Der Einfluss der Mission der katholischen Kirche - gottfried

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Sylvia Garantini, Bakk.a
Matr.Nr. 0400906
Std.Kz. A190 313 333
Der Einfluss der Mission der katholischen Kirche auf die Kolonialisierung
von Lateinamerika im langen 16. Jahrhundert
SE Vertiefung 1
Dr. Gottfried Liedl, ao. Univ.-Prof. i.R. Dr. Peter Feldbauer
Sommersemester 2013
Sylvia Garantini, Bakk.a
SE Vertiefung 1
Inhaltsverzeichnis
Inhalt
Seite
1. Einleitung
3
2. Motive der katholischen Kirche bei der Mission vs. Motive
der Conquistadoren
3
2.1. Motive der Missionare
4
2.1.1. Franziskaner
4
2.1.2 Jesuiten
6
3. Zusammenarbeit weltlicher Politik und der katholischen Kirche
8
3.1. Widerstand und Kritik im Klerus
10
3.1.1. Bartolomé de Las Casas
10
3.1.2 Motolina
12
3.1.2. Antonio Montesinos
13
3.2. Widerstand und Kritik unter den Indios
14
3.2.1. Felipe Guamán Poma de Ayala
15
4. Das Bild der lateinamerikanische Ureinwohner in der katholischen
Kirche und unter den Conquistadoren
16
5. Missionspraxis
17
5.1. Missionsmethoden der Franziskaner
18
5.1.1. Die franziskanische Inquisition im Raum Mexiko
20
5.1.2 Vorkommnisse während der Inquisition in Yucatán
20
5.2. Das System der Kommenden
21
5.3. Das System der Reduktion
22
5.4. Missionsmethoden der Jesuiten
23
5.5. Weibliche Missionsgesellschaften
25
5.6. Friedliche Missionierung
25
6. Kultureller Austausch oder Vernichtung?
26
6.1. Kultureller Austausch
26
6.2. Bekehrung der Einwanderer zur Indioreligion
26
6.2. Die Reduktion
27
6.3. Convento
28
6.4. Gemeinsamkeiten der Kulturen vor der Conquista
29
6.5. Das Bild der Indios von den Eroberern
29
7. Conclusio
29
8. Literaturverzeichnis
32
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Sylvia Garantini, Bakk.a
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1. Einleitung
Nach der Lektüre von Bernd Hausbergers Text „Das Reich, in dem die Sonne nicht
unterging. Die iberische Welt.“, wurde festgestellt, dass dieser Artikel zur Eroberung
Lateinamerikas durch die Spanier und Portugiesen eher einen Schwerpunkt in Sachen
Wirtschaft setzt und das Thema der Mission kürzer behandelt wird. Daher soll in dieser
Arbeit eine vertiefende Auseinandersetzung mit dem Einfluss der Mission auf die Eroberung
Lateinamerikas stattfinden. Besonderes Augenmerk liegt auf dem Wechselspiel zwischen
weltlicher und geistiger Macht bzw. Eroberung, sowie auf den grundsätzlich
unterschiedlichen Weltbildern, die der Mission der unterschiedlichen Orden zu Grunde
liegen. Weiters soll nicht auf die großen Herrscher, sondern auf die Personen vor Ort
besonders eingegangen werden, die auch tatsächlich von der Mission persönlich betroffen
waren, sei es als Missionar oder auch als Missionierte.
2. Motive der katholischen Kirche bei der Mission vs. Motive der
Conquistadoren
Was die Conquistadoren angetrieben hat lässt sich kurz auf 3 wesentliche Gründe
reduzieren:
1. Entdeckerfreude
2. Suche nach Reichtum
3. Christianisierung der Heiden
Wahrscheinlich hatten die Gründe auch diese Rangordnung. Kolumbus beispielsweise wollte
beweisen, dass die Erde nicht flach ist und man am Ende hinunterfällt. Er war der
Überzeugung, einen direkten Seeweg nach Indien zu finden. Daher nannte er die entdeckten
Ureinwohner auch „Indios“, wie sie auch heute noch genannt werden. Auch das Land wurde
von ihm ursprünglich als „Las Indias“ bezeichnet, was die Spanier bis ins 17. Jahrhundert
hinein taten, obwohl bereits 1507 die Bezeichnung Amerika auftauchte.1
Kolumbus sah sich aber zugleich auch als Missionar, wobei er absolut ein Vertreter der
Zwangsmission war. Wie seine Unterschrift verrät, war er so gläubig, dass er seinen Namen
sogar als „Christo ferrens“, also „Christusbringer“ interpretierte.
Kolumbus hatte allerdings, wie aus seinen Aufzeichnungen und Briefen hervorgeht, wenig
Interesse daran, dass die Indios ihr Seelenheil im Christentum fanden, sondern war mehr
daran interessiert, aus der Mission und der Eroberung Profit zu schlagen. Den gewonnenen
1
Vgl. Rosner, Enrique: Missionare und Musketen. 500 Jahre lateinamerikanische Passion. Verlag
Josef Knecht. Frankfurt/Main 1992, S. 44, 45
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Profit wollte Kolumbus für die Rückeroberung des heiligen Grabes und Jerusalems, also für
einen erneuten Kreuzzug, verwenden. Somit hatte er einen weiteren Legitimationsgrund für
die Ausbeutung Lateinamerikas. Die Motive waren ganz klar intolerant gegenüber Allem, was
anders oder andersgläubig war. Kolumbus ging quasi davon aus, dass die Indios entweder
bekehrt oder eben vertrieben werden, damit keine „Fremdkörper“ mehr im erweiterten Iberien
zu finden seien. Die eigene Religion und das eigene Vorhaben wurden absolut gesetzt und
andere Ideen und Menschen wurden ignoriert, diese hatten sich unterzuordnen oder zu
verschwinden. Selbstreflexion war zu dieser Zeit definitiv nicht gegeben.2
2.1. Motive der Missionare
2.1.1. Franziskaner
Die Grundmotivation der Franziskaner kann recht kurz zusammengefasst werden als orbis
christianus. Sie hatten einen eher pragmatischen Ansatz, da sie alles was diesem Ziel diente
annahmen und alles was sich der Christianisierung entgegensetzte bekämpften. Die Moralund Wertvorstellungen wurden somit dem Metaziel untergeordnet.3
Die ersten 12 Franziskanerapostel kamen als Wandermissionare und lebten in völliger
Askese und Armut. Sie wollten damit ein Zeichen gegen die reiche Kirche setzen. Diese
Wandermissionare waren bei der einheimischen Bevölkerung besonders beliebt, jedoch
verschwand diese Protestbewegung bald auch aus Lateinamerika.4
Diese 12 Franziskaner wurden vor allem aufgrund der Bitte von Hernán Cortés ins heutige
Mexiko geschickt, da er davon ausging, dass die Mönche, die in völliger Askese lebten und
somit den Lebensgewohnheiten der Einheimischen näher waren als andere, besonderen
Erfolg bei der Mission hätten. Die Mönche kamen, diversen Berichten nach, auch mit dem
typischen Aussehen eines Bettelordens an: Sie waren in Kutten, barfuß und relativ
abgemagert durch die Reise über den Atlantik.5
Die Mönche sahen diese Ähnlichkeit zwischen ihrem Lebensstil und dem der Indios offenbar
auch, da vor allem die Franziskaner den Lebensstil der Indios immer wieder lobten und als
evangeliumskonform beurteilten.
Motolína zum Beispiel berichtet wohlwollend über die Lebensführung der Indios:
2
Vgl. ebd. S. 56, 57
Vgl. Bey, Horst von der: Vom kolonialen Gottesexport zur befreienden Mission. Eine franziskanisch
orientierte Theologie einer inkulturierten Evangelisation. Borengässer Verlag. Bonn 1996, S. 61
4
Vgl. Rosner, Enrique: Missionare und Musketen. 500 Jahre lateinamerikanische Passion. Verlag
Josef Knecht. Frankfurt/Main 1992, S. 40
5
Vgl. Kimmel, Esther/ Seger, Martin: Schauplatz Amerika. In: Stefanie Glatz ua.[Hrsg.]: 1492-1992:
Begegnung zweier Welten? Wirtschaftliche und religiöse Folgen der europäische Expansion, S. 88,89
3
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„Diese Indios kennen kein Hindernis, das ihnen den Eintritt in den Himmel verböte, während
wir Spanier ihrer viele haben, denn sie beschieden sich in ihrem Leben mit so wenigem,
dass sie kaum etwas zum Anziehen oder zum Essen haben. Ihre Nahrung ist sehr ärmlich
und das gleiche gilt für ihre Kleidung. Zum Schlafen haben die meisten nicht einmal eine
intakte Matte. Sie bemühen sich nicht, Reichtümer zu erwerben noch sie zu bewahren, und
sie täten es auch nicht, um Stand und Würde zu erlangen. Sie legen sich mit einer einfachen
Decke hin und sind beim Erwachen bereit, Gott zu dienen. Alle können eine Wand errichten
und ein Haus bauen, ein Seil drehen und andere Dinge erledigen, die nicht viel Geschick
erfordern. [,] Ohne Streitereien und Auseinandersetzungen verbringen sie ihre Zeit und ihr
Leben; sie sorgen für den notwendigen Lebensunterhalt, und mehr nicht.6
Was bei dieser Beschreibung nicht vergessen werden darf ist, dass der Autor nur eine
bestimmte Gesellschaft beschrieben hat und die teilweise stark differierenden indigenen
Gesellschaften außer Acht lassend. Zusätzlich wollte er mit dieser Beschreibung natürlich
auch den Kontrast zwischen Indios und Spaniern betonen, um auf die Situation in
Lateinamerika hinzuweisen. 7
Kommentar
So wie der ursprüngliche Lebensentwurf der Indianer beschrieben wird (auch wenn hinter
dieser Beschreibung natürlich diverse Motive des Autors versteckt sind), ist dieser unserer
Konsumgesellschaft genau entgegen gesetzt. Besitz bedeutet offenbar nichts, es ist wichtig,
gut zu leben, das heißt aber nicht, Besitztümer anzuhäufen. Aus westlicher Sicht kann man
sich einen solchen Lebensentwurf kaum vorstellen, da wir alle anders sozialisiert wurden.
Jedoch erscheint diese Lebensform gerade in Zeiten von Wirtschaftskrise und immer größer
werdendem Gap zwischen Arm und Reich doch sehr attraktiv. Denn niemandem fällt derzeit
ein besseres Modell ein, man weiß einzig und allein, dass das System der Geldwirtschaft in
keiner Weise funktioniert. Vielleicht sollte man sich auch heute wieder Gesellschaftsentwürfe
alter, „barbarischer“ Gesellschaften zuwenden um auf neue Ideen für unsere heutige
Gesellschaft zu kommen.
