leben. Von April 1941 bis Sommer 1945 starben etwa
4.500 Kroatiendeutsche als Angehörige der Streitkräfte des Unabhängigen Staats Kroatien, des „Dritten Reiches“ oder Ungarns, als Zivilbevölkerung bei Partisanenangriffen auf deutsche Dörfer während des Krieges und bei Einzel- und Massenvergeltungsaktionen unmittelbar nach Kriegsende. Dazu kamen vom Sommer 1941 bis zum Mai
1945 etwa 500 bis 1.000 Kroatiendeutsche als Angehörige der Volksbefreiungsarmee
und der Partisaneneinheiten Jugoslawiens oder der Jugoslawischen Armee oder als
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DIE INTERNIERUNGSLAGER FÜR DIE DEUTSCHE BEVÖLKERUNG IN KROATIEN
Zivilbevölkerung, die die Partisanenbewegung unterstützte, und als Opfer des nationalsozialistischen und des Ustascha-Terrors um. Von November 1944/Mai 1945 bis
Januar 1947 verloren bei Zwangsarbeit und in den Lagern in Kroatien bzw. bis zum
März 1948 bei Zwangsarbeit und in den Lagern in der Vojvodina ca. 4.000 bis 4.500
Kroatiendeutsche, vor allem Kinder, Frauen und ältere Personen, ihr Leben.33
In der Historiografie, der Publizistik, in Erinnerungsliteratur, in Erklärungen und
Zeugenaussagen von Lagerinsassen und Mitgliedern der Lagerverwaltung, aber auch
von Zeitgenossen sowie in Dokumenten gibt es sehr unterschiedliche Angaben,
Behauptungen, Bewertungen und Namenslisten über Zahl und Struktur der Lagerinsassen und Zahl und Struktur der Opfer in den Lagern für die „Volksdeutschen“ in
Kroatien vom Mai 1945 bis zum Jahresbeginn 1947. Eine genaue Zahl der kroatischen
„Volksdeutschen“, die durch die Nachkriegslager gegangen sind, wie auch die genaue
Zahl der Lageropfer lässt sich nur schwer mit Sicherheit feststellen. Trotzdem ermöglichen uns die Dokumentation, die Aussagen und Zeugnisse sowie die Literatur, die
grundlegenden Befunde bezüglich der Lager für „Volksdeutsche“ in Kroatien herauszuarbeiten.
Kirche in Kerndia,
1996.
Kirche in Kerndia
heute. Sie wurde auf
donauschwäbische
Initiative hin wieder
aufgebaut, undatiert.
Gedenkstätte
Kerndia, 2013.
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VLADIMIR GEIGER
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Donauschwäbische Kulturstiftung, Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien,
hrsg. v der Donauschwäbischen Kulturstiftung, Bd. 2: Erlebnisberichte über die Verbrechen an
den Deutschen durch das Tito-Regime in der Zeit von 1944 –1948, (Donauschwäbisches Archiv,
3; 50), München/Sindelfingen 1993, S. 6, 120, 176, 238, 259, 272, 290, 301, 324, 365, 418, 426 –427,
481– 482, 485, 532, 587, 597, 602, 662, 667, 676, 680, 713.
Službeni list Demokratske Federativne Jugoslavije 1 (1945), br. 2 (6. Februar 1946), S. 13–14;
Slobodan Nešović (Hg.), Zakonodavni rad Predsedništva Antifašističkog vijeća narodnog
oslobođenja Jugoslavije i Predsedništva Privremene narodne skupštine (19 novembra 1944 –
27 oktobra 1945) po stenografskim beleškama i drugim izvorima [Die Gesetzgebungsarbeit des
Präsidiums des Antifaschistischen Rates der Nationalen Befreiung Jugoslawiens und des Präsidiums der Vorläufigen Nationalversammlung (19. November 1944 – 27. Oktober 1945) nach den
stenographischen Protokollen und anderen Quellen], Beograd 1951, S. 11, 17– 20.
Vladimir Geiger, Folksdojčeri. Pod teretom kolektivne krivnje [Die Volksdeutschen. Unter der
Last der Kollektivschuld], Osijek 2002, S. 11, 25, 27; Vladimir Geiger, Folksdojčeri u Hrvatskoj
1945 [Die Volksdeutschen in Kroatien 1945], in: Nada Kisić Kolanović/Mario Jareb/Katarina
Spehnjak (Hg.), 1945. – razdjelnica hrvatske povijesti. Zbornik [1945 – Zäsur der kroatischen
Geschichte. Aufsatzsammlung], Zagreb 2006, S. 273.
Geiger, Folksdojčeri, S. 26 – 31; ders., Folksdojčeri u Hrvatskoj 1945, S. 273 und die dort genannte
Literatur.
Zoran Janjetović, Logorisanje vojvođanskih Nemaca od novembra 1944. do juna 1945. godine
[Die Internierung der Vojvodinadeutschen in Lagern vom November 1944 bis zum Juni 1945], in:
Tokovi istorije 1997, Nr. 1–2, S. 150–164; Zoran Janjetović, Between Hitler and Tito. The disappearance of the Vojvodina Germans, Belgrade 2000; Geiger, Folksdojčeri u Hrvatskoj 1945,
(2006) S. 271–287; ders., Proterivanje nemačkog i mađarskog življa iz Vojvodine na kraju Drugog
svetskog rata [Die Vertreibung des deutschen und des ungarischen Bevölkerungsteils aus der
Vojvodina am Ende des Zweiten Weltkriegs, in: Hereticus 5 (2007), Nr. 1, S. 106 –118; Vladimir
Geiger, Josip Broz Tito i sudbina jugoslavenskih Nijemaca [Josip Broz Tito und das Schicksal der
jugoslawischen Deutschen], in: Časopis za suvremenu povijest 40 (2008), Nr. 3, S. 801– 818, sowie
die dort genannten Quellen und Literatur.
Vgl. MIiodrag Đ. Zečević/Jovan P. Popović (Hg.), Dokumenti iz istorije Jugoslavije, T. 4: Državna
komisija za utvrđivanje zločina okupatora i njihovih pomagača iz Drugog svetskog rata.
Saopštenja, odluke i spiskovi pripadnika okupacionih snaga Nemačke i Mađarske koje je Državna
komisija proglasila za ratne zločince i spiskovi lica koje je Komisija Ujedinjenih nacija proglasila
za ratne zločince ili osumnjičila za zločine vršene u Jugoslaviji [Dokumente aus der Geschichte
Jugoslawiens, T. 4: Staatskommission zur Feststellung der Verbrechen der Okkupatoren und ihrer
Helfer aus dem Zweiten Weltkrieg. Mitteilungen, Beschlüsse und Verzeichnisse von Personen, die
die Kommission der UNO zu Kriegsverbrechern erklärt oder verdächtigt hat, Kriegsverbrechen
in Jugoslawien begangen zu haben], Beograd 2000, S. 475 –772.
Zoran Janjetović, Da li su Srbi počinili genocid nad Podunavskim Švabama? [Haben die Serben
einen Genozid an den Donauschwaben begangen?], in: Jovan Mirković (Red.), Genocid u
20. veku na prostorima jugoslovenskih zemalja. Zbornik radova sa naučnog skupa, Beograd,
22.–23. April 2003 [Genozid im 20. Jahrhundert im Raum der jugoslawischen Länder. Sammelband der Arbeiten von der wissenschaftlichen Tagung in Belgrad, 22.–23. April 2003], Beograd
2005, S. 233; Vladimir Geiger, Ljudski gubici Hrvatske u Drugome svjetskom ratu i u poraću koje
su prouzročili Narodnooslobodilačka vojska i Partizanski odredi Jugoslavije/Jugoslavenska
armija i komunistička vlast. Brojidbeni pokazatelji (procjene, izračuni, popisi). Case study: Bleiburg i folksdojčeri [Menschenverluste in Kroatien während des Zweiten Weltkriegs und in der
Nachkriegszeit, die durch die Volksbefreiungsarmee und Partisaneneinheiten Jugoslawiens die
Jugoslawische Armee und die kommunistische Regierung verursacht worden sind: Zahlenangaben (Schätzungen, Berechnungen, Verzeichnisse). Case study: Bleiburg und die Volksdeutschen], Časopis za suvremenu povijest, god. 42, br. 3, Zagreb, 2010., str. 707.
Vgl. Hrvatski državni arhiv (HDA), Zagreb, 1491, kut. 1, 30/5. – Odsjek zaštite naroda za zagrebačku
oblast, Broj 96[?]/1945. dana 22. travnja 1945. god.; Državni arhiv u Zagrebu, 0034, Opći spisi,
266/45.; Državni arhiv u Varaždinu, 0019, Prosvjetni odjel, Spisi, 1/45.; Državni arhiv u Slavonskom
Brodu (DASB), 0015, Opći spisi po ur. zapisniku – povjerljivi br. 1– 456, 1945., Inv. br. 40; Državni
arhiv u Osijeku, Sabirni centar Vinkovci, 0688, 1945., 9/45. Pov.; Zdravko Dizdar/Vladimir Geiger/
Milan Pojić/Mate Rupić (Hg.), Partizanska i komunistička represija i zločini u Hrvatskoj 1944.–1946.
Dokumenti [Repressionen und Verbrechen durch Partisanen und Kommunisten in Kroatien
1944 –1946. Dokumente], Zagreb 2009 S. 101–102, 180 –181; Vladimir Geiger (Hg.), Partizanska i
komunistička represija i zločini u Hrvatskoj 1944.–1946. Dokumenti. Slavonija, Srijem i Baranja
[Repressionen und Verbrechen durch Partisanen und Kommunisten in Kroatien 1944 –1946. Dokumente. Slawonien, Syrmien und Baranja], Slavonski Brod 2006, S. 139–144, 245–248; Vladimir Geiger, Partisan and Communist Repression and Crimes in Croatia 1944–1946. Documents. Slavonia,
Syrmia and Baranya, Bismarck (North Dakota) 2011, S. 145 –150, 212 – 217; Vladimir Geiger/Mate
Rupić/Mario Kevo/Egon Kraljević/Zvonimir Despot (Hg.), Partizanska i komunistička represija i
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zločini u Hrvatskoj 1944.–1946., Slavonski Brod/Zagreb 2008, S. 252 – 254, 255 – 259, 499 – 500;
Geiger, Folksdojčeri u Hrvatskoj, 1945., S. 275; Vladimir Geiger, Logori za folksdojčere u Hrvatskoj
nakon Drugoga svjetskog rata 1945.–1947., in: Časopis za suvremenu povijest 38 (2006), S. 1082.
HDA, Zagreb, 1491, kut. 7, Knjiga primljenih i poslanih depeša od i za OZNA Slavonije i Hrvatsko Primorje, 20.10.1944.–31.5.1945., Ozna II. za Hrvatsku Ozni II. za Slavoniju, 22.1.1945.
Valentin Oberkersch, Die Deutschen in Syrmien, Slawonien, Kroatien und Bosnien. Geschichte
einer deutschen Volksgruppe in Südosteuropa (Donauschwäbisches Archiv, 3; 40), Stuttgart
1989, S. 465; Vladimir Geiger, Iseljavanje Njemačke narodne skupine u Nezavisnoj Državi Hrvatskoj s područja Slavonije potkraj Drugoga svjetskog rata [Die Aussiedlung der Deutschen Volksgruppe im Unabhängigen Staat Kroatien gegen Ende des Zweiten Weltkriegs], in: Marina Lukšič
Hacin (Hg.), Sezonstvo in izseljenstvo v panonskem prostoru: sosedstvo Avstrije, Hrvaške,
Madžarske in Slovenije. Zbornik [Saisonarbeit und Auswanderung im pannonischen Raum: Die
Nachbarschaft Österreichs, Kroatiens, Ungarns und Sloweniens. Aufsatzsammlung], Ljubljana
2003, S. 161–174; Geiger, Folksdojčeri u Hrvatskoj 1945, S. 275, sowie die dort genannte Literatur.
Geiger, Iseljavanje Njemačke narodne skupine u Nezavisnoj Državi Hrvatskoj sowie die dort
genannten Quellen und Literatur.
Arhiv Jugoslavije (AJ), Beograd, 50-35-73 und 33-3; Vladimir Geiger, Heimkehr. Povratak slavonskih Nijemaca nakon Drugoga svjetskog rata iz izbjeglištva / prognaništva u zavičaj i njihova
sudbina [Heimkehr. Die Rückkehr der slawonischen Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg aus
Flucht / Vertreibung in die Heimat und ihr Schicksal], in: Scrinia slavonica 3 (2003), S. 521– 522.
AJ, Beograd, 50-35-73; Geiger, Folksdojčeri, S. 32; ders., Folksdojčeri u Hrvatskoj 1945, S. 275;
ders., Heimkehr, S. 525.
HDA, Zagreb, 0816, kut. 1, fasc. 5 „Protjerivanje Nijemaca iz FNRJ” – Zemaljska komisija za
repatriaciju Njemaca pri Ministarstvu unutrašnjih poslova Federativne države Hrvatske, Broj
1/45., Predmet: Njemaca naših državljana repatriacija (iselenje Njemaca) -upute-, Zagreb,
7.VII.1945.; Geiger, Folksdojčeri, S. 32, 61– 67; ders., Folksdojčeri u Hrvatskoj 1945, S. 276; Dizdar et. al. (Hg.), Partizanska i komunistička represija i zločini u Hrvatskoj., S. 179 –182; Geiger,
Partizanska i komunistička represija i zločini u Hrvatskoj., S. 245 – 248; ders., Partisan and
Communist Repression and Crimes in Croatia, S. 212 – 217; ders. et. al. (Hg.), Partizanska i
komunistička represija i zločini u Hrvatskoj 1944.–1946., S. 498 – 501.
Ujedinjene nacije. Zbirka dokumenata 1941–1945, Beograd 1947, S. 124 –125.
Dušan Nećak, O problemu „razseljenih oseb“ (D.Ps.) in jugoslovanskih „Volksdeutscherjev“ v Austriji te o britanski ideji njihove zamenjave s koroškimi Slovenci (1945 –1947) [Über das Problem der
„Displaced Persons“ und der jugoslawischen „Volksdeutschen“ in Österreich und über die britische
Idee ihres Austauschs gegen die Kärntner Slowenen], in: Zgodovinski časopis 50 (1996), Nr. 4 (105),
S. 561–571; Zoran Janjetović, Odlazak vojvođanskih Švaba – proterivanje ili iseljavanje [Das Weggehen der Vojvodina-Schwaben – Vertreibung oder Aussiedlung], u: Tokovi istorije, br. 3 – 4, Beograd 1997., str. 113.; Geiger, Folksdojčeri, S. 33; ders., Folksdojčeri u Hrvatskoj 1945, S. 278.
Theodor Schieder (Hg.), Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien (Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa 5), Bonn 1961, S. 100E –101E; Donauschwäbische
Kulturstiftung, Leidensweg der Deutschen im Kommunistischen Jugoslawien, hrsg. v der
Donauschwäbischen Kulturstiftung, Bd. 1: Ortsberichte über die Verbrechen an den Deutschen
durch das Tito-Regime in der Zeit von 1944–1948 (Donauschwäbisches Archiv, 3; 46), München/
Sindelfingen 1991, S. 662, 722, 726, 728, 732 –734, 744, 748–749, 779, 787, 791; Donauschwäbische
Kulturstiftung, Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien, Bd. 2, S. 796 – 800,
812–814, 819–824; Donauschwäbische Kulturstiftung, Leidensweg der Deutschen im Kommunistischen Jugoslawien, hrsg. v der Donauschwäbischen Kulturstiftung, Bd. 3: Erschießungen –
Vernichtungslager – Kinderschicksale: in der Zeit von 1944 bis 1948 (Donauschwäbisches Archiv,
3; 54), München/Sindelfingen 1995, S. 885, 887; Geiger, Heimkehr, S. 529.
DASB, 0015, kut. Spisi Okružne uprave narodnih dobara, 1945.–1947., inv. br. 90, fasc. Okružna
uprava narodnih dobara – Osobe protjerane u njemačku i podržavljenje imovine – Ratna dobit,
1945.; Valentin Oberkersch, Die Deutschen in Syrmien, Slawonien, Kroatien und Bosnien, S. 465;
Vladimir Geiger (Hg.), Radni logor Valpovo 1945.–1946. Dokumenti [Das Arbeitslager Walpach
1945 –1946. Dokumente], Osijek 1999, S. 31, 85, 100, 142; Dizdar et. al. (Hg.), Partizanska i
komunistička represija i zločini u Hrvatskoj, S. 183; Vladimir Geiger, Logor Krndija 1945.–1946.
[Das Lager Kerndia 1945 –1946] (Biblioteka Hrvatska povjesnica: Posebna izdanja), Zagreb/Slavonski Brod 2008, S. 20; Geiger, Heimkehr, S. 529; ders., Folksdojčeri, S. 33; ders., Folksdojčeri u
Hrvatskoj 1945, S. 279; ders., Logori za folksdojčere u Hrvatskoj nakon Drugoga svjetskog rata
1945.–1947., S. 1084–1085.
Donauschwäbische Kulturstiftung, Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien,
hrsg. v der Donauschwäbischen Kulturstiftung, Bd. 4: Menschenverluste – Namen und Zahlen zu
Verbrechen an den Deutschen durch das Tito-Regime in der Zeit von 1944 –1948 (Donauschwäbisches Archiv, 3; 55), München/Sindelfingen 1994, oder www.totenbuch-donauschwaben.at;
Arbeitskreis Dokumentation in der Donauschwäbischen Kulturstiftung, Verbrechen an den
Deutschen in Jugoslawien 1944 –1948. Die Stationen eines Völkermords / verf. vom Arbeitskreis
115
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VLADIMIR GEIGER
Dokumentation in der Donauschwäbischen Kulturstiftung-Stiftung des privaten Rechts-, München, und im Bundesverband der Landsmannschaft der Donauschwaben, Sindelfingen
(Donauschwäbisches Archiv, 3; 67), München 1998, S. 4, 290; Documentation Project Committee,
Genocide of the Ethnic Germans in Yugoslavia 1944 –1948 (Donauschwäbisches Archiv, 3; 96),
München 2003, S. 155; Genocid nad nemačkom manjinom u Jugoslaviji 1944 –1948 [Der Genozid
an der deutschen Minderheit in Jugoslawien 1944 –1948] (Publikacije Archiva Podunavskih Švaba,
Minchen, 3; 114), Beograd 2004. [Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien 1944 –1948], S. 196;
Donauschwäbische Kulturstiftung / Arbeitskreis Dokumentation, Leitfaden zur Dokumentationsreihe Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien 1944 –1948. Gesamtübersicht mit thematischen
Ergänzungen und Register. Deutsch – Englisch – Serbisch = Guide to the documentation series
Crimes against the ethnic Germans in Yugoslavia 1944–1948 = Povodac za red dokumentacije O
genocidu nad nemačkom manjinom u Jugoslaviji 1944 –1948 (Donauschwäbisches Archiv, Reihe 3,
116), München 2005, sowie die dort genannten Quellen und Literatur.
20 Donauschwäbische Kulturstiftung, Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien,
Bd. 3, S. 945; Donauschwäbische Kulturstiftung, Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien, Bd. 4, S. 1015, 1019, 1029; Arbeitskreis Dokumentation in der Donauschwäbischen Kulturstiftung, Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien 1944 –1948, S. 243, 313;
Documentation Project Committee, Genocide of the Ethnic Germans in Yugoslavia 1944 –1948,
S. 135; Genocid nad nemačkom manjinom u Jugoslaviji; Zoran Janjetović, Nemice u logorima za
folksdojčere u Vojvodini 1944 –1948. [Deutsche Frauen in Lagern für Volksdeutsche in der Vojvodina 1944 –1948], in: Latinka Perović (Hg.), Srbija u modernizacijskim procesima 19. i 20. veka =
Serbia in the 19th and 20th Century Modernizing Processes, T. 2: Položaj žena kao merilo modernizacije = Women’s Position as the Measure of Modernization, Beograd 1998, S. 496–504; Vladimir Geiger, Logorska sudbina Njemica u Hrvatskoj (i Jugoslaviji) nakon Drugoga svjetskog
rata [Das Lagerschicksal deutscher Frauen in Kroatien (und Jugoslawien) nach dem Zweiten
Weltkrieg], in: Damir Agičić (Hg.), Zbornik Mire Kolar-Dimitrijević. Zbornik radova povodom 70. Rođendana [Festschrift für Mira Kolar-Dimitrijeć zum 70. Geburtstag], Zagreb 2003,
S. 444 – 445; ders., Udio djece među stradalim Folksdojčerima u jugoslavenskim logorima
(1944.–1948.) [Der Anteil von Kindern unter den in den jugoslawischen Lagern umgekommenen
Volksdeutschen (1944–1948)], in: Dijalog povjesničara-istoričara, 4, Zagreb 2001, S. 530 –531.
21 Vgl. Geiger (Hg.), Radni logor Valpovo 1945.–1946.; ders., Logor Krndija 1945.–1946.; Stevan
Mačković, Logor za Nemce u Sekiću (1944–1946) [Das Lager für Deutsche in Sekitsch], in: Ex
Panonia 8, Subotica 2004, S. 16 –26; Branislav Danilović, Gakovo i Kruševlje logori za podunavske
Švabe u Bačkoj 1945–1947 [Gakowa und Kruschiwl als Lager für Donauschwaben in der Batschka
1945–1947], Sombor 2008; Imenik stradalih osoba AP Vojvodine 1941.–1948. nemačke nacionalnosti [Namentliches Verzeichnis der umgekommenen Personen der Autonomen Provinz 1941–1948
deutscher Nationalität], T. 6, Novi Sad 2008.; Milko Mikola (Hg.), Dokumenti in pričevanja o
povojnih koncentracijskih taboriščih v Sloveniji. Koncentracijska taborišča Strnišče, Hrastovec,
Brestrnica in Filovci [Dokumente und Erlebnisberichte über die Nachkriegskonzentrationslager
in Slowenien. Konzentrationslager Strnišče, Hrastovec, Brestrnica und Filovci], Ljubljana 2007;
Vladimir Geiger, Žrtvoslov vukovarskih Nijemaca (Drugi svjetski rat i poraće) [Totenbuch der
Wukowarer Deutschen (Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit)], in: Dražen Živić/Ivana Žebec
(Hg.), Vukovar – hrvatska baština i perspektive razvoja [Wukowar – kroatisches Erbe und Entwicklungsperspektiven], Zagreb/Vukovar 2007, S. 183–212; ders., Nijemci grada i kotara Našice,
vojnici i civili, stradali i žrtve, tijekom Drugoga svjetskog rata i poraća [Die Deutschen aus Stadt
und Kreis Naschitz, Militär- und Zivilpersonen, Umgekommene und Opfer im Verlauf des Zweiten Weltkriegs und in der Nachkriegszeit], in: Našički zbornik 8, Našice 2007, S. 387–418; ders.,
Žrtvoslov Nijemaca Požege i Požeške kotline. Drugi svjetski rat i poraće [Totenbuch von Deutschen aus Poscheg und dem Poscheganer Kessel. Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit], in: Scrinia slavonica 7, Slavonski Brod 2007, S. 429 – 457; ders., Žrtvoslov Nijemaca Slavonskog Broda i
Brodskog Posavlja. Drugi svjetski rat i poraće [Totenbuch der von Deutschen aus Brod an der
Sawe und dem Sawegebiet. Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit], in: Scrinia slavonica 8, Slavonski Brod 2008, S. 440 – 461; ders., Žrtvoslov Nijemaca Županje i županjskog kraja. Drugi svjetski rat i poraće [Opferliste von Deutschen aus Županja und dem Gebiet Županja. Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit], in: Scrinia slavonica 10, Slavonski Brod 2010, S. 366 – 390; Vladimir
Geiger, Žrtvoslov Nijemaca hrvatske Baranje. Drugi svjetski rat i poraće [Totenbuch der Deutschen aus der kroatischen Baranja. Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit], in: Scrinia slavonica
11, Slavonski Brod 2011, S. 259 – 354; ders., Folksdojčeri u Sabirnom logoru Velika Pisanica 1945.,
S. 722 –731; ders., Žrtvoslovi / poimenični popisi hrvatskih Nijemaca, vojnika i civila, stradalih i
žrtava, tijekom Drugoga svjetskog rata i u poraću [Totenbücher und Namenslisten von kroatischen Deutschen, Militär- und Zivilpersonen, die im Laufe des Zweiten Weltkriegs verunglückt
oder umgekommen sind], in: Sulejman Bosto/Tihomir Cipek (Hg.), Kultura sjećanja: 1945. Povijesni lomovi i svladavanje prošlosti, Zagreb 2009, S. 195 – 208, und die dort genannte Literatur.
22 HDA, Zagreb, 1220, Vojna komisija, kut. 134 – Narodna vlada Hrvatske Ministarstvo unutrašnjih
poslova br. Pov. 563/45, dana 12. XI. 1945 Centralnom komitetu Komunističke partije Hrvatske;
DIE INTERNIERUNGSLAGER FÜR DIE DEUTSCHE BEVÖLKERUNG IN KROATIEN
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Dizdar et. al. (Hg.), Partizanska i komunistička represija i zločini u Hrvatskoj, S. 292; Geiger
(Hg.): Partizanska i komunistička represija i zločini u Hrvatskoj, S. 490; ders., Partisan and Communist Repression and Crimes in Croatia, S. 317.
AJ, Beograd, 50 – 35/844 – Tabelarni pregled logorisanih i nelogorisanih Nemaca na teritoriji Jugoslavije; Dizdar et. al. (Hg.), Partizanska i komunistička represija i zločini u Hrvatskoj, S. 312; Michael
Portmann, Die kommunistische Revolution in der Vojvodina 1944 –1952. Politik, Gesellschaft,
Wirtschaft, Kultur (Zentraleuropa-Studien 13), Wien 2008, S. 255; ders., Politik der Vernichtung?
Die deutschsprachige Bevölkerung in der Vojvodina 1944 –1952. Ein Forschungsbericht auf Grundlage jugoslawischer Archivdokumente, in: Danubiana Carpathica 1 (48), München 2007, S. 357.
Vgl. Leopold Rohrbacher, Ein Volk ausgelöscht. Die Ausrottung des Donauschwabentums in
Jugoslawien in den Jahren von 1944 bis 1948 (Schwabenbuch-Reihe 1), Salzburg 1949; Österreichische Historiker-Arbeitsgemeinschaft für Kärnten und Steiermark, Völkermord der Tito-Partisanen 1944 –1948. Der Vernichtung der altösterreichischen Deutschen Volksgruppe in Jugoslawien und die Massaker an Kroaten und Slowenen. Dokumentation, Graz 1991; Theodor Schieder
(Hg.), Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien (Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Bd. 5), Bonn 1961; Donauschwäbische Kulturstiftung, Leidensweg
der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien. Bd. 1, 2, 3 und 4, oder www.totenbuchdonauschwaben.at; Arbeitskreis Dokumentation in der Donauschwäbischen Kulturstiftung, Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien 1944 –1948 (1998); Documentation Project Committee, Documentation Project Committee, Genocide of the Ethnic Germans in Yugoslavia
1944 –1948; Genocid nad nemačkom manjinom u Jugoslaviji 1944 –1948; Geiger, Logori za
folksdojčere u Hrvatskoj nakon Drugoga svjetskog rata 1945.–1947., S. 1081–1100.
Vgl. Rohrbacher, Ein Volk ausgelöscht. S. 198; Österreichische Historiker-Arbeitsgemeinschaft für
Kärnten und Steiermark, Völkermord der Tito-Partisanen 1944–1948, S. 191; Donauschwäbische
Kulturstiftung, Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien. Bd. 2, S. 768 –769,
775 – 776, 799, 825–826, 829; Donauschwäbische Kulturstiftung, Leidensweg der Deutschen im
kommunistischen Jugoslawien. Bd. 3, S. 885 – 887; Donauschwäbische Kulturstiftung, Leidensweg
der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien. Bd. 4, oder www.totenbuch-donauschwaben.at;
Arbeitskreis Dokumentation in der Donauschwäbischen Kulturstiftung, Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien 1944 –1948, S. 219–221; Documentation Project Committee, Genocide of the
Ethnic Germans in Yugoslavia 1944 –1948, S. 121–122; Genocid nad nemačkom manjinom u Jugoslaviji 1944 –1948, S. 152 –154; Vernichtungslager im kommunistischen Jugoslawien 1944–1948.
Ausstellung zum 50-Jahr-Gedenken ihrer Auflösung, Haus der Heimat, Donauschwäbische Arbeitsgemeinschaft Wien, 20. September 1998 bis 11. Oktober 1998; Logori smrti u komunističkoj
Jugoslaviji 1944 –1948 [Todeslager im kommunistischen Jugoslawien 1944–1948]. Ausstellung,
Volksdeutsche Gemeinschaft Landsmannschaft der Donauschwaben in Kroatien, Essegg in
Zusammenarbeit mit der donauschwäbischen Arbeitsgemeinschaft Österreich, Wien und dem
Österreichischen Kulturinstitut, Zagreb, Museum Slawoniens, Osijek 11. bis 25. Mai 1999; Vladimir
Geiger (Hg.), Radni logor Valpovo 1945.–1946. Dokumenti [Das Arbeitslager Walpowo 1945 –1946.
Dokumente], Osijek 1999; ders, Folksdojčeri pod teretom kolektivne krivnje, S. 91–104; ders.,
Folksdojčeri u Hrvatskoj 1945, S. 278.; ders, Logor Krndija 1945.–1946. [Das Lager Kerndia
1945 –1946], Zagreb/Slavonski Brod, 2008; ders., Sabirni i prolazni logor za folksdojčere u Velikoj
Pisanici kod Bjelovara 1945 [Das Sammel- und Durchgangslager für Volksdeutsche in Groß Pisanitz
bei Belowar 1945], Tokovi istorije, 1 (2011), S. 76–90 sowie die dort genannten Quellen und Literatur.
Vgl. Geiger (Hg.), Radni logor Valpovo; ders., ders., Logor Krndija; ders., Logori za folksdojčere
u Hrvatskoj nakon Drugoga svjetskog rata, S. 1081–1100 sowie die dort genannte Literatur.
Vgl. Vladimir Geiger, Epidemija tifusa u logorima za folksdojčere u Slavoniji 1945./1946. i posljedice [Die Typhusepidemien in den Internierungslagern für Volksdeutsche in Slawonien 1945/46
und die Folgen], in: Časopis za suvremenu povijest 39 (2007), Nr. 2, S. 367– 383 sowie die dort
genannte Literatur.
Arbeitskreis Dokumentation in der Donauschwäbischen Kulturstiftung, Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien, S. 219 – 228; Documentation Project Committee, Genocide of the Ethnic Germans in Yugoslavia, S. 121–127; Genocid nad nemačkom manjinom u Jugoslaviji, S. 152–160.
Mikola (Hg.), Dokumenti in pričevanja o povojnih koncentracijskih taboriščih v Sloveniji,
S. 36 –39.
Arbeitskreis Dokumentation in der Donauschwäbischen Kulturstiftung, Verbrechen an den
Deutschen in Jugoslawien, S. 227–228; Documentation Project Committee, Genocide of the Ethnic Germans in Yugoslavia, S. 126, und die dort genannte Literatur.
Janjetović, Nemice u logorima za folksdojčere u Vojvodini, S. 503 – 504; Geiger, Folksdojčeri u
Hrvatskoj, S. 282; ders., Josip Broz Tito i sudbina jugoslavenskih Nijemaca, S. 816.
Janjetović, Odlazak vojvođanskih Švaba, S. 117.
Vgl. Geiger, Logori za folksdojčere u Hrvatskoj nakon Drugoga svjetskog rata, S. 1081–1100;
ders., Epidemija tifusa, S. 367– 383; ders., Žrtvoslovi/poimenični popisi hrvatskih Nijemaca,
S. 195 – 208; Janjetović, Prinudni rad folksdojčera, S. 205 – 215; Geiger, Ljudski gubici Hrvatske u
Drugome svjetskom ratu i u poraću, S. 706 –707 und die dort angeführte Literatur.
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SANJA PETROVIĆ TODOSIJEVIĆ
Sanja Petrović
Todosijević
Die Betreuung deutscher Kinder in
jugoslawischen Kinderheimen nach dem
Zweiten Weltkrieg (1946–1952)
Nach der Kapitulation Rumäniens am 23. August 1944 kam es zu einem schnellen
Vorstoß der Roten Armee in das Banat und in die Batschka. Zwischen dem 28. September und dem 8. Oktober 1944 errichteten die Rote Armee und die Volksbefreiungsarmee ihre Herrschaft im jugoslawischen Banat. Die Batschka wurde bis zum
13. Oktober 1944 eingenommen.1 Die Internierung der Vojvodinadeutschen in Lagern
war bis Juni 1945 abgeschlossen.2 Nach später veröffentlichten Angaben waren in der
Vojvodina 96.769 Deutsche in Lagerhaft, darunter 24.403 Kinder, 19.953 Personen, die
älter als 65 Jahre waren, und 54.413 arbeitsfähige Personen.3
Im Mai 1946 erhielt das Komitee für Sozialfürsorge der Regierung der Föderativen
Volksrepublik Jugoslawien (Federativna Narodna Republika Jugoslavije, FNRJ) auf
Grund eines Beschlusses des Innenministeriums der FNRJ und des Ressortministers
Aleksandar Ranković den Auftrag, „schnell 3.000 elternlose deutsche Kinder, die sich
in Lagern in der Vojvodina befinden, in Kinderheimen unterzubringen“.4 Vor allem
die genannten, aber auch andere Ressorts begannen nun systematisch und sehr gut
organisiert, deutsche Jungen und Mädchen ohne elterliche Fürsorge aus den Lagern
herauszuholen und anschließend in Heimen unterzubringen. Voraus ging der Aktion
neben der Sicherstellung der Finanzierung eine Gesundheitsprüfung und Klassifizierung der Kinder nach folgenden Kriterien:
1. auf Grundlage der Aussage von Kindern, ihrer Verwandten und Nachbarn wurden
Kinder ausgewählt, deren Eltern gestorben waren oder sich außerhalb Jugoslawiens befanden;
2. die Kinder mussten jünger als 12 Jahre sein;
3. die Kinder durften nicht an unheilbaren ansteckenden oder chronischen Krankheiten leiden.5
Nach Überprüfung aller Kriterien stellte man fest, dass sich „in den Lagern 1.112 Kinder ohne akute Infektionskrankheiten befinden, die deshalb in das Kinderheim aufgenommen werden können.“
Die zugänglichen Quellen vermitteln den Eindruck, dass es die ursprüngliche
Absicht war, die Kinder in neugegründete Heime zu schicken, die nur bedingt als solche bezeichnet werden konnten und in erster Linie ihrer Unterbringung dienen sollten. Diese Erstunterbringung sollte als eine Art Quarantäne oder auch zur Vorbereitung für die weitere Integration in Kinderheimen im ganzen Land dienen. Man muss
berücksichtigen, dass viele der Kinder, obwohl sie die so genannte Gesundheitsprüfung durchlaufen hatten, nach dem Verlassen des Lagers in einem schlechten Gesundheitszustand waren. Die Mehrzahl der Kinder sprach nur die deutsche Sprache. Selbst
wenn die meisten Kinder keine Eltern mehr hatten, mussten sie sich beim Verlassen
des Lagers von vielen sehr nahen Familienmitgliedern trennen.
Vor der Unterbringung der Kinder besichtigten Vertreter der verantwortlichen
Behörden Gebäude in Bajza, Zenta, Alt-Kanischa, Kanak, Alt-Letz, Wlajkowatz, Sombor, Apatin und Hodschag.6 Die erste Gruppe von Kindern wurde am 27. Juni 1946 aus
dem Lager Rudolfsgnad abgeholt und in einem neugegründeten Heim in Bajza untergebracht. Bis Ende Oktober 1946 brachte man 1.293 Kinder aus den Lagern Rudolfsgnad,
Gakowa, Molidorf und Syrmisch-Mitrowitz in Heimen in der Vojvodina unter.
DIE BETREUUNG DEUTSCHER KINDER IN JUGOSLAWISCHEN KINDERHEIMEN
119
Bei der Arbeit mit den Kindern deutscher Nationalität gab es diverse Unklarheiten. Nach dem Besuch der Heime im südlichen Banat konstatierte Zlata Miler, Angestellte des Komitees für Sozialfürsorge der Regierung der FNRJ (im Folgenden Sozialfürsorgekomitee), in Bezug auf die Erziehungs- und Bildungsarbeit sowie auf
gesellschaftliche und kulturelle Aspekte, dass es keine Direktiven gäbe, „ob man deutsche Schulen eröffnen sollte oder die Kinder in die serbischen Schulen gehen sollten
[...], ob die Kinder sogleich in die Pionierorganisationen eintreten, in Verbindung mit
der Pionierorganisation am Ort stehen und Veranstaltungen durchführen sollten, wie
es die Kinder unserer übrigen Heime tun, oder nicht“.7
Am 13. Juli, nur zwei Tage nach Eingang des Berichts von Zlata Miler beim Komitee, betonte Kirilo Savić (Vorsitzender des Komitees und Minister ohne Geschäftsbereich in der Regierung der FNRJ), „eine der dringendsten Fragen, die sich bei der
Unterbringung der Kinder stellt“, ist, „in welcher Sprache sie erzogen und beschult
werden sollen und in Verbindung damit die Frage der Erzieherkader.“ Die Regierung
nahm die Haltung ein, man müsse die Kinder „als Patrioten und Antifaschisten Jugoslawiens erziehen, zunächst in deutscher Sprache, bis sie die Sprachen der Völker Jugoslawiens gelernt haben, danach in der Sprache der Völker, auf deren Territorium sie
sich befinden.“8
Die Verteilung der Kinder auf die Heime der Volksrepubliken drängte sich als
schwere und teilweise auch unlösbare Aufgabe auf, deren Lösung aber aus verschiedenen Gründen unumgänglich war. Einerseits hatten die Behörden ernsthafte Probleme,
qualifizierte Erzieher und Lehrer nichtdeutscher Nationalität für Kinder zu finden, die
überwiegend keine der Sprachen der Völker Jugoslawiens sprachen. Andererseits
wurde betont, man müsse „heute bereits an die Erziehung, Schulausbildung und
Lebensvorbereitung dieser Kinder denken.“ Deshalb wurde in Übereinstimmung mit
dem Präsidium der Regierung der FNRJ beschlossen, sie auf die Heime der Volksrepubliken zu verteilen, „damit sie gemeinsam mit unseren Kindern zuverlässige und
nützliche Mitglieder unserer Gemeinschaft werden können.“9
Das Präsidium der Regierung der FNRJ ordnete an, die ersten 1.400 Kinder deutscher Nationalität ohne elterliche Betreuung wie folgt auf die Republiken zu verteilen:
Makedonien 200,10 Serbien 500,11 Slowenien 150,12 Kroatien 300,13 Montenegro 50,14
Bosnien und Herzegowina 200.15 Das Sozialfürsorgekomitee machte die Heimleitungen über die Republikministerien darauf aufmerksam, dass „diesen Kindern besonders viel Aufmerksamkeit geschenkt werden muss, und ausführlichere Anweisungen
für die Arbeit“ später folgen sollten.16
Mädchenkinderheim
„Kristijan Karpoš“
in Makedonien,
Kumanowo, 1949.
Hier lebte mit anderen donauschwäbischen Mädchen Anna
Wörz (geb. 1935,
vierte Reihe, Zweite
von links). Ihre Mutter war beim Einmarsch der Partisanen 1944 erschossen
worden. Von 1945 bis
1946/47 war sie mit
ihrer Großmutter in
Rudolfsgnad interniert.
120
Mädchenkinderheim
„Kristijan Karpoš“
in Makedonien,
Kumanowo, 1950.
SANJA PETROVIĆ TODOSIJEVIĆ
Die Richtlinien für die Arbeit mit Kindern deutscher Nationalität bezogen sich
auch auf ihre angemessene Verteilung auf die Heime. In der neuen Umgebung sollten
sie nicht die dominante Gruppe im Verhältnis zu den anderen Kindern bilden. Eine
Verlegung war auch dort notwendig, wo auf „100 unserer Kinder“ „50 Kinder deutscher Nationalität“ kamen.17 Das Sozialfürsorgekomitee forderte in seinem Schreiben
vom 28. September 1948 von den Republikministerien, Berichte erstellen zu lassen
„über Kinder und Jugendliche deutscher Nationalität, die möglichst ausführlich und
detailliert sein sollen.“ Die Berichte sollten folgende Angaben enthalten: die Zahl der
deutschen Schützlinge in den Kinder- und Jugendschutzeinrichtungen, deren Gesundheitszustand, die Vorgehensweise der Heimleitung und Informationen zum Umgang
zwischen Heimleitung und „unseren Kinder und Jugendlichen“, ihre Geschicklichkeit,
ihr Verhalten, ihre Neigungen, Wünsche und Erfolge in „unserem Umfeld“, die Zahl
der Schützlinge, die fortgegangen sind und wohin sie gegangen sind sowie sonstige
Beobachtungen und Bemerkungen der Leiter und Heimvorstände.18
Zwischen September und November 1948 gingen bei den Sozialministerien aller
Republiken zahlreiche Berichte aus Kinderheimen mit identischer Überschrift ein:
Bericht über Kinder deutscher Nationalität. Die Anforderung dieser Berichte beunruhigte einige Heimleiter. Mit den Berichten erreichte das Sozialministerium die Frage,
ob solche Berichte jeden Monat zu verfassen seien und ob Berichte „über die Arbeit mit
allen Kindern oder nur mit den Kindern deutscher Nationalität“ einzureichen seien.19
Die Kinder sollten vor allem im „Zeitgeist“ erzogen werden. Der Leiter des Elpida
Karamandi-Heims aus Bitola betont in seinem Bericht vom 18. September 1948:
„Anfangs beim Eintreffen fühlte man bei allen deutschen Kindern Misstrauen und
Hass gegenüber unseren Leitern, so dass es Ausfälle gab, zum Beispiel Sprüche der
Kinder wie nieder mit Tito, Hakenkreuzzeichnungen u. a. Durch den konsequenten
Einsatz der Erzieher wurde das abgestellt, so dass heute die Einstellung der deutschen
Kinder hinsichtlich ihrer Auffassungen und ihrer Liebe für unsere Leiter ganz gut
ist.“20 Der Leiter des Heimes in Weißkirchen schrieb, dass mit dem Ziel der „richtigen
Durchführung der Organisation des kollektiven Lebens”21 gemeinsame Treffen organisiert wurden, bei denen „die Haltung des neuen Jugoslawiens gegenüber dem Menschen und die gegenseitigen Beziehungen in der sozialistischen Gesellschaft“ erläutert
wurden. Der Leiter des Heims in Privina Glava betonte in seinem Bericht vom Oktober 1948, dass man bei der Arbeit mit den Kindern deutscher Nationalität vor allem
den „Wert des Menschen nach seiner Arbeit und nicht nach seiner nationalen Zugehörigkeit“ herausstelle.22 Dementsprechend würden nationalistische Ausfälle durch das
gesamte Kollektiv verurteilt. Derselbe Heimleiter schrieb: „Es kommen vereinzelt
Ausfälle von Seiten einiger jugoslawischer Mädchen vor, aber darüber wird auf den
Versammlungen sofort diskutiert. Diese Ausfälle kommen bei Mädchen vor, die aus
dem Bürgertum stammen. Dass das Verhältnis der Kinder serbischer und kroatischer
Nationalität ihnen gegenüber korrekt ist, sieht man daran, dass sie, sobald jemand eine
negative Bemerkung in Bezug auf Deutsche macht, dies sofort auf der nächsten Ver-
DIE BETREUUNG DEUTSCHER KINDER IN JUGOSLAWISCHEN KINDERHEIMEN
sammlung als negative Erscheinung für den Aufbau der sozialistischen Gesellschaft verurteilen.“23 Aus den Berichten aus dem gesamten Raum Jugoslawiens lässt sich schließen, dass die Heimleiter hinsichtlich des zukünftigen Lebens der jüngsten Mitglieder der
deutschen nationalen Gemeinschaft in Jugoslawien sehr optimistisch gestimmt waren.
Vor allem glaubte man, dass die Kinder deutscher Nationalität „gute Mitglieder“ der
jugoslawischen „Gemeinschaft und fleißige Menschen“ werden würden.24 Man meinte,
zum Ziel der „richtigen Durchführung der Organisation des kollektiven Lebens“, die
„Voraussetzung sowohl für die Entwicklung guter Beziehungen zu den Leitern als auch
für ein kameradschaftliches Verhältnis zwischen den Kindern untereinander ist“25,
müsse man sich auch mit „ihrer nationalen Frage“ befassen, „wenn dies angebracht“
sei.26 Das Problem, ob es empfehlenswert war, die nationale Frage anzusprechen, quälte
nicht nur den Leiter des Bata und Rita Jovičić-Heims in Rudnik, der diese Frage offen
stellte, sondern auch viele andere.
Die nationale Frage ohne Rücksicht auf den Grundsatz der Gleichbehandlung aller
Kinder zu stellen, bedeutete, die deutschen Kinder unter Verdacht zu stellen. Die
umfangreichen Berichte zu Beobachtungen jeglicher Art wurden sowohl von Heimen
erwartet, in denen bis zu 50 Kinder lebten als auch von Heimen, in denen sich nur ein
Kind deutscher Nationalität befand. Meldungen wurden über Kinder aller Altersgruppen verfasst, d. h. über das Alter von drei bis vierzehn Jahren.
Die Sprache wurde als grundlegendes Hindernis beim „Zusammenwachsen mit
unseren Kindern“ angesehen.27 Das Verdrängen der Muttersprache und die Beherrschung einer der Sprachen der jugoslawischen Völker war die Voraussetzung für die
Entwicklung der deutschen Kinder zu Patrioten und Antifaschisten.28 Die Verdrängung
der deutschen Sprache war eine der Methoden, um „jeden Unterschied in jeder Hinsicht“ zu mindern.29 Den Kindern die offizielle Interpretation der jüngsten Vergangenheit sowie die Leistungen der jugoslawischen Völker und berühmter Einzelpersonen
nahezubringen, war ohne die Überwindung der Sprachbarriere nicht möglich. In
einem der Berichte wird angeführt: „Wir haben bemerkt, dass wir die Kinder nicht so
sehr interessieren können, wenn wir ihnen von den Nationalhelden und vom Kampf
der Völker Jugoslawiens in der Zeit des Volksbefreiungskrieges vorlesen, denn sie verstehen nicht alles, was ihnen gesagt wird, da sie die Nationalsprache nicht vollständig
beherrschen.“30
In der systematischen, nur auf die deutschen Kinder zugeschnittenen Einflussnahme durch die Erzieher sah man ein weiteres Hindernis für das „Zusammenwachsen mit unseren Kindern“ und die Überwindung „jeden Unterschieds in jeder Hinsicht“. Die Scheu vor einer planmäßigen Einwirkung bestand auch bei Kindern im
Vorschulalter, d. h. im Alter von drei bis sieben Jahren. Im Bericht des Heimleiters in
Uzdin heißt es: „Die Kinder sind fröhlich, gemeinsam arbeiten sie im Kindergarten
zusammen mit den übrigen Kindern, lernen Geschichten zu verschiedenen Anlässen,
Deklamationen, Lieder, verschiedene Spiele, erzählen einzelne Ereignisse aus dem
Volksbefreiungskampf nach, vom Genossen Tito, von der großen Sowjetunion, unserer ruhmreichen Armee, über Rotarmisten […]. Sie benehmen sich richtig, zwischen
ihnen und den anderen Kindern wird kein Unterschied gemacht, noch ist ein solcher
zu bemerken, und noch weniger ist daran zu zweifeln, dass sie etwas aus eigenem
Antrieb sagen.“31
Die „Neigung zu religiösen Gefühlen“ wird als eine von vielen negativen Erscheinungen hervorgehoben. Ein Heimleiter aus Werschetz führt an, dass es „[...] kein seltener Fall ist, dass man bei ihnen im Schrank Bilder von Engeln, verschiedenen Heiligen sowie Weihnachts- und Osterkarten findet.“32 Den Einfluss der Religion sah man
als zumindest problematisch an. Jede Art der Erwähnung von Religion und „religiöser
Pflichten“ schuf Unsicherheit bei den Erziehern. In Zusammenhang damit heißt es:
„Wir hatten keine Möglichkeit, zu erforschen und zu überprüfen, welchen Einfluss
Briefe der engsten Angehörigen, in denen sie über die Erfüllung religiöser Pflichten
sprechen, auf die Kinder deutscher Nationalität haben. Wir konnten nicht bemerken,
dass sie in die Kirche gehen wollten oder heimlich zu Gott gebetet hätten. Ob sie es
121
122
Brief aus einem
jugoslawischen
Kinderheim,
20. Februar 1949.
SANJA PETROVIĆ TODOSIJEVIĆ
nicht tun, weil die übrigen Kinder es auch nicht tun […] oder ob es […] der Einfluss
der Erzieher und das Vertrauen in sie ist, bzw. in jene, die sie darauf hingewiesen
haben, konnten wir nicht feststellen.“33
„Sehnsucht nach der Heimat und der Familie“34 wurde als weitere negative Erscheinung im Verhalten der Kinder deutscher Nationalität bewertet. Das Fehlen der Eltern
und des Familienumfelds traumatisierte die Kinder. Der Heimleiter aus Werschetz
berichtet, dass „bei bestimmten Kindern während dieser kurzen Zeit bemerkt wurde,
dass die Kinder, die Fotografien ihrer Eltern (die sich in Deutschland befinden) haben,
sie oft anderen Kindern zeigen und die Eltern sehen
möchten.“35 Man meinte, der Briefverkehr mit Verwandten übe einen negativen Einfluss auf die Kinder
aus „und deshalb werden verstärkt Kontrollen durchgeführt, d. h. der Briefwechsel wird weniger.“36 Der Kontakt mit der Familie mindere die Chancen der Kinder,
„für die Zukunft bereit zu sein und sich gleichberechtigt zu fühlen.“37 Als positive Beispiele führte man Fälle
von Kindern an, denen es gelang, sich mit dem Bedürfnis nach Kontakt und einer engen Beziehung zu der
Familie auseinanderzusetzen. Ein Heimleiter aus Pantschowa beschrieb die Arbeit mit den Kindern an diesem „Problem“ sehr konkret: „Sie haben sich geschrieben mit den Eltern und mit Verwandten, die in
Deutschland sind. Diese Verwandten drückten ihr
Bedauern aus, dass die Kinder von ihnen getrennt sind
und sagten unter anderem in einem Brief: Hoffentlich
wird die Zeit kommen, dass du dich von diesem Elend
befreist und wir uns wieder zusammenfinden werden.
Danach sprach der Heimleiter mit dem Kind. Er rechtfertigte das damit, dass man in der amerikanischen
Besatzungszone nicht wisse, wie gut die Kinder in Jugoslawien versorgt würden und übernahm es, ihnen darüber zu schreiben.“38
Eine besonders beachtliche Rolle bei der Vermittlung des neuen Wertesystems spielten die Pionierorganisation und der Bund der kommunistischen Jugend Jugoslawiens (SKOJ)39. Den Beitritt
zu einer der beiden Organisationen betrachtete man als positives Ergebnis der Arbeit
mit den Deutschen. Bei der Vermittlung des „Zeitgeists“, d. h. des neuen Wertesystems, „spielten die Pionierpresse, die regelmäßig durchgearbeitet wurde, sowie die
Pionierorganisation eine besondere Rolle. Einzelne Kinder deutscher Nationalität
wurden zu Anführern in der Pionierorganisation gewählt; es gibt einige Scharführer
sowie mehrere Hygieniker und Gefreite“.40 Als ausgesprochen positiv führte man Beispiele von Kindern an, die sich bei der Akzeptanz des „Zeitgeists“ und beim Aufbau
des neuen Gesellschaftssystems auszeichneten. So meldete ein Heimleiter aus Kotor,
dass sich „unter ihnen besonders zwei weibliche Mitglieder des SKOJ auszeichnen und
eine Stoßarbeiterin der Jugendeisenbahnstrecke, die Schülerin Harich, sie zeichnete
ihr Erspartes von 500 Dinar für die Volksanleihe“.41
Nach Auflösung der Lager für Deutsche in der Vojvodina im Frühjahr 194842
erreichten die Republikministerien für Sozialfürsorge und das Sozialfürsorgekomitee
zahlreiche Bitten von Eltern und Verwandten, die bei der Entlassung aus den Lagern
keinerlei Informationen mehr über ihre jüngsten Familienmitglieder hatten, seit sie als
Kinder ohne elterliche Fürsorge ab Ende Juni 1946 aus den Lagern herausgeholt worden waren.
Die Listen, auf denen Kinder aufgeführt sind, die aus den Lagern geholt und auf
verschiedene Heime zunächst in der Vojvodina, dann in ganz Jugoslawien verteilt
wurden, zeigen, dass unter ihnen nur eine relativ kleine Zahl war, bei der man zuver-
DIE BETREUUNG DEUTSCHER KINDER IN JUGOSLAWISCHEN KINDERHEIMEN
lässig wusste, dass beide Elternteile nicht mehr am Leben waren. Viele Kinder kamen
nur mit den Müttern ins Lager, von denen einige dort verstarben. Das Schicksal der
Väter war oft weitgehend unbekannt. Sofern sie Angehörige der Deutschen Wehrmacht gewesen waren, wusste man von vielen nicht, ob sie noch lebten und wenn ja,
wo sie sich befanden. Es gab Kinder, die mit Verwandten ins Lager kamen, weil ihre
Eltern oder ein Elternteil zur Zwangsarbeit in die UdSSR deportiert worden waren;
manchen Eltern (meistens dem Vater) einzelner Jungen und Mädchen war es gelungen, durch die Flucht nach Deutschland oder Österreich der Internierung in einem
der Lager zu entgehen.43
Ihres Vermögens und ihrer Bürgerrechte – nicht
aber der jugoslawischen Staatsangehörigkeit44 –
beraubt, versuchten die Deutschen nach der Lagerzeit
Arbeit zu finden, um die drängendsten Existenzprobleme zu lösen. Arbeit und ein regelmäßiges Einkommen zu haben, waren nur einige der Bedingungen, die
erfüllt werden mussten, damit der Antrag auf Übergabe
der Kinder überhaupt erst geprüft wurde. Das Sozialfürsorgekomitee richtete am 6. Mai 1949 ein Schreiben
an alle Pflegeämter der Ministerien für Sozialfürsorge
in den Föderationsrepubliken, in dem es heißt, dass
derjenige, der einen Sorgerechtsantrag für ein Kind
deutscher Nationalität stellt, mit dem Antrag folgende
Dokumente einzureichen hat:
! ist der Antragsteller ein Elternteil ein Dokument,
aus dem die Elternschaft hervorgeht;45
! ist der Antragsteller ein naher Verwandter, d. h.
Großmutter, Großvater, Bruder, Schwester, Onkel
oder Tante, ein Dokument über die Verwandtschaftsbeziehungen;
! ein „Dokument“ über die politische Zuverlässigkeit;46
! eine Erklärung, dass man nicht beabsichtigt, das
Land zu verlassen,
! einen Arbeitsnachweis;
! Angaben über monatliche Einkünfte und darüber, wie viele Personen mit der
genannten Summe zu unterhalten sind;
! ein ärztliches Attest
! sowie die Erklärung des Kindes, soweit es das achte Lebensjahr vollendet hat, dass
es zum Antragsteller ziehen will.
Das Schriftstück sah außerdem die Stellungnahme der Mitglieder des Fürsorgerates
vor, der in jedem einzelnen Fall festzustellen hatte:
! in welchen Wohnverhältnissen das Kind leben würde;
! sofern der Antragsteller auf einem landwirtschaftlichen Staatsgut lebt und arbeitet,
wie viele Kinder unter „Fürsorgepflicht“ es dort gab;
! was der künftige Sorgeberechtigte unternehmen würde, um das Kind zu einem
selbstständigen Leben zu befähigen, d. h. in welche Schule das Kind gehen und
welchen Beruf es erlernen würde;
! „ob die Person, die ein Kind deutscher Nationalität unter ihre Obhut nehmen
möchte, garantiert, dass sie das Kind zu einem guten Staatsbürger der FNRJ erziehen
wird“.
Auf Grundlage aller verfügbaren Daten teilte ein Mitglied des Bezirksfürsorgerates
diesem seine Stellungnahme mit, der diese wiederum an die Bezirksfürsorgeverwaltung weiterleitete. Nach Einsichtnahme in die vollständige Dokumentation schlug
diese Behörde die Entscheidung für jeden Einzelfall vor; sie wurde an die Fürsorgeverwaltung des zuständigen Sozialministeriums weitergeleitet und schließlich an das
123
Anni zeichnet dem
Vater ihre linke Hand
auf, damit er weiß,
wie groß die Handschuhe sein müssen,
die er ihr schicken
soll. Brief aus einem
jugoslawischen
Kinderheim, Jahr
und Ort unbekannt.
124
SANJA PETROVIĆ TODOSIJEVIĆ
Sozialfürsorgekomitee der Regierung der FNRJ, das die endgültige Entscheidung
fällte.47
Anders gesagt: beim Versuch, die jüngsten Mitglieder ihrer Familien aus den Heimen zu holen, wurden die Angehörigen der deutschen nationalen Gemeinschaft in
Jugoslawien und ehemaligen Lagerinternierten mit Forderungen konfrontiert, die sie
unmöglich erfüllen konnten. Dass sich die Haltung des Staates gegenüber der deutschen Minderheit und die Anforderungen, um ein Kind aus dem Heim herauszuholen, lockerten, hängt meines Erachtens maßgeblich mit der Aufnahme diplomatischer
Beziehungen zwischen der FNRJ und der Bundesrepublik Deutschland zusammen. In
den 1950er Jahren begann die legale Aussiedlung jugoslawischer Staatsangehöriger
deutscher Nationalität. Seit 1952 behandelten die jugoslawischen Behörden die Aussiedler wie Bürger der Bundesrepublik Deutschland.48 Schon am 5. Mai 1950, nur ein
Jahr nach Erlass der sehr rigorosen Bestimmungen, informierte das Sozialfürsorgekomitee die Sozialministerien der Republiken darüber, dass für den Vormundschaftsantrag künftig keine Erklärung mehr nötig sei, dass man nicht beabsichtige, das Land zu
verlassen, und dass man die Kinder auch dann in die Obhut geben könne, „wenn die
Betreffenden die Absicht haben, unser Land zu verlassen“.49 Die meisten Angehörigen
der deutschen Minderheit nutzten diese Möglichkeit und verließen das Land, mit ihnen
auch die meisten der jüngsten Angehörigen der deutschen Gemeinschaft in Jugoslawien.
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Zoran Janjetović, Nemice u logorima za folksdojčere u Vojvodini 1944.–1948. [Deutsche Frauen
in Lagern für Volksdeutsche in der Vojvodina 1944 –1948], in Latinka Perović (Hg.), Srbija u
modernizacijskim procesima 19. i 20. veka (Serbia in the 19th and 20th Century Modernizing
Processes, Bd. 2: Položaj žena kao merilo modernizacije = Women‘s Position as the Measure of
Modernization, Beograd 1998, S. 496 – 504, hier S. 496.
Ders., Logorisanje vojvođanskih Nemaca od novembra 1944. do juna 1945. godine [Die Internierung der Vojvodinadeutschen in Lagern vom November 1944 bis zum Juni 1945], in: Tokovi
istorije 1997, Nr. 1– 2, S. 151–164, hier S. 162.
Janjetović, Nemice u logorima, S. 500.
Arhiv Jugoslavije [Archiv Jugoslawiens = AJ], 33 –17– 34; Dopis Komiteta za socijalno staranje
Vlade FNRJ Ministarstvu trgovine i snabdevanja Vlade FNRJ od 17. maja 1946.
AJ, 33 –17– 34; Izveštaj o brojnom i zdravstvenom stanju dece nemačke narodnosti u logorima
Gakovo, Sremska Mitrovica, Molin i Knićanin, kao i o stanju i kapacitetu zgrada predviđenih za
smeštaj pomenute dece u Bajši, Senti, Staroj Kanjiži, Konaku, Starom Lecu, Vlajkovcu, Somboru,
Apatinu, Odžacima od 25. maja 1946.
Ebd.
AJ, 33 –17– 34; Izveštaj Zlate Miler, službenice Komiteta za socijalno staranje Vlade FNRJ Komitetu za socijalno staranje Vlade FNRJ od 11. jula 1946.
AJ, 33 –17– 34; Dopis Komiteta za socijalno staranje Vlade FNRJ Komitetu za škole i nauku Vlade
FNRJ od 13. jula 1946.
AJ, 33 –17– 34; Dopis Komiteta za socijalno staranje Vlade FNRJ Ministarstvu socijalnog staranja
NR Bosne i Hercegovine od 11. septembra 1946.
AJ, 33 –17– 34; Dopis Komiteta za socijalno staranje Vlade FNRJ Ministarstvu socijalnog staranja
NR Makedonije od 16. oktobra 1946.
AJ, 33 –17– 34; Dopis Komiteta za socijalno staranje Vlade FNRJ Ministarstvu socijalnog staranja
NR Srbije od 16. oktobra 1946.
AJ, 33 –17– 34; Dopis Komiteta za socijalno staranje Vlade FNRJ Ministarstvu socijalnog staranja
NR Slovenije od 16. oktobra 1946.
AJ, 33 –17– 34; Dopis Komiteta za socijalno staranje Vlade FNRJ Ministarstvu socijalnog staranja
NR Hrvatske od 16. oktobra 1946.
AJ, 33 –17– 34; Dopis Ministarstva socijalnog staranja NR Crne Gore Komitetu za socijalno
staranje Vlade FNRJ od 23. oktobra 1946.
AJ, 33 –17–3 4; Dopis Ministarstva socijalnog staranja NR Bosne i Hercegovine Komitetu za socijalno staranje Vlade FNRJ od 20. septembra 1946.
AJ, 33 –17– 34; Dopis Komiteta za socijalno staranje Vlade FNRJ Ministarstvu socijalnog staranja
NR Bosne i Hercegovine od 11. septembra 1946.
DIE BETREUUNG DEUTSCHER KINDER IN JUGOSLAWISCHEN KINDERHEIMEN
17 AJ, 33 –17– 34; Dopis Komiteta za socijalno staranje Vlade FNRJ Ministarstvu socijalnog staranja
NR Srbije od 15. aprila 1948.
18 AJ, 33 –17– 34; Dopis Planskog odjela evidencija i statistika Ministarstva socijalnog staranja NR
Hrvatske od 05. oktobra 1948.
19 AJ, 33 –17– 34; Izveštaj Dečijeg doma iz Jabuke od 20. novembra 1948.
20 AJ, 33 –17– 34; Izveštaj Ministarstva socijalnog staranja NR Makedonije o zapažanjima u radu sa
decom nemačke narodnosti iz Dečijeg doma „Elpida Karamandi“ Bitolj Komitetu za socijalno
staranje Vlade FNRJ od 18. decembra 1948.
21 AJ, 33 –17– 34; Izveštaj Dečijeg oporavilišta iz Bele Crkve.
22 AJ, 33 –17– 34; Izveštaj Dečijeg doma iz Privine Glave od 10. oktobra 1948.
23 Ebd.
24 AJ, 33 –17– 34; Izveštaj Dečijeg doma „Bata i Rita Jovičić“ Rudnik od 15. oktobra 1948.
25 AJ, 33 –17– 34; Izveštaj Dečijeg oporavilišta iz Bele Crkve.
26 AJ, 33 –17– 34; Izveštaj Dečijeg doma „Bata i Rita Jovičić“ Rudnik od 15. oktobra 1948.
27 Ebd.
28 AJ, 33 –17– 34; Dopis Komiteta za socijalno staranje Vlade FNRJ Komitetu za škole i nauku Vlade
FNRJ od 13. jula 1946.
29 AJ, 33 –17– 34; Izveštaj Dečijeg doma „Bata i Rita Jovičić“ Rudnik od 15. oktobra 1948.
30 AJ, 33 –17– 34; Izveštaj Dečijeg doma iz Jabuke od 20. novembra 1948.
31 AJ, 33 –17– 34; Izveštaj Dečijeg doma iz Uzdina od 24. novembra 1948.
32 AJ, 33 –17– 34; Izveštaj Dečijeg doma iz Vršca od 18. oktobra 1948.
33 AJ, 33 –17– 34; Izveštaj Dečijeg doma od 17. oktobra 1948; wegen der schlechten Lesbarkeit des
Dokuments konnte nicht ermittelt werden, um welches Heim es sich handelt. – Mit „jenen“ waren
die Eltern gemeint.
