ARABISCHE REPUBLIK ÄGYPTEN

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ARABISCHE REPUBLIK ÄGYPTEN
Hauptstadt: Kairo
Fläche: 1.002.000 km2
Einwohnerzahl: 75 Millionen (2006)
Staatsoberhaupt: Hosni Mubarak (seit dem 14. Oktober 1981)
Regierungschef: Ahmed Nazif (seit dem 12. Juli 2004)
Arbeitslosenquote: 10 % (2005)
Jährliches Wachstum: 4,5 % (2005)
BIP/Einwohner: 1.260 USD (2005)
Institutionelle Lage
Konstitutionelles Mehrparteiensystem
• Die Verfassung von 1971 garantiert ein Mehrparteiensystem. Sie verbietet jedoch Parteien mit religiösem
Gehorsam.
Starkes Präsidialregime
• Das politische Regime von Ägypten ist durch eine starke Präsidialmacht sowie ein klare Zentralisierung
der Verwaltung gekennzeichnet. Der Präsident ernennt die Mitglieder der Regierung, die 26 Gouverneure,
und entlässt sie nach eigenem Ermessen.
• Der Präsident wird für eine Amtszeit von 6 Jahren gewählt und ist wiederwählbar. Das Wahlsystem ist im
Mai 2005 durch ein Referendum geändert worden, das auf die Abänderung von Artikel 76 der Verfassung
abzielte. Seitdem, und dies ist eine beträchtliche Änderung, findet die Wahl mit allgemeinem Wahl- und
Stimmrecht mit Mehrfachkandidaturen statt. Der Beteiligung der Kandidaten muss jedoch die
Volksversammlung zustimmen, die traditionell von der Partei des Präsidenten beherrscht wird. Die erste
Wahl dieser Art hat im September 2005 stattgefunden.
Parlamentarisches Zweikammersystem
• Das Unterhaus des Parlaments, die Volksversammlung (Majlis al-Sha'b), besteht aus 454 Abgeordneten:
444 Mitgliedern, die in direkter Wahl mit allgemeinem Stimmrecht für fünf Jahre gewählt werden (nächste
Wahl für 2010-2011 vorgesehen). Zehn Mandate werden vom Präsidenten der Republik vergeben.
• Die Beratende Versammlung, der Schura-Rat (Majlis al-Shura), Oberhaus des Parlaments, hat lediglich
beschränkte Kompetenzen. Er besteht aus 264 Mitgliedern: 2/3 werden gewählt und 1/3 vom Staatschef
ernannt. Die Mitglieder haben ein Mandat für 6 Jahre, und die Neubesetzung erfolgt zur Hälfte alle 3 Jahre.
Durch den Notstand bedingtes Gerichtswesen
• Die Verfassung von 1971 garantiert theoretisch die Unabhängigkeit der Judikative. In der Praxis
beeinflusst die Exekutive die Justiz, insbesondere in Anwendung des Notstandsgesetzes von 1981, das die
Unabhängigkeit der Richter und Staatsanwälte einschränkt und Ausnahmemaßnahmen vorsieht.
• Vom englischen Common Law, dem islamischen Recht sowie den Napoleonischen Gesetzbüchern
inspiriertes Rechtssystem. Gerichtliche Kontrolle der Gesetze durch den Obersten Gerichtshof und
Verwaltungsakte des Staatsrates.
Staatsreligion
• Die Verfassung legt den Islam als Staatsreligion und die Scharia als Hauptquelle der Gesetzgebung fest.
• 90 % der Ägypter sind sunnitische Moslems, es gibt ebenfalls eine starke Minderheit koptischer Christen
(nach offiziellen Quellen 10 % der Bevölkerung, nach anderen Quellen 20 %), Von Oktober 2005 bis April
2006 ist es regelmäßig zu interkonfessionellen Spannungen zwischen beiden Gemeinschaften gekommen.