Der Großteil der Franziskaner jedoch verschrieb sich, wie auch in den Aufzeichnungen von
Poma de Ayala zu sehen ist, nicht dem vordergründigen Ziel der Mission sondern des
Goldes. Das heißt, die Mission rückte eigentlich in den Hintergrund und es ging vor allem
darum, dass die Priester massiven Reichtum anhäuften. Offenbar wurde auch das
Keuschheitsgelübde nicht mehr so genau genommen, da in den Berichten von Poma de
6
Vgl. Bey, Horst von der: Vom kolonialen Gottesexport zur befreienden Mission. Eine franziskanisch
orientierte Theologie einer inkulturierten Evangelisation. Borengässer Verlag. Bonn 1996, S. 68
7
Vgl.ebd., S. 69
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Ayala auch angeprangert wurde, dass die Priester mit den einheimischen Indiofrauen eine
beachtliche Kinderschar zeugten.8
Aufgrund dieses Umstands, war auch der Erfolg der Mission enden wollend. Die meisten
Indios waren zwar offiziell getauft und bekehrt, im Hintergrund existierten jedoch nach wie
vor ihre ursprünglichen Religionen weiter und es existierte maximal ein Aggregat aus der
christlichen und ihrer Religion. Der ursprüngliche Plan, aus den Indios Christen zu machen,
ging also mit dieser Form der Mission nicht auf und der Erfolg für die katholische Kirche blieb
sehr oberflächlich.9
2.1.2. Jesuiten
Die Jesuiten spielten bei der Mission im 16. Jahrhundert in Lateinamerika eigentlich eine
eher geringe Rolle. Als Sie 1549 relativ spät ankamen, waren in den großen
bevölkerungsreichen Gebieten bereits die Bettelorden, vor allen die Franziskaner, am Werk
gewesen. Den Jesuiten blieben daher nur mehr die weniger prestigeträchtigen und weniger
bevölkerten schwer erreichbaren Randgebiete, in denen sie auch andere Formen des
Zusammenlebens, als die weit entwickelten Hochkulturen, antrafen.10
Da auch das Problem der oberflächlichen Bekehrung (siehe oben) bestand, sprangen hier
die Jesuiten für eine „bessere Bekehrung“ ein. Das Erfolgsrezept der Jesuiten war, dass sie
ihre Missionspraxis immer an die jeweiligen Gegebenheiten vor Ort anpassten und nicht
einfach immer mit demselben Konzept missionierten. Dies war ein besonders pragmatischer
Weg um besonders viele Personen zum christlichen Glauben zu bekehren.11
Das vorrangige Motiv der Jesuiten war die Ansicht, dass man jeden auch noch so
„barbarischen“ Indianer zum „Menschsein“ und somit zum Christen erziehen und bekehren
könne. Da nach Auffassung der Christen nur die ihr Seelenheil nach dem Tod finden können,
die auch Christen sind, waren sie der festen Überzeugung, auch die Indianer mit diesem
„Privileg“ ausstatten zu müssen.12
8
Vgl. Rosner, Enrique: Missionare und Musketen. 500 Jahre lateinamerikanische Passion. Verlag
Josef Knecht. Frankfurt/Main 1992, S 136,137
9
Vgl. Hausberger, Bernd: Die Mission der Jesuiten im kolonialen Lateinamerika. In: Hausberger,
Bernd [Hrsg.]: Im Zeichen des Kreuzes. Mission, Macht und Kulturtransfer seit dem Mittelalter.
Mandelbaum Verlag. Wien 2004, S. 80
10
Vgl. ebd., S. 79
11
Vgl. ebd., S 83
12
Vgl. ebd. S. 86
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Kommentar
Interessant dabei ist, wie auch Hausberger schreibt, dass diese Ansicht rassistischen
Vorurteilen im Grunde Tür und Tor öffnet. Diese Zusammenarbeit von Religion und
Rassismus ist bestechend, da man zu dieser Zeit (und teilweise auch heute noch) davon
ausgeht, dass alle, die nicht in einer christlichen Art und Weise leben, in gewisser Weise
rückständig sind. Hier kann man im Prinzip auch Parallelen zu heute ziehen, da wir Europäer
und Nordamerikaner immer davon ausgehen, dass alle, die nicht ihren eher christlichen
Werten folgen, rückständige Hinterwäldler sind. Dies Haltung ist momentan natürlich vor
allem in Bezug auf Muslime zu erkennen.
Die Jesuiten übten im Gegensatz zu vielen anderen Orden immer wieder Kritik am
Kolonialsystem und vor allem an der Gewalt, die die weltlichen Eroberer gegenüber den
Indios an den Tag legten. Jedoch stellten sie, im Gegensatz zu einzelnen Kritikern, nie das
Recht der Spanier und Portugiesen an sich in Frage, Amerika zu erobern und die Indianer zu
unterwerfen.13
Kommentar
Man müsste sich allerdings überlegen, ob das in Frage stellen der Expansion nach Amerika
überhaupt mit dem Missionsgedanken vereinbar wäre. Wenn man davon ausgeht, dass man
als Christ allen anderen Menschen auf der Welt, die einem anderen Glauben anhängen, den
einzig waren Glauben und die einzige Möglichkeit bringt, ihr Seelenheil zu finden, kann man
im Grunde die iberische Expansion kaum in Frage stellen, sonst würden man auch sein
eigenes Handeln als Missionar in Frage stellen.
Die Jesuiten waren sich durchaus dessen bewusst, dass es hilfreich war, wenn die zu
bekehrenden Indianer von diversen Dingen eingeschüchtert wurden und die Jesuiten das
Christentum als Rettung und Erlösung darstellen konnten. Unter anderem nutzten sie die
Furcht vor Sklavenjägern, die gemeinsam mit den Geschichten, erzählt von entflohenen
Sklaven, besonderen Schrecken verbreiteten. Sie nutzten sogar die eingeschleppten
Krankheiten und schreckten auch nicht davor zurück, innerindianische Konflikte für die
Mission zu instrumentalisieren.14
Kommentar
Was aus heutiger Sicht besonders unverständlich erscheint ist, dass eine ganze
Glaubensgemeinschaft so unreflektiert war und nicht sah oder sehen wollte, dass sie, wenn
sie die Indianer nicht rein durch schlagkräftige Argumente zum Christentum bekehren
13
14
Vgl. ebd., S. 87
Vgl. ebd., S. 88,89
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konnten, das Christentum vielleicht nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Selbstreflexion war
aber zu dieser Zeit offenbar noch kein Thema (und ist es teilweise heute auch noch nicht).
Man könnte annehmen, dass vielen Missionaren die Augen geöffnet wurden, nachdem Sie
vor Ort mit anderen Kulturen in Berührung gekommen sind. Die meisten waren aber offenbar
so in das Konzept von Zivilisation und Barbarei verstrickt, dass es ihnen nicht möglich war,
für neue Kulturen und Lebenskonzepte offen zu sein.
3. Zusammenarbeit weltlicher Politik und katholischer Kirche
Die Heidenmission diente als Motiv für die Expansion nach Lateinamerika. Kirche und Politik
brauchten einander und arbeiteten hinsichtlich der Expansion in Lateinamerika auch
zusammen. Die Kirche legitimierte die iberische Expansion und räumte den Conquistadoren
gewisse Sonderrechte für die entdeckten Länder ein, im Gegenzug dafür übernahmen die
Conquistatoren die Bekehrung der Heiden. Somit gingen die gewaltsame Expansion und die
Mission Hand in Hand.15
Die Missionierung kam gepaart mit militärischer Macht. Nur weniger Wandermissionare
(darunter die ersten 12 Franziskanerapostel) lebten asketisch und arm.
Problematisch war, dass die Kirche ihre Aufgabe der Mission eigentlich an die weltlichen
Eroberer abgegeben hatte. Somit war es eher ein missionierender Staat in der Art der
Kreuzzüge, sowie der Vertreibung der Mauren aus Spanien.
Das große Problem war, dass die Conquistadoren wie Kolumbus oder Cortés
Evangelisierung mit Eroberung verwechselten. Dies wurde praktisch gleich gesetzt.16
Die Übertragung der Macht von der Kirche auf den Staat ging soweit, dass der König die
Bischöfe ernannte, die Kirchengüter verwaltete sowie die Missionare bestimmte und diese
auch entsandte. Durch diese Machtübertragung, hatte der Papst selbst kaum Befugnisse in
Lateinamerika.17
Die Missionare wurden somit eigentlich zu Beamten, die sich sowohl um die Seelsorge der
Eroberer zu kümmern hatten, als auch darum, die Indios zum „rechten Glauben“ zu
bekehren.
Das Problem war die Entwicklung von zwei Christenheiten, einmal die der Indios und einmal
die der Eroberer, die sich kaum glichen.
Dieser Konflikt führte dazu, dass sich viele Missionare vor allem zu Beginn auf die Seite der
Indios stellten und versuchten diese zu schützen. Beispiele dafür sind Antonio Montesinos
15
Vgl. Rosner, Enrique: Missionare und Musketen. 500 Jahre lateinamerikanische Passion. Verlag
Josef Knecht. Frankfurt/Main 1992, S. 39,40
16
Vgl. ebd., S. 43
17
Vgl. ebd., S. 41
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und Antonio Valdivieso, die für ihren Einsatz für die Indios sogar ihr Leben durch die
spanischen Eroberer verloren.18
Bei der Aneignung von Land, spielten die vorhandenen Besitzkonstellationen der
Einheimischen keinerlei Rolle. Diese wurden, wie alle vorhandenen einheimischen
Strukturen ignoriert. Im Mittelalter war die Landaneigung von Christen immer legitim, da der
Krieg gegen die Ungläubigen im Prinzip alles rechtfertigte. Bei der Inbesitznahme gab es
jedes Mal das gleiche Ritual, es wurde die kastilische Flagge gehisst, ein Kreuz aufgestellt
und ein königlicher Notar verkündete die Inbesitznahme, oft vor den Augen der
Einheimischen, die nicht Verstanden, was passierte. Trotz dem Unverständnis der
Einheimischen, wurden diese nun Bürger, Vasall oder Sklave im Reich und hatten gewisse
Pflichten, wie Abgabe von Land und Steuern. Rechte gab es für die „neuen Bürger“ nicht.
Die Eroberer erfüllten somit ihre „Pflicht“ der Zivilisierung und Evangelisierung in einem
gewissen Ausmaß. Vor den Indios wurde das Requirimiento verlesen, indem unter anderem
stand, dass die Kirche und das spanische Königspaar nun Herrscher dieses Kontinents
waren und den Indios bei Gehorsamsverweigerung diverse Strafen drohten.19
„ Wenn ihr es aber nicht tut,, so werde ich mit Gottes Hilfe und unter Aufbietung aller Macht
gegen euch vorgehen und euch, wo und wie immer ich kann, bekriegen und dem Joch der
Kirche und ihrer Majestäten unterwerfen; und ich werde euch, zu Sklaven machen und als
solche verkaufen , ich werde eure Habe wegnehmen und euch Unheil und Schaden
zufügen, wie es Vasallen gebührt, die ihren Herren nicht gehorchen und .. sich gegen ihn
auflehnen.“20
Kommentar
Interessant dabei ist, dass der „Schutz“ zum Vorwand für die Stellung der Indios unter den
Spaniern genommen wird. Der Indio wird von vornherein zum Schutzbedürftigen erklärte,
wobei dieser eigentlich nur vor den Spaniern beschützt hätten werden müssen, was durch
die Spanier selbst wohl schwer möglich war. Von Beginn an ist klar, wer die Spielregeln
macht und wer diese zu befolgen hat. Die Eroberer kommen überhaupt nicht auf die Idee,
die vorgefundenen Sitten, Bräuche und Systeme anzusehen und eventuell auch etwas zu
übernehmen oder so zu belassen. Sie gehen im Mittelalter davon aus, dass ihr System das
richtige ist und alle anderen falsch sind – dadurch begründet sich ja unter anderem auch der
Missionsgedanke.