34 Ebd.
35 AJ, 33 –17– 34; Izveštaj Dečijeg doma iz Bačke Palanke od 16. oktobra 1948.
36 AJ, 33 –17– 34; Izveštaj Dečijeg doma iz Kovina od 18. oktobra 1948.
37 AJ, 33 –17– 34; Izveštaj Dečijeg doma iz Kotora od 01. novembra 1948.
38 AJ, 33 –17– 34; Izveštaj Dečijeg doma iz Pančeva od 18. oktobra 1948.
39 SKOJ = Savez komunističke omladine Jugoslavije.
40 AJ, 33 –17– 34; Izveštaj Dečijeg oporavilišta iz Bele Crkve. Hygieniker dokumentierten Anomalien oder Verhaltensänderungen in der Körperpflege der Kinder. Regelmäßig kontrollierten sie,
ob Nägel, Hände und Haare sauber waren [Anm. d. Red].
41 AJ, 33 –17– 34; Izveštaj Dečijeg doma iz Kotora od 1. novembra 1948.
42 Janjetović, Deutsche Frauen in Lagern, S. 503.
43 Die Willkürlichkeit der angebotenen Klassifikation resultiert daraus, dass es nicht möglich war,
Einsicht in Quellen zu nehmen, die hilfreich gewesen wären bei der Aufdeckung der Umstände,
unter denen Kinder ihre Eltern verloren haben sowie der Umstände, unter denen Kinder, deren
Eltern noch am Leben waren, aus den Lagern geholt worden sind.
44 Zoran Janjetović, O državljanstvu jugoslovenskih Nemaca [Über die Staatsangehörigkeit der
jugoslawischen Deutschen], in: Tokovi istorije 2002, Nr. 1– 2, S. 25 – 35, hier S. 34.
45 Taufschein oder Auszug aus dem Geburtsregister.
46 Aus der Quelle wird nicht klar, an was man gedacht hat.
47 AJ, 33 –17– 34; Dopis Komiteta za socijalno staranje Vlade FNRJ upravama za starateljstvo svih
republičkih ministarstava socijalnog staranja od 06. maja 1949.
48 Janjetović, Über die Staatsangehörigkeit, S. 34.
49 AJ, 33–17– 34; Dopis Komiteta za socijalno staranje Vlade FNRJ svim republičkim ministarstvima socijalnog staranja od 05. maja 1950.
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GEORG WILDMANN
Georg Wildmann
Die Entstehung der Dokumentation
Leidensweg der Deutschen im
kommunistischen Jugoslawien
Mit Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien ist die mit zahlreichen
dokumentarischen Erlebnisberichten untermauerte Zeit der Verfolgung, der Entrechtung, des Mordgeschehens, der Vertreibung und Lagerinternierung der Deutschen
Jugoslawiens zwischen 1944 und 1948 gemeint. Die Dokumentationsreihe umfasste
ursprünglich vier Bände und entstand unter der Ägide der Donauschwäbischen Kulturstiftung – Stiftung des privaten Rechts –, München zwischen 1991 und 1995 aus der
Zusammenarbeit von rund fünfzehn aus dem ehemaligen Jugoslawien stammenden
Donauschwaben, die sich in einem Arbeitskreis Dokumentation zusammengeschlossen hatten. Das Buch Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien 1944 –1948. Die
Stationen eines Völkermords wurde 1998 nachgereicht und fasst die wesentlichsten
Aussagen der vier Bände zusammen. In gekürzter und überarbeiteter Form erschien es
2003 in englischer Sprache unter dem Titel Genocide of the ethnic Germans in Yugoslavia 1944 –1948 und wurde Universitätsinstituten zugeschickt. 2004 kam es in serbischer Sprache unter dem Titel Genocid nad nemačkom manjinom u Jugoslaviji
1944 –1948 heraus und wurde in Serbien im Buchhandel angeboten. 2005 folgte das
Buch Leitfaden zur Dokumentationsreihe Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien
1944 –1948, das als Register konzipiert war.
1. Entstehung und Wirken der Donauschwäbischen Kulturstiftung München
Um die Entstehung der Dokumentationsreihe Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien1 zu verstehen, muss man zunächst die Genese der Donauschwäbischen Kulturstiftung München näher beleuchten.
Eine Schlüsselfigur in der donauschwäbischen Selbstfindung und im weiteren Prozess war Josef Volkmar Senz (1912 – 2001), geboren in Apatin, Batschka. Senz absolvierte die serbische Lehrerbildungsanstalt in Sombor und war in den 1930er Jahren als
Volksschullehrer tätig. Von 1935 bis 1941 war er in Filipowa (heute Bački Gračac in der
Batschka) im Einsatz.2 Senz war schon als Jugendlicher durch politische Reden führender Repräsentanten des Schwäbisch-Deutschen Kulturbundes3 von den Devisen Heimat,
Muttersprache, Väterglaube derart stark inspiriert worden, dass er sein ganzes Leben
dem Dienst an den Donauschwaben widmete. Ideell stand er schon seit seiner Ausbildung zum Lehrer im Strahlenkreis der romantischen Volksidee Johann Gottfried Herders. Nach Herder ist es der Sinn der Geschichte, dass die Völker ihr eigenes Wesen
entdecken und ihre eigene Humanität entfalten, um so nicht nur zu nächsthöherer
Humanität zu schreiten, sondern auch die Fülle Gottes sichtbar und präsent zu machen.
Aus Abendvorträgen und schulischen Geschichtsstunden entstand das Buch Kurze
Geschichte der Donauschwaben für Jugend und Volk. Senz gab es 1940 heraus. Es stellte
zum ersten Male die historische Entwicklung der Donauschwaben von den Anfängen
bis zur Gegenwart zusammenfassend dar. Er war getragen von der Idee, dass die
Donauschwaben von ihrer Siedlungsgeschichte ausgehend zu einer deutschen Stammeseinheit zusammengewachsen waren und es, unbeschadet ihrer Dreiteilung nach
1918, geblieben sind, weshalb sie mit der 1922 von Robert Sieger (Geograf) und Hermann Rüdiger (Geologe, ab 1941 Leiter des Deutschen Ausland-Instituts) geschaffenen
Bezeichnung „Donauschwaben“ geschichtlich markiert werden dürfen. Der Terminus
„Donauschwaben“ wurde als stammeskundliche, siedlungsgeographische, historische
DIE ENTSTEHUNG DER DOKUMENTATION LEIDENSWEG DER DEUTSCHEN IM KOMMUNISTISCHEN JUGOSLAWIEN
und volkskundliche Gruppenbezeichnung eingeführt, um die im mittleren Donauraum lebende Volksgruppe deutscher Muttersprache wissenschaftlich festhalten und
sie von den Schwaben am Oberlauf der Donau sprachlich abgrenzen zu können.
Nach der Flucht mit seiner Familie bekam Senz einen Lehrerposten in Straubing,
Bayern. Ende der 1970er Jahre war es unübersehbar, dass viele der donauschwäbischen Ortsgemeinschaften ihre Geschichte und Kultur, wie sie sich seit der Ansiedlung
im 18. Jahrhundert darstellte, ihren Mitgliedern in Heimatbüchern angeboten hatten.
Angesichts dieser Sachlage fragte sich Senz, wer sich wohl um die Gesamtdarstellung
der donauschwäbischen Geschichte kümmern würde. Sie sollte vom durchschnittlich
gebildeten Volk und von der heranwachsenden Kindergeneration gelesen werden
können, aber auch wissenschaftlichen Ansprüchen genügen. Fanden sich unter den
Donauschwaben des deutschsprachigen Raumes Mitarbeiter mit einiger Fachkompetenz und wie ließ sich ein solches Unternehmen finanziell am Leben erhalten?
Obwohl Senz noch nicht über finanzielle Ressourcen und einigermaßen wissenschaftskundige Mitarbeiter verfügte, gründete er am 17. Juni 1978 die Donauschwäbische Kulturstiftung, eine Stiftung des privaten Rechts, mit Sitz in München.4 Als private
Kulturstiftung erhielt sie laut Gesetz keine Subventionen von der öffentlichen Hand.
Senz wandte sich an seine Landsleute, hauptsächlich an die Donauschwaben in der
Bundesrepublik Deutschland, und suchte nach Mitgründern, Stiftern, Förderern und
Helfern. Nach gut drei Jahren des Sammelns von finanziellen Beiträgen für einen Stiftungsfonds, mit dem man auch an die Finanzierung von Publikationen denken konnte,
kam es am 13. November 1981 zur Gründungsversammlung in München. Von 1982
bis 2009 war Hans Sonnleitner5 Geschäftsführer der Kulturstiftung und Vorsitzender
des Vorstandes. Als solcher trug er die Hauptlast des administrativen und juristischen
Ausbaus. Von 1988 bis Jahresende 2009 fungierte er als Vorstandsvorsitzender.6
Zu finden war nach der Gründung ein Mitarbeiterkreis, der sich bereit erklärte, an
der Abfassung der „großen“ donauschwäbischen Geschichte zu arbeiten und sich für
ihre Herausgabe verantwortlich zu fühlen. Es kamen zu Beginn der 1980er Jahre etwa
zehn Personen aus den Reihen der Donauschwaben in Frage, die mitarbeiten konnten
und dies auch wollten. Sie teilten sich in eine „Vätergeneration“, also in solche, die
schon in der alten Heimat eine landsmannschaftliche Funktion ausgeübt hatten bzw.
Soldaten gewesen waren, und eine „jüngere Generation“, also solche, die sowohl für
den Militärdienst wie für die Ausübung einer landsmannschaftlichen Funktion zu
jung gewesen waren, von denen aber die meisten „Lagererfahrung“ besaßen.7
2. Die maßgebende Option für die Mitarbeiter in der Kulturstiftung
Die aus dem ehemaligen Jugoslawien stammenden historisch arbeitenden Mitglieder
des Mitarbeiterkreises, die als jüngere Generation ihren Standort suchten, sahen sich in
den 1980er und 1990er Jahren, der Zeit ihres vorrangigen Engagements im Bereich der
Sammel- und Forschungsbemühungen der Kulturstiftung, mit bereits bestehenden und
markant ausgeprägten Positionen in der Beurteilung der donauschwäbischen Geschichte
der Zwischenkriegs- und Kriegszeit konfrontiert und gezwungen, Stellung zu beziehen.
Im Jahre 1961 war nämlich der fünfte Band der Schieder-Dokumentation Das Schicksal
der Deutschen in Jugoslawien8 erschienen, und namhafte Vertreter der älteren Generation sahen sich zu kontroverser Reaktion aus jugoslawiendeutscher Sicht gezwungen.
Der Band fußte, wie das Vorwort sagt, auf dem Dokumentationsmaterial, das die
Sammlergruppen unter der Leitung von Fritz Valjavec, Adalbert Karl Gauß und Johann
Wüscht für das Bundesarchiv in Koblenz gesammelt hatten. Die im Band enthaltene
einleitende Darstellung der Geschichte der Deutschen Jugoslawiens in der Zwischenkriegszeit, Kriegszeit und der Zeit nach Wiedererrichtung Jugoslawiens leistete Theodor
Schieders damals dreißigjähriger Assistent Hans-Ulrich Wehler.9 Die kritische Reaktion
auf Wehlers Darstellung erfolgte von Johann Wüscht (1907–1976), einem prominenten
Donauschwaben aus dem Kreis der Kulturbundmitarbeiter der 1930er Jahre. Wüscht
war ein erfolgreicher Sozialpolitiker gewesen. Er kümmerte sich um die soziale Wohlfahrt der Donauschwaben und war Gründer und Leiter der „Wohlfahrtsgenossenschaft“.
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GEORG WILDMANN
Seit 1957 war er im Bundesarchiv in Koblenz tätig, wo er ab dieser Zeit die „SüdostDokumentation“ aufbaute. Er wurde – so kann man mit einigem Recht annehmen – der
beste Kenner der zahlreichen Erlebnisberichte über die Leiden der Flucht, Lagerinternierung und Vertreibung der betroffenen Wissensträger aus Jugoslawien.10
Die Einleitende Darstellung von Hans-Ulrich Wehler im Jugoslawienband der
Schieder-Dokumentation11 1961 und die kritische Antwort Wüschts in seinem Buch
Beitrag zur Geschichte der Deutschen in Jugoslawien für den Zeitraum 1934 bis 1944,
veröffentlicht im Jahre 1966, bedeuteten für die donauschwäbische Zeitgeschichte
einen qualitativen Sprung, was die Herausarbeitung der kritischen Punkte betrifft.
Wüscht wurde Träger der protestierenden Antworten der Donauschwaben auf belastende Aussagen Wehlers. Er schreibt: „Die Aufgabe einer Kritik des Bonner Werkes
darf sich, angesichts dieser schweren Mängel und Fehler, sowohl methodischer als
auch inhaltlicher Art, nicht allein in einer sachlichen Richtigstellung erschöpfen, sondern es ist eine ganz neue Interpretation des gesamten (Hervorhebung von Wüscht)
volksdeutschen Geschehens notwendig“.12 Bei Durchsicht der Schriften Wüschts
gewinnt man den Eindruck, dass er selbst die „ganz neue Interpretation“ des „volksdeutschen“ Geschehens wohl nur ansatzweise leistete. Sehr hilfreich war indes seine
vielfach auf eigenem Erleben basierende Beschreibung der zeitgeschichtlichen Fakten,
die ein verlässliches Korrektiv gegenüber manchen Behauptungen Wehlers und der
titoistisch manipulierten Historiografie darstellten. Die wichtigsten lauteten:
1. Eine bewaffnete halbmilitärische „Deutsche Mannschaft“ als Gliederung des
Schwäbisch Deutschen Kulturbundes gab es nicht.
2. Es gab im Aprilkrieg 1941 spontan aufgestellte Bürgerwehren in den donauschwäbischen Dörfern, aber keine „Fünfte Kolonne“.
3. Das Verhalten der Volksgruppenführung während der Kriegsgeschehnisse 1941 in
Neusatz hatte keinen staatsverräterischen Charakter.
4. An der Großrazzia der ungarischen Behörden im Winter 1942 in der Batschka
waren die Donauschwaben nicht beteiligt.
5. Die Viktor-Tomić-Aktion der Ustascha in Syrmien fand keine Unterstützung der
deutschen Bürgermeister.
6. Die Zugehörigkeit zu den neuen Heimatstaaten nach Aufteilung Jugoslawiens
1941 erweckte bei allen betroffenen Volksgruppen den Anschein, sie besäßen nunmehr eine rechtsgültige neue Staatsbürgerschaft und die Loyalitätspflicht dem
Königreich Jugoslawien gegenüber sei erloschen. Es sei demnach nicht gerechtfertigt, gerade den Donauschwaben Illoyalität und Landesverrat vorzuwerfen und sie
mit Sanktionen zu belegen.
Wüschts Bemühungen um Objektivierung der Faktenlage bestärkte die Vertreter der
jüngeren Generation, die zum Teil als Quereinsteiger zur Arbeit an der Geschichte
gekommen waren, in der Überzeugung, die Schuld an der Vertreibung liege in der
Hauptsache nicht auf Seiten der Donauschwaben, sondern auf Seiten der Politik der
staatstragenden Völker Jugoslawiens und der in sie eingebetteten Partisanenbewegung.
Seine detaillierten Darlegungen machten ihn zum primären Gewährsmann für die jüngeren Einsteiger in die donauschwäbische Geschichte. Die Mitarbeiter der jungen
Generation optierten in ihrer Anfangsphase begreiflicherweise für die Position
Wüschts. Sie wirkte dann freilich auch als ihr erkenntnisleitendes Interesse.
Die Ansichten Wüschts über die weltanschauliche Entwicklung der Führungseliten
der Donauschwaben in Jugoslawien konnten seine Schüler aus der jungen Generation
in ihren fortschreitenden Studien allerdings nicht ungeprüft übernehmen. Ihre Kritik
betraf die These Wüschts, das Wesen der Auseinandersetzungen zwischen der „alten“
Führungsgruppe des Schwäbisch-Deutschen Kulturbundes und den „Erneuerern“ zwischen 1932 und 1938 sei nicht auf ideologische Gegensätze zurückzuführen. Vielmehr
sei die Erneuerungsbewegung gegenüber dem reichsdeutschen Nationalsozialismus
eine eigenständige Bewegung und stehe in einem genetischen Zusammenhang mit dem
völkischen Charakter ihres Vorgängers, des Kulturbundes. Sie habe den nationalliberal
und nationalkonservativ orientierten Kulturbund nur weiterentwickelt.
DIE ENTSTEHUNG DER DOKUMENTATION LEIDENSWEG DER DEUTSCHEN IM KOMMUNISTISCHEN JUGOSLAWIEN
Josef Beer (1912–2000)
Josef Volkmar Senz (1912–2001)
Georg Wildmann (*1929)
Herbert Prokle (*1933)
Karl Weber (*1933)
Hans Sonnleitner (*1931)
Richtig daran ist – so die jüngeren Mitarbeiter – die Tatsache, dass alle Bewegungen
der Donauschwaben in den Nachfolgestaaten im Grunde genommen „völkisch“ orientiert waren und den gleichen im Herderschen Sinne geprägten Volkstumsgedanken
besaßen.13 Der genetische Zusammenhang zeigt aber eine deutliche Zäsur, wenn man
die Weltanschauung der Führungsgruppe der „Erneuerer“ ins Visier nimmt. Dieses schmale Führungssegment begann de facto das „Völkische“ mit Elementen der NS-Weltanschauung aufzuladen und auch umzudeuten und lehnte die positive Positionierung des
Religiösen, die bei den nationalkonservativen Völkischen eine große Rolle spielte, deutlich ab. Sie verwarf die Demokratie als Staatsform, vertrat vehement das „Führerprinzip“, empfand die „blutsmäßige Bindung“ an das deutsche Volk als eine Loyalitätsverpflichtung neuer Art und öffnete sich tendenziell dem Antisemitismus. Daraus lässt sich
allerdings noch nicht schlüssig ableiten, dass diese Führungsgruppe die Absicht hatte,
aus der Volksgruppe einen Vorposten des nationalsozialistischen Reiches zu machen.14
Im Raum Stuttgart und Sindelfingen hatten sich eine Reihe ehemaliger Volks- bzw.
Kulturbundfunktionäre niedergelassen, die der Vätergeneration und, was die Entstehung der Landsmannschaft in Baden-Württemberg nach dem Kriegsende betrifft, der
Gründergeneration angehörten.15 Die Akteure des Sindelfinger Führungskreises
bejahten die Thesen Wüschts und stellten sie auch im Einzelnen nicht in Frage, boten
diese doch eine entlastende Sicht auf ihr Verhalten und ihre weltanschauliche Einstellung in der Vergangenheit, soweit sie das letzte Jahrzehnt vor der Vertreibung betraf.
Die damalige Haltung der bundesdeutschen Öffentlichkeit kam ihnen zugute. Diese
erteilte „ehemaligen Mitgliedern der NSDAP und ihrer Gliederungen Absolution“,
sofern sich diese nunmehr zum demokratischen Rechtsstaat bekannten.16 Dementsprechend verhielt sich die damalige deutsche Öffentlichkeit den ehemaligen Amtswaltern des Schwäbisch-Deutschen Kulturbundes17 gegenüber.
Die Einsteiger in die Geschichte der Donauschwaben, die aus der jungen Generation kamen, konnten sich in ihrer Zusammenarbeit mit den maßgebenden Vertretern
der Vätergeneration darauf verlassen, es mit echten und nicht bloß verbalen Befürwortern des demokratischen und freiheitlichen Rechtsstaates zu tun zu haben. Viel
Voreingenommenheit und Widerstand musste man als Einsteiger bei der Behandlung
der kritischen Zeit der donauschwäbischen Geschichte nicht gewärtigen.
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GEORG WILDMANN
DIE ENTSTEHUNG DER DOKUMENTATION LEIDENSWEG DER DEUTSCHEN IM KOMMUNISTISCHEN JUGOSLAWIEN
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Der Kreis um Stuttgart-Sindelfingen mit dem „Einzelkämpfer“ Wüscht, die Redaktion der Zeitung Der Donauschwabe18 und auch Josef V. Senz vertraten – grob gesprochen – die These, die Schuld an der Vertreibung/Vernichtung der Deutschen Jugoslawiens liege überwiegend auf der Seite der südslavischen Staatsvölker und der
kommunistischen Partisanenbewegung.
Die engagierten Vertreter der jüngeren Generation, die in den 1990er Jahren die
Hauptträger der Bearbeitung des Leidens- und Völkermordgeschehens im kommunistischen Jugoslawien waren, sahen sich in ihrer von Wüscht und Senz übernommenen
Option bezüglich der Schuldfrage bestätigt. Ihrer Arbeit bot sich die Kulturstiftung als
organisatorische Plattform und geistige Heimat an. Josef V. Senz war nicht dogmatisch
festgelegt und akzeptierte eine unvoreingenommene Forschungsinitiative.
3. Die Entstehung der Buchreihe Leidensweg der Deutschen im
kommunistischen Jugoslawien
Mitte der 1980er Jahre richtete Hans Sonnleitner19 an die Sindelfinger Führungsgruppe
aus der Vätergeneration brieflich die Anregung, sie solle sich bei der Abfassung der
Geschichte der Donauschwaben engagieren und dabei auch die genauere Beschreibung der donauschwäbischen Passion ins Auge fassen. Josef Beer,20 vormals Stabsleiter
des Volksgruppenführers Sepp Janko, griff die Idee, eine Darstellung der donauschwäbischen Passion zu versuchen, mit großem Interesse auf. Das schon 1974 erschienene
Buch des Kroaten Josip Mirnić,21 das die Tendenz hatte, gerade die Batschkadeutschen
für die Zeit der ungarischen Okkupation 1941–1944 als „kriminelle Minderheit“ zu
diffamieren, heizte unter den führenden Donauschwaben aus Jugoslawien den Willen
zur Rechtfertigung des eigenen Verhaltens kräftig an.
In dieser Stimmungslage schrieb Beer sein Buch Donauschwäbische Zeitgeschichte
aus erster Hand. Beer griff darin anhand seines eigenen Erlebens und Mitwirkens die
von Johann Wüscht aufgeworfenen zentralen Fragen bewusst auf. Die Hintergründe
der Vernichtung der Donauschwaben verortete er im Panslawismus und in den vor
allem serbischen Bestrebungen zur Nationalisierung des als slawisch verstandenen
Volksbodens in der Vojvodina. Die Hauptursache sah er in der wirtschaftlichen
Expansion der Donauschwaben, deren auf Privateigentum aufgebaute Wirtschaftsordnung der kommunistischen Ideologie der Partisanenbewegung im Wege stand. Das
Buch erschien 1987 im Verlag der Kulturstiftung.22 Zusammen mit der neu aufgelegten
Geschichte der Donauschwaben von Josef V. Senz sorgte Beer für eine weite Verbreitung beider Bücher, indem er sie an Schulen und Universitäten des süddeutschen Raumes gratis verschickte. Angesichts einer solch expansiven Lebensäußerung der Kulturstiftung dürfte auch ihr Gründer Josef V. Senz mehr als nur entzückt gewesen sein.
Die Sorge um eine Gesamtdarstellung der donauschwäbischen Geschichte, die
akademisch-wissenschaftlichen Ansprüchen genügen würde, vertraute Senz seinem
ehemaligen Schüler Georg Wildmann an.23 Unter den Donauschwaben selbst und
unter denjenigen, die ihnen zugetan waren und sind, Mitarbeiter mit einiger Fachkompetenz zu finden, die bereit waren, ohne oder gegen nur geringes Honorar ihren
wissenschaftlichen Beitrag zu leisten, erwies sich als sehr schwierig und zeitigte ein
mehrjähriges Karussell an Zu- und Absagen. Der erste Band, der das Jahrhundert der
Ansiedlung betraf, konnte erst 2006 im Verlag der Kulturstiftung erscheinen. Der
zweite Band wurde 1996 vom Universitas Verlag herausgebracht. Band drei gab 2010
wieder die Kulturstiftung heraus, Band vier erscheint 2014, Band fünf befindet sich in
Arbeit und wird voraussichtlich 2015 erscheinen.24
Hans Sonnleitner, Geschäftsführer der Stiftung, der selbst die Zeit der Morde und
der Todeslager fast drei Jahre durchlebte, verfolgte seit Anfang der 1980er Jahre das
Ziel, eine umfassende Dokumentation über den Völkermord an den Donauschwaben,
den Untersteirern und Gottscheern in Tito-Jugoslawien 1944 –1948 zu erstellen. Angeregt durch die euphorische Stimmung, die das „annus mirabilis 1989“ und die darauffolgende Auflösung Tito-Jugoslawiens hervorrief, nahmen Beer und Sonnleitner die
thematische Führerschaft in der Kulturstiftung in den 1990er Jahren ihrem Gründer
Hinter Stacheldraht,
Zeichnung von
Sebastian Leicht,
1945 (vermutlich
vom Künstler nachdatiert).
Josef V. Senz aus der Hand. Der Schwerpunkt verlagerte sich von der Arbeit an der
Geschichte der Donauschwaben auf die Arbeit an der donauschwäbischen Passion in
Jugoslawien. Beer fühlte sich um 1990 mit seinen 78 Jahren den Landsleuten verpflichtet. „Was können wir noch für unser Völkchen tun?“ Und: „Was können wir für die
Ortsgemeinschaften tun, die keine Heimatbücher haben?“, äußerte er dem Verfasser
dieser Zeilen gegenüber.
In Beer fand Sonnleitner einen vom selben Anliegen umgetriebenen Partner, so
dass beide 1990 einen Arbeitskreis Dokumentation gründeten, bestehend aus „verantwortungsbewussten Männern“,25 und zwar: Josef Beer, Friedrich Binder, Ernst Lung,
Georg Tscherny, Ernst Barwich und Valentin Oberkersch, die man der Vätergeneration zurechnen muss, sowie Hans Sonnleitner, Georg Wildmann, Karl Weber, Josef
Pertschi, Michael Eisele, Ingomar Senz, Roland Vetter und dem später dazugestoßenen Herbert Prokle, die man zur jungen Generation zählen sollte. Mit finanzieller
Hilfe der Felix-Milleker-Stiftung26 ließ Beer im Bundesarchiv in Koblenz rund 10.000
Erlebnisberichte fotokopieren. Außerdem besaß er den Nachlass von Johann Wüscht,
in dem sich thematische Vorarbeiten vorfanden.
Die Fotokopien, die aus Koblenz bezogen wurden, waren zum überwiegenden Teil
für die Schieder-Dokumentation bestimmt gewesen. Ein guter Teil davon war bereits
im Band fünf Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien 1961 als Dokumentation
verwendet worden.27 Sie handelten in erster Linie von den Leiden der Flucht, Vertreibung und Lagerinternierung. So entstand die Idee, die Leiter der Ortsgemeinschaften
oder Vertreter der Orte in Sindelfingen zu versammeln, ihnen die Erlebnisberichte
auszuhändigen und sie anzuhalten, möglichst rasch einen Ortsbericht zu liefern, der
Flucht, Vertreibung, Erschießungsaktionen der Partisanen und die Lagerinternierung
sowie die Verlustzahlen umfassen sollte.
Es zeigte sich, dass die in Sindelfingen versammelten Landsleute meist zwischen 60
und 80 Jahre alt waren. Es war oft schwer, einen Ortsfachmann zu finden und anzusprechen. Es mussten Mitwirkende gefunden werden, die die Berichte der Orte der
altheimatlichen Bezirke sammelten. In der Folge brauchte es auch Mitarbeiter, die
diese Berichte nach den altheimatlichen Landschaften zusammenfassten und dazu
eine Einleitung schrieben. Josef Beer bekam das Banat, Valentin Oberkersch Syrmien,
Slawonien und Kroatien, Georg Wildmann die Batschka und die Baranja zugeteilt.
Aus Erlebnisberichten mussten Ortsberichte gemacht werden. Die Daten der jugoslawischen Volkszählung von 1931 hatte man glücklicherweise zur Hand. Damit konnte
man, ausgehend von der Zahl der deutschen Bewohner, die Zahl der eingerückten
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GEORG WILDMANN
DIE ENTSTEHUNG DER DOKUMENTATION LEIDENSWEG DER DEUTSCHEN IM KOMMUNISTISCHEN JUGOSLAWIEN
Soldaten schätzen und in etwa die Zahl der im Felde gebliebenen Soldaten angeben.
Die Überprüfung der Verlustzahlen ergab die grobe Schätzregel, nach der etwa jeder
vierte Soldat aus dem Krieg nicht zurückkehrte.28
Es kam – wie geplant – zur Zusammenfassung der Ortsberichte zu einem Buch.
Ingomar Senz beschrieb in einem ersten Einleitungsteil, wie aus den Kolonisten ein
Neustamm wurde. In einem zweiten Einleitungsteil griff Josef Beer die sensiblen Themen der Zwischenkriegs- und Kriegszeit auf, die die Jugoslawiendeutschen bis heute
beschäftigen, dazu eine Einleitung für das Banat. Dasselbe leisteten Oberkersch für
Syrmien und Slawonien und Wildmann für die Batschka. Als es um die Endredaktion
ging, zeigte es sich, dass die Ortsberichte einen dicken Band ergeben würden und dass
sie in der Regel die Passion der einzelnen Gemeinden hervorhoben. So kam es zum
Titel Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien. Ortsberichte über die
Verbrechen an den Deutschen durch das Tito-Regime in der Zeit von 1944 –1948. Anfang
der 1990er Jahre lag also für einen Großteil der donauschwäbischen Ortsgemeinschaften eine Kurzdarstellung der Endphase ihrer pannonischen Existenz vor.
Hans Sonnleitner erstellte mit der Grafikerin Magdalena Kopp-Krumes sehr gute
Karten über die einzelnen Siedlungslandschaften.29 Der Band erschien 1991 und in
zweiter Auflage 1992 in insgesamt 8.000 Exemplaren. Der Universitas Verlag München übernahm den textidentischen Nachdruck unter dem Titel Weißbuch der Deutschen in Jugoslawien.
Das Unternehmen entwickelte nunmehr eine Eigendynamik. Es lagen noch viele
Erlebnisberichte vor. Also wurde beschlossen, einen zweiten Leidensweg-Band unter
dem Titel Erlebnisberichte über die Verbrechen an den Deutschen durch das Tito-Regime
in der Zeit von 1944 –1948 herauszugeben. Auch dieser gliederte die Berichte nach den
Herkunftsorten der Erzähler und sollte möglichst alle Orte erfassen. Schließlich zählte
auch er 1.000 Druckseiten. Er erschien 1993 in einer Auflage von 5.000 Exemplaren im
Verlag der Kulturstiftung und wurde ebenfalls vom Universitas Verlag übernommen.
In diesem Band zeichneten 16 Personen als Mitautoren. Sie hatten die Aufgabe, die
Texte in die deutsche Schriftsprache zu transkribieren, da viele Berichte infolge der
grammatikalischen Fehler schwer verständlich geblieben wären.
Im Jahre 1994 legte Karl Weber30 den ebenfalls 1.000 Seiten starken Band IV des
Leidenswegs vor: Menschenverluste – Namen und Zahlen zu Verbrechen an den Deutschen durch das Tito-Regime in der Zeit von 1944 –1948.31 Nach Aufrufen von Ludwig
Schumacher und Karl Weber sandten 333 Heimatortsgemeinschaften ihre Verlustlisten ein, insgesamt mehr als 60.255 Namen, wodurch es gelang, 70 Prozent der damaligen Menschenverluste namentlich zu erfassen.32 Das Buch geht wieder nach Landschaften vor und bringt dann in alphabetischer Folge die Orte mit ihren Verlusten, wo
möglich gegliedert nach Soldatenverlusten und Zivilopfern; die Zivilopfer mit Angabe,
in welchem Lager sie umgekommen sind. Die Totenlisten des Buches stehen schon seit
einigen Jahren im Internet und sind häufig besucht.33 Gemäß dieser Unterlagen und
vorsichtiger Hochrechnungen belaufen sich die Menschenverluste der Donauschwaben aus dem ehemaligen Jugoslawien auf 86.000 tote Zivilpersonen und Soldaten.
Der dritte Band Erschießungen – Vernichtungslager – Kinderschicksale in der Zeit von
1944 –1948, den Georg Wildmann zu bearbeiten hatte, erschien 1995. Er setzte sich in
einem ersten, 130 Seiten starken Teil mit der Thematik auseinander, die schon Wüscht
und die Schieder-Dokumentation angeschnitten hatten. Es ging in der Hauptsache um
den Einfluss des Nationalsozialismus auf die Donauschwaben Jugoslawiens, um ihr
Verhalten während des Aprilkriegs 1941, um die rechtliche Lage der nochmals dreigeteilten Volksgruppe, um die Motive der Eliminierung der Deutschen, um die prinzipiellen Einwendungen gegen die Vorgehensweise der Partisanenbewegung und eine
Übersicht über die Genozidmaßnahmen gegen die Deutschen Jugoslawiens. In einem
zweiten Teil waren nochmals 336 Seiten Erlebnisberichte unterzubringen. Weitere 192
Seiten betreffen die Kinderschicksale, die Käthe und Georg Tscherny sammelten.
Im dritten Teil des Buches hat Wildmann zwei Eliminierungsvorgänge abgehandelt. Der erste betrifft die Erschießungsaktionen des „blutigen Herbstes“ 1944, die
8.000 Opfer forderten.34 Im Banat und in Syrmien folgten die Pogrome, soweit man
dies aus den Berichten ermessen kann, mehr dem Rachetrieb, in der Batschka zielten
sie mehr auf eine terroristische Wirkung unter der Bevölkerung und auf eine Dezimierung der Deutschen sowie serbischer und magyarischer „Volksfeinde“ ab. Der zweite
Vorgang betrifft die Lagerinternierung. Hier hat Wildmann, soweit ersichtlich, erstmals den unterschiedlichen Charakter der Lager gezielt aufgezeigt und sie in Arbeitslager, zentrale Zivillager und Vernichtungslager unterschieden. Dies geschah ausschließlich anhand der ihm zugänglichen Erlebnisberichte, anderes Aktenmaterial lag
ihm nicht vor. Es gelang ihm wohl erstmalig, aus den gleichsam mosaikartig zusammengefügten Erlebnisberichten ein anschauliches Bild über die acht Konzentrationslager zu erstellen, die man als Vernichtungslager kennzeichnen muss. Karl Weber lieferte für diesen Band einen vierten Teil, der eine gründliche Erfassung der deutschen
Bevölkerung Jugoslawiens und eine gründliche Aufstellung der Verlustzahlen enthielt.
Das Gesamtbild über das Leidensschicksal der Deutschen Jugoslawiens, das sich so
ergab, hatte bislang gefehlt. Man sollte nicht vergessen, dass der Leidensweg der Erlebnisgeneration diese mit ähnlicher Macht traumatisierte und prägte wie die Erfahrung
der Shoa die Juden. Das ganze Projekt wurde 1995 von den restlichen Beteiligten des
Arbeitskreises Dokumentation – es waren dies die Akteure aus der jüngeren Generation: Hans Sonnleitner, Herbert Prokle, Karl Weber und Georg Wildmann – als abgeschlossen betrachtet.
Schon bald nach der durchaus gut laufenden Verbreitung der Dokumentation Leidensweg bildete sich im Arbeitskreis die Meinung, die vier Bände seien infolge ihres
rund 4.000 Seiten starken Umfangs eher eine Art Nachschlagewerk und würden –
jedenfalls von der Masse der Landsleute – wenig gelesen werden. Man müsse eine Art
Taschenbuch herausgeben, das von den Landsleuten und der interessierten Öffentlichkeit eher gelesen würde. Die Ausarbeitung dieses Buches fiel in der Hauptsache Wildmann zu und konnte im Mai 1998 in erster Auflage erscheinen. Es bildet mit seinen
374 Seiten eine Art Zusammenfassung des Leidenswegs und nennt sich Verbrechen an
den Deutschen in Jugoslawien 1944 –1948. Die Stationen eines Völkermords. Es erreichte
bislang in fünf Auflagen die Ausgabe von 27.000 Exemplaren. In gekürzter, überarbeiteter
und von Herbert Prokle redigierter Form erschien es 2003 in englischer Sprache unter
dem Titel Genocide of the ethnic Germans in Yugoslavia 1944 –1948 in 4.000 Exemplaren
und wurde Universitätsinstituten zugeschickt. 2004 erschien es in serbischer Sprache
und kyrillischer Schrift unter dem Titel Genocid nad nemačkom manjinom u Jugoslaviji
1944 –1948 in 3.000 Exemplaren und wurde im serbischen Buchhandel angeboten.
Herbert Prokle reichte 2008 das Buch Der Weg der deutschen Minderheit Jugoslawiens nach Auflösung der Lager 1948 nach, das eine Vielzahl von Dokumenten über Einweisungen in vertragliche Arbeitsverhältnisse, Entlassungsscheine, Zuzugsgenehmigungen nach Deutschland und andere Quellen in Faksimile-Wiedergabe enthält.
Um das Jahr 2000 – zu der Zeit, als das Donauschwäbische Zentralmuseum in Ulm
errichtet wurde35 – war vom größeren Arbeitskreis Dokumentation nur ein fünf Mann
starker Beirat der Kulturstiftung übriggeblieben, dem aber infolge seiner Arbeit am
Leidensweg das grausame Schicksal der Deutschen Jugoslawiens umso deutlicher vor
Augen stand. Es war nur logisch, dass man nunmehr von der Frage umgetrieben war,
ob man die Eliminierung der Deutschen Jugoslawiens als Völkermord bezeichnen
könne, wenn man ihr Schicksal anhand der Konvention der Vereinten Nationen über
die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes überprüfte.36
Es konnte Dieter Blumenwitz, Inhaber des Lehrstuhls für Völkerrecht und Staatslehre an der Universität Würzburg, gewonnen werden, ein Rechtsgutachten über die
Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien 1944 –1948 zu erstellen, das 2002 im Verlag der Kulturstiftung erschien. Blumenwitz kam in seinem Gutachten zum Ergebnis,
dass die Massentötungen, die kollektive Enteignung und Entrechtung, die Internierung und Vertreibung sowie die zwangsweise ethnische Umerziehung von Kindern
den objektiven und subjektiven Tatbestand des Völkermordes ergeben. An diesem
Gutachten hat sich der Beirat der Kulturstiftung bislang orientiert.
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GEORG WILDMANN
DIE ENTSTEHUNG DER DOKUMENTATION LEIDENSWEG DER DEUTSCHEN IM KOMMUNISTISCHEN JUGOSLAWIEN
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Massengrab Deutscher
in Jugoslawien 1946,
Zeichnung von
Sebastian Leicht,
1946 (vermutlich
vom Künstler nachdatiert).
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Die Dokumentation Leidensweg im engeren Sinn erweiterte sich thematisch
betrachtet bis 2008 auf elf Bücher, die in rund 80.000 Exemplaren ihre Verbreitung
fanden.37 Sie basierte auf dem Zusammenwirken der gesamten Landsmannschaft was
das Zahlenmaterial, die Totenlisten und die Erlebnisdetails betraf, die von den Ortsgemeinschaften geliefert wurden. In diesem Sinne bildet sie den kollektiven Versuch
einer Absicherung und Selbstausformung der Identität als Donauschwaben Jugoslawiens und einen notwendigen Baustein in ihrem Bestreben nach geschichtlicher Selbstbewahrung. Das Unternehmen war auch ein Akt der Selbsthilfe, denn die öffentliche
Hand gewährte der privaten Stiftung keine finanzielle Unterstützung. Es bildete von
seinen Anfängen her keine akademische Arbeit, wie sie sich sozusagen im schwerelosen universitären Denkraum vollzieht. Erst im Nachhinein traten den Aktiven des
Arbeitskreises der Charakter und die bestimmenden Motive ihrer an die zwanzig Jahre
währenden Arbeit stärker ins Bewusstsein. Es galt, den genozidalen Vorgang in den
Blick der Weltöffentlichkeit und der Zeithistorik zu rücken; der Erlebnisgeneration
eine umfassende und weit in die Details reichende Darstellung ihrer Katastrophe darzubieten; den Nachkommen der Erlebnisgeneration Dokumente in die Hand zu geben,
die eine wesentliche Quelle für die Erarbeitung einer unverfälschten Geschichtsdarstellung bilden können; die Tragödie katastrophalen Ausmaßes, die eine halbe Million
Menschen betraf, im kollektiven Gedächtnis zu verankern; die völker- und menschenrechtliche, ethische, religiöse und historische Dimension der Vertreibung/Vernichtung
im Auge zu behalten und die unschuldigen Toten in ihrer Ehre und Menschenwürde zu
rehabilitieren, zumal die an ihnen verübten Verbrechen keine Sühne erfuhren.
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Fortab im Text der Kürze halber mit Leidensweg angeführt.
Vgl. Georg Wildmann, Ein Leben für die Donauschwaben. Zur Geistigkeit und zum Werk von
Josef Volkmar Senz, in: Georg Wildmann (Hg.), Entwicklung und Erbe des donauschwäbischen
Volksstammes. Festschrift für Josef Volkmar Senz zum 70. Geburtstag (Donauschwäbisches
Archiv, Reihe 1: Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft Donauschwäbischer Lehrer, Bd. 10),
München 1982, S. 13 – 33; Rotraud und Ingomar Senz, Ein Leben für die Donauschwaben. Ein
Porträt von Josef Volkmar Senz und seinem Werk (Donauschwäbisches Archiv, Reihe 3: Beiträge
zur donauschwäbischen Volks- und Heimatforschung, Bd. 70), München 1999.
Der 1920 gegründete Großverein der Deutschen des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen (SHS, ab 1929 Königreich Jugoslawien) zur Bewahrung der ethnischen Wesensart in einem
neuentstandenen Vielvölkerstaat.
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Laut Statuten soll sie der Förderung donauschwäbischer Forschungs-, Dokumentations- und Publikationsarbeit dienen. Am 13.11.1981 kam es zur Gründungsversammlung in München. Die Satzung
wurde am 15.01.1982 unter St.Nr.842/5534 seitens des Amtsgerichtes München bestätigt und offiziell unter Donauschwäbische Kulturstiftung – Stiftung des privaten Rechts –, München eingetragen.
Hans Sonnleitner wurde am 6.6.1931 in Karlsdorf, Banat, geboren. Beim Einzug der Partisanen
1944 Erschießung seines Vaters, Lagerinternierung, Flucht mit der Mutter 1947, sesshaft in München, kaufmännische Lehre, 1958 –1962 wirtschaftswissenschaftliches Studium an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie München mit Abschluss zum Betriebswirt, Abteilungsleiter bei
Siemens, seit 1975 Prokurist, ab 1984 Abteilungsdirektor. Veröffentlichungen: Aktion Intelligenzija in Karlsdorf, München 1987; Donauschwäbische Todesnot unter dem Tito-Stern, München
1990 und eine Reihe weiterer Schriften, insgesamt sieben Bücher.
In den Vorstand wurden Dr. Georg Wildmann und Dr. Ingomar Senz gewählt. Ernst Jäger trat
zum 13.10.2003 anstelle von Ingomar Senz in den Vorstand ein. Aus Altersgründen wurde der
bisherige Vorstand am 1.1.2010 abgelöst. Vorstandsvorsitzender wurde Werner Harasym, ab
1.1.2012 Übergabe des Vorsitzes an Wilhelmine Schnichels, Michael Heimann und Martin
Schmidt. Siehe unter http://kulturstiftung.donauschwaben.net.
Der Autor dieses Artikels stieß im Jahre 1980 in diesen Kreis, nachdem er von Josef V. Senz, seinem Volksschullehrer, bei der 50-Jahr-Feier seines Volksschuljahrganges im Jahre 1979 angeworben worden war. Die Mitarbeiter aus der jungen Generation besaßen keine oder nur geringe
Kenntnisse des Serbischen bzw. Kroatischen und waren daher auf die Übersetzer aus der Vätergeneration angewiesen, wie etwa auf Oskar Feldtänzer (1922 – 2009).
Aus der Reihe Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, die das damalige Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte herausgab.
1931– 2014, als Universitätsprofessor in Bielefeld 1996 emeritiert.
Wüscht verfasste zwei Bücher und einige wichtige kleinere Schriften. Nur sein Buch Jugoslawien
und das Dritte Reich. Eine dokumentierte Geschichte der deutsch-jugoslawischen Beziehungen,
erschien 1969 im Seewald Verlag, Stuttgart. Die übrigen Schriften erschienen im Selbstverlag.
Das Buch Beitrag zur Geschichte der Deutschen in Jugoslawien für den Zeitraum 1934 bis 1944
(1966) setzte sich mit der Bonner Dokumentation auseinander. Die kleineren Schriften Die magyarische Okkupation der Batschka 1941–1944 (1975) und Die Ereignisse in Syrmien 1941–1944
(1975) bildeten eine dokumentarische Stellungnahme zur jugoslawischen Darstellung in Pokrajinska komisija za utvrđivanje zločina okupatora i njihovih pomagača (Hg.): Zločini okupatora i
njihovih pomagača u Vojvodini 1941–1944 [Gebietskommission für die Feststellung der Verbrechen des Okkupators und seiner Helfer (Hg.): Verbrechen der Okkupatoren und ihrer Helfer in der
Vojvodina 1941–1944, Novi Sad 1946].
Sie umfasste ohne den statistischen Überblick und den Gesetzesanhang 118 eng bedruckte Seiten.
Wüscht, Beitrag zur Geschichte der Deutschen, S. 36.
Das ursprüngliche „völkische“ Programm der auf die Nachfolgestaaten Ungarn, Rumänien und
Jugoslawien aufgeteilten Donauschwaben besaß einheitliche Züge. Es zielte auf die Bewahrung
des angestammten und ererbten Volkstums und wehrte sich in der Zwischenkriegszeit vehement
gegen eine „ethnische Implantation“ in die neuen „Staatsnationen“. Es umfasste Anerkennung des
Grundsatzes der Volksgemeinschaft und der Volksgruppe als Rechtsperson; die Lösung der
Schulfrage im Sinne des muttersprachlichen Unterrichts; Religionsunterricht, Kirchengesang
und Predigt in deutscher Sprache; Errichtung einer deutschsprachigen Lehrerbildungsanstalt
und eines deutschsprachigen Priesterseminars; die beliebige Gründung von Presseorganen, Vereinen und Verbänden; Gebrauch der Muttersprache im behördlichen Umgang und Einbezug von
Volksgruppenangehörigen in den öffentlichen Dienst ohne identitätsgefährdende Repressionen.
Vgl. Georg Wildmann (Hg.), Donauschwäbische Geschichte, Bd. 3: Die Tragödie der Selbstbehauptung im Wirkfeld des Nationalismus der Nachfolgestaaten 1918 –1944, München 2010,
besonders S. 751–763.
Vgl. Wüscht, Beitrag zur Geschichte der Deutschen, S. 25 – 27.
Es sind dies in der Hauptsache Dr. Adam Krämer, Christian Ludwig Brücker, Friedrich Binder,
Josef Beer, Jakob Wolf, Ludwig Schumacher und Leopold Egger; mit Ausnahme Dr. Krämers
durchwegs vormalige Vertreter der „Erneuerungsbewegung“.
Johann Adam Stupp, Das Südostdeutsche Kulturwerk und die Südostdeutschen Vierteljahresblätter. Rückschau und Bilanz, in: Spiegelungen. Zeitschrift für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas 7(61) (2012), S. 52.
Bzw. des Volksbunds der Deutschen in Ungarn.
Im Jahre 1951 war die Donauschwäbische Rundschau gegründet worden, die 1958 den Titel Der
Donauschwabe. Heimatblatt der donauschwäbischen Heimatvertriebenen aus Jugoslawien, Ungarn
und Rumänien erhielt. Die Zeitung erschien im Donauschwäbischen Heimatverlag Aalen/Württemberg, alleiniger Eigentümer des Verlages war Dr. Konrad Theiss, der selbst nicht donauschwäbischer Herkunft war. Die längste Zeit war Franz Schuttack ihr Chefredakteur.
Hans Sonnleitner war von 1982 bis 2009 durchgängig Vorsitzender und Geschäftsführer der
Donauschwäbischen Kulturstiftung und besorgte mit bewundernswerter Ausdauer die Finanzie-
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rung und die Drucklegung der Schriften sowie deren Verbreitung, obwohl er bis 1996 bei der
Siemens AG als Prokurist und Abteilungsdirektor tätig war.
Josef Beer (6.3.1912 – 20.2.2000) stammte aus Weißkirchen im Banat, hatte an deutschen Universitäten und in Belgrad für das Lehramt studiert, war von 1939 bis 1941 Generalsekretär des
Schwäbisch-Deutschen Kulturbundes und von 1941 bis 1945 Stabsleiter des Volksgruppenführers Sepp Janko im Banat in der Zeit der Teilautonomie der Banater Schwaben im okkupierten
Serbien. Man kann ihn als gemäßigten Erneuerer in führender Position einstufen. Nach der
Flucht wurde er schließlich von 1953 bis 1977 Referent für Lastenausgleichsfragen im Lastenausgleichsamt Baden-Württemberg.
Josip Mirnić, Nemci u Bačkoj u drugom svetskom ratu [Die Deutschen in der Batschka im Zweiten Weltkrieg], Novi Sad 1974.
Im selben Jahr wurde in Tübingen das Institut für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde eröffnet.
Georg Wildmann, geboren 1929 in Filipowa, Deutsches Gymnasium in Neuwerbass, ab Herbst
1944 Zwangsarbeiter und Lagerinternierter, Flucht 1946 über Ungarn nach Österreich, Abschluss
der Höheren Schule, Studium der Philosophie und Theologie in Linz und Rom, Lic. phil. 1953,
Dr. theol. 1959, Lehrer an Höheren Schulen und Professor an der Philosophisch-theologischen
Hochschule der Diözese Linz, seit 1966 Schriftleiter der Filipowaer Heimatbriefe, Mitarbeiter der
Kulturstiftung seit 1980.
Oskar Feldtänzer (unter Mitarbeit von Georg Wildmann), Donauschwäbische Geschichte, Bd. 1:
Das Jahrhundert der Ansiedlung 1689 –1805, München 2006, 548 Seiten; Ingomar Senz (unter Mitarbeit von Rudolf Fath und Friedrich Gottas), Donauschwäbische Geschichte, Bd. 2: Wirtschaftliche
Autarkie und politische Entfremdung 1806 –1918, München 1997, 462 Seiten; Georg Wildmann
(unter Mitarbeit von Oskar Feldtänzer (†), Kaspar Hügel (†), Hans Müller (†) und Friedrich SpiegelSchmidt), Donauschwäbische Geschichte, Bd. 3: Die Tragödie der Selbstbehauptung im Wirkfeld
des Nationalismus der Nachfolgestaaten 1918–1944, München 2010, 807 Seiten; Georg Wildmann
(unter Mitarbeit von Stefan Barth, Hans Fink, Georg Krix, Rosa Speidel, Wilhelm Weber und Maria
Werthan): Donauschwäbische Geschichte, Bd. 4: Flucht – Vertreibung – Verfolgung. Der genozidale Leidensweg ab 1944/45, München 2014. Georg Wildmann/Ingomar Senz (Unter Mitarbeit von
Oskar Feldtänzer, Vladimir Geiger, Martin Reinsprecht und Hans Sonnleitner): Donauschwäbische
Geschichte, Bd. 5: Eingliederung in die neuen Heimatländer ab 1944/45. München 2016.
Hans Sonnleitner im Originalton.
Josef Beer, Landesbeamter des Lastenausgleichsamtes in Stuttgart, bereiste donauschwäbische
Zentren in Übersee, übernahm Lastenausgleichsanträge, bearbeitete sie oder ließ sie in Stuttgart
bearbeiten. Die Antragsteller leisteten jeweils Beiträge, die zur Errichtung der Felix-MillekerStiftung für gemeinnützige donauschwäbische kulturelle Zwecke führten.
Sie umfassen in der Schieder-Dokumentation 634 Druckseiten.
Es war zu Beginn noch nicht absehbar, dass die minutiöse Arbeit Karl Webers einen vierten Band
ergeben würde, der die genauen Orts- und die korrekt zu schätzenden Gesamtverluste 1994
erbringen würde.
Sie werden bis heute in einschlägigen Publikationen gerne nachgedruckt.
Karl Weber, geboren 1933 in Bulkes in der Batschka, von 1945 bis 1947 in verschiedenen Arbeitslagern, 1947 Flucht über Ungarn und Österreich nach Deutschland. Maschinen-Ingenieur beim
Chemie-Konzern BASF. Ab 1991 Mitarbeiter im Arbeitskreis Dokumentation zur Erstellung des
Leidenswegs, Schwerpunkt: Erfassung der Menschenverluste und Bevölkerungszahlen. Seit 1992
Beiratsmitglied der Donauschwäbischen Kulturstiftung. Besorgte die Redaktion der Jubiläumsausgabe zum 50-jährigen Bestehen der Donaudeutschen Landsmannschaft in Rheinland-Pfalz
1951–2001, Speyer 2003, Titel: 300 Jahre Donauschwaben.
In rund 1.000 Orten der Vojvodina und Slawoniens lebten jeweils mehr als zehn, in über 400
Orten mehr als 100 Donauschwaben.
Technisch ging das nur, weil Karl Weber seinen Sohn Dieter bewegen konnte, die ungemein
große und Genauigkeit erfordernde Schreibarbeit am Computer zu leisten.
www.totenbuch-donauschwaben.at.
Rechnet man die weiteren Mordaktionen, einschließlich jener in Slowenien hinzu, so kommt
man auf 9.500 Ziviltote, was die Bezeichnung „Blutiger Herbst“ wohl rechtfertigt.
Das Donauschwäbische Zentralmuseum in Ulm wurde am 8.7.2000 eröffnet.
Vgl. Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes vom 9.12.1948, deutsche
Übersetzung in: Simma, Bruno (Hg.), Menschenrechte. Ihr internationaler Schutz: Menschenrechtspakte der Vereinten Nationen, Europäische Menschenrechtskonvention, Europäische Sozialcharta […], München 1998 (4. Auflage), S. 102 –104.
Die Donauschwäbische Kulturstiftung hat das Donauschwäbische Archiv, München in drei Reihen
ausgebaut. Allein die Reihe 3 Beiträge zur donauschwäbischen Heimat und Volksforschung hat es
auf 159 Bände gebracht. Das Archiv dient der Übersicht über die Veröffentlichungen im
donauschwäbischen Bereich und bildet eine verlegerische Einrichtung. In allen im Verlag der
Kulturstiftung veröffentlichten Bänden wird der Archivbestand als Anhang aufgenommen.
‚FLUCHT UND VERTREIBUNG‘ AUS JUGOSLAWIEN IN VERGLEICHENDER PERSPEKTIVE
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Mathias Beer
‚Flucht und Vertreibung‘ aus Jugoslawien
in vergleichender Perspektive: zehn Thesen
‚Flucht und Vertreibung‘
Das Begriffspaar ‚Flucht und Vertreibung’ hat in der deutschen Sprache eine spezifische semantische Zuordnung erfahren, die regional, zeitlich und ethnisch bestimmt
ist, und dessen Inhalt weit über die konkrete Bedeutung der beiden Begriffe hinausgeht. Es hat sich zu einer Chiffre entwickelt, die mehrere eng miteinander verbundene
Bedeutungsfelder umfasst.1 ‚Flucht und Vertreibung‘ steht für die gewaltsame, Hunderttausende von Todesopfern fordernde Verschiebung von rund 12,5 Millionen
Deutschen. Sie steht für einen Vorgang mit einer weit über den Zweiten Weltkrieg
hinausreichenden zeitlichen Dimension. Der historische Kontext dieser gewaltigen
Bevölkerungsverschiebung umfasst die gesamte erste Hälfte der europäischen
Geschichte des 20. Jahrhunderts. Seine Wurzeln reichen noch tiefer, bis weit ins „lange
19. Jahrhundert“ zurück. Die Kennworte ‚Flucht und Vertreibung’ stehen zudem für
einen regional differenzierten Prozess mit globalen Ausmaßen und Auswirkungen,
der ein breites Spektrum an Erscheinungsformen zusammenfasst – Evakuierung,
Internierung, Deportation, Umsiedlung, Flucht, Ausweisung, Vertreibung. Mit der
Chiffre ‚Flucht und Vertreibung’ sind zudem die Folgen dieser Zwangsmigration für
die Herkunftsländer der Vertriebenen in Ostmitteleuropa und die Ansiedlungsländer,
hier insbesondere die Bundesrepublik, die DDR und Österreich benannt. Nicht zu
vergessen sind die Biographien von Millionen von Menschen, die von den Ereignissen
nachhaltig über Generationen geprägt und nicht selten traumatisiert wurden. Auch
für sie steht das Begriffspaar ‚Flucht und Vertreibung’. ‚Flucht und Vertreibung’ ist
schließlich die Chiffre für gesellschaftlich breit angelegte, intensive, innen- wie außenpolitisch kontroverse Debatten seit den 1940er Jahren, die sich bis in die Gegenwart
fortsetzen.
Von all diesen Bedeutungsfeldern steht im vorliegenden Beitrag lediglich die
eigentliche Zwangsmigration, das heißt Internierung, Umsiedlung, Flucht, und Vertreibung, im Mittelpunkt und dabei im Wesentlichen die Ereignisse vom Beginn des
Zweiten Weltkriegs bis zum Beginn der 1950er Jahre. Im Rahmen dieses Bedeutungsfeldes und des gewählten Zeitfensters liegt der Fokus auf Südosteuropa und hier wiederum auf Jugoslawien.
Nationalstaatliche Besonderheiten von ‚Flucht und Vertreibung‘:
der notwendige Vergleich
Am Aufschwung, den die Erforschung der europäischen Zwangsmigrationen nach
dem Fall des Eisernen Vorhangs erfahren hat, partizipierte Südosteuropa vergleichsweise wenig.2 Auch in den seit über einem Jahrzehnt andauernden Auseinandersetzungen über den Ort von ‚Flucht und Vertreibung‘ im deutschen und europäischen
kulturellen Gedächtnis spielen die Ereignisse in Südosteuropa insgesamt betrachtet
nur eine untergeordnete Rolle.3 Die Folge: eine ganze Region bleibt im Gesamtprozess,
für den ‚Flucht und Vertreibung‘ steht, unterbelichtet und marginalisiert. Damit werden wichtige regionale, nationalstaatlich geprägte Aspekte aus dem Gesamtprozess der
deutschen Zwangsmigration ausgeklammert. Denn die Voraussetzungen, Genese, Art
und Umstände sowie das Ergebnis der Zwangsmigration der deutschen Minderheiten
aus Südosteuropa unterscheiden sich bei allen Gemeinsamkeiten deutlich von jenen
aus den Ostgebieten des Deutschen Reiches, aus Polen, der Sowjetunion und der
Tschechoslowakei. Darüber hinaus weisen die Zwangsmigrationen in jedem der hier
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MATHIAS BEER
‚FLUCHT UND VERTREIBUNG‘ AUS JUGOSLAWIEN IN VERGLEICHENDER PERSPEKTIVE
139
Deportation, Zeichnung von Sebastian
Leicht, undatiert.
Flüchtlingstreck
aus Sarwasch in
Österreich, 1944.
Thesen zu ‚Flucht und Vertreibung‘ aus Jugoslawien
Die vergleichende Betrachtung der Zwangsmigration der Deutschen aus Südosteuropa am Ende des Zweiten Weltkriegs im vorliegenden Beitrag stützt sich auf die neueren Forschungsergebnisse. Dabei steht nicht das detaillierte Nachzeichnen der
Umsiedlung, Deportation, Ausweisung und Vertreibung der deutschen Minderheiten
aus Jugoslawien im Mittelpunkt, sondern die großen Entwicklungslinien in Jugoslawien werden jenen in Ungarn und Rumänien gegenübergestellt, um auf dieser Grundlage Spezifika des „jugoslawischen Falls“ herauszuarbeiten. Der Vergleich erfolgt in
Form von zehn Thesen. Vier davon beziehen sich auf Phänomene, die für die Entwicklungen in allen drei Ländern Südosteuropas, ja für die Herkunftsländer der deutschen
Flüchtlinge und Vertriebenen insgesamt, charakteristisch sind. Vor diesem Hintergrund haben die folgenden sechs Thesen die Besonderheiten des „jugoslawischen
Falls“ im Blick. Das abschließende Fazit ist ein Versuch, für den „Sonderfall“ Jugoslawien, den die vergleichende Betrachtung von ‚Flucht und Vertreibung‘ aus Südosteuropa deutlich macht, plausible Erklärungen anzubieten und, damit verbunden, weitere
komparatistische Studien anzuregen.
Flüchtlinge aus dem
rumänischen Tschene
bei einem Zwischenstopp in Krummau,
Tschechien,
9. November 1944.
in den Vergleich einbezogenen Länder – Jugoslawien, Rumänien, Ungarn – und auch
innerhalb dieser Staaten wiederum Besonderheiten, wechselseitige sowie sich gegenseitig bedingende Entwicklungen und ein breites Spektrum an Erscheinungsformen
auf.
Marginalisierung, Fragmentierung und Segmentierung – die wesentlichen Merkmale der Forschung zu ‚Flucht und Vertreibung‘ aus Südosteuropa – lassen sich
zumindest ein stückweit durch einen vergleichenden Ansatz überwinden. Mit dem
und durch den Vergleich werden die spezifischen Entwicklungen in den drei Ländern
der Region und damit auch die Gemeinsamkeiten und die Besonderheiten deutlich,
die die Zwangsmigrationen der deutschen Bevölkerung aus Jugoslawien verglichen
mit Rumänien und Ungarn aufweisen.4 Migrationen und Massaker während und am
Ende des Zweiten Weltkriegs gingen zwar auch in Südosteuropa Hand in Hand, aber
der Umgang mit Minderheiten bei Kriegsende war nicht zwangsläufig auf diese beiden
Alternativen beschränkt. Der Vergleich, für den sich diese drei Länder Südosteuropas
mit großen deutschen Minderheiten und ohne Grenzen zu Deutschland geradezu
anbieten, lässt zudem noch deutlicher die nach wie vor offenen Fragen bei der Beschäftigung mit der Internierung, Ausweisung und Flucht der deutschen Minderheiten aus
Jugoslawien erkennen.
1. Das Ziel des ethnisch reinen Nationalstaats war ein Leitgedanke der
Politik auch aller Staaten Südosteuropas.
Jeder Mensch ist Glied einer Nation, und jede Nation soll einen Staat bilden, den Nationalstaat. Diese im 18. Jahrhundert entstandene Vorstellung war Ausdruck der schöpferischen Kraft des Nationalismus. Sie entwickelte sich seither zur stärksten politischen Gestaltungskraft in Europa überhaupt und wurde zum Leitbild gesellschaftlichen
und politischen Handelns. Nur Staaten überlebten oder entstanden seit dem frühen
19. Jahrhundert, die bei der eigenen Bevölkerung, bei den Nachbarstaaten und in der
internationalen Staatenordnung als Nationalstaaten Anerkennung fanden.5 Die Selbstfindung und Selbstdefinition der Nationalstaaten durch Abgrenzung ist nicht allein
nach außen gerichtet. Zum Janusgesicht der Nation gehört auch die nach innen gerichtete Ausgrenzung jener, die aus der Sicht des den Nationalstaat tragenden Staatsvolks
als nicht dazugehörig, als fremd gelten.
Die angestrebte Einheit des Staatsvolkes hatte mit der zunehmenden Ethnisierung
der Nation und insbesondere als Ergebnis des Ersten Weltkriegs ein breites Spektrum
an Homogenisierungsmaßnahmen zur Folge. Es reichte auch in Südosteuropa von der
gezielten sprachlichen und kulturellen Angleichungspolitik, mit dem Ziel des Aufgehens der Minderheiten in der Titularnation innerhalb einzelner Staaten, bis hin zum
Anpassen der Grenzen an das Ethnikum bzw. des Ethnikums an die Grenzen. Abgren-
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MATHIAS BEER
zung, Ausgrenzung, Assimilierung, Umsiedlung, Vertreibung bis hin zur Vernichtung
der einmal hinausdefinierten religiösen, sprachlichen, ethnischen und nationalen
Minderheiten waren das Ergebnis.6 Auf den Letztwert des ethnisch reinen Nationalstaats haben sich auch die Vertreter der unterschiedlichen politischen Lager in den
drei Ländern Südosteuropas berufen, wenn sie über Lösungen der Minderheitenfrage
nachdachten, sprachen oder solche planten.