Politischer Kontext
Allgemeines politisches Klima
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Präsident Mubarak, seit 1981 an der Macht, ist es gelungen, die politische Stabilität des Landes angesichts
der Wirtschaftskrise aufrecht zu erhalten. Er hat im Mittleren Osten eine Mittlerrolle gespielt. Im Gegensatz
zu seinen Vorgängern hat er keinen Vizepräsidenten ernannt. Die Frage seiner Nachfolge ist eines der
großen innenpolitischen Probleme.
Die Armee hat große politische Macht.
Das Land geht allmählich von einer durch die Regierung gesteuerten Wirtschaft zu einem System des freien
Wettbewerbs über. Die staatlichen Unternehmen sind jedoch noch in allen Schüsselbereichen der
Wirtschaft vorherrschend.
Die Nationaldemokratische Partei (Präsidentenpartei) spricht seit zwei Jahren von Reformen. Die
durchgeführten Reformen, wie beispielsweise die Reform der Art des Präsidentschaftswahlverfahrens oder
die Einsetzung eines Nationalrates für Menschenrechte, werden jedoch von der Opposition als unzureichend
beurteilt, die die Aufhebung des Notstands und eine politische Reform von größerer Tragweite fordert.
Die Notstandsgesetzgebung, die seit 1967 in Kraft ist, wurde lediglich von Mai 1980 bis Oktober 1981 in
der Folge des zwischen Israel und Ägypten unterzeichneten Camp-David-Abkommens ausgesetzt und dann
nach der Ermordung von Anwar al-Sadat wieder in Kraft gesetzt. Die Frage ihrer Aufhebung stellt eine
große Aufgabe für die ägyptische Politik dar (siehe Abschnitt „Menschenrechte“).
Nach einer sieben Jahr andauernden etwas ruhigeren Phase ist es mit den Attentaten von Taba (34 Tote Oktober 2004), Kairo (April 2005), Charm-el-Cheikh (88 Tote Juli 2005) und Dahab (21 Tote April 2006)
eine relative Verschlechterung der Sicherheitslage eingetreten. Diese Angriffe zeigen, dass die seit
mehreren Jahrzehnten vom Regime von Mubarak verfolgte Sicherheitspolitik versagt hat.
Die Rückkehr des religiösen Fundamentalismus in die ägyptische Gesellschaft beunruhigt jene, die den
Terrorismus und das übersteigerte Festhalten an Prinzipien fürchten, die er nach sich zu ziehen droht.
Die Jahre 2004-2005 sind gekennzeichnet durch Druck von außen (hauptsächlich von Seiten der USA) und
das noch nie dagewesene Ausmaß innerer demokratischer Forderungen durch Entwicklung und
Diversifizierung von Formen des Protests: Bewegung Kifaya (es reicht), Demonstrationen von
Berufszweigen (Journalisten, Richter, Nichtregierungsorganisationen usw.).
900 islamistische Gefangene, die der Gewalt abgeschworen haben, sind im April 2006 freigelassen worden.
Sie werden als reuige Mitglieder der Gammaat al-Islamiya hingestellt, die das Land in den 80er und 90er
Jahren terrorisiert haben.
Die Revolte der Richter: zwei Berufsrichter (Vizepräsidenten des Kassationsgerichtshofs) sind behelligt
worden, weil sie Unregelmäßigkeiten angeprangert haben, zu denen es bei den drei Wahlen des Jahrs 2005
gekommen ist: dem Verfassungsreferendum, den Präsidentschaftswahlen und den Parlamentswahlen; die
Anschuldigung gegen Mahmoud Mekki ist fallen gelassen worden, aber Hicham Al-Bastawissi hat vom
Hohen Rat der Richter und Staatsanwälte, dessen Mitglieder vom Präsidenten der Republik eingesetzt
werden, einen Verweis erhalten. Im Mai 2006 hat die Mobilisierung um diese Sache viel mehr Ägypter dazu
veranlasst auf die Straße zu gehen als in der Vergangenheit. Ungehalten über die brutale Unterdrückung
dieser Mobilisierung, haben die Vereinigten Staaten zu verstehen gegeben, dass dies negative Auswirkungen
auf die Finanzhilfe für Ägypten haben könnte (2 Milliarden US-Dollar technische und militärische Hilfe
jährlich).