18
Vgl. ebd., S. 42
Vgl. ebd., S. 66, 67
20
ebd., S. 67
19
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Schwierig ist, dass es in der Argumentation und Praxis der Eroberer einen sofort zu
erkennenden Widerspruch gibt: Einerseits sollen die Indios frei sein, im Sinne des
Evangeliums und christianisiert werden. Andererseits werden Sie unterworfen und zu
Arbeitssklaven gemacht, um Profit aus dem neu entdeckten Land zu schlagen.
Auch in der direkten Missionsarbeit legitimierten die Missionare die herrschende Ordnung
nach der Eroberung. Sie erklärten, dass die spanische Herrschaft dem Willen Gottes
entspreche und zum Wohle aller sei. Und zusätzlich wurde auch hier das Missionsziel mit
Besitzzielen verwechselt und den Indianern auch vornehmlich ihre materiellen Vorteile der
spanischen Herrschaft aufgezeigt.21
3.1. Widerstand und Kritik im Klerus
Dadurch entwickelte sich auch eine Widerstandsbewegung gegen die spanische Praxis in
Lateinamerika. Allen voran setzte sich der Dominikaner Francisco de Vitoria für die Indios
ein, der als Begründer des Völkerrechts gilt. Er sagte unter anderem, dass das Naturrecht für
alle Völker gelte, und von niemandem, auch nicht dem Papst, außer Kraft gesetzt werden
könne. Jedes Volk hatte das Recht auf ein Territorium, auch heidnische. Trotzdem geht er
vom Recht zur Heidenmission aus, dass die Herrschaft christlicher Könige in Lateinamerika
begründet. Aber er leitet aus diesem Missionsrecht kein Besitzrecht auf Land ab.22
Las Casas ging sogar noch weiter und sagte, man benötige die Zustimmung der
indianischen Bevölkerung für die spanische Herrschaft in Amerika.23
3.1.1. Bartolomé de Las Casas
Er setzte sich vor allem gegen die Kommenden und die dortige Versklavung der Indios ein.
Er schrieb zahlreiche Briefe an die Machthaber in Rom, um Gesetzesänderungen im Sinne
der Indios zu erwirken, was ihm teilweise auch gelang, jedoch änderten Gesetze leider nichts
an der Praxis vor Ort. Der Rechtsmissbrauch der Kommendenbesitzer wurde zum
Gewohnheitsrecht und wurde somit beibehalten – das Faustrecht setzte sich gegen das
Völkerrecht durch.24
Las Casas schreibt auch über die rapide zurückgehende Bevölkerungszahl und das frühe
Indio-Sterben. Er sieht den Hauptgrund in der Goldgier der Spanier.25
21
Vgl. Hausberger, Bernd: Die Mission der Jesuiten im kolonialen Lateinamerika. In: Hausberger,
Bernd [Hrsg.]: Im Zeichen des Kreuzes. Mission, Macht und Kulturtransfer seit dem Mittelalter.
Mandelbaum Verlag. Wien 2004, S. 96
22
Vgl. Rosner, Enrique: Missionare und Musketen. 500 Jahre lateinamerikanische Passion. Verlag
Josef Knecht. Frankfurt/Main 1992, S. 69
23
Vgl. ebd., S. 70
24
Vgl. ebd., S. 72
25
Vgl. ebd., S. 79
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Fakt ist, dass in Lateinamerika der größte Völkermord aller Zeiten passierte. Um einige
Zahlen als Beispiel zu nennen:
•
1492 lebten ca. 60 – 100 Millionen Indios in Lateinamerika (je nach Quelle) – 1570,
nicht einmal 100 Jahre später, gab es lediglich 10 – 12 Millionen Indios!
•
In Mexico lebten 1521 ca. 17 Millionen Indios – 1608 lediglich noch 1 Million
•
Heute leben ca. 40 Millionen Indios in Lateinamerika, bei einer Gesamtbevölkerung
von 400 Millionen Einwohnern!26
Für diese schrecklichen Zahlen, sind unumstritten die Portugiesen und Spanier als
Hauptverantwortliche zu nennen. Jedoch kann sich auch die katholische Kirche nicht von der
Mitschuld freisprechen, da dies immerhin großteils unter dem Vorwand der Mission
passierte. Auch wenn Pfarrer und Bischöfe vielleicht nicht selbst zum Schwert gegriffen oder
die Indios versklavt haben, so hat die katholische Kirche, bis auf einige Ausnahmen,
zumindest geschwiegen bzw. auch noch Profit daraus geschlagen!27
Wenn man nun nach den Todesursachen fragt, so muss man hier mehrer Gründe anführen:
Einerseits starben viele Menschen durch eingeschleppte Krankheiten, mit denen sie zuvor
noch nicht in Berührung kamen. Außerdem wurden sie bei der Zwangsarbeit derart
körperlich ausgebeutet, dass eine Regeneration oft nicht mehr möglich war. Der geringste
Anteil ist durch aktive Vernichtung, also im Krieg gestorben. Was jedoch wohl am
schwersten wiegt, ist die Zerstörung der indianischen Kultur und des Sozialgefüges. Die
Religion der Indios wurde ihnen weggenommen und eine neue aufgedrängt, die alltäglichen
Lebensumstände entsprachen in keiner Weise mehr dem Ursprungszustand, dadurch war
der Überlebenswille der Indios enden wollend und auch die Geburtenrate ging massiv
zurück. Die Indios fielen in eine regelrechte Agonie und sahen keinen Sinn mehr im Leben.28
Interessant ist, dass auch Las Casas nicht von Anfang an ein Verteidiger der Indios war,
sondern dies erst mit der Zeit wurde. Ursprünglich nahm er sogar an zwei Feldzügen zur
Unterwerfung der Indios auf der Insel Hispaniola teil und sah dabei auch ein Massaker an
den Indios. Er hatte schon als Kind in Europa von seinem Vater einen Indiosklaven
bekommen und auch nach dem Feldzug erhielt er einen als Entlohnung. Er wurde
anschließend sogar selbst Kommendenbesitzer, also Mitglied derer, gegen die er sich später
auflehnte und auch er ließ Gold waschen.29
26
Vgl. ebd., S. 76,77
Vgl. ebd., S. 77
28
Vgl. ebd., S. 79
29
Vgl. ebd., S. 189
27
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Er war in den ersten 12 Jahren seines Lebens in Amerika also beides, Priester und
Kommendenbesitzer. Erst 1514 begann er sich den Indios zuzuwenden und sich für sie
einzusetzen. Angeblich beim Schreiben der Pfingstrede wurde er durch eine Stelle in der
Bibel auf die Situation der Indios aufmerksam. Zusätzlich versagte ihm ein
Dominikanermönch die Lossprechung, weil er leibeigene Indios hatte. Ab diesem Zeitpunkt
begann er sich für die Freilassung der Indios einzusetzen und begann auch damit, seine
„eigenen“ Indios in die Freiheit zu entlassen. Er begründet die Freilassung auch schriftlich
mit folgenden Worten.30
„Alles, was wir tun und getan haben, ist gegen den Willen Jesu Christi und gegen die
Barmherzigkeit, die er uns in seinem Evangelium aufgetragen hat. Allem was wir tun,
widerspricht die Heilige Schrift.“31
Las Casas begann als erster Europäer aus der Sicht des Nicht-Europäers zu urteilen und
erkannte das Leid der Indios. Las Casas wurde 1522 Dominikaner, da sich diese nach der
berühmten Adventspredigt Montesinos für die Indios einsetzten.32
Las Casas trat in weiterer Folge für die friedliche Mission ein und sprach sich entschieden
gegen die Zwangsmissionierung aus. In einem seiner Bücher sprach er sich sogar für
Religionsfreiheit in Zusammenhang damit aus und zollt anderen Kulturen damit
entsprechenden Respekt.33
3.1.2. Motolina
Als erster Franziskaner in Mexico beschrieb er die Plagen, die über die Indios gekommen
waren, um das große Sterben und die diesbezügliche Praxis in Lateinamerika zu
beschreiben. Er nannte folgende Gründe
•
Pockenepidemie
•
Kriegstote
•
Hungersnot
•
Zwangsarbeit, Schikanen
•
Steuerschraube
•
Tod in den Goldbergwerken
•
Arbeitsunfälle bei Bau von Städten
30
Vgl. ebd., S. 191, 192
ebd. , S. 192
32
Vgl. ebd. , S. 193
33
Vgl. ebd., S. 196
31
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•
Versklavung für die Minenarbeit
•
Leichenpest bei toten Minenarbeitern
•
Innere Zwistigkeiten unter den Indios.
3.1.3. Antonio Montesinos
Montensinos, einer der ersten 4 Dominikaner, die auf der Insel Hispaniola ankamen,
prangerte vor allem die Indiosklaverei an, die durch einen Freibrief der Königin Isabella 1503
praktisch legitimiert war. In seiner Adventspredigt 1511 sagte er unter anderem:
„Mit welchem Recht und mit welchem Anspruch haltet ihr diese Indios in solch grausamer
und schrecklicher Sklaverei? Mit welchem Recht führt ihr so abscheuliche Kriege gegen sie?
, Sind sie etwa keine Menschen?“34
„Warum haltet ihr sie so unterdrückt und eingespannt, ohne ihnen zu essen zu geben und
ohne ihre Krankheiten zu bekämpfen, die sie durch umäßiges Arbeiten, die ihr ihnen
aufbürdet, bekommen, so daß sie dahin sterben – oder genauer gesagt: so dass ihr sie tötet,
um jeden Tag Gold zusammenzuraffen?35
„Seid ihr nicht verpflichtet, sie wie euch selbst zu lieben? Versteht ihr das nicht? , Seid
sicher, dass in dem Zustand, in dem ihr verharrt, ihr euch nicht eher retten könnt als die
Mauren und Türken, die den Glabuen an Jesus Christus nicht haben und nicht haben
wollen!“36
In diese Predigt wurden natürlich besonders unangenehme Fragen gestellt, die so nicht
erwünscht waren und zu großem Unmut unter den Conquistadoren führten.
Aber auch dieser Protest des Dominikaners führte zu keinem großen Ergebnis. Die
Kolonisten, der König und der Dominikanerprovinzial verbündeten sich gegen ihn, was dazu
führte, dass er im heutigen Venezuela ermordet wurde.37
Die heftigen Debatten, die diese Predigt auslöste, führten aber auch dazu, dass die Junta
von Burgos 1512 einberufen wurde. Daraus ging unter anderem das erste Gesetz hervor,
das die Indianer tatsächlich als Menschen anerkannte. Auch wird die wirklich prekäre
Situation der Indianer durch die diversen Verbote wieder gespiegelt, die in den Gesetzen
34
ebd., S. 89
Kimmel, Esther/ Seger, Martin: Schauplatz Amerika. In: Stefanie Glatz ua.[Hrsg.]: 1492-1992:
Begegnung zweier Welten? Wirtschaftliche und religiöse Folgen der europäische Expansion, S. 84
36
ebd., S. 85
37
Vgl. Rosner, Enrique: Missionare und Musketen. 500 Jahre lateinamerikanische Passion. Verlag
Josef Knecht. Frankfurt/Main 1992, S. 90
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verankert sind. Unter anderem war es verboten, schwangere Frauen zur Arbeit heran zu
ziehen, Indianer als Lasttiere zu benützen, sie zu schlagen oder zu schimpfen.38
Die Indiosklaverei wurde auch mehrfach in weitere Folge abgeschafft. Einmal durch Kaiser
Karl V. 1530, was allerdings 1534 schon wieder aufgehoben wurde. 1542 setzte sich das
Verbot dann auch mit Unterstützung des Papstes endgültig durch.