2. Der Krieg im Allgemeinen und die nationalsozialistische Eroberungs-,
Besatzungs- und Vernichtungspolitik Deutschlands im Besonderen waren
die Voraussetzung für die Umsetzung von Ausweisungsplänen.
Zweifellos waren Umsiedlungs- und Ausweisungspläne seit dem 19. Jahrhundert, im
Vorfeld und während des Ersten Weltkriegs sowie auch in der Zwischenkriegszeit
nicht nur Thema wissenschaftlicher Arbeiten, der öffentlichen Diskussion und politischer Gedankenspiele, sondern sie wurden auch in Europa und insbesondere auf dem
Balkan punktuell umgesetzt.7 Es bedurfte aber des Zweiten Weltkrieges, um derartige
Überlegungen zu Plänen, Pläne zu Handlungsanweisungen und schließlich Handlungsanweisungen in einem bis dahin nicht gekannten Ausmaß zu Taten werden zu
lassen: Umsiedlung, Flucht und Vertreibung bis hin zum gezielten Morden.
In der „Ausnahmesituation“ des Krieges kamen die dem Nationalstaat innewohnenden Abgrenzungsbestrebungen nach außen und innen umso deutlicher zum Tragen. Sie bedurften jetzt keiner besonderen Rechtfertigung mehr. Die für jeden sichtbare und erfahrbare Bedrohung der eigenen Nation lieferte in allen drei Staaten
Südosteuropas, die letztendlich alle autoritär regiert wurden, die Begründung, sich der
„Feinde“ der Nation zu entledigen, ob sie zunächst, wie Ungarn und Rumänien, Verbündete des Deutschen Reiches oder, wie im Falle Jugoslawiens, Opfer der nationalsozialistischen Aggressionspolitik waren. Erst die vom nationalsozialistischen Deutschen Reich angestrebte und durchgeführte Eroberungs-, Besatzungs-,
Umsiedlungs- und Vernichtungspolitik schuf in Europa und auch in Südosteuropa die
Voraussetzungen für die „ethnische Flurbereinigung“ des Kontinents. Der erste und
zweite Wiener Schiedsspruch hatten ebenso Bevölkerungsverschiebungen zur Folge
wie der Zerschlagung und Neuordnung Jugoslawiens durch Hitler und Mussolini
Umsiedlungen und Vertreibungen folgten. Diese fanden ihren Ausdruck in massenhaft betriebenen Ausweisungen, Vertreibungen und im Töten von Serben, Kroaten,
Slowenen, Magyaren, Bulgaren, Roma und Juden.8 Mit fortschreitendem Kriegsverlauf wurden auch die auf Drängen des nationalsozialistischen Deutschlands privilegierten deutschen Minderheiten9 – Deutsche Volksgruppe in Rumänien,10 Volksbund
der Deutschen in Ungarn,11 Volksgruppe der deutschen im Unabhängigen Staat Kroatien,12 Deutsche Volksgruppe im Banat und Serbien13 – in den drei Staaten Gegenstand
solcher Pläne. Seit 1941 lassen sich zwar unterschiedliche, aber in allen drei Staaten
fassbare Überlegungen nachweisen, sich der jeweiligen deutschen Minderheiten zu
entledigen. Sie wurden mit zunehmender Dauer des Krieges, der in Jugoslawien
besonders brutal geführt wurde,14 immer konkreter.
3. ‚Flucht und Vertreibung’ setzten auch in Südosteuropa bereits während
des Krieges ein und standen in unmittelbarem Zusammenhang mit anderen
Zwangsmigrationen in der Region.
Nicht nur die Genese der Umsiedlungs- und Ausweisungspläne, auch die erste Phase
von ‚Flucht und Vertreibung’ der deutschen Bevölkerung in den drei südosteuropäischen Staaten fand bereits während des Krieges statt und war nur ein vergleichsweise
geringer Teil des ethnischen Umpflügens in dieser Region Europas.
Die in Südosteuropa einsetzenden Aus-, Umsiedlungen und Fluchtbewegungen
wurden durch die vom nationalsozialistischen Deutschland initiierten und mit der
Sowjetunion abgesprochenen Umsiedlungen deutscher Minderheiten ins Deutsche
Reich abgerundet. Zu den, wie Hitler es in seiner Reichstagsrede am 6. Oktober 1939
formulierte, „nicht haltbaren Splittern deutschen Volkstums“,15 die zur Besiedlung des
‚FLUCHT UND VERTREIBUNG‘ AUS JUGOSLAWIEN IN VERGLEICHENDER PERSPEKTIVE
eroberten, von Polen und Juden gesäuberten „Lebensraums im Osten“ benutzt wurden,
gehörten auch die deutschen Minderheiten aus der Bukowina, aus Bessarabien und der
Dobrudscha.16 Die Ankündigung Hitlers führte bei weiteren deutschen Minderheiten
der Region zu der nicht unberechtigten Befürchtung, auch sie könnten in die Umsiedlungspläne einbezogen werden. Letztendlich wurden dann die Deutschen aus der Gottschee17, aus Bosnien und aus Serbien, dann auch jene aus Ostslawonien umgesiedelt
und schließlich die Angehörigen der deutschen Minderheit aus dem Unabhängigen
Staat Kroatien im Herbst des Jahres 1944 vollständig „Heim ins Reich“ geholt.
Von Umsiedlung und Ausweisung waren andere Bevölkerungsgruppen in noch
viel größerem Umfang betroffen.18 Aus den von Deutschland annektierten Gebieten
Sloweniens wurde ein Teil der Bevölkerung schon 1941 nach Restserbien und in den
Unabhängigen Staat Kroatien ausgesiedelt. Ein anderer Teil wurde für „eindeutschungsfähig“ befunden und für die Ansiedlung in den eroberten Ostgebieten vorgesehen. Aus dem von Italien besetzten Teil Sloweniens wurden mehrere Tausend Slowenen nach Italien verschleppt. Ungarn aus Bosnien wurden in die jetzt von Ungarn
besetzte Batschka verbracht. Einige Tausend Ungarn verließen Belgrad in Richtung
Mutterland. Ungarn schob seinerseits in großem Umfang Serben nach Rumpfserbien
ab. Von Gewaltorgien begleitet wurden aus dem kroatischen Ustascha-Staat Zehntausende von Serben vertrieben. Umgekehrt verließen viele Kroaten Serbien mit dem Ziel
Unabhängiger Staat Kroatien, wohin auch Bulgarien Zigtausende Kroaten aus der von
ihm besetzten Zone vertrieb. Die auf dem ehemaligen jugoslawischen Territorium
verbliebene jüdische Bevölkerung wurde, wie jene aus dem Belgrader Gebiet, von
deutschen Kommandos vor Ort in Gaswagen oder 1942 und 1943 in deutschen Vernichtungslagern im Generalgouvernement ermordet.19
4. Wirtschaftliche Maßnahmen gegen die deutschen Minderheiten wurden
frühzeitig in allen drei Ländern eingeleitet und standen am Anfang
weiterreichender Maßnahmen.
Die ersten Maßnahmen gegen die deutsche Bevölkerung auf zentraler Ebene hatten in
allen drei hier in den Blick genommenen Staaten Südosteuropas zunächst eine dezidiert wirtschaftliche Zielrichtung. Mit dem Beschluss des AVNOJ-Präsidiums vom
21. November 1944 wurde der Übergang von Feindvermögen in Staatseigentum
dekretiert.20 Das bezog sich auf sämtliches Vermögen des Deutschen Reiches und seiner Staatsbürger, aber auch auf „sämtliches Vermögen von Personen deutscher Volkszugehörigkeit“, mit Ausnahme jener, die auf Seiten der Nationalen Befreiungsarmee
und der Partisaneneinheiten gekämpft hatten.
In Ungarn bildete die am 17. März 1945 verkündete Verordnung der provisorischen Nationalregierung Über die Liquidierung des Großgrundbesitzes und die Zuteilung von Land an die landwirtschaftliche Bevölkerung den Startschuss der Maßnahmen
gegen die deutsche Minderheit. Im Zuge der Durchführung der Verordnung wurde
diese Zielrichtung trotz gegenteiliger Beteuerungen der ungarischen Regierung und
Parteien offensichtlich.21 In der Forschung wird diese Verordnung daher auch zu Recht
als die erste Station eines Gesetzgebungsprozesses gesehen, der letztendlich auf die
Ausweisung der Schwaben aus Ungarn abzielte.
Das erste im September 1944 von der Nationaldemokratischen Front in Rumänien
veröffentlichte Programm sah eine umfassende Enteignung und Verstaatlichung vor. Die
Grundlage für die angestrebte Bodenreform lieferte das Dekret-Gesetz Nr. 187 vom
23. März 1945 über die Verwirklichung der Agrarreform. Diese wurde als eine für das
Land „nationale, wirtschaftliche und soziale Notwendigkeit“ bezeichnet und zielte auf die
landwirtschaftlichen Besitztümer deutscher Staatsangehöriger und rumänischer Staatsangehöriger deutscher Nationalität, „die mit Hitler-Deutschland zusammengearbeitet
haben.“22 Ergänzt wurde es durch das Durchführungsreglement vom 4. und 11. April 1945.
Mit ihm wurde klargestellt, dass sich das Gesetz auf alle rumänischen Staatsbürger deutscher Volkszugehörigkeit bezog, die Mitglieder der Deutschen Volksgruppe waren. Das
hieß im Klartext, dass unabhängig vom Besitz alle deutschen Bauern enteignet wurden.
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‚FLUCHT UND VERTREIBUNG‘ AUS JUGOSLAWIEN IN VERGLEICHENDER PERSPEKTIVE
Die wirtschaftlich-soziale Revolution ging, so sind die vergleichbaren Maßnahmen zu deuten, der ethnischen Säuberungsrevolution in den drei Staaten voraus. Sie
richtete sich nicht allein gegen die deutschen Minderheiten, betraf diese aber in vollem
Umfang und bildete in der überwiegenden Zahl der Fälle nicht nur den Auftakt für die
ethnischen Säuberungen, sondern war ein Faktor, der wesentlich zur Entscheidung
beitrug, diese durchzuführen.
Vor dem Hintergrund der skizzierten Gemeinsamkeiten in den drei Ländern Südosteuropas, die die Voraussetzungen für ‚Flucht und Vertreibung‘ betreffen, heben
sich die jeweiligen nationalstaatlichen Besonderheiten umso deutlicher ab. Der Vergleich offenbart, dass Jugoslawien im südosteuropäischen Kontext und auch im
Gesamtprozess von ‚Flucht und Vertreibung‘ eine Sonderstellung einnimmt.
5. Die Maßnahmen gegen die deutschen Minderheiten setzten in Jugoslawien
am frühesten ein und waren stark regional geprägt.
Der Frontwechsel Rumäniens am 23. August 1944 und die sich damit schnell ändernde
militärische Lage in Südosteuropa wirkten sich in erheblichem Maß auf die Umsiedlungen und Evakuierungsmaßnahmen aus, die von Reichstellen, hier von der Volksdeutschen Mittelstelle (VoMi), und den deutschen Volksgruppen in den einzelnen Ländern durchgeführt wurden. Bezogen auf den Unabhängigen Staat Kroatien hatten sie
zur Folge, dass im Oktober 1944 die überwiegende Mehrheit der Deutschen aus Syrmien und Slawonien ins Deutsche Reich umgesiedelt wurde. Anders sah es in der
Batschka und im Banat aus, wo die Evakuierungen in Fluchtbewegungen übergingen
und ein erheblicher Teil der deutschen Bevölkerung vor Ort blieb.23
Am Tag der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands befanden sich wohl noch
rund 200.000 Angehörige der deutschen Minderheiten in Jugoslawien. Zu diesem
Zeitpunkt waren die meisten der deutschen Siedlungsgebiete bereits mehr als ein halbes Jahr in der Hand der neuen kommunistischen Machthaber. Das heißt, die gegen
die deutsche Bevölkerung gerichteten Maßnahmen setzten, anders als in Rumänien
und Ungarn, erhebliche Zeit vor Kriegsende ein und knüpften unmittelbar an die nationalsozialistischen Umsiedlungen und Evakuierungen an. Hinzu kommt der unterschiedliche Umgang mit der deutschen Bevölkerung in den einzelnen Regionen Jugoslawiens. Vertreibungen begleitet von Massakern gab es zunächst nur in Slowenien,
von wo im Zuge der „nationalen Abrechnung“ bis Mitte 1946 der größte Teil der überlebenden Sloweniendeutschen vertrieben wurde oder zu Tode kam,24 und in Teilen
von Slawonien. Dagegen war in der Batschka, in der Baranja, im Banat und in Syrmien
zunächst ein System von Lagern die bestimmende Lebensform. In diesen wurde die
deutsche Bevölkerung interniert, zur Arbeit gezwungen und dezimiert.25
Vertreibungsliste aus
Tschowanka, Ungarn,
1946. Die obere
Spalte führt zwei
Deutsche auf, die von
der Vertreibung ausgenommen sind, darunter sind 42 Namen
von „Auszusiedelnden“ aufgeführt.
6. Für die Zwangsmigration der Deutschen aus Jugoslawien liegt kein
formaler Ausweisungsbeschluss vor.
Folgt man den in den letzten Jahren vorgelegten Studien, so wurde über eine mögliche Ausweisung der deutschen Bevölkerung schon seit 1941 im Rahmen der Tschetnik-Bewegung diskutiert.26 Auch für Slowenien lassen sich entsprechende Pläne
nachweisen. Man wird daher davon ausgehen dürfen, dass bei Kriegsende an der
Notwenigkeit, die deutsche Bevölkerung aus dem Land zu entfernen, keine Zweifel
bestanden. Am 11. Juni 1945 erklärte die Regierung des Demokratischen Föderativen Jugoslawiens, sie stehe auf dem Standpunkt, „dass alle Deutschen innerhalb der
Grenzen Jugoslawiens ausgesiedelt und nach Deutschland geschickt werden sollen,
sobald die technischen Möglichkeiten dafür geschaffen sind.“27 Dabei handelte es
sich aber offenbar nicht um konkrete, ausgearbeitete Pläne so wie sie in Polen, der
Tschechoslowakei und Ungarn für die Ausweisung der deutschen Bevölkerung entwickelt wurden. Dafür spricht auch, dass sich, bisher jedenfalls, bei der Exilregierung in London keine entsprechenden Pläne nachweisen lassen. Zudem können die
insgesamt betrachtet widersprüchlichen Verordnungen, der schwankende und sich
regional deutlich unterscheidende Umgang mit den deutschen Minderheiten als
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weiteres Indiz gegen einen einheitlichen Plan bzw. Befehl des Politbüros oder des
Oberkommandos der Armee gedeutet werden.
Die Grundlage für die wirtschaftliche, soziale und rechtliche Deklassierung
der deutschen Minderheiten bildete der Beschluss des AVNOJ-Präsidiums vom
21. November 1944.28 Dieser enthält keine Bestimmungen zum Umgang mit der im
Land verbliebenen deutschen Bevölkerung. Einen formalen Ausweisungsbeschluss, so
wie er für Ungarn mit der Verordnung vom 22. Dezember 1945 vorliegt, hat es offenbar für Jugoslawien nicht gegeben. Auch sind bisher von jugoslawischer Seite, anders
als von Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn, keine Vorstöße im Vorfeld der Potsdamer Konferenz mit dem Ziel bekannt geworden, Jugoslawien in den Artikel XIII
aufzunehmen, der die „Ordnungsgemäße Überführung deutscher Bevölkerungsteile“
festschreiben sollte. Aber auch ohne eine entsprechende rechtliche Absicherung hat
die Summe der gegen die deutschen Minderheiten ergriffenen, regional und lokal
unterschiedlichen Maßnahmen – Exekutionen, Internierung, Zwangsarbeit, Deportation, Ausweisung, Abschiebung – letztendlich ihr endgültiges „Verschwinden“29 aus
Jugoslawien eingeleitet. Spätestens als sich, wie es in einem Schreiben des jugoslawischen Außenministeriums an das Regierungspräsidium vom 20. September 1947
heißt, zeigte, dass die Frage der Aussiedlung der deutschen Minderheiten „in absehbarer Zeit nicht auf legale Weise wird gelöst werden“ können,30 wurde sie außerhalb
des rechtlichen Rahmens endgültig und dauerhaft beantwortet.
7. Als einziger Staat berief sich Jugoslawien nachträglich auf das
Potsdamer Abkommen, um eine Zustimmung zur Ausweisung seiner
deutschen Minderheiten zu erhalten.
Anders als Ungarn, das aus eigener Initiative mit dem Wunsch an die Alliierten herantrat, seine deutsche Bevölkerung auszuweisen, sind nach dem derzeitigen Stand der
Forschung für Jugoslawien bisher keine entsprechenden Vorstöße bekannt geworden.
Hätte es solche Bemühungen gegeben, wäre Jugoslawien wohl mit einiger Sicherheit
auch in Artikel XIII aufgenommen worden. Für diese Annahme spricht auch, dass
alliierte und insbesondere britische Planspiele in ihrer extremsten Form von Massakern in großem Stil und, daran anschließend, von der Ausweisung aller überlebenden
„Volksdeutschen“ aus Jugoslawien ausgingen.31 Weil sich Jugoslawien mit einem entsprechenden Anliegen vor der Potsdamer Konferenz nicht an die Alliierten gewandt
hat, erscheint es, so wie Rumänien auch, nicht im Artikel XIII des Potsdamer Abkommens.
Vor diesem Hintergrund muss die Reaktion Jugoslawiens auf den Protest des Alliierten Kontrollrats gegen die Ausweisung der „Volksdeutschen“ und anderer Gruppen
aus diesem Land erstaunen. In der Antwort vom 11. Dezember 1945 bestritt die jugoslawische Regierung, solche Ausweisungen durchzuführen.32 Aber zugleich wurden
die Alliierten um Zustimmung gebeten, die deutsche Bevölkerung Jugoslawiens
gemäß den Potsdamer Beschlüssen aussiedeln zu dürfen. Begründet wurde dieses
Anliegen mit dem Verweis auf den Umfang und die Qualität deutscher Verbrechen auf
dem Territorium Jugoslawiens während des Krieges. Dieses Anliegen wurde von den
Alliierten ebenso abgelehnt wie auch spätere vergleichbare Vorstöße, zuletzt im September 1947.33 Bemerkenswert daran ist, dass die Sowjetunion, die zur gleichen Zeit
dem Anliegen Ungarns, rund 50.000 Ungarndeutsche in die Sowjetische Besatzungszone auszusiedeln zu dürfen, zustimmte,34 dagegen dem Wunsch Jugoslawiens nicht
entsprach.
8. Das im Rahmen der Maßnahmen gegen die deutsche Bevölkerung
entstandene Netz von Lagern ist in seiner Form in Südosteuropa nur für
Jugoslawien charakteristisch.
Nach der kommunistischen Machübernahme wurde das Territorium Jugoslawiens mit
einem Netz von Lagern überzogen. Von Sammellagern, Zentralarbeitslagern, Ortslagern und Lagern für Arbeitsunfähige spricht eine der aufgestellten Klassifizierungen,35
‚FLUCHT UND VERTREIBUNG‘ AUS JUGOSLAWIEN IN VERGLEICHENDER PERSPEKTIVE
von Konzentrationslagern, Sammellagern, Arbeitslagern sowie Kranken- und Kinderlagern eine andere.36 Die Lager wurden zur Lebensform der überwiegenden Mehrheit
der im Land verbliebenen Angehörigen der deutschen Minderheit. 87 solcher Lager
oder „Ansiedlungen unter spezieller Verwaltung“ sind für das Territorium Jugoslawiens nachgewiesen, wobei deutliche regionale Unterschiede bestanden. 75 dieser Lager
und damit 65 Prozent lagen in der Vojvodina. Anfang 1946 vegetierten über 117.000
Angehörige der deutschen Minderheit in diesen Lagern. Dabei war der Anteil der
Frauen mit rund 50 Prozent am höchsten, gefolgt von 29 Prozent vor allem älteren
Männern und 21 Prozent Kindern.37 Die Bedingungen in diesen Lagern waren bedeutend schlechter als in den sowjetischen Arbeitslagern, in die, wie aus Rumänien und
Ungarn auch, über 12.000 Donauschwaben aus Jugoslawien deportiert worden
waren.38
Einen erschütternden Einblick in diese Welt der Lager39 gibt neben anderen Egodokumenten ein Brief vom 9. November 1945. Den Brief schrieb die 15 Jahre alte Hedi
Spannagel an ihre Mutter aus dem berüchtigten Lager Jarek, heute Bački Jarak in der
Vojvodina, in das sie mit ihrer Großmutter eingeliefert worden war.40 Die Mutter saß
damals im Zentralarbeitslager von Bačka Palanka ein. Während eines Zwischenaufenthalts im Lager in Altker, aus dem Hedi krank nach Jarek zurückkehrte, verstarb die
Großmutter. Deren Kleider tauschte Hedi gegen Lebensmittel ein. Allein von der spärlichen und kraftlosen Lagerkost und unter den katastrophalen hygienischen Verhältnissen konnte sie nicht überleben. „Wir haben schon 480 Tote“, schreibt Hedi. Sie
erwähnt den Tod zweier Verwandten ihres Alters. Anders als im Brief erhofft, erlag das
neun Jahre alte Katrinchen schon bald dem Typhus. Die Beerdigung des 13 Jahre alten
Hans Degen wird im Brief gemeldet. Mit ihm starb das letzte Mitglied dieser Familie.
Der Vater fiel 1944 als deutscher Soldat in der Sowjetunion. Hans Degen wurde
gemeinsam mit seiner jüngeren Schwester und dem Großvater ins Lager Jarek eingeliefert. Der Großvater starb am 20. Juni 1945, ein Monat später die Schwester. Die
Mutter der Kinder wurde zu Weihnachten 1944 zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion
deportiert, wo sie im September 1945 in den Kohlengruben an einer Anthrazitvergiftung starb.
Familie Spannagel erfuhr ein anderes Schicksal. Aus Palanka ins Lager Gakowa
überführt, gelang Frau Spannagel gemeinsam mit Verwandten die Flucht zu ihrem
Ehemann nach Ungarn. Hier hatte er, aus der Kriegsgefangenschaft entlassen, bei seinem Bruder Zuflucht gefunden. Als Aussiedler kam das Ehepaar in den 1960er Jahren
in die Bundesrepublik. Das im Brief von der Tochter erhoffte baldige Wiedersehn gab
es nicht. Hedi Spannagel hat die Welt der Lager nicht überlebt. Sie starb vor Vollendung des 16. Lebensjahres am 25. Januar 1946, drei Monate bevor das Lager aufgelöst
wurde. Sie ist eines der mindestens 7.000 Opfer, die im Konzentrationslager Jarek den
Tod fanden.
9. Die Todesraten im Rahmen von ‚Flucht und Vertreibung’ waren in
Jugoslawien mit Abstand am höchsten.
Die Frage der im Zuge von ‚Flucht und Vertreibung’ zu Tode gekommenen Personen
ist auch bezogen auf Jugoslawien eine der umstrittensten.41 Sie zieht sich wie ein roter
Faden vom fünften Band der Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus OstMitteleuropa von 1961, der Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien thematisiert, bis
hin zum Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien42 von 1995. Die
Dokumentation der Vertreibung bezifferte auf der Grundlage der damals verfügbaren
Unterlagen sowie der angestellten Berechnungen die Zivilverluste auf 68.600 Tote und
jene der Kombatanten auf 29.000, also insgesamt auf rund 98.000 Tote. Folgt man
diesen Zahlen, kamen durch den Krieg und die Nachkriegsereignisse rund 19 Prozent
der deutschen Bevölkerung Jugoslawiens ums Leben.43 Die Erhebungen durch die
Landsmannschaft der Deutschen aus Jugoslawien lieferte eine empirisch abgesicherte
Datenbasis, die in dieser Form für kein anderes Herkunftsland der Flüchtlinge und
Vertriebenen vorliegt. Mit 63.500 bzw. 28.700 wurden die Zahlen der Dokumentation
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der Vertreibung geringfügig nach unten korrigiert.44 Sie ändern aber nichts an der
grundsätzlichen Feststellung, dass Jugoslawien – nicht nur verglichen mit den anderen
Ländern Südosteuropas – mit weitem Abstand bei der im Krieg und als Folge von
Internierung, Flucht und Vertreibung getöteten Zivilbevölkerung die höchsten Todesraten aufweist.
10. Die Auswirkungen von ‚Flucht und Vertreibung‘ auf die deutschen
Minderheiten in Jugoslawien waren am radikalsten.
In Rumänien wurden die deutschen Minderheiten durch die Umsiedlungen während
des Krieges, durch Flucht und die Deportation von rund 70.000 Personen zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion dezimiert.45 Dennoch verblieb der größte Teil der deutschen
Bevölkerung im Land. Sie wurde im Zuge der kommunistischen Umgestaltung
zunächst sowohl rechtlich als auch sozial und wirtschaftlich deklassiert. Zudem wurde
die Banater Bevölkerung an der Grenze zu Jugoslawien innerhalb Rumäniens deportiert.46 Dennoch und gerade weil Rumänien seine deutsche Bevölkerung nicht ausgewiesen und sich in den 1950er Jahren um eine Rückkehr der außerhalb des Landes
Lebenden bemüht hatte, bestand in Rumänien trotz der in den 1960er einsetzenden
und in den Folgejahren wachsenden Kettenmigration in die Bundesrepublik eine
deutsche Minderheit bis zum Fall des Eisernen Vorhangs 1989 fort.
Anders als Rumänien und Jugoslawien setzte sich Ungarn bei den Alliierten aktiv
dafür ein, seine deutsche Minderheit ausweisen zu dürfen. Dadurch fand Ungarn Aufnahme in den Artikel XIII des Potsdamer Abkommens. Die Regierungsverordnung
vom 22. Dezember 1945 über die ,,Aussiedlung“ der Ungarndeutschen sah die Ausweisung aller Deutschen vor.47 Die „geregelte Aussiedlung“ in die Amerikanische
Besatzungszone begann im Januar 1946. Wachsender innen- und außenpolitischer
Druck führte Ende 1946 zur Einstellung der Transporte. Bis zu 150.000 Ungarndeutsche haben in Deutschland, vorwiegend in Nordwürttemberg und Nordbaden, aber
auch in Hessen und Bayern, Aufnahme gefunden. Im Zeitraum vom August 1947 bis
zum Juni 1948 wurden auf Drängen Ungarns noch einmal fast 50.000 Personen ausgewiesen, diesmal in die Sowjetische Besatzungszone. Mehr als die Hälfte der deutschen
Minderheit verblieb in Ungarn. Von den geflüchteten und ausgewiesenen Ungarndeutschen kehrten bis Anfang der 1950er Jahre mehr als 10.000 wieder nach Ungarn
zurück.48 Die im Land verbliebene deutsche Minderheit wurde einem tief greifenden
Assimilierungsprozess unterworfen.
Im Vorkriegsjugoslawien zählten die deutschen Minderheiten rund eine halbe
Million Personen. Bei der Volkszählung am 31. März 1953 waren es nur noch rund
62.000, was etwa 12,5 Prozent der Vorkriegszahl entspricht. Damit sind fast 88 Prozent
der deutschen Minderheiten Jugoslawiens als Folge des Krieges, der Evakuierungen,
Umsiedlungen, Flucht, Internierung und Ausweisung „verschwunden“: sie starben
und wurden umgebracht, sie wurden umgesiedelt, sie flüchteten und wurden vertrieben. Die meisten von ihnen lebten zunächst in Österreich, von wo sich der Schwerpunkt im Laufe der späten 1940er und in den 1950er Jahren in die Bundesrepublik
und hier insbesondere nach Süddeutschland mit Schwerpunkt Baden-Württemberg
verlagerte. Die Donauschwaben aus Jugoslawien hatten auch einen hohen Anteil an
der Nachkriegsauswanderung in die USA und Kanada, nach Südamerika bis hin nach
Australien. Vermittelt durch das Internationale Roten Kreuz siedelte der größte Teil
der in Jugoslawien verbliebenen Deutschen in die Bundesrepublik über. Damit existierte seit den 1960er Jahren in Jugoslawien praktisch keine deutsche Minderheit
mehr.
Fazit – oder: eine Frage, drei Antworten
Maßgeblich als Ergebnis der nationalsozialistischen Eroberungs-, Besatzungs- und
Vernichtungspolitik sowie der Instrumentalisierung und Selbstinstrumentalisierung
wurden die deutschen Minderheiten in Jugoslawien, Rumänien und Ungarn zu einem
„Problem“ für die jeweilige Staatsnation. Ein Lösungsansatz, der in allen dreien dieser
‚FLUCHT UND VERTREIBUNG‘ AUS JUGOSLAWIEN IN VERGLEICHENDER PERSPEKTIVE
südosteuropäischen Länder verfolgt und umgesetzt wurde, war wirtschaftlicher Art:
die deutsche Bevölkerung wurde enteignet und ihr damit die wirtschaftliche Grundlage entzogen. In Jugoslawien bildete die Enteignung den Auftakt für die Internierung,
die ohne rechtliche Grundlage schrittweise vollzogene Ausweisung und schließlich
fast vollständige Ausreise der deutschen Bevölkerung. In Ungarn stand die Bodenreform am Anfang der Ausweisung, um die Ungarn aus eigener Initiative bei den Alliierten erfolgreich nachgesucht hatte. Die Folge: etwa die Hälfte der Ungarndeutschen
wurde in die vier Besatzungszonen Deutschlands ausgewiesen. Auch wenn in Rumänien vergleichbare Szenarien diskutiert wurden, folgte auf die wirtschaftliche und
soziale Revolution keine ethnische Säuberung. Auf den Punkt gebracht: auf die die
Deutschen betreffende Minderheitenfrage gab es in Südosteuropa drei unterschiedliche Antworten. Südosteuropa ist auch bezogen auf Umsiedlung, Flucht und Vertreibung der deutschen Bevölkerung während und am Ende des Zweiten Weltkriegs keine
Einheit.
Bei durchaus vorhandenen Gemeinsamkeiten fallen bei einem Vergleich des Vertreibungsprozesses der deutschen Bevölkerung aus den Ländern Südosteuropas am
Ende des Zweiten Weltkriegs die Spezifika des jugoslawischen Falls besonders ins
Gewicht: kein formaler Ausweisungsbeschluss, die großen regionalen Unterschiede
im Umgang mit der deutschen Bevölkerung, das mörderische Lagersystem, die hohen
Todesraten und letztendlich als Konsequenz aller Maßnahmen das Ende der deutschen Minderheiten in Jugoslawien.
Die wesentlichen Gründe für die Besonderheiten des jugoslawischen Falls dürften
erstens in den Spezifika der nationalsozialistischen Besatzungspolitik auf dem Gebiet
Jugoslawiens liegen. Zweitens fällt sicher die fast unüberschaubare Zahl der Zwangsmigrationen ins Gewicht, von denen praktisch keine ethnische Gruppe verschont
blieb. Drittens kommt dem Krieg und insbesondere der brutalen Form der Kriegsführung in dieser Region ein herausgehobener Stellenwert zu.
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Vgl. dazu und zum Folgenden Mathias Beer, Flucht und Vertreibung der Deutschen. Voraussetzungen, Verlauf, Folgen, München 2011.
Vgl. u. a. Andrew Bell-Fialkoff, Ethnic Cleansing, New York 1996; Norman M. Naimark, Fires of
hatred. Ethnic Cleansing in the 20th Century, London 2001; Benjamin Liebermann, Terrible fate.
Ethnic Cleansing in the Making of Modern Europe, Chicago 2006; Richard Bessel und Claudia B.
Haake (Hg.), Removing People. Forced Removal in the Modern World, London 2009.
Dieter Bingen, Włodzimierz Borodziej und Stefan Troebst (Hg.), Vertreibungen europäisch erinnern? Historische Erfahrungen – Vergangenheitspolitik – Zukunftskonzeptionen, Wiesbaden
2003; Bernd Faulenbach und Andreas Helle (Hg.), Zwangsmigration in Europa. Zur wissenschaftlichen und politischen Auseinandersetzung um die Vertreibung der Deutschen aus dem
Osten, Essen 2005; Peter Haslinger u. a. (Hg.), Diskurse über Zwangsmigrationen in Zentraleuropa. Geschichtspolitik, Fachdebatten, literarisches und lokales Erinnern seit 1989, München
2008.
Vgl. dazu Mathias Beer, Zwangsmigrationen in Südosteuropa während des Zweiten Weltkriegs
und danach (1939–1950), in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 62 (2011), Heft 3/4,
S. 144–158.
Vgl. dazu u. a. Benedict Anderson, Imagined Communities. Reflections on the Origin and Spread
of Nationalism, London 1983; Roger Brubaker, Nationalism reframed. Nationhood and the national question in the New Europe, Cambridge 1996; Dieter Langewiesche, Nation, Nationalismus.
Nationalstaat in Deutschland und Europa, München 2000; Mathias Beer (Hg.), Auf dem Weg
zum ethnisch reinen Nationalstaat? Europa in Geschichte und Gegenwart, Tübingen 22007.
Philipp Ther, Die dunkle Seite der Nationalstaaten. „Ethnische Säuberungen“ im modernen
Europa, Göttingen 2012.
Michael Schwartz, Ethnische „Säuberungen“ in der Moderne. Globale Wechselwirkungen nationalistischer und rassistischer Gewaltpolitik im 19. und 20. Jahrhundert, München 2013.
Milan Ristović, Zwangsmigrationen in den Territorien Jugoslawiens im Zweiten Weltkrieg: Pläne,
Realisierung, Improvisation, Folgen, in: Ralph Melville, Jiří Pešek und Claus Scharf (Hg.),
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Zwangsmigrationen im mittleren und östlichen Europa. Völkerrecht, Konzeptionen, Praxis
(1938–1950), Mainz 2007, S. 309–330.
Vgl. z. B. Mariana Hausleitner und Harald Roth (Hg.), Der Einfluss von Faschismus und Nationalsozialismus auf Minderheiten in Südosteuropa, München 2006.
Dekret-Gesetz Nr. 830/1940 über die Konstituierung der deutschen Volksgruppe in Rumänien,
in: Monitorul Oficial, Teil 1, Nr. 275/1940, 21.11.1940, S. 6530.
Das Wiener Abkommen. Deutsch-ungarisches Protokoll vom 30.08.1940, in: Bundesministerium
für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (Hg.), Dokumentation der Vertreibung der
Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Bd. 2: Das Schicksal der Deutschen in Ungarn, Bonn 1957,
S. 73E–75E. Vgl. dazu auch Norbert Spannenberger, Der Volksbund der Deutschen in Ungarn
1938–1944 unter Horty und Hitler, München 2002.
Gesetzesverordnung über die Rechtsstellung der deutschen Volksgruppe und des Volksgruppenführers im „Unabhängigen Staat Kroatien“, in: Verordnungsblatt der Volksgruppenführung der
deutschen Volksgruppe im Unabhängigen Staat Kroatien, Folge 3, 30.07.1941; Vgl. auch MarieJanine Calic, Die deutsche Volksgruppe in Kroatien 1941–1944, in: Südostdeutsches Archiv 30/31
(1987/1988), S. 148–175; Carl Bethke, Deutsche und ungarische Minderheiten in Kroatien und
der Vojvodina 1918–1941. Identitätsentwürfe und ethnopolitische Mobilisierung, Wiesbaden
2009, bes. S. 558–624.
Verordnung über die Rechtsstellung der deutschen Volksgruppe im Banat und Serbien vom
6.08.1943, in: Verordnungsblatt der Volksgruppenführung der deutschen Volksgruppe im Banat
und Serbien, Folge 22, 10.09.1943. Vgl. auch Thomas Casagrande, Die volksdeutsche SS-Division
„Prinz Eugen”. Die Banater Schwaben und die nationalsozialistischen Kriegsverbrechen, Frankfurt am Main 2003.
Marie-Janine Calic, Geschichte Jugoslawiens im 20. Jahrhundert, München 2010, bes. S. 137–170.
Archiv der Gegenwart, 6.10.1939, S. 4267 f.
Dirk Jachamowski, Die Umsiedlung der Bessarabien-, Bukowina- und Dobrudschadeutschen.
Von der Volksgruppe in Rumänien zur „Siedlungsbrücke“ an der Reichsgrenze, München 1984.
Hans Hermann Frensing, Die Umsiedlung der Gottscheer Deutschen. Das Ende einer südostdeutschen Volksgruppe, München 1970.
Vgl. u. a. Detlef Vogel, Vertreibung, Verfolgung und Ausrottung in Jugoslawien während des
Zweiten Weltkrieges und danach, in: Robert Streibel (Hg.), Vertreibung und Flucht. Zwischen
Aufrechnung und Verdrängung, Wien 1994, S. 77–91; Arnold Suppan, Hitler – Beneš – Tito.
Konflikt, Krieg und Völkermord in Ostmittel- und Südosteuropa, Wien 2014, Teil 2, S. 925–1212.
Walter Manoscheck, „Serbien ist judenfrei“. Militärische Besatzungspolitik und Judenvernichtung in Serbien 1941/42, München 1993; Mathias Beer, Gaswagen. Von der „Euthanasie“ zum
Genozid, in: Günter Morsch und Bertrand Perz (Hg.), Neue Studien zu nationalsozialistischen
Massentötungen durch Giftgas. Historische Bedeutung, technische Entwicklung, revisionistische
Leugnung, Berlin 2011, S. 162–164.
Damijen Guštin und Vladimir Prebilič, Die Rechtslage der deutschen Minderheiten in Jugoslawien 1944 bis 1946, in: Manfred Kittel u. a. (Hg.), Deutschsprachige Minderheiten 1945. Ein
europäischer Vergleich, München 2007, S. 297–346, hier Dokument 1, S. 312–314.
Ágnes Tóth, Rechtliche Regelungen zur Lage des Ungarndeutschtums 1939 bis 1950, in: Manfred
Kittel u. a. (Hg.), Deutschsprachige Minderheiten 1945, S. 253–295, Dokument Nr. 2, S. 270 f.
Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (Hg.), Dokumentation
der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Bd. 3: Das Schicksal der Deutschen in
Rumänien, Bonn 1957, S. 156E–158E.
Dazu und zum Folgenden: Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (Hg.), Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Bd. 5: Das
Schicksal der Deutschen in Jugoslawien, Bonn 1961, bes. S. 85E–114E.
Dušan Nećak (Hg.), „Nemci“ na Slovenskem 1941–1955 [Die Deutschen in Slowenien 1941–1955],
Ljubljana 1998.
Zu den gegen die deutsche Bevölkerung in den einzelnen Regionen des Landes ergriffenen Maßnahmen siehe Zoran Janjetović, Between Hitler and Tito. The Disappearance of the Vojvodina
Germans, Belgrad 2005; Michael Portmann, Politik der Vernichtung? Die deutschsprachige
Bevölkerung in der Vojvodina 1944–1952. Ein Forschungsbericht auf Grundlage jugoslawischer
Archivdokumente, in: Danubiana Carpathica. Jahrbuch für Geschichte und Kultur in den deutschen Siedlungsgebieten Südosteuropas 1 (48) 2007, S. 321–360; ders., Die kommunistische
Revolution in der Vojvodina 1944–1952. Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur, Wien 2008;
Suppan, Hitler – Beneš – Tito, besonders S. 1275–1361.
Janjetović, Between Hitler and Tito, S. 108 f.
Zitiert nach Vladimir Geiger, J. B. Tito i sudbina jugoslavenskih Nijemaca, in: Časopis za suvremenu povijest [Zeitschrift für Zeitgeschichte] 3 (2008), S. 803.
Vgl. dazu Anm. 20.
Vladimir Geiger, Nestanak folksdojčera [Das Verschwinden der Volksdeutschen], Zagreb 1997.
Portmann, Politik der Vernichtung, S. 333.
‚FLUCHT UND VERTREIBUNG‘ AUS JUGOSLAWIEN IN VERGLEICHENDER PERSPEKTIVE
31 Gerhard Seewann, Der Vertreibungsprozeß in und nach dem Zweiten Weltkrieg aufgrund
britischer Quellen, in: ders. (Hg.), Migrationen und ihre Auswirkungen. Das Beispiel Ungarn
1918 –1945, München 1997, S. 55–89, Dokument S. 77–87.
32 Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Bd. 5: Das Schicksal der
Deutschen in Jugoslawien, S. 99E; Janjetović, Between Hitler and Tito, S. 296 und 307.
33 Vladimir Geiger, Volksdeutsche – Fatum der kollektiven Schuld, in: Review of Croatian History
1 (2005), S. 211–226, hier S. 233.
34 Mathias Beer, „die helfte hir und tie helfte zuhause“. Die Vertreibung der Deutschen aus Ungarn
und ihre Eingliederung im geteilten Deutschland, in: Frank Almai und Ulrich Fröschle (Hg.),
Deutsche in Ungarn. Ungarn und Deutsche. Interdisziplinäre Zugänge, Dresden 2004, S. 37–69.
35 Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Bd. 5: Das Schicksal der
Deutschen in Jugoslawien, S. 107–112.
36 Janjetović, Between Hitler and Tito, S. 264–266.
37 Zu den Zahlen vgl. Portmann, Die kommunistische Revolution, S. 238–248.
38 Mathias Beer, Deutsche Deportierte aus Ostmittel- und Südosteuropa in die UdSSR seit dem
Ende des Zweiten Weltkriegs, in: Klaus Bade (Hg.), Enzyklopädie Migration in Europa. Vom 17.
Jahrhundert bis in die Gegenwart, Paderborn 2007, S. 465–470.
39 Ray M. Douglas, „Ordnungsgemäße Überführung“. Die Vertreibung der Deutschen am Ende des
Zweiten Weltkriegs, München 2012, besonders S. 169–199; vgl. auch Portmann, Die kommunistische Revolution, S. 249–258. Zu den Lagern in Slowenien vgl. Milko Mikola (Hg.), Dokumenti
in pričevanja o povojnih koncentracijskih taboriščih v Sloveniji [Dokumente und Zeugnisse zu
den die Kriegskonzentrationslagern in Slowenien], Ljubljana 2007.
40 Archiv des Instituts für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde, Tübingen, Einzelakten,
Spannagel.
41 Vgl. dazu Beer, Flucht und Vertreibung, besonders S. 127–134.
42 Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien, hrsg. v der Donauschwäbischen
Kulturstiftung, 4 Bde., München/Sindelfingen 1991–1995.
43 Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Bd. 5: Das Schicksal der
Deutschen in Jugoslawien, S. 129E–132E.
44 Leidensweg, Bd. 4: Menschenverluste – Namen und Zahlen zu den Verbrechen an den Deutschen
durch das Tito-Regime in der Zeit von 1944–1948, S. 943.
45 Georg Weber, Renate Weber-Schlenther und Armin Nassehi, Die Deportation von Siebenbürger
Sachsen in die Sowjetunion 1945–1949, 3 Bde., Köln 1995.
46 Mathias Beer, Rumänien: Regionale Spezifika des Umgangs mit deutschen Minderheiten am
Ende des Zweiten Weltkriegs in Südosteuropa, in: Mathias Beer, Dietrich Beyrau und Cornelia
Rauh (Hg.), Deutschsein als Grenzerfahrung. Minderheitenpolitik in Europa zwischen 1914 und
1950, Essen 2009, S. 279–303.
47 Ágnes Tóth, Migration in Ungarn 1945–1948. Vertreibung der Ungarndeutschen. Binnenwanderungen und slowakisch-ungarischer Bevölkerungsaustausch, München 2001.
48 Dies., Rückkehr nach Ungarn 1946–1950. Erlebnisberichte ungarndeutscher Vertriebener, München 2012.
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150
AUTOR
BEITRAG
Danach
Donauschwaben – eine Spurensuche
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STEFAN KARNER
DIE DEUTSCHSPRACHIGE VOLKSGRUPPE SLOWENIENS UND AVNOJ
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Stefan Karner
Die deutschsprachige Volksgruppe
Sloweniens und AVNOJ
Österreich und Slowenien haben eine gemeinsame Grenze von rund 324 Kilometern
Länge. Sie wurde 1919 in St.-Germain-en-Laye gezogen.1 Im Laufe der Jahrzehnte seither waren die Beziehungen gekennzeichnet von einem starken Auf und Ab vor dem
Hintergrund starker politischer, ideologischer, ethnischer und wirtschaftlicher Trennlinien. Die Brückenfunktion der Grenzländer kam dabei vielfach zu kurz. Die Spannungen im 20. Jahrhundert resultierten – blendet man unzulässiger Weise die nationale Entwicklung des 19. Jahrhunderts aus – vor allem in der Abtrennung der
untersteirischen Gebiete 1918/19, in der Slowenisierungspolitik des Königreiches der
Serben, Kroaten und Slowenen der Zwischenkriegszeit, der Germanisierungspolitik
unter der NS-Besetzung der nördlichen slowenischen Gebiete zwischen 1941 und
1945, in der Vertreibung und versuchten Auslöschung der deutschsprachigen Minderheit aufgrund der AVNOJ-Beschlüsse nach 1945 sowie in den ideologischen Spannungen mit dem jugoslawischen Weg kommunistischer Herrschaft unter Tito. Die historischen Belastungen vor allem der NS-Zeit und der AVNOJ-Beschlüsse stellen auch die
wesentliche Erklärungsebene für die Frage einer nunmehrigen Anerkennung der
deutschsprachigen Volksgruppe im Land und die Entschädigung bzw. Restitution der
enteigneten „Deutschen“ des Landes dar. Keine führende slowenische Partei setzt sich
derzeit für eine verfassungsrechtliche Anerkennung der deutschsprachigen Volksgruppe ein, der Geist der völkerrechtswidrigen AVNOJ-Dekrete und der auf ihnen
fußenden jugoslawischen Gesetzgebung wird noch heute in der slowenischen Rechtsprechung – wie an zahlreichen Beispielen nachgewiesen werden kann – angewandt.
Die Existenz und Stärke einer deutschsprachigen Volksgruppe in Slowenien war bis
vor wenigen Jahren umstritten. Ermordet, enteignet, vertrieben und in Tito-Jugoslawien nicht mehr wahrnehmbar, so beschrieben Vertriebenen-Verbände in Österreich
und Deutschland die Situation. Außer Landes gebracht oder im Lande selbst assimiliert, gaben jugoslawische Beschreibungen an. Im Resultat dieser Befunde gab es sie
scheinbar nicht mehr im Lande, die „Nemčuri“ oder „Volksdeučeri“, wie man die
„Deutschen“ Sloweniens nach 1945 jahrzehntelang in den Medien verächtlich genannt
hatte. Tatsächlich jedoch hatten sich in der letzten jugoslawischen Volkszählung – vor
allem in Laibach, in der ehemaligen Untersteiermark und in der Gottschee – über 1.800
Personen als deutschsprachig erklärt. Um ihre Anerkennung als Volksgruppe geht es
seither, zumal die junge Republik Slowenien seit 1992 – auch nach entsprechenden
Interventionen Österreichs – eine gewisse Bereitschaft zeigte, das Thema wahrzunehmen.
In engem Zusammenhang damit stand die Diskussion um die gegen die Deutschsprachigen des ehemaligen Jugoslawien gerichteten AVNOJ-Bestimmungen aus den
Jahren 1943/44, die Teil der jugoslawischen Nachkriegsgesetzgebung waren und die
als Basis für die slowenische Rechtsordnung von Präsident Milan Kučan noch im Jahr
2000 nicht in Frage gestellt wurde. Von deren Fortbestand oder Außerkraftsetzung
hängt vor allem die Möglichkeit der Durchsetzung von Restitutionsforderungen ehemals nach den AVNOJ-Dekreten enteigneter Besitzer, vor allem von Deutschsprachigen, ab. Vorsichtige Schätzungen sprechen für Slowenien von einer gesamten Restitutionssumme von rund 1,5 Milliarden Euro. Die Diskussionen um beide Fragenkomplexe
sind zudem vor dem Hintergrund des Beitrittsantrages Sloweniens zur Europäischen
Union zu sehen, deren humanitäre Werteordnung der Anwendung des „Geistes“ von
AVNOJ entgegensteht. Forderungen nach einem Junktim der Anerkennung der
deutschsprachigen Volksgruppe in Slowenien sowie der Außerkraftsetzung der
AVNOJ-Bestimmungen mit der Unterstützung der slowenischen Beitrittsbemühungen zur EU durch Österreich wurde dennoch seitens der österreichischen Außenpolitik mehrfach entgegen getreten (Wolfgang Schüssel, Benita Ferrero-Waldner). Zusätzlich überlagert und teilweise mit einer Reziprozität (wie schon in der
Zwischenkriegszeit) bedacht wird die Problematik von Fragen der slowenischen Minderheit in Österreich. Als zu Jahresbeginn 1998 der slowenische Außenminister Boris
Frlec in Wien gegenüber dem österreichischen Außenminister Wolfgang Schüssel eine
Bereitschaft zu einer Anerkennung der Deutschsprachigen Sloweniens in einer noch
zu verhandelnden Form signalisierte, schien kurzfristig ein Durchbruch möglich.
Kurz zuvor waren in Österreich und Slowenien zwei unabhängig voneinander erstellte
Studien vorgestellt worden, die beide die Existenz einer deutschsprachigen Volksgruppe2 in Slowenien konstatierten. Zum ersten Mal wurde das Thema auf beiden
Seiten auch für die Jahre nach 1945 – der Zeit von Genozid, Vertreibung und kommunistisch-gesellschaftlicher Umwälzung – bearbeitet. Zum ersten Mal wurde auf wissenschaftlicher Grundlage die Frage einer deutschsprachigen Volksgruppe in der
Republik Slowenien auf bilateraler Außenministerebene nicht nur angesprochen, sondern von Slowenien auch eine Bereitschaft zu einer Lösung – etwa im Rahmen eines
noch abzuschließenden Kulturabkommens zwischen beiden Staaten – signalisiert.
Angesichts der seit Jahren laufenden politischen Diskussion in Österreich und Slowenien hatte sich Frlec weit vor gewagt. Sicherheitshalber hatte er eingeschränkt: die
Minderheit sollte nicht den Verfassungsstatus der italienischen bzw. magyarischen
Minderheiten erhalten, dennoch kulturelle Förderungen, wie eine Schule mit deutscher Unterrichtssprache, erhalten. Das Ansinnen des Außenministers rief in Slowenien vielfach Empörung und offene Ablehnung hervor, so dass kurzfristig sogar mit
einer Ablösung des Ministers gerechnet wurde. Premierminister Janez Drnovšek
stellte schließlich klar, dass es nicht um eine „politische“ Anerkennung der Minderheit
gehen könne: „Wir haben kein Verständnis dafür, dass es um den politischen Status
der Minderheit geht, wie ihn die italienische und magyarische [Minderheit] in der
Verfassung haben. Es geht darum, dass die Gruppe der deutschsprachigen Slowenen
ihre kulturellen Bedürfnisse, ihre Vereine mit diesen oder jenen Aktivitäten hat, die
der slowenische Staat unterstützen kann.“ In der Kommission gegen Rassismus und
Intoleranz des Europarates in Straßburg (ECRI) wurde seit 1997 in den Berichten über
Slowenien die Existenz einer deutschsprachigen Minderheit negiert. In den slowenischen Medien und politischen Diskussionen wurde vielfach Stimmung gegen die Ten-
Stadtansicht von
Ljubljana/Laibach
(Bildausschnitt),
undatiert.
154
STEFAN KARNER
DIE DEUTSCHSPRACHIGE VOLKSGRUPPE SLOWENIENS UND AVNOJ
155
denzen zur Anerkennung der deutschsprachigen Minderheit gemacht. Oft mit den
stereotypen Gleichsetzungen von „Deutschen“ und „Nationalsozialisten“, vor allem
jedoch mit den Folgewirkungen in den
! staatsrechtlichen (Verfassungsänderung, politische Vertretung der Minderheit
im slowenischen Parlament),
! politisch-historischen (NS-Okkupation, Aussiedlung Zehntausender Slowenen,
Verfolgung und Genozid),
! wirtschaftlichen (Restitution eines großen Teils der widerrechtlich nach 1945
angeeigneten slowenischen Wirtschaftskapazitäten) und
! gesellschaftspolitischen (Etablierung einer durch Jahrzehnte als Volks- und
Klassenfeind eingestuften Gruppe) Bereichen.
Die bilateralen Verhandlungen zum Abschluss eines Kulturabkommens zwischen
Österreich und Slowenien 2001 standen immer wieder auf der Kippe. Selbst begriffliche, semantische Fragen, ja auch übersetzungstechnische Probleme, wurden intensivst erörtert. Dahinter steckten mitunter auch vermutete Verfassungsfragen mit weitreichenderen Folgewirkungen. Dies kann etwa an der Übersetzung des deutschen
Begriffs „Volksgruppe“ demonstriert werden. Der erste österreichische Vorschlag lautete auf „narodna skupnost“. Die begrifflichen Diskussionen offenbarten mit einem
Schlag die Gesamtproblematik und wurden grundsätzlich. Slowenien lehnte den Terminus „narodna skupnost“ (Volksgruppe, Gemeinschaft) letztlich mit dem Hinweis
ab, die slowenische Verfassung verwende diesen Begriff für die in der Verfassung verankerten Minderheiten der Italiener und Magyaren. Der österreichische Kompromissvorschlag lautete schließlich auf „narodna skupina“, was ebenfalls dem deutschen
Wort Volksgruppe entspricht. Slowenien lehnte auch dies mit der Begründung ab, von
einer „Volksgruppe“ könne hinsichtlich der deutschsprachigen Minderheit nicht mehr
gesprochen werden, allenfalls von Resten des Restes einer ehemaligen Minorität. In
den vorgenannten Studien herrschte weitgehende Einigkeit über die feststellbare Zahl
an Deutschsprachigen in Slowenien: 1.813 plus eine nicht näher quantifizierbare Zahl
an Menschen, die sich bei der Volkszählung 1991 noch nicht als Angehörige der seit
1944 verfolgten Minderheit zählen ließen. In der Bewertung der Zahl in Richtung
einer Volksgruppe gingen die Meinungen allerdings auseinander. Während die österreichische Studie vom Vorliegen einer Volksgruppe mit allen dazugehörigen Kriterien
– vor allem im kulturellen und gruppenimmanenten Sinne – sprach, erklärte die slowenische Sammelstudie diese zu „Resten vom Rest“ einer ehemaligen Minderheit. Ein
Hauptargument: die stark gestreute Ansiedlung der Deutschsprachigen in Slowenien.
Die slowenische Politik folgte schließlich der Bewertung ihrer Forschergruppe.
Die Haltung der slowenischen Politik und jene Österreichs ist nur vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung erklärbar und wird zudem von der kaum bis nicht
aufgearbeiteten Geschichte fast täglich gespeist. Nach der letzten Volkszählung der
Monarchie (Umgangssprachenzählung) lebten 1910 auf dem Gebiet des heutigen Slowenien 106.255 Angehörige der deutschsprachigen Volksgruppe, rund 9,4 Prozent der
Gesamtbevölkerung dieses Gebietes. Die stärksten Konzentrationen der deutschsprachigen Bevölkerung fanden sich in und um Marburg an der Drau, in der Gottschee, in
Windischgraz und in Laibach. In der Stadt Marburg gaben 80,9 Prozent der Einwohner
Deutsch als Umgangssprache an, nur unwesentlich weniger als gleichzeitig in Klagenfurt. 1918/19 waren die Deutschsprachigen des Landes binnen weniger Monate vom
Staatsvolk zu einer repressierten Minderheit im serbisch dominierten SHS-Staat geworden. Ihre personelle Stärke war bei der ersten südslawischen Volkszählung 1921 (Muttersprachenzählung) auf 41.514 Personen und damit auf weniger als die Hälfte gegenüber 1910 und zehn Jahre später sogar auf 28.998 gesunken. Von ihnen lebten 1931
etwas mehr als die Hälfte in Krain, knapp über 12.000 in der Untersteiermark. Dennoch
waren trotz staatlicher Sequestrierung und Staatsaufsicht die wesentlichen „deutschen“
Vermögenswerte im Lande geblieben und die deutschsprachige Volksgruppe war für
die Wirtschaft auch weiterhin maßgeblich. Die führende slowenische katholische Zei-
28. Juli 1939, Markt
in Marburg.
tung, der Laibacher Slovenec, schrieb 1932 das Gefühl vieler Slowenen nieder: „bei uns
der Herr, er ist Fabrikbesitzer, Kaufmann oder wenigstens Fleischhauer. Ja, er ist der
Herr, in dessen Händen das Schicksal Tausender unserer Arbeiter liegt. Er ist ihr Brotgeber – so denkt er bei sich. Er fühlt sich als Sohn einer herrschenden Nation [...].“
Im April 1941 wurde das slowenische Gebiet zwischen dem faschistischen Italien,
Hitler-Deutschland und seinem Satelliten Ungarn aufgeteilt. In den vom „Dritten
Reich“ zivilverwalteten Gebieten der Untersteiermark und Oberkrains vollführte der
Okkupator eine Germanisierungspolitik, durch die Hunderttausende Menschen
repressiert, Zehntausende deportiert und Tausende ermordet wurden. Ihr Ergebnis:
! Zehntausende versetzte Personen (Slowenen, „Volksdeutsche“ aus dem gesamten Balkanraum und Schwarzmeergebiet, Gottscheer),
! eine allerorten stärker werdende Partisanenbewegung gegen den deutschen
Okkupator, die sehr bald von Kommunisten übernommen und geführt wurde,
! der Hass, der als Folge der NS-Besatzungspolitik den Angehörigen der deutschsprachigen Volksgruppe 1945 im ganzen Land entgegen schlug, teilweise angetrieben von Maßnahmen und dem offenen Terror von Tito-Partisanen. Tausende Menschenrechtsverletzungen, Demütigungen, Morde, die Zerstörung
der jahrhundertealten Gottscheer Bauernkultur und die Vertreibung Zehntausender der deutschsprachigen Volksgruppe, der man kollektiv Verrat an ihrer
angestammten Heimat vorwarf. Ein bis heute immer wieder vorgebrachter,
doch in einer simplen Täter-Opfer-Relation nicht zutreffender Vorwurf.
! Einige durchaus beachtliche Wirtschaftsimpulse (Aufbau von Großbetrieben für
die deutsche Rüstung, Ausbau der Energieversorgung, vor allem für Süddeutschland).
Die Vorfeldorganisationen der NSDAP, „Heimatbund“ und „Volksbund“ waren ab
11. Mai 1941 die einzig erlaubten politischen Bewegungen mit der eindeutig formulierten Aufgabe, „die Menschen dieses Landes seelisch, geistig und politisch zu führen
und sie zu bewussten Bürgern des Reiches und vollwertigen Gliedern der deutschen
Volksgenossenschaft zu erziehen“. Der breiten Masse der Slowenen wurde eine „Staatsbürgerschaft auf Widerruf “ verliehen. Slowenen, die aufgrund der rassischen und
politischen Bewertungen für die Aussiedlung vorgesehen waren, erhielten keine deutsche Staatsbürgerschaft und wurden „Schutzangehörige“ des Deutschen Reiches, sie
wurden weder zum RAD noch zur Wehrmacht eingezogen, sondern hatten zwischen
156
STEFAN KARNER
dem 17. und 25. Lebensjahr eine „Sonderdienstpflicht“ in Form eines Landjahres bei
obersteirischen Bauern zu verrichten. Seit 1943 wurden die „Schutzangehörigen“ zur
Ableistung ihres Arbeitsjahres in untersteirischen Lagern zusammengefasst. Für sie
galten ab 25. März 1942 die Bestimmungen der Nürnberger Rassegesetze: Keine Eheschließungen mit Deutschen, Verbot des außerehelichen Verkehrs mit „Deutschen“
von Oberkrain und der Untersteiermark, Verhinderung ihrer biologischen Vermehrung. Die volle „deutsche Staatsbürgerschaft“ erwarben mit rückwirkender Wirkung
vom 14. April 1941 die Angehörigen der deutschsprachigen Volksgruppe des Gebietes.
Am 20. November 1943 war auf der Versammlung des Antifaschistischen Rates der
Volksbefreiung Jugoslawiens (AVNOJ) in Jajce die Reorganisation Jugoslawiens auf
föderaler Grundlage beschlossen, die Exilregierung für Jugoslawien aberkannt, und
eine Rückkehr des jugoslawischen Königs Peter II. verboten worden. Gleichzeitig
wurde der Anschluss der slowenischen Gebiete an Jugoslawien proklamiert und konzeptiv die Auslöschung der deutschsprachigen Bevölkerung Jugoslawiens beschlossen.
Ihr Ziel, wie es im November 1944 vom Antifaschistischen Rat der Volksbefreiung Jugoslawiens, einer Art Kriegsparlament, schließlich in Beschlüssen formuliert wurde, war
die Aberkennung der Bürgerrechte und die gewaltsame Enteignung der deutschsprachigen Volksgruppe sowie ihre Degradierung zu recht- und besitzlosen, unerwünschten Nicht-mehr-Bürgern des Staates. [Vergleiche den Beitrag Michael Portmanns Die
donauschwäbische Bevölkerung in der Vojvodina: Flucht, Internierung und Aussiedlungspolitik in diesem Band, Anm. d. Red.] Eine schon seit November 1943 laufende
propagandistische Offensive der kommunistischen Partisanen erklärte die Volksgruppe de facto für „vogelfrei“ und schürte einen gewaltigen Hass gegen ihre Angehörigen. Auf gesetzlicher Basis wurden in den Jahren 1944 bis 1945 vom AVNOJ ein
Bündel weitreichender (Geheim)-Erlässe und Grundsatzbeschlüsse erlassen, die spätestens am 1. Dezember 1945 pauschal auch Gesetzeskraft in der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien (FLRJ) erlangten. Unter ihnen die AVNOJ-Verfügung vom
21. November 1943 Über die Aberkennung der Bürgerrechte, der AVNOJ-Beschluss
vom 21. November 1944 über die Enteignung und anschließende Konfiszierung des
gesamten deutschen Staats- und Privatvermögens, des „Feindvermögens“, das Gesetz
über die Agrarreform und Kolonisierung vom 23. August 1945, das zur Konfiszierung
des Besitzes von knapp 100.000 Bauern mit über 630.000 Hektar Grundfläche, darunter tausender Bauern der deutschsprachigen Volksgruppe führte, oder der Gründung
einer Staatlichen Kommission zur Erhebung von Verbrechen, die von den Okkupatoren und ihren Helfern verübt wurden.
Damit waren die wesentlichsten rechtlichen Vorbedingungen zur ethnischen,
wirtschaftlichen und physischen Vernichtung der deutschsprachigen Volksgruppe
auch für Slowenien getroffen worden. 1948 wies die jugoslawische Volkszählung nur
noch eine deutschsprachige Minderheit von 2.406 Personen (davon 1.824, die sich als
„Deutsche“ und 536, die sich als „Österreicher“ bezeichnet hatten) aus. Die ethnische
Säuberung schien fast total. Zudem fällt auch auf, dass die Vertreibungs- und Internierungspolitik der Partisanen bzw. später des jugoslawischen Staates, im Gegensatz etwa
zur Tschechoslowakei wo neben der deutschsprachigen auch große Teile der ungarischen Bevölkerung vertrieben wurden, sich ausschließlich gegen die deutschsprachige
Volksgruppe, in der Diktion der Zeit: gegen die „Deutschen“ des Landes, gerichtet
hatte.