Präsidentschaftswahlen
• Im September 2005 ist Präsident Mubarak für eine fünfte Amtszeit in Folge mit 88 % der Stimmen
wiedergewählt worden, die in der ersten pluralistischen Wahl der Geschichte des Landes, die von geringer
Wahlbeteiligung gekennzeichnet war (23 %), abgegeben wurden.
• Die Volksversammlung hat 10 Kandidaten gestattet sich vorzustellen; zahlreiche praktische Modalitäten
begrenzen die tatsächliche Tragweite des Pluralismusprinzips bei den Präsidentschaftswahlen.
• Ayman Nour, Chef der Partei Al Ghad und Hauptopponent, wurde mit 7,6 % Zweiter und Noamane Gomaa,
Vorsitzender des Neuen Wafd erhielt 2,9 % der Stimmen.
Situation des Parlaments
• Bei den letzten Parlamentswahlen (November-Dezember 2005) hat die Nationaldemokratische Partei (PND)
eine Mehrheit von 73 % der Sitze erhalten. Die Besonderheit der Wahl besteht im Umfang des
Durchbruchs der den Moslembrüdern angeschlossenen Abgeordneten. Durch den Erhalt von 20 % der
Sitze haben sie ihre Präsenz im Unterhaus verfünffacht (88 Sitze). Die Parteien der klassischen Opposition
sind vernichtend geschlagen worden.
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Angesichts dieser Ergebnisse hat die Regierung im Februar 2006 beschlossen, die Gemeinderatswahlen
um zwei Jahre zu verschieben.
Aus den letzten Wahlen der Beratenden Versammlung im Mai 2004 ist die PND ebenfalls siegreich
hervorgegangen.
Parlamentarische Freiheiten: Der Abgeordnete Ayman Nour ist am 29. Januar 2005 verhaftet und
42 Tage festgehalten worden, bevor er von der Justiz in Erwartung seines Prozesses gegen Kaution
freigelassen wurde. Er wird angeklagt, die der nationalen Parteienkommission vorgelegten Dokumente
gefälscht zu haben, um die Zulassung seiner Partei Al Ghad zu bewirken, aber seine Anhänger und er selbst
prangern ein politisches Manöver an, mit dem ein Rivale der Regierungspartei ausgeschaltet werden soll.
Nach den Präsidentschaftswahlen wurde er im Dezember 2005 zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt (Revision
im Mai 2006 abgelehnt).
Politische Parteien und Opposition
Die Opposition in Ägypten bleibt von einem institutionellen und politischen System abhängig, das sie
dauerhaft in einer für die Regierung ungefährlichen Position hält. Außerdem ist die Opposition relativ stark
zersplittert und hat Schwierigkeiten sich zu organisieren.
• Die Kommission für politische Parteien, die beauftragt ist, die Gründung jeder neuen Partei zu
genehmigen oder abzulehnen, stellt ein zentrales Element der Kontrolle der politischen Landschaft dar.
Der Ausschuss ist der Volksversammlung angeschlossen und besteht aus drei Richtern, drei Ministern
(Inneres, Parlamentsangelegenheiten und Justiz) und dem Präsidenten der Beratenden Versammlung. Zu den
Kriterien, auf die sich die Entscheidungen des Ausschusses stützen, gehört das Kriterium der „Neuheit“ des
vorgestellten Programms, das relativ vage und flexibel ist. Ebenfalls abgelehnt werden Parteien, die auf
einer religiösen Ideologie beruhen.
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2004 wurde der Gründung zweier neuer politischer Parteien– Al Ghad (Morgen) und Al Dusturi (Die
Verfassungsrechtliche) – bei gleichzeitiger Ablehnung der Zulassung von mindestens zwei weiteren
Formationen – Al Wasat (Das Zentrum) und Al Karama (Die Würde) - zugestimmt.
• Die Moslembruderschaft, die 1928 von Hassan Al-Banna gegründet wurde und in Ägypten verboten ist,
stellt die politische Hauptkraft der Opposition im Land dar.