In der Praxis änderte dies jedoch nicht wirklich viel. Aus offener Sklaverei wurde nun
versteckte und auch die „bessere“ Behandlung der Indios, die bereits 1512 veranlasst wurde,
setzte sich nicht durch.39
3.2. Widerstand und Kritik unter den Indios
Widerstand gab es besonders gegen die „menschlichere“ Siedlungs- und Missionsform der
Reduktion. Die Kleriker empfanden die Reduktion als heile Welt. Dass die Indios diesen
Umstand differenziert betrachteten, geht aus einigen Aufzeichnungen zum Beispiel von
Guarani-Indios hervor:
„Was haben uns denn unsere Väter für ein anderes Erbe hinterlassen als die Freiheit? Hat
uns denn die gleiche Natur, die uns von der Last, Fremden dienen zu müssen, frei ließ, nicht
auch davon befreit, an einem einzigen Platz festgebunden zu leben? , Bildete denn nicht
bis jetzt all das, was dieser Wald einschließt unser gemeinsames Haus, ohne daß das lichte
Tal mehr Anspruch auf uns gehabt hätte als der Urwald? Warum also , den Anfang machen
mit der Unterwerfung unter diese als Reduktion verkleinerte Gefangenschaft, von der uns die
Natur befreit hatte?“40
Aus Überlieferungen wie dieser, geht relativ klar hervor, dass die Indios die Reduktion in
keiner Weise als Verbesserung ihres Zustands anerkannt haben, wie dies der ursprüngliche
Plan des Erfinders Las Casas gewesen war. Im Gegenteil, sie haben die Gefangenschaft in
den Kommenden mit der in der Reduktion in gewisser Weise gleich gesetzt. Die Indios
waren offenbar ein äußerst naturverbundenes Volk, dessen Lebenswille auch durch die
Gefangenschaft mit der Zeit gebrochen wurde. Denn worüber die Reduktion nicht
hinwegtäuschen konnte war der Umstand, dass die Kultur der Indios gering geschätzt wurde
und es das Ziel war, die Indiokultur durch die europäische zu ersetzen. Auch wenn die
Kleriker nicht mit Waffengewalt vorgingen und nicht den Profit als oberstes Ziel hatten, so
war ihr Ziel doch die geistliche Conquista, die wiederum einer Vernichtung der Indiokultur
ähnlich war.
38
Vgl. Kimmel, Esther/ Seger, Martin: Schauplatz Amerika. In: Stefanie Glatz ua.[Hrsg.]: 1492-1992:
Begegnung zweier Welten? Wirtschaftliche und religiöse Folgen der europäische Expansion, S. 85
39
Vgl. Rosner, Enrique: Missionare und Musketen. 500 Jahre lateinamerikanische Passion. Verlag
Josef Knecht. Frankfurt/Main 1992, S. 90
40
ebd., S. 119
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3.2.1. Felipe Guamán Poma de Ayala
Felipe Guamán Poma de Ayala war ein Inkaprinz aus Peru. Er schrieb 2 Bücher, die er
König Philipp III. widmete und damit eine bessere Gesellschaftsordnung nach dem Vorbild
der sozialen Tradition der Inkas anstrebte. Auch dieses Widerstandsschreiben trug
zeitlebens seines Autors keine Früchte. Es lag sogar bis 1908 unbeachtet in einem Archiv,
bis es Anfang des 20. Jahrhunderts in nahezu neuwertigem Zustand in der königlichen
Bibliothek in Dänemark wieder entdeckt wurde.
Sein Buch ist ein relativ authentischer Zeitzeugenbericht der Situation der Indios während
der Conquista, der auch noch mit zahlreichen Bildern untermalt wird, was die Situation aus
der Sicht eines Inkas noch anschaulicher macht. Der Bericht ist besonders interessant, da er
sich aus vielen Wortmeldungen zur aktuellen Situation der Indios und aus Erinnerungen bzw.
Überlieferungen von Inkas zusammensetzt, die der Inkaprinz auf seinen Reisen gesammelt
hatte.
Der Text ist ohne Bilder relativ schwer verständlich, da der Autor eine altspanische Version
mit der Indiosprache Quichua vermischt hatte.
Allerdings kann man daraus, dass er überhaupt fähig war, ein solches Werk zu dieser Zeit zu
schreiben schließen, dass er ein spanisches „Gymnasium“ besucht haben muss.41
Poma de Ayala schrieb einerseits in seinem Werk explizit einen kurzen autobiographischen
Teil, andererseits fließen autobiographische Züge auch in sein gesamtes Werk ein. Er
schrieb vor allem vom evangelischen Armutsideal, dass er hoch hielt und dem er sich
freiwillig unterwarf, um sich noch besser in die Situation des „normalen“ Indio-Volkes
hineinversetzen zu können und von seinen Erfahrungen als Wanderer in der armen Welt der
Indios. Was dabei besonders auffällig ist, ist dass er sich in einer Art Dialog direkt an den
spanischen König wandte, quasi von inkaischem Adel zu spanischem Adel, er sieht sich
selbst also auf Augenhöhe mit dem spanischen König und berichtete, um seine Position
noch zu unterstreichen sehr genau von seiner Herkunft.42
Das Hauptmotiv der beiden Bücher ist die Suche nach Gerechtigkeit. Immer wieder fragt er
in seinen Büchern „Wo ist Gott?“. Die Antwort ist aber immer in der Art von „Es ist
aussichtslos, dagegen gibt es kein Mittel.“ Daraus wird auch ganz klar die Verzweiflung der
Indios ob der Situation sichtbar.43
Interessant ist vor allem auch seine Kritik am Klerus. Er schrieb in einem fingierten Gespräch
zwischen Indios darüber, dass offenbar der leichteste Weg zum Reichtum über das
41
Vgl. ebd., S. 127,128
Vgl. ebd., S. 129, 130
43
Vgl. ebd., S. 131
42
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Priesteramt führte. Denn auch im Klerus, war das vorrangige Motiv der Mission in
Lateinamerika Gold. Poma de Ayala unterstrich die Botschaft in diesem Gespräch mit viel
Ironie und stellte die Positionen von armer und reicher Kirche gegenüber. Er stand natürlich
auf Seite der armen Kirche. In diesem Gespräch prangerte er aber auch dezidiert ganz
bestimmte Orden an, die offenbar eher am Geld interessiert waren als andere. Er benennt
die Augustiner, Dominikaner, Mercedarier und Franziskaner. Als offenbar eher der Armut
verschriebene Orden benannte er die Jesuiten. Weiters prangerte er in diesem Gespräch
auch die Unkeuschheit der Priester an, da diese augenscheinlich viele Kinder mit Indiofrauen
hatten.44
Er gab auch Bilder von Gerechtigkeit und einem Teil des Klerus wieder, der den Indios hilft
und sich für sie aufopfert. Jedoch blieben diese Berichte eher in der Minderheit.45
4. Das Bild der lateinamerikanischen Ureinwohner in der katholischen Kirche
und unter den Conquistadoren
Kolumbus sah die Indios nicht als vollwertige Menschen. Er berichtete von vielen Mängeln
unter anderem, dass sie keine Sprache, Religion, Waffen, Gesetze und Kleider hätten und
somit keinerlei Kultur erkennbar sei.46
Bei der Aufteilung des Landes in Kommenden, wird auch ganz klar das Bild der Indios als
„Sache“ und nicht als vollwertiger Mensch klar. Mit dem Land, wurden den Soldaten auch die
darauf wohnenden Indios als Besitz übertragen.47
Fray Domingo Betanzos, ein Dominikanerprovinzial in Mittelamerika, behauptete zeitlebens
die Indios seien keine menschlichen Wesen. Erst auf dem Sterbebett widerrief er diese
Aussage.48
Aus der Beschreibung der Indios durch Fray Tomás Ortíz, der im heutigen Kolumbien tätig
war, geht auch ausschließlich Verachtung für diese Menschen hervor:
„Die Indios kennen keine Gerechtigkeit, gehen nackt umher, , sind wie Esel, dumm , sie
sind bestialisch in ihren Lastern, verräterisch, grausam , feige wie Kaninchen, dreckig wie
Schweine.“49
44
Vgl. ebd., S 136,137
Vgl. ebd., S. 139
46
Vgl. ebd., S. 57
47
Vgl. ebd., S. 70
48
Vgl. ebd., S. 86
49
ebd., S. 86
45
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Wichtig ist, dass es ein ambivalentes Bild der Indios gab. Es gab die „guten Wilden“ und die
„bösen Wilden“. Als „gute Wilde“ wurden beispielsweise die Ureinwohner der Bahamas und
Haitis bezeichnet, da bei ihnen Eigenschaften von Adam zu finden waren: Sie waren nackt,
sanft und friedlich und gingen einem naturhaftem Monotheismus nach. Heute wird klar, dass
diese Charakterisierung auch eine christliche Konstruktion war, nach der es einerseits zwei
falsche Sekten, nämlich das Judentum und den Islam, und andererseits „Barbaren ohne
Glauben“ gab, die in Götzendiener und Anhänger der Naturreligion aufgeteilt wurden. Nach
diesem Schema waren og. Ureinwohner eindeutig der letzten Klasse der „Barbaren“ mit
Naturreligion zuzuordnen, die nach dieser Vorstellung leicht zu bekehren und auszubeuten
waren. Die „bösen oder schlechte Wilden“ hingegen, waren nicht leicht zu bekehren, zu
ihnen zählten unter anderem die karibischen Ureinwohner, die auch Menschen aßen und seit
Kolumbus als „Kannibalen“ bezeichnet wurden und werden. Diese „bösen Wilden“ folgten
keinem religiösen Gesetz und konnten, nach damaliger Vorstellung, daher auch nicht
bekehrt werden.50
5. Missionspraxis
Grundsätzlich ist zur Missionspraxis zu sagen, dass es zwei verschiedene
Herangehensweisen oder Menschenbilder gab. Es gab diejenigen, in vielen verschiedenen
Ordensgemeinschaften, die davon ausgingen, dass die Missionierung mit allen Mitteln, also
auch mit dem Schwert, durchzusetzen sei und die die Indios nicht als Individuen
wahrnahmen. Unter anderem ist hier Juan Ginés de Sepúlveda zu nennen, der in seinem
Buch unter anderem folgendes schrieb:
„So wie wir dazu verpflichtet sind, Irrenden den Weg zu weisen, so zwingt uns das Gesetz
der menschlichen Natur und Nächstenliebe, die Heiden der wahren Religion zuzuführen.“
[,] „.. damit die Wahrheit nicht nur das Dunkel der Irrtümer zerstreut, sondern auch die
Macht der Angst die Ketten der schlechten Sitten sprengt.“ [,] „Wenn die Ungläubigen
unterworfen worden sind, werden sie von ihren unheilvollen Verbrechen ablassen und durch
den Umgang mit den Christen und unter dem Einfluss von deren gerechten, frommen und
notwendigen Warnungen zur Gesundheit des Geistes und der Sittlichkeit der Bräuche
zurückfinden, um mit Freuden die wahre Religion anzunehmen mit großen Vorteilen für sich
selbst. Und das wird zu ihrer ewigen Erlösung beitragen.“51
50
Vgl. Milhou, Alain: Die Neue Welt als geistiges und moralisches Problem (1492-1609). In: Walter L.