Boris Kidrič forderte als Vorsitzender der ersten slowenischen Nachkriegsregierung in einer Rede auf dem Marburger Hauptplatz im Juni 1945 ausdrücklich: „Aus
den nördlichen Gebieten müssen die Reste des Deutschtums verschwinden. Es ist
unzulässig, dass diese Reste noch auf slowenischer und jugoslawischer Erde spazieren
gehen. Diese Leute, die den Schweiß des Volkes ausgesaugt haben, diese Leute, die
mithalfen unser Volk zu versklaven, diese Leute dürfen nicht mehr hier bleiben. Es
darf nicht sein, dass in unserer Kolchose noch Leute sind, die vom Fleiß und Schweiß
unserer Winzer lebten und diese ausbeuteten. [...] Das ist unsere Erde und bleibt es
auch [...].“
DIE DEUTSCHSPRACHIGE VOLKSGRUPPE SLOWENIENS UND AVNOJ
Wie in anderen ostmitteleuropäischen Staaten lief die ethnische Säuberung des Landes
von der deutschsprachigen Volksgruppe im Wesentlichen in folgenden Stufen ab:
1. Zuweisung einer Kollektivschuld (AVNOJ und die folgenden jugoslawischen
Gesetze),
2. kollektive Enteignung,
3. kollektives Entwurzeln und Schaffung von Displaced Persons (DPs) durch Fortschaffen aus den angestammten Lebenszusammenhängen, Dörfern, Gemeinden, Ländern,
4. kollektive Deportationen, meist durch Zwischenstationen in Lagern (Sterntal),
strapaziöse Fußmärsche, Bahntransporte,
5. gewaltsame und gewaltbereite Umfeldsituation (junge Partisanen, Vergewaltigungen, Hunger, persönliche Demütigungen),
6. Subjektive Persönlichkeitsverletzungen, die Großteils bis heute nachwirken.
Zum 1. Oktober 1953 lebten in Österreich 119.602 Angehörige der ehemaligen
deutschsprachigen Volksgruppe aus Jugoslawien, teilweise noch in Lagern. Von ihnen
hatten 29.821 die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten. Die Mehrzahl der in
Jugoslawien verbliebenen Angehörigen der deutschsprachigen Volksgruppe waren bis
1948 in Lagern interniert und festgehalten worden. Nach der Schließung der Lager
kehrten viele von ihnen wieder in ihre angestammten Wohnorte, vor allem in die Gottschee, nach Marburg/Maribor, ins Abstaller Feld und nach Laibach zurück, die sie in
den folgenden Jahren nicht verlassen durften. Zusätzlich erhielten sie eine Arbeitsdienstpflicht. Angehörige der deutschsprachigen Volksgruppe, die in Slowenien geblieben waren, hatten in der Folge immer wieder Schikanen der staatlichen Organe, in den
Schulen, im beruflichen Fortkommen und bei kulturellen Organisationen zu gewärtigen. Viele versuchten dem dadurch zu entkommen, dass sie sich möglichst rasch
anpassten und ihre nationale Identität in der Öffentlichkeit versteckten. So durften sie
etwa, da sie mitunter als Deutschsprachige wegen diverser, meist angelasteter Vergehen
in der Okkupationszeit verurteilt worden waren, den Familiennamen nicht ändern.
Im Jahre 1951 wurde der Kriegszustand zwischen Jugoslawien und Österreich
sowie Deutschland offiziell als beendet erklärt, ab 1955 normalisierten sich allmählich
die Beziehungen zwischen Tito-Jugoslawien und den beiden Staaten. Jugoslawien trat
1955 dem Österreichischen Staatsvertrag gemäß Artikel 37 als assoziierte Macht bei.
157
Ansicht Bleder See
um 1939.
158
STEFAN KARNER
Vor allem aber räumte der Artikel 27 des Österreichischen Staatsvertrages „der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien das Recht ein, österreichische Vermögenschaften,
Rechte und Interessen, die sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens des vorliegenden Vertrages auf jugoslawischem Gebiet befinden, zu beschlagnahmen, zurückzubehalten oder zu
liquidieren. Die österreichische Regierung verpflichtet sich, österreichische Staatsangehörige, deren Vermögen auf Grund dieses Paragrafen herangezogen wird, zu entschädigen“. Eine Anerkennung der deutschsprachigen Volksgruppe als einer „nationalen Minderheit“ erfolgte während der gesamten Nachkriegszeit weder in Slowenien, noch in
Jugoslawien. Damit wurden ihr die Möglichkeiten einer Unterrichtssprache Deutsch,
eines eigenen Mediums, einer eigenen Organisation auf nationalpolitischer Basis sowie
einer organisierten Vertretung vor den staatlichen Regierungsstellen verwehrt. Ihre ethnische Identität haben viele von ihnen dennoch bewahrt.
1991 erklärten sich 1.813 Personen als zur deutschsprachigen Volksgruppe gehörig. Dazu ist jedoch eine nicht näher quantifizierbare Zahl von Personen, vor allem
jüngerer, im Beruf stehender Menschen, zu addieren, die ihr „Deutschtum“ noch nicht
in der einen oder anderen möglichen Form deklariert hatten. Angeführt soll in diesem
Zusammenhang auch werden, dass die noch jugoslawische Volkszählung von 1991
auch 2.582 Personen ermittelte, die Deutsch als Umgangssprache im familiären
Umfeld verwendeten und dies auch angaben, was – trotz der überwiegend von ihnen
angeführten slowenischen Muttersprache und dem slowenischen Volksgruppenbekenntnis, doch auch auf eine gewisse Nähe zur deutschsprachigen Volksgruppe schließen lässt. Die folgenden Volkszählungen der Republik Slowenien erbrachten sehr ähnliche Werte. Die Volksgruppe konnte sich seit 1991 in mehreren Vereinen artikulieren.
Unter ihre vielfältigen kulturellen Aktivitäten fallen vor allem die Organisierung von
Kulturabenden, deutschsprachigen Gottesdiensten, Ausstellungen, Restaurierungen
von Kulturdenkmälern und Kirchen, die Vertretung von Rückstellungsforderungen
und die rechtliche Beratung von Angehörigen der deutschsprachigen Volksgruppe ins
Gewicht. Auch das 2001 zustande gekommene Kulturabkommen zwischen Österreich
und der Republik Slowenien brachte keine entscheidende rechtliche Besserstellung
der Deutschen des Landes.
Zweifelsfrei ist, dass die Geschichte der Vertreibung – neben dem Verbrechen des
Holocaust an den europäischen Juden und den slawischen Völkern – zu den gravierendsten Erfahrungen der Deutschen im 20. Jahrhundert gehört. Sie ist auch vielfach
untrennbar verbunden mit dem Holocaust, was ihre Verarbeitung doppelt erschwert.
Sollen/können Täter zu Opfern werden? Und Opfer wieder zu Tätern? Ralph Giordano
forderte erst kürzlich die Einhaltung des Prinzips: „Die Humanitas ist unteilbar“. Und:
„Wer die Vorgeschichte der Vertreibung verdrängt, verstößt ebenso gegen diesen
Grundsatz wie der, welcher deren Nachgeschichte ausblendet“.
Ein langsamer politischer Umdenkprozess in Slowenien lässt einen schmalen Silberstreif am Horizont erahnen. Wesentlich dafür scheinen die Ortstafellösung in
Kärnten sowie die politischen Veränderungen in Slowenien sowie die Initiativen von
Kärntner und österreichischen Politikern zu sein, die in gemeinsamen Veranstaltungen mit ihren slowenischen Kollegen versuchen, die wunden Punkte aufzuarbeiten.
1
2
Der Beitrag entspricht im Wesentlichen dem gesprochenen Wort, daher wird auf Einzelnachweise
verzichtet. Diese finden sich bei Stefan Karner, Die deutschsprachige Volksgruppe in Slowenien
1939 –1997. Aspekte ihrer Entwicklung, Klagenfurt/ Ljubljana/ Wien 1998 und: Dušan Nećak (Hg.),
„Nemci“ na Slovenskem 1941–1955. Ljubljana 1998. Dort auch die vielfältigen Literatur- und Quellennachweise. – Stefan Karner war auf österreichischer Seite, gemeinsam mit Arnold Suppan, Co-Vorsitzender der 2001 gegründeten Österreichisch-Slowenischen Historikerkommission. Trotz zahlreicher
inhaltlicher Annäherungen wurde keine gemeinsame Publikation vorgelegt.
Der Begriff „Volksgruppe“, der aus der österreichischen Rechtsterminologie stammt, wird bewusst als
nicht-parteiischer Sammelbegriff für „Nation“, „Nationalität“, „nationale Minderheit“, „ethnische
DIE DEUTSCHSPRACHIGE VOLKSGRUPPE SLOWENIENS UND AVNOJ
Gruppe“, „Ethnie“ oder „Volk“ verwendet. Die slowenische Verfassung vom 25.6.1991 kennt als
Minderheitenbegriff den Terminus „autochthone Volksgruppe/autochthone nationale Gemeinschaft“
(avtohtona narodna skupnost). Der Terminus „deutschsprachige Volksgruppe“ wird in der Folge
kumulativ für Personen verstanden, die entweder
1. autochthon (bodenständig) im Gebiet Sloweniens, vor allem in den Städten als Nachkommen der
aus dem 19. Jahrhundert stammenden bürgerlichen Schicht und in einzelnen bäuerlichen Gebieten wie
dem Abstaller Feld/Apaško polje oder in der Gottschee/Kočevje, siedeln,
2. als Muttersprache in der Volkszählung 1991 „deutsch“ angeführt haben
3. aus einem deutschsprachigen Land (meist Deutschland, Österreich oder Schweiz) zugewandert und
deutschsprachig sind,
4. auf andere Art eine gewisse Nähe zum „Deutschtum“ (etwa in der verwendeten Umgangssprache im
familiären Rahmen) zeigen.
Die Terminologie der slowenischen Volkszählung von 1991 kennt für die Deutschsprachigen folgende
zwei Volksgruppenzugehörigkeiten: „Deutscher“ und „Österreicher“. Weiter wurden eine deutsche Muttersprache und eine deutsche Umgangssprache im familiären Rahmen erhoben. Die Angaben der deutschen Umgangssprache im persönlichen Umfeld werden nur als unterstützendes Kriterium betrachtet.
Der in der Arbeit verwendete Terminus „Deutschsprachige Volksgruppe“ versucht den im Lichte der
aktuellen Nationalitätsbegriffe immer wieder zu Missverständnissen Anlass gebenden, jedoch historisch sowie ethnisch ebenso vertretbaren Terminus einer „deutschen Volksgruppe“ zu überwinden. Je
nach Epoche und politischem Kontext können dafür auch die Begriffe „Volksdeutsche“, oder „Deutschsprachige“ verwendet werden. Unter der umfangreichen und umfassenden Literatur zu Volksgruppenfragen und Minderheiten, die hier auch nicht ansatzweise referiert wird, vgl. exemplarisch dazu u.a.:
Alfred Verdross, Völkerrecht, 2. Aufl., Wien 1950; Tine Hribar, Slovenska državnost, Ljubljana 1989;
Joseph Marko, Der Minderheitenschutz in den jugoslawischen Nachfolgestaaten. Slowenien, Kroatien
und Mazedonien sowie die Bundesrepublik Jugoslawien mit Serbien und Montenegro (Minderheitenschutz im östlichen Europa 5), Bonn 1996, S. 126 ff.
159
160
ALEKSANDAR KREL
Aleksandar Krel
Die ethnische Mimikry der deutschen Minderheit
im sozialistischen Jugoslawien
Vereinswappen der
Donau in Neusatz.
Einführungsteil1
Bei der Erforschung der ethnischen Identität der heutigen Vojvodinadeutschen, einer
der zahlreichen ethnischen und nationalen Minderheiten2, die im Gebiet der Vojvodina, den Nordregionen der Republik Serbien, leben, habe ich Feldforschungen unter
den Personen durchgeführt, die sich bei der Volkszählung im Jahre 2002 als Angehörige dieser Gruppe deklariert haben. Die Untersuchung wurde in den Jahren 2004 bis
2008 mehrfach unter Führungspersonen, Aktivisten und Mitgliedern von vier lokalen
Nichtregierungsorganisationen durchgeführt, in denen sich Angehörige der deutschen Minderheit zusammengeschlossen haben.3
In meiner Forschung fasse ich den Terminus ethnische Identität4 als Kategorie auf,
die durch die Beziehung zwischen der „eigenen“ und den „anderen“ Gruppen gebildet
wird. Als ethnische Gruppe habe ich die untersuchte Gemeinschaft der Vojvodinadeutschen als Gruppe erlebt, die ihre Ethnizität nicht a priori hervorbringt, sondern
sie „durch die Beziehung mit anderen Gemeinschaften,
durch den Identifikationsprozess ihrer Anhänger und
die Manifestierung ihrer Identität in der gesellschaftlichen Praxis“ herausbildet.5 Eingedenk dessen, dass die
ethnische Identität einer untersuchten Gemeinschaft
ein sehr komplexes Phänomen darstellt, kann ihre
Erforschung auf die Betrachtung und Untersuchung der
objektiven Identitätsparameter der untersuchten ethnischen Gemeinschaft (wie Sprache, Religion und Brauchtum) gerichtet sein, aber sie kann auch auf der Grundlage einer Analyse der subjektiven Erlebnisse, denen ihre Mitglieder selbst durch ihre
ethnischen Symbole und ihre gesellschaftliche Praxis (ethnische Stereotype, ethnische
Distanz, ethnische Verbundenheit/Nähe u. ä.) Bedeutung zuweisen, durchgeführt
werden; zugleich kann die Untersuchung auch auf die Erforschung des Institutionalisierungsgrads der ethnischen Identität (Vereinigungen und amtliche Organisationen,
ihre Programme und Projekte, Medien u. ä.) gerichtet sein.6 Da sich die ethnische
Identität einer untersuchten Gemeinschaft durch unterschiedliche Aspekte äußert,
kann jeder von ihnen selbstständig in das Zentrum des Forschungsinteresse treten.
Im Verlauf meiner Untersuchung fiel mir auf, dass einer der wichtigsten Momente
im Leben der heutigen Vojvodinadeutschen sich im Jahre 1992 in Neusatz ereignet
hat, als sich Die Donau konstituierte – die erste Nichtregierungsvereinigung, in der
sich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Angehörige der deutschen Minderheit
aus dem Raum der Vojvodina zusammengeschlossen haben. Ihre Gründung bedeutete die Beendigung der ethnischen Mimikry der Vojvodinadeutschen, die im sozialistischen Jugoslawien von der Auflösung der Sammellager für Angehörige der deutschen Minderheit (1948) bis in die frühen 1990er Jahre gedauert hat. Im Laufe dieser
Periode kam es zum fast vollständigen Verschwinden der ethnischen und kulturellen
Identität der Vojvodinadeutschen.
Die Gründung der Vereinigung Die Donau in Neusatz initiierte die Bildung ähnlicher Vereinigungen auch in anderen urbanen Zentren der Vojvodina, in denen Deutsche leben. Ihre Führung, Aktivisten und Mitglieder fanden sich vor derselben Aufgabe – der (Re-)Konstruktion der ethnischen Identität der deutschen Gemeinschaft in
ihren lokalen Zentren, und danach auch der öffentlichen Manifestierung ihrer wich-
DIE ETHNISCHE MIMIKRY DER DEUTSCHEN MINDERHEIT IM SOZIALISTISCHEN JUGOSLAWIEN
161
tigsten Symbole. Dieses komplizierte Unterfangen von vitaler Bedeutung für die Existenz der deutschen Gemeinschaft in der Vojvodina erforderte die Abkehr von der bisherigen Identitätsstrategie. Deshalb machten sich die Führungspersönlichkeiten der
lokalen deutschen Vereinigungen – die die historische Erfahrung gelehrt hatte, dass
die Vojvodinadeutschen in der Folge jedes militärischen Konfliktes, der im 20. Jahrhundert ausgetragen worden war, „mit Gnade oder Gewalt“ ihre eigene ethnische
Strategie hatten ändern müssen – unmittelbar nach dem Zerfall der Sozialistischen
Föderativen Republik Jugoslawien an den Prozess der Substituierung ihrer Identitätsstrategie. Dieser Prozess wurde durch die Tendenz zur Anpassung der verfassungsrechtlichen Paradigmen für den Schutz nationaler Minderheiten an aktuelle europäische Standards erleichtert.7
Die Deutschen in der Vojvodina von der Ansiedlung bis zum Zweiten Weltkrieg:
der sozialhistorische Kontext des Problems
Die militärischen Konflikte, die gegen Ende des 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts zwischen zwei Imperien, dem österreichischen und dem türkischen, entfacht
wurden, führten zur Niederlage des osmanischen Heeres und zu seinem Rückzug aus
dem zentralen und dem südlichen Teil Ungarns und wenig später zum Anschluss dieser Territorien an Österreich. Da diese Gebiete infolge der langjährigen türkischen
Besetzung entvölkert und zusätzlich durch die Kriegshandlungen zerstört waren,
zeigte sich bald die Notwendigkeit, sie zu kolonisieren.8
Angezogen von Sonderrechten und Steuererleichterungen, die von der österreichischen Regierung versprochen wurden, fand sich unter den Kolonisten eine große Zahl
deutscher Handwerker und Ackerbauern, die aus den damaligen deutschen Fürstentümern in den mittleren und südlichen Donauraum kamen, um sich dort anzusiedeln.
Jedoch dauerte es einige Zeit, die ausgeprägten, vor allem konfessionellen, danach
sprachlichen und kulturellen Unterschiede zwischen diesen Kolonisten aus verschiedenen Gebieten des damaligen Deutschland, Frankreich, Österreich und Luxemburg
(Baden, Württemberg, Elsass, Lothringen, Sachsen, Tirol, Schlesien und Preußen) zu
überwinden. Erst den Generationen ihrer Nachkommen gelang es – nachdem sie sich
für die Überwindung der gegenseitigen Unterschiede und das Insistieren auf gemeinsamen kulturellen Charakteristika und Modellen entschieden hatten – sich zu einer
Ober-Mühl an der
Donau. Auf sogenannten Ulmer
Schachteln fuhren
deutschsprachige
Siedler die Donau
hinunter. Im Hafen
von Apatin angekommen, setzten sie ihren
Weg zu Lande fort.
Kolorierter Stahlstich, um 1850.
162
ALEKSANDAR KREL
einheitlichen ethnischen Gesamtheit im südlichen Donauraum zu verbinden, den
Donauschwaben.9
Die deutsche Literatursprache spielte eine bedeutende Rolle im gesellschaftlichen
Leben dieser Gemeinschaft, diente sie doch zur Überwindung der idiomatischen
Unterschiede10 zwischen den deutschen Einwanderern und ermöglichte ihre ungestörte Kommunikation. Später, als sich mit der Zeit die Unterschiede zwischen den
deutschen Kolonisten angeglichen hatten, diente sie als wichtiges Mittel im Prozess
ihrer ethnischen Identifikation und der Herausbildung ihrer separaten ethnischen
Gemeinschaft – der Donauschwaben.
Durch die Beschlüsse der Pariser Friedenskonferenzen wurden die Donauschwaben entlang der mittleren und südlichen Donau durch die Grenzen der nach dem
Zerfall Österreich-Ungarns gebildeten Staaten, in denen sie den Status nationaler
Minderheiten erhielten, getrennt. Dasselbe galt für ihre Konnationalen im Königreich
der Serben, Kroaten und Slowenen.11 In ihm führten die Deutschen bis zum Ende des
Zweiten Weltkriegs kontinuierlich ein reiches und dynamisches Wirtschafts-, Politiksowie Kulturleben und manifestierten öffentlich die Symbole ihrer eigenen nationalen
Identität mittels zahlreicher kultureller Institutionen. Die deutsche Sprache war eines
der eindeutigsten Symbole ihrer ethnischen Identität.
Die Angehörigen der deutschen Minderheit im Königreich Jugoslawien zahlten wie
ihre Konnationalen in den anderen Staaten des Donauraums einen allzu hohen Preis für
die Entscheidung ihrer damaligen Führung, die Politik des nationalsozialistischen
Deutschland und seiner Verbündeten zu unterstützen. Nach der militärischen Niederlage Nazi-Deutschlands traf die Jugoslawiendeutschen wegen der Rolle, die viele ihrer
Konnationalen – Staatsbürger Jugoslawiens – beim Angriff der Achsenmächte auf das
Königreich Jugoslawien gespielt hatten, große Not wegen der massenhaften Mitwirkung
in paramilitärischen und Polizeieinheiten (die als Machthebel des Besatzungssystems
dienten) und der Beteiligung an zahlreichen Militär- und Polizeiaktionen dieser Einheiten gegen Aufständische und Zivilbevölkerung auf ihrem Territorium, bei denen
Kriegsverbrechen begangen wurden. Die Angehörigen der deutschen Gemeinschaft im
gerade befreiten Jugoslawien wurden als Kollektivschuldige für alle Kriegsgräuel ausgemacht und sahen sich mit roher Vergeltung konfrontiert: der Aberkennung ihrer bürgerlichen Rechte, dem Verlust des Eigentumsrechts an ihrem beweglichem und unbeweglichem Besitz (der während der Neubesiedlung der Vojvodina, die kurz darauf
folgte, unter den Neusiedlern aus Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien, Montenegro und Makedonien aufgeteilt wurde) und ihrer Internierung in Sammel- und Arbeitslagern. In dieser Zeit gelang es nur wenigen Angehörigen der deutschen Minderheit,
den heftigen repressiven Maßnahmen der nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs
und der sozialistischen Revolution etablierten jugoslawischen Herrschaft zu entgehen.12
Die Phase der ethnischen Mimikry der Deutschen in der Vojvodina im
sozialistischen Jugoslawien
Als die jugoslawischen Behörden zu der Auffassung gelangten, dass die Jugoslawiendeutschen eine wichtige Rolle beim wirtschaftlichen Wiederaufbau und der weiteren
Entwicklung des vom Krieg verwüsteten Landes spielen konnten, entschlossen sie
sich, mit ihrer Reintegration in die „sozialistische Gemeinschaft der Nationen und
Nationalitäten“ zu beginnen. Deshalb wurde der Beschluss gefasst, im Jahre 1948 die
verbliebenen Sammel- und/oder Arbeitslager aufzulösen, und die dort internierten
Personen der deutschen Minderheit in die Freiheit zu entlassen. Leider erlebte eine
große Zahl ihrer Konnationalen, darunter vor allem Kinder und alte Leute, diesen
Zeitpunkt nicht mehr.13
Die Jugoslawiendeutschen, die sich schließlich in Freiheit befanden, waren verpflichtet, Arbeitsverträge zu unterschreiben (in der Regel für einen Dreijahreszeitraum); erst nach deren Ablauf wurde ihnen erlaubt, ihren Wohnort frei zu wählen.
Jedoch lebten in diesem Zeitraum viele unter sehr schlechten Bedingungen, waren sie
doch mit ihren Familienmitgliedern auf provisorische Unterkünfte verteilt.14
DIE ETHNISCHE MIMIKRY DER DEUTSCHEN MINDERHEIT IM SOZIALISTISCHEN JUGOSLAWIEN
Mit Zustimmung der Regierung begann man, deutsche Kultur-, Kunst- und Sportgesellschaften zu gründen; es wurden einige Schulabteilungen eröffnet, in denen die
Kinder Unterricht in deutscher Sprache besuchen konnten, und es erschienen auch
einige deutschsprachige Zeitungen. Den Jugoslawiendeutschen wurden nach und nach
die bürgerlichen Rechte wieder gewährt.15 Jedoch führten die organisierten Versuche
der Regierung, die verbliebenen Deutschen aktiv in das gesellschaftliche, wirtschaftliche
und kulturelle Leben zu integrieren, nicht zu den erwarteten Ergebnissen. Die Mehrzahl
der Jugoslawiendeutschen entschied sich im Laufe der 1960er Jahre, ihr legitimes Recht
zur Aussiedlung wahrzunehmen (vor allem zu bereits geflüchteten Verwandten in die
Bundesrepublik Deutschland und nach Österreich); in Jugoslawien verblieb, konzentriert in der Vojvodina, nur eine kleine Zahl von Angehörigen dieser nationalen Gruppe.
So wie allmählich der Druck nachließ, dem sie in den vorangegangenen Jahrzehnten
ausgesetzt gewesen waren, verbesserte sich nach und nach auch ihre Lage. Obwohl ihre
Rechte seit Mitte der 1960er Jahre formal den Rechten der anderen nationalen Minderheiten in Jugoslawien angeglichen wurden, waren die Erinnerungen an die unter der
Last der Repression erlebten Jahrzehnte noch immer sehr stark und bestimmten entscheidend die Identitätsstrategie der Mitglieder dieser ethnischen Gemeinschaft.
Geprägt von den bitteren Erinnerungen an die Lagertage und bedrängt von der
misstrauischen Haltung der Umgebung, ein Ergebnis der immer noch virulenten
antideutschen Haltung, ohne formelle gegenseitige Verbundenheit und Zusammenarbeit, ohne eine Institution, die sie auf irgendeine Weise organisiert und sich um ihre
Lage in der Gesellschaft gesorgt hätte, entschied sich die größte Zahl der in Jugoslawien verbliebenen Deutschen für die ethnische Mimikry. Diese Identitätsstrategie16
kennzeichnen der bewusste zeitweise oder dauerhafte Verzicht auf die öffentliche Verwendung der Symbole und/oder ethnischen Identitätsmarker der eigenen Gemeinschaft wie auch die bewusste Übernahme und öffentliche Verwendung der Symbole
und/oder Marker anderer ethnischer Gruppen aus dem unmittelbaren Umfeld, die zu
diesem Zeitpunkt eine günstigere gesellschaftliche Stellung haben.17 So deklarierten
sich in den zwischen 1945 und 1991 durchgeführten Volkszählungen Personen deutscher Herkunft als Ungarn, Kroaten, Tschechen, Serben oder als Angehörige einer
anderen ethnischen Gruppe aus der unmittelbaren Umgebung, da die Angst aufgrund
der traumatischen Nachkriegserfahrungen noch immer nachwirkte. In den meisten
Fällen legten sie für einige Zeit oder für immer ihre eigenen Vor- und Familiennamen
ab und/oder verbargen sie, oft indem sie andere, unter den Angehörigen der ungarischen, kroatischen, serbischen oder irgendeiner anderen ethnischen Gruppe verbreitete Vor- und Familiennamen annahmen.18
Von der Tarnung der ethnischen Zugehörigkeit in schweren Zeiten zeugt das Beispiel eines Befragten aus Subotica, der in einer gemischten Ehe mit einem deutschen
Vater und einer ungarischen Mutter geboren worden war. Bald nach seiner Verhaftung
im Herbst 1944 und der Abführung in ein Sammellager starb der Vater. Aus Furcht um
das eigene Schicksal und das des Kindes legte die Mutter meines Interviewpartners
zuerst amtlich den gemeinsamen Familiennamen ab und nahm ihren Mädchennamen
wieder an, der zum amtlichen Familiennamen meines Interviewpartners und seiner
Mutter wurde. Gleichzeitig änderte die Mutter auch seinen Vornamen und gab ihm
einen neuen, unter den Ungarn in der Vojvodina relativ verbreiteten Vornamen. Dieses
Vorgehen stellt einen der für diese Zeit typischen und gar nicht seltenen Versuche dar,
die sichtbaren Verbindungen mit der deutschen Minderheit oder mindestens die offensichtlichsten Elemente, auf die sich ihre ethnische Identität gründete, auszulöschen.
Auf die Frage, wie er mit seiner ethnischen Identität nach der Änderung des Vor- und
Familiennamens umgegangen ist, beziehungsweise nach den Ereignissen, die, wie er
selbst bestätigte, in großem Maße seine Kindheit und Jugend geprägt haben, antwortete
mein Interviewpartner: „Auch wenn mir die Mutter erzählt hat, dass die Deutschen ein
sehr tüchtiges Volk sind und dass man sich ihrer nicht schämen muss und man ihre
Sprache lernen soll, soll man sich damit nicht brüsten.“ (männlich, Jahrgang 1943, Subotica)
163
164
ALEKSANDAR KREL
Das ist einer von zahlreichen Fällen unter den Vojvodinadeutschen, die damals
einen ethnischen Transfer ausgeführt haben. Bei dessen Vollzug behielt mein Interviewpartner trotz der Aufgabe der deutschen Identität und der öffentlichen Manifestation
von Symbolen, die für die Identität der Ungarn in der Vojvodina charakteristisch sind,
das Bewusstsein, dass er sich deshalb so verhielt, weil er sich davor fürchtete, seine
ethnische Zugehörigkeit in seinem Lebensumfeld offen zu erklären.19
Unter den Angehörigen der deutschen Minderheit in Karlowitz, die das Schicksal
ihrer Konnationalen in der Vojvodina teilten, war die ethnische Mimikry ebenfalls die
dominante ethnische Strategie. Der größte Teil ihrer Mitglieder entschied sich in der
zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts für die bewusste und planmäßige Tarnung und/
oder das Ablegen des Deutschtums und die Akzeptenz von Symbolen/Markern der
ethnischen Identität von ethnischen Gruppen aus der unmittelbaren Umgebung. Zur
bewussten „Nachgiebigkeit“ und/oder „Durchlässigkeit“ der ethnischen Grenzen der
deutschen Gemeinschaft trug die beträchtliche Zahl an Mischehen bei, die zwischen
Ehepartnern deutscher Herkunft und Ehepartnern aus anderen ethnischen Gruppen
geschlossen wurden.20
Eine lokale Besonderheit von Karlowitz macht der massenhafte Prozess des „ethnischen Transfers“ von lokalen Deutschen zu Kroaten aus, der gutenteils durch die zahlreichen Mischehen der beiden Gemeinschaften stimuliert wurde, so dass ein Teil der
Einwohner dieser syrmischen Stadt unter Ausnutzung der so entstandenen „Familienverbindungen“ zeitweise oder für immer die deutsche ethnische Gemeinschaft verließ
und in die kroatische „überging“. Durch diesen „Übergang“ schützten die lokalen Deutschen, die Kroaten wurden, in den ersten Nachkriegsjahrzehnten nicht nur sich und
ihre Familienmitglieder vor Repressionsmaßnahmen, sondern sie vollzogen auch –
bewusst oder unbewusst – eine Veränderung ihres gesellschaftlichen Status. Indem sie
ihr Deutschtum ablegten, legten sie nicht nur ihre ethnische Identität ab, sondern auch
den gesellschaftlichen Status als Angehörige einer Minderheit, deren damalige Lage
nicht beneidenswert war. Indem sie sich öffentlich als Kroaten bekannten, nahmen die
lokalen Deutschen gleichzeitig den Status von Angehörigen eines der staatstragenden
jugoslawischen Völker an. Durch den „ethnischen Transfer“ wollten die Deutschen in
Karlowitz also auch ihre damals schlechte gesellschaftliche Lage verbessern.21
Daneben hatte sich bei einem Teil der Deutschen aus Karlowitz als Folge der lange
andauernden Präsenz in diesem multiethnischen Raum bei gleichzeitiger kontinuierlicher Schwächung der kulturellen Verbindung zum Mutterland mit der Zeit das Bewusstsein der Zugehörigkeit zur lokalen Gemeinschaft gestärkt und war an die erste Stelle
getreten. In einigen Fällen war die Stärkung der lokalen Identität durch die Schwächung
oder das vollständige Aufhören der Identifikation mit der deutschen Gemeinschaft der
entscheidende Faktor für den ethnischen Transfer von Deutschen in Karlowitz.
Wenn es um die Religion als einem der entscheidendsten Symbole der ethnischen
Identität geht, ist es interessant, dass sie in dieser Phase nicht nur kein Hindernis bei
der Realisierung der ethnischen Mimikry der Vojvodinadeutschen darstellte, sondern
in gewissem Umfang auch ihre Verwirklichung erleichterte. Da die in der Vojvodina
angesiedelten Deutschen der römisch-katholischen, der reformierten und der lutherischen Konfessionsgemeinschaft angehörten, fiel ihnen der „Übergang“ in eine ethnische Gruppe ihrer Umgebung leichter, in deren Umfeld sie ungestört ihre bisherige
religiöse Identität beibehalten konnten. Deshalb erklärten sie sich vor allem als
Ungarn, Kroaten, Tschechen oder Slowenen.22
Die Deutschen römisch-katholischer Konfession in Karlowitz fanden nach dem
Ende des Zweiten Weltkriegs ihren modus vivendi, indem sie sich massenhaft zu Kroaten erklärten. Ihre Entscheidung, den eigenen „Identitätsanzug“ „abzulegen“ und den
der kroatischen ethnischen Gemeinschaft „anzuziehen“, hatte einen komplizierten Kontext. Das jahrhundertelange Zusammenleben von Kroaten und Deutschen in dieser syrmischen Ortschaft schuf vielfältige und intensive gesellschaftliche, familiäre und wirtschaftliche Kontakte, mittels derer der gegenseitige Austausch des kulturellen Erbes und
die gegenseitige Verbindung der Mitglieder beider Gemeinschaften praktiziert wurden.
DIE ETHNISCHE MIMIKRY DER DEUTSCHEN MINDERHEIT IM SOZIALISTISCHEN JUGOSLAWIEN
Deshalb war der Großteil der deutschen Bevölkerung in Karlowitz „bereits bereit“ für
den Prozess der Kroatisierung, den die Tatsache erleichterte, dass insbesondere die
römisch-katholischen Priester überwiegend in Kroatien ausgebildet worden waren.23
Im Unterschied zu ihren römisch-katholischen Mitbürgern und Konnationalen
fanden die wenigen evangelischen Deutschen in Karlowitz in ihrem unmittelbaren
Umfeld keine ethnische Gruppe, an die sie sich unter Wahrung ihrer konfessionellen
Identität hätten anschließen können, weshalb sie nicht aufhörten, öffentlich ihr
Deutschsein zu zeigen bzw. sich als Deutsche zu deklarieren.24
Diese kleine Personengruppe, die mit reichlich Anstrengung ihre Furcht beherrschen musste und sich für die Zugehörigkeit zur deutschen Minderheit entschied, verzichtete im Alltagsleben auf die öffentliche Präsentation der Symbole ihrer ethnischen
Identität. Das Bewusstsein für die deutsche Identität war innerhalb des Familienkreises
präsent, gelegentlich wurde es unter nahen Verwandten und Freunden gezeigt, aber nie
in der Öffentlichkeit. Die wenigen Deutschen in Karlowitz, die in der Nachkriegszeit
ihre eigene ethnische Zugehörigkeit nicht
ablegten, posaunten diese nicht hinaus, sondern lebten als versteckte Minderheit in einer
Art „ethnischer Illegalität“25. In Verfolgung
dieser Identitätsstrategie organisierten die
Vojvodinadeutschen bis zum Ende des 20. Jahrhunderts keine öffentlichen Feiern, um wichtige religiöse oder historische Gedenktage zu
begehen.
Über die Zeit, die durch die ethnische
Mimikry der Deutschen bzw. ihre Option für
die kroatische ethnische Gemeinschaft gekennzeichnet war, zeichnete ich während meines
Aufenthalts in Karlowitz ein interessantes
Zeugnis Herrn Stjepan Seders auf, des Vorsitzenden der Deutschen Vereinigung für gut nachbarliche Beziehungen „Karlowitz“, der sagte:
„Ich habe mich nicht sofort als Deutscher
erklärt. Man hat mich bis zu meinem 18. Lebensjahr in Schulunterlagen und anderen
Dokumenten als Kroate geführt. Das war unstrittig, weil ein großer Prozentteil der
Deutschen in Karlowitz, um nicht zu sagen alle, sich nach dem Zweiten Weltkrieg als
Kroaten erklärte. Das war de facto ihr modus vivendi. Als ich 18 Jahre alt wurde, begann
ich, mich als ‚Jugoslawe’ zu erklären.“26
Neben den angeführten Fällen des „Übergangs“ von Deutschen in Karlowitz zu
Kroaten gibt es in den Jahrzehnten unmittelbar nach der Befreiung auch Beispiele
ihrer Transformation zu Serben. Bekannt ist der Fall einer sehr angesehenen Familie
in Karlowitz, die die deutsche Identität zugunsten der serbischen aufgab. Konkreter
Anlass für den Wechsel der ethnischen Bestimmung war die Verhaftung des jüngsten
Familienmitglieds, damals Gymnasiast. Er wurde mit einer Gruppe seiner Schulkollegen, darunter Kroaten, Ungarn und Deutsche, wegen des Verdachts verhaftet, Kollaborateur der Besatzungsmacht gewesen zu sein und/oder wegen reaktionärer Äußerungen in der Öffentlichkeit, und verbrachte einige Zeit im Gefängnis. Nach der
Untersuchung durch die Behörden, die seine Unschuld feststellten, wurde er freigelassen. Nach seiner Rückkehr aus dem Gefängnis fassten die beunruhigten und verängstigten Familienmitglieder den Entschluss, von Deutschen zu Serben zu werden und das
römisch-katholische durch das orthodoxe Bekenntnis zu ersetzen. Dieser Beschluss
wurde in dem Wunsch gefasst, in Zukunft eventuelle Unannehmlichkeit wegen der ethnischen, aber auch religiösen Identität zu vermeiden, bzw. um durch die Annahme der
ethnischen und religiösen Identität der ethnischen Mehrheitsgruppe in Karlowitz die
Loyalität der Familie zu bestätigen und in Frieden in dem Ort zu leben, in dem sie
geboren worden waren und in dem Generationen ihrer Vorfahren gelebt hatten. Die
165
Zweisprachige
Zeitschrift des
Vereins Karlowitz.
166
ALEKSANDAR KREL
Entscheidung für den Wechsel der ethnischen und/oder religiösen Identität wurde
dadurch erleichtert, dass die Mutter des verhafteten jungen Mannes Serbin war.27
Während der Phase der ethnischen Mimikry der Vojvodinadeutschen verzichteten
sie bis in die 1990er Jahre völlig auf den Gebrauch ihres Mutteridioms28 in der öffentlichen, zum guten Teil auch in der privaten Kommunikation. In diesem Zeitraum, in
dem die deutsche Sprache vollständig aus der öffentlichen Kommunikation in der Vojvodina verdrängt war, besuchten die Angehörigen der deutschen Minderheit den
Unterricht in einer der Amtssprachen, in Serbo-Kroatisch oder in Ungarisch. Die
Angst war so präsent unter den Vojvodinadeutschen, dass sie auch im Gespräch mit
nahen Verwandten und sogar mit Familienmitgliedern ihre Muttersprache vermieden. Die Kommunikation in deutscher Sprache wurde für sie ein Tabuthema und
Gespräche wurden nur in der Sprache oder den Sprachen der ethnischen Gruppen aus
dem Umfeld geführt, was mehrere meiner Interviewpartner bestätigt haben:
„Als wir das Lager verlassen hatten, unterhielten sich meine Mama und ich
deutsch, aber sobald sich zufällig irgendjemand in der Nähe befand, wechselten wir
sofort zum Serbischen. Deutsch konnte man auf der Straße kein einziges Wort hören.“
(männlich, Jahrgang 1939, Sombor)
„Mein Vater hat mit uns niemals ein deutsches Wort gesprochen, wissen Sie, nur
ungarisch.“ (männlich, Jahrgang 1951, Subotica)
„In meiner Familie war die deutsche Sprache nach dem Zweiten Weltkrieg ein absolutes Tabuthema. Niemand wagte es, sich in der deutschen Sprache zu unterhalten.
Meine Mutter konnte das Ungarische nicht gut, aber sie musste es in kurzer Zeit gut
beherrschen, um sich so schnell wie möglich an die Ungarn zu assimilieren. Die Meinen haben ebenfalls begonnen, sich als Ungarn zu deklarieren, und erst seit Kurzem
haben sie begonnen, sich als Deutsche zu erklären.“ (männlich, Jahrgang 1966, Apatin)
Am Arbeitsplatz und in der Kommunikation mit Angehörigen der ethnischen
Gemeinschaften in ihrer Umgebung, aber auch untereinander, bedienten sich die Vojvodinadeutschen der serbo-kroatischen und/oder der ungarischen Sprache.
„Das ist völlig normal, dass wir untereinander serbisch oder ungarisch gesprochen
haben, vor allem aus technischen Gründen, denn sonst hätten wir im Unternehmen
nicht normal arbeiten können. Wir waren jeweils 20 bis 30 Serben, Ungarn, Bunjewatzen, verschiedene [...] und dann war es normal, dass man sich mit ihnen unterhalten
musste, das war überall so, und immer wenn sich an mich ein Serbe gewandt hat, habe
ich mit ihm serbisch, und wenn ein Ungar gekommen ist, hab ich mit ihm ungarisch
gesprochen.“ (männlich, Jahrgang 1943, Subotica)
„Wenn wir auf der Arbeit zusammen gearbeitet haben, habe ich einige Kollegen auf
Ungarisch angesprochen, andere auf Serbisch. Das war üblich.“ (männlich, Jahrgang
1951, Subotica)
Der vollständige Rückzug der deutschen Sprache aus der öffentlichen Kommunikation vor den dominanten Idiomen der Mehrheitsgemeinschaften aus der Umgebung
und ihre teilweise Bewahrung in der Sphäre der privaten Kommunikation, genauer,
ausschließlich im Kreis der Familie, führte zu ihrem vollständigen Verschwinden von
den Straßen und Gassen der Vojvodina, bis gegen Ende des 20. Jahrhunderts der Prozess der Gründung von Vereinigungen einsetzte, die die Angehörigen der deutschen
nationalen Minderheit zusammenschließen. Dieses Sprachverhalten war einerseits
durch das veränderte Kräfteverhältnis zwischen deutscher Minderheit und den Mehrheitsgruppen in ihrer Umgebung bedingt, andererseits durch die negative Einstellung
gegenüber den Werten der deutschen Minderheit und ihrer Sprache, sowohl bei den
Mehrheitsgruppen, als auch bei der Minderheitsgemeinschaft selbst. Sein Verlauf und
endgültiger Ausgang wurden durch eine große Zahl exogamer Eheschließungen erleichtert, die durch ihre Bilinguität die Übernahme des Mehrheitsidioms begünstigten.
„Die deutsche Sprache war in Sombor nach 1945 nirgends mehr zu hören. So war
es bis in die 1990er Jahre. Damals habe ich das erste Mal nach so vielen Jahren die
deutsche Sprache auf der Straße in Sombor gehört. Da standen zwei alte Frauen vor
einem Laden und unterhielten sich deutsch. Obwohl ich sie persönlich kannte, hätte
DIE ETHNISCHE MIMIKRY DER DEUTSCHEN MINDERHEIT IM SOZIALISTISCHEN JUGOSLAWIEN
ich nie gedacht, dass sie beide Deutsche sind. Ich war ziemlich überrascht, und es hat
mich gefreut.“ (männlich, Sombor, 68 Jahre)
Der Industrialisierungs- und Urbanisierungsprozess, der Jugoslawien in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erfasste und charakterisiert wurde durch die Schaffung
einer größeren Zahl von Arbeitsplätzen in Fabriken und Betrieben in den urbanen
Zentren und an ihren Rändern, beschleunigte die Abwanderung eines bedeutenden
Teils der verbliebenen Deutschen, insbesondere der Jungen, aus den dörflichen Milieus und ihre Ansiedlung in den städtischen Zentren der Vojvodina.29 Städtische Zentren erwiesen sich wegen ihrer bunt gemischten ethnischen Zusammensetzung, ihres
mehrsprachigen Charakters und ihrer Multikulturalität als geeignetere Orte für die
Durchführung dieser Identitätsstrategie der Vojvodinadeutschen als das Dorf, das
eine relativ kleine und isolierte Gemeinschaft bildete.
Die ethnische Mimikry und die allgemeine Atmosphäre, in der damals die Angehörigen der deutschen Minderheit gelebt haben, illustrierte auf sehr anschauliche
Weise eine meiner zahlreichen Interviewpartnerinnen aus Apatin, als sie die Bedingungen kommentierte, die sie damals bewogen, sich als Ungarin zu erklären, obwohl
ihre unmittelbare Umgebung wusste, dass sie Deutsche war: „Wir wären auch Chinesen gewesen, wenn man uns nur in Ruhe ließ!“30
In den 1990er Jahren kam es mit dem Auseinanderfallen AVNOJ-Jugoslawiens zum
„Erwachen“ der Vojvodinadeutschen aus dem Zustand der „ethnischen Hibernation“,
womit sich ein weiterer Wechsel der Identitätsstrategie der Vojvodinadeutschen ankündigte. Die Ablösung der Strategie der ethnischen Mimikry durch eine Strategie der öffentlichen Manifestierung ethnischer Identitätsmerkmale entwickelte sich schrittweise und
wurde mit der Herausbildung der neuen Staaten auf dem Territorium der ehemaligen
Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ) und der Neudefinierung des
Staates, in dem die Vojvodinadeutschen leben, fortgesetzt. Obwohl die Substituierung der
beiden Identitätsstrategien 1992 mit der Gründung der Vereinigung Die Donau in Neusatz begonnen wurde, erlebte sie ihre volle Realisierung erst im Laufe des Transformationsprozesses. Erst damals machte sich die Regierung der damals bestehenden staatlichen
Einheit von Serbien und Montenegro31 im Zusammenhang mit der Umbildung der einstigen sozialistischen Gesellschaft in eine Gesellschaft des Marktkapitalismus und der
Mehrparteiendemokratie nach 2002 daran, die die nationalen Minderheiten betreffenden
verfassungsrechtlichen Paradigmen an die aktuellen europäischen Standards anzupassen.
Fazit
Die Forschungen, die ich in vier lokalen Vereinigungen von Vojvodinadeutschen
durchgeführt habe, bestätigen die Annahme, dass jede Gemeinschaft ihre Ethnizität
ausschließlich im Bezug auf andere ethnische Gruppen in ihrer Umgebung ausbildet.
Die ethnische Identität der untersuchten Gemeinschaft zeigt die Fähigkeit, sich in
Abhängigkeit vom Einfluss unterschiedlicher gesellschaftlicher und historischer
Bedingungen zu transformieren. Die Auswahl der Identitätsstrategie – der Modalitäten des Ausdrucks der wichtigsten Symbole der Ethnizität – hing bei den Vojvodinadeutschen von der Position ab, die diese ethnische und/oder nationale Minderheit in
der Gesellschaft einnahm und der Qualität der Beziehungen, die ihre Angehörigen zur
Mehrheitsbevölkerung (aus einer oder mehreren ethnischen Gemeinschaften) hatten.
Die deutsche Minderheit war im Verlauf des 20. Jahrhunderts wegen der turbulenten politischen Ereignisse dreimal gezwungen, ihre Identitätsstrategie zu ändern. Jeder
dieser Wechsel wurde unter dem Einfluss der jeweils aktuellen internationalen und
innerstaatlichen politischen Ereignisse initiiert, die sich in einer jeweils veränderten
Lage der deutschen Minderheit in der jugoslawischen Gesellschaft widerspiegelten.
Deshalb beschritten die in der Vojvodina konzentrierten Jugoslawiendeutschen in
knapp vier Jahrzehnten den dornigen Weg von der einst zahlreichsten und institutionell meist entwickelten Minderheit im Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen
zu einer nationalen Minderheit, die heute vor den großen Herausforderungen der
Revitalisierung der eigenen ethnischen Identität steht.
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Gedenkkreuz in
Gakowa, 2009.
ALEKSANDAR KREL
Die Vojvodinadeutschen nutzten die aktuellen gesellschaftlichen Veränderungen nach dem Zerfall der SFRJ,
legten die ethnische Mimikry ab und begannen ihren
„Ausweg aus der jahrzehntelangen ethnischen Illegalität“. Organisiert in lokalen Nichtregierungsorganisationen, die Angehörige der deutschen Minderheit um sich
sammeln, nutzen sie die gesetzlich gewährten Rechte
und ein günstiges gesellschaftliches Klima und entscheiden sich für die freie, öffentliche Manifestierung der
Symbole ihres Deutschseins. Heute bestehen auf dem
Gebiet der Vojvodina mehr als zehn solcher Vereinigungen, und die Bildung neuer Vereinigungen ist im Gange.
Ihre Aktivitäten haben das Ziel, die ethnische Identität
der Deutschen in den lokalen Zentren zu reaktivieren –
vor allem durch die Organisation von Deutschkursen,
die Begehung kirchlicher Feiertage, Gottesdiensten in
deutscher Sprache, Kranzniederlegungen auf Friedhöfen
und an Massengräbern von Vojvodinadeutschen, durch
die Auslobung von Stipendien für Oberschüler und die
Zusammenarbeit mit ähnlichen Institutionen im In- und
Ausland. Folglich ist alles dem Prozess ihrer „Wiederbelebung“ untergeordnet, doch wie sich dieser Prozess in
Zukunft entwickeln wird, wird die Zeit zeigen. In jedem
Fall ist die Zeit der ethnischen Mimikry der Vojvodinadeutschen in die Geschichte eingegangen, doch sind ihre
Folgen bis heute zu spüren, da sie den Prozess der ethnischen und kulturellen Assimilation eines bedeutenden
Teils der deutschen Bevölkerung beschleunigt hat.
Das ist folglich ein bedeutender Faktor, der auch den Wechsel der Selbstwahrnehmung der Vojvodinadeutschen und die Ablegung ihrer Mimikry stark beeinflusst hat,
bedeutete er doch das Ende einer Ära, in der man die offene Manifestierung der Zugehörigkeit zu dieser Gemeinschaft unter ihren Mitgliedern, aber auch in ihrem Umkreis
als beschämend, in einigen Fällen auch gefährlich angesehen hat. Gerade das Beispiel
der Vojvodinadeutschen unterstreicht, wie stark gesellschaftliche Bedingungen und
der historische Kontext die Selbstwahrnehmung einer ethnischen Gruppe beeinflussen, denn wenn heute die Angehörigen der deutschen Gemeinschaft in der Vojvodina
stolz sagen, dass sie Deutsche sind, begleitet diese Zugehörigkeitsbestimmung im
Unterschied zur Nachkriegszeit, als sie ein ausgesprochen negatives Vorzeichen mit
sich trug, eine positive Konnotation.
1
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Die Arbeit entstand als Ergebnis des vom Ministerium für Bildung und Wissenschaft der Republik Serbien finanzierten Projekts Multiethnizität, Multikulturalität, Migration & aktuelle Prozesse
(Nummer 177027).
Die Begriffe ethnische Minderheit und nationale Minderheit stehen untereinander in sehr enger
Verbindung, und der Unterschied in ihrem Status entsteht aus den Kriterien, aufgrund derer sie
untersucht werden. Sie können politisch und ethnologisch/anthropologisch sein. Auf der Grundlage des politischen Kriteriums versteht man unter dem Terminus Minderheit Minderheitengemeinschaften in einer gegebenen Gesellschaft, die ihren Mutterstaat haben, in der diese Gemeinschaft die Mehrheit bildet. Blicken wir aus der ethnologisch/anthropologischen Perspektive,
bezeichnet der Terminus Minderheit jede Gemeinschaft, die eine bestimmte kulturelle Besonderheit zeigt, und als Minderheiten sieht man alle Gemeinschaften an, die kein Mutterland haben und
die in einem oder mehreren Staaten leben und in ihnen allen Minderheiten bilden (Saša Nedeljković,
Čast, krv i suze – ogledi iz antropologije etniciteta i nacionalizma [Ehre, Blut und Tränen – Proben
aus der Anthropologie der Ethnizität und des Nationalismus] (Biblioteka svet u ogledolo uma),
DIE ETHNISCHE MIMIKRY DER DEUTSCHEN MINDERHEIT IM SOZIALISTISCHEN JUGOSLAWIEN
Beograd 2007, S. 31). In dieser Arbeit übernehme und benutze ich Eriksens Definition der ethnischen Minderheit, mit der er eine zahlenmäßig in Bezug auf die übrige Bevölkerung inferiore
Gruppe in einer Gesellschaft oder einem Staat kennzeichnet, die politisch nicht dominant ist und
die sich als ethnische Kategorie reproduziert, worunter man das Bestehen einer symbolischen
Gemeinschaft versteht, deren Mitglieder das Bewusstsein ihrer Unterschiedlichkeit besitzen und
den Wunsch haben, dass sich dieses Bewusstsein auch in den Folgegenerationen erhält (Thomas
Hylland Eriksen, Etnicitet i nacionalizam [Ethnizität und Nationalismus], Beograd 2004 [Ethnicity
and Nationalism, London 1993], 210). Ebenso akzeptiere und nutze ich die Unterschiede bei der
Definition der Begriffe ethnische Minderheit und nationale Minderheit in identischer Weise wie es
bei Prelić für die Bedürfnisse der Erforschung der serbischen Gemeinschaft in Ungarn formuliert
worden ist (Mladena Prelić, (N)i ovde (n)i tamo. Etnički identitet Serba u Mađarskoj na kraju XX
veka [(Weder) sowohl hier (noch) als auch dort. Die ethnische Identität der Serben in Ungarn am
Ende des 20. Jahrhunderts] (Posebna izdanja / Etnografski institut Srpske akademije nauka i umetnosti 64), Beograd 2008, S. 64 – 65). Danach sind die Vojvodinadeutschen eine ethnische Minderheit, aber gleichzeitig genießen sie in Serbien den Status einer nationalen Minderheit bzw. sind
Bürger eines Staates (Serbien), die einen anderen Staat (die Bundesrepublik Deutschland) als ihr
Mutterland sehen (Aleksandar Krel, Etnički identitet Nemaca u Vojvodini [Die ethnische Identität
der Deutschen in der Vojvodina]. Ungedruckte Dissertation, Beograd 2011, S. 29).
3 Die Forschung wurde in folgenden Vereinigungen durchgeführt: Deutscher Volksverband
(Nemački narodni savez) in Subotica, Deutscher Verein Adam Berenz (Nemačko udruženje Adam
Berenc) in Apatin, Humanitäre Vereinigung der Deutschen „Gerhard“ (Humanitarno udruženje
Nemaca „Gerhard“) in Sombor und Deutsche Vereinigung für gutnachbarliche Beziehungen „Karlowitz“ (Nemačko udruženje za dobrosusedske odnose „Karlowitz“) in Karlowitz.
4 In dieser Arbeit sehe ich ethnische Identität als Begriff an, der sich nicht auf einen objektiven
Zustand, sondern auf den subjektiven symbolischen Prozess der Abgrenzung zweier verschiedener
ethnischer Gruppen, von uns und den anderen, bezieht, den man gewöhnlich als Barthsches Ethnizitätskonzept bezeichnet (nach dem norwegischen Anthropologen Fredrik Barth). Dabei wird
davon ausgegangen, dass die ethnische Identität von den historischen Gegebenheiten und von dem
gesellschaftlichen Kontext abhängt, die charakteristisch für den untersuchten Zeitpunkt sind. Ethnische Identität verstehe ich als symbolische Organisation gesellschaftlicher Beziehungen oder die
symbolische Art der Verbindung zwischen den Mitgliedern einer ethnischen Gruppe, die in Übereinstimmung mit den Bedürfnissen dieser Gruppe mobilisiert und/oder demobilisiert werden können und deshalb Veränderungen und Neudefinitionen bezüglich der Bedeutung und Verwendung
der Symbole/Marker der ethnische Identität unterliegen (vgl. Fredrik Bart, Etničke grupe i njihove
granice [Die ethnischen Gruppen und ihre Grenzen], in: Filip Putinja / Žoslin Stref–Fenar, Teorije o
etnicitetu [Theorien über Ethnizität] (Biblioteka XX vek), Beograd 1997).
5 Nedeljković, Čast, krv i suze – ogledi iz antropologije etniciteta i nacionalizma, S. 28.
6 Ebd., S. 29.
7 Aleksandar Krel, Položaj nemačke nacionalne manjine u Vojvodini na primeru Nemaca u Subotici
[Die Lage der deutschen nationalen Minderheit in der Vojvodina am Beispiel der Deutschen in
Subotica], in: Vojislav Stanovčić (Hg.), Položaj nacionalnih manjina u Srbiji = Status of National
Minorities in Serbia. Zbornik radova sa naučnog skupa održanog 24 – 26. novembra 2005 (Srpska
akademija nauka i umetnosti: Naučni skupovi 120 = Odeljenje društvenih nauka 30), S. 440 – 441.
8 Dieses grandiose Projekt des österreichischen Kaiserreichs, das in drei Hauptetappen im 18. Jahrhundert entwickelt wurde, hatte zum Ziel, die militärische Präsenz und den politischen Einfluss der
Habsburgermonarchie zu stärken und die Bedingungen für ihre demographische Expansion und
ihre wirtschaftliche Erholung zu schaffen. Neben der Verwirklichung der Primärziele führte die
Kolonisation zur Schaffung eines nicht alltäglichen ethnischen Mosaiks, das immer noch in der
ethnischen Struktur dieser Gebiete gegenwärtig ist, insbesondere in der Vojvodina mit ihrer spezifischen multiethnischen, multikulturellen und multilingualen Beschaffenheit, in der mehr als 25
ethnische Gemeinschaften existieren (Borislav Jankulov, Pregled kolonizacije Vojvodine u XVIII i
XIX veku [Übersicht der Kolonisierung der Vojvodina im 18. und 19. Jahrhundert] (Matica srpska:
Posebna izdanja), Novi Sad 1961).
9 Diesen Terminus gebrauchte als erster der deutsche Geograph Hermann Rüdiger, um mit ihm
den Unterschied zwischen den Schwaben in Schwaben und den Schwaben, die in Ungarn und
Rumänien lebten, zu betonen (angegeben nach Zoran Janjetović, Nemci u Vojvodini [Die Deutschen in der Vojvodina], Beograd 2009, S. 15).
10 Der Terminus Idiom bedeutet in diesem Fall „alle Sprachcodes, die die Mitglieder einer Gemeinschaft [...] in ihrem Repertoire haben.“ (Tanja Petrović, Srbi u Beloj Krajini. Jezička ideologija u
procesu zamene jezika [Serben in der Bela Krajina. Sprachideologie im Prozess des Sprachwechsels] (Posebna izdanja / Balkanološki institut Srpske akademije nauka i umetnosti 109), Beograd
2009, S. 29).
11 Unmittelbar nach der Gründung des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen bildeten die
Deutschen die zahlenmäßig stärkste Minderheit. Nach den statistischen Angaben der ersten
Volkszählung nach dem Ersten Weltkrieg im Jahre 1921 lebten im Königreich der Serben, Kroa-
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ten und Slowenen 505.790 Angehörige der deutschen Minderheit, was ungefähr 4,22 Prozent der
Gesamtbevölkerung ausmachte (Friedrich Binder, Promemoria [Denkschrift], in: Nenad
Stefanović (Hg.), Jedan svet na Dunavu. Razgovori i komentari [Eine Welt an der Donau. Gespräche und Kommentare], München/Beograd 2003, S. 124 –125).
Detaillierter bei: Zoran Janjetović, Between Hitler and Tito. The disappearance of the Vojvodina
Germans, Belgrade 2000; Zoran Janjetović, Deca careva, pastorčad kraljeva. Nacionalne manjine
u Jugoslaviji 1918 –1941 [Kinder der Kaiser, Stiefkinder der Könige. Die nationalen Minderheiten
in Jugoslawien 1918 –1941], Beograd 2005; Zoran Janjetović, Proterivanje nemačkog i mađarskog
življa iz Vojvodine na kraju drugog svetskog rata [Die Vertreibung des deutschen und des ungarischen Bevölkerungsteils aus der Vojvodina am Ende des Zweiten Weltkriegs], in: Hereticus.
Časopis za preispitivanje prošlosti 4 (2006), No. 3 – 4; Janjetović, Nemci u Vojvodini.
Janjetović, Proterivanje nemačkog i mađarskog življa iz Vojvodine na kraju drugog svetskog rata,
S. 115.
Janjetović, Nemci u Vojvodini, S. 38.
Goran Nikolić, Nemci u Vojvodini između dva svetska rata. Formiranje nacionalnog identita [Die
Deutschen in der Vojvodina zwischen den beiden Weltkriegen. Die Herausbildung der nationalen Identität], in: Nenad Stefanović (Hg.), Jedan svet na Dunavu. Razgovori i komentari [Eine
Welt an der Donau. Gespräche und Kommentare], München/Beograd 2003, S. 172 –186.
Unter Strategie verstehe ich jede bewusste und absichtliche Aktivität, deren Ziel die Bewahrung
der ethnischen Identität ist (Slobodan Naumović, The Cultural Affirmation Strategy, in: Etnološki
pregled = Ethnological Review 26 (1990), S. 49 – 63).
Aleksandar Krel, Promene strategije etničkog identiteta Nemaca u Subotici u drugoj polovini
20. veka [Der Wechsel in der ethnischen Identitätsstrategie von Deutschen in Subotica in der
zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts], in: Glasnik Etnografskog instituta Srpske akademije
nauka i umetnosti 54 (2006), S. 324.
Krel, Promene strategije etničkog identiteta Nemaca u Subotici u drugoj polovini 20. veka, S. 324.
Ebd., S. 326.
Aleksandar Krel, Bili bismo i Kinezi, samo da nas ostave na miru: (re)konstrukcija etničkog identiteta Nemaca u Vojvodini [Wir wären auch Chinesen gewesen, wenn man uns nur in Ruhe gelassen
hätte. Die (Re)Konstruktion der ethnischen Identität der Deutschen in der Vojvodina], in: Antropologija. Časopis Centra za etnološka i antropološka istraživanja Filozofskog fakulteta u Beograd 9
(2009), S. 77.
Krel, Bili bismo i Kinezi, samo da nas ostave na miru, S. 78.
Ausführlicher in: Aleksandar Krel, The German National Minority in Subotica: Symbols of Ethnic Identity, Vienna. www.inst.at/trans/16Nr/14_4/krel16.htm.
Stjepan A. Seder, Prvoj smrt, drugoj patnja, trecoj hleb [Den Ersten der Tot, den Zweiten die Not,
den Dritten das Brot], Sremski Karlovci 2002, S. 137–140.
Seder, Prvoj smrt, drugoj patnja, trecoj hleb, S. 139.
Der Begriff „versteckte Minderheit“ stellt einen terminus technicus dar, den 2009 eine Gruppe von
Wissenschaftlern der Universität Graz in Verbindung mit dem Projekt „Hidden Minorities between
Central Europe and the Balkans“ eingeführt hat. Er wird mit dem Ziel benutzt, einige amtlich nicht
anerkannte kleine ethnische Gruppen im Gebiet Österreichs, Sloweniens und Kroatiens zu kennzeichnen. Während seiner Überprüfung auf einem internationalen Workshop im slowenischen
Radenci hat Biljana Sikimić die Möglichkeit vorgetragen, diesen Begriff auf ähnliche Phänomene in
ganz Südosteuropa anzuwenden (Kristian Promicer, (Ne-)vidljivost skrivenih manjina na Balkanu.
Neka teorijska zapažanja [Die (Un-)Sichtbarkeit verborgerner Minderheiten auf dem Balkan. Einige
theoretische Bemerkungen], in: Biljana Sikimić (Hg.), Skrivene manjine na Balkanu [Hidden minorities auf dem Balkan] (Posebna izdanja / Balkanološki institut Srpske akademije nauka i umetnosti
82), Beograd 2004, S. 13).
Krel, Bili bismo i Kinezi, samo da nas ostave na miru, S. 78 –79.
Ebd., S. 78 –79.
Mit dem Terminus Idiom werden in diesem Fall neben der deutschen Literatursprache und allen
ihren im Gebiet der Vojvodina vorhandenen Dialekten „alle sprachlichen Codes, die die Mitglieder der Gemeinschaft […] in ihrem Repertoire haben“, bezeichnet (Petrović, Srbi u Beloj Krajini,
S. 29).
Ljubinko Pušić, Društveni okviri urbanog razvoja gradova u Vojvodini (1900 –1955), in: Zbornik
Matice srpske za društvene nauke 81 (1986), S. 135 –153.
Krel, Bili bismo i Kinezi, samo da nas ostave na miru, S. 139.
Nach dem 2006 durchgeführten Referendum, in dem sich die Bürger Montenegros für die Selbstständigkeit entschieden haben, hörte die staatliche Gemeinschaft Serbiens und Montenegros auf
zu bestehen und ihre Bestandteile, Serbien und Montenegro, wurden selbstständige Staaten.