• Die Oppositionsparteien haben ungleichen Zugang zu den staatlichen Medien. Auf Diskussionen, die
anlässlich der letzten Wahlen organisiert worden waren, stand den Parteien in den staatlichen Medien, neben
denen es fast keine anderen Masseninformationsmittel gibt, nur eine äußerst begrenzte Redezeit zur
Verfügung.
Beziehungen zwischen der EU und Ägypten
Assoziierungsabkommen: 2004 in Kraft getreten, enthält eine Klausel zur Achtung der Menschenrechte und
der Demokratie
Stellung in der europäischen Initiative für Demokratie und Menschenrechte (EIDHR) - 2005/2006
• Ägypten ist ein in Bezug auf die Initiative förderungsberechtigtes Land. Großprojekte sowie
Kleinprojekte in Verbindung mit den Kampagnen 2 und 3 der EIDHR, das heißt, die Projekte zur
„Förderung einer Kultur der Menschenrechte“ und zur „Förderung des demokratischen Prozesses“
können finanziert werden.
Zusammenarbeit der EU mit Ägypten
• Ägypten erhält im Rahmen des Programms MEDA Mittel aus europäischen Fonds. Das Nationale
Richtprogramm für 2005-2006 sieht eine Finanzierung in Höhe von 243 Millionen Euro vor, wobei
folgende Punkte im Mittelpunkt stehen: Förderung des Assoziierungsabkommens unter dem Gesichtspunkt
der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP); Unterstützung des Prozesses des wirtschaftlichen
Übergangs und insbesondere der Reformen im Bereich Wasserversorgung und Informationsgesellschaft;
Förderung einer nachhaltigen sozioökonomischen Entwicklung durch Unterstützung gesellschaftlicher
Reformen und Reformen im Bereich Gesundheitswesen sowie Stärkung der verantwortungsvollen
Staatsführung und der Menschenrechte und der Demokratisierung.
• Ein im Rahmen der ENP vorgesehener Nationaler Aktionsplan wird gegenwärtig verhandelt.
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Menschenrechte1
Todesstrafe: aufrecht erhalten (für eine große Anzahl von Verbrechen) und angewandt.
Internationaler Strafgerichtshof: Statut von Rom unterzeichnet.
Pakte der Vereinten Nationen von 1966: ratifiziert.
Frauenkonvention (CEDAW): ratifiziert mit Vorbehalten.
Besuche von UN-Sonderberichterstattern: 1 Besuch durchgeführt; 3 Anträge ohne Folgen
(Unabhängigkeit der Richter und Rechtsanwälte, Terrorismus und Menschenrechte, Ägypten); keine ständige
Einladung.
Verlängerung des Notstands:
Das Gesetz über den Notstand stammt aus dem Jahr 1967. Es wird seit Oktober 1981 ununterbrochen
angewandt. In Ägypten gestattet der Notstand das Verbot jeglicher Kundgebung und Versammlung unter dem
Vorwand der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit sowie die Verhaftung
eines jeden, der verdächtigt wird, eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darzustellen. So verhaftete Personen
werden häufig von Sondergerichten oder Militärgerichten verurteilt.
Am 30. April 2006 hat das ägyptische Parlament seine Verlängerung um zwei Jahre beschlossen. Dieser
Beschluss hat zahlreiche Demonstrationen ausgelöst, die von der ägyptischen Polizei brutal niedergeschlagen
worden sind. Die Europäische Union kommentiert diesen Beschluss mit einer Erklärung vom 15. Mai 2006,
indem sie insbesondere darauf verweist, dass die Aufhebung des Notstands ein von Präsident Mubarak
gegebenes Wahlversprechen gewesen ist. In dieser Erklärung „ermahnt die EU die ägyptischen Behörden die
Anwendung des Notstandsgesetzes auf Terrorismusangelegenheiten zu beschränken und den Notstand so
kurzfristig wie möglich zu beenden Die Europäische Union fordert die ägyptische Regierung auf, den Akteuren
der Zivilgesellschaft und den politischen Kräften mittels eines transparenten und angemessenen gesetzlichen
Verfahrens zu gestatten, frei ihre Meinung zu äußern, friedliche Demonstrationen zu genehmigen, die
Versammlungsfreiheit zu achten und die öffentliche Ordnung zu gewährleisten.“ Die Erklärung der EU
kommentiert ebenfalls die Demonstrationen, die nach der Wahl des Parlaments stattgefunden haben, und stuft
die Reaktion der Ordnungskräfte als „unverhältnismäßig“ ein.