Bernecker ua. [Hrsg.]: Handbuch der Geschichte Lateinamerikas. Klett-Cotta Verlag. Stuttgart 1994,
S. 282-283
51
Freitas, Sr. Maria Carmelita de: Die „Geistliche Eroberung“. Zwei Wege der Evangelisierung. In:
Conquista und Evangelisation. 500 Jahre Orden in Lateinamerika. Matthias-Grünewald-Verlag. Mainz
1992, S. 48
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Solche Aussagen implizieren eigentlich, dass eine Evangelisierung ohne Waffengewalt gar
nicht möglich sei. Viele andere argumentierten ebenfalls wie Sepúlveda und unterstrichen,
dass die Indios nicht wie die Apostel evangelisiert werden könnten und der Wer der
Unterwerfung und Furcht heilsam sei.52
Es gab aber auch diejenigen, auch in vielen Orden vertreten, die von einer friedlichen
Missionierung ausgingen, die eher auf Überzeugungsarbeit beruht und die die Indios sehr
wohl als Individuen respektierten. Viele davon waren vor allem unter den Jesuiten zu finden,
deren Vertreter der Meinung waren, dass sie „einen freien Ungläubigen jedem versklavten
Christen vorziehen.“53
Vielen Personen war die Unvereinbarkeit von Ausbeutung und Herrschaft mit der
Evangelisierung klar. Zum Beispiel schrieb Domingos de Soto:
„Wer den Glauben unter Waffengeklirr einführen will, verneint mit seinen Taten, was er mit
seinen Worten zu bewirken versucht.“54
Vor allem Missionare der Jesuiten waren es, die nicht müde wurden, die Praxis der
Zwangsmissionierung immer wieder anzuklagen. Einer unter ihnen, Antonio Ruiz de
Montoya, gab auch zu Protokoll, er sei der Ansicht, dass die Indios zwar die Rechtmäßigkeit
der christlichen Gesetze hören, sie aber in den Taten der Conquistadoren nicht erkennen
können.55
5.1. Missionsmethoden der Franziskaner
Zu den Franziskanern ist zu sagen, dass deren oberste Lebensregel grundsätzlich die selbst
gewählte Armut ist. Ihr Ziel im 16. Jahrhundert war es, unter den Indios eine christliche
Urgesellschaft zu bilden. Sie hatten somit die Utopie des Paradieses im Kopf bei der
Missionierung. 56
Vor allem den ersten Mönchen, die in Lateinamerika ankamen, blieb eine gewisse
Ähnlichkeit zwischen Christentum und der Religion der Indios nicht verborgen. Sie fanden
schnell heraus, dass die Indios ebenfalls Taufe und Beichte und sogar eine Form der
Kommunion hatten und auch ein Leben nach dem Tod kannten. Die Mönche interpretierten
dies aber fälschlicherweise als eine Ur-Evangelisierung zur Zeit der Apostel und als eine
52
Vgl. ebd., S. 48
Vgl. ebd., S. 48
54
Vgl. ebd., S. 49
55
Vgl. ebd., S. 50
56
Vgl. Nettel, Patricia: Utopische Religiosität und gesellschaftliche Wirklichkeit. In: Rotzetter, Anton
ua. [Hrsg.]: Von der Conquista zur Theologie der Befreiung. Der franziskanische Traum einer
indianischen Kirche.Benziger Verlag. Zürich 1993 , S. 146
53
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geschickte Täuschung des Teufels. Viele Mönche hatten die Vision der Schaffung eines
Gottesstaates auf Erden und wollten alle Azteken so schnell wie möglich taufen, um sie dem
Einfluss des Teufels zu entziehen. Dabei kam es bei manchen Mönchen zu unglaublichen
Zahlen von 14.000 Taufen pro Tag, was bei einem normalen Arbeitstag von 10 Stunden
einer Taufe alle 3 Sekunden entspricht.
Manche Franziskaner verteidigten diese Praxis der Massentaufe von Azteken, die vermutlich
keine Kenntnis darüber hatten, was die Taufe eigentlich war und welchem Zweck sie diente,
später so, dass es sehr wenige Mönche gab, die zusätzlich zur Taufe auch noch Trauungen
vollziehen, Menschen beerdigen, Beichten abnehmen, etc. mussten und man mit dem
Prozess der Massentaufe quasi eine wirtschaftliche Variante der Evangelisierung gefunden
habe. Vor allem die Dominikaner, allen voran Las Casas, wiesen immer wieder darauf hin,
dass solche Massentaufen unzulässig und sinnlos seien.57
Die Franziskaner hätten durchaus einen guten Zugang zu den Indios gehabt, da in den
Religionen einige Parallelen vorhanden waren. Anstatt jedoch auf den Gemeinsamkeiten der
Indioreligion und des Christentums aufzubauen, begannen sie bald recht radikal alle Wurzeln
der Indioreligion zu vernichten, da ihnen bewusst wurde, dass die Azteken trotz Taufe ihrem
ursprünglichen Glauben nachgingen. 58
Als dieser Umstand bemerkt wurde, begann die Zerstörung der Tempel und Götterbilder
durch die Mönche, bei denen die Azteken selbst meist anwesend sein mussten. Natürlich
waren die Mönche nicht alleine an diesen Zerstörungen beteiligt, sondern mussten hier mit
den Conquistadoren zusammenarbeiten.
Den größten Abscheu erregten grundsätzlich die Menschenopfer der Azteken, wobei die
meisten christlichen Missionare in keiner Weise versuchten herauszufinden, wozu man diese
Opferriten vollzog. Sie wurden von Anfang an als unmenschlich und barbarisch abgetan und
als weitere Legitimation für die Evangelisierung instrumentalisiert.59
Missionare und Indios zeigten immer wieder die Pseudomoral der Eroberer auf. So wies zum
Beispiel Las Casas 1542 Kaiser Karl V. darauf hin, dass man in Indien (Anm.: Amerika) das
Gold mehr verehre als Gott selbst. Dazu erzählten die Missionare auch von Vorfällen, die
sich offenbar öfter ereignet hatten: Kaziken riefen ihr Volk zusammen und befahlen ihnen all
ihr Gold auf einen Haufen zu werfen. Danach sagten Sie, dass dies der Gott der Christen sei
und sie nun darum herum tanzen und das Gold anschließend ins Meer werfen sollten. Diese
57
Vgl. Kimmel, Esther/ Seger, Martin: Schauplatz Mexiko. In: Stefanie Glatz ua.[Hrsg.]: 1492-1992:
Begegnung zweier Welten? Wirtschaftliche und religiöse Folgen der europäische Expansion, S. 99100
58
Vgl. ebd., S. 98,99
59
Vgl. ebd., S. 101
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Anweisung war mit der Hoffnung verbunden, dass die Eroberer die Indios in Ruhe ließen,
wenn sie kein Gold mehr hätten.60
Kommentar
Diese Geschichten scheinen aus heutiger Sicht besonders bedrückend. Daraus lässt sich
nämlich ableiten, dass die Indios dem Gold offenbar keinen großen Wert beigemessen
hatten, da sie sogar bereit waren es einfach ins Meer zu werfen um Ruhe und Frieden
wieder zu haben. Es lässt dadurch auf einen komplett anderen Lebensentwurf im Gegensatz
zum europäischen schließen, der offenbar auf anderen Dingen als auf Besitz begründet ist.
Umso erschütternder, dass die Indios aufgrund einer Sache, der sie nicht so viel Wert
beigemessen hatten nahezu vernichtet wurden.
5.1.1. Die franziskanische Inquisition im Raum Mexiko
Die ersten inquisitorischen Prozesse sind für das Jahr 1522 belegt. Legitimiert wurden sie
durch die päpstliche Bulle vom 10. Mai 1522, die vor allem franziskanischen Ordensleuten
erlaubte über Indios zu richten. Hauptsächlich wurde wegen Idolatrie und Häresie zu Gericht
gesessen. Besonders interessant sind heute die Gerichtsakten, da sie einen Teil der
wenigen Zeugnisse der indigenen Religionsausübung darstellen und die Praktiken sehr
detailliert beschreiben. Mit dem eigentlich Ziel der Ausrottung der Idolatrie, haben sie für die
Gegenwart eigentlich das Gegenteil bewirkt, da wir heute in gewisser Weise den indigenen
Glauben aufgrund dieser Schriftstücke rekonstruieren können und auch die relative
Wirkungslosigkeit der Mission. 61
5.1.2. Vorkommnisse während der Inquisition in Yucatán
Die Vorgeschichte besteht eigentlich aus einem theoretisch relativ unbedeutenden Ereignis:
Im Mai 1562 fanden zwei indigene Jugendliche bei der Jagd eine Höhle mit
Kultgegenständen der alten indigenen Religion und einigen menschlichen Schädeln. Als sie
in ihre Siedlung zurückkehrten, berichteten sie dem dortigen Guardian von ihrer Entdeckung.
Dieser lies die Gegenstände und die in der Nähe wohnenden Indios ins Kloster zum Verhör
bringen. Sie gestanden ein, die Besitzer zu sein. Nach diesem Schuldeingeständnis wurde
den Mönchen klar, dass ihre Missionsbemühungen nicht fruchtbar waren und sie waren
daraufhin so enttäuscht, dass eine unglaubliche Welle der Gewalt begann, die von den
Franziskanern ausging. Die Franziskaner folterten die Indios auf bestialische Weise, Details
dazu sollen an dieser Stelle nicht wiedergegeben werden. Was wichtig erscheint ist, dass die
60
Vgl. Rosner, Enrique: Missionare und Musketen. 500 Jahre lateinamerikanische Passion. Verlag
Josef Knecht. Frankfurt/Main 1992, S. 62
61
Vgl. Bey, Horst von der: Vom kolonialen Gottesexport zur befreienden Mission. Eine franziskanische
orientierte Theologie einer inkulturierten Evangelisation. Borengässer Verlag. Bonn 1996, S. 105,106
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Franziskaner zu dieser Zeit nicht mehr die legitime Gerichtsbarkeit über die Indios ausübten.