DONAUSCHWÄBISCHE ERZÄHLUNGEN ÜBER INTERNIERUNG UND ENTEIGNUNG
171
Leni Perenčević
Donauschwäbische Erzählungen über
Internierung und Enteignung. Beispiele aus
Sammlungen des Instituts für Volkskunde der
Deutschen des östlichen Europa (IVDE)
„Man kann es ja gar nicht erzählen, wie es war alles. Es ist zu viel und unglaublich.“1
Mit dieser Feststellung beendet Katharina Fitterer ihre Erzählung über die Erlebnisse
im Lager Kruschiwl. Im Interview, das der Volkskundler Johannes Künzig 1952 im
Flüchtlingslager Zuffenhausen aufzeichnete, berichtet Frau Fitterer wenige Jahre nach
ihrer Flucht aus Jugoslawien hörbar aufgewühlt von der schweren Arbeit unter Aufsicht bewaffneter Partisanen, von Misshandlungen und Schikanen im Lager, vom
Hunger und den vielen Toten. „Eigentlich kann man das alles gar nicht erzählen“ –
dieser Formulierung begegnet man in donauschwäbischen Erzählungen über Flucht,
Vertreibung und Lagerleben immer wieder. Sie deutet die Spannung zwischen NichtErzählen-Können und Erzählen-Müssen an. „Es ist zu viel und zu unglaublich“ – diese
und ähnliche Formulierungen verdeutlichen, wie schwer die Erinnerung auf einer
Biografie lasten kann. In Autobiografien, Heimatbüchern, Briefen und Tagebüchern
berichten Donauschwaben bis heute über das zwischen 1944 und 1948 Erlebte. Neben
privater oder landsmannschaftlicher Überlieferung wurden in Deutschland nach
Kriegsende von staatlicher Seite gezielt Sammlungen angelegt, die anhand von Erlebnis- und Ortsberichten Flucht, Vertreibung und Internierung der Deutschen bei
Kriegsende dokumentieren.2 Innerhalb der Volkskunde etablierte sich eine eigene
Forschungsrichtung, die sogenannte Heimatvertriebenenvolkskunde, zu deren wichtigsten Vertretern Johannes Künzig3 und Alfred Karasek4 gehören. Beide Volkskundler
legten umfangreiche Sammlungen an, die heute im Institut für Volkskunde der Deutschen des östlichen Europa5 aufbewahrt und erforscht werden. Johannes Künzig und
seine Mitarbeiter zeichneten zwischen 1952 und 1995 mehr als 1.200 Interviews mit
Flüchtlingen und Vetriebenen aus Ost- und Südosteuropa auf. Alfred Karasek fasste
unter der Bezeichnung Neue Sagen ab 1944/45 ein Textkorpus von 541 Erzählungen
zusammen, die er zwischen 1946 und 1952 vorwiegend in Flüchtlingslagern gehört
hatte und anschließend verschriftlichte. Der Quellenwert dieser Sammlungen
erschöpft sich nicht allein in der relativen zeitlichen Nähe von Erlebtem und Erzähltem oder den erschütternden Details, die einem unmittelbar vor Augen führen, welche
Erfahrungen hinter Forschungsbegriffen wie Zwangsmigration oder ethnische Säuberung stehen. Die Vielfalt der Erzählformen vom individuellen Lebensbericht bis hin
zum Lagerlied und die thematische Bandbreite bieten Ansatzmöglichkeiten für
moderne kulturwissenschaftliche Fragestellungen. Gleichzeitig sind die Sammlungen
selbst, die Akteure der Heimatvertriebenenvolkskunde und ihre Forschungsmethoden
Gegenstand der volkskundlichen Wissenschaftsgeschichte. Zur Einordnung und
Quellenkritik sei kurz auf drei Aspekte hingewiesen. Erstens war die Volkskunde und
insbesondere die Volkskunde der Heimatvertriebenen nicht nur wissenschaftlicher
Selbstzweck, wie Künzig und Karasek verstanden damals auch andere Volkskundler
ihr Fach als angewandte Wissenschaft.6 Besonders für Künzig stand zunächst der Rettungsgedanke im Vordergrund. Er sah es als seine vordringlichste Aufgabe an, den
klassischen Volkskunde-Kanon bei den Flüchtlingen und Vertriebenen als Erinnerungsträger abzufragen, um durch die Überlieferung von Fest und Brauch im Jahreslauf, Dialekt, Volkslied und Märchen für die Nachwelt zu erhalten wie Donauschwaben, Sudeten-, Wolgadeutsche usw. vor der Vertreibung lebten.7 Josef Hanika, einer
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Johannes Künzig in
seinem Tonarchiv
im Gespräch mit
Anna Zimmermann
(geb. 1888) aus Kerndia, Freiburg, 1958.
LENI PERENČEVIĆ
der einflussreichsten Fachvertreter in der Nachkriegszeit, formulierte die Forschungsaufgaben wie folgt: „Für die Volkskunde ergibt sich die Aufgabe, das volkstümliche
Überlieferungsgut der Heimatverwiesenen in einem verstärkten Einsatz zu sammeln
[…]. Es ist weiter unsere Aufgabe, das gesammelte Material so aufzubereiten, dass es
der praktischen Kulturarbeit […] unmittelbar zu Gute kommt.“8 Auch Karasek sah
seine Sammelarbeit als Kulturpflege, die den Flüchtlingen und Vertriebenen „Lebenshilfe“ sein sollte. In seiner Forschungs- und Beratungsstelle für ostdeutsche Volkskunde
in Bischofswiesen stellte er die gesammelten Aufzeichnungen zu Sagenstoffen, Wallfahrten, Glaubenshandlungen und Festen als „identitätsbestärkendes Artefakt“ für die
einzelnen landsmannschaftlichen Gruppen bereit.9 Mit erheblicher staatlicher Unterstützung sollte die Volkskunde so ihren Beitrag leisten, Einheimische und Flüchtlinge
durch „das Ethos der Heimat“10 zu verbinden und die Integration der Heimatvertriebenen unter Beibehaltung ihrer „kulturellen Eigenart“ zu erleichtern.11 Zweitens ist bei
den frühen volkskundlichen Sammlungen und den ersten über sie erschienenen
Arbeiten in Rechnung zu stellen, dass viele Wissenschaftler vor dem Zweiten Weltkrieg unter den „Auslandsdeutschen“ im Rahmen der Sprachinselvolkskunde12
geforscht hatten, von deren problematischem
Gedankengut sie sich nach 1945 nicht einfach
lösen konnten. Das einschlägige Sprachinselvolkskunde-Vokabular wurde weiterhin unreflektiert verwendet und auf die neue volkskundliche
Situation in der jungen Bundesrepublik übertragen. Künzig beispielsweise schrieb 1955: „Da […]
in fremdvölkischer Umgebung die bei der Ansiedlung mitgebrachte Überlieferung fast durchweg
weit treuer und länger bewahrt wurde als im Mutterland, bietet sich nun […] die Gelegenheit, die
volkskundliche Tradition der binnendeutschen
Herkunftsgebiete […] zu ergänzen.“ Drittens hatten einige Volkskundler, die nach dem Zweiten
Weltkrieg die Heimatvertriebenenvolkskunde
mitbegründeten, sich im „Dritten Reich“ in den Dienst des Nationalsozialismus gestellt.
Alfred Karasek beispielsweise hatte eine führende Rolle innerhalb der Südostdeutschen
Forschungsgemeinschaft in Wien, die bei der Installierung des NS-Regimes in Österreich
eine wichtige Rolle spielte und ab 1939 massiv ausgebaut wurde.13 Im Russlandfeldzug
war er in dem von SS-Obersturmbannführer Eberhard von Künsberg befehligten Sonderkommando am systematischen Kulturraub in den besetzten Gebieten beteiligt.14
Einerseits haben Künzig und Karasek wichtige Impulse für die Volkskunde gegeben:
Johannes Künzig durch seine Tonbandaufnahmen, die damals eine neuartige, kaum in
der deutschen Wissenschaftspraxis erprobte Dokumentationsmethode darstellten und
sicher entscheidend dazu beitrugen, dass seine private Forschungsstelle in Freiburg 1953
den Institutsrang erhielt.15 Alfred Karasek blickte über den damaligen Volkskunde-Kanon
hinaus und sammelte zeitnah zum Geschehen „neue“ Sagen, so dass wir ihm einzigartige
Quellen zur Geschichte der deutschen Zwangsmigration verdanken. Andererseits gelang
Künzig und Karasek bei der Auswertung ihres Materials nicht immer der Anschluss an
drängende Forschungsfragen und aktuelle Theorien, was auch dem Umstand geschuldet
war, dass ihre Sammeltätigkeit gewaltige Materialmengen entstehen ließ, deren Systematisierung und Archivierung enorm viel Zeit beanspruchte.16 Die teilweise rückwärtsgewandten Forschungsinteressen und der ideologische Ballast der Forscher müssen bei der
Untersuchung der Quellen, die sie generierten, mitgedacht werden.
Zu Erzählungen über Lagerhaft und Enteignung aus den Sammlungen Künzigs
und Kareseks werden hier fünf Themenfelder herausgegriffen, die ich für repräsentativ
und besonders aussagekräftig halte. Als Beispiele biografischen Erzählens zeigen sie
die Spannung zwischen faktualem und fiktionalem, zwischen individuellem und kollektivem Erzählen. In Erzählungen über erlebtes Leid und Unrecht vermischen sich,
DONAUSCHWÄBISCHE ERZÄHLUNGEN ÜBER INTERNIERUNG UND ENTEIGNUNG
so Albrecht Lehmann, „Erlebtes, Gehörtes, Gewünschtes, Ängste, Aggressionen und
Ideologien“.17 In den Erzählungen spiegelt sich also nicht nur, was erlebt wurde, sondern auch und vor allem, wie mit dem Erlebten nachträglich umgegangen wurde, wie
traumatische Erlebnisse individuell und in der donauschwäbischen „Leidensgemeinschaft“ artikuliert wurden.
Hungern
In Form und Inhalt sind sich die Erzählungen über die Internierung ähnlich. Sie beginnen mit der Machtübernahme der Partisanen im Herbst 1944. Meist in der Nacht werden die Donauschwaben aus den Häusern getrieben, an einem bestimmten Ort festgehalten und der wenigen Habe beraubt, die sie in der Eile zusammenpacken konnten.
Dann erfolgt die Trennung der Arbeitsfähigen, Kinder und Alten. Fast alle werden nach
der Lagerzeit ab 1948 zur Zwangsarbeit verpflichtet. Manchen gelingt noch während
der Internierung die Flucht. Zentrale Themen in den Erzählungen über den Lageralltag
sind die katastrophalen hygienischen Bedingungen, die Beengtheit, Willkür und Brutalität der Partisanen, Krankheiten, Tod, Massengräber und vor allem der Hunger. Die
Erinnerung an das Hungern ist zentrales Thema bei allen, die Künzig vom „Alltag“ im
Lager berichten. Die über Jahre immer gleiche und viel zu knappe, häufig salz- und
fettlose Kost hat sich in die Erinnerung der Erzählerinnen und Erzähler eingebrannt.
Einige erinnern sich noch an die genauen Mengenangaben der Rationen, die zu einem
bestimmten Zeitpunkt ausgegeben wurden. Tagsüber bei Arbeitseinsätzen versuchten
die „Lagerleute“, an Lebensmittel zu gelangen, Kinder und Erwachsene schlichen sich
aus dem Lager in umliegende Dörfer zum Betteln, zum Heizen wurden Rinde und
Blätter gesammelt. Wer zur Arbeit eingesetzt oder noch „lagerfrei“ war, versuchte, seine
Angehörigen im Lager durch Lebensmittelpakete zu unterstützen. Hildegard Tangel
aus Werschetz, die ab Januar 1946 in Rudolfsgnad interniert war, berichtet, dass nach
der von der Lagerleitung verhängten Paketsperre viele Menschen verhungerten.18 Die
Beschaffung zusätzlicher Lebensmittel bestimmte das Dasein, war lebensnotwendig
und lebensgefährlich zugleich. Frau Kaspar aus Franzfeld berichtet wie drei Frauen, die
sich heimlich aus dem Rudolfsgnader Lager zum Betteln geschlichen hatten, bei der
Rückkehr vom Wachposten erschossen wurden. Bei schwerer körperlicher Arbeit
erhielten die in Rudolfsgnad Internierten ¼ Liter Maismehl pro Tag, nur gelegentlich
einen kleinen Löffel Salz oder Öl. In den Hungermonaten Januar und Februar 1946 gab
es diese Ration nur zweimal im Monat. Von dieser Zeit erzählt Frau Kaspar:
„Zu Essen war nix. [...] Dann waren da auch so schäbige Pferde, die haben sie
geschlachtet, von dem Fleisch haben die Leute geholt und haben es gegessen. Die Kinder sind betteln gegangen. In manchen Häusern war noch Frucht drin, dann sind sie
gegangen die Häuser aufbrechen und haben da die Frucht rausgeholt. Dann sind sie
verwischt worden und haben Schläge gekriegt.“19
Anna Birk aus Georgshausen, die ebenfalls in Rudolfsgnad interniert war, berichtet,
wie man in der Gruppe durch Zusammenarbeit versuchte, an Nahrungsmittel zu gelangen:
„Die ersten Tage haben wir ja noch zu Essen gekriegt, aber dann tagelang nichts.
Auf den Speichern oben aus den Mäuselöchern und Rattenlöchern und aus dem Mist
haben wir die Maiskörner rausgekratzt. […] Damals sind wir 23 in einer Stube gelegen, ganz eng. Wir haben uns nicht mal umlegen können. Und abends hat sich jeder,
einer nach dem andern Mehl gemacht, für den andern Tag zum Suppe kochen. Wenn
man nicht mehr konnte, hat man den andern geweckt und der hat dann weiter gemahlt.
Natürlich, ohne Fett und Salz, war des wenig gewesen für eine Suppe. Mir waren ohne
Licht und auch zum Brennen nix.“20
Selbstwahrnehmung, Selbstbehauptung
In den Interviews finden sich immer wieder Aussagen über die Selbstbehauptung am
Rande der Existenz, auch Aussagen des Aufbegehrens – wenigstens im Kleinen –
gegen die verwehrte Freiheit und Würde. Die Erzähler begegnen den Brüchen in ihrer
Lebensgeschichte, indem sie eine stolze, unerschütterliche Haltung demonstrieren.
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LENI PERENČEVIĆ
DONAUSCHWÄBISCHE ERZÄHLUNGEN ÜBER INTERNIERUNG UND ENTEIGNUNG
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Arbeitsbrigade der
neuen Bewohner
Gakowas, um 1955.
Die ersten Strophen
des Rudolfsgnader
Lagerlieds, um 1946.
Kulturelle Handlungen wie das Singen oder improvisierte Hygiene halfen in Zeiten, in
denen der Alltag ein permanenter Ausnahmezustand und die eigene Existenz von Angst,
Hoffnungslosigkeit, Hilflosigkeit, einer generellen Ohnmacht und Fremdbestimmtheit
geprägt war. Künzig interviewte zwei Frauen, die gemeinsam in den Lagern Betschkerek
und Rudolfsgnad waren. Künzigs Gespräch mit den Frauen ist zu entnehmen, dass sie
sich häufig über ihre Lagererlebnisse austauschten. Sie erinnern sich gemeinsam an Situationen, die nur verstehen kann, wer dabei war. Anna Birk ist eine sehr zurückhaltende
Erzählerin, die zwar merkbar bewegt ist, aber doch versucht, einen Tatsachenbericht zu
liefern und ihre Emotionen zu unterdrücken, Frau Rapp hingegen tritt sehr selbstbewusst auf, interpretiert und bewertet die im Interview gemachten Aussagen. Während
Anna Birk von der harten Arbeit unter Aufsicht der Partisanen berichtet, schaltet sich
Frau Rapp sehr laut ein und ergänzt ihren Bericht:
„Aber doch haben wir nichts gezeigt! Hat uns kein einziger Partisan mal gesehen,
dass wir Mühe haben. Wir haben so harte Gesichter gezeigt, wir wollten ihnen zeigen,
wir sind Deutsche und wir halten durch und das sollen sie sehen! Und die haben nicht
nur einmal gesagt: ‚Vidi Švabe, kako su tvrde! – Guck mal die Schwaben, wie sie hart
sind!‘“21
Gottfried Habenicht hat anhand donauschwäbischer Lagerlieder verschiedene
Geisteshaltungen herausgearbeitet, die den Betroffenen halfen, das Lagerdasein auszuhalten und Trost zu schöpfen. Als zentrales Moment stellte Habenicht dabei eine verstärkte Hinwendung zum Glauben heraus.22 Das erzwungene Zusammenleben in den
Lagern und der gemeinsame Glauben förderten die Entstehung einer Leidensgemeinschaft, die sich durch Spottlieder auf die vermeintliche Einfältigkeit und Primitivität
der Partisanen ein klares Feindbild schuf und sich abgrenzte. In anderen Liedern wird
ein stolzer, unerschütterlicher donauschwäbischer Charakter besungen und auf den
„donauschwäbischen Erfolgs- und Tugendkatalog“ rekurriert.23 Die genannten Mechanismen finden sich auch in den Künzig-Interviews und der Sagensammlung Karaseks
wieder. Im rückblickenden Erzählen taucht immer wieder Schadenfreude darüber auf,
dass die Neukolonisten auf den ehemals donauschwäbischen Landwirtschaften angeblich keinen wirtschaftlichen Erfolg erzielen konnten, weil sie aus rückständigen,
unfruchtbaren Gegenden kamen und mit modernen Methoden des Feldbaus nicht vertraut waren. „Einige Serben in der alten Heimat sagen heute: ,Otišao je Švabo, otišao i
Bog – Der Schwabe ist weg und mit ihm auch der Herrgott.’ Ohne den Schwaben
schneiden sie schlecht ab, sie sind nicht an richtige Bauernarbeit gewöhnt.“24 Herr
Helmlinger aus Syrmien, der in einem Interview mit Künzig 1952 diese Aussage machte,
führt weiter aus, die Serben wünschten sich heute, die Schwaben kämen zurück, um
ihnen beim Aufbau der Landwirtschaft zu helfen, so wie sie „vor 300 Jahren zur Not,
um den Boden zu kultivieren“ geholt worden seien.
Die zahlreichen Marienerscheinungen seit 1944, von denen Donauschwaben Karasek berichteten, hat Simon Sahm als Reaktion auf die atheistische Staatsideologie und
die Einschränkung der Religionsfreiheit und Glaubenspraxis zurückgeführt. Weil
öffentliche Wallfahrten und die Inszenierung der Marienverehrung nicht mehr möglich
gewesen seien, hätten sich die Gläubigen Maria auf andere Weise in den öffentlichen
Raum projiziert, um sich selbst als katholische Gemeinschaft zu erfahren und öffentlich
zu präsentieren.25 Michael Prosser-Schell hat im Karasek-Archiv mehrere Belege dafür
gefunden, dass zu hohen christlichen Feiertagen geistliche Schauspiele in Internierungslagern aufgeführt wurden.26 Teilweise wurden sie heimlich vorbereitet und durchgeführt, teilweise wurden sie von der Lagerleitung geduldet. Belege fand Prosser-Schell
für die Lager Rudolfsgnad, Molidorf und Hajduschitza. In Hajduschitza stellten junge
Frauen aus verschiedenen Dörfern aus der Erinnerung ein Weihnachtsspiel zusammen
und „jede [hat] wollen, daß auch von ihrem Heimatdorf was mit hineinkommt.“27 In
Rudolfsgnad übten zwei Frauen aus Georgshausen 1946 mit Kindern ein Bethlehemspiel
ein: „Das war nicht ganz leicht, weil ja bei dem Spiel auch Lieder dabei sind und die den
Mädchen ordentlich eingelernt werden mussten. Auch die Kleidung von den Spielern
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mußte beschafft werden, das war fast noch schwerer. Das ist aber doch gelungen und die
waren fast so angezogen wie in normalen Zeiten. Wie das Spiel ist aufgeführt worden,
da ging es heimlich von Haus zu Haus. […] [U]nd die Leute haben fast überall Tränen
geweint vor Freunde und vor Erinnerung an die früheren Zeiten.“28
Die Anderen
Ehemalige Nachbarn und Menschen, die in der Nähe der Lager lebten, unterstützten
die Internierten mit Lebensmitteln. Diese Tatsache ist bekannt und es ist schon oft
darauf hingewiesen worden, auch und besonders von Donauschwaben selbst. In den
Künzig-Interviews werden Ungarn, Serben und Rumänen als Helfer erwähnt. Peter
Rotenheber, der zum Zeitpunkt der Internierung zu den Alten gehörte, war unter
anderem im Lager Jarek interniert. Auf dem Weg nach Neusatz fuhren häufig ungarische Bauern aus Temerin am Lager vorbei. Als sie von Rotenheber, der außerhalb des
Lagers Vieh hüten musste, erfahren hatten wie es den Internierten erging, verabredeten sie, am nächsten Tag im Trab am Lager vorbeizufahren, so dass eine Staubwolke
entstand und sie unbemerkt Lebensmittel vom Wagen werfen konnten.29 Auch in
Katsch, das bereits ein rein serbisches Dorf war, erfuhren die „logoraši“, die Lagerleute,
Hilfe von den Einheimischen. Rotenheber wurde dorthin zur Schweinemast verlegt.
Unweit des Stalls befand sich der orthodoxe Friedhof: „Die Serben haben die Sitte, die
tragen immer zu den Toten Essen. Da sind wir dann immer hin und die haben uns
ausgeteilt, Schnaps und Wein und gutes Essen. So haben wir aushalten können.“30
Auffallend ist, dass fast alle Erzähler Künzigs betonen, wie gut man sich mit Serben, Ungarn, Kroaten und Rumänen verstanden habe und dass sich die Beziehungen
erst nach dem Ersten Weltkrieg verschlechterten, wofür letztlich die Führungsschicht
verantwortlich gemacht wird: „Unsere gewesenen Mitbürger, die Serben, die habe ja
sehr gut mit uns gelebt, nicht wahr? Na ja, seit 18, seit dem Umsturz vom Ersten Weltkrieg, da hat man ziemlich viel Hass zwischen den Deutschen und den Serben geschürt.
Das ist ja meistens von serbischen Popes und von führenden Leuten durchgeführt
worden.“31 Auch wirtschaftliche Gründe, vor allem der Landkauf durch donauschwäbische Bauern und die Umkehrung der Mehrheitsverhältnisse in einigen deutsch-serbischen Gemeinden, werden einige Male im Zusammenhang mit den Themen „Was
aus der alten Heimat geworden ist“ oder „Über das Verhältnis zu den Serben“ genannt.
Zwar wird im Erzählen kein direkter Zusammenhang hergestellt zwischen der Landarrondierung der Donauschwaben und der Agrarreform nach dem Zweiten Weltkrieg,
aus dem Interviewverlauf aber lässt sich schließen, dass dieser Zusammenhang mitgedacht wurde. Martin Sorg aus Betschmen erinnert sich, dass früher (wohl vor dem
Ersten Weltkrieg) die meisten Bewohner Serben waren, nur ein Drittel waren Deutsche. Innerhalb von zwanzig Jahren hatte sich das Bevölkerungsverhältnis im Ort
umgekehrt. Das Verhältnis zwischen Deutschen und Serben sei gut gewesen, man war
auf einander angewiesen. Die meisten Deutschen waren Handwerker, die meisten Serben Viehzüchter („damit sie nichts arbeiten mussten“). Irgendwann seien die jüngeren
Serben darauf gekommen, dass ihre Alten den Deutschen zu leicht das Land verkauft
hätten. Die Spannungen steigerten sich bis zum Zweiten Weltkrieg zusehends.32
Neben den Stereotypen vom Deutschen als Lehrmeister und dem arbeitsscheuen
Serben, denen man in donauschwäbischen Narrativen immer wieder begegnet, finden
sich Hinweise auf deutliche Unterschiede im Erinnern und Erzählen zwischen den
Generationen. Während die jüngeren in der Tendenz stärker die Konkurrenz um wirtschaftliche und politische Ressourcen erinnern, erinnern sich die Alten stärker an das
gute Zusammenleben und das Aufeinanderangewiesensein. Als Beispiele werden teilweise auch Erinnerungen der Vorfahren herangezogen. So gibt ein unbekannter Erzähler eine Anekdote über seinen Großvater weiter, der sich zum Ärger seiner Tochter
regelmäßig „auf der Gasse“ mit seinem serbischen Jugendfreund traf, um sich zu
betrinken. Außerdem erinnert er sich: „Jetzt war der Hass, haben wir fort müssen. Aber
das war früher nicht. Der Großvater hat immer erzählt, sie haben sich so schön ertragen. Hat man dem Serben etwas verlangt, was er gehabt hat, hat er einem gegeben.“33
DONAUSCHWÄBISCHE ERZÄHLUNGEN ÜBER INTERNIERUNG UND ENTEIGNUNG
Durchweg negativ erinnert werden Partisanen und Roma. Während bei Partisanen
hin und wieder Einschränkungen vorkommen („es gab auch menschlichere unter ihnen“),
tauchen Roma ausschließlich als brutale Schläger, Totengräber und Profiteure auf.34
„Hitler hat uns gezeigt, wie man es macht“ – Nationalsozialismus und Holocaust
Den Zweiten Weltkrieg sowie die Internierung und Enteignung der deutschen Minderheit bei Kriegsende verstehen Künzigs und Karaseks Erzähler als großes, plötzlich
über sie hereingebrochenes Unheil. Das Ausgeliefert-Sein an die Geschichte bildet ein
zentrales narratives Element. Die Geschichte wird nicht als von Menschen gemacht,
sondern als Schicksal interpretiert, dem sowohl der Einzelne als auch Kollektive ausgeliefert sind.35 Sprechen über die eigene Schuld war im Deutschland der 1950er Jahre
für Alteingesessene und Flüchtlinge gleichermaßen ein unliebsames Thema.36 Weder
Künzig noch Karasek interessierten sich bei ihren Feldforschungen für die Einstellung
ihrer Erzähler zum Nationalsozialismus. Künzigs und Karaseks Erzähler begegnen der
Vorgeschichte ihrer Internierung indirekt teilweise dennoch. In einem der vielen
Lagerlieder, die im Tonarchiv Künzig vorliegen, heißt es in der letzten Strophe: „Da
das Schicksal uns getroffen / Ist auch etwas eig’ne Schuld; / Doch wir sehnen und
erhoffen / Gottes große Gnad’ und Huld.“37 Zwar klingt in dieser Strophe an, dass auf
deutscher bzw. donauschwäbischer Seite Fehler begangen wurden, ein kausaler
Zusammenhang aber wird nicht hergestellt.38 Dieselbe Erzählerin, die auch das Lied
überlieferte, erzählte ausführlich über ihre Lagerzeit mit den Stationen Botschar,
Topola, Gakowa und Rudolfsgnad:
„In den Medien wird immer gezeigt, was die Juden mitgemacht haben. Die Partisanen haben gesagt: ‚der Hitler hat uns gezeigt, wie man’s macht.’ Die Juden [aus
Mokrin, Anm. d. Verf.] sind auch weggebracht worden, erst 1954 in Deutschland
haben wir erfahren wohin, dass viele vergast worden sind. Den Jugoslawiendeutschen
und den Kriegsgefangenen ist es genauso ergangen, nur vergast wurden sie nicht.“39
Diese veränderte Erzählhaltung ist dadurch zu erklären, dass erstens das Interview
erst 1995 aufgezeichnet wurde und zweitens die 1930 geborene Erzählerin einer anderen Generation angehört als die Mehrheit der übrigen Erzähler. Während in den Interviews aus den 1950er Jahren der Holocaust keine Rolle spielt, nimmt diese Erzählerin
Bezug auf medial vermittelte bundesdeutsche Diskurse. Der unglückliche Vergleich
von Holocaust und Internierung der Donauschwaben ist auch in einigen donauschwäbischen Heimatbüchern zu finden.40 Ob Heimatbücher oder die donauschwäbische
Presse Einfluss hatten auf die persönliche Wahrnehmung der Erzählerin, geht aus dem
Interview nicht hervor. Diese deutliche, wenn auch unbeholfene Bezugnahme auf den
Holocaust bleibt in den hier untersuchten Erzählungen eine Ausnahme. Vereinzelt
finden sich im Ton-Archiv-Künzig indirekte Verweise auf den Nationalsozialismus.
Hildegard Tangel aus Werschetz erzählt, dass ihr ein russischer Offizier, als sie ihn
darum bat, ihr Gebetbuch und Familienfotografien mit ins Lager nehmen zu dürfen,
entgegnete, sie solle zu ihrem Hitler gehen und es sich von ihm geben lassen.41 Einem
Werschetzer Apotheker sei ein Hakenkreuz in die Wange geschnitten worden, einem
Mädchen aus Karlsdorf vor ihrer Ermordung in die Zunge, „weil sie für die Deutschen
angeblich so viel Propaganda gemacht hat.“42
Göttliche Strafen und himmlische Gerechtigkeit
Alle Sagentexte im Karasek-Archiv sind an ein christliches Milieu gebunden. Die sich in
ihnen widerspiegelnden Mentalitäten wurzeln in einem alttestamentarischen Glaubensverständnis. Gott tritt als zorniger, strafender Rächer auf, Vergebung der Sünden gibt es
weder im irdischen noch im himmlischen Reich. Dies illustrieren Sagen, denen das
Motiv zugrunde liegt, dass Frevel an Gotteshäusern bestraft wird – und zwar „Auge um
Auge, Zahn um Zahn“, durch Sühne und Rache stellen überirdische Kräfte das kosmische Gleichgewicht wieder her.43 Bei der Kirchensprengung werden die daran beteiligten
Partisanen von den Trümmern erschlagen. Der kommunistische Ortsvorsteher, der Gott
lästert, verliert am nächsten Tag die Sprache, eine schwangere Partisanin köpft eine
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Marienstatue und bringt ein Kind ohne Kopf auf die Welt. Die 1894 geborene Katharina
Kaiser erzählt dazu: „Ganz ohne Kopf, nur am Hals hat es ein Loch gehabt und dort war
es grad so gewesen, wie wenn es die Zunge rausstrecken möchte.“44 Für viele Sagen ist
eine Erzählhaltung der Schadenfreude typisch, so bei Erzählungen vom Spuk in
donauschwäbischen Häusern, der die dort einquartierten Kolonisten in den Wahnsinn
treibt und dazu führt, dass sie wieder wegziehen. Die Intention ist offensichtlich. In der
Vorstellungswelt der Erzähler lastet auf den Häusern ein göttlicher Fluch, der die Vertreibung der Deutschen rächt. Diese Erzählungen gibt es bei allen deutschen Vertriebenen. Bei den Donauschwaben stark ausgeprägt sind Sagen von Marienerscheinungen,
besonders an Massengräbern und andern Orten, an denen sich Schreckliches zugetragen haben soll. Maria tritt als Rächerin oder als Beschützende auf. Aber immer wird ihr
Erscheinen als Solidarität der himmlischen Macht mit den Donauschwaben interpretiert
und als Triumph über die Gottlosigkeit des Kommunismus und seiner Repräsentanten.45
Im Sagen-Archiv-Karasek finden sich zahlreiche Aufzeichnungen über die „Partisanenkrankheit“, die von den Donauschwaben die „Hinfallende“ und von den Serben
„partizansko ludilo“, also „Partisanenwahn“ genannt wird. Während Sagen über verfluchte Orte, Marienerscheinungen oder wiederkehrende Tote erstens von allen Vertriebenengruppen erzählt werden und zweitens auf ältere Sagen zurückgehen, ist die
Sage von der Partisanenkrankheit erst im Kontext des Zweiten Weltkriegs entstanden
und wird ausschließlich von Donauschwaben erzählt,46 was in bisherigen Untersuchungen auf die besondere strategische und ideologische Bedeutung des Partisanenkampfes in Südosteuropa im Zweiten Weltkrieg zurückgeführt wird.47 Elisabeth
Kowitzki aus Mramorak überlieferte diese Version:
„Das war 1945 schon im Lager in Mramorak. Da hat man uns gehalten, daß wir
sollen waschen beim Militär und auch andre Arbeit machen. Einmal sind sie vielleicht
10 Mann gekommen und haben Wäsche gebracht und uns gefragt, ob wir Deutsche
sind. Als wir das gesagt haben, hat der eine den Krampf bekommen und hat sich auf
die Erde hingeworfen und die andern haben ihn gehalten, daß er nicht weg kann. Da
hat er gerufen: ‚Bringt ’s mir Deutsche, ich will Blut trinken, Schwabenblut! 170 hab
ich schon umgebracht und ich will noch mehr Blut!’ […] Und das hat so eine Stunde
gedauert, dieser Krampf. Dann, wie er dann ist zur Besinnung gekommen, da hat er
noch einmal gesagt, er verlangt nur immer noch deutsches Blut.“48
Wie Heinke M. Kalinke dargelegt hat, enthält diese Version die zentralen Elemente:
eine Art epileptischer Anfall, bei dem sich der Betroffene auf den Boden wirft – deshalb auch die donauschwäbische Bezeichnung „die Hinfallende“, ausgelöst durch den
Anblick von Schwaben, bei dem der Partisan in Rage gerät und seine Gräueltaten
gesteht. Das Motiv des Schwabenblut fordernden Partisanen ist beim Erzählen und
Hören besonders effektvoll, die Krankheit wird als göttliche Strafe verstanden, sie
brandmarkt den Befallenen als Mörder.49 Die Partisanenkrankheit wird als Kainsmal
interpretiert.50 Neben diesem grundlegenden Sagentext von der Partisanenkrankeit
gibt es zahlreiche Varianten mit weiteren Motiven. Etwa die geäußerte Überzeugung,
die Krankheit sei ansteckend. Wird einer heimgesucht, fallen mit ihm andere Partisanen zu Boden, häufig kombiniert mit dem Motiv, die Partisanen wetteiferten, wer
mehr Schwaben getötet habe. Nicht immer werden die Anfälle durch den Anblick
eines Schwaben ausgelöst. Oft werden sie als plötzliche, unvermittelte Ereignisse
geschildert oder auch im Kontext einer Partisanenfeier, bei der durch Prahlerei unter
den Partisanen Erinnerungen an Kampfeinsätze und dabei begangene Gräuel evoziert
werden. Häufig ist auch die Variante, dass die Anfälle in Wahnsinn, Selbstmord, Siechtum und schrecklichem Tod enden, nicht selten ergänzt durch das Submotiv, dass der
Betroffene von der Last seiner Schuld buchstäblich erdrückt wird. So heißt es in einem
Beleg von einem Partisanen, der drei Menschen ermordet haben soll: „Dieser Partisan
hat jetzt den Anfall. Sie sagen, das ist das Gewissen. […] Er sagt, sie sitzen ihm alle drei
– die Frau und die beiden Männer – auf den Schultern und tun ihn drücken.“51 Eine
zusätzliche Motiv-Variante stellt die Bitte um Vergebung auf dem Sterbebett oder kurz
vor dem Tod dar, wobei entweder offen bleibt, ob vergeben wird oder aber ganz klar
DONAUSCHWÄBISCHE ERZÄHLUNGEN ÜBER INTERNIERUNG UND ENTEIGNUNG
nicht vergeben wird. Aus Rudolfsgnad berichtet die 1897 geborene Karolina Steininger
von einem Befallenen: „Da ist er einmal auf Rudolf gekommen. Ist er vielen Weibern
begegnet und hat denen die Hand ausstrecken wollen, auch mir, aber keine hat ihm die
Hand gegeben, weil an seiner Hand dran so viel Blut klebt. […] Nach 14 Tagen drauf
ist er gestorben. […] Ganz schwer ist er gestorben.“52
Viele Sagenerzähler liefern die Interpretation gleich mit. Sie wollen, dass der Zuhörer die Sage richtig versteht und einordnet, denn für sie handelt es sich um geglaubte
Realität. Die Lehrerin Magdalena Jerich aus Ernsthausen schildert ausführlich ein Massaker an donauschwäbischen Männern, die im Januar 1945 von Partisanen zu Tode
gequält wurden. „Von solchen schrecklichen Dingen aber kommt auch die Partisanenkrankheit her. Das greift eines ins andere über, gehört zusammen.“53 Interessant ist die
Interpretation von Bertha Sohl, die mehrere Sagen überlieferte. Ihr zufolge erklärten
sich die Partisanen ihre Krankheit selbst damit, dass die Deutschen an ihnen ein
„Geheimmittel“ ausprobiert hätten. Deshalb würden nur Partisanen und keine anderen
Truppen befallen. „Sie sagen das, weil sie die Krankheit allein haben und die anderen
nicht. Unsere deutschen Soldaten, die auch im Kampf und dort im Wald waren, die
haben das doch nie bekommen und kein deutscher Kriegsgefangener oder gefangener
Schwabe hat das gehabt. […] Auch von den Serben haben es nur die Tito-Partisanen
bekommen. Auch die Neditsch-Leute […] haben solche Anfälle nicht gezeigt, auch
nicht einmal die richtigen Soldaten auf der russischen Seite. Das ist also keine Soldatenkrankheit von ordentlichen, anständigen Soldaten, sondern was anderes.“54
Wichtig in einer Sage ist ihre Glaubwürdigkeit, die durch genaue Angaben über
Zeit, Ort und Personen erreicht wird, aber auch dadurch, dass die Erzähler als Augenzeugen auftreten: „Das habe ich selbst erlebt!“ oder „Wir haben eine Reihe von Partisanern gekannt, die solche Anfälle fast regelmäßig bekommen haben.“55 Die absolute
Steigerung der Glaubwürdigkeit wird dadurch erzielt, dass die Partisanen in manchen
Sagen selbst als Zeugen auftreten, indem sie vor Donauschwaben zugeben, dass sie
von der Krankheit befallen werden und sich vor ihr fürchten.56
Auch in der Sagen-Sammlung-Karasek bestätigen sich Unterschiede im Erzählen
der Generationen, beispielsweise in der Sage von der „Partisanenkrankheit des
Schwarzen Milan“57. Als besonders berüchtigter und unter den Donauschwaben
gefürchteter Partisan wurde der Schwarze Milan von der Partisanenkrankheit befallen. „Jetzt fällt es auf ihn zurück, was er uns Armen angetan und gesündigt hat!“, so die
Erzählerin und weiter: „Dann hat sein Vater ihm das vorgeschmissen, was er den Leuten gemacht hat, weil er auch viele hat totgeschossen und totgeschlagen, auch Leute
mit […] kleinen Kindern.“ Das Sagenmotiv, dass die Eltern der Partisanen mit der
Bewertung der Donauschwaben aufgrund ihrer christlichen Grundeinstellung übereinstimmen und dass das gottlose Leben der Partisanen bestraft wird, suggeriert eine
generationengebundene Weltsicht, überspitzt formuliert könnte man sagen, die Sage
vom Schwarzen Milan ist Ausdruck eines Generationenkonflikts. Wie schon erwähnt
lässt sich auch auf den Künzig-Tonbändern ein Unterschied im Erzählen zwischen den
Generation feststellen. Der Zweite Weltkrieg erscheint so als Krieg einer fehlgeleiteten
Generation, die sich statt vom Glauben von großen Ideologien leiten ließ.
Ausblick
Für die Erforschung der Quellen, die Johannes Künzig und Alfred Karasek vor über
einem halben Jahrhundert erhoben haben, gibt es vielfältige Ansatzmöglichkeiten.
Anhand der Sagensammlung Karaseks sei auf zwei Beispiele hingewiesen. Karasek war
sich dessen bewusst, dass die Konjunktur des Erzählens von Marienerscheinungen,
Kirchenzerstörungen, Spottgeschichten über Neusiedler usw. in der Bundesrepublik
ein kurzlebiges Phänomen sein würde.58 Heinke M. Kalinke führt dies vor allem auf die
„Distanzierung von negativen Emotionen“ zurück, die mittels der Sagen transportiert
wurden. Die Notwendigkeit zur „Kanalisierung und Neutralisierung psychischen
Drucks“ nahm für die Mehrheit der Donauschwaben mit der Zeit ab, die Informationen aus der alten Heimat wurden zuverlässiger, man konzentrierte sich auf den Neuan-
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fang in der Bundesrepublik.59 In den ehemals donauschwäbischen Siedlungsgebieten
hingegen scheinen Erzählungen, wie wir sie aus der Sagen-Sammlung-Karasek kennen,
immer noch Teil des kommunikativen Gedächtnisses zu sein. Thomas Dapper ist bei
Recherchen für seinen Film Wege nach Mramorak auf sagenhafte Erzählungen zur Kirchenzerstörung in Mramorak gestoßen. In Mramorak wussten ihm verschiedene Einwohner jeweils eigene Geschichten zur Zerstörung der Kirche und zu Unglücken, welche die daran Beteiligten danach ereilt haben sollen, zu berichten.60 Wie in Mramorak
wird es auch in anderen Orten ähnliche Erzählungen geben. Diese zu sammeln und mit
der Sammlung Karaseks zu vergleichen, wäre eine lohnende Aufgabe für künftige Forschungen als Beitrag zur Mentalitäts- und Erfahrungsgeschichte der jugoslawischen
Nachkriegszeit.
Eine weitere Ansatzmöglichkeit wären gezielte Presse- und Archivrecherchen. Artikel in der Politika und der Slobodna Vojvodina nahmen unter anderem zu Marienerscheinungen und damit zusammenhängenden Gerichtsprozessen Stellung. Karaseks
Meinung nach sollte so die „Stimme des erwachenden Gewissens“ unterdrückt werden,
indem die Erzählungen zu Wundern und Erscheinungen als Flüsterpropaganda und
Aberglauben abgetan wurden.61 Diese Einschätzung greift sicher zu kurz. Anschlussfähig sind Studien, wie sie Slađana Josipović Batorek vorgelegt hat. Sie untersuchte verschiedene Formen der Volksfrömmigkeit im Bistum Diakovar im Kontext der Beziehungen zwischen Kirche und Staat und ging dabei auch auf die Wallfahrt nach Boschnjatzi
ein, zu der im Sagen-Archiv-Karasek zwei Erzählungen überliefert sind. In Boschnjatzi
soll drei Kindern die Muttergottes erschienen sein. Die Kunde über die angebliche
Erscheinung verbreitete sich schnell über den Ort hinaus, woraufhin zeitweise – besonders während des Prozesses gegen Erzbischof Alojzije Stepinac – Tausende in den Ort
pilgerten, vor allem Kroaten, aber auch Deutsche.62 Die zuständigen Behörden gingen in
ihren Berichten davon aus, dass die Kinder, denen dort Maria erschienen war, von ihren
„Eltern und anderen Faschisten“ beeinflusst worden waren.63 Wie für Boschnjatzi belegt
das Sagen-Archiv-Karasek auch für andere Orte Demonstrationen der Volksfrömmigkeit, die schnell zu Selbstläufern wurden, auf die kommunistische Behörden mit Verboten und Einschränkungen zu reagieren versuchten. Künftige Forschungen könnten diese
Belege mit staatlichen und kirchlichen Quellen sowie Pressereaktionen vergleichen, um
das Verhältnis zwischen Volksfrömmigkeit, Kirche und Staat in der jugoslawischen
Nachkriegszeit zu erhellen.
DONAUSCHWÄBISCHE ERZÄHLUNGEN ÜBER INTERNIERUNG UND ENTEIGNUNG
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Interview von Johannes Künzig mit dem Ehepaar Fitterer aus Milititsch, Tonarchiv Künzig, Band
10-I/10-II, Nr. 4 (im Folgenden TAK 10-I/10-II_4), aufgezeichnet in Zuffenhausen im Frühjahr 1952.
Die umfassendste Sammlung biografischer Zeugnisse bildet die Ost-Dokumentation, „deren Wert
für die bundesrepublikanische Geschichte als auch die europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts
gar nicht überschätzt werden kann.“ Mathias Beer, Die Ost-Dokumentation. Zur Genesis und
Methodik der größten Sammlung biographischer Zeugnisse in der Bundesrepublik, in: Heinke
Kalinke (Hg.), Brief, Erzählung, Tagebuch. Autobiographische Dokumente als Quellen zu Kultur
und Geschichte der Deutschen in und aus dem östlichen Europa (Schriftenreihe des JohannesKünzig-Instituts 3), Freiburg 2000, S. 23 – 50, hier S. 26.
Johannes Künzig (1897–1982): Nach dem Ersten Weltkrieg Studium der Germanistik, Geschichte
und Volkskunde in Würzburg; seit Ende der 1920er Jahre Forschungen auf dem Gebiet der
Sprachinselvolkskunde; 1930 erste Forschungsreise ins Banat und nach Siebenbürgen zur Dokumentation des dortigen Liedguts; es folgten zahlreiche weitere Forschungsreisen, vor allem nach
Saderlach im Banat, aber auch in die Slowakei und während des Krieges 1943 in die Ukraine; seit
1937 Professor für Volkskunde an der Hochschule für Lehrerbildung in Karlsruhe; 1942 kommissarische Leitung des neu gegründeten Instituts für Volkskunde an der Universität Freiburg; nach
dem Zweiten Weltkrieg Referent bei der Caritas, wo er mit Flüchtlingen und Vertriebenen arbeitete; 1950 Gründung einer privaten Forschungs- und Beratungsstelle für Heimatvertriebene, die
1953 erstmals staatliche Mittel erhielt und in Zentralstelle für Volkskunde der Heimatvertriebenen umbenannt wurde; 1965 wurde die Forschungsstelle in den baden-württembergischen
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Staatshaushalt übernommen und in Institut für ostdeutsche Volkskunde umbenannt. Vgl. Waltraut Werner-Künzig, Johannes Künzig zum 80. Geburtstag, in: Jahrbuch für ostdeutsche Volkskunde 20 (1977), S. 325 – 345; Werner Mezger, Forschung unter den Rahmenbedingungen des
§ 96 BVFG. Das Freiburger Johannes-Künzig-Institut für ostdeutsche Volkskunde, in: Christoph
Schmitt (Hg.), Volkskundliche Großprojekte. Ihre Geschichte und Zukunft, Münster/New York/
München/Berlin 2005, S. 85 – 98.
Alfred Karasek (1902 –1970): Geboren in Brünn/Brno, heutiges Tschechien; ab 1928 Studium der
Volkskunde in Wien bei Arthur Haberlandt; in der Zwischenkriegszeit zahlreiche Sammelfahrten
im Rahmen der „Sprachinselforschung“, z.B. nach Wolhynien, Galizien, in die Batschka und das
Banat; seit 1938 wissenschaftlicher Referent der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft, dort
enger Mitarbeiter des Leiters Hugo Hassinger; 1939/40 begleitete er als Gebietsbevollmächtigter
die Umsiedlung der Wolhyniendeutschen, auch bei der Umsieldung der Bessarabiendeutschen
1940/41 war er beratend tätig; 1945 erster Kontakt mit geflüchteten Donauschwaben in Regensburg, seither Sammeltätigkeit in Flüchtlings- und Auffanglagern; ab 1952 unterstützte die Kommission für Volkskunde der Heimatvertriebenen Karaseks Sammelarbeit finanziell; 1963 wurde
in Bischofswiesen ein Haus angemietet, in dem seine Sammlung untergebracht wurde. Vgl.
Alfons Perlick, Alfred Karasek. Eine Biographie und Bibliographie, in: Jahrbuch für ostdeutsche
Volkskunde 9 (1965), S. 195 – 238; Walter Kuhn, Das Lebenswerk Alfred Karaseks (1902 –1970),
in: Jahrbuch für ostdeutsche Volkskunde 13 (1970), S. 326 – 345.
Zum Institut für Volkskunde der Deutschen des östlichen Europa (IVDE, vormals JohannesKünzig-Institut für ostdeutsche Volkskunde) siehe u. a.: Johannes Künzig, Zentralstelle für Volkskunde der Heimatvertriebenen, in: Jahrbuch für ostdeutsche Volkskunde 1 (1955), S. 203 – 209;
Werner Mezger, Mit der Wende nicht zu Ende. Das Freiburger Institut für ostdeutsche Volkskunde zwischen alten Aufgaben und neuen Zielen, in: Jahrbuch für deutsche und osteuropäische
Volkskunde 42 (1999), S. 1–19; ders., Forschung unter den Rahmenbedingungen des § 96 BVFG.
Elisabeth Fendl und Günter Marschall, Text und audiosynchrone Bearbeitung eines Archivbestandes. Das Digitalisierungsprojekt „Tonarchiv Johannes-Künzig-Institut, Freiburg“, in: RuthElisabeth Mohrmann, Audioarchive. Tondokumente digitalisieren, erschließen und auswerten,
Münster (u. a.) 2013, S. 105 –112, hier S. 106.
Zur volkskundlichen „Rettungseuphorie“ in der Nachkriegszeit siehe Elisabeth Fendl, Von der
Heimatvetriebenenvolkskunde zur Migrationsforschung. Volkskundliche Sichtweisen auf die
Integration von Heimatvertriebenen und Flüchtlingen, in: Rainer Bendel und Stephan Janker
(Hg.), Vertriebene Katholiken – Impulse für Umbrüche in Kirche und Gesellschaft? Münster
2005, S. 49 – 61, hier S. 106. Die Gründung verschiedener z. T. staatlich geförderter Sammelstellen, etwa die ostdeutsche Abteilung der Badischen Landesstelle für Volkskunde, aus der das IVDE
entstand, oder die Forschungsstelle von Kararsek in Bischofswiesen, verdeutlicht die Präsenz des
Rettungsgedankens und seine innenpolitische Bedeutung. Vgl. Heinke M. Kalinke, Zur
Geschichte und Relevanz von Selbstzeugnissen für die Alltags-, Erfahrungs- und Mentalitätsgeschichte der Deutschen in und aus dem östlichen Europa. Eine Einführung, in: dies. (Hg.), Brief,
Erzählung, Tagebuch, S. 7–31, hier S. 19, Endnote 7.
Zitiert nach Fendl, Von der Heimatvetriebenenvolkskunde zur Migrationsforschung, S. 54.
Michael Prosser, Ritualforschung und Erzählforschung. Ein methodisches Beispiel mit Texten
aus dem Bestand „Ungarn“ der ,Sagen-Sammlung-Karasek‘, in: ders. und Csilla Schell (Hg.), Fest,
Brauch, Identität. Ungarisch-deutsche Kontaktfelder (Schriftenreihe des Johannes-Künzig-Institutes 9), Freiburg 2008, S. 235 – 284, hier S. 249 – 251.
Künzig, Zentralstelle für Volkskunde der Heimatvertriebenen, S. 205.
Prosser, Ritualforschung und Erzählforschung, S. 252.
Die Sprachinselvolkskunde der Zwischenkriegszeit sah die deutschsprachigen Minderheiten im
östlichen Europa als „Inseln“ uralten Deutschtums in einem „fremdvölkischen Meer“. Die Entfernung zum Mutterland und die isolierte Insellage habe dazu geführt, dass sich beispielsweise in Lied
und Dialekt die reine deutsche Wesensart erhalten habe, die innerhalb der Reichsgrenzen durch
Modernisierungsprozesse im Untergang begriffen sei. Gemeinsamkeiten und Austauschprozesse
zwischen den deutschen Sprachinseln und der sie umgebenden (serbischen, ungarischen, russischen usw.) Mehrheit wurden ausgeblendet. Im Nationalsozialismus erhielt die Forschungsrichtung
durch die verstärkte Einflussnahme auf die „Volksdeutschen“ erheblichen Auftrieb.
Heinke M. Kalinke, „Teamwork“ – Zur volkskundlichen Feldforschung in Ost- und Südosteuropa
in den 1929er und 1930er Jahren: Alfred Karasek und der Bielitzer Kreis, in: Jahrbuch für deutsche und osteuropäische Volkskunde 42 (1999), S. 20 – 43, hier S. 36 f.
Ebd., S. 37.
Mezger, Dokumentation und Forschung unter den Rahmenbedingungen des § 96 BVFG, S. 88.
Zum Verhältnis zwischen Karaseks Forschungen und der Fachentwicklung vgl. Fendl, Von der
Heimatvertriebenenvolkskunde zur Migrationsforschung, S. 51; Simon Sahm, Donauschwäbische Sagenbildung in der Vojvodina (1944 –1952). Psychologische Aspekte eines narrativen Marienkults, in: Jahrbuch für deutsche und osteuropäische Volkskunde 51 (2010), S. 75 –109, hier
S.76–83; zur Einordnung von Künzigs Forschungen in die Fachgeschichte siehe Mezger, Dokumentation und Forschung unter den Rahmenbedingungen des § 96 BVFG, S. 88 – 90.
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17 Albrecht Lehmann, Im Fremden ungewollt zuhaus. Flüchtlinge und Vertriebene in Westdeutschland 1945 –1990, München 1991, S. 190.
18 TAK 206-I_1, Interview mit Hildegard Tangel aus Werschetz (geb. 1893), aufgez. in Piding am
21.9.1956.
19 TAK 65-I/65-II_1-2, Interview mit Frau Kaspar aus Franzfeld, aufgez.in Freiburg im Herbst 1952.
20 TAK 20_1, Interview mit Anna Birk aus Georgshausen (Geburtsdatum unbekannt), aufgez. in
Kandel am 1.5.1952.
21 Ebd.
22 Gottfried Habenicht, Leid im Lied. Südost- und ostdeutsche Lagerlieder und Lieder von Flucht,
Vertreibung und Verschleppung, Freiburg 1996, S. 18.
23 Ders., S. 39.
24 TAK 10-I/10-II_16, Interview mit Herrn Helmlinger aus India, aufgez. im Lager Zuffenhausen
bei Stuttgart im Frühjahr 1952.
25 Simon Sahm, Donauschwäbische Sagenbildung in der Vojvodina, S. 107.
26 Michael Prosser-Schell (unter Mitarbeit von Tilman Kasten und Cornelia Wolf), Das geistliche
Schauspiel als Bestandteil des christlichen Festes. Anmerkungen und Befunde zu einem klassischen Problem der volkskundlichen Kulturanalyse – unter Berücksichtigung von Beständen des
Johannes-Künzig-Instituts aus dem donauschwäbischen Raum, in: ders. (Hg.), Szenische Gestaltung christlicher Feste. Beiträge aus dem Karpatenbecken und aus Deutschland (Schriftenreihe
des Johannes-Künzig-Instituts 13), Freiburg 2011, S. 157–187, hier S. 185 –187; siehe auch ders.,
Kulturanthropologische Zugänge zum „Mysterienspiel“. Neue Aspekte zu einem klassischen
Untersuchungsfeld der volkskundlichen Forschung, in: Acta Ethnologica Danubiana 13 (2011),
S. 35 – 52, hier S. 47– 59.
27 Zitiert nach Prosser-Schell, Das geistliche Schauspiel als Bestandteil des christlichen Festes, S. 186.
28 Ebd.
29 TAK 63_13, Interview mit Peter Rotenheber aus dem Banat, aufgez. im Flüchtlingswohnlager
„Am Hohen Kreuz“ in Regensburg 1953.
30 Ebd. In der Regeste zum Tonband ist als Ort Gatsch angegeben, gemeint ist wahrscheinlich Katsch.
31 TAK 10-I/10-II_16, Interview mit Herrn Helmlinger aus India, aufgez. im Lager Zuffenhausen
bei Stuttgart im Frühjahr 1952.
32 TAK 39_3, Interview mit Martin Sorg aus Betschmen, aufgez. in Tuttlingen beim Treffen der
Banater Schwaben am 29.6.1952.
33 TAK 10-I/10-II_15, Unbekannter Erzähler aus dem Banat, aufgenommen im Lager Zuffenhausen
bei Stuttgart im Frühjahr 1952.
34 Regeste zu Band 10-I/10-II:_28 Hildegard Tangel berichtet von Massakern an Deutschen in Werschetz: „Die […] Toten lud man auf Wagen und fuhr sie mit Zigeunermusik durch die Gassen
zum Schinder, wo man sie eingrub. Die Zigeuner johlten dabei.“; Vgl. Regeste zu Band 10-I/10II_29, Interview mit Maria Pohl (geboren 1906) aus Sarajewo, die mit anderen Deutschen in
Windthorst interniert und zur Arbeit eingesetzt wurde: „Unter den Wachen gab es auch menschlichere Burschen, so dass sie sich nicht zu beklagen hatten.“
35 Lehmann, Im Fremden ungewollt zuhaus, S. 188.
36 Ders., S. 241.
37 TAK 1232_4, Interview mit Käthe Mock (geb. 1930) aus Mokrin, aufgez. in Freiburg am 8. und
9.1.1995.
38 Habenicht, Leid im Lied, S. 42.
39 TAK 1220/1230/1231_1, Interview mit Käthe Mock (geb. 1930) aus Mokrin, aufgez. in Freiburg
am 8. und 9.1.1995.
40 Zum Thema Holocaust in Heimatbüchern von Vertriebenen siehe Jutta Faehndrich, Erinnerungskultur und Umgang mit Vertreibung in Heimatbüchern deutschsprachiger Vertriebener, in:
Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung 52/2 (2003), S. 191– 229, hier S. 209 – 211.
41 TAK 206-I_28, Interview mit Hildegard Tangel (geb. 1893) aus Werschetz, aufgez. 1956 in Piding.
42 Ebd.
43 Lehmann, Im Fremden ungewollt zuhaus, S. 238.
44 Sagen-Archiv-Karasek, Reihe 4, Nr. 3, Beleg 81 (im Folgenden SAK 4/3-81), Neue Sagenbildung/
Kirchenzerstörung: Marienfrevel, überliefert von Katharina Kaiser (geb. 1894), notiert im GrenzAuffanglager Piding an Pfingsten 1952.
45 Heinke M. Kalinke, Gerüchte, Prophezeiungen und Wunder. Zur Konjunktur sagenhafter Erzählungen in der unmittelbaren Nachkriegszeit, in: Elisabeth Fendl (Hg.), Zur Ikonographie des
Heimwehs. Erinnerungskultur von Heimatvertriebenen (Schriftenreihe des Johannes-KünzigInstitutes 6), Freiburg 2002, S. 159 –174, hier S. 164.
46 Lehmann, Im Fremden ungewollt zuhaus, S. 238 f.
47 Ebd. S. 239 f; Kalinke, Gerüchte, Prophezeiungen und Wunder, S. 167.
48 AK 4/2-144, Neue Sagenbildung/Partisanenkrankheit, überliefert von Elisabeth Kowitzki aus
Mramorak, notiert im Grenz-Auffanglager Piding am 18. Mai 1952.
49 Kalinke, Gerüchte, Prophezeiungen und Wunder, S. 166 f.
DONAUSCHWÄBISCHE ERZÄHLUNGEN ÜBER INTERNIERUNG UND ENTEIGNUNG
50 SAK 4/2-115, Neue Sagenbildung/Partisanenwahn, „Mit dem Kainsmal gezeichnet“, überliefert
von Leopold Rohrbacher in: Neuland, II/13 (9. April 1949), S. 2.
51 SAK 4/3-5, Neue Sagenbildung/Partisanenkrankheit, überliefert von Bertha Sohl aus Hajduschitza, notiert im Grenz-Auffanglager Piding am 10. Mai 1952.
52 SAK 4/3-7, Neue Sagenbildung/Partisanenkrankheit, überliefert von Karolina Steiniger (geb.
1897), notiert im Grenz-Auffanglager Piding am 31. Mai 1952.
53 SAK 4/2-125, Neue Sagenbildung/Partisanenkrankheit, überliefert von Magdalena Jerich aus
Ernsthausen, notiert im Grenz-Auffanglager Piding am 9. Mai 1952.
54 SAK 4/2-121, Neue Sagenbildung/Partisanenkrankheit, überliefert von Bertha Sohl aus Hajduschitza und Elisabeth Graßl aus Setschan, notiert im Grenz-Auffanglager Piding am 10. Mai 1952.
55 Ebd.
56 SAK 4/2-118, Neue Sagenbildung/Partisanenkrankheit, überliefert von Michael Kuhn aus Schajkaschsentivan, notiert in der Donausiedlung bei Darmstadt am 1. April 1951; SAK 4/3-8, Neue
Sagenbildung/Partisanenkrankheit, Erzähler unbekannt, notiert in St. Martin bei Graz während
einer Tagung donauschwäbischer Hochschüler am 14. November 1951.
57 SAK 4/3-7, Neue Sagenbildung/Partisanenkrankheit, überliefert von Karolina Steininger
(geb. 1897), aufgenommen im Grenz-Auffanglager Piding am 31. Mai 1952.
58 Karasek, Die donauschwäbische Volkserzählung in der Gegenwart, S. 115.
59 Kalinke, Gerüchte, Prophezeiungen, Wunder, S. 172 f.
60 Ich danke Thomas Dapper für den Hinweis während der Tagung und für die Mühe, nochmals mit
Mramorakern Kontakt aufzunehmen und die verschiedenen Geschichten zur Zerstörung der
Mramoraker Kirche aufzuschreiben.
61 Alfred Karasek, Unser eigenes Schicksal wird Sage, in: Neuland IV/3 (21.1.1951), S. 4.
62 SAK 4/2-30 Neue Sagenbildung/Marienerscheinung, Schreiben vom Flüchtlingsseelsorger Pfarrer Buschbacher vom Oktober 1949; SAK 4/2-31, Neue Sagenbildung/Marienerscheinung,
Bericht eines Kroaten nach einem Vortrag Karaseks in Salzburg am 19. Mai 1951, übersetzt von
Pfarrer Stepan.
63 Slađana Josipović Batorek, Vjerske procesije i hodočašća u Đakovačkoj ili Bosanskoj i Srijemskoj
biskupiji u svjetlu crkveno-državnih odnosa od 1945. do 1960. godine [Prozessionen und Wallfahrten im Bistum Djakovar oder Bistum Bosnien und Syrmien im Licht kirchlich-staatlicher
Beziehungen von 1945 bis 1960], in: Povijesni zbornik 5 (2012), S. 5 –17, hier S. 10.
183
184
WOLFGANG KESSLER
Wolfgang Kessler
Das historische Umfeld des
Zweiten Weltkriegs in Jugoslawien im Spiegel
donauschwäbischer Ortsheimatbücher
1. Donauschwäbische Ortsheimatbücher für den
historischen Raum Jugoslawien
Das Heimatbuch repräsentiert eine eigene Schriftenklasse
oder Textsorte. Ihr wesentliches Kennzeichen ist die Wiedergabe unmittelbarer Wahrnehmung und Erfahrung des als
„Heimat“ empfundenen engeren Erfahrungsraumes, wie sie
sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt hat.1 Sie
unterscheidet sich von der traditionellen Orts- und Stadtgeschichte, die gegebenenfalls eine ihrer wesentlichen Quellen
darstellt,2 ebenso wie von historisch-kritischer Forschung:
„Ihr wesentliches Merkmal“ ist „die Ganzheitlichkeit der
Darstellung. [...] Bei den Vertriebenen erhielt dies angesichts
des Verlusts der Heimat eine geradezu existenzielle Bedeutung“.3 Man wollte „unter Heranziehung aller aufgefundenen
Texte und erreichbaren mündlichen Überlieferung“ das
Leben der deutschen Bevölkerung – mit der zeitlichen Entfernung vom Kriegsende 1945 oft auch das der Eltern – im
„verlorenen“ Heimatort darstellen und „zu einem ganzheitlichen Geschichtsbild“
verarbeiten.4
Die Heimatbücher der deutschen Vertriebenen stellen eine spezifische Ausdrucksform ihrer Erinnerungskultur dar. Sie halten mikrohistorische Überlieferungen fest,
bezüglich der Zeitgeschichte die selbst erlebte Zeit „in der alten Heimat“ einschließlich Evakuierung, Flucht oder Vertreibung beziehungsweise deren Erzählung durch
Zeitzeugen. Sie sind eine Form der Verschriftlichung des kommunikativen Gedächtnisses.5 Da es in den – wie man sie seit Mitte der 1920er Jahre nannte6 – „donauschwäbischen“ Siedlungsgebieten des „ersten Jugoslawien“ keine „rein deutschen“ Dörfer
gab, repräsentieren die Heimatbücher die Erinnerung des deutschen Bevölkerungsteils. Heimatbücher sind, auch wenn ein einzelner Autor formal verantwortlich ist, in
der Regel Kollektivarbeiten, eine Art Kollektivbiographie der donauschwäbischen
Ortsgemeinschaften, eine Form der Verständigung in der Gruppe über das gemeinsame Bild der „alten Heimat“. „Heimatgeschichte“ wird als „bewusstseinsbildende,
identitätsstiftende Kraft“ beschworen.7 Unangenehme und strittige Erinnerung wird
ausgeblendet, Anschuldigungen, die „Fünfte Kolonne“ des nationalsozialistischen
Deutschlands gewesen zu sein, die die jugoslawische Seite gegen die „Volksdeutschen“
zur Legitimierung von Internierung, Zwangsarbeit, Enteignung und Ausweisung vorgetragen und auch historiographisch zu untermauern versucht hat, werden zurückgewiesen, dagegen die „Leistung“ der Gruppe betont.8
Heimatbücher sind auch angesichts des Generationenwechsels primär zur Selbstverständigung und Traditionsbildung der eigenen Gruppe bestimmt und nicht für
eine irgendwie geartete Öffentlichkeit. Als „graue Literatur“ werden sie – außer in
Pflichtexemplarbibliotheken – mit relativer Dichte systematisch nur von Spezialbibliotheken gesammelt, was den historisch-jugoslawischen Raum betrifft vor allem im
Institut für Donauschwäbische Geschichte und Landeskunde in Tübingen, im Haus der
Donauschwaben in Sindelfingen und in der Martin-Opitz-Bibliothek in Herne. Die
DAS HISTORISCHE UMFELD DES ZWEITEN WELTKRIEGS IN JUGOSLAWIEN
genaue Zahl der einschlägigen Titel ist nicht
bekannt. Die letzte systematische Bestandsaufnahme schließt mit dem Berichtsjahr 1978.9
Entstanden sind die donauschwäbischen Heimatbücher seit den 1950er Jahren, verstärkt
nach der ersten Integrationsphase in der Bundesrepublik Deutschland in den 1960er Jahren,
seit den frühen 1970er Jahren steigt ihre Zahl
bis in die 1980er Jahre an und nimmt seit den
1990er Jahren langsam ab.10 Der Arbeitskreis
Donauschwäbischer Lehrer hat sich seit den
1950er Jahren systematisch um die Erstellung
von Heimatbüchern gekümmert. Dabei ist bei
den in den 1950er und 1960er Jahren innerhalb
der Donauschwäbischen Beiträge erschienenen
Bänden eine starke ideologische Normierung
zu beobachten, in den späteren Jahren dagegen
nach Anlage und Durchführung eher ein
gewisser Pluralismus.11 Nimmt man Zahl und
Umfang der Ortsheimatbücher, liegt in der
Summe eine gewaltige Leistung der Heimatortsgemeinschaften vor, die den Druck in der
Regel selbst finanziert haben.12
Der Zusammenhang mit den in der Ostdokumentation des Bundesarchivs systematisch erfragten und gesammelten Berichten, die in Auswahl in der Dokumentation
der Vertreibung veröffentlicht wurden, ist offensichtlich.13 Teilweise werden die Verzeichnisse der deutschen Bevölkerung, die „Seelenlisten“, die ebenfalls im Rahmen der
Ostdokumentation erstellt wurden, in den Heimatbüchern abgedruckt.14 Man wird bei
ihrer Verwendung immer bedenken müssen, dass es sich hier nicht um authentische,
im unmittelbaren Zusammenhang mit dem historischen Geschehen stehende Dokumente handelt, sondern um nachträglich erstellte Listen und Berichte von Funktionsträgern, die oft Rechtfertigungscharakter haben. Allerdings stellen sie in vielen Fällen
die einzige verfügbare Quelle dar.