• Verletzung der Menschenrechte im Rahmen des Kampfes gegen Terrorismus
In Ägypten sind zahlreiche Verletzungen der Menschenrechte im Rahmen des Kampfes gegen Terrorismus
angeprangert worden. Nach der Welle von Attentaten im Jahr 2004 hat die Polizei eine Vielzahl von Razzien in
Dörfern durchgeführt. Schätzungen der Anzahl Verhafteter schwanken zwischen 800 und 3000. Die Mehrzahl
der im November 2004 wieder freigelassenen Personen hat sich beklagt, dass sie gefoltert wurden. Die große
Mehrheit der noch immer Eingekerkerten würde geheim in Haft gehalten.
• Justiz / ungerechte Prozesse
Zahlreiche Zivilisten werden vor Sondergerichte wie die von der Ausnahmegesetzgebung gebildete
Staatssicherheitsgerichte gestellt. Angelegenheiten in Bezug auf die nationale Sicherheit und Terrorakte werden
meist von Militärgerichten entschieden. Den Angeklagten, die vor diese Einrichtungen der Justiz gebracht
werden, wird das Recht auf einen unabhängigen und unparteiischen Prozess sowie das Recht der erneuten
vollständigen Überprüfung ihrer Akten durch eine höhere Gerichtsbarkeit abgesprochen.
Gewaltakte der Polizei
Die Anwendung von Folterungen und entwürdigenden und inhumanen Misshandlungen in den Haftanstalten in
Ägypten wird vom Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen als systematisch eingestuft. Unter der
Folter werden zahlreiche Geständnisse erpresst. Der ägyptischen Menschenrechtsorganisation zufolge sind 2004
und 2005 mindestens 28 Menschen an Folterungen gestorben. Gewisse mutmaßliche Folterer sind verurteilt
worden, jedoch lediglich wegen Gemeinrechtssachen mit Ausnahme politischer Angelegenheiten.
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Quellen siehe RSF, AI, HRW, FIDH, Weltorganisation gegen die Folter (OMCT).
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Die dauernde Anwendung von Gewalt bei Einsätzen der Ordnungskräfte wird ebenfalls angeprangert. Eines der
markantesten Beispiele ist das des Polizeieingriffs vom 30. Dezember zur Vertreibung sudanesischer
Asylbewerber, die vor dem Regionalbüro des HCR demonstrierten. Die Polizei ist brutal gegen die
Demonstranten vorgegangen. Ergebnis dieser Operation waren mindestens 27 Tote unter den Demonstranten –
nach einigen Quellen deutlich mehr - und einige Dutzend Verletzte auf beiden Seiten. Das europäische
Parlament hat am 19. Januar 2005 zur Anprangerung dieser Akte eine Entschließung verabschiedet.
Die Revolte der Richter
Die ägyptischen Richter (Club der Richter, der als Gewerkschaft fungiert), die zur Speerspitze der
prodemokratischen Bewegung geworden sind, haben das ägyptische Regime herausgefordert, indem sie eine
Untersuchung zu den Verstößen gefordert haben, zu denen es bei der Abstimmung im Rahmen der letzten
Parlamentswahlen gekommen ist und fordern, dass die Unabhängigkeit der rechtsprechenden Gewalt garantiert
wird. (siehe Seite 2).