Das heißt, sie befanden sich schon damals nicht mehr in einem rechtlich gesicherten
Rahmen. Die Aufzeichnungen besagen, dass damals über 4.500 Indianer gefoltert wurden,
158 davon mit Todesfolge. Viele der Übrigen waren so verkrüppelt, das ein normales Leben
nicht mehr möglich war, einige hatten sich auch selbst umgebracht, um der Folter zu
entgehen.62
5.2. Das System der Kommenden
Lateinamerika wurde in Kommenden aufgeteilt. Den Soldaten wurde als Sold ein gewisses
Stück Land als Lehen übertragen und damit auch die Indios, die sich auf diesem Land
befanden, denn diese wurden als Sache gesehen. Die besitzenden Soldaten, sollten die
Indios schützen, zivilisieren und evangelisieren. In Wirklichkeit jedoch, war dies versteckte
Sklaverei der Indios, im Gegensatz zur offenen Sklaverei der Afrikaner. Mit diesem System
wurde die Kirche reich. Um 1750 zum Beispiel, gehörte die Hälfte des Landes von Peru der
katholischen Kirche. Dadurch, dass die Kommendenbesitzer sehr weit weg von Spanien
waren, gaben diese natürlich vor, was zu Geschehen hatte. Durch diese Organisation wurde
eine gewisse Unabhängigkeit von Spanien vorbereitet. Die Kommenden sind ein Beweis für
die Differenz zwischen offizieller spanischer Gesetzgebung und der tatsächlichen Praxis in
Lateinamerika. Die Kommendenbesitzer missbrauchten die Mission für ihre Zwecke, Profit zu
machen und hielten sich unter diesem Vorwand eigentlich eine Menge Arbeitssklaven, denen
von den Kommendenpfarrern Arbeitsmoral gepredigt wurde und welche in Massentaufen
christianisiert wurden. Ob die Indios tatsächlich das Christentum verstanden hatten und
freiwillig konvertieren wollten, war meistens egal. Die Kommenden wurden unter den Kreolen
(in Lateinamerika geborene Spanier) vererbt und so bildete sich eine Klassengesellschaft
heraus, die keinerlei Durchlässigkeit bot. Dies sollte mittels Gesetz von Karl V. 1542
eingeschränkt werden, der verbot, Kommenden zu vererben und veranlasste, dass alle
Indios, nach dem Tod eines Kommendenbesitzers freigelassen werden mussten. Der
Aufstand dagegen war so heftig, dass das Gesetzt bereits 1557 wieder fallen gelassen
wurde. 63
Die Kommenden waren so organisiert, dass den Indios ein minimaler Landstrich überlassen
wurde, den sie selbst bewirtschaften konnten, der Rest gehörte dem Kommendenbesitzer.
Das heißt, die Indios wurden auf ihrem eigenen Grund und Boden zu Fremden und mussten
62
Vgl. ebd., S. 111-113
Vgl. Rosner, Enrique: Missionare und Musketen. 500 Jahre lateinamerikanische Passion. Verlag
Josef Knecht. Frankfurt/Main 1992, S. 70, 71
63
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dort für andere arbeiten. Dieses System wurde erst 1964 abgeschafft! Es hatte somit über
400 Jahre Bestand.64
Die Mission sah vor, dass die Indios in den Kommenden umerzogen werden sollten. Und
zwar durch den Pfarrer der Kommende, der die Indios zu Christen machen sollte während
der Kommendenbesitzer sie zu Untertanen und Vasallen der spanischen Krone machte. Also
kurz gesagt, die Indios sollten Spanier werden. Allerdings wurden sie nur als volle Bürger
anerkannt, wenn sie entweder Steuern zahlten oder zumindest in Form von unentgeltlicher
Arbeit Steuern aufbrachten und Christen waren sie nur dann, wenn sie sich wie Spanier
benahmen. In jedem Fall war es das Ziel, keine Indianer mehr zu haben, sondern eine
Menge an umerzogenen Spanieren.65
Die Legitimation für die Versklavung holten sich die Conquistadoren wiederum aus der
Mission, da die Heiden vor der Bekehrung unterworfen werden mussten. Die aristotelische
These von der Ungleichheit der Menschheit lag dem System zu Grunde. Nach dieser These
gibt es von Natur aus „Herren“ und „ Sklaven“. Die Sklaven sind laut dieser These die
Barbaren, die gottlos und kannibalistisch leben. Aus diesen Wilden müssten mittels Mission
Zivilisierte gemacht werden.66
5.3. Das System der Reduktion
Die Reduktion war das beliebteste Pastoralmodel der Mission im langen 16. Jahrhundert. Es
war ein Versuch der Missionare, die Indios ohne die Spanier in einem menschlicheren
System zu christianisieren. Was dabei heraus kam war jedoch die Utopie einer heilen Welt,
die eigentlich ein Ghetto darstellte. Was auch in diesen Einrichtungen verwechselt wurde,
war die Missionierung zum Christentum und die Missionierung zum Europäer bzw. Spanier.
Das wurde auch hier gleichgesetzt und ist wahrscheinlich der größte Kritikpunkt an der
Reduktion. Die Kultur der Indios war auch in der Reduktion nicht gefragt und wurde nicht
geduldet. Die Indios mussten sich voll und ganz in das europäische Leben integrieren.
Die Ursprungsidee war jedoch eine andere. Die Reduktion war eine Erfindung vom IndioVerteidiger Las Casas, der Indios in Siedlungen umsiedeln wollte, die alleine unter der
Führung eines Missionars stehen, ohne den Einfluss der Spanier. Die Reduktionen waren
nicht auf besondere Orden beschränkt, sowohl die Franziskaner als auch die Jesuiten
unterhielten Reduktionen in Lateinamerika.67
64
Vgl. ebd., S. 91
Vgl. ebd., S. 91
66
Vgl. ebd., S. 120
67
Vgl. ebd., S. 115, 116
65
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Der große Unterschied jedoch war, dass die Jesuiten Politik betrieben, weshalb die
Jesuitenreduktionen auch als „Jesuitenstaat“ bezeichnet werden. Sie waren weitgehend
autonom und unabhängig vom restlichen Kommendensystem, unterstanden jedoch der
spanischen oder portugiesischen Provinzerwaltung. Dieser Umstand führte zu enorme
Differenzen und Konflikten
Das eigentliche Problem war die Kurzsichtigkeit und die Verschlossenheit gegenüber
Neuem, sowie die Überzeugung, die einzig richtige Lebensphilosophie zu besitzen. Die
Kleriker sahen sich als mündige Lehrer und die Indios waren die unmündigen Schüler.
Wenige Kleriker kamen auf die Idee, dass es auch ein ausgewogener Zustand von lauter
mündigen Menschen sein könnte.68
5.4. Missionsmethoden der Jesuiten
Vor allem den ewigen Kritikern unter den Jesuiten entging nicht, dass die Vereinbarkeit der
Zwangsmissionierung mit dem Ideal der friedlichen Bekehrung nicht möglich war. Jedoch
stellten die Jesuiten die Situation dann wiederum so dar, dass sie zumindest oberflächlich
betrachtet doch mit dem Ideal in Einklang zu bringen war indem sie zum Beispiel sagten69:
„, niemand würde je zur Taufe gezwungen, ganz im Gegenteil, die Soldaten wären lediglich
dafür da, die Aggressionen der Barbaren zu zügeln. Wenn sie sich den Anordnungen des
Königs unterwarfen, hatten sie von den Militärs nichts zu fürchten.“70
Die Jesuiten waren ursprünglich als Wandermissionare unterwegs. Mit der Zeit bauten sie
ihre Herrschaft aber aus und übten eine ständige Kontrolle auf die Indios aus, da diese ihrer
Meinung nach notwendig war, um die umgesetzten Neuerungen auch beizubehalten. Den
Indios wurde nicht nur eine neue Religion sondern im Grunde die europäische, eigentlich
iberische Kultur gebracht. Die Polygamie wurde abgeschafft, die einheimischen Feste
wurden strikt kontrolliert, so sie nicht zur Gänze verboten wurden. Diese Feste wurden durch
christliche ersetzt und zusätzlich europäische Kleidungsstandards eingeführt. Um all diese
Änderungen den Indianern auch näher zu bringen, war den Jesuiten schnell die
Notwendigkeit der Überwindung der Sprachbarrieren bewusst. Das Problem war jedoch,
dass in Lateinamerika eine unheimliche Sprachenvielfalt vorherrschte und es eigentlich keine
einheitliche Verkehrssprache gab, die man kurzerhand mittels diverser Lernhilfen lernen
konnte. So versuchten die Jesuiten einheimische Sprachen zu vereinheitlichen und sich so
68
Vgl. ebd., S. 120
Vgl. Hausberger, Bernd: Die Mission der Jesuiten im kolonialen Lateinamerika. In: Hausberger,
Bernd [Hrsg.]: Im Zeichen des Kreuzes. Mission, Macht und Kulturtransfer seit dem Mittelalter.
Mandelbaum Verlag. Wien 2004, S. 89,90
70
ebd., S. 90
69
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zu verständigen. Das Problem ging jedoch über ein simples Übersetzungsproblem hinaus,
da hier zwei so unterschiedliche Kulturen aufeinander trafen, sodass trotz Überwindung des
Sprachenproblems eine wirkliche Verständigung weitgehend ausblieb.71
Die Jesuiten waren besonders straff organisiert. Sie bündelten die Indianer in ihren
Missionen und es durfte in diesen Dörfern kein Nicht-Indio außer dem Missionar leben. Im
Gegenzug durften die Indios wiederum das Dorf nur nach Erlaubnis des Missionars
verlassen.
Der Missionar stellte den Kopf der Mission dar und hatte damit eine große Macht über die
Indios, die in diesem Dorf lebten. Zusätzlich etablierten die Missionare eine soziale
Hierarchie, die der europäischen gleich kam. Unter den Missionaren standen die Kaziken,
die auch vor der Eroberung die Ranghöchsten waren, ihnen wiederum unterstand ein großer
Anteil an Bauern. Die Landwirtschaft wurde von den Jesuiten massiv angetrieben und zum
Beispiel durch regelmäßige Bewässerung und die Einführung von neuem Saatgut auch
ökonomisch verbessert. Einigen wenigen Indios wurde ein Handwerk oder Musik gelehrt und
meist nur den Kindern des Kaziken wurde Lesen und Schreiben beigebracht, um sie in der
Verwaltung einsetzen zu können.