2. Die Zwischenkriegszeit 1918–1941 im Heimatbuch
Georg Wildmann stellte 1999 für Filipowa in der Batschka fest: „Es ist die Klage zu
vernehmen, die letzte, volkspolitisch brisante und kulturell bedeutsame Zeit, die in
etwa die beiden Jahrzehnte vor der Vertreibung umfasst, werde in den Ortsmonographien häufig mit nur wenigen Zeilen abgetan.“15 Ein erstes Heimatbuch über Filipowa
hatte 1957 diese Fragen nicht beantwortet.16 Jetzt stellte die um 1930 geborene, am
politischen und militärischen Geschehen bis 1945 nicht beteiligte Generation Fragen
an die Orts- und Gruppengeschichte und arbeitete diese in acht großformatigen Bänden auf.17 Auch andere Heimatbuchautoren dieser Generation setzten sich in dieser
Form mit der eigenen Zeitgeschichte auseinander.
Der Schwäbisch-Deutsche Kulturbund und die Erneuerungsbewegung werden
nur ausnahmsweise differenziert zur Kenntnis genommen. Die Ausgangsposition ist
für die betroffenen Autoren schwierig: Sie sehen sich einer aus der Retrospektive
schwierigen Loyalität verpflichtet, auch wenn der Kulturbund als Organisation der
deutschen Minderheit in manchen Orten erst in den 1930er Jahren Fuß fassen
konnte.18 Auf der einen Seite ist ihnen der Befund mangelnden nationalen Engagements unangenehm, auf der anderen Seite tun sie sich mit der Gleichschaltung zur
„Volksgruppe“ schwer. Sie beziehen eine Verteidigungsposition gegenüber der Kollektivverurteilung der Kulturbundmitglieder, die wegen dieser Mitgliedschaft nach
Kriegsende von der siegreichen jugoslawischen Seite enteignet, interniert, zur Zwangsarbeit herangezogen und vertrieben worden sind.19 Die lange Zeit einzige wissen-
185
Stiftung MartinOpitz-Bibliothek in
Herne.
186
Karte donauschwäbischer Siedlungsgebiete (Entwurf:
Wolfgang Kessler,
Ausführung: Jozo
Džambo).
WOLFGANG KESSLER
schaftliche Darstellung der donauschwäbischen Zeitgeschichte in Jugoslawien, HansUlrich Wehlers Einleitende Darstellung zum Jugoslawienband der Dokumentation der
Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa (1961), wird weitgehend ignoriert,20
grundlegende in Jugoslawien erschienene Arbeiten21 sowieso.
Überwiegend wird für die 1930er Jahre festgestellt, man sei, gemäß der Ausrichtung des Schwäbisch-Deutschen Kulturbunds, „staatstreu und volkstreu“ gewesen:
„Aber sie blieben gute Deutsche“.22 Das Verhältnis der Minderheit vor allem zum nationalsozialistischen Deutschen Reich als Mutterland, das zwischen 1941 und 1944 zum
„Okkupator“ und zur Schutzmacht des antiserbischen faschistischen Unabhängigen
Staates Kroatien und zum Gegner im „Nationalen Befreiungskampf “ wurde, aus dem
sich das Demokratische Föderative Jugoslawien 1945 legitimiert hat, wird überwiegend im Sinne des Mehrheitsverhaltens der Kriegsjahre unter dem Primat der „Volkstreue“ dargestellt, ein Loyalitätskonflikt nicht thematisiert. Betont wird der „fundierende Mythos der ‚guten Nachbarschaft‘“23, das gute Zusammenleben mit den
einheimischen Serben, Kroaten und Ungarn, „politische Gegensätze zwischen den
Kroaten und den Serben [...] berührten [...] im allgemeinen kaum“.24
Die Modernisierung der lokalen deutschen Gesellschaft wird positiv vermerkt,
insbesondere die Intensivierung des „völkischen Lebens“. Selten und spät findet sich in
den Heimatbüchern Kritik an der Spaltung durch die „Erneuerer“.25 Die meisten Heimatbuchautoren bedauern den Konflikt, sehen aber – bewusst oder in Fortführung
praktizierter Anpassungs- und Überlebensstrategien – einen insgesamt nahtlosen
Übergang zwischen „Alten“ und „Erneuerern“. Die Überwindung sozialer Grenzen
durch die – als Ziel verinnerlichte – „Volksgemeinschaft“ wird hervorgehoben, insbesondere auch die Überwindung der konfessionellen Grenzen.26 Die „Volksgruppe“
wird eher als Konsequenz der „Volksgemeinschaft“ und weniger als nationalsozialistisch geprägter Zwangsverband gesehen.
Im Detail wird lokal differenziert über die Auseinandersetzung zwischen Schwäbisch-Deutschem Kulturbund und den „Erneuerern“ der Kultur- und Wohlfahrtsvereinigung der Deutschen in Slawonien berichtet. In Jarmina in Slawonien etwa hätten
die „Erneuerer“ im nach 1933 einsetzenden „innervölkischen Streit in der deutschen
Volksgruppe“ keinen Erfolg gehabt, man habe aber die Einigung 1939 begrüßt.27 Aus
DAS HISTORISCHE UMFELD DES ZWEITEN WELTKRIEGS IN JUGOSLAWIEN
Gajdobra in der Batschka wird dagegen 1958 die Situation aus der Perspektive der
damals aktiv Involvierten wie folgt berichtet:
„Durch die enge Verbindung mit dem Mutterlande und dem kämpferischen Nationalismus in Deutschland entstand eine von der Jugend getragene Erneuerungsbewegung. Auch diese bewegte sich als Ganzes gesehen auf dem Boden der Loyalität dem
Heimatstaate gegenüber. Unglücklich wirkte sich der verstärkte Einfluss Deutschlands
auf uns Donauschwaben aus. Es kam zu innervölkischem Kampf, der in und um die
völkischen Organisationen entbrannte und der auch nicht in den Dörfern halt machte
und auch auf uns nach Gajdobra übergriff. Er endete schließlich damit, daß die eigenen Verbände und Genossenschaften neue Leitungen bekamen, und was umso bedauernswerter war, dass die alten völkischen Vorkämpfer zurücktreten mussten. Unter der
neuen Ortsgruppenleitung ging es hauptsächlich um die gesamte und einheitlich politische Ausrichtung unserer Ortsbewohner als Volksganzes zu den nationalstaatlichen
Zielsetzungen unserer donauschwäbischen Volksgruppe. In dieser Zeit waren 98 %
der Einwohner Gajdobras Mitglieder. Unsere Bestrebungen gingen aber auch in dieser
Zeit über die Grenzen des Gesetzes niemals hinaus.“28
Der älteren, vor dem Ersten Weltkrieg geborenen Autorengeneration geht es vor
allem um Rechtfertigung und Unschuldsnachweis bezüglich der Kollektivverurteilung
nach dem Zweiten Weltkrieg, den später Geborenen vor allem um Verstehen und
Erklären. Das „alles in allem geruhsame Leben und friedliche Bild“ habe sich schließlich erst im Vorfeld des Zweiten Weltkriegs verändert.29
Ergibt sich bei der Betrachtung der gesamten Minderheit in Slawonien und Westsyrmien und in den nach 1945 in der Autonomen Provinz Vojvodina innerhalb der Republik Serbien zusammengefassten historischen Gebieten (Ostsyrmien, Batschka und
Banat) das Bild der fortschreitenden Nazifizierung im Übergang vom Kulturbund zur
Volksgruppe mit der Tendenz zur „völkisch“ definierten Parallelgesellschaft,30 vermitteln
die Heimatbücher ein lokal differenziertes Bild, soweit sie sich auf diese Zeit einlassen.
3. Im Zweiten Weltkrieg
Der Zweite Weltkrieg spielt, wie Jutta Faehndrich zu Recht konstatiert, bei den Heimatbüchern südostdeutscher Gruppen eine „größere Rolle als bei Reichsdeutschen
und Sudetendeutschen“.31 Es geht im Heimatbuch zunächst einmal um die Verständigung über die Situation der eigenen Gruppe in der Kriegszeit, aber auch darum, sich
gegen den Vorwurf zu wehren, „Fünfte Kolonne“ gewesen zu sein.32
Mit der Aufteilung Jugoslawiens 1941 nach dem deutschen Überfall vom 6. April
1941 veränderte sich die Situation der deutschen Minderheiten: Syrmien wurde
zusammen mit Slawonien Teil des Unabhängigen Staats Kroatien (Nezavisna Država
Hrvatska),33 die jugoslawische Batschka wurde Ungarn eingegliedert,34 Serbien wurde
mit dem westlichen Banat der deutschen Besatzungsverwaltung unterstellt.35 Im
Unabhängigen Staat Kroatien und im Gebiet des „Deutschen Befehlshabers Serbien“,
das heißt im Westbanat und im Reststaat Serbien, wurden „Deutsche Volksgruppen“
als im Sinne der nationalsozialistischen Rassenpolitik definierte Personenverbände
mit öffentlich-rechtlichem Autonomiestatut organisiert. In den Ungarn angeschlossenen Gebieten der seit dem Friedensvertrag von Trianon jugoslawischen Teile der
Batschka und Baranja wurden die dort lebenden Deutschen in den „Volksbund der
Deutschen in Ungarn“ (VDU) eingegliedert, der seit dem Wiener Volksgruppenvertrag vom 30. August 1940 einzigen anerkannten, nationalsozialistischen Organisation
der „ungarischen Staatsangehörigen Deutschen Volkstums“.36
Vernachlässigen wir die Deutschen aus Restserbien und Bosnien, die 1941/42 großenteils in die dem Deutschen Reich eingegliederte Untersteiermark und in das
besetzte Polen umgesiedelt wurden,37 begann 1941 nach gut zwei Jahrzehnten gemeinsamer Geschichte in Jugoslawien die letzte Phase der dort lebenden deutschen Minderheiten: in Slawonien und Syrmien als „Deutsche Volksgruppe in Kroatien“ innerhalb des Unabhängigen Staats Kroatien, im Banat als „Deutsche Volksgruppe in
Serbien“ und in Ungarn als Teil des „Volksbunds der Deutschen in Ungarn“. Im Banat
187
188
WOLFGANG KESSLER
und im kroatischen „Satellitenstaat“ erlangten die dort beheimateten Deutschen
„während des Krieges eine überaus privilegierte Stellung und bildeten eine Art ‚Staat
im Staate‘. Die Führungsorgane beider Volksgruppen erwiesen sich im Gegenzug als
willfährige Instrumente nationalsozialistischer Hegemonialpolitik“.38 Die Darstellung
der Kriegszeit im Heimatbuch unterscheidet sich nach diesen Gebieten, ebenso die
Situation bei Kriegsende mit Evakuierung und Flucht bzw. Internierung, Zwangsarbeit
und Ausweisung der verbliebenen deutschen Bevölkerung, die, beschuldigt, Agentur
der Besatzungsmacht und Kollaborateure gewesen zu sein, nicht die einzigen Opfer
des titoistischen Nachkriegsregimes wurden.39
3.1 Im Unabhängigen Staat Kroatien
Die Intensivierung des kroatischen Nationalismus in der Banschaft Kroatien (Banovina Hrvatska) seit 1939 wird in den Heimatbüchern kaum wahrgenommen, oft noch
nicht einmal erwähnt. Die Einrichtung des Unabhängigen Staates Kroatien wird zur
Kenntnis genommen, aber – wie beim Heimatbuch Jarmina – nicht bewertet, genauso
wenig wie die „Ausweisung“ der nach dem Ersten Weltkrieg im Zuge der Agrarreform angesiedelten serbischen Kriegsfreiwilligen („Dobrowolzen“)40 oder die gegen
die serbische Bevölkerung gerichtete Ausrottungspolitik. Erwähnenswert waren
dagegen die „bald […] einsetzenden Sabotageakte und Überfälle auf deutsche Siedlungen“, die „zwangen […], zum Schutze der Ortsbewohner eine Heimatwacht zu
errichten“. Das nächste für die Kriegszeit erwähnte Ereignis ist „der schauderhafte
Luftangriff auf Vinkovci am 17. Oktober 1944“.41 Die Rekrutierung zur Waffen-SS
und die Rolle der Volksgruppen-Organisation sind keiner Erwähnung wert, unbekannt geblieben ist, nimmt man die Heimatbücher als Indiz, offensichtlich die mit
dem Dienst in der Waffen-SS oder der Deutschen Wehrmacht verbundene Übernahme in die deutsche Staatsbürgerschaft und die für die Nachkriegszeit geplante
„Aussiedlung“ der betroffenen Familien.42 Einen ersten Vorgeschmack auf „das Ende“
brachte zum Beispiel in Jarmina erst Ende Februar 1944 die Unterbringung von 157
Familien aus vier von den Partisanen bedrohten westslawonischen Dörfern in der
Dorfgemeinschaft.43 Am 24./25. Oktober 1944 wurde die deutsche Bevölkerung der
überwiegend schwäbisch-deutschen Dörfer44 evakuiert. Eine Treckgruppe von 60
Wagen wurde aus dem Aufnahmegebiet Steiermark im Mai 1945 „auf Weisung der
damaligen Behörden“ ausgewiesen und nach Slawonien zurückgeschickt. Soweit sie
dort angelangt sind, wurden sie – wie bis auf wenige Ausnahmen alle verbliebenen
Deutschen – unter katastrophalen Bedingungen interniert, zur Zwangsarbeit verpflichtet und schließlich, soweit sie die Leidenszeit überlebt hatten, ausgewiesen.45
Aus der städtischen Perspektive der Deutschen in Vinkovci stellte sich der Übergang in den Unabhängigen Staat Kroatien anders dar:
„Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen und der Bildung des selbständigen
kroatischen Staates im April 1941 änderte sich das Leben in Vinkovci grundlegend.
Der Schwäbisch-deutsche Kulturbund wurde in die Deutsche Volksgruppe umgewandelt. […] Ihr wurden jetzt auch politische, paramilitärische und teilweise administrative Aufgaben übertragen. […] Den Deutschen wurden wieder Rechte eingeräumt, die
man ihnen seit der Aufhebung der Militärgrenze allmählich genommen hatte.“46
Die Autoren übersehen allerdings auch nicht das „Unrecht“:
„Die Juden wurden zusammengetrieben, wegtransportiert und enteignet. Die jahrelange Bevorzugung der regierenden Serben hat die kroatischen Nationalisten bewogen, sich rücksichtslos und unterschiedslos an den Serben zu rächen. Es muß aber
festgestellt werden, daß die ansässigen Deutschen, mit Ausnahme einiger weniger Personen, sich an der Verfolgung der Juden und Serben nicht beteiligt haben; sie haben
allerdings auch nichts dagegen unternommen.“47
Die Bildung, der von der Forschung begründet in SS-Nähe gesehenen „Deutschen
Mannschaft“ im Frühherbst 1941 und ihr Einsatz in der Partisanenbekämpfung wird
einschließlich der namentlich benannten Opfer auf deutscher Seite beschrieben.48 Das
Schicksal der oft deutschsprachigen Juden wird in Heimatbüchern vergleichsweise
DAS HISTORISCHE UMFELD DES ZWEITEN WELTKRIEGS IN JUGOSLAWIEN
häufig,49 der Unabhängige Staat Kroatien und die von Branimir Altgayer geführte
„Volksgruppe“ oft gar nicht erwähnt.50 Im Zentrum des weiteren Berichts stehen die
am 22. Oktober 1944 begonnene Evakuierung sowie das Schicksal der Verbliebenen:
„Ein großer Teil der deutschen Bevölkerung, schätzungsweise 20 Prozent, ist trotz
vieler Überredungsversuche und Mahnungen zu Hause geblieben. Einige von ihnen
waren mit slawischen Familien versippt und glaubten, darum eine glimpfliche Behandlung erwarten zu können, andere hofften, die Zukunft könne schlimmer nicht werden
als das Verlassen der angestammten Heimat, des eignen Hab und Guts.“51
Den im Heimatbuch zitierten Bericht über das Schicksal der „zurückgebliebenen
Volksdeutschen“ in Vinkovci nach dem Einmarsch der Volksbefreiungsarmee am
13. April 1945 haben die Autoren ohne Nennung der Belegstelle mit Kürzungen aus
der Dokumentation der Vertreibung übernommen.52
In Ostsyrmien wird der Übergang aus der Donau-Banschaft in den Unabhängigen
Staat Kroatien im April 1941 (zum Wirtschaftsgebiet erst am 15. Oktober 1941)
erwähnt, die restlichen Ereignisse einschließlich eines Besuchs „des Reichsführers der
SS, Heinrich Himmler“ im Mai 1941 werden ohne jede Wertung erzählt, nur „die
Übergabe des Wirtschaftsgebiets Ostsyrmien“ habe bei der Gemeindeführung „keine
Begeisterung“ erweckt. Die „einheimischen Serben“ hätten „während und nach den
Umsturztagen kein wesentliches Unrecht zu erdulden“ gehabt, ein geringer Teil der
deutschen Bevölkerung habe allerdings „ein überhebliches Verhalten an den Tag“
gelegt.53 Partisanenüberfälle, gegen die eine „Flurwacht“ aufgestellt wurde, und die
Bedrohung der kleineren deutschen Siedlungen hätten Probleme bereitet. Konkreter
wird die Darstellung erst mit der Evakuierung zwischen dem 7. und 22. Oktober 1944
sowie dem „Schicksal der Daheimgebliebenen“, darunter einige, die, so Valentin Oberkersch, „mit einer slawischen Familie versippt“ gewesen seien.54
Ausführlich wird die Zeit im Unabhängigen Staat Kroatien dagegen im Rumaer
Heimatbuch dargestellt, wesentlich durch Berichte und Quellenauszüge, ergänzt
durch Fotografien, die eindeutig die Nazifizierung der Volksgruppe in ihrer öffentlichen Darstellung belegen.55 Während die Evakuierung hier relativ knapp dargestellt
wird, werden „Vertreibung und Vernichtung“ an anderer Stelle in diesem Band großenteils anhand veröffentlichter Quellen ausführlich behandelt.56
Die Lage als Minderheit und die Volksgruppensituation werden in den Heimatbüchern nicht reflektiert, sondern mit wachsendem zeitlichem Abstand verstärkt als Faktum, Erzählung und Quellenzitat berichtet. Die Rekrutierung zur Waffen-SS spielt,
wenn sie – wie im Falle Rumas57 – überhaupt erwähnt wird, eine eher nachgeordnete
Rolle. Bis in die 1980er Jahre steht für die Kriegszeit die Evakuierung im Mittelpunkt,
wobei die Zurückbleibenden, die sich dem Befehl der Volksgruppenführung widersetzten, heftig, zum Teil polemisch kritisiert werden. Seit der Veröffentlichung der
vierbändigen Dokumentation über den Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien konzentriert sich das Interesse stärker auf das Nachkriegsschicksal
der Verbliebenen und der Zurückgekehrten.58
3.2 In der Batschka
Ein großer Teil besonders der älteren Generation der in der Südbatschka lebenden
Deutschen begrüßte die „Rückkehr“ in den ungarischen Staat,59 allerdings finden sich
– wie aus Kernei – auch Berichte, dass „das Verhältnis […] zu den Besatzern von
Anfang an getrübt [war], hauptsächlich wegen des überheblichen Verhaltens einzelner
ungarischer Offiziere und der Unduldsamkeit der ungarischen Beamten den »Schwaben« gegenüber.“60 Die Erinnerung an nationale Spannungen und Magyarisierung
wurde aktualisiert.61 „Der Versuch der neuen Machthaber, die Errungenschaften und
die nationalen Rechte der Deutschen zu schmälern, brachte neue Spannungen“.62 Die
vom „Volksbund der Deutschen in Ungarn“ 1941 durchgeführte Rekrutierung für die
Waffen-SS verstärkte die Spaltung unter den Dorfbewohnern. Es spricht einiges dafür,
dass den Betroffenen die Bedeutung und Folgen der SS-Mitgliedschaft unbekannt
waren.63 Wer sich nicht zur „Sportmannschaft“ meldete, galt in den Augen der radika-
189
190
WOLFGANG KESSLER
leren Volksbundleute als „Schwarzer“, ein Jahr später als „Volksverräter“.64 Der Einsatz
der Katscher Deutschen für serbische Nachbarn 1941 wird im 1988 gedruckten Heimatbuch von den Zeitzeugen verschwiegen, weil er nicht in das durch die Ereignisse
von 1945 geprägte Geschichtsbild passte.65 Die Verfolgung von Serben und Juden
durch die ungarische Besatzung in der Batschka66 wird von den Heimatbüchern nicht
thematisiert.
Erste Flüchtlingstrecks aus dem Banat erreichten nach dem Frontwechsel Rumäniens im September 1944 die Batschka. Anfang Oktober 1944 herrschte, so der Bericht
aus Kernei, „eine allgemeine Ratlosigkeit“.67 Und aus Schowe wird berichtet:
„Als nach dem Frontenwechsel Rumäniens, im August 1944 die russische Armee
sich unserer Heimat unaufhaltsam näherte, besonders aber als die Banater Trecks auf
den Batschkaer Straßen erschienen, bemächtigte sich auch der deutschen Einwohner
von Schowe eine verständliche Unruhe.“
Die Lage blieb unklar. Auch als in der Nacht vom 7. auf den 8. Oktober 1944 der
Fluchtbefehl erteilt wurde, herrschte die „Kopflosigkeit jener Stellen“: Der Treck brach
am 11. Oktober auf, kehrte aber nach starkem Regen wegen Unbefahrbarkeit der Wege
zurück. Der Großteil der Einwohner Schowes blieb „daheim“ und wurde mit Vorrücken der Roten Armee und der Partisanen zunächst Opfer von Übergriffen durch Serben und Slowaken.68 Ende Dezember wurden nicht nur in Kernei die Männer zwischen 18 und 45 Jahren und die Frauen zwischen 17 und 35 Jahren von jugoslawischen
Partisanen in das Gemeindehaus „getrieben“, erfasst und nach einem Fußmarsch nach
Sombor mit vielen anderen Altersgenoss(inn)en aus der Batschka dort „den Russen
übergeben“ und zur Zwangsarbeit nach Russland deportiert.69
3.3 Im Banat
Nach dem deutschen Angriff am 6. April 1941 kam es zu Geiselverhaftungen, denen
sich ein Teil der Banater Deutschen durch Flucht in das nahe Rumänien entzog. Banater Heimatbücher berichten über die Freude beim Eintreffen der Deutschen Wehrmacht. Am 15. April erreichten zum Beispiel 50 Soldaten der Waffen-SS-Division
„Das Reich“ Stefansfeld: „Ein Platzkonzert der Militärkapelle vereinigte die Soldaten
und die Dorfbewohner in bester Stimmung.“70 Die deutsche Verwaltung durch die
Volksgruppe und die deutsche Amtssprache71 wurden begrüßt, die Rekrutierung zur
Waffen-SS-Division „Prinz Eugen“ zumindest nicht hinterfragt: „Niemand entzog sich
dieser Assentierung, alle haben den Ernst der Lage gefühlt, daß man die Scholle verteidigen und Ruhe und Ordnung aufrechterhalten müsse.“72 Vorläufer der SS-Division
„Prinz Eugen“ war die von der „Deutschen Volksgruppe“ unter Führung Sepp Jankos
zur Partisanenabwehr eingerichtete „Deutsche Mannschaft“.73 Die Einberufung der
Männer zur Waffen-SS führte zu Arbeitskräftemangel:
„Da die eigenen Männer bis zu 80 Prozent in den Reihen der ‚Prinz-Eugen‘-Division im Kriegseinsatz waren, standen in der Gemeinde nur fremdvölkische Hilfsarbeiter, die sich aus der ungarischen, serbischen und rumänischen Volksgruppe rekrutierten, zur Verfügung. Damals hörte man in den Gassen nur fremde Laute, ein
unheimliches Gefühl, welches noch gesteigert wurde durch die im Sommer 1944
immer deutlicher gewordene Aufsässigkeit der serbischen Dienstverpflichteten […].
Es halfen keine Verordnungen und kein polizeilicher Druck.“74
Seit 1943 wuchs die Zahl der Partisanenüberfälle. Am 18. September 1944 kamen
erste Flüchtlinge aus dem rumänischen Banat, aus Ulmbach und Wojtek, „ziemlich
geschlossen“ mit einem Treck nach Stefansfeld. Spätestens nach dem Waffenstillstand
Rumäniens mit den Alliierten am 23. August 1944 wurden Vorkehrungen zur vorübergehenden Räumung des Banats getroffen:
„Daß es letzten Endes nicht zur planmäßigen Räumung aus dem Banat kam, lag an
der verspäteten Befehlserteilung des Höheren SS- und Polizeiführers Dr. Behrends in
Belgrad […]. Dieser Versager der reichsdeutschen Befehlsstelle in Belgrad, die jede
verfrühte Evakuierung kriegsgerichtlich verfolgen wollte, hat tausende deutsche Menschen das Leben gekostet.“75
DAS HISTORISCHE UMFELD DES ZWEITEN WELTKRIEGS IN JUGOSLAWIEN
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Während aus Kroatien ca. 80 Prozent der „Volksgruppe“ und aus der Batschka
etwa die Hälfte der deutschen ortsansässigen Bevölkerung rechtzeitig evakuiert werden konnte, war es bei den Banater Deutschen nur etwa ein Zehntel.76
4. Das Heimatbuch als Quelle für die Zeitgeschichte
Josef Wolf hat die Entstehungsweise und Methode der donauschwäbischen Heimatbücher treffend charakterisiert:
„Heimatbücher ähneln sich in dem Verfahren, das in der Textproduktion zur
Anwendung kommt. Die Texte sind im Montagestil konstruiert, das heißt unterschiedliche Textformen wie sparsam kommentierte oder zusammengefasste historische Serienquellen […], erzählte Geschichte und literarische Texte werden an der jeweils ‚passenden‘ Stelle eingefügt. Dem seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert zunehmenden
Rückgriff auf lebensgeschichtliche Berichte und Erzählungen kommt nicht nur eine erinnernde, sondern auch
authentifizierende Funktion zu.“77
Aus diesem Verfahren resultieren Stärken und
Schwächen der Schriftenklasse „Heimatbuch“. Das Heimatbuch ist keine analytische Darstellungsform, es ist
abhängig vom Quellenbestand und der Mitarbeitergruppe. Die Faktensammlung steht im Vordergrund, die
positive Erinnerung ist das Ziel. Konfliktthemen im
engeren gruppenbezogenen Rahmen werden gerne ausgeklammert, ja ignoriert. Bei tendenziell gesamtgesellschaftlichen Themen wie der Einschätzung von Nationalsozialismus und Zweitem Weltkrieg fehlen das
kritische und das wissenschaftliche Potenzial, sich den
Kontroversen zu stellen, zumal das Loyalitätsdilemma
der Betroffenen offensichtlich ist. Vor der Erkenntnis,
trotz allen guten Willens nur instrumentalisiert worden
zu sein, schreckt man ebenso zurück wie vor der Einsicht, dass die Minderheitensituation im Konfliktfeld des
Zweiten Weltkriegs ausweglos war. Die kollektive Schuldzuweisung durch die jugoslawische Nachkriegspolitik
erschwert die Einsicht in eigene Irrtümer und eigenes
Fehlverhalten. Die kritische Aufarbeitung der „volksdeutschen“ Geschichte in den Herkunftsregionen seit den späten 1980er Jahren kam für
die Heimatbücher zu spät.78 Die Wahrnehmung bleibt – heimatbuchüblich – monoperspektivisch. In einer Region, in der bis heute eine ethnozentrierte Nationalgeschichte
dominiert, wäre es ein Wunder, wenn das Heimatbuch als Geschichte von Betroffenen,
von Opfern, eine andere Perspektive entwickelte.
Nur ausnahmsweise wird die Zwischenkriegszeit detailliert dargestellt,79 für die
Zeit des Zweiten Weltkriegs stehen Bedrohungssituationen wie Übergriffe und Internierungen zu Kriegsbeginn und das Kriegsende 1944 im Zentrum. In den frühen
Heimatbüchern überwiegt die Darstellung der Evakuierung, sie enthalten die Chronik der Treckgemeinschaft, während die Leidensgeschichte der Gebliebenen weitgehend ausgeblendet bleibt. Das ändert sich mit den 1980er Jahren und der Erarbeitung
der „Leidensgeschichte“, der Märtyrologie der Donauschwaben aus Jugoslawien, die
bis dahin verdrängte, traumatisierende Erfahrungen und Erlebnisse einbezieht. Eine
Radikalisierung des Grundtons ist unverkennbar, aus Internierungslagern werden
Konzentrationslager,80 aus der Leidensgeschichte, die mit Massenliquidierungen,
Internierung usw. zuerst Leopold Rohrbacher 1949 engagiert aus der Opferperspektive dargestellt hat,81 wird ein „Genozid“.82 Die Heimatbücher bieten differenziert spezielle regionale Informationen über das Kriegsgeschehen und die Auswirkungen auf
die Angehörigen der deutschen Minderheit, die Evakuierungen und das Nachkriegs-
Leopold Rohrbacher,
Die Ausrottung der
deutschsprachigen
Minorität in
Jugoslawien in den
Jahren 1944 bis 1948,
Titelblatt.
Eine frühe Darstellung des Schicksals
der Donauschwaben
in Jugoslawien,
erschienen 1949.
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schicksal.
Inwieweit diese Informationen über die in der Ostdokumentation des Bundesarchivs zusammengetragenen Berichte hinausgehen, kann nur im Einzelfall geklärt werden. Immerhin sind sie in den Heimatbüchern, die leider in der Regel keine genaue
Angabe zur Quelle machen, leichter zugänglich. Für die historische Forschung müssen
diese Angaben mit militärgeschichtlichen und anderen Archivquellen sowie der einschlägigen Forschung verglichen werden. Zur Untersuchung des militärischen Vorgehens der Partisanen gehört auch die Einbeziehung der meist apologetischen und einseitigen Literatur zum „nationalen Befreiungskampf “.83 Es gilt aber auch hier, was Vladimir
Geiger über Josef Volkmar Senz’ Geschichte der Donauschwaben geschrieben hat:
„Auch wenn das Buch aus der deutschen (donauschwäbischen) Realität heraus
geschrieben worden ist, finden wir eine Reihe wertvoller, wichtiger und interessanter
Angaben und Hinweise, die für das Verständnis nicht nur der donauschwäbischen
Geschichte von Nutzen und notwendig sind.“84
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Mathias Beer, Das Heimatbuch als Schriftenklasse. Forschungsstand, historischer Kontext, Merkmale und Funktionen, in: Ders. (Hg.), Das Heimatbuch: Geschichte, Methodik, Wirkung, Göttingen 2010, S. 9–40; Jutta Faehndrich, Eine endliche Geschichte. Die Heimatbücher der deutschen
Vertriebenen, Köln 2011 (Visuelle Geschichtskultur 5), S. 44–68.
Für den donauschwäbischen Bereich siehe Josef Wolf, Donauschwäbische Heimatbücher. Entwicklungsphasen und Ausprägungen, in: Beer (Hg.), Das Heimatbuch, S. 129–164, hier S. 131–139.
Faehndrich, Eine endliche Geschichte, S. 69.
Franz Schreiber und Georg Wildmann, Vorwort, in: Paul Mesli (Hg.), Filipowa – Bild einer
donauschwäbischen Gemeinde, Bd. 8: Filipowa 1914 –1944, Karlstetten 1999 (Donauschwäbisches Archiv, Reihe 3; 73), S. 9.
Im Sinne Aleida Assmanns, dazu Wolfgang Kessler, Zwischen Deutschland und Polen. Zu
Geschichte und Geschichtsschreibung des preußischen Ostens und polnischen Westens, in: Matthias Weber (Hg.), Deutschlands Osten – Polens Westen. Vergleichende Studien zur geschichtlichen Landeskunde (Mitteleuropa – Osteuropa, Bd. 2), Frankfurt am Main 2001, S. 60 – 64.
Zur Geschichte des Begriffs vgl. Anton Scherer, Donauschwäbische Bibliographie 1935–1955,
München 1966 (Veröffentlichungen des Südostdeutschen Kulturwerks, Reihe B; 18), S. VII–IX.
Wolf, Donauschwäbische Heimatbücher, S. 153, 159.
Ein generelles Merkmal dieser Schriftenklasse, vgl. Wolfgang Kessler, Von der Aneignung der
Region als „Heimat“ zur Dokumentation des Verlorenen. Heimatbücher zum historischen Nordostdeutschland, in: Beer (Hg.), Das Heimatbuch, S. 101–128, hier S. 121–122.
Wolfgang Kessler, Ost- und südostdeutsche Heimatbücher und Ortsmonographien nach 1945.
Eine Bibliographie zur historischen Landeskunde der Vertreibungsgebiete, München 1979.
Faehndrich, Eine endliche Geschichte, S. 74 –75.
Wolf, Donauschwäbische Heimatbücher, S. 154, 156; Christian Ludwig Brücker (Hg.), 40 Jahre
Arbeitsgemeinschaft Donauschwäbischer Lehrer 1947–1987, Sindelfingen 1987 (Donauschwäbisches Archiv, Reihe 1; 12), S. 44 – 48; Mathias Weifert, Chronik der Arbeitsgemeinschaft
Donauschwäbischer Lehrer 1947–1997, München 1997 (Donauschwäbisches Archiv, Reihe 1;
17), S. 135–143; Faehndrich, Eine endliche Geschichte, S. 154; Carl Bethke, Deutsche und ungarische Minderheiten in Kroatien und der Vojvodina 1918–1941. Identitätsentwürfe und ethnopolitische Mobilisierung, Wiesbaden 2009 (Balkanologische Veröffentlichungen 47), S. 47.
Für den preußischen Osten liegen zum Beispiel flächendeckend nur Kreisheimatbücher vor, oft
von geringerem Umfang als die donauschwäbischen Ortsheimatbücher.
Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (Hg.), Dokumentation
der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Bd. 5: Das Schicksal der Deutschen in
Jugoslawien, Bonn 1961; zur Ostdokumentation vgl., leider primär genealogisch interessiert,
Andreas Leipold, Das Lastenausgleichsarchiv Bayreuth als Träger familienhistorischer Quellen,
Greifswald 2012 (Materialien zur pommerschen Familien- und Ortsgeschichte 11).
Valentin Oberkersch, India. Deutsches Leben in Ostsyrmien (1825 –1944), Stuttgart 1978,
S. 330–406; Stefan Herzog und Stefan Klemm, Heimatbuch der Donauschwaben aus Jarmina –
Jahrmein, Wien 1976, S. 205 –250; Adam Ackermann (Hg.), Kernei in der Batschka 1765 –1965.
Schicksal einer deutschen Gemeinde in Jugoslawien, Trostberg 1979, S. 196 –240. Unter personengeschichtlichem Aspekt sind auch die Ortssippenbücher von Interesse, die aber, anders als
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Anton Scherer meint, keine „Ortsmonographien“ im engeren Sinne darstellen. Siehe Anton Scherer, „Cvaj dojče profesorn – faterland ferlorn“. Tendenziöse Darstellungen, unzulässige Verallgemeinerungen, unwahre Behauptungen, Irrtümer bei deutschen und jugoslawischen Historikern.
Ausgangspunkt: Günter Schödl in: „Land an der Donau“, Graz 1997 (Danubio-Suevia, Bd. 12 =
Donauschwäbisches Archiv, Reihe 3; 81), S. 13.
Schreiber und Wildmann, Vorwort, S. 9.
Anton Zollitsch, Filipowa. Entstehen, Wachsen und Vergehen einer donauschwäbischen
Gemeinde in der Batschka, Freilassing 1957 (Donauschwäbische Beiträge 19).
Paul Mesli (Hg.), Filipowa – Bild einer donauschwäbischen Gemeinde, Bd. 1– 8, Karlstetten
1978 –1999.
Valentin Oberkersch (Hg.), Heimatbuch der Deutschen aus Vinkovci und Umgebung, Biberach
1975, S. 63; Adam Ackermann (Hg.), Kernei in der Batschka 1765 –1965, Trostberg 1979, S. 92:
Nach dem Verbot des Schwäbisch-Deutschen Kulturbundes „formierte sich die Ortsgruppe des
Kulturbundes erst 1939“.
Hans-Ulrich Wehler, Einleitende Darstellung, in: Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien,
S. 3E –132E, hier S. 90E –132E. Vgl. jetzt die Aufarbeitung von Seiten der Landsmannschaft
Donauschwäbische Kulturstiftung (Hg.), Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien, Bde. 1–4, München 1991–1994; Leitfaden zur Dokumentationsreihe Verbrechen an den
Deutschen in Jugoslawien 1944–1948: Gesamtübersicht mit thematischen Ergänzungen und
Register, Deutsch – Englisch – Serbisch, München 2005 (Donauschwäbisches Archiv, Reihe 3; 116).
Wehler, Einleitende Darstellung; wenig überarbeitet erschienen unter dem Titel Hans-Ulrich Wehler, Nationalitätenpolitik in Jugoslawien. Die deutsche Minderheit 1918–1978, Göttingen 1980; vgl.
dazu die Rezension in Südost-Forschungen 40 (1981), S. 421– 422; Bethke, Deutsche und ungarische Minderheiten, S. 47. Grundlegend ist jetzt Bethke, Deutsche und ungarische Minderheiten.
Dušan Biber, Nacizem in Nemci v Jugoslaviji 1933 –1945 [Der Nationalsozialismus und die Deutschen in Jugoslawien 1933 –1945], Ljubljana 1966; Josip Mirnić, Nemci u Bačkoj u Drugom svetskom ratu [Die Deutschen in der Batschka während des Zweiten Weltkriegs], Novi Sad 1974
(Monografije / Institut za izučavanje istorije Vojvodine [Monographien / Institut für die Erforschung der Geschichte der Vojvodina] 6). Zur neueren in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens
erschienenen Literatur siehe Bethke, Deutsche und ungarische Minderheiten, S. 48.
Herzog und Klemm, Heimatbuch der Donauschwaben aus Jarmina, S. 95; vgl. grundsätzlich
Bethke, Deutsche und ungarische Minderheiten, S. 272– 281.
Faehndrich, Eine endliche Geschichte, S. 154.
Herzog und Klemm, Heimatbuch der Donauschwaben aus Jarmina, S. 194 f., Zitat S. 195, ähnlich
Ackermann, Kernei, S. 163; vgl. Wolf, Donauschwäbische Heimatbücher, S. 154.
Franz Wilhelm, Rumaer Dokumentation 1745–1945. Mittelpunkt der deutschen Bewegung in
Syrmien, Slavonien und Kroatien, Bd. 2, Stuttgart 1997 (Donauschwäbisches Archiv, Reihe 4; 29),
S. 146 –147, vgl. dagegen Carl Bischof, Die Geschichte der Marktgemeinde Ruma, Freilassing
1958 (Donauschwäbische Beiträge 25), S. 171–175.
Herzog und Klemm, Heimatbuch der Donauschwaben aus Jarmina, S. 194.
Ebenda, S. 196.
Anton Schäffer, Geschichte der Gemeinde Gajdobra von ihren Anfängen bis zur Gegenwart,
ergänzt durch Georg Ruttinger, Aalen 1958, S. 262/63; die Schlussformulierung entspricht Josef
Volkmar Senz, Geschichte der Donauschwaben. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Eine
volkstümliche Darstellung, Bd. 5., verbesserte Auflage, München 1989 (Donauschwäbisches
Archiv, Reihe 3; 37), S. 220; der entsprechende Band der neuen Gesamtdarstellung aus
donauschwäbischer Perspektive, Georg Wildmann, Donauschwäbische Geschichte, Bd. 3: Die
Tragödie der Selbstbehauptung im Wirkfeld des Nationalismus der Nachfolgestaaten, München
2010 (Donauschwäbisches Archiv, Reihe 3, 133), ist erst erst 2010 erschienen.
Herzog und Klemm, Heimatbuch der Donauschwaben aus Jarmina, S. 197.
Bethke, Deutsche und ungarische Minderheiten, S. 381– 505.
Faehndrich, Eine endliche Geschichte, S. 161.
Vgl. zum Beispiel Petar Kačavenda, Nemci u Jugoslaviji 1918 –1945 [Die Deutschen in Jugoslawien von 1918 bis 1945], Belgrad 1991 (Studije i monografije / Institut za savremenu istoriju [Studien und Monographien / Institut für Zeitgeschichte).
Ladislaus Hory und Martin Broszat, Der kroatische Ustascha-Staat 1941–1945, Stuttgart 1964
(Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 8); Holm Sundhaussen, Wirtschaftsgeschichte Kroatiens im nationalsozialistischen Großraum 1941–1945. Das Scheitern einer Ausbeutungsstrategie, Stuttgart 1983 (Studien zur Zeitgeschichte 23).
Mirnić, Nemci u Bačkoj u Drugom svetskom ratu, S. 83 – 98.
Zur deutschen Besatzung vgl. Walter Manoschek, „Serbien ist judenfrei“. Militärische Besatzungspolitik und Judenvernichtung in Serbien 1941/42, München 1993 (Beiträge zur Militärgeschichte 38); Karl-Heinz Schlarp, Wirtschaft und Besatzung in Serbien 1941–1944. Ein Beitrag
zur nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik in Südosteuropa, Wiesbaden 1986 (Quellen und
Studien zur Geschichte des östlichen Europa 25).
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36 Zur Aufteilung Jugoslawiens 1941 vgl. Marie-Janine Calic, Geschichte Jugoslawiens im 20. Jahrhundert, München 2010 (Europäische Geschichte im 20. Jahrhundert), S. 137–147; immer noch
grundlegend Ferdo Čulinović, Okupatorska podjela Jugoslavije [Die Aufteilung Jugoslawiens
durch die Besatzer], Belgrad 1970 (Ratna prošlost naših naroda [Die Kriegsvergangenheit unserer Völker] 118); Wehler, Einleitende Darstellung, S. 50E–59E; Thomas Casagrande, Die volksdeutsche SS-Division „Prinz Eugen“. Die Banater Schwaben und die nationalsozialistischen
Kriegsverbrechen, Frankfurt am Main 2003, S. 155–182; Holm Sundhaussen, Die Deutschen in
Kroatien-Slawonien und Jugoslawien, in: Günter Schödl (Hg.), Land an der Donau, Berlin 1995
(Deutsche Geschichte im Osten Europas 5), S. 291–348, hier S. 335 –342; Ekkehard Völkl, Der
Westbanat 1941–1944. Die deutsche, die ungarische und andere Volksgruppen, München 1991
(Studia Hungarica 38); Gerhard Seewann, Geschichte der Deutschen in Ungarn, Bd. 2: 1860 bis
2006, Marburg 2012 (Studien zur Ostmitteleuropaforschung 24/II), S. 283, 294; Wildmann (Hg.),
Donauschwäbische Geschichte, Bd. 3, S. 606 –750.
37 Wehler, Einleitende Darstellung, S. 59E, 81E– 85E; Fritz Hoffmann, Das Schicksal der Bosniendeutschen in hundert Jahren von 1878 –1978, Sersheim 1982. – Vgl. Leni Perenčević, „Fern vom
Land der Ahnen“. Zur Identitätskonstruktion in bosnischen Heimatbüchern, in: Jahrbuch für
deutsche und osteuropäische Volkskunde 51 (2010), S. 45–74.
38 Sundhaussen, Die Deutschen in Kroatien-Slawonien, S. 335.
39 Ekkehard Völkl, Abrechnungsfuror in Kroatien, in: Klaus Dietmar Henke und Hans Woller (Hg.),
Politische Säuberung in Europa. Die Abrechnung mit Faschismus und Kollaboration nach dem
Zweiten Weltkrieg, München 1991, S. 358 –394; Borivoje M. Karapandžić, Jugoslovensko krvavo
proleće 1945 [Der jugoslawische blutige Frühling 1945], Cleveland 1976, zu den Deutschen Wehler, Einleitende Darstellung, S. 90E–118E; Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien; Sundhaussen, Die Deutschen in Kroatien-Slawonien, S. 343.
40 Herzog und Klemm, Heimatbuch der Donauschwaben aus Jarmina, S. 194; auch Oberkersch,
India, S. 320; dazu Sundhaussen, Wirtschaftsgeschichte Kroatiens, S. 251.
41 Herzog und Klemm, Heimatbuch der Donauschwaben aus Jarmina, S. 196 –198, zum Luftangriff
Oberkersch (Hg.), Heimatbuch der Deutschen aus Vinkovci, S. 68.
42 Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien, S. 164E; Holm Sundhaussen, Zur Geschichte der
Waffen-SS in Kroatien 1941–1945, in: Südost-Forschungen 30 (1971), S. 176 –196.
43 Herzog und Klemm, Heimatbuch der Donauschwaben aus Jarmina, S. 199, vgl. S. 134.
44 Ebenda, S. 134.
45 Ebenda, S. 200–201; zu den Ausnahmen vgl. Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien,
S. 103E; Casagrande, Die volksdeutsche SS-Division “Prinz Eugen”, S. 299.
46 Oberkersch (Hg.), Heimatbuch der Deutschen aus Vinkovci, S. 67; Nationale Rechte für Deutsche
hat es in der Österreichischen Militärgrenze allerdings nie gegeben.
47 Oberkersch (Hg.), Heimatbuch der Deutschen aus Vinkovci, S. 67.
48 Ebenda, S. 67–68.
49 Faehndrich, Eine endliche Geschichte, S. 164; vgl. die Übersicht Holm Sundhaussen, Jugoslawien,
in: Wolfgang Benz (Hg.), Dimension des Völkermords. Die Zahl der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus, München 1991 (Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte 33), S. 311–330.
50 Eine ausführliche Darstellung aus landsmannschaftlicher Perspektive liegt erst vor mit Valentin
Oberkersch, Die Deutschen in Syrmien, Slawonien, Kroatien und Bosnien. Geschichte einer
deutschen Volksgruppe in Südosteuropa, Stuttgart 1989 (Donauschwäbisches Archiv, Reihe 3; 40),
S. 360 – 461.
51 Oberkersch (Hg.), Heimatbuch der Deutschen aus Vinkovci, S. 70. Nach Mesli (Hg.), Filipowa,
Bd. 8, S. 91, sahen die Deutschen in der Batschka in der Bildung des Unabhängigen Staates Kroatien 1941 die „Errichtung des kroatischen Nationalstaats“.
52 Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien, S. 525 – 534.
53 Oberkersch, India, S. 320; zum Himmler-Besuch auch Wilhelm (Hg.), Rumaer Dokumentation,
Bd. 2, S. 153.
54 Oberkersch, India, S. 326, Evakuierungsbericht ebenda, S. 322 – 326.
55 Wilhelm (Hg.), Rumaer Dokumentation, Bd. 2, S. 153 –190.
56 Ebenda, S. 188–193, 359 –383.
57 Ebenda, S. 169.
58 Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien, Bd. 1 und 2 auch als Weißbuch der
Deutschen aus Jugoslawien. Erlebnisberichte 1944–1948, München 1993; Weißbuch der Deutschen aus Jugoslawien. Ortsberichte 1944–1948, München 1992, herangezogen werden auch Leopold Rohrbacher, Ein Volk – ausgelöscht. Die Ausrottung des Donauschwabentums in Jugoslawien in den Jahren von 1944 bis 1948, Salzburg 1949 (Schwabenbuch-Reihe 1) und Bonner
Dokumentation, Bd. 5.
59 Schäffer, Geschichte der Gemeinde Gajdobra, S. 266.
60 Ackermann (Hg.), Kernei in der Batschka, S. 163.
61 Casagrande, Die volksdeutsche SS-Division „Prinz Eugen“, S. 160.
62 Ackermann (Hg.), Kernei in der Batschka, S. 163.
DAS HISTORISCHE UMFELD DES ZWEITEN WELTKRIEGS IN JUGOSLAWIEN
63 Martin Schneider (Hg.), Militisch, Freilassing 1961 (Donauschwäbische Beiträge 43), S. 240; vgl.
Ackermann (Hg.), Kernei in der Batschka, S. 164.
64 Mesli (Hg.), Filipowa, Bd. 8, S. 278 –279.
65 Katsch, die Geschichte deutscher Kolonisten in einem serbischen Dorf, Offenbach 1988. – Mitteilung von Herbert Schön während der Tagung in Bad Radkersburg, der diesen Sachverhalt erst bei
späteren Besuchen erfahren hat. Eine serbische Geschichte von Kač konnte nicht ermittelt werden.
66 Vgl. Michael Portmann, Die kommunistische Revolution in der Vojvodina 1944–1952, Wien
2008 (Zentraleuropa-Studien 13), S. 89–93; Vladislav Rotbart, Jugosloveni u mađarskim zatvorima i logorima 1941–1945 [Jugoslawen in ungarischen Gefängnissen und Lagern 1941–1945],
Novi Sad 1988 (Biblioteka stradanja i otpori [Bibliothek des Leidens und des Widerstands] 1).
67 Ackermann (Hg.), Kernei in der Batschka, S. 166.
68 Christian Ludwig Brücker (Hg.), Heimatbuch der Gemeinde Schowe, Winnenden 1961, S. 286 –287.
69 Ackermann (Hg.), Kernei in der Batschka, S. 169–170; knappe Übersicht in Station eines Völkermords. Die Deportation von Deutschen aus dem vormaligen Jugoslawien 1944/45 –1949 in die
Sowjetunion (Donauschwäbisches Archiv, Reihe 3, 122), München 2006 (2. Auflage).
70 Hans Awender und Stephansfelder Heimatausschuss (Hg.), Die Gründung der Gemeinde Stephansfeld/Banat 1796–1805 (Donauschwäbische Beiträge 85), Tuttlingen 1985, S. 188.
71 Völkl, Der Westbanat, S. 70–81.
72 Awender, Stefansfeld, S. 189, vgl. Völkl, Der Westbanat, S. 81.
73 Casagrande, Die volksdeutsche SS-Division „Prinz Eugen“, S. 158.
74 Awender, Stefansfeld, S. 190.
75 Awender, Stefansfeld, S. 191; vgl. Völkl, Der Westbanat, S. 81.
76 Zoran Janjetović, Between Hitler and Tito. The disappearance of the Vojvodina Germans, Belgrade 2000, S. 146 –173; Ders., Die Vertreibung der Volksdeutschen und der ungarischen Bevölkerung der Vojvodina am Ende des Zweiten Weltkriegs, in: Ralph Melville, Jiří Pešek und Claus
Scharf (Hg.), Zwangsmigrationen im mittleren und östlichen Europa. Völkerrecht, Konzeptionen, Praxis (1938–1950), Mainz 2007 (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische
Geschichte Mainz: Beiheft 69), S. 407–420; Portmann, Die kommunistische Revolution in der
Vojvodina, S. 226; Wehler, Einleitende Darstellung, S. 88E.
77 Wolf, Donauschwäbische Heimatbücher, S. 161; zu den literarischen Texten siehe Ivan Poljaković,
Schatten der Vergangenheit. Flucht und Vertreibung in der donauschwäbischen Literatur der
Nachkriegszeit, Zagreb 2009.
78 Zum Beispiel Vladimir Geiger, Što se dogodilo s folksdojčerima? Sudbina Nijemaca u bivšoj Jugoslaviji [Was ist mit den Volksdeutschen geschehen? Das Schicksal der Deutschen im ehemaligen
Jugoslawien], Zagreb 1993; ders., Nestanak Folksdojčera [Das Verschwinden der Volksdeutschen],
Zagreb 1997; Nenad Stefanović, Ein Volk an der Donau. Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien unter dem kommunistischen Tito-Regime. Gespräche und Kommentare serbischer und
deutscher Zeitzeugen (Donauschwäbisches Archiv, Reihe 3; 117) München 2005 (3. dt. Auflage).
79 Ausgesprochen ausführlich zum Beispiel in Wilhelm (Hg.), Rumaer Dokumentation, Bd. 2,
S. 131–152.
80 So in Lisa Flassak (Hg.), Ernsthausen. Das Schicksal eines deutschen Dorfes im Banat. Ein Heimatbuch, Rastatt 1983, Bd. 2, S. 232, Bd. 3, S. 47, vgl. Faehndrich, Eine endliche Geschichte, S. 164.
81 Rohrbacher, Ein Volk ausgelöscht; Rohrbacher geht nicht auf die Evakuierungen ein.
82 Danube Swabian Association of the U.S.A. (Hg.), Genocide of the Ethnic Germans in Yugoslavia
1944 –1948 (Donauschwäbisches Archiv, Reihe 3; 91), Santa Ana 2001; inwieweit der serbische
Genozidvorwurf gegenüber „den“ Kroaten (vgl. Nenad Stefanov, Wissenschaft als nationaler
Beruf. Die Serbische Akademie der Wissenschaften 1944–1992. Tradierung und Modifizierung
nationaler Ideologie, Wiesbaden 2011 [Balkanologische Veröffentlichungen 52], S. 331) hier Wirkungen gezeigt hat, sei dahingestellt.
83 Vgl. Borivoj Pajović und Milorad Radević, Bibliografija o ratu i revoluciji u Jugoslaviji. Posebna
izdanja 1945–1965 [Bibliographie über Krieg und Revolution in Jugoslawien. Monographien
1945–1965] (Ratna prošlost naših naroda [Die Kriegsvergangenheit unserer Völker] 98), Belgrad
1969.
84 Geiger, Nestanak folksdojčera [Das Verschwinden der Volksdeutschen], S. 125: „Iako je pisana iz
njemačkog (podunavošvapskog) realiteta nalazimo niz vrijednih, važnih i zanimljivih podataka i
navoda korisnih i nezaobilaznih i za razumijevanje ne samo podunavskošvapske povijesti.“
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JOŽE DEŽMAN
Jože Dežman
Das vergessene Vermächtnis
der deutschen Minderheit in Slowenien
Ein knappes Jahrhundert nach dem Zerfall Österreich-Ungarns löst Slowenien aktuell
mit Kroatien vor einem internationalen Schiedsgericht das letzte Problem mit einer
Grenze, die lange Zeit in ihrem größeren Teil die Grenze zwischen dem österreichischen und dem ungarischen Teil der Habsburger Monarchie gewesen ist. Die Grenzkonflikte führten nach dem Ersten und nach dem Zweiten Weltkrieg zu gewaltigen
Erschütterungen innerhalb der slowenischen Gesellschaft und ihren Minderheiten auf
der einen Seite, auf der anderen Seite bestimmte der Kampf von sechs Nationen um
dasselbe Land entscheidend auch das Schicksal der slowenischen Minderheiten außerhalb der Grenzen Sloweniens.
In Slowenien hat die Debatte über die Lage der nationalen Minderheiten unterschiedliche Gesichter. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat man zwar begonnen, die in
Slowenien lebenden Ungarn in Konzentrationslagern zusammenzuführen, einige von
ihnen wurden auch ermordet, man diskriminierte sie, doch konnten sie im Land bleiben. Auch etliche Italiener wurden erschlagen, einige von ihnen flüchteten, die meisten
allerdings optierten nach dem Londoner Memorandum vom 5. Oktober 1954 für Italien.
Trotzdem genießen die ungarische und die italienische Minderheit heute in Slowenien
eine rechtlich besonders geschützte Position; beide haben ihren jeweils eigenen Abgeordneten im slowenischen Parlament. Völlig anders ist die Lage der Deutschen, der
Juden und der Roma. Auf der einen Seite standen die Deutschen, die, als Minderheit
weniger beachtet, mehrheitlich auf der Seite der nationalsozialistischen Agression standen. Auf der anderen Seite standen die slowenischen Juden, insbesondere im Übermurgebiet und die slowenischen Roma, vor allem im Gebiet der Draubanschaft der Zwischenkriegszeit, die Opfer der genozidalen Ausrottungspolitik wurden - die Juden
durch die nationalsozialistische im Jahr 1944, die Roma durch die kommunistische im
Jahr 1942 im Gebiet der Unterkrain, als mehr als 150 Roma wegen des Verdachts auf
Spionage für die italienische Besatzungsmacht von Partisanen getötet wurden.
Neben diesen historischen Minderheitengruppen treten in der slowenischen
Öffentlichkeit und der Politik neue Minderheiten von Wirtschaftsmigranten auf, die
in den letzten Jahrzehnten des zweiten Jugoslawiens aus den anderen „Sozialistischen
Republiken“ zugewandert sind.
Deutsche und Slowenen
Durch zwei grundlegend neue Quellenkomplexe sind neue Tatsachen über die titoistische Gewalt (auch gegen die deutsche Minderheit) entdeckt und neue Forschungsergebnisse erzielt worden. Seit 2005 leite ich die Kommission der slowenischen Regierung
zur Lösung der Frage der geheimen Massengräber und bin Mitglied der Regierungskommission zur Durchführung des Gesetzes zur Wiedergutmachung des Unrechts. In der
Arbeit beider Kommissionen verbinden sich die Konfrontation mit dem Tabu des
Titoismus und das Eintreten Sloweniens in die europäischen Prozesse der Verurteilung totalitärer Regime mit dem Schicksal der Opfer des titoistischen Terrors und rassistischer Diskriminierung.
Das schlimmste Verbrechen des Titoismus, dessen Dimensionen vor der einheimischen und der Weltöffentlichkeit auf das Sorgfältigste geheim gehalten wurden, war die
Ermordung von Kriegsgefangenen und Zivilisten während und nach Ende des Zweiten
Weltkriegs. Sie begann in großem Umfang gleich nachdem die Rote Armee den Partisanen die Möglichkeit gegeben hatte, nach Serbien einzurücken. Seinen blutigen Höhe-
DAS VERGESSENE VERMÄCHTNIS DER DEUTSCHEN MINDERHEIT IN SLOWENIEN
punkt erreichte dieses Massenmorden erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs im
Frühjahr 1945 mit mehreren hundert Begräbnisplätzen und vermutlich nicht weniger
als hunderttausend Toten. Die titoistische Tabuisierung dieses Verbrechens wurde mit
äußerster Entschiedenheit gewahrt. Die Mordstätten und die Begräbnisplätze wurden
armiert und befestigt und mit Abfall und Erdaushub bedeckt. Bis zum Zerfall des Titoismus überwachte die Polizei diese Plätze. Noch in den 1970er Jahren wurden Einzelne
wegen dieses Tabubruchs verurteilt – zum Beispiel wegen der Lektüre von Berichten
über Ermordungen in ausländischen Publikationen. Es handelt sich um das größte Verbrechen nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa. In Slowenien wurden in zwei Monaten
mehr als ein Prozent der Bevölkerung und mehr als 80.000 Kriegsgefangene und Zivilpersonen anderer Nationalität (insbesondere Kroaten, Serben und Deutsche) ermordet.
Seit dem Jahr 1990 haben Regierungskommissionen und parlamentarische Untersuchungsausschüsse die Dimensionen dieser Verbrechen aufgedeckt. Eine systematische Topografie wurde im Jahr 2000 begonnen, bis heute wurden mehr als 600 geheime
Hinrichtungsorte und Begräbnisplätze entdeckt. Seit dem Jahr 2005 wurden Opfer
exhumiert und identifiziert, was allerdings mit dem Antritt der Linksregierung im
Jahre 2008 ins Stocken geriet.1 Die Republik Slowenien übernahm trotz des Widerstands der Titophilen zahlreiche Bestimmungen des Übergangsrechts. In das Paket
der sog. Militärgesetze fallen das Gesetz über die Entnationalisierung (1991), das Gesetz
über die Opfer militärischer Gewalt (1995), das Gesetz über die Wiedergutmachung des
Unrechts (1996) und das Kriegsgräbergesetz (2003). Das Gesetz über die Wiedergutmachung des Unrechts wurde nach langen Debatten im Jahr 1996 angenommen. Die von
den Linksparteien dominierte Mehrheit beschloss allerdings ein verstümmeltes
Gesetz. Den Opfern des revolutionären Terrors während des Zweiten Weltkriegs (bis
zum 15. Mai 1945) wurden keine Ansprüche zuerkannt, im Gesetzestext durfte der
Terminus „kommunistische Gewalt“ nicht verwendet werden, die Rechte der Opfer
werden geringer eingestuft als die derjenigen, die Rechte aus der Teilnahme an der
Partisanenbewegung besaßen. Die Titophilen behinderten auch die Arbeit der Regierungskommission der Republik Slowenien für die Durchführung des Gesetzes über die
Korrektur von Unrecht, ihre Arbeit sicherte vor allem der entschiedene Einsatz des
langjährigen Vorsitzenden Janez Lukač. Die archivalische Überlieferung der Kommission setzt mit ihrem Arbeitsbeginn im Jahre 1997 ein. Bis März 2012 hat sie mehr als
24.000 Anträge von mehr als 31.000 Antragstellern bearbeitet. Die Gesamtzahl der
Antragsberechtigen betrug 31.202 Personen.2
Einige Einzelbeispiele aus diesen zehntausenden Schicksalen sollen die Spannweite der Verbrechen und der Verletzungen von Menschenrechten während des Bürgerkriegs und des Klassenkampfes des Titoismus gegen die Bevölkerung Sloweniens
und ihre Tabuisierung unter seiner Herrschaft illustrieren. Danijel Grafenauer hat die
Erkenntnisse über die Deutschen, also die „deutschsprachige ethnische Gruppe der
Einwohner Sloweniens“, zu der er „Personen österreichischer und deutscher Nationalität und Personen mit deutscher Muttersprache mit Rücksicht auf die Volkszählungen
in beiden Jugoslawien von 1921 bis 2002“ rechnet, zusammengefasst: „Die Art und
Weise der Vertreibung glich dem deutschen Vorgehen bei der Zwangsaussiedlung slowenischer Familien“ während des Zweiten Weltkriegs.3 Die Erinnerungen Zdenko
Zavadlavas (1924–2006) bestätigen diese Feststellung und übertreffen sie noch:
„In dieser Nacht erwartet uns der schwierigste Aussiedlungsabschnitt an der Westgrenze zu Österreich, wo die deutsche Minderheit in einigen Dörfern geschlossen lebt:
unter anderem in Füchselsdorf, Sinnersdorf und Guitzenhof. Die Deutschen aus dem
Abstaller Tal werden wir dieses Mal nicht aussiedeln, denn es stehen noch keine Neusiedler bereit, die das Vieh versorgen könnten. Am Abend teilen wir uns für diese Dörfer
ein. Ich selbst gehe nach Füchselsdorf. Die Kommandostelle konnte aber fast keine
Unterstützungskräfte aus dem Gebiet organisieren, weil in diesen Dörfern alle ausnahmslos auf den Aussiedlungslisten standen. Als wir feststellen, dass sogar der Unterstützer aus dem Gebiet verzeichnet ist, obwohl er Slowene ist, streichen wir ihn aus der
Liste. In dieser Gegend lebte nämlich eine deutsche Minderheit, die in einigen Fällen,
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JOŽE DEŽMAN
insbesondere in Füchselsdorf, sehr aggressiv den Slowenen gegenüber eingestellt war.