Am 27. April und 11. Mai 2006 ist mit brutaler Polizeigewalt gegen Demonstranten vorgegangen worden, die
ihre Unterstützung für die Richter zum Ausdruck gebracht haben: von der Polizei gejagte und niedergeknüppelte
Bürger, brutal behandelte Journalisten und beschlagnahmtes Material, Richter und Rechtsanwälte, denen der
Zutritt zum Ehrengericht verweigert wurde, Verhaftungen von Demonstranten und insbesondere von Mitgliedern
von Oppositionsparteien, ein Teil des Stadtzentrums flächendeckend von auf die Bekämpfung von Aufständen
spezialisiertem Polizisten besetzt usw.
Der Fall Ayman Nour
Die Verurteilung von Ayman Nour, dem Führer der liberalen Oppositionspartei Al Ghad, entspricht der
Einführung einer Strategie der direkten Einschüchterung der Opponenten (siehe Seite 2). In einer Entschließung
des Europäischen Parlaments vom 6. April 2006 wurde seine Freilassung gefordert.
Versammlungsfreiheit
Vereinigungen unterliegen dem Genehmigungsprinzip. Auf der Grundlage des Gesetzes zu Vereinigungen vom
Juni 2002, das besonders restriktiv ist, wurde mehreren NRO die gesetzliche Zulassung verweigert genau wie
beispielsweise der ägyptischen Vereinigung zum Kampf gegen die Folter (Egyptian Association Against Torture
- EAAT) oder des Nadeem-Zentrums für die Rehabilitierung von Folteropfern. -
Diskriminierung und Gewalt gegen Minderheitsgruppen
Bestimmte Gruppen sind in Abhängigkeit insbesondere von ihrem Geschlecht, ihrer sexuellen Neigung oder
ihrer Religion umfangreichen Diskriminierungen ausgesetzt.
Letzte Beispiele:
- Gewaltakte gegen koptische Christen1: am 14. April 2006, stürmen mit Messern bewaffnete Angreifer drei
koptische Kirchen in Alexandria und stechen auf die versammelten Gläubigen ein. Bilanz: ein Toter und ein
Dutzend Verletzte. An folgenden Tag kommt es während der Bestattung des ermordeten Kopten, Noshi Atta
Guirguis (78 Jahre), zu Schlägereien zwischen den Gemeinschaften. Die Bilanz ist ernst: 22 Verletzte, in Brand
gesteckte Autos und mit Steinen beworfene Häuser von Christen. Die aufgebrachte koptische Gemeinschaft
weist die offizielle Version zurück, die von der Tat eines Geistesgestörten spricht. Seit den 1970er Jahren gab es
mehrere gegen die Kopten gerichtete Attentate.
Medien und Meinungsfreiheit2
Ägypten liegt von 167 Ländern an 143. Stelle
2004: 128. von 167; die Situation hat sich also verschlechtert.
(Nach der Einstufung durch Reporter ohne Grenzen)
1
Siehe Courrier International, Kontext: Gewaltakte gegen Kopten, 27/04/06.
Quellen siehe RSF, AI, HRW, FIDH, Weltorganisation gegen die Folter (OMCT), Ägyptische Organisation
zum Schutz der Persönlichkeitsrechte (Egyptian Organisation for Human Rights, EOHR).
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Allgemeine Situation
Im Juni 2004 wurden dem Rat für islamische Forschung von al-Azhar, der religiösen Hauptinstitution des
Landes, umfangreiche Befugnisse zum Verbot und zur Beschlagnahme von Publikationen übertragen, die als den
Prinzipien des Islams entgegenstehend gelten. Das Pressegesetz gestattet weiterhin die Inhaftierung von
Journalisten wegen Pressevergehen (Diffamierung).
• Zu äußerst zahlreichen Verletzungen der Rechte der Journalisten ist es insbesondere während der politischen
Kampagne zum Referendum vom Mai 2005 gekommen. Eine sehr große Zahl von brutalen körperlichen
Angriffen, in bestimmten Fällen mit sexuellem Charakter, sind von den Anhängern der Regierungspartei
mitunter unter Beihilfe der Ordnungskräfte gegen Journalisten begangen worden. Eine Vielzahl von Journalisten
ist auch vorübergehend festgenommen worden.