Die Forcierung des Ackerbaus hatte vor allem den Sinn, die Mission einerseits zu ernähren
und andererseits zu finanzieren, indem Überschüsse verkauft oder getauscht wurden.72
Die Kontrolle, die von den Jesuiten als notwendig erachtet wurde, erwies sich aber vielerorts
als schwierig. Vor allem in Mexiko aber auch Maynas bestanden die Siedlungen
beispielsweise aus einem Hauptort, indem der Missionar wohnte und einigen weiteren
Siedlungen, die jedoch räumlich getrennt und ausschließlich den einheimischen
„Aufpassern“ vorbehalten waren. Oder auch in Paraguay, wo die Mission am besten
funktionierte, waren die Siedlungen wiederum so groß, dass die wenigen Missionare, die vor
Ort waren keinen Überblick im Sinne einer Kontrolle behalten konnten. Das heißt die
angestrebte Beaufsichtigung war meist kaum möglich, was dazu führte, dass die Indianer in
den unbeaufsichtigten Zeiten ihren eigenen Bräuchen nachgingen und die Missionsarbeit
dadurch immer wieder unterwandert wurde.73
Zunehmend wurden aber auch körperliche Strafen für diverse Vergehen eingeführt, die nicht
willkürlich, sondern nach einem vorher angefertigten Katalog verhängt wurden. Auch dabei
zielten die Jesuiten meist auf die Einschüchterung der Indios ab, indem sie diese Strafen
öffentlich durchführen ließen. Alles in allem kann man sagen, dass die Jesuiten ihre
71
Vgl. ebd., S. 91
Vgl. ebd., S. 92,93
73
Vgl. ebd., S. 97
72
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Disziplinierung auf der Angst der Indios aufbauten, die sie nicht nur mit körperlichen Strafen
sondern auch mit der Instrumentalisierung von Naturkatastrophen, Krankheiten und
Hungersnöten schürten.74
5.5. Weibliche Missionsgesellschaften
Vor allem in Mexiko wurden die ersten weiblichen Missionsgesellschaften, teilweise
abstammend von den Franziskanern gegründet, anfangs natürlich mit negativer
gesellschaftlicher Rückmeldung. Auch sie gründeten Klosterschulen, allerdings für Mädchen,
die sie im Sinne ihres Ordens erzogen und so das Christentum verbreiteten. 75
5.6. Friedliche Missionierung
Es gibt auch einige Zeugnisse von friedlicher Missionierung. Gerade die ersten Mönche, die
In Lateinamerika ankamen, hatten offenbar eher auf Gespräche mit den Einheimischen als
auf Zwangsmissionierung gesetzt. Überliefert ist dies heute durch Aufzeichnungen von
Sahagún, der diese Gespräche allerdings viele Jahre später aufzeichnete, was bedeutet,
dass sie nicht hundertprozentig authentisch sind. Aztekische und franziskanische Priester
diskutierten bei diesen ersten Gesprächen miteinander und versuchten einander
kennenzulernen. Die Verständigung funktionierte durch 3 Mönche, die eigenständig vor allen
Orden nach Lateinamerika gekommen waren und die Sprache der Azteken bereits ein wenig
beherrschten. Beide Seiten versuchten in dieser Diskussion ihre Religion zu rechtfertigen.
Nichts desto Trotz, wurde das Christentum schlussendlich mit Gewalt durchgesetzt. 76
Die ersten Mönche erkannten die Notwendigkeit des Sprachverstehens für die Missionierung
und gründeten so unter anderem in Tlatelolco (heutiges Mexiko) Schulen für die Kinder der
höher gestellten Indios mit dem Ziel, eine indianische Elite auszubilden, die wiederum ihre
Eltern und andere Bewohner missionierte, da die Anzahl der Mönche für die Mission nicht
ausreichte. Dadurch, dass die Schule als Internat konzipiert war, konnten die Mönche so
auch die aztekische Kultur und Sprache kennen lernen, was ihnen wiederum bei der
Missionierung weiter half. Es war jedoch weniger das kulturelle Interesse, das die Mönche
antrieb, sich mit der aztekischen Kultur auseinander zu setzen. Eher sahen sich die Mönche
als „Heiler“, die zuerst die „Krankheit“ erforschen mussten, um die Indios „heilen“ zu können
und dem „rechten Glauben“ zuzuführen.77
74
Vgl. ebd., S. 95
Vgl. Mérida, José Luis Mora: Kirche und Mission. In: Walter L. Bernecker ua. [Hrsg.]: Handbuch der
Geschichte Lateinamerikas. Klett-Cotta Verlag. Stuttgart 1994, S. 377
76
Vgl. Kimmel, Esther/ Seger, Martin: Schauplatz Mexiko. In: Stefanie Glatz ua.[Hrsg.]: 1492-1992:
Begegnung zweier Welten? Wirtschaftliche und religiöse Folgen der europäische Expansion, S. 103
77
Vgl. ebd., S. 106,107
75
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Da sich viele Mönche gegen das herrschende System der Kommenden auflehnten und
alternative Wege der Evangelisierung suchten, wurden diese oftmals zur Zielscheibe der
Kommendenbesitzer. Die Mönche stellten nicht nur das System in Lateinamerika in Frage,
sondern teilweise sogar die Legitimation der spanischen Krone, das neue Land überhaupt zu
erobern, was sie natürlich zusätzlichen Feindseligkeiten aussetze.78
6. Kultureller Austausch oder Vernichtung?
6.1. Kultureller Austausch
Der Sohn eines Eroberers und einer Indio-Frau, Diego Valadés, hat es geschafft, ein
positives Beispiel für kulturellen Austausch darzustellen. Valadés trat in den FranziskanerOrden ein und war vor allem als bildender Künstler für den Orden tätig, sprach aber auch
hervorragend Latein. Er brachte es sogar soweit, dass er 1571 nach Europa reiste, und
aufgrund seiner Herkunft und seines Könnens Prokurator des gesamten FranziskanerOrdens wurde.79
6.1.1. Bekehrung der Einwanderer durch die Indioreligion
In wenigen Fällen hat auch eine Bekehrung der Einwanderer und Missionare durch die
Indioreligion statt gefunden. Ein Beispiel dafür ist der Wissenschafter Bernardinos de
Sahagún. Er erforschte unter Mitarbeit vieler Indios über 30 Jahre lang die Kultur- und
Religionsgeschichte der Azteken. Er lernte sogar die Sprache der Azteken und verfasste
sein Werk in dieser Sprache und in Spanisch, was das Werk besonders wertvoll macht.
Der wohl unbeabsichtigte Mehrwert der Enzyklopädie liegt darin, dass er den Indios zum
Wort verholfen hatte und sie befähigte, ihre Sicht der Dinge schriftlich festzuhalten.80
Entgegen vieler seiner Zeitgenossen, war Sahagún von der außergewöhnlichen Begabung
der Indios und der Weisheit in Sachen Regierungsgeschäfte überzeugt.
Ursprünglich jedoch wollte er die Indiokultur nur deshalb erfoschern, um sie besser
evangelisieren zu können. Er wollte die alte Kultur und Sprache erforschen, um den
Missionaren anschließend Hilfestellungen bei der Evangelisierung geben zu können.
Schlussendlich wurde dieses Ziel aber in sein Gegenteil verkehrt und Sahagún wollte die
78
Vgl. Freitas, Sr. Maria Carmelita de: Die „Geistliche Eroberung“. Zwei Wege der Evangelisierung. In:
Conquista und Evangelisation. 500 Jahre Orden in Lateinamerika. Matthias-Grünewald-Verlag. Mainz
1992, S. 52
79
Vgl. Edgerton, Samuel Y. jr.: Alberti vs. Quetzalcóatl. Frühneuzeitliche Kunsttheorie in Diensten der
christlichen Mission in Mexiko: 1523-1600. In: Trajekte. Newsletter des Zentrums für
Literaturforschung Berlin. Nr.2 / 1.Jahrgang / April 2001, S. 13
80
Vgl. Rosner, Enrique: Missionare und Musketen. 500 Jahre lateinamerikanische Passion. Verlag
Josef Knecht. Frankfurt/Main 1992, S. 148,149
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Indiokultur schützen und erhalten. Teilweise ist sogar versteckte Kritik an der Mission und
der Conquista in der Enzyklopädie zu lesen, wie zum Beispiel in folgender Passage81:
„Wenn sie in der Vergangenheit sowohl in der Staatsführung als auch im Götzendienst noch
mehr Geschick zeigten, so liegt das daran, dass ihre Regiment nach den Bedürfnissen der
Menschen ausgerichtet war.“82
Aus Zitaten wie diesem geht hervor, dass er davon ausging, dass das ursprüngliche Regime
der Indios menschenfreundlicher und angepasst an deren Bedürfnisse war und gleichzeitig
auch, dass das zu seiner Zeit aktuelle Regime diese Anforderungen nicht erfüllt. Kurz
gesagt, diagnostizierte er den Indios ein besseres Regiment mit mehr Gespür für die
Bedürfnisse der Menschen, als den Conquistadoren.
Der große Verdienst von Sahagún war es, dass er die Indiokultur mit einem fast
wissenschaftlich „objektiven“ Blick analysierte, ohne sie zu verteufeln oder zu idealisieren. Er
versuchte viel mehr die Kultur tatsächlich zu verstehen und zu respektieren. 83
6.2. Die Reduktion
Für die Indios war das System der Reduktion in keiner Weise besser, als das System der
Kommenden. Denn der eigentliche Gedanke der Reduktion war, die „Natur im Menschen“ zu
reduzieren und quasi aus „Wilden“ „Zivilisierte“ zu machen. Dazu mussten sie, nach
Auffassung der Kleriker, in Reservate eingesperrt werden. Auch die Sprache der Indios
wurde zum Dialekt abgewertet und die spanische Sprache wurde zum Optimum aufgewertet,
vor allem um die europäische Kultur nach Lateinamerika zu transportieren. Das wird auch
klar, wenn man sich vor Augen führt, dass zwar alle europäischen Texte in die Indiosprache
übersetzt wurden, damit diese sie verstehen, jedoch kein einziger Indiotext ins Spanische
oder Portugiesische übersetzt wurde. Dass heißt, einzig und allein wichtig war, dass die
Indios die europäische Kultur verstehen, aber nicht umgekehrt. Das heißt es war von Anfang
an kein Austausch sondern ausschließlich eine Einwegkommunikation die Kultur betreffend
vorgesehen.84
Was mit dieser „Sprachlosigkeit“ einher geht ist ein Identitätsverlust der Indios. Ihre
Geschichte wurde nun auf Spanisch erzählt und nicht in ihrer Sprache. Die indianische
Mutter lehrte ihre Kinder nur mehr Spanisch und nicht mehr die ursprüngliche Sprache der
Guaraní. Auch indianische Mythen versiegten schön langsam, da sie nicht übersetzt wurden.
81
Vgl. ebd., S. 149, 150, 151
ebd., S. 152
83
Vgl. ebd., S. 153, 154
84
Vgl. ebd., S. 122
82
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Es werden nur mehr christliche Mythen erzählt. Die Muttersprache der Indianer wurde auf die
alltägliche Sprache untereinander reduziert, alles andere lief in Spanisch oder Portugiesisch
ab.