Ich gehe mit einem Offizier des Korps der Nationalen Verteidigung Jugoslawiens (KNOJ)
von Haus zu Haus, um den Bewohnern den Aussiedlungsbeschluss mitzuteilen. Sie
haben zwei Stunden Zeit, um ihr Gepäck zu packen und das Vieh zu füttern. Bei einem
Haus will man in der Nacht nicht die Tür öffnen. Wir schlagen sie ein. Ich bin schon sehr
müde, deshalb macht der KNOJ-Mann weiter. Da wird die Tür sperrangelweit aufgerissen und ein Hüne von Bauer kommt mit einer Axt heraus. Mit ihr spaltet er dem KNOJOffizier den Kopf genau in der Mitte. So etwas Furchtbares hatte ich noch nie gesehen.
Der Kopf öffnet sich langsam nach beiden Seiten und bleibt dann auf den Schultern des
Toten liegen. Der Offizier sackt in sich zusammen. Der Schwabe schreit in der Tür los
und stürmt mit der Axt vorwärts. Ich weiche zurück. Die um das Haus aufgestellten
KNOJ-Männer beginnen auf das Haus zu schießen. Sie töten den Bauern und, wie wir
später gesehen haben, auch seine gesamte Familie mitsamt der Kinder. Als die Männer
ihren hingemetzelten Offizier gesehen hatten, waren sie nicht mehr aufzuhalten.“4
Vor Ende des Krieges sollen etwa 15.000 bis 16.000 Sloweniendeutsche geflohen
sein. Einige slowenische Historiker haben bei der Erforschung des Schicksals der deutschen Minderheit die Angaben der Politischen Polizei übernommen, wonach aus Slowenien 9.474 Angehörige der deutschen Minderheit vertrieben worden sein sollen.5
Roman Leljak hat jedoch im Archiv der Republik Slowenien die Primärquellen erforscht
und die Zahl der Menschen verzeichnet, die man als Angehörige der deutschen Minderheit vertrieben hat. Er ist dabei auf mehr als 16.000 gekommen, also auf mehr als
doppelt so viele, wie sie die Statistik des Staatssicherheitsdienstes (UDBA) nennt.6
Reichlich ungenau charakterisiert Grafenauer auch die Verbrechen an den Sloweniendeutschen: „Die Zahl der Deutschen aus Slowenien, die ihr Leben in der Kriegszeit oder unmittelbar danach verloren haben (durch Exekutionen ohne Gerichtsverfahren, ohne rechtliche Begründungen, durch Entbehrungen und Misshandlungen)
lässt sich nicht genau feststellen (vermutlich um die 1.500, keinesfalls aber 6.000 und
mehr, wie einige deutsche und österreichischen Quellen behaupten.“ Aus der Behauptung, dass „einige vor […] Kriegsgerichte gestellt und verurteilt worden sind“,7 könnte
man den Schluss ziehen, dass die Sloweniendeutschen vor Gerichte gestellt wurden.
Eine derart nebulöse Darstellungsweise ist allgemein kennzeichnend für das unsichere
Verhältnis der Slowenen gegenüber ihren deutschen Nachbarn. Jedoch dient gerade
diese Darstellungsweise dazu, die Tabus des Titoismus aufrechtzuerhalten, die dazu
dienten, die titoistischen Kriegsverbrechen, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit
und die lange Liste an Verletzungen elementarer Menschenrechte während des Titoismus geheim zu halten. Deshalb muss man, wenn man die Lage der verschiedenen
Opfergruppen des Titoismus vergleicht, grundsätzlich davon ausgehen, dass die Deutschen in derselben Lage sind wie alle anderen, vor allem die slawischen Opfer des
titoistischen Bürgerkriegs und Klassenkampfs.
Der Kalte Krieg und der Eiserne Vorgang verhinderten die offene Debatte über
schmerzliche Beziehungen zwischen den Völkern – sowohl auf der internationalen
wie auf der innenpolitischen Ebene. So wird auf der einen Seite betont, dass Italien die
faschistischen Verbrecher nicht verurteilt hat und dass die Entnazifizierung in Österreich mehr Amnestie gewesen ist als eine Abrechnung mit den nationalsozialistischen
Verbrechern, auf der anderen Seite hebt man in Italien die Karstlöcher, in die man die
Ermordeten warf, und den Exodus der italienischen Bevölkerung aus Slowenien hervor, in Österreich die Entführungen durch Partisanen in Kärnten und in der Steiermark sowie die Verbrechen an der deutschen Minderheit in Jugoslawien. In Jugoslawien schuf das System der Bewahrung und Entwicklung der revolutionären
Traditionen ein unübersehbares Netz an Tabus, das verhinderte, dass Tausende von
Schicksalen Eingang in das öffentliche Gedächtnis gefunden haben. Dieses System
blockierte bei allen, die es als „Verräter“, „Kollaborateure“ und „Klassenfeinde“ kennzeichnete, eine normale Entwicklung. In vielen Fällen verdächtigte man schnell eine
Einzelperson, eine Familie, eine gesellschaftliche Gruppe, und in der Folge waren sie
verschiedenen repressiven und diskriminierenden Maßnahmen ausgesetzt.
DAS VERGESSENE VERMÄCHTNIS DER DEUTSCHEN MINDERHEIT IN SLOWENIEN
Tito übertrifft Stalin
Die Wahrheit über die schlimmsten Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen
unter dem Titioismus in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg bekommt nur
langsam einen statistischen Rahmen. In der Schlussphase des Bürgerkriegs nach dem
Zweiten Weltkrieg wurden im Frühjahr 1945 insbesondere in Slowenien und Kroatien
etwa 200.000 Kriegsgefangene und Zivilisten getötet. In Slowenien, Kroatien und Serbien gibt es rund 1.700 geheime Hinrichtungsplätze und Gräberfelder.8
Tito hatte nach dem Zweiten Weltkrieg eine Phase, in der sein mörderischer Zorn
den Stalins übertroffen hat. Während in der Sowjetunion etwa 40 Prozent der deutschen Kriegsgefangenen starben, war es in Jugoslawien nach dem Zweiten Weltkrieg
etwa die Hälfte (ca. 75.000–90.000), die ums Leben kam, während etwa die selbe Zahl
aus der Lagerhaft entlassen wurde.9 Von den Jugoslawiendeutschen wurde ein Viertel
derer, deren man nach dem Zweiten Weltkrieg habhaft werden konnte, ermordet (von
den rund 200.000, die in Jugoslawien verblieben, wurden ca. 50.000 ermordet).10 Ein
höherer Anteil an Opfern als bei den Deutschen ist jedoch bei den jugoslawischen
Antikommunisten zu verzeichnen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden zum Beispiel
mehr als 13.500 Kriegsgefangene aus Einheiten der Landeswehr umgebracht. Da nach
glaubhaften Angaben kaum mehr als 15.000 von ihnen gefasst wurden, betrug die
Zahl der Getöteten rund 90 Prozent. Die extreme Gewalt bei stalinistischen Gerichtsverfahren, Justizmorde, Tötungen an den Grenzen und bei der Verfolgung verschiedener Widerstandsgruppen, in Konzentrationslagern und Sklavenarbeit setzte sich teilweise bis in die erste Hälfte der 1950er Jahre fort.
Der serbische Historiker Srđan Cvetković führt glaubhaft aus, dass in den Jahren
1944 bis 1953 etwa einer halben Million Menschen, etwa drei Prozent der Bevölkerung, die Freiheit entzogen wurde, darunter ca. 300.000 unterschiedlichen Angehörigen der bürgerlichen Schichten, ca. 100.000 Bauern, die sich der Kollektivierung und
dem Aufkauf widersetzten, und mehr als 55.000, die im Zuge des Kominform-Konflikts verhaftet wurden. In den Gefängnissen befand sich jedoch eine noch größere
Zahl an Menschen, die ohne Gerichtsverfahren einsaßen. Cvetković schätzt, dass in
den Jahren von 1944 bis 1953 eine Million Menschen die Gefängnisse durchlaufen hat
(350.000 nach amtlichen Statistiken von 1947 bis 1953).11
Doch waren für hunderttausende Einwohner Sloweniens andere Formen der Verletzung der Menschenrechte und rassistischer Diskriminierung ebenso verhängnisvoll
wie Mord und sonstige Formen des Staatsterrorismus. Ihrer bediente sich der Titoismus während seiner gesamten Herrschaftszeit, um Demokraten und Gläubige (insbesondere Katholiken) zu unterdrücken und Kultur und Zivilisation im Klassenkampf
gegen Bürgertum und Bauern zu vernichten. Das slowenische Verfassungsgericht hat
den Titoismus als totalitäres System verurteilt, das „insbesondere in dem Jahrzehnt
unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg durch umfassende und grobe Verletzungen
der Menschenrechte und der Grundfreiheiten gekennzeichnet ist“.12
Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Im Gerichtsverfahren gegen Mitja Ribičič, einen hohen Funktionär der Politischen
Geheimpolizei, wurde die Tötung von Kriegsgefangenen und Zivilisten ohne Gerichtsverfahren als Verbrechen gegen die Menschheit erkannt, zumal es bei diesen Morden
Opfergruppen gab, deren Tötung als besonders verwerfliche Handlungen eingestuft
wurde. Eine erste Gruppe unter ihnen bilden Verwundete, Invaliden und Kranke, mit
denen zusammen in einigen Fällen auch das Begleitpersonal umgebracht wurde. Unter
ihnen gab es slowenische und deutsche Opfer. Die zweite Gruppe bilden die Menschen, die nach der Entlassung aus Lagern und Gefängnissen von lokalen Machthabern eigenmächtig getötet wurden. Zur dritten Gruppe gehören die Personen, die in
Gerichtsverfahren verurteilt worden waren (in der Regel zu sehr kurzen Haftstrafen
und zur Beschlagnahme ihres Vermögens) und danach ermordet wurden. Dazu
gehörten in erster Linie alle von der Politischen Geheimpolizei als „Kulturbündler“
Verfolgten.
199
200
JOŽE DEŽMAN
Das Kaufhaus Meyer
in Laibach, undatiert.
Jede einzelne Geschichte hat allerdings ihre charakterischen Besonderheiten, wie
das Beispiel des am 22. Januar 1880 in Laibach (Ljubljana) geborenen Emmerich
Mayer illustriert. Mayer war Eigentümer eines Handelshauses in Laibach sowie einer
Fabrik und einer Villa in Veldes. In Veldes war er zum Beispiel als Besitzer einer Stickereifabrik bekannt, sein Nachkriegsschicksal wird aber an keiner Stelle erwähnt. Die
Politische Polizei kennzeichnete Mayer wie folgt: „Er ist Deutscher. Er war Volksdeutscher.“ Mayer selbst jedoch hatte dem Leiter des Verhörs erklärt, er sei nur „bis zu der
Zeit, als ich optieren musste“ [nach Deutschland zu gehen] Mitglied des Kulturbunds
gewesen: „und das wollte ich nicht tun“. Als er sich am 12. Mai 1945 im Gefängnis
wiederfand, sagten zahlreiche Leute zu seinen Gunsten aus, erwähnt sei nur die Petition von 45 Frauen aus den zu Veldes gehörenden Dörfern Auritz und Schalkendorf,
die mit ihrer Unterschrift bestätigten, dass Mayers Tochter Edda „in der Zeit der
Okkupation mit freiwilligen Beiträgen unseren Ausschuss der Befreiungsfront13 unterstützt hat. Sie gab uns sehr viel für die Auszusiedelnden und war uns immer gewogen,
wenn wir sie aufsuchten. Sie rettete viele Internierte aus dem Lager Wigaun und anderen Gefängnissen“. Dankbezeugungen dankbarer Einzelpersonen und Familien bestätigen die Wahrheit dieser Angaben. Edda Mayer hat in Briefen an die UDBA14 und an
den Präsidenten des slowenischen Parlaments Josip Vidmar nachdrücklich betont,
dass ihr Vater ihre Arbeit für die Partisanenbewegung unterstützt hat. Zeugen aus
Laibach bestätigen ebenfalls Mayers Einsatz für Slowenen und seine Hilfe. Slavko
Višnar sagte zum Beispiel als Zeuge aus, dass Mayer, als man ihn 1943 verurteilt hatte,
„sich mit ganzer Kraft für mich eingesetzt und mittels erfolgreicher Interventionen
erreicht hat, dass die beabsichtigte Todesstrafe in eine Haftstrafe von 30 Jahren umgewandelt wurde“. Danach habe Mayer in den zwei Jahren seiner Gefängnishaft „in vollem Umfang für den Lebensunterhalt meiner Familie, die aus Frau, Kind und der
kranken Schwiegermutter bestand, gesorgt“. Erwähnenswert ist, dass sozial engagierte
Laibacher Frauen in ihrer Stellungnahme betont haben, dass Mayer vor dem Zweiten
Weltkrieg „der größte und allgemeine Unterstützer“ von armen Kindern gewesen ist.
Alles Gesagte war vergebens. Mayer wurde durch ein Urteil des Militärgerichts des
Laibacher Militärbezirks, Nr. I, Urteil 536/45 zu sechs Monaten Haft verurteilt, zum
Verlust seiner staatsbürgerlichen Rechte und zur Enteignung seines gesamten Besitzes.
Ende des Jahres wurde er in das Gefängnis der OZNA15, der Politischen Polizei, nach
Marburg an der Drau überführt. Das Schicksal der Familie wird im Antrag an die
Regierungskommission zur Durchführung des Gesetzes zur Wiedergutmachung des
Unrechts der Republik Slowenien beschrieben: „Im Jahre 1945 waren die Töchter 32
und 19 Jahre alt, an ein schönes Leben und Überfluss gewöhnt, den ihnen der erfolg-
DAS VERGESSENE VERMÄCHTNIS DER DEUTSCHEN MINDERHEIT IN SLOWENIEN
reiche Vater bieten konnte. Mit einem Male verloren sie durch Unrecht alles, dazu den
Ausnahmevater, der gegen alles Recht verhaftet, qualvoll eingesperrt und schließlich
auf erniedrigendste Weise totgeschlagen wurde, obwohl er seine Strafe abgesessen
hatte. Sie verloren alles, auch alle persönlichen Gegenstände. Die Mutter und Doris
wurden am 14. Mai 1945 verhaftet und zunächst drei Monate lang in Laibach inhaftiert, wo sie bis auf das Äußerste gequält und erniedrigt wurden. Nach der Entlassung
musste sich die Mutter wegen der unmenschlichen Verhältnisse in den Gefängnissen
und den dort erlittenen Gesundheitsschäden 14 Operationen unterziehen. Am
10. Dezember 1945 wurden Doris und Edda zusammen mit der Mutter in das BaragaSeminar in Laibach eingewiesen, wo sie bis zum 29. Dezember 1945 blieben. Zu Silvester 1945/1946 wurde die Familie ohne den Vater nach Österreich vertrieben, von wo
aus sie nach Italien ging. Nur Bekannten und wohlmeinenden Menschen ist es zu verdanken, dass sie am Leben blieb. Alle waren bis zur Grenze des Erträglichen getroffen,
zugrundegerichtet und gedemütigt. Sie hatten den Vater verloren, auch wenn sie noch
nicht wussten, dass er umgebracht worden war. Sie hatten ihre Wohnung verloren, den
gesamten Besitz, das ganze Geld, all ihren Schmuck, ihre gesamte Kleidung bis auf die,
die sie am Leibe trugen, alle Bekannten, alle Freunde und die Heimat. Das Leiden und
ein vollständig anderer Lebensweg hatten begonnen. Zur Erhaltung ihrer Existenz
führte sie der Weg von Italien über Deutschland und Argentinien zurück nach Italien
und schließlich nach Hause. Zu dieser Zeit verstarben nach schlimmen Leiden die
Mutter und der Bruder.“
In Mayers Akte steht: „Ausgesiedelt am 22. Januar 1946“. In Wahrheit wurde Mayer
aber umgebracht. Wie er zu Tode kam, erfuhr die Familie erst 1955, als Joseph Kuhn
in der Schweiz seine Zeugenaussage aufschrieb, wie er in Radowanje bei Marburg am
23. Mai 1945 verhaftet und im September 1945 in das Männergefängnis in Pobersch
überstellt wurde. Mitte Januar begann man, Gefangene zusammenzuschlagen, und am
folgenden Abend kam auch Mayer an die Reihe. Man brachte ihn zusammen mit dem
Laibacher Glashändler Julius Klein, der im selben Gerichtsverfahren verurteilt worden war, auf den Arech im Bachergebirge (südlich von Marburg). Im Rahmen der
Entnationalisierung wurde der Familie Mayer ihr Besitz zurückerstattet und ihr die
Rechte nach dem Gesetz zur Wiedergutmachung des Unrechts zugespochen. Nach der
Revisionsklage hob das Oberste Gericht Sloweniens am 15. November 1990 das Urteil
des Militärgerichts auf und rehabilierte Mayer und seine Mitangeklagten.16
Nichtbegrabene Tote
Die Eheleute Leitinger, Michael, geboren 1912, und Johanna, geboren 1915, lebten mit
ihren Kindern Marietta, geboren 1938, Michael, geboren 1940, Alexander, geboren
1943, und Johanna, geboren 1944, in Schleinitz. Als Angehörige der deutschen Minderheit wurden die Eltern am 11. Mai 1945 verhaftet und wahrscheinlich später in einem
Wald bei Tschreta getötet. Am 6. Dezember 1946 wurden die älteren Kinder zusammen
mit Verwandten mütterlicherseits, ihrem Onkel Albin Presker, der Großmutter und der
Großtante, mit anderen Angehörigen der deutschen Minderheit in das Lager Tenje in
Slawonien und danach in das Lager Rudolfsgnad in der Vojvodina gebracht. Die Kinder
blieben dort bis November 1947. Die 14 Monate alte Johanna (Nana) übergab man dem
Ehepaar Križnik in Ottendorf. Zu ihren Geschwistern kehrte sie erst im Alter von elf
Jahren zurück. Später gingen die Kinder nach und nach ins Ausland: Johanna nach
Schweden, Michael nach Australien, Alexander, der heute in Nussdorf lebt, nach
Deutschland, Marietta ist bereits in Zagreb verstorben.
Zu erwähnen ist, dass Alexander im September 2002 eine „Strafanzeige wegen des
Verbrechens des Genozids“ gegen das Führungsmitglied der OZNA, Mitja Ribičič-Ciril,
einen der führenden slowenischen Kommunisten, unter anderem 1969–1971 jugoslawischer Regierungschef und 1982–1983 Vorsitzender des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens, wegen der Internierung und Tötung von Angehörigen der deutschen Minderheit im Jahre 1945 eingereicht hat. Die Kinder erfuhren durch Einheimische vom Grab
der Eltern. Nachdem Tiere begonnen hatten, die sterblichen Überreste aus dem flachen
201
202
Das Ehepaar
Johanna und
Michael Leitinger,
undatiert.
Das Begräbnis des
Ehepaares Leitinger
und der vier unbekannten Opfer,
16. Februar 2013.
Das Grab des Ehepaares Leitinger,
undatiert.
Die Umbettung
der sterblichen Überreste des Ehepaares
Leitinger am
28. September 2011.
Im Grab wurden die
Gebeine von weiteren
vier unbekannten
Opfern gefunden.
JOŽE DEŽMAN
Grab auszugraben und in der Umgebung zu
verbreiten, hatten einige Dorfbewohner die
Opfer tiefer begraben. Michael konnte um
das Jahr 1958 (noch vor seiner Ausreise nach
Australien im Jahr 1961) die sterblichen
Überreste auffinden, doch war die Großmutter dagegen, sie umzubetten. Alexander
richtete eine Grabstätte ein und stellte 1978
oder 1980 eine Grabtafel mit den Namen der
Eltern auf. Zuvor hatte er ein kleines Kreuz
aufgestellt, das aber zerschlagen worden war.
Obwohl ein Familiengrab nicht unter die
Kriegsgräber fällt, stellte Alexander im Mai
2011 an die Dienststelle für Kriegsgräber
einen Antrag auf Umbettung. Da das Grab
nicht in das offizielle Verzeichnis der Kriegsgräber aufgenommen worden war, konnte
das Amt keinen Mitarbeiter beauftragen und
musste den Antrag ablehnen. Deshalb traf
sich mit Unterstützung einer von Martin
Kostrevc geleiteten Bürgerinitiative am 28. September eine Gruppe, die Johanna und
Michael Leitinger umbetten wollte. Es zeigte sich jedoch, dass im Grab noch mehr Personen vergraben worden waren. Der Zerfall der sterblichen Überreste war jedoch weit
fortgeschritten, erhalten waren fast nur in Zersetzung befindliche Gebeine und Schädel.
Außerdem setzte sich die Begräbnisstätte unter einer großen Buche fort. Deshalb wurden
Kriminalisten verständigt und die gefundenen sterblichen Überreste dem Beinhaus auf
dem Friedhof in Dobrawa zur Aufbewahrung übergeben. Die abschließende Exhumierung der sterblichen Überreste erfolgte am 22. Dezember 2012, das Begräbnis der Familie Leitinger und der vier unbekannten Opfer am 16. Februar 2013.
Wer könnten die anderen Opfer gewesen sein? Nach einem Zeugenbericht ist die
schwangere „Gräfin“ aus Schleinitz verschwunden, als sie mit einer Französin auf dem
DAS VERGESSENE VERMÄCHTNIS DER DEUTSCHEN MINDERHEIT IN SLOWENIEN
Weg „nach Kranichsfeld war – auf der Straße holte man sie vom Wagen, verhaftete sie
– dann kam ein Auto der OZNA und entführte sie“. Am selben Tag wurden aus Schloss
Schleinitz Milena Zakrajšek und der Gärtner Kranjec abgeholt, es verschwanden auch
noch mehrere Nachbarn. Die Aussagen der Schwestern Ogrizek, Emilia, verheiratete
Rudež, und Michaela, verheiratete Vodan, hat Martin Kostrevc aufgezeichnet. Auf
dem Bauerhof der Familie Ogrizek im Bachergebirge unterstützte man die Partisanen.
Die Schwestern brachten zu Ostern 1945 den abgestürzten 24-jährigen amerikanischen Flieger Richard Nef aus einer Kleinstadt in der Nähe New Yorks mit nach Hause.
Nach Absprache mit den Partisanen versteckte er sich im Bunker bei der Familie Ogrizek. Bei ihnen blieb er bis zum Kriegsende. Die „Gräfin“ war eine Erzieherin mit dem
Vornamen Friederike, die im Jahre 1937 den Grafen Schönborn geheiratet hatte, der
aber bereits im Jahr 1942 verstarb. Friederike war 1944 einem englischen Kriegsgefangenen nähergekommen, der nach dem Krieg nach England zurückgekehrte. Frau
Schönborn, die den Partisanen half, verkehrte auch mit der Familie Ogrizek. Hans
Ogrizek brachte Nef zu dem Engländer auf Schloss Schleinitz, um seine Heimkehr
vorzubereiten. Frau Schönborn bestätigte Hans, dass er den Piloten auf das Schloss
gebracht hatte. Diese Bestätigung fand die OZNA bei Hans und verhaftete ihn. Ende
Juni oder Anfang Juli 1945 fuhren der Vater und Michaela zum Gericht nach Marburg,
um sich über Hans zu erkundigen, doch man sagte ihnen nur, dass er nicht mehr am
Leben sei und irgendwo im Bachergebirge liege.17
Die Mehrzahl der ca. Hunderttausend in den slowenischen Gebieten nach dem
Zweiten Weltkrieg Ermordeten kann man nicht mehr exhumieren und identifizieren.
Nachdem unter der Regierung Janez Janšas, dessen Vater sich als Landeswehrmann vor
der Ermordung im Hornwald hatte retten können, die Erforschung und Systematisierung der Mordstätten insbesondere durch das Verdienst des Justizministers Lovre
Šturm in Gang gekommen war und erste Opfer exhumiert und in einigen Fällen identifiziert werden konnten, wurde unter der Linksregierung Borut Pahors vor allem wegen
ihres titophilen Hintergrunds die Arbeit nahezu eingestellt. Weder die österreichische
noch die deutsche Seite zeigte ein besonderes Interesse an der Aufspürung und Exhumierung der Grabstätten mit ermordeten Angehörigen der deutschen Minderheit.
Selbstbewusstsein und Identität
Josef Felix von Vest, geboren 1769 in Klagenfurt, heiratete 1806 in Schloss Schrottenthurn in Straschischtsche bei Krainburg ein. Seine zweite Frau war Slowenin. Ihr Sohn
Viktor Lorenz war Präsident des Landgerichts in Klagenfurt. Den Familienstamm
führte Viktor Karl Anton von Vest fort, Kommandant des Marinekorps der k. u. k.
Marine in Pula. Ihm folgte der 1917 geborene Sohn Viktor, als nationalbewusster Slowene, Mitglied des Sokol. Während des Zweiten Weltkriegs wurde er zur Deutschen
Wehrmacht einberufen und wird seit Juni 1944 in der Nähe von Witebsk in Weißrussland vermisst. In der Zeit, als der Vater an der deutschen Ostfront vermutlich fiel,
wurde am 11. Juni 1944 in Straschischtsche sein Sohn Aleks Leo geboren. Dieser
bekannte sich erst nach der Unabhängigkeit Sloweniens zu seiner adligen Identität. Im
Jahre 1998 schrieb er, wie er sich jahrzehntelang „schämte, aus dem Adel zu stammen,
schämte mich der Tatsache, dass mein Vater 1944 als deutscher Soldat an der Ostfront
vermisst gemeldet worden war, schämte mich, weil uns 1948 UDBA-Leute aus Straschischtsche buchstäblich aus unserer Mietwohnung geworfen hatten, schämte mich,
weil ich als Kind eines deutschen Soldaten nicht ins Ferienlager mitfahren durfte,
schämte mich, dass ich trotz meiner Ausbildung den Militärdienst in einer Strafeinheit
leisten musste“. Als er seine adlige Identität durch genealogische Studien untermauerte, ging er positiv davon aus, dass es möglich ist „auf der Grundlage historischer
Beweise eine Brücke zu den positiven Werten und zum Selbstbild einer Nation wiederherzustellen, die wegen ideologischen Mißbrauchs in ihr Gegenteil verkehrt worden sind“. Magdalena, die Tochter von Viktor Lorenz, heiratete Otto von Detela,
Bezirkshauptmann in Radmannsdorf (sein Vater Otto d. Ä. war Landeshauptmann
von Krain). Karl Palm hat den Familiennamen vom Vater, einem ungarischen Offizier,
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JOŽE DEŽMAN
der in Oberlaibach stationiert war. Von der Mutter nach zwei Ehejahren geschieden,
optierte der Vater für Ungarn. Die Familie wurde als vermeintlich deutsch zur Vertreibung aus dem Staat bestimmt. Am 22. Dezember 1945 wurden die Eheleute Otto und
Magdalena von Detela sowie Karl Palm mit seiner schwangeren Ehefrau und der zweijährigen kleinen Tochter verhaftet. Otto und Magdalena von Detela starben im Lager
in Marburg im Februar 1946 an Auszehrung, die Familie Palm wurde im April 1946
nach Österreich ausgewiesen.
Aleks Leo von Vest und Karl Palm begannen den Kampf um die Entnationalisierung und die Restititution des früheren Familienbesitzes. Schon zur Anerkennung der
jugoslawischen Staatsbürgerschaft musste Palm bis zum Verfassungsgericht gehen.
Nach langjährigen Gerichtsverfahren (wie sie auch allzuviele andere slowenische Restitutionsberechtigte durchstehen mussten) erhielt Vest das Schloss als Familienerbe
zurück und bringt es jetzt in Ordnung. Palms Tochter Jutta, verehelichte Auersperg,
will nach Slowenien zurückkehren und das restituierte Familienvermögen verwalten.18
Hunderte ähnlicher Berichte bezeugen, wie schwierig es war, durch die titoistische
Aggression zerstörte individuelle und Gruppenidentitäten wiederherzustellen.
Die Kinder aus Petritschek
Im Jahr 2007 wurde der Dokumentarfilm Die Kinder aus Petritschek (Otroci s Petrička)
von Miran Zupanič zum „Slowenischen Film des Jahres“ erklärt.19 In ihm treten Waisen
auf, von denen ein Elternteil oder beide Eltern ohne Gerichtsverfahren hingerichtet
worden sind und die aus dem Konzentrationslager Tüchern in das Kinderlager „Petritschek“ verlegt worden sind, unter ihnen Kinder aus deutschen, aus slowenischen und
national gemischten Ehen. Man sprach slowenisch, ein Nachkomme englisch.
Auch der Dokumentarfilm Jože Možins Ein Verbrechen, das nicht verjährt handelt
vor allem von der Verfolgung und Ermordung der deutschen Minderheit.20 Die Zeitzeugen sprechen slowenisch und leben in Slowenien. Der Dokumentarfilm wurde mit
dem Josip Jurčič-Preis ausgezeichnet.
Wenn wir der gestohlenen Kinder gedenken, die die Nationalsozialisten ihren slowenischen Eltern fortgenommen haben, um sie zur Eindeutschung fortzuschicken, ist
es ebenso wichtig, dass wir uns an die deutschen Kinder erinnern, denen ebenfalls
vielfach die Familie und die Muttersprache genommen wurde. Schätzungsweise gab es
etwa 18.000 bis 20.000 entnationalisierte deutsche Kinder in Jugoslawien.21 Sie alle
teilen das Schickal tausender Altersgenossen, die wegen getöter Väter, Mütter, anderer
Verwandter oder wegen der gesellschaftlichen Stellung ihrer Familie lange Zeit zurückgesetzt und beschimpft wurden und in jeder Hinsicht lebenslang benachteiligt waren.
Geschichte ohne Grenzen
Der Historiker Mitja Ferenc resümiert: „Nach der Aussiedlung der Deutschen in den
Jahren 1945 und 1946 verblieben in Slowenien nur die ‚Reste der Reste‘ der deutschen
nationalen Minderheit. Charakteristisch für die deutsche Gemeinschaft in Slowenien
(Personen österreichischer und deutscher Nationalität und Personen mit deutscher
Muttersprache) ist in der gesamten Nachkriegszeit ihre geringe Zahl, ihre Zerstreuung
und ihre überwiegende Nichtautochthonizität.“22 Diese Einschätzung der deutschen
Gemeinschaft gilt in anderen Dimensionen für alle Gruppen, gegen die der Titoismus
vorgegangen ist: Bauerntum, Bürgertum, Unternehmer, Adel und Gläubige.
Danijel Grafenauer hat die Vereine deutschsprachiger Einwohner in Slowenien dargestellt: „den Gottscheer Altsiedler Verein, den Verband der Kulturvereine der deutschsprachigen ethnischen Gemeinschaft, den Slowenischen Gottscheer Verein ‚Peter Kosler‘,
den Kulturverein des Abstaller Felds, den internationalen Verein ‚Most svobode – Freiheitsbrücke – Freedombridge’, den Verein deutschsprachiger Frauen ‚Mostovi/Brücken‘“.
Seine Präsentation schließt er mit dem Hinweis: „Staatliche Institutionen müssen dafür
sorgen, dass die kulturelle Vielfalt und die Buntheit der nationalen Zusammensetzung
(z. B. die Reste der Gottscheer und der Deutschen) in Slowenien bewahrt und gepflegt
wird.“23
DAS VERGESSENE VERMÄCHTNIS DER DEUTSCHEN MINDERHEIT IN SLOWENIEN
Es geht jedoch nicht nur darum, das zu erhalten, was nach der Zerstörung durch den
Totalitarismus übriggeblieben ist. Für die deutschen wie die slowenischen Opfer ist es
wichtig, dass sowohl ihre überlieferte Kultur als auch der Schaden, den ihr und ihren
Trägern der totalitäre Titoismus zugefügt hat, in das öffentliche Gedächtnis Eingang finden. Ausgangspunkt für diese Zugangsweise ist die Verurteilung aller totalitären und
repressiven Regime – und die Erforschung aller Fragen, die aus welchen Gründen auch
immer tabuisiert worden sind. Das bedeutet, die Filter und die Parteilichkeiten zu verstehen, die wir täglich erleben. In der englischen Version von Wikipedia heißt es zum
Beispiel über den international renommierten Soziologen Thomas Luckmann:
„Thomas Luckmann (born October 14, 1927) is a German sociologist of Slovene
origin. His main areas of research are the sociology of communication, Sociology of
knowledge, sociology of religion, and the philosophy of science. He was born as Tomaž
Luckmann in the Slovenian industrial border town of Jesenice, then part of the Kingdom of Yugoslavia. His father was an Austrian industrialist, while his mother was from
a Slovene family from Ljubljana. On his mother side, he was the cousin of the Slovene
poet Božo Vodušek. He grew up in a bilingual environment. In the family, they spoke
both Slovene and German, and he attended Slovene language schools in Jesenice until
1941, and then German ones. After World War II, the family emigrated to Austria.“
In der slowenischen Version lesen wir dagegen nur: „Thomas Luckmann, deutschslowenischer Soziologe, geboren am 24. Oktober 1928 in Aßling.“ Keine der beiden
Versionen berichtet, dass der Vater Thomas Luckmanns als Bürgermeister von Aßling
am 17. April 1942 von Partisanen ermordet worden ist. Als Vergeltung für einen weiteren Partisanenüberfall erschossen die Besatzer 49 slowenische Geiseln. Wenn wir
dem slowenischen Zweig der Familie Vodušek nachgehen würden, fänden wir führende slowenische Kommunisten wie Antikommunisten – und würden feststellen,
dass im Kreis der Familie Vodušek darüber nicht viel gesprochen worden ist.
Ein ähnliches Beispiel ist Otto Paar, Hotelier und unter der deutschen Besatzung
Bürgermeister von Veldes. Sein Verdienst war, dass in Portorosa der Lebensmittelkonzern Droga entstanden ist. Nicht jedoch berichtet wird, dass Paar am 18. Juli 1946 zu
sieben Jahren Gefängnis verurteilt wurde und bis zum 30. Juni 1950 inhaftiert blieb. Er
starb 1969 in Ankara. Ebensowenig wird berichtet, dass sein Sohn Otto Franziscus
Paar „höchstwahrscheinlich im Lager Wigaun ermordet worden ist“.24
In dieser Zeit äußersten Hasses sind Beispiele zwischenmenschlichen Mitgefühls
und von Hilfe besonders erwähnenswert. Ein Beispiel, das es verdient, gründlicher
untersucht zu werden, ist Zarz mit seinen Nachbardörfern. Die deutsche Besatzungsverwaltung klassifizierte die Einwohnerschaft als deutsche Sprachinsel. Die Männer
des Ortes wurden 1944 zu einem Zollstützpunkt eingezogen. Größere Zusammenstöße mit Partisanen gab es nicht. Die Männer meldeten sich nach Kriegsende bei den
neuen Machthabern und wurden Mitte Mai 1945 verhaftet. Acht wurden umgebracht,
einer zum Tode verurteilt und im November 1945 erschossen. Im Dezember 1945
wurden 15 Familien aus drei Dörfern als „Deutsche“ ausgesiedelt, darunter eine vierzehnköpfige Familie, die in der Kriegszeit „den Partisanen acht Rinder und ein Pferd
zur Verpflegung zur Verfügung gestellt hatte, dazu in allen Kriegsjahren Nahrung und
Kleidung“. Eine andere Familie konnte nachweisen, wegen einer Denunziation durch
eine Person ausgesiedelt worden zu sein, die dann ihren Hof übernommen hatte. Nach
vielen Gesuchen konnten die Familien zwischen Oktober 1946 und dem Sommer
1952 nach Slowenien zurückkehren.
Die Erklärung einer der beiden Familien ist ein eindrückliches Beispiel für das
Leid, das in dieser oder jener Form die Familien aller tabuisierten Toten (mehrere
Tausend Zivilisten und mehr als 15.000 Kriegsgefangene aus antikommunistischen
Einheiten, die die Partisanenbewegung umgebracht hat, mehr als 15.000 von den
Besatzungsarmeen, vor allem der deutschen, rekrutierte Soldaten, die in deren Dienst
gefallen sind) und die Familien der sogenannten Klassenfeinde erlebt haben:
„Die Antragstellerin gab an, dass man ihren Vater 1945 an einen unbekannten Ort
verschleppt habe und die Großeltern, die schwangere Mutter und drei Kinder im Vor-
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JOŽE DEŽMAN
schulalter nach Zarz zu einer Familie, die bereit gewesen sei, sie aufzunehmen, vertrieben habe. Sie durften nichts mitnehmen, ausgenommen ein wenig Kleidung. Als man
den Großvater und einen Onkel 1946 abführte und sie später ermordet wurden, zog
die Familie fort nach Sabrdam. Da die Mutter über keine Mittel zum Lebensunterhalt
verfügte, gab sie den älteren Bruder [der Antragstellerin] [...] und sie zum Bruder des
Vaters, der für beide sorgte, aber die sechs und acht Jahre alten Kinder dafür hart
arbeiten ließ. Nach der Hochzeit des Onkels wurde sogar das Brot weggeschlossen,
und die Kinder mussten meistens hungrig alle Bauernarbeiten erledigen, auch barfuß
den Stall ausmisten. Mit Hilfe eines Lehrers bekam die Mutter mit 46 Jahren eine Stelle
in Eisnern. Sie erhielt eine Wohnung, doch fiel der Regen durch das Dach und drang
die Kälte durch die Ritzen der Holzwände. Als sie nach einigen Jahren in eine andere
Wohnung umziehen konnten, mussten die Kinder die Miete durch Feldarbeit und
Wohnungsreinigung für die Hausbesitzerin abarbeiten. Viele Landsleute, die wussten
wer die Familie war, verachteten sie, beleidigten die Mutter und schlugen auch die
Kinder. Auch der weitere Besuch der Schule wurde ihnen nicht erlaubt. Die Folgen
dieser Verfolgung spürten sie das ganze Leben, und ihr Bruder ist daran gestorben.“25
Der Priester Filip Terčelj hatte große Verdienste um die Bewahrung des Slowenentums unter dem italienischen Faschismus und war deswegen in Italien verurteilt worden. Seine Arbeit setzte er fort, als er nach einer erneuten Verhaftung 1934 nach Slowenien geflüchtet war. All das hat ihm nach dem Zweiten Weltkrieg nicht geholfen.
Die titoistische Behörde nahm ihn fest.
„Meine Allerliebsten! Niemals habe ich mir vorstellen können, dass ein Mensch so
viel ertragen und eine solche Enttäuschung erleben kann! Wie Ihr wisst, war ich drei
Monate lang eingekerkert, von Mitte Juni bis Mitte September. Was ich alles ertragen
musste, kann ich nicht beschreiben. Ich war schon nahe daran, die Welt zu verlassen
und wünschte mir wirklich den Tod. [...] Drei Dinge quälten mich psychisch besonders: Erstens, dass ich unschuldig wegen böser Verleumdungen, die zum größten Teil
aus Görz stammen, leiden musste wie ein Verbrecher und Volksverräter. Ich, der ich
von allen Priestern in Italien am meisten unter dem Faschismus gelitten habe, musste
erneut einen Kreuzweg antreten, der am allerschlimmsten war. […] Das Allerschlimmste aber war, dass mich Leute, denen ich so viel Gutes getan hatte, verdächtigt
und verjagt haben. [...] Wohin sind wir gelangt? Wer hätte sich das gedacht? Menschen, die so viel unter dem Faschismus zu erleiden hatten, werden heute verjagt. Wie
sonderbar und ungerecht ist die Welt. Gott erbarme Dich unser!“
Der Priester Franc Krašna, Pfarrer in Zarz, lud Terčelj zu Weihnachten 1945 zu
sich ein, gerade zu der Zeit, als die erwähnten 15 Familien festgenommen wurden. Am
Dreikönigsfest feierten beide Priester die Messe in Zarz: „Krašna und Terčelj trösteten
die Menschen in Zarz, die ins Pfarramt mit der Bitte um Hilfe und Rettung ihrer Allerliebsten kamen. Sie gaben ihnen die Hoffnung, dass sie sich bei bekannten Personen in
Laibach für sie einsetzen könnten. Terčelj hatte nämlich Verbindungen zur Partisanenfamilie Tomšičev. Erwähnen muss ich noch, das die Mutter des Nationalhelden
Tone Tomšič noch lange Jahre nach dem Krieg Terčeljs Grab in Dautscha besucht hat.“
Am selben Tag wurden Krašno und Terčelj verhaftet und am nächsten Abend in der
Schlucht unterhalb der Stuletz-Hütte (Štulčevo hišo) ermordet. Einheimische bestatteten die sterblichen Überreste der beiden heimlich Ende April oder Anfang Mai 1947.
Für Terčelj ist das Verfahren zur Seligsprechung als Märtyrer eingeleitet worden.26
Alle diese Beispiele zeigen, dass eine kritische Haltung gegenüber allen totalitären
Systemen, die Verurteilung ihrer Verbrechen und das Mitgefühl mit ihren Opfern eine
neue Sicht auf das historische Geschehen eröffnen. Eine solche Sichtweise überwindet
nationalistische und revolutionäre Überspanntheit, Parteilichkeit, Verschweigen und
Fälschung. Jeden Tag stellen sich neue Fragen, entstehen neue Dimensionen. Erwähnt
sei z. B. die jüdische Familie Born, die aus Deutschland nach Slowenien gekommen war.
Karl Born, Politiker und Großgrundbesitzer, starb 1947 in Wien. Nach einem jahrelangen Entnationalisierungsverfahren wurden seinen drei Töchtern 3.653 Hektar Wald,
Wiesen- und Weideland restituiert. Die Familie Friedrich Borns, den die Gestapo
DAS VERGESSENE VERMÄCHTNIS DER DEUTSCHEN MINDERHEIT IN SLOWENIEN
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Der leidende Christus
und die Gedenktafel,
die am 22. September
2013 auf dem Friedhof in Friedau angebracht wurden, erinnern an 39 Kinder
und alte Menschen,
die umkamen, nachdem sie aus dem
Lager Sterntal nach
Friedau verbracht
worden waren.
wegen Spionage verhaftete und der im Konzentrationslager Dachau starb, stellte keine
Restitutionsforderung. Obwohl in beiden Fällen die Nationalsozialisten das Vermögen
beschlagnahmt hatten, zogen es die Kommunisten noch einmal ein. Die Erben Friedrich Borns wollen sich jetzt trotz der zwischenzeitlich eingetretenen Verjährung der
Antragsfristen um die Rückerstattung des Familienvermögens bemühen.27
Über die deutsche Minderheit berichten heute in Slowenien Erzählungen, Bücher,
Denkmäler und Websites, Untersuchungen werden durchgeführt, Opfer berichten vor
der Regierungskommission zur Durchführung des Gesetzes zur Wiedergutmachung des
Unrechts, zahlreiche Strafurteile werden aufgehoben. Es wird deutlich, dass das Schicksal der Menschen, die der Titoismus als slowenische politische Emigranten behandelt
hat, dem Schicksal der geflüchteten und vertriebenen deutschen Familien gleicht. Beide
standen im Fokus der Politischen Geheimpolizei, die auch die Sloweniendeutschen, die
Verbindungen nach Slowenien hielten oder in Slowenien geblieben sind, überwachte.
Rajko Topolovec berichtet, dass am 30. Oktober 2011 an der Mauer von Schloss
Thurnisch feierlich eine Gedenktafel enthüllt worden ist. Die Initiative ging von dem
dort lebenden Marjan Ribič aus, der seine Dankbarkeit gegenüber der Adelsfamilie von
Lippit zeigen wollte. Die Lippits waren durch ihre Pferdezucht bekannt und veranstalteten Trabrennen. Josef Lippit „wurde von einem Menschen verhaftet, der ihn dann in
einer Truhe (einem Wagen für den Transport von Schotter) in das Konzentrationslager
Sterntal abtransportierte. Die Wärter, ‚junge Partisanen‘, quälten ihn und andere
Lagerinsassen mit Adelstitel auf äußerst niederträchtige Weise (sperrten sie in eine
Hundehütte, zwangen sie, wie Hunde zu bellen, ritten auf ihrem Rücken, urinierten in
den Mund). Kam ein Unglücklicher ums Leben, wurde er im nahen Wald, einer Schottergrube oder irgendwo im Bachergebirge begraben oder aber in einem verminten Bunker in Windisch Feistritz. Die übrigen Mitglieder der Familie wurden als Deutschsprachige nach Österreich deportiert, von wo aus sie sich in der ganzen Welt zerstreuten.“28
Die Regierungskommission der Republik Slowenien zur Lösung der Frage der geheimen Grabstätten hat „des Öfteren vorgeschlagen, die versteckten Mord- und Grabstätten im Panzerabwehrgraben von Thesen, einem Vorort von Marburg, als Gedenkpark
einzurichten, der als europäische Versöhnungsinitiative Teil des Programms der Stadt
Marburg bei ihrer Präsentation als Europäische Kulturhauptstadt 2012 sein könnte. Die
Umgebung des Abwehrgrabens innerhalb des Friedhofs Dobrawa wird bereits als Parklandschaft eingerichtet. Alle Bedingungen sind also gegeben, dass Slowenien als Teil des
Programms Europäische Kulturhauptstadt 2012 eine Internationalisierung der versteckten Mord- und Grabstätten initiiert und zuvorderst Kroaten, Serben, Montenegriner,
Italiener, Österreicher, Deutsche und die in Mitleidenschaft gezogenen Völker der Satel-
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Ausstellungskatalog
Die Deutschen in
Maribor.
JOŽE DEŽMAN
litenstaaten der ehemaligen Sowjetunion zur Mitarbeit anregt.
Diese Anregung würde auf genügend Echo stoßen, um sie auf
europäischer Ebene durchsetzen zu können.“29
Es hat nicht den Anschein, dass sich diese Anregung
durchsetzt. Immerhin aber hat die Europäische Kulturhauptstadt 2012 einige slowenisch-deutsche Überlegungen zur
Geschichte Marburgs initiiert. Tamara Griesser-Pečar hat
eine Übersichtsdarstellung der Geschichte Marburgs verfasst, in der sie die slowenischen und die deutschen Akteure
korrekt und ausgewogen darstellt. Den dramatischen Bruch
von der deutschen zu der slowenischen Stadt begleiteten
große Spannungen und in der Folge große Lücken im historischen Gedächtnis.30 Diesem Spannungsverhältnis war auch
die Ausstellung Die Deutschen und Marburg – das Jahrhundert der Wendepunkte (15. März bis 15. Juni 2012) gewidmet,
die „den Besucher zum Nachdenken darüber anregen“
wollte, „ob die Marburger Bevölkerung von der Mitte des
19. bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts wirklich in allen
Lebensbereichen in zwei nationale Gruppen getrennt gewesen ist“. Die Ausstellung
„beleuchtet die im Unterbewusstsein der Marburger präsente, aber nie genauer dargestellte Rolle der Deutschen in Marburg. Sie legt Nachdruck auf das Faktum, dass die
Deutschen von der Zeit der Ausbildung des Nationalbewusstseins bis zum Ende des
Zweiten Weltkriegs einer der wichtigen Akteure in der Stadtentwicklung und wegen
ihrer wirtschaftlichen und politischen Macht ein die Stadt formendes Element gewesen sind, das man nicht übersehen kann, und das nicht man auch nicht übersehen
darf.“31 Die Ausstellung mit Katalog, die im Rahmen der Veranstaltungen Maribors als
Europäische Kulturhauptstadt 2012 entstanden ist, fand mit ihrer interessanten Problematik das Interesse einer Rekordzahl von Besuchern (in den drei Ausstellungsmonaten 14.474 aus Slowenien und dem Ausland). Sie schrieb sich damit in die Liste der
erfolgreichsten Ausstellungen 2012 ein.32
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Jože Dežman (Hg.), Poročilo Komisije Vlade Republike Slovenije za reševanje vprašanj prikritih
grobišč: 2005–2008 [Bericht der Regierungskommission zur Lösung der Frage der geheimen
Gräber 2005–2008], Ljubljana 2008; Mitja Ferenc / Mehmedalija Alić / Pavel Jamnik, Huda jama:
skrito za enajstimi pregradami: poročilo 2 [Die böse Grube, verborgen hinter elf Minierungen.
Bericht 2]. Ljubljana: Družina, 2010; Jože Dežman (Red.), Resnica in sočutje: prispevki k črni
knjigi titoizma: poročilo 3: poročilo Komisije Vlade RS za reševanje vprašanj prikritih grobišč
2009 – 2011 [Wahrheit und Mitgefühl: Beiträge zum Schwarzbuch des Titoismus. Bericht 3:
Bericht der Regierungskommission der Republik Slowenien zur Lösung der Frage der geheimen
Gräber 2009–2011], Ljubljana 2011; Mitja Ferenc, Prekopi žrtev iz prikritih grobišč: (1991– 2011)
[Exhumierungen von Opfern aus geheimen Grabstätten (1991–2011)], Ljubljana 2012.
Arhiv Komisije Vlade RS za reševanje vprašanj prikritih grobišč [Archiv der Kommission der
Regierung der Republik Slowenien zur Lösung der Frage der geheimen Gräber].
Danijel Grafenauer, Organiziranost nemško govoreče etnične skupine prebivalcev v Sloveniji po
letu 1991 [Das Organisationswesen der deutschsprachigen ethnischen Gruppe der Einwohner in
Slowenien seit dem Jahr 1991], in: Koroški koledar, Celovec [Kärntner Kalender, Klagenfurt]
2012.
Zdenko Zavadlav, Pozna spoved – iz dnevnika slovenskega oznovca, Celovec 2010. – Die hier
vorgelegte Übersetzung aus dem slowenischen weicht von der gedruckt vorliegenden deutschen
Übersetzung Michael Kulniks ab, vgl. Zdenko Zavadlav, Späte Beichte.aus dem Tagebuch eines
slowenischen OZNA-Mannes, Klagenfurt 2010, Zitat S. 114 –115.
Vgl. z.B. Dušan Nečak (Hg.), „Nemci“ na Slovenskem 1941–1955 – izsledki projekta [„Deutsche“
in Slowenien 1941–1945 – Ergebnisse eines Forschungsprojekts, Ljubljana 1998.
Roman Leljak, Verjagt! Ethnische Säuberung in Slowenien: die Vertreibung der Deutschen in den
Jahren 1945/46, Radenci 2013.
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Grafenauer, Organiziranost nemško govoreče etnične skupine.
Jože Dežman, Tabuizacija in detabuizacija [Tabuisierung und Enttabuisierung], in: Jože Dežman
(Hg.), Resnica in sočutje – prispevki k črni knjigi titoizma, Poročilo 3, Poročilo Komisije Vlade
RS za reševanje vprašanj prikritih grobišč 2009 – 2011, Ljubljana 2011; Josip Jurčević, Prikrivena
stratišta i grobišta jugoslovenskih komunističkih zločina [Geheime Hinrichtungsstätten und Gräberfelder der jugoslawischen kommunistischen Verbrechen], Zagreb 2012.
Vgl. z.B. Roland Kaltenegger, Titos Kriegsgefangene, Folterlager, Hungermärsche und Schauprozesse, Graz 2001; Kurt W. Böhme, Die deutschen Kriegsgefangenen in Jugoslawien, Bd. 1, Bielefeld 1962 (Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges; 1,1).
Srđan Cvetković nimmt an, dass nach den Zählungen, die er in der Vojvodina einsehen konnte,
die Zahl der Opfer unter der deutschen Minderheit etwa 45.000 betragen hat. Aussage von
S. Cvetković gegenüber dem Autor am 30. September 2012.
Srđan Cvetković, Između srpa i čekića, Represija u Srbiji 1944 –1953 [Zwischen Sichel und Hammer. Die Repression in Serbien 1944 –1953], Beograd 2006.
Ustavno sodišče Republike Slovenije, opravilna št. U-I-109/10, akt: Odlok o določitvi in spremembi imen in potekov cest in ulic na območju Mestne občine Ljubljana [Verfassungsgericht der
Republik Slowenien, Akten-Nr. U-I-109/10, Beschluss über die Festlegung und Änderung von
Namen und Verlauf der Straßen im Gebiet der Stadtgemeinde Laibach] (Uradni list RS [Amtsblatt der Republik Slowenien], št. 44/2009), 2. čl.; Lovro Šturm, Ustavnopravna presoja o razmejitvi totalitarnega sistema in svobodne demokratične družbe, temelječe na človekovem dostojanstvu [Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Abgrenzung des totalitären Systems und der
freien demokratischen Gesellschaft, gegründet auf Menschenwürde], in: Dignitas 2012, Nr.
53 – 54.
Osvobodilna fronta [Befreiungsfront].
UDV, udba – Uprava državne varnosti (politična policija) [Verwaltung der Staatssicherheit (politische Polizei)].
OZN, ozna – Organizacija za zaščito naroda (politična policija) [Organisation zum Schutz des
Volkes (politische Polizei)].
Arhiv Komisije Vlade RS za izvajanje Zakona o popravi krivic.
Arhiv Komisije Vlade RS za izvajanje Zakona o popravi krivic [Regierungskommission zur
Durchführung des Gesetzes zur Wiedergutmachung des Unrechts]; Terenski zapisi Martina
Kostrevca, Jožeta Dežmana, pri avtorjih [Gebietsaufzeichnungen von Martin Kostrevec und Jože
Dežman, beim Autor].
Aleks Leo pl. Vest, Stražiški Vesti in kroparski Potočniki [Nachrichten aus Straschische und die
Familie Potočnik aus Kropp], v: Jože Dežman / Jože Gasparčič (Hg.), Kroparske družine od 15. do
20. Stoletja [Familien in Kropp vom 15. bis zum 20. Jahrhundert], Radovljica 1998; Gorenjski biografski leksikon – poskusni zvezek I [Görzer Biographisches Lexikon, Probebogen 1], Kranj 1998;
Arhiv Komisije Vlade RS za izvajanje Zakona o popravi krivic.
Dokumentarni film Otroci s Petrička [Dokumentarfilm Die Kinder aus Petriček], režija [Regie]
Miran Zupanič, 2007.
Dokumentarni film Zamolčani – moč preživetja [Dokumentarfilm Die Verschwiegenen – die
Kraft des Überlebens], režija [Regie] Jože Možina, 2004.
Weissbuch der Deutschen aus Jugoslawien, Ortsberichte 1944–1948, München 1992.
Mitja Ferenc, Kočevska – pusta in prazna [Die Gottschee – verlassen und leer], Ljubljana 2005.
Grafenauer, Organiziranost.
Arhiv Komisije Vlade RS za izvajanje Zakona o popravi krivic.
Arhiv Komisije Vlade RS za izvajanje Zakona o popravi krivic.
Zlata Krašovec, Drevo slovenstva in les križa – Filip Terčelj [Der Baum des Slowenentums und
der Wald der Kreuze – Filip Terčelj], in: Reporter, 10. Januar 2011.
Nikolas Faulstroh, rokopis pri avtorju [Manuskript beim Autor].
Rajko Topolovec, Spomin na boljševiško Strnišče [Erinnerung an das bolschewistische Sterntal],
in: Zaveza 2011, Nr. 83.
Arhiv Komisije Vlade RS za reševanje vprašanj prikritih grobišč.
Tamara Griesser-Pečar, Maribor/Marburg – Eine kleine Stadtgeschichte, Wien/Köln/Weimar
2011.
Vgl. z.B. http://www.maribor2012.eu/novica/article/zadnji-teden-rekordno-obiskane-razstave/.
Angaben von dr. Gregor Jenuš. – Jerneja Ferlež/Filip Čuček, Nemci in Maribor [Deutsche in
Marburg], Maribor 2012.
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THOMAS DAPPER
Thomas Dapper
Wege nach Mramorak
1. Gedanken zum Film – Motivation
Als Kind erschien es mir erstrebenswert, in einem Lager zu leben – in einem Vernichtungslager. Die Geschichten meines Vaters aus den Lagern in Mramorak und Rudolfsgnad riefen in mir die Assoziation eines großen Abenteuerspielplatzes hervor. In
einem Gespräch mit einer entfernten Cousine, deren Vater im Lager Rudolfsgnad im
selben Haus wie mein Vater interniert war, stellte sich heraus, dass sie und ihre
Geschwister die gleichen Gefühle entwickelt hatten. Es lag an den Bildern, die unsere
Väter mit ihren Geschichten vermittelten. Und es lag an niemals aufgearbeiteten Traumata, wenn mein Vater sich stärker präsentierte als er es im Lager Rudolfsgnad war
und sein konnte. Er hatte dort neben einer Reihe von Tanten, Onkeln und allen Großeltern auch seinen Bruder und kurz vor Lagerauflösung sogar seine Mutter verloren.
Meine Oma ist, obwohl sich die Versorgungslage im Lager Rudolfsgnad angeblich verbessert hatte, an den Folgen des erzwungenen Hungers gestorben. Hungerödeme und
Wasser in den Beinen gaben der durch Zwangsarbeit auf den Feldern und den Massengräbern entkräfteten Frau und Mutter kurz vor Auflösung des Lagers den Rest.
Mich wundert nicht, dass mein Vater sich meiner Schwester und mir als kleiner Held
präsentieren wollte. Er war im Grunde ohnmächtig und konnte nur zusehen, als der
Bruder starb und als die Mutter starb und als überhaupt sehr fleißig dort im Lager
Rudolfsgnad gestorben wurde.
Zu meiner Konfirmation erhielt ich 1984 von meinem Onkel, einem evangelischen
Pfarrer, ein prägendes Geschenk: die Teilnahme an einer „Ost-West-Begegnungsreise“
nach Berlin. Beim Besuch der Samaritergemeinde im Ostberliner Friedrichshain habe
ich bei Begegnungen mit Rainer Eppelmann und Ralf Hirsch erfahren, welche Kontakte sie in den Westen hatten. Eine Information überraschte mich wenig: Die Grünen
hatten sich für ihren Freund, den Bürgerrechtler Ralf Hirsch, eingesetzt. Seine Freundschaft zu Petra Kelly soll ihn 1984 vor einer Inhaftierung bewahrt haben. Gleichzeitig
wurde ich Zeuge, wie ein DDR-Bürger verhaftet wurde, nur weil er einen Button aus
Holz mit der Aufschrift „Schwerter zu Pflugscharen“ am Revers trug. Seine Verhaftung
Alte Bahnlinie nach
Mramorak, undatiert.
WEGE NACH MRAMORAK
führte zur kurzzeitigen Verhaftung meines Cousins, weil er die Verhaftung des DDRBürgers fotografiert hatte.
Diese persönlichen Begegnungen und Erfahrungen bestärkten mich in meinem
zuvor gefassten Entschluss, mich möglichst noch zur Schulzeit der damals neuen Partei
Die Grünen anzuschließen. Nach ein paar Jahren gehörte ich dort zu den Gründungsmitgliedern des Jugendverbandes in Baden-Württemberg. Damit ist meine eher linksalternative Sozialisation hinreichend beschrieben. Zu dieser Sozialisation gehörte in
den 1980er Jahren natürlich auch die ablehnende Ferne zu „Vertriebenenthemen“.
Zudem hatte ich in meiner Schulzeit in Bietigheim-Bissingen die Erfahrung machen
müssen, wie sich rechte Gewalt am eigenen Körper und in der eigenen Seele anfühlt
und bemerkbar macht und auch wie diese Gewalterfahrung nachwirkt. Deshalb erlebte
ich die Untätigkeit des lehrenden Personals als Ohnmachtsbereich des Rechtstaats Bundesrepublik Deutschland und damit als Anregung für eigenes politisches Engagement.
Die Nähe der bekanntesten Vertriebenenverbände zu rechten bis rechtsextremen
Kreisen blieb mir damals nicht verborgen. Deshalb blieb mein Blick auf die Vertriebenenproblematik distanziert. Mit 31 Jahren begann ich dann, mich zu schämen. Ich
dachte bis dato, mein Vater sei während des Zweiten Weltkrieges im Vernichtungslager Rudolfsgnad gewesen und nicht nach Kriegsende. Das ist bis heute ein wesentlicher Unterschied in meiner Wahrnehmung dieser Thematik, weil im Krieg ein großes
Maß an Unrecht zum leidvollen Alltag gehört, aber eben nicht mehr zu Friedenszeiten
nach Kriegsende. Ich habe mich für meine Naivität gegenüber dem Diktator Josip
Broz Tito und seinen Genossen geschämt, die ja mit der „Internationalen“ sangen,
„Menschenrechte zu erkämpfen“. Menschen in Lagern dem Hungertod auszusetzen,
ist demgegenüber die Verweigerung von Menschenrechten und die gleichzeitige Verhöhnung der Opfer.
2002 war ich zum ersten Mal in Serbien. Ich hatte meinem Vater, noch bevor ich
meinen Führerschein gemacht hatte, versprochen, dass wir gemeinsam zu seinem
Geburtsort fahren werden. Aber die Balkankriege der 1990er Jahre kamen dazwischen.
In dieser Zeit erzählte mir mein Vater von schlaflosen Nächten, weil er an ein paar liebe
Menschen in Schabatz, Neusatz und Tuzla denken musste, die jetzt im Krieg lebten. Als
1999 die NATO Angriffe auf Serbien flog, schickte mein Vater einen Brief nach Schabatz,
wo er einen alten Freund vermutete. Seine Adresse kannte er nicht, aber die Erinnerung
an den Sommer 1948 drängte ihn zu erfahren, was aus dem Freund geworden ist. Mein
Vater schrieb einfach nur den Namen und die Stadt aufs Kuvert. Im Text beschrieb er
seine Gefühle. Er fand, die Menschen, die in ihrer Kindheit – ganz wie er selbst – einen
Krieg überlebt hatten, sollten von einem weiteren verschont bleiben. Er konnte nicht
schlafen, weil er die Angst seiner alten Freunde nachempfand. Die Antwort kam von
dessen Schwester. Desankas Brief rührte mich: Die alte Frau schrieb meinem Vater aus
dem Krieg, er werde immer Teil ihrer Familie sein, auch wenn ihr Bruder nicht mehr am
Leben sei. Sie musste ihm nicht berichten, wie schwer es ihr fiel, in diesem Krieg zu
überleben. Mein Vater verfolgte die Nachrichten und konnte sich denken, wie es um die
körperlich behinderte Frau stand. Dabei sollte es aber nicht bleiben: Von Stuttgart aus
waren auch 1999 Busse nach Belgrad unterwegs. Von einem der Busfahrer erfuhr mein
Vater die genaue Route und nach weiterem Briefwechsel mit Desanka wusste mein Vater,
was sie dringend benötigte und er hatte jenem Busfahrer das Versprechen abgenommen,
einen Koffer mitzunehmen und ihn in Schabatz morgens etwa gegen vier Uhr am Straßenrand abzustellen. Die alte Frau werde ihren Koffer am nächsten Morgen dort abholen. Der Koffer, den mein Vater seiner alten Freundin aus dem Sommer 1948 – seinem
ersten nach der Internierung im Lager Rudolfsgnad – schickte, erreichte sein Ziel in
Serbien tatsächlich.
Mit dieser Geschichte im Kopf war ich neugierig auf Desanka in Schabatz und sah
vor Ort, dass ein Bein tatsächlich 12 Zentimeter kürzer war als das andere. Wir blieben
ein paar Tage und sie war stolz darauf, dass mein Vater und ich ihre Kochkünste lobten.