• Ebenso haben sich während der Parlamentswahlen (2. Halbjahr 2005) die Störmanöver gegen Journalisten
vervielfacht. Mehr als 50 Medienschaffende wurden bei ihrer Arbeit behindert und konnten nicht
ordnungsgemäß über die Wahlhandlungen berichten. Ein großer Teil von ihnen ist von den Ordnungskräften,
Abgeordneten oder einfachen Bürgern belästigt worden.
• Die Reform des Pressegesetzes (Entkriminalisierung von Pressevergehen und Garantie des Rechts der freien
Meinungsäußerung ohne Diskriminierung von Sprache, Religion oder politischer Meinung), das im Februar
2004 versprochen wurde, ist immer noch nicht konkretisiert worden. Am 19. Dezember 2005 hat Präsident
Mubarak vor dem Parlament erneut seine Absicht zum Ausdruck gebracht, Angriffe auf die Pressefreiheit zu
bekämpfen. Verstöße gegen Journalisten sind jedoch immer noch aktuell und die Journalisten werden weiterhin
wegen ihrer Arbeit behelligt.
• Gemäß einer Pressemitteilung der ägyptischen Organisation zur Verteidigung der Persönlichkeitsrechte vom
13. März 2006 hat ein Bündnis von Redakteuren, Lehrern, Verteidigern der Persönlichkeitsrechte und
Gewerkschaftsführern Vorbereitungen zum Start einer nationalen Kampagne zur Abschaffung der Freiheitsstrafe
für Pressevergehen getroffen. Diese Kampagne wird sich darauf konzentrieren, auf die Regierung dahingehend
Druck auszuüben, dass sie ihr Versprechen, die Diffamierung zu entkriminalisieren, einhält. Sie strebt auch eine
Stärkung der Verfassungsrechte auf freie Meinungsäußerung und die Abschaffung des Notstandsrechts an, das
den Behörden umfangreiche Befugnisse zur Schließung der Medien unter dem Vorwand der nationalen
Sicherheit zu schließen.
Einzelfälle - Beispiele
• Mehrere Journalisten, die von Anhängern der PND körperlich belästigt und bedrängt worden sind, als sie von
den Demonstrationen am 25. Mai 2005 berichteten, haben Klage eingereicht. Obwohl den Behörden Beweise
vorgelegt worden sind, wurde keiner der Verdächtigen verhaftet und die Untersuchung ist von den
Gerichtsbehörden abgeschlossen worden.
• Ende 2005 sind zwei Websiteverantwortliche durch Dienststellen der Staatssicherheit verhaftet worden. Zum
einen ist am 26. Oktober 2005 der junge Student und Weblogger Abdolkarim Nabil Seliman, bekannt unter
dem Pseudonym «Kareem Amer», wegen seiner gegen die Regierung gerichteten und antiislamistischen Haltung
verhaftet worden. Er ist am 13. November wieder freigelassen worden. Zu anderen ist Ahmed Mahmoud
Abdallah (ehemaliger Chefredakteur der Oppositionszeitung Al-Shaab, heute vorübergehend seines Amts
enthoben), Verantwortlicher der Website Balady Net, am 22. Dezember 2005 freigelassen worden. Der
Journalist, der seit dem 5. Dezember von der Staatssicherheit festgehalten wurde, war ohne jegliche Begründung
verhaftet worden.
• Abdel Nasser al-Zouhairy, Journalist der unabhängigen Tageszeitung Al-Masri Al Youm ist am 23. Februar
2006 im Rahmen einer Klage des ehemaligen Ministers für Wohnungsbau, Mohamed Soliman, wegen
„Diffamierung“ zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden. Dieses Urteil hat unter den
ägyptischen Journalisten eine Welle der Empörung hervorgerufen, die am 3. März 2006 zum Sitz der
Pressegewerkschaft gezogen sind, um ihren Berufskollegen zu unterstützen und darauf aufmerksam zu machen,
dass Präsident Hosni Mubarak versprochen hatte, Angriffe auf die Pressefreiheit zu bekämpfen.
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