In der Religion der Guaraní hatte aber die Sprache einen besonderen Stellenwert, denn sie
machte den Menschen gottesebenbildlich. Denn laut ihrer Auffassung schuf Gott zuerst die
Sprache, um den Menschen an seiner eigenen Gottheit teilhaben zu lassen. Nahm man
ihnen die Sprache, nahm man ihnen praktisch ihre Identität, ihren Glauben und ihr
ursprünglichstes Lebenskonzept. Die Guaranís hatten auch eine besonders geistige Form
der Religion, die ohne enorme Götzenbilder und prachtvolle Kultstätten, wie diese die
Europäer bauten auskam. Diese Religion verstanden die Europäer nicht und werteten sie
somit sofort ab.85
6.3. Convento
1521 wurde ein unglaublich großes Bauprogramm zwecks Christianisierung in Mexiko
gestartet. Es wurden ungefähr vierhundert Kirchen und dazugehörige Klosteranlagen in
kürzester Zeit errichtet. Interessant dabei ist, dass die Mönche die neuen Anlagen oftmals an
den Stellen der abgetragenen alten Kultstätten der Indios gebaut wurden. Obwohl es den
Mönchen meist ein Dorn im Auge war, dass die Indios ihre Religion mit der christlichen
vermischten, nützen sie beim Bau der neuen Anlagen diesen Umstand, sodass die neu
errichtete christliche Kultstätte quasi die Heiligkeit der verdrängten Kultstätte übernimmt.86
Bestechend ist auch das so genannte atrio, ein großer Hof, der von dicken Mauern umringt
war und quasi eine offene Kapelle unter freiem Himmel darstellte. Auch hier übernahmen die
Mönche die Tradition der Indios, die ihre religiösen Riten unter freiem Himmel abhielten,
sodass die Mönche einfach in diesen Atrien oft vor tausenden Indios predigten und mit Musik
diverse Gemeinschaftstänze zelebrierten. 87
Auch, dass ausschließlich die Nachkommen der früheren Fürstenfamilien der Indios, wie
bereits erwähnt, in diversen Künsten in den dafür eingerichtet Schulen unterrichtet wurden,
entsprach ganz der Indio-Tradition, nach dieser nur diese Nachkommen Unterricht in
Handwerk und den bildenden Künsten erhielt.
85
Vgl. ebd., S. 122,123
Vgl. Edgerton, Samuel Y. jr.: Alberti vs. Quetzalcóatl. Frühneuzeitliche Kunsttheorie in Diensten der
christlichen Mission in Mexiko: 1523-1600. In: Trajekte. Newsletter des Zentrums für
Literaturforschung Berlin. Nr.2 / 1.Jahrgang / April 2001, S. 12
87
Vgl. ebd., S. 12,13
86
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6.4. Gemeinsamkeiten der Kulturen vor der Conquista
Interessant ist, dass es zwischen der Religion der Azteken und dem Christentum gewisse
Gemeinsamkeiten gab, bevor diese Religionen noch miteinander in Verbindung traten. So
hatten die Azteken zum Beispiel eine Art Taufe, bei der dem Kind der Name gegeben wurde
und anhand des Geburtsdatums von einem Priester interpretiert wurde, welches Leben
dieser Mensch vor sich hat. Zusätzlich gab es auch eine Art Beichte. Diese Beichte wurde,
wie im Christentum auch, bei einem Priester abgelegt, nachdem dieser vorab einen
günstigen Tag dafür ausgesucht hatte. Anders als im Christentum jedoch konnte der
beichtende nur einmal durch eine Buße von seiner Schuld freigesprochen werden, jedes
weitere Mal wurde dies von einem weltlichen Gericht bestraft!88
6.5. Bild der Indios von den Eroberern
Man hat heute keine genauen Informationen, wie die Indios im Kollektiv die Eroberer
wahrnahmen. Jedoch gibt es Aufzeichnungen einzelner Personen, aus denen hervorgeht,
dass zumindest die zitierten Indios durchaus die Tragweite der Eroberung erkannten und
sich durchaus auch kritische Gedanken machten. Unter anderem gibt es ein Zitat eines
Guarani, dieser sagt:
„,Sie werden von den Spaniern geschickt, um unsere Länderein unter dem Vorwand
religiöser Rechtsansprüche auszubeuten, uns anschließen aus unseren Gebieten zu
verjagen und uns unsere Frauen und Kinder wegzunehmen.“89
7. Conclusio
Dass die Geschichte der lateinamerikanischen Eroberung eine tragische ist, braucht man im
Grunde nicht zu erwähnen. Besonders tragisch erscheint es aber, dass die Missionare,
zumindest viele unter ihnen, im Grunde einen guten Vorsatz hatten. Denn auch die
Franziskaner, deren Missionierungsmethoden im Laufe der Zeit in eine seltsame Richtung
ausgeartet waren, hatten im Grunde die schöne aber utopische Vorstellung, in Lateinamerika
das christliche Paradies zu erschaffen. Somit kann man vielen Missionaren im Grunde keine
schlechte Absicht nachsagen. Natürlich ist aus heutiger Sicht, und vor allem aus
atheistischer Sicht, der grundsätzliche Gedanke der Mission ein seltsamer, denn davon
auszugehen, das man selbst die einzige Wahrheit kennt und alle anderen dazu bekehren
muss, ist kein besonders moderner Ansatz. Andererseits kann man einen modernen und
88
Vgl. Kimmel, Esther/ Seger, Martin: Schauplatz Mexiko. In: Stefanie Glatz ua.[Hrsg.]: 1492-1992:
Begegnung zweier Welten? Wirtschaftliche und religiöse Folgen der europäische Expansion, S. 97,98
89
Rosner, Enrique: Missionare und Musketen. 500 Jahre lateinamerikanische Passion. Verlag Josef
Knecht. Frankfurt/Main 1992, S. 43
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reflektierten Ansatz mit dem Weitblick des 21. Jahrhunderts im Christentum des 16.
Jahrhunderts wahrscheinlich schwer erwarten.
Zusätzlich ist anzumerken, dass die Orden völlig unterschiedliche Menschenbilder hatten.
Gingen die Franziskaner von einer Masse an Indios aus, deren Individuen nicht vorrangig
wichtig waren, respektierten die Jesuiten sehr wohl den einzelnen Indio als Individuum mit
gewissen Bedürfnissen.
Was speziell auseinander zu halten ist, ist die relativ flächendeckende
menschenverachtenden Praxis der Conquistadoren und der Umgang der Missionare mit den
Indios. Oftmals traten zwar weltliche mit geistlichen Eroberern gemeinsam auf, jedoch wurde
die weltliche Praxis nicht automatisch von den geistlichen Vertretern unterstützt. Da die
Macht jedoch quasi vom Papst an die Krone abgegeben wurde und selbst der spanische
König in Lateinamerika aufgrund der geographischen Gegebenheiten nur relativ wenig
Einfluss hatte, war der Umgang der Conquistadoren mit den Indios teilweise leider äußerst
gewalttätig mit dem einzigen Ziel der Ausbeutung versehen. Von Achtung der
Menschenrechte oder Respekt gegenüber den Indios war unter den meisten weltlichen
Conquistadoren leider wenig zu erkennen.
Wichtig erscheint, dass schon damals viele Mönche versuchten, die Situation der Indios zu
verbessern, leider mit relativ wenig Erfolg.
Was aus heutiger Perspektive in einer gewissen Art verständlich ist, jedoch keineswegs
gerechtfertigt werden soll, sind die teilweise gewalttätigen Ausschreitungen von Mönchen
gegenüber den Indios. Wenn man bedenkt, mit welchem Vorsatz die Mönche nach
Lateinamerika kamen, nämlich dem, den Indios das Seelenheil zu bescheren und ein
christliches Paradies aufzubauen, ist es recht schnell verständlich, dass die
Frustrationsgrenze der Mönche überschritten wurde, als sie merkten, dass die Indios den
christlichen Glauben nur oberflächlich annahmen und in Wahrheit ihren alten Religionen oder
Mischformen aus ihrem und dem christlichen Glauben anhingen. Wie gesagt, die logische
Erklärung soll keinesfalls eine Rechtfertigung für die darauf folgende Praxis darstellen,
sondern lediglich dem Verständnis dienen.
Als besonders interessant muss auch noch der Umstand angesehen werden, dass die
Beschreibung der Indios auch dazu instrumentalisiert wurde, um Kritik an der europäischen
Gesellschaft zu üben. Die Indios wurden oft als ideales naturverbundenes Volk beschrieben,
das nicht ausschließlich an der Anhäufung von Besitz interessiert ist. Dies war natürlich auch
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ein Seitenhieb auf die europäische Kapitalgesellschaft, die damals schon in ihren
Grundzügen bestand. Wahrscheinlich kann man sie auch als Kritik am Klerus, der sich
entgegen der christlichen Ideale und Gebote verhielt, sehen, ganz nach dem Vorbild Luthers.
So wurden die Indios eigentlich in einen Konflikt involviert, mit dem sie überhaupt nichts zu
tun hatten.
Abschließend ist anzumerken, dass es besonders tragisch erscheint, dass die Indios so
zahlreich wegen einer Sache ermordet wurden, die ihnen offenbar selbst gar nicht so wichtig
war. Erzählungen wie die des Kaziken, der seinen Dorfbewohnern befahl, ihr Gold ins Meer
zu schmeißen, um von den Spaniern in Ruhe gelassen zu werden zeigen eindeutig, dass
Edelmetall zumindest in gewissen Indiogesellschaften nicht den Wert besaß, den es für die
Europäer hatte und hat. Offenbar hatten es die Indios geschafft, ein zumindest teilweise
anderes Gesellschaftssystem aufzubauen, als das der europäischen Kapitalgesellschaft.
Möglicherweise sollte man heute, da zumindest Teile der Gesellschaft verstanden haben,
dass die Kapitalgesellschaft nicht funktionieren kann, wieder das Studium der
Gesellschaftsformen der Indios aufnehmen, um so vielleicht die Idee eines neuen Systems
für unsere Gesellschaft zu entwickeln. So könnte man auch den Errungenschaften dieser
wenig gewürdigten Gesellschaft nachträglich noch Tribut zollen.
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8. Literaturverzeichnis
•
Bernecker, Walter/Raymond Th. Buve/ Fischer, John R./ Pietschmann, Horst/ Tobler,
Hans Wernde: Handbuch der Geschichte Lateinamerikas. Band 1. Klett-Cotta-Verlag.
Stuttgart 1994
•
Bey, Horst von der: Vom kolonialen Gottesexport zur befreienden Mission. Eine
franziskanisch orientierte Theologie einer inkulturierten Evangelisation. Borengässer
Verlag. Bonn 1996
•
Edgerton, Samuel Y. jr.: Alberti vs. Quetzalcóatl. Frühneuzeitliche Kunsttheorie in
Diensten der christlichen Mission in Mexiko: 1523-1600. In: Trajekte. Newsletter des
Zentrums für Literaturforschung Berlin. Nr.2 / 1.Jahrgang / April 2001
•
Feldbauer Peter/Lehners, Jean-Paul: Die Welt im 16. Jahrhundert. Globalgeschichte.
Die Welt 1000-2000. Magnus Verlag/Mandelbaum Verlag. Wien 2008
•
Haase, Ekkehardt-Wölke: 1492-1992: Begegnung zweier Welten? Wirtschaftliche und
religiöse Folgen der europäischen Expansion. WAYASBAH-Verlag. Hamburg 1992
•
Hausberger, Bernd (Hrsg.): Im Zeichen des Kreuzes. Mission, Macht und
Kulturtransfer seit dem Mittelalter. Mandelbaum Verlag. Wien 2004
•
Rosner, Enrique: Missionare und Musketen. 500 Jahre lateinamerikanische Passion.
Verlag Josef Knecht. Frankfurt/Main 1992
•
Rotzetter, Anton/ Roque, Morschel; Bey, Horst von der (Hrsg.): Von der Conquista
zur Theologie der Befreiung. Der franziskanische Traum einer indianischen Kirche.
Benziger Verlag. Zürich 1993
•
Sievernich, Michael/ Camps, Arnulf/ Müller, Andreas/ Senner, Walter: Conquista und
Evangelisation. 500 Jahre Orden in Lateinamerika. Matthias-Grünewald-Verlag,
Mainz 1992
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