Den zweiten Teil unseres Aufenthalts verbrachten wir in Neusatz bei Vidoje. Vidoje war
irgendwann Mitte der 1980er Jahre in Stuttgart, um seinen dort lebenden Bruder zu
211
212
THOMAS DAPPER
besuchen. Auf der Straße lief er meinem Vater in die Arme. Beide Männer erkannten
sich. Sie hatten zusammen im Waisenhaus in Alt-Letz gelebt. Vidoje bot an, uns nach
Mramorak zu begleiten. Auf dieser Fahrt kamen wir an Rudolfsgnad vorbei. Ich wollte
sehr gerne diesen für meinen Vater so schrecklichen Ort besichtigen; Fotos machen und
wenigstens den Geruch des Ortes wahrnehmen; irgendetwas spüren, was auf meine
eigene Herkunft schließen lässt. Doch weil mein Vater allein schon die Nähe zum Ort
nicht aushielt, fuhren wir einfach an Rudolfsgnad vorbei. Mramorak war das wichtigere
Reiseziel. Dort musste ich ihm dann sein Geburtshaus zeigen, ohne jemals vorher dort
gewesen zu sein. Er hatte es nicht erkannt oder wollte es nicht erkennen. Seine Traumatisierung war offensichtlich. Sie rief in ihm eine Panik hervor, die er nur mit Mühe überspielen konnte. Er schwieg. Warum ich sein Geburtshaus erkennen konnte, ist mir nicht
klar, obwohl mir bewusst ist, dass seine Wurzeln auch meine Wurzeln sind. Und sein
Verhalten war der Anreiz, genau herausfinden zu wollen, warum mein Vater so anders
war als andere Väter.
2007 wurde mein Vater in der Folge einer Reihe von medizinischen Fehlbehandlungen pflegebedürftig. Seine Rente reichte nicht für die Unterbringung im Pflegeheim.
Lösung? Sozialhilfe. Im Sozialamt erhielt ich als sein vormundschaftlicher Betreuer den
Rat, mich ans Versorgungsamt zu wenden, weil meinem Vater sicherlich eine Kriegsbeschädigtenversorgung zustünde. Vorteil: Diese Rente würde nicht auf die Sozialhilfe
angerechnet. Deshalb habe ich den Antrag für meinen Vater gestellt. Ein ganzes Jahr
lang musste ich dann auf eine Antwort warten. Der Antrag meines Vaters wurde abgelehnt, weil der ärztliche Sachverständige die Ablehnung empfohlen hatte. Sein handschriftlich verfasstes „Gutachten“ wies erhebliche Fehler auf. Wichtig dabei: der betreffende Mediziner hatte nicht wie das Gesetz es vorsieht, meinen Vater persönlich
untersucht, sondern an seinem Schreibtisch über seinen Zustand und seine Rechte entschieden. Mein Widerspruch wurde dementsprechend „nach Aktenlage“ abgelehnt. In
einem Telefonat mit einem am Verfahren beteiligten Beamten hörte ich den Satz, den
ich nicht in Verbindung mit ihm zitieren darf: „Es ist ja so, ihr Vater war im falschen
Lager. Hätte Auschwitz drüber gestanden, hätten wir den Antrag direkt genehmigt und
nicht weiter gelesen. Aber Rudolfsgnad? Das kennt ja niemand.“ Im gleichen Telefonat
riet mir der freundliche Beamte, wenn ich mit den Behörden nicht weiterkäme beim
Sozialgericht Klage einzureichen, weil „selbst wenn nichts herauskommt“, ich „doch
immerhin das gute Gefühl haben könnte, für meinen Vater gekämpft und alles versucht
zu haben“. Vor dem Sozialgericht sprach ich auch folgenden Sachverhalt an: der Gutachter hat handwerklich unsauber gearbeitet, beispielsweise schrieb er den Antrag
mehreren Töchtern meines Vaters zu, die dieser – meines Wissens nach – nie gezeugt
hatte. Zudem hatte der Mediziner das Untersuchungsgebot missachtet. Der Richter:
„Wie heißt der Gutachter?“ – „XY“. Wieder der Richter: „Den kenne ich gut. Ich akzeptiere das Gutachten. Egal, was sie hier vorbringen.“ Der Inhalt solcher Aussagen von
Vertretern des Staates, der in der Rechtsnachfolge des „Dritten Reiches“ steht, befremdet mich aus mehreren Gründen. Offenbar gibt es Opfer zweiter Klasse oder aber minderwertiges Leid. Das ist nicht akzeptabel. Meinem Vater wurde wie vielen anderen in
Rudolfsgnad von den Aufsehern immer wieder gesagt, er bezahle dort für Hitler. Mein
Vater war aber, als er 1936 geboren wurde, kein deutscher Staatsangehöriger, sondern
Staatsangehöriger Jugoslawiens. Es war das Deutsche Reich, das seine Truppen nach
Jugoslawien geschickt hatte. Es war nicht der Wille meines Vaters, dass Wehrmacht, SS,
Sicherheitsdienst, Gestapo und andere in Jugoslawien ein System des Terrors etabliert
hatten, mit den bekannten Folgen für die Angehörigen der deutschen Minderheiten in
Jugoslawien. Mein Vater hat also „für Hitler bezahlt“. Eine Rechnung, die andere in
Deutschland so nie gestellt bekommen hatten. Nicht in der Weise wie die Lagerinsassen
in Rudolfsgnad, Molidorf, Gakowa und andernorts.
Ich bin nicht bereit zu akzeptieren, wenn gesagt wird, mein Vater sei im falschen
Lager gewesen. Er hatte nicht die Möglichkeit, sich auszusuchen, wo er landet. Hätte
er die Wahl gehabt, dann wäre er zuhause in Mramorak geblieben. Mit seiner Familie.
Er wäre zur Schule gegangen und dort möglicherweise sogar zu einem Kommunisten
WEGE NACH MRAMORAK
herangewachsen. Aber eine solche Entwicklung wurde meinem Vater verwehrt. Und
die deutschen Behörden haben das Leid meines Vaters ebenso negiert wie die Folgen
dieses Leids. Die Aussagen der hier nicht namentlich genannten Beamten und Richter
erscheinen mir als zynische Verhöhnung durch Menschen, denen die Fähigkeit zur
Empathie ebenso fehlt wie die viel zitierte „Verantwortung vor der Geschichte“. Dieser
Verantwortung vor der Geschichte müssen aber gerade all jene Menschen gerecht werden, die mit derlei Lebensgeschichten konfrontiert werden. Wenigstens jedoch sollten
die geltenden Bestimmungen und Gesetze eingehalten werden. Und ein Leid zweiter
Klasse bedeutet nichts anderes als Diskriminierung. Und diese Diskriminierung trifft
Menschen, die schon einmal in ihrem Leben diskriminiert und als Täter stigmatisiert
wurden, obwohl sie Kinder waren.
Aus diesen Gründen ist die Aufarbeitung des Leids der Donauschwaben für mich
immer wichtiger geworden. Als öffentlich wahrnehmbares Thema bleibt das Leid der
Donauschwaben hinter der Geschichte von Schlesiern und Sudetendeutschen verborgen. Das Thema der Vernichtungslager, die von Kommunisten geführt wurden, steht
gerade erst am Anfang der historischen und filmischen Aufarbeitung. Diese Lager
waren keine kommunistischen Erholungsheime und auch sicherlich keine reinen
Abschiebelager, wie es von manchem Historiker heutzutage behauptet wird. Zu viele
Gründe widersprechen dieser These.
Ich konnte meinem Vater, der am ersten Weihnachtstag 2011 verstorben ist,
wenigstens noch eine kurze Zusammenfassung meines Films zeigen. Seine Reaktionen
machten mir klar, dass er verstanden hatte, warum ich diesen Film gemacht habe. Sein
einziger Kommentar war: „Schön.“ Durch die Arbeit an diesem Thema kam ich meinem Vater, seinem Leben und seinem Leidensweg näher, während er sich immer mehr
aus dem Leben entfernt hatte. Und ich kann heute verstehen, was ich früher nicht
verstehen konnte, wenn er sagte, er wolle nichts von Hitler oder der deutschen Verantwortung mehr hören, weil er bereits bezahlt habe.
2. Wege nach Mramorak – Beschreibung des Films
Der Dokumentarfilm Wege nach Mramorak behandelt die ethnischen Konflikte, die in
den Jahren 1941 bis 1948 im jugoslawischen Banat gleich mehrere verheerende Zuspitzungen erfahren haben. Mit dem Einmarsch der deutschen Truppen im April 1941
beginnt zunächst die Vernichtung von meist zufällig ausgewählten Serben und planmäßig deportierten Juden aus dem Banat. Die sogenannten Volksdeutschen begrüßen
die reichsdeutschen Truppen mit Hitlergruß, Blumen und Musik. Unmittelbar darauf
konnte die „Volksgruppenführung“ um Sepp Janko, mit Rückendeckung aus dem
Deutschen Reich, eigene politische Vorstellungen umsetzen, zumal wenn sich diese
mit den Vorstellungen der Nationalsozialisten aus dem Reich deckten.
In vielen Orten kommt es zu Erschießungen durch Deutsche – die ersten Serben
enden in Massengräbern. Die Ereignisse in Pantschewo (aufgearbeitet durch das
Hamburger Institut für Sozialforschung für dessen Ausstellung über die Verbrechen
der Wehrmacht) sind lediglich das prominenteste und am besten dokumentierte Verbrechen der deutschen Wehrmacht im damaligen Jugoslawien.
In Mramorak, einem Dorf in der Nähe von Pantschewo, so berichtet im Film ein
Täter von seiner Tatbeteiligung, werden vier Serben erschossen, die die Befehle der
neuen Besatzer missachtet hatten. Warum dann ab 1944 die Banater Schwaben vertrieben und vernichtet wurden, ist vielen Donauschwaben bis heute ein Rätsel. Natürlich sind heutige Zeitzeugen oftmals noch zu jung gewesen, um alle Ereignisse richtig
zu verstehen und die Älteren (über 80 Jahre alt) wollen in der Regel nichts wissen von
eigenen Verstrickungen und Verwicklungen in die Taten der eigenen Leute. Zu groß,
zu schlimm, zu grausam erscheint ihnen das eigene Leid, das sie aus Rache für die
ihnen zugeordneten Taten in Konzentrationslagern in den Jahren 1944 bis 1948 überstehen mussten.
So lautet die Frage bei der Einweihung einer Gedenkstätte für 110 erschossene
deutsche Männer in Bawanischte stellvertretend für alle anderen Erschießungen im
213
214
THOMAS DAPPER
Svetozar Milutinov
ist einer der
serbischen Zeitzeugen im Film.
Er ist 87 Jahre alt
und spricht noch
„Mramoraker
Schwowisch“,
undatiert.
Banat: „Warum?“. Und weil es viele Wege zum Verständnis dieser Geschichte gibt, die
Teil der Geschichte Deutschlands, Ex-Jugoslawiens und Europas ist, nennen wir den
Film Wege nach Mramorak. Mramorak steht für das Unverständliche, fast Mystische
als Teil der historischen und gegenwärtigen Realität. Der Ort existiert, er war und ist
auch heute noch ein Modell für die Geschichte des Banats, einer Vielvölkerregion, die
Modell steht für multikulturelles Zusammenleben, mit allen Chancen, Risiken und
auch sehr bitteren Zuspitzungen aufgrund von totalitären Verführbarkeiten.
Die unterschiedlichen Wege symbolisieren auch die unterschiedlichen Sichtweisen
der wichtigsten Involvierten, von denen in unserem Film Serben, Juden und Deutsche
zu Wort kommen. Die damals bestimmenden Akteure waren vor allem Deutsche und
Serben. Die Juden im Banat sind diejenigen, die nahezu vollständig vernichtet wurden. Insofern ist die Beschränkung auf diese drei Ethnien auch der Eingrenzung des
Themas auf die wichtigsten Exponenten geschuldet. So sind die Wege auch die unterschiedlichen, sich ergänzenden und widersprechenden Sichtweisen auf die Geschichte
des Banats, das in zwei Jahrtausenden viele Herrscher kannte. Zeitzeugen berichten
von ihrem eigenen Erleben – als Opfer, als Täter und als Unbeteiligte. Historiker sorgen für die Einordnung der Ereignisse in ihren historischen Kontext – vor ihrem
jeweils eigenen Erfahrungshorizont. So bilden die Ereignisse in Mramorak die detaillierte Geschichte als Spiegel zu den „großen“ Entwicklungen und der politischen Wetterlage ab.
Der Film soll helfen, Brücken zu bauen und Verständnis zu wecken für die Situation der anderen, für diejenigen auf der anderen Seite der Geschichte, und soll damit
Teil des Bemühens um eine echte und ehrliche Aufarbeitung des Leids im Banat der
Jahre 1941 bis 1948 sein. Die Geschichte beginnt nicht wie in vielen Büchern beschrieben mit dem Herbst 1944 und sie hört auch nicht mit dem 8. Mai 1945 auf. Die
Geschichte reicht weit zurück und produziert Folgen über das Heute hinaus. Wer mit
historischen Dokumenten arbeitet, die in ideologischer Absicht erstellt wurden, muss
schon sehr genau unterscheiden können, wo der tatsächliche Kern der damaligen Realität steckt. So sind es die Zeitzeugen, die einen Einblick auch in die Abgründe ihrer
eigenen Vergangenheit gewähren, als sie auf der braunen oder auf der roten Seite standen. Der Pessimismus der ehemals Verführten oder der ehedem Internierten speist
sich vor allem aus den frischeren Erfahrungen der 1990er Jahre. Mit den Worten Ivan
Ivanjis, des ehemaligen Dolmetschers von Josip Broz Tito, endet der Film im Heute,
im Hier und Jetzt, wenn Ivanji vor ähnlichen Entwicklungen warnt: „Hütet euch!“
WEGE NACH MRAMORAK
3. Die Entstehungsgeschichte des Dokumentarfilms Wege nach Mramorak
Nach einer ersten Versöhnungsreise 2003, in deren Rahmen donauschwäbische Hinterbliebene erstmals auch das Massengrab in Bawanischte besuchen durften, reifte in
einigen Teilnehmern und Serben vor Ort der Wunsch, aus der bis dato als Schinderwiese bezeichneten und zur Tierkörperbeseitigung genutzten Stelle außerhalb des
Dorfes eine echte Gedenkstätte zu machen. Der penetrante Verwesungsgeruch verstärkte den schockierenden Eindruck von Tod, Ungerechtigkeit und eben dem dort
am 20. Oktober 1944 begangenen Mord an 110 deutschen Bewohnern aus Mramorak.
Einige Besuche später, als die Tierkörperbeseitigung endgültig verlegt worden war,
konnte im September 2007 die Gedenkstätte eingeweiht werden. 110 Kreuze und zwei
Namenstafeln waren aufgestellt worden. Die Einweihung wollte ich auf Film festhalten. Ich selbst hatte den Plan, zu einem späteren Zeitpunkt, nach Abschluss tiefer
gehender Recherchen zum Thema, einen Dokumentarfilm – ganz vage – zu „den
Donauschwaben“ anzufertigen. Meinem Kameramann verdanke ich die Möglichkeit,
die Einweihung der Gedenkstätte für einen späteren Zeitpunkt festzuhalten. Nach
dem Dreh in Bawanischte hatten wir noch ein paar Tage Zeit. Für uns war es keine
Frage, dass wir zumindest ein paar Eindrücke, Stimmungsbilder und Ortsansichten
von Mramorak drehen würden. So kamen wir mehr zufällig an die serbische Kirche.
Dort befindet sich eine Gedenktafel in kyrillischer Schrift. Weil ich am Gymnasium in
Bietigheim-Bissingen die Russisch-AG besucht hatte, war ich in der Lage, die Schrifttafel mühsam zu entziffern. Mein Kameramann war im kroatischen Dubrovnik aufgewachsen. Deshalb konnte er die kyrillische Schrift nicht lesen, aber die Entzifferung
der Schriftzeichen konnte er direkt übersetzen: „Lehrer Sava Maksimović, von den
Faschisten am 16.4.1941 erschossen.“ Diese Information konnten wir nur gemeinsam
entschlüsseln. Weil ich ein paar Jahre zuvor auf der Geburtstagsfeier eines entfernten
Verwandten war, ahnte ich die Tatbeteiligung dieses Verwandten, der beim Einmarsch
der Wehrmacht direkt zum Polizeichef in Mramorak ernannt wurde. Wer, wenn nicht
er, könnte uns also von der Exekution des Sava Maksimović berichten? Als Polizist
musste er einfach mehr mitbekommen haben. Vor Ort konnten wir noch einige alte
Mramoraker – Serben und Deutsche – nach dem Schicksal des Lehrers Maksimović
fragen. Serben und Deutsche erzählten übereinstimmend dieselbe Version des Geschehens. Sava Maksimović hatte während der Radioübertragung einer Rede Adolf Hitlers
so lange auf sein Radio geschossen, bis Hitler endlich schwieg. Für diese Tat soll er – so
die kollektive Erinnerung – als jemand, der Hitler töten wollte, zur Rechenschaft gezogen und erschossen worden sein.
Wir beschlossen nach unserer Rückkehr und einer ersten Sichtung des Materials,
den Film recherchebegleitend fertigzustellen. Es sollte keine These geben, die wir abarbeiten müssen. Eine solche These wäre verfrüht gewesen und wir hätten sie kaum einhalten können. Zudem war klar, wir brauchten Zeit. Bücher mussten beschafft und
durchgearbeitet werden, Kontakte zu Zeitzeugen auf allen Seiten hergestellt werden.
Die Schwierigkeit: meine Serbischkenntnisse reichten dafür nicht aus. Beim Telefonat
mit meinem Verwandten stellte sich dann heraus, dass er bereit war über seine Tatbeteiligung im Film Auskunft zu geben. Also konnten wir planen. 2008 drehten wir dann
als Team in Mramorak, Rudolfsgnad und Bawanischte mit serbischen Interviewpartnern, etwa mit der Tochter von Sava Maksimović, Mira Maksimović-Knezević, oder
dem damaligen Präsidenten der Enquetekommission zur Ermittlung der Wahrheit zu
den Ereignissen zwischen 1941 und 1948 in der Vojvodina. Zuvor hatten wir meinen
Verwandten in einem Altenheim in München interviewt. Dabei habe ich von ihm
selbst erfahren, dass mein Urgroßvater seinem nationalsozialistischen Halbneffen mit
großer Arroganz und deutlicher Ablehnung begegnet sein soll. Im Herbst, als wir
gerade unser Material auswerteten, sendete die ARD einen Zweiteiler über die Sudetendeutschen. Diese Ausstrahlung konnten wir nutzen, um unsere Arbeit inhaltlich zu
überprüfen. Ergebnis: Wir waren zwar noch nicht am Ende unserer Recherchen angelangt, hatten auch noch keine Gespräche mit Überlebenden des Holocaust im Banat
geführt. Aber wir waren damals bereits sehr nahe am beabsichtigten Ergebnis, einem
215
216
THOMAS DAPPER
neutralen Film, der die Gründe für „das Verschwinden“ der Banater Schwaben aus
Jugoslawien ermittelt und beleuchtet. Die Absicht war, im Film die unterschiedlichen
Auffassungen darzustellen und gleichzeitig die Kausalitätsketten der Ereignisse aufzudecken. Dabei ist von vornherein klar, die Erklärungen können immer nur einen Teil
der gesamten historischen Realität abbilden. Sprich, ein in Jugoslawien aufgewachsener Mensch wird Tito anders bewerten als ein Donauschwabe, dessen Familienmitglieder Opfer von Titos Politik geworden waren.
Im Frühjahr 2009 folgte nach einem einwöchigen Rechercheaufenthalt in Serbien
eine weitere Drehwoche im April, bei der wir in erster Linie mit jüdischen Überlebenden des Holocaust gedreht haben. Etwa in der gleichen Zeit erfuhr ich, dass Herta
Haas, Titos erste Ehefrau, noch am Leben sei und in Belgrad lebe. Weil sie aber kurz
zuvor dem in Prag lebenden kroatischen Filmemacher Lordan Zafranović ein zehnstündiges Interview gegeben hatte, wollte sie nicht schon wieder vor die Kamera. Es sei
ihr zu anstrengend, noch einmal die vielen Fragen zu beantworten. Leider ist Herta
Haas, eine der wichtigsten Zeitzeuginnen dieser Epoche, in der Zwischenzeit verstorben. Also stand ich vor der Frage, wie ich Herta Haas „ersetzen“ könnte und erfuhr
von Ivan Ivanji, dem ehemaligen Dolmetscher Titos. Der Schriftsteller lebt in Wien
und Belgrad. Er war nicht schwer ausfindig zu machen und gerne bereit, mir ein Interview zu gewähren. Nur wann und wo? Im Frühjahr war er nicht in Belgrad, als wir
dort drehen wollten. Ich nahm zunächst Kontakt zu anderen Überlebenden der Judenlager auf und darf von beeindruckenden Gesprächen berichten. Der ehemalige Journalist, Autor und Partisan Aleksandar „Sascha“ Lebl bot mir zu Beginn unseres
Gesprächs an, die Sprache, in der wir kommunizieren wollten, einfach selbst zu wählen. Er spricht neben Serbisch und Deutsch noch eine ganze Reihe anderer Sprachen.
Sprachen, die in Südosteuropa und im Banat wichtig waren und Sprachen, die in der
modernen Kommunikation in Europa bis heute wichtig sind. Oder Magda Berger, der
ich im Leseraum des Museums für jüdische Geschichte in Belgrad begegnete. Sie hatte
mitbekommen, dass ich mit der stellvertretenden Direktorin Französisch gesprochen
hatte. Also fragte sie mich auf Französisch, was mich ausgerechnet in den Leseraum
des jüdischen Museums geführt habe. Auf mein „je suis d’allemagne“ antwortete sie
mit einem „dann können wir ja auch Deutsch miteinander sprechen. Erzählen sie.“
Ich musste sie einfach interviewen. Sie hatte im einzigen Zug aus Subotitza nach
Auschwitz gesessen, und nur weil der Zug irgendwo in Österreich an einem Feld angehalten hatte und dort gefragt wurde, wer hier zum Arbeiten bleiben möchte, konnte sie
den Krieg überleben und dem Massenmord durch die Nationalsozialisten entgehen.
Ich erfuhr von David Albaharis Buch Götz und Meyer,1 ein Roman über die beiden
Fahrer des Gaswagens in Belgrad, die für den Tod der etwa 7.000 bis 8.000 Insassen
des Judenlagers Semlin verantwortlich sind und deren Verbleib nach dem Zweiten
Weltkrieg angeblich nie ermittelt werden konnte.
Dank all dieser Menschen und dem Lexikon des Holocaust von Wolfgang Benz2
habe ich mir einen Überblick verschafft über die nahezu vollständige Vernichtung der
Banater Juden. Die Treffen und Vorgespräche waren wie Zeitreisen und vermittelten
mir einen Eindruck von einem Europa, wie es hätte sein können ohne Nationalsozialismus, Faschismus und Kommunismus. Ein offenes Europa, in dem es selbstverständlich war, sich für die Sprache, die Kultur und auch die Religion des anderen zu interessieren und ganz natürlich die Feste der Nachbarn ins eigene Leben zu integrieren. Das
Banat war eine moderne Region mitten in einem prosperierenden Europa. Beim Karneval in Weißkirchen kannte man bereits Dick und Doof und Mickey Mouse – in den
1920er Jahren. Festgehalten wurde dies von einer Filmkamera.
Das reiche und vielfältige Zusammenleben wurde beendet im blutigen Kampf
zweier Ideologien, die beide den Menschen verändern und im jeweiligen Sinne „perfektionieren“, erziehen, stählen und/oder blutrein machen wollten. Das Modell für
multiethnisches Zusammenleben wurde zerstört durch den Nationalsozialismus, der
die jüdische Bevölkerung, einen Großteil der Roma und im Rahmen sogenannter Sühnemaßnahmen willkürlich ausgewählte Serben vernichtete. Für einen toten deutschen
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WEGE NACH MRAMORAK
Soldaten mussten 100 Serben oder Juden ihr Leben lassen. Dieses Prinzip übernahmen dann vielerorts die Kommunisten unter Tito im Herbst 1944. In diesem Zusammenhang taucht immer wieder der Begriff „Aktion Intelligenzija“ auf. In Mramorak
wurden 110 deutsche Männer eingesammelt und eine Woche lang gefoltert, angeblich
als Vergeltung für den Tod eines fünfzehnjährigen serbischen Jungen, der wegen Missachtung der Ausgangssperre erschossen worden war. Die dafür eingesammelten Männer wurden dann nach einwöchiger Folter in Bawanischte erschossen, darunter einige
Minderjährige.
4. Die Aufarbeitung durch meine Generation
Ich bin 1969 in Stuttgart zur Welt gekommen. Erst in den letzten Jahren entdeckt
meine Generation Gemeinsamkeiten, die sich aus ähnlichen Familiengeschichten
ergeben. Wir Kinder und Kindeskinder von Vertriebenen, Internierten, vernichteten
Opfern, welcher Ideologie und welcher Seite auch immer, haben heute kein Interesse
an irgendwelchen revanchistischen Gedanken oder gar Plänen. Dennoch spüren wir
im Gespräch untereinander ähnliche Gefühle, die uns allen suggerieren, dass Heimat
oder Verwurzelung durchaus zum Menschen gehören, auch wenn diese Heimat nicht
den Boden oder gar das Blut bedeutet. Ich persönlich empfinde Heimat, wenn ich mit
Freunden zusammen bin und an inspirierenden Gesprächen teilhabe. Und doch löst
das Banat in mir eine irritierende Form der Vertrautheit aus. Mich zieht es immer
wieder nach Mramorak, Pantschewo, Weißkirchen. Inzwischen sind Freundschaften
entstanden, die sich dank Email, Skype und Facebook auch in meinem Alltag in Köln
pflegen lassen.
Derzeit tritt die sogenannte Erlebnisgeneration in den Ruhestand, viele sind
gestorben. Damit stellt sich die Frage nach denjenigen, die in den Vertriebenenverbänden Verantwortung übernehmen wollen und können. Die Frage nach diesem Teil der
Geschichte hält viele Stoffe und Themen für eine Reihe von Büchern und Filmen
bereit. Über all dem steht aber – getreu dem Satz von Dr. Motte, dem Begründer der
Loveparade –: Wir sind alle Mitglieder derselben Familie und bewohnen alle denselben, einen Planeten. Wir brauchen also keinen Rassismus und keine Ideologien, die
Blick auf
Weißkirchen,
undatiert.
218
THOMAS DAPPER
Menschen oder Menschengruppen voneinander trennen oder sich über andere stellen. Besinnen wir uns alle gemeinsam auf die Frage, wie wir miteinander leben wollen,
mit allen Unterschieden, die uns gegeben sind. Diese Unterschiede begründen eine
faszinierende Vielfalt, die uns heute vor allem zu Frieden und Toleranz anregen sollte
– gerade aus der Erfahrung mit dem „Dritten Reich“ und den daraus resultierenden
grausamen Taten von Menschen gegen andere Menschen.
Insofern gehe ich davon aus, dass die sogenannte Enkelgeneration die nötige Distanz zu erlittenem Leid der Großeltern genauso mitbringt wie vernünftige gesellschaftliche Prägungen der vergangenen vier Jahrzehnte, um sich offen der Geschichte
von Vertreibung und Vernichtung anzunähern. Erst heute werden Dokumente
zugänglich gemacht. Leider auch erst heute sind einige Zeitzeugen bereit, Auskunft zu
geben. Viele davon werden nicht mehr lange leben oder sind in der Zwischenzeit verstorben.
Der Anspruch der Konferenz in Bad Radkersburg war, die Ereignisse multiperspektivisch zu behandeln. Das ist gelungen und hat doch nicht gereicht. Auch wenn ein
Dialog zwischen einigen Konferenzteilnehmern beginnen konnte, fehlt es an weiteren
Annäherungen und auch an übereinstimmenden Bewertungen. Die Kommunikation
zwischen Deutschen, Serben, Österreichern, Ungarn und Kroaten, aber auch mit den
Verbänden der Juden und Roma ist nötig, um die gesamte Geschichte von 1941 bis
1948 und danach nicht nur in Ausschnitten aufzuarbeiten. Bad Radkersburg könnte
für diesen Prozess der Annäherung – sollte er fortgeführt werden – ein wertvoller
Beginn gewesen sein.
BEITRAG
Abkürzungsverzeichnis
Konkordanz der Ortsnamen
Bildnachweis
The authors
Impressum
1
David Albahari, Götz und Meyer, Roman, Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2003.
2
Lexikon des Holocaust, hrsg. von Wolfgang Benz, München 2002.
219
220
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Abkürzungsverzeichnis
AA
AJ
APV
ARS
AVNOJ
Auswärtiges Amt
Arhiv Jugoslavije [Archiv Jugoslawiens]
Autonomna Pokrajina Vojvodina [Autonome Provinz Vojvodina]
Arhiv Republike Slovenije [Archiv der Republik Slowenien]
Antifašističko veće narodnog oslobođenja Jugoslavije (serb.) /
Antifašistični svet narodne osvoboditve Jugoslavije (slow.) [Antifaschistischer Rat der Nationalen Befreiung Jugoslawiens]
POJ
Partizanski odredi Jugoslavije [Partisaneneinheiten Jugoslawiens]
SFRJ
SKOJ
Socijalistička federativna republika Jugoslavija, 1963–1992
Savez komunističke omladine Jugoslavije [Bund der kommunistischen Jugend Jugoslawiens]
Schutzstaffel [Zaštitni odred]
SS-Führungshauptamt [Vodeći glavni ured SS]
DFJ
UDV/ UDBA
DM
Demokratska Federativna Jugoslavija [Demokratisches Föderatives
Jugoslawien], August – November 1945
Deutsche Mannschaft [Nemačka momčad]
ES
Einsatzstaffel [Operativni odred]
FD Hrvatska
FLRJ/FNRJ
Federalna Država Hrvatska [Föderaler Staat Kroatien], 1945 –1946
Federativna Ljudska Republika Jugoslavija (slow.) / Federativna
Narodna Republika Jugoslavija (serb.) [Föderative Volksrepublik
Jugoslawien]
Gestapo
Geheime Staatspolizei [Tajna državna policija]
HSSPF
Höherer SS- und Polizeiführer [Viši SS i policijski šef]
IASu
Istorijski Arhiv Subotica [Historisches Archiv Subotica]
KNOJ
Korpus narodne odbrane Jugoslavije / Korpus narodne obrambe
Jugoslavije [Korps der Volksverteidigung Jugoslawiens]
Kulturbund [Prosvetni savez]
Kommunistische Partei Jugoslawiens
kriegsverwendungsfähig [upotrebljiv u ratu]
KB
KPJ
kv
MUP
Ministarstvo unutrašnjih poslova / Ministarstvo unutarnjih poslova
[Innenministerium]
NDH
Nezavisna Država Hrvatska [Unabhängiger Staat Kroatien], 1941–
1945
NKWD
Narodnyj komissariat vnutrennih del (Hapoдный комиссариат
внутренниx дел) [Innenministerium der UdSSR]
NOV
Narodnooslobodilačka vojska [Volksbefreiuungsarmee]
NSAP Vojvodina Narodna skupština Autonomne Pokrajine Vojvodine [Volksversammlung der Autonomen Provinz der Vojvodina]
OF
OKW
ORJUNA
OZNA
Osvobodilna fronta [Befreiungsfront]
Oberkommando der Wehrmacht [Vrhovna komanda Vermahta]
Organizacija jugoslavenskih nacionalista [Organisation Jugoslawischer Nationalisten]
Odeljenje za zaštitu naroda / Oddelek za zaščito naroda [Abteilung
zum Schutze des Volkes]
SS
SS-FHA
USK
VDA
VA
VIA
VoMi
Uprava državne varnosti / Uprava državne bezbednosti [Staatssicherheitsbehörde]
Unabhängiger Staat Kroatien [Nezavisna Država Hrvatska], 1941–
1945
Verein für das Deutschtum im Ausland, ab 1933 Volksbund für das
Deutschtum im Ausland [Udruženje za nemstvo u inostranstvu, od
1933. godine Narodni savez za nemstvo u inostranstvu]
Vojni arhiv (Militärarchiv)
Arhiv Vojno-istorijskog Instituta, Belgrad [Archiv des Militärhistorischen Instituts]
Volksdeutsche Mittelstelle [Središnjica za folksdojčere]
221
222
KONKORDANZ DER ORTSNAMEN
KONKORDANZ DER ORTSNAMEN
Konkordanz der Ortsnamen
Aussprache
c=z
ć = weiches tsch
č = tsch
đ = weiches, stimmhaftes dsch
dž = hartes, stimmhaftes dsch
š = sch
z = stimmhaftes s
ž = stimmhaftes sch
Bosnien-Herzegowina
Drvar (Kanton 10)
Stolatz (Kanton Herzegowina-Neretwa)
Tuzla (Kanton Tuzla)
Windthorst (Gmd. Bosanska Gradischka,
Serbische Republik)
Drvar (Kanton br. 10)
Stolac (Hercegovačko-neretvanski kanton)
Tuzla (Tuzlanski kanton)
Nova Topola (Opština Bosanksa Gradiška,
Republika Srpska)
Deutschland
Bonn (Nordrhein-Westfalen)
Freiburg im Breisgau (Baden-Württemberg)
Herne (Nordrhein-Westfalen)
Kandel (Rheinlandpfalz)
Köln (Nordrhein-Westfalen)
München (Bayern)
Piding (Bayern)
Regensburg (Bayern)
Sindelfingen (Baden-Württemberg)
Stuttgart (Baden-Württemberg)
Tübingen (Baden-Württemberg)
Tuttlingen (Baden-Württemberg)
Zuffenhausen (Baden-Württemberg)
Bon (Nordrajn-Vestfalen)
Frajburg (Baden-Virtemberg)
Herne (Nordrajn-Vestfalen)
Kandel (Rajnlandfalc)
Keln (Nordrajn-Vestfalen)
Minhen (Bavarska)
Piding (Bavarska)
Regenzburg (Bavarska)
Zindelfingen (Baden-Virtemberg)
Štutgart (Baden-Virtemberg)
Tibingen (Baden-Virtemberg)
Tutlingen (Baden-Virtemberg)
Cufenhauzen (Baden-Virtemberg)
Kroatien
Belowar (Gespanschaft Bjelovar-Bilogorska)
Boschnjatzi (Syrmien)
Bratsch (Dalmatien)
Diakowar (Slawonien)
Essegg (Slawonien)
Groß-Pisanitz
(Gespanschaft Bjelovar-Bilogora)
Hvar (Dalmatien)
Jarmin(a), Jarmein (Syrmien)
Josipowatz, Ober-Josefsdorf (Slawonien)
Kerndia (Slawonien)
Kotoriba (Gespanschaft Medjimurje)
Manoster
Naschitz (Slawonien)
Otok (Dalmatien)
Owtschara (Syrmien)
Bjelovar (Bjelovarsko-bilogorska županija)
Bošnjaci (Srijem)
Brač (Dalmacija)
Đakovo (Slavonija)
Osijek (Slavonija)
Velika Pisanica
(Bjelovarsko-bilogorska županija)
Hvar (Dalmacija)
Jarmina (Srijem)
Josipovac (Slavonija)
Krndija (Slavonija)
Kotoriba (Međimurska županija)
Beli Manastir (Baranja)
Našice (Slavonija)
Otok (Dalmacija)
Ovčara (Srijem)
Peljeschatz (Dalmatien)
Pula (Istrien)
Pusta Podunawlje
Sanktivan, St. Stefan
Sarwasch (Slawonien)
Schabatz (Matschwa)
Schipowatz (Slawonien)
Slatina (Slawonien)
Tenja (Slawonien)
Walpowo, Walpach (Slawonien)
Waschka (Slawonien)
Winkowzi, Winkowitz (Syrmien)
Wukowar (Syrmien)
Zagreb, Agram
Pelješac (Dalmacija)
Pula (Istra)
Pusta Podunavlje (Baranja)
Petlovac (Baranja)
Sarvaš (Slavonija)
Šabac (Mačva)
Šipovac (Slavonija)
Podravska Slatina (Slavonija)
Tenje (Slavonija)
Valpovo (Slavonija)
Vaška (Slavonija)
Vinkovci (Srijem)
Vukovar (Srijem)
Zagreb
Makedonien
Bitola
Kumanowo
Bitola, Bitolj
Kumanovo
Österreich
Bad Radkersburg (Steiermark)
Feffernitz (Kärnten)
Graz (Steiermark)
Klagenfurt (Kärnten)
Radkersburg
Rosenbach (Kärnten)
Wien
Radgona (Štajerska)
Fefernic (Koruška, Koroška)
Gradec (Štajerska)
Celovec (Koroška, Koruška)
s./v. Bad Radkersburg
Podrožca (Koroška, Koruška)
Beč
Rumänien
Saderlach
Tschene
Ulmbach
Wojtek
Saderlah, Zădăreni (rum.) (Banat)
Čenej, Cenei (rum.) (Banat)
Ulmbach, Peciu Nou (rum.) (Banat)
Vojtek, Voiteni (rum.) (Banat)
Serbien
Alt-Kanischa
Altker (Batschka)
Alt-Letz
Apfeldorf
Aradatz
Bajza (Batschka)
Batschki Breg (Batschka)
Bawanischte
Betschmen (Syrmien)
Belgrad
Berg an der Donau (Batschka)
(Groß-)Betschkerek
Botschar
Bulkes (Batschka)
Ernsthausen
Filipowa (Batschka)
Franzfeld
Gakowa (Batschka)
Georgshausen
Hajduschitza
Stara Kanjiža (Banat)
Zmajevo, Pašićevo (Bačka)
Stari Lec (Banat)
Jabuka (Banat)
Aradac (Banat)
Bajša (Bačka)
Bački Breg (Bačka)
Bavanište (Banat)
Bečmen (Srem)
Beograd
Bački Breg (Bačka)
Zrenjanin (Banat)
Bočar (Banat)
(Bački) Maglić (Bačka)
Banatski Despotovac (Banat)
Bački Gračac/Filipovo (Bačka)
Kačarevo (Banat)
Gakovo (Bačka)
Velika Greda, Đurđevo (Banat)
Hajdučica (Banat)
223
224
KONKORDANZ DER ORTSNAMEN
Hodschag (Batschka)
India (Syrmien)
Ivanitza (Kreis Orawitza)
Jarek (Batschka)
Kanak
Karlowitz (Syrmien)
Katsch (Batschka)
Kernei (Batschka)
Kraljewo (Bezirk Raschka)
Kruschiwl (Batschka)
(Syrmisch-)Mitrowitz (Syrmien)
Mokrin
Molidorf
Mramorak
Neusatz (Batschka)
Nisch (Kreis Nischawa)
Novi Pazar (Kreis Raschka)
Palanka (Batschka)
Pantschowa
Rudolfsgnad
Ruma (Syrmien)
Schajkaschsentivan (Batschka)
Schowe (Batschka)
Gajdobra (Batschka)
Semlin (Belgrad)
St. Georgen an der Bega
Stefansfeld, Stefanifeld
Subotitza/Maria-Theresiopel (Batschka)
Temerin (Batschka)
Topola (Batschka)
Uzdin
Weißkirchen
(Alt-/Neu-)Werbass (Batschka)
Weprowatz (Batschka)
Werschetz
Wlajkowatz
Zenta
Raschka (Kreis Raschka)
Sombor (Batschka)
Tschatschak (Kreis Orawitza)
Uschitze (Kreis Zlatibor)
Slowenien
Abstall (Untersteiermark)
Ankaran (Slowenisches Küstenland)
Arech, St. Heinrich (Oberkrain)
Aßling, Assling (Oberkrain)
Auritz (Gemeinde Veldes)
Bacher (Untersteiermark)
Bacher, Bachergebirge
(Mittelgebirge im Nordosten Sloweniens)
Bresternitza (Untersteiermark)
Brunnendorf (bei Marburg)
Cilli (Untersteiermark)
KONKORDANZ DER ORTSNAMEN
Odžaci (Bačka)
Inđija (Srem)
Ivanjica (Okrug Oravica)
Bački Jarak (Bačka)
Konak (Banat)
Sremski Karlovci (Srem)
Kać (Bačka)
Kljajićevo (Bačka)
Kraljevo (Okrug Raška)
Kruševlje (Bačka)
Sremska Mitrovica (Srem)
Mokrin (Banat)
Molin (Banat)
Mramorak (Banat)
Novi Sad (Bačka)
Niš (Okrug Nišava)
Novi Pazar (Okrug Raška)
Bačka Palanka (Bačka)
Pančevo (Banat)
Knićanin (Banat)
Ruma (Srem)
Šajkaški Sv. Ivan (Bačka)
Ravno Selo (Bačka)
Gajdobra (Bačka)
Zemun (Beograd)
Žitište, Begejski Sveti Đurađ (Banat)
Krajišnik (Banat)
Subotica (Bačka)
Temerin (Bačka)
Bačka Topola (Bačka)
Uzdin (Banat)
Bela Crkva (Banat)
Vrbas (Bačka)
Kruščić (Bačka)
Vršac (Banat)
Vlajkovac (Banat)
Senta (Banat)
Raška (Okrug Raška)
Sombor (Bačka)
Čačak (Okrug Oravica)
Užice (Okrug Zlatibor)
Apače (Spodnja Štajerska)
Ankaran (Primorska)
Areh (Gorenjska)
Jesenice (Gorenjska)
Zagorice
Hočko Pohorje (Spodnja Štajerska)
Pohorje
Bresternica (Spodnja Štajerska)
Studenci (Maribor)
Celje (Spodnja Štajerska)
Dautscha (Oberkrain)
Davča (Gorenjska)
Dobowetz (Oberkrain)
Dobovec (Gorenjska)
Dobrawa (Friedhof in Marburg)
Dobrava (Maribor)
(Unter)Drauburg (Kärnten)
Dravograd (Koroška)
Eichthal, Hrastnigg (Untersteiermark)
Hrastnik (Spodnja Štajerska)
Eisnern (Oberkrain)
Železniki (Gorenjska)
Fixelsdorf, Füchselsdorf (Übermurgebiet) Fikšinci (Prekmurje)
Friedau (Untersteiermark)
Ormož (Spodnja Štajerska)
Fülowcze (Übermurgebiet)
Filovci (Prekmurje)
Gams (bei Marburg)
Kamnica (Maribor)
Ginzenhof, Guizenhof (Übermurgebiet) Ocinje (Prekmurje)
Gonobitz, Konowitz (Untersteiermark)
Slovenske Konjice (Spodnja Štajerska)
Gottschee (Oberkrain)
Kočevje (Gorenjska)
Görz (Slowenisches Küstenland)
Gorica (Primorska)
Gurkfeld (Untersteiermark)
Krško (Spodnja Štajerska)
Hodosch (Übermurgebiet)
Hodoš (Prekmurje)
Hornwald, Gottscheer Horn (Gottschee)
Kočevski Rog (Kočevje)
Koschel bei Wöllan
Košelj pri Velenju
Kosnitza (Ortsteil in der Gemeinde Cilli) Košnica (Celje)
Kötsch (Untersteiermark)
Hoče (Spodnja Štajerska)
Hrastnik, Hrastnigg (Untersteiermark)
Hrastnik (Spodnja Štajerska)
Hrastowetz, Gutenhag (Untersteiermark) Hrastovec, Hrastovce (Spodnja Štajerska)
Krainburg, Krain (Oberkrain)
Kranj (Gorenjska)
Kranichsfeld (Untersteiermark)
Rače (Spodnja Štajerska)
Krapflern (Oberkrain)
Občice (Gorenjska)
Laibach (Oberkrain)
Ljubljana (Gorenjska)
Luttenberg (Untersteiermark)
Ljutomer (Spodnja Štajerska)
Marburg an der Drau (Untersteiermark) Maribor (Spodnja Štajerska)
Nussdorf (Untersteiermark)
Orehova vas (Spodnja Štajerska)
Oberlaibach (Innerkrain)
Vrhnika (Notranjska)
Ottendorf (Untersteiermark)
Hotinja vas (Spodnja Štajerska)
Olsnitz (Übermurgebiet)
Murska sobota (Prekmurje)
Pesnitz, Pößnitzhofen (Untersteiermark) Pesnica (Spodnja Štajerska)
Pettau (Untersteiermark)
Ptuj (Spodnja Štajerska)
Pobersch (Stadtteil von Marburg)
Pobrežje (Maribor)
Politschany, Pöltschach (Untersteiermark) Poljčane (Spodnja Štajerska)
Pöllandl (Oberkrain)
(Kočevske) Poljane (Gorenjska)
Portorosa (Slowenisches Küstenland)
Portorož (Primorska)
Praßberg (Untersteiermark)
Mozirje (Spodnja Štajerska)
(Ober)Radkersburg (Untersteiermark)
(Gornja) Radgona (Spodnja Štajerska)
Radmannsdorf (Oberkrain)
Radovljica (Gorenjska)
Radwanje, Rothwein (Stadtteil von Marburg) Radvanje (Maribor)
Rohitsch Sauerbrunn (Untersteiermark) Rogaška Slatina (Spodnja Štajerska)
Rottenberg (Übermurgebiet)
Serdica (Prekmurje)
Rudolfswerth (Unterkrain)
Novo mesto (Dolenjska)
Sabrdam (Oberkrain)
Zabrdo (Gorenjska)
Schalkendorf (Gemeinde Veldes)
Želeče (Bled)
Schleinitz (Untersteiermark)
Slivnica (Spodnja Štajerska)
Schönstein (Untersteiermark)
Šoštanje (Spodnja Štajerska)
Schrottenthurn (Oberkrain)
Šempeter (Gorenjska)
Seeland (Oberkrain)
Jezersko (Gorenjska)
Selzacher Zeier (Oberkrain)
Selška Sora, Selščica (Gorenjska)
Sinnersdorf (Übermurgebiet)
Kramarovci (Prekmurje)
St. Egidi, St. Ilgen, Schentilja
Šentilj (Spodnja Štajerska)
(Untersteiermark)
225
226
KONKORDANZ DER ORTSNAMEN
BILDNACHWEIS
St. Leonhard (Untersteiermark)
Stein (Oberkrain)
Sternt(h)al (im heutigen Kidričevo)
(Untersteiermark)
Straschischtsche (Kärnten)
Tepanje (Untersteiermark)
Thesen (Untersteiermark)
Schloß Thurnisch bei Pettau
(Untersteiermark)
Trifail (Untersteiermark)
Tschermoschnitz (Oberkrain)
Tschernembl (Oberkrain)
Tschreta, Tschretten (Untersteiermark)
Tüchern (Untersteiermark)
Veldes, Feldes (Oberkrain)
Wigaun, Vigaun (Oberkrain)
Windisch Feistritz (Untersteiermark)
Windische Bühel (Untersteiermark)
Wöllan (Untersteiermark)
Zarz (Oberkrain)
Lenart (Spodnja Štajerska)
Kamnik (Gorenjska)
Strnišče (Kidričevo)
(Spodnja Štajerska)
Stražišče (Koroška)
(Novo) Tepanje (Spodnja Štajerska)
Tezno (Spodnja Štajerska)
Turnišče pri Ptuju
(Spodnja Štajerska)
Trbovlje (Spodnja Štajerska)
Črmošnjice (Gorenjska)
Črnomelj (Gorenjska)
Čreta (Spodnja Štajerska)
Teharje (Spodnja Štajerska)
Bled (Gorenjska)
Beginje (Gorenjska)
Slovenska Bistrica (Spodnja Štajerska)
Slovenske gorice (Spodnja Štajerska)
Velenje (Spodnja Štajerska)
Sorica (Gorenjska)
Sonstige
Auschwitz (Polen), Aušvic
Brünn (Tschechien)
Krummau (Tschechien)
Mitrowitza
Sawe (Nebenfluss der Donau)
Sutla, Sotla (Nebenfluss der Sawe)
Witebsk, Vitepsk (Belarus)
Kotor (Montenegro)
Oświęcim, Aušvic (srb.) (Poljska)
Brno (Češka)
Český Krumlov (Češka)
Kosovska Mitrovica (Kosovo)
Sava (Pritok Dunava)
Sutla (Pritok Save)
Vitebsk (Belorusija)
Kotor (Crna Gora)
Bildnachweis
Bildagentur der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (bpk): S. 64, S. 101
Bundesarchiv-Lastenausgleichsarchiv (LAA): S. 122, S. 123
Donauschwäbisches Zentralmuseum (DZM) Digitales Bildarchiv: S. 30, S. 40 (u. l.), S. 42, S. 45, S. 87,
S. 111, S. 113 (o. l.), S. 119, S. 120, S. 138, S. 155, S. 157, S. 168, S. 175, S. 184
DZM Digitales Bildarchiv | Fotograf: Damir Rajle: S. 113 (o. r., u.)
DZM Sammlung: S. 24, S. 25, S. 47, S. 108, S. 131, S. 134, S. 139, S. 142, S. 161, S. 174, S. 191
Endre Kovács/László Katus: Magyarország története 1848–1890, Budapest 1979, Abb. 347 und 346:
S. 19 (3. R. m. & r.)
Enciklopedija Jugoslavije/Enzyklopädie Jugoslawiens, 1965: S. 65
Ivan Božić u.a. (Hg.): Istorija Jugoslavije [Geschichte Jugoslawiens], Beograd 3 1973: S. 19 (4. R. l. & m.,
u. l., u. r.)
Ivo Petrinović: Ante Trumbić. Politička shvaćanja i djelovanje [Ante Trumbić. Seine politischen
Anschauungen und sein Wirken], Zagreb 1986: S. 19 (4. R. r.)
Institut für Volkskunde der Deutschen im östlichen Europa: S. 172
Johann Jauß: Szeghegy im ersten Jahrhundert seines Bestandes, Kula 1866: S. 26
Kosta Nikolić: Nemački ratni plakat u Srbiji 1941 – 1944 [Das deutsche Kriegsplakat in Serbien
1941-1944], Belgrade 2000, S. 148: S. 77
Milan Grlović/Stjepan Kovačević: Album zaslužnih Hrvata XIX stoljeća. Sto i pedeset životopisa,
slika i vlastoručnih podpisa. Zagreb 1898-1900. [Milan Grlović (Hg.)/Stjepan Kovačević (Abb.):
Album verdienter Kroaten des 20. Jahrhunderts. 150 Lebensläufe, Bilder und eigenhändige Unterschriften, Zagreb 1889-1900.]: S. 19 (o. r. & l.)
Muzej Vojvodine / Museum der Vojvodina, Novi Sad: S. 59, S. 60, S. 74, S. 75, S. 78
Nemačko udruženje za dobrosusedske odnose Karlowitz / Deutscher Verein für gutnachbarschaftliche Beziehungen Karlowitz: S. 165
Njemačka zajednica – Zemaljska udruga Podunavskih Švaba / Deutsche Gemeinschaft – Landsmannschaft der Donauschwaben, Osijek/Essegg: S. 110 (l.)
Privatbesitz Georg Wildmann: S. 129 (o. r.)
Privatbesitz Hans Sonnleitner: S. 129 (u. r.)
Privatbesitz Herbert Prokle: S. 129 (u. l.)
Privatbesitz Ivan Vinkov: S. 19 (3. R. l.)
Privatbesitz Josef Beer: S. 129 (o. l.)
Privatbesitz Jože Dežman: S. 200, S. 202, S. 207
Privatbesitz Karl Weber: S. 129 (u. m.)
Privatbesitz Mario Jareb (Hrvatski institut za povijest [Kroatisches Institut für Geschichte]):
S. 19 (o. m., 2. R. m. & r., u. m.), S. 40 (o.), S. 41, S. 153
Privatbesitz Mitja Ferenc: S. 83-86, S. 88, S. 91
Privatbesitz Rotraud Senz: S. 129 (o. m.)
Privatbesitz Thomas Dapper (Fotograf und Bildeigentümer): S. 210, S. 214, S. 217
Privatbesitz Vladimir Geiger (Hrvatski institut za povijest [Kroatisches Institut für Geschichte]):
S. 19 ( 2. R. l.), S. 110 (r.)
Stiftung Martin-Opitz-Bibliothek, Herne: S. 185
227
228
THE AUTHORS
The authors
Beer, Mathias, born 1957 in Sibiu, Romania. Historian, Deputy Managing Director
and Head of the Institute for Danube Swabian History and Regional Studies in Tübingen, where he heads the Contemporary History research area. Lecturer at the History
Department of the University of Tübingen and co-publisher of several series of papers
related to the history of migration. Main areas of research: history of mentalities,
administration, politics, academia and – above all – migration in modern and contemporary German and Southeast European history. His most recent independent publication is “Escape and Expulsion of the Germans. Preconditions, Proceedings, Consequences” (published by C.H. Beck, 2011).
Bethke, Carl, born 1969 in Celle, Germany. Studied Southeast European History (Free
University of Berlin and in Hamburg), lectureships at the University of Osijek, scholarships/fellowships at the University of Regensburg and Frankfurt (Oder). Beginning in
1999, research associate at the Institute for East European Studies at the Free University
of Berlin. Doctoral thesis entitled “German and Hungarian minorities in Croatia and
Vojvodina 1918–1941: Identity models and ethnopolitical mobilisation”. 2007–2011 On
the Academic Council at the University of Leipzig from 2007 to 2011. Postdoctoral project entitled “Austro-Hungarian administration in Bosnia and Hercegovina”. Since 2012
junior professor for Eastern Europe in the 19th and 20th centuries, University of Tübingen.
Casagrande, Thomas, born 1956 in Frankfurt am Main, Germany. Completed teacher
training for the subjects of English, sport and social studies before studying political
science. Doctorate in political science from the Goethe University, Frankfurt. His dissertation, entitled “The ‘Volksdeutsche’ SS-Division Prinz Eugen. The Banat Swabians
and National Socialist war crimes”, was published by Campus Verlag. Following many
years at several schools in Frankfurt, he worked as a university teacher at the Goethe
University in the Department of Sociology, focusing on culture and migration.
Dapper, Thomas, born 1969 in Stuttgart, Germany. First contact with opposition activists
in East Germany in 1984. First publications in the local press in 1988. Founder of the
Youth Association of the Green Party in Baden-Württemberg in 1991. Studied law at the
Free University of Berlin in 1992. Attended the Kaskeline Film Academy in Berlin in 1994.
In 1996 began working as a freelance author for magazine-style television programmes.
Undertook his first trip to Serbia and the Banat in 2002. Began shooting the documentary
film “Wege nach Mramorak” [Paths to Mramorak] in 2007. Lives in Cologne, travelling
frequently within the Banat region for further documentary film projects.
Dežman, Jože, born 1956 in Lesce, Slovenia (former Yugoslavia). B.A. in History and
Philosophy, director of the Archives of Slovenia. Fields of study: history, anthropology,
museum studies, museum critique, journalism. Researches the consequences of the
racist division of Slovenian society under Titoism and the process of transitional justice. Has edited several anthologies of local history, arranged more than 10 exhibitions,
and published several hundred articles in anthologies as well as scientific publications
and daily papers. Director of the National Museum of Contemporary History
(Ljubljana) 2005–2010. Has led the Commission of the Government of the Republic of
Slovenia for Concealed Mass Graves since 1995.
Ferenc, Mitja, born 1960 in Ljubljana, Slovenia (former Yugoslavia). Assistant Professor (History of Southeast Europe in the 20th century, Ljubljana Faculty of Arts).
THE AUTHORS
Doctoral topic: the German-speaking area in the Kočevje region after the emigration of the Gottscheer Germans (1942–1956). Involved in publishing 18 monographs
and 150 treatises/articles, predominantly on cultural heritage, partisan health care,
Gottscheer Germans, the German minority in Slovenia, and concealed graves. Led
the “Inventory of Concealed Graves in the Republic of Slovenia” project from 2002
to 2009. Performed work/research on concealed graves from 2006 to 2009. President
and/or Vice-President of the Association of Historical Societies of Slovenia since
2004.
Geiger, Vladimir, born 1962 in Đakovo, Croatia (former Yugoslavia). Scientific advisor. Doctoral degree: 1996, Faculty of Philosophy in Zagreb. Wrote thesis on ethnic
Germans in and around Ðakovo. Employed at the Croatian Institute for History (HIP),
Zagreb, since 1993. Researches the history and fate of the German ethnic community
in Croatia as well as repression and crimes of the Communist-led partisan movement
in Croatia at the end of World War II and in the immediate post-war period. Currently
head of the scholarly project, “Human losses in Croatia during World War II and in the
post-war period” (HIP). Awarded the “Danube Swabian Cultural Award of the Federal
State of Baden-Württemberg for 2009”.
Janjetović, Zoran, born 1967 in Zagreb, Croatia (former Yugoslavia). Studied history
at the University of Belgrade from 1987 to 1993. Postgraduate studies: Belgrade 1993–
1997 and Budapest 1994/95. Completed dissertation on the national minorities of
Yugoslavia 1918–1945 in 2004. At the Institute for Recent History of Serbia since 1994.
Has published six books and 98 articles and studies. Has received grants to research in
Germany 1997–2007 at the Institutes for European History, Danube Swabian History
and Regional Studies, and the Culture and History of the Germans of Southeast
Europe. Research: history of minorities in Yugoslavia, Yugoslav foreign policy, popular
culture in socialist Yugoslavia, Second World War in Serbia.
Karner, Stefan, born 1952 in St. Jakob bei Völkermarkt, Austria. Historian, founder
and head of the Boltzmann Institute for Research into Consequences of War, Graz –
Vienna – Klagenfurt. Deputy Chairperson: Institute for the History of Economy, Social
and Business History, Graz University. Austrian ‚Scientist of the Year‘ 1995. Member
of numerous academic commissions and institutions. Board member: German Historical Museum, Berlin; Hannah Arendt Institute for Research on Totalitarianism,
Dresden; Anthology of Historical Research on Communism, Berlin. Curator: Austrian National Library. Academic director of large-scale exhibitions (recent example:
“Republic Exhibition” in the Austrian Parliament).
Kessler, Wolfgang, born 1946 in Hamm, Germany. After studying history and Slavic
studies in Bochum and Düsseldorf, worked at the University of Cologne (Slavic studies), Düsseldorf and Marburg (East European History). Director of the Martin Opitz
Library Foundation in Herne, 1989–2011. Has published works principally on the history and cultural history (especially relating to the topic of books) of Croatia and Slavonia in the 18th and 19th centuries, and the history of the German minority in Poland
and the German expellees.
Koljanin, Milan, born 1953 in Belgrade, RS (former Yugoslavia). Research Fellow,
Institute for Contemporary History. His research work centres on the study of specific
social groups (e.g. students and refugees), the features of repressive systems in World
War Two in Yugoslavia (especially the construction and functioning of the system of
camps), the repressive legislature of the Independent State of Croatia, the Holocaust in
Serbia and Yugoslavia, the use of film as a means of propaganda, and anti-Semitism in
Yugoslavia between the two world wars. His papers have been published in scientific
journals in Serbia and abroad. Has also published three monographs.
229
230
THE AUTHORS
Krel, Aleksandar, born 1968 in Belgrade, Serbia (former Yugoslavia). Was educated and
lives in Belgrade. Conducts research in the fields of social culture and communications,
mostly relating to children’s games and socialisation of children, ethnic identity, and cultural features of national minorities in Serbia. 2003 until present: Institute of Ethnography
SANU (Serbian Academy of Sciences). 2001–2003: Ethnologist Custodian, Museum of
Ethnography, Belgrade. 1998–1999: Ethnologist Custodian, Museum of the City of Novi
Sad. 2011: Doctorate, Faculty of Philosophy, Belgrade, Department of Ethnology and
Anthropology (“Ethnic identity of Germans in Vojvodina”). 2003: M.A., 1993: B.A.
IMPRESSUM
231
Die Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung
und die Stiftung Donauschwäbisches Zentralmuseum
werden aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages
gefördert durch
Perenčević, Leni, born 1983 in Bad Mergentheim, Germany. Studied history, European
ethnology and south Slavic philology at the University of Freiburg and Zagreb University,
2003–2009. Worked 2006–2011 as a research assistant at the Johannes Künzig Institute for
the Ethnology of Eastern European Germans. Currently working on her doctorate, entitled “Telling a new (his)story. The Yugoslavian Germans in Historiography, Literature and
Public Memory in post-1989 Croatia and Serbia” (for which she received a grant from the
“History and Narrative” doctoral programme, Freiburg University). Since January 2012:
academic staff member of the Danube Swabian Central Museum in Ulm.
Petrović Todosijević, Sanja, born 1977 in Šabac, Serbia (former Yugoslavia). Research
associate at the Institute for the Recent History of Serbia, Belgrade. Author of the
monograph “For the nameless. The Activity of UNICEF in the Federal People’s Republic of Yugoslavia from 1947 to 1954”, INIS, Belgrade, 2008, and co-author of the book,
“News from the past. Knowledge, ignorance, use and abuse of history”, Belgrade Centre for Human Rights, Belgrade, 2010. Project team member of the work group for the
restoration of the permanent exhibition of the Republic of Serbia in the AuschwitzBirkenau State Museum.
Portmann, Michael, born 1975 in Escholzmatt, Switzerland. Senior research associate,
Historical Commission of the Austrian Academy of Sciences (since 2006), lecturer at
the universities of Vienna and Bern. Fields of research: contemporary history of Yugoslavia and the Balkans, state-building in Southeast Europe in the 19th century. Selected
publications: “The Communist Revolution in Vojvodina 1944–1952. Politics, Society,
Economy, Culture” (Vienna 2008); “Nation, Nationalities and Nationalism in Eastern
Europe. Publication commemorating the 65th birthday of Arnold Suppan”, edited
together with Wolfgang Mueller and Marija Wakounig (Vienna 2010).
Schödl, Günter, born 1944 in Erlangen, Germany. Studied classical philology and then
German philology, history and social studies (University of Erlangen-Nuremberg)
1964–1969, passing his state examination in 1970. Doctorate in 1974 (published 1978:
The Pan-German League and German Minority Politics in Hungary 1890–1914).
Study visits to Austria, Yugoslavia and Hungary. 1983: Postdoctoral qualification,
Modern and European History, University of Erlangen-Nuremberg (published 1990:
Croatian National Politics and “Jugoslavenstvo”). 1983–1992: Universities of Erlangen,
Munich, Augsburg and Kassel. Academic Chair of the History of East Central Europe,
Humboldt University Berlin, since 1992.
Wildmann, Georg, born 1929 in Bački Gračac/Filipowa, Serbia (former Yugoslavia).
Interned in a camp under the Tito regime from November 1944 to May 1946. Completed
school in Linz, Austria, and studied to become Doctor of Theology. Philosophy and religion teacher from 1959, Professor for Philosophy at the Theological University of Linz
1970–1974. Author of “Filipowa – A Picture of a Danube Swabian Community”, Vienna
1978–1999. Staff member of the Danube Swabian Cultural Foundation in Munich from
1980. Co-author of volumes 1–3 of “The Path of Suffering of the Germans in Communist
Yugoslavia”, 1991–95. Main author of the book “Crimes against Germans in Yugoslavia
1944–1948”, 1998, as well as of volume two of “Danube Swabian History”, 2010.
Impressum
Herausgegeben von
Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung (Berlin)
Donauschwäbisches Zentralmuseum (Ulm)
1. Auflage 2016
Anmerkung der Redaktion:
Die Beiträge geben den Stand der Forschung aus Sicht
der jeweiligen Autoren wieder. Die Herausgeber haben
deshalb auf formale Eingriffe verzichtet, die Wertungen,
Inhalte oder einzelne Begriffe verändert hätten.
Redaktion: Christian Glass, Dr. Zoran Janjetović,
Dr. Wolfgang Kessler, Dr. Andreas Kossert, Anka Lück,
Leonie Mechelhoff, Leni Perenčević
Zu beziehen:
Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung
Mauerstraße 83/84, 10117 Berlin
Tel.: +49 (0)30 206 29 98-0
www.sfvv.de
Übersetzungen ins Deutsche: Dr. Wolfgang Kessler
Übersetzungen ins Serbische: Dr. Zoran Janjetović
Gestaltung: Peter Nils Dorén Grafikdesign
Druck und Bindung: Ruksaldruck GmbH + Co. KG
Repro plus Offset
Umschlagabbildung: Gotscheer im österreichischen
Flüchtlingslager Feffernitz. Privatbesitz Mitja Ferenc.
ISBN 978-3-946867-00-5
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