Die Gelbe Pavie - Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und

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Die Gelbe Pavie, eine wenig bekannte Kastanienart, die bisher nicht von der
Kastanienmotte befallen wird
Dr. H.-J. Gießmann, Bad Doberan und Dr. F. Höhne, Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei
MV
Ausgangspunkt zur Beschäftigung mit der Gelben Pavie (Aesculus flava bzw. pavia) war die Suche nach
Kastanienarten, die nicht von der Kastanienmotte befallen werden. In einem Veredelungsversuch, bei dem
in die Gewöhnliche Rosskastanie eine rot- und eine gelbblühende Kastanienart mittels Pfropfung
einveredelt wurden, sollte beobachtet werden, wie sich die einzelnen Kastanienarten hinsichtlich des
Kastanienmottenbefalls verhalten. Die Beschaffung von Reisern der rotblühenden Arten (Aesculus x
carnea) bedeutete keine Schwierigkeit, da sie in der Doberaner Gegend anzutreffen sind. Anders
gestaltete sich die Suche nach einer gelbblühenden Form. Dem erstgenannten Autor fiel bei einem
Besuch seines ehemaligen Praktikumsbetriebes in Ehmkendorf auf, dass dort gelbblühende Kastanien
vorhanden sind (Abb. 1). Sie befinden sich auf dem Gelände des Kräuterhotels.
Abb. 1: Blühende Gelbe Pavie in Ehmkendorf, Mai 2012
Die dort gelbblühenden Kastanien wurden als Gelbe Pavie bestimmt. Das genaue Alter der in Ehmkendorf
befindlichen Bäume lässt sich schwer abschätzen, sie sind aber wahrscheinlich schon vor dem 2.
Weltkrieg gepflanzt worden. Ihre Höhe beträgt gut 10 m. Die beiden Bäume stehen auf
Rosskastanienunterlage, was an den Veredelungsstellen deutlich zu sehen ist (Abb. 2).
Abb. 2: Veredlungsstelle Unterlage –
Gelbe Pavie, Ehmkendorf 2012
Abb. 3: Knospe der Gelben Pavie (links) im
Vergleich zur Roßkastanie
Im Vergleich zur Rosskastanie ist die Rinde der Gelben Pavie glatt, nicht rissig und wird plattenartig,
ähnlich wie bei Platanen, abgestoßen. Sie ist auch in der Färbung heller als die der Rosskastanie.
Die Blätter sind meistens 5-fiedrig (Rosskastanie 5-7). Zum Laubfall bildet die Pavie starke Knospen aus.
Im Gegensatz zur Rosskastanie sind sie aber nicht klebrig (Abb. 3).
Der Austrieb im Frühjahr erfolgt etwa zur gleichen Zeit wie bei der Rosskastanie. Anfang bis Mitte Mai
erscheinen die rispenartigen Blütenstände (Abb. 4).
Sie sind etwas kleiner und unauffälliger als die der Rosskastanie. Auch unterscheidet sich die Blüte in der
Form deutlich. Sie besteht aus 4 Kronenblättern, wobei 2 davon auffallend länger sind. Aus den
röhrenartig zusammengefügten Kronenblättern ragen teilweise einzelne Staubgefäße hervor (Abb. 5). Im
Inneren verborgen befindet sich der Stempel mit der Narbe.
Abb. 4 und 5: Blütenstand der Gelben Pavie in Gülzow
und Ehmkendorf 2012
Die Gelbe Pavie blühte 2012, wie auch die rote Kastanie, etwas später auf als die gewöhnliche
Rosskastanie. Zum Blühbeginn am 14. Mai stand die dahinterstehende Rosskastanie schon in voller Blüte,
während zur Vollblüte der Gelben Pavie die Rosskastanie schon am Abblühen war (Abb. 6 und 7)
Abb. 6 und 7: Blühbeginn der Gelben Pavie am 14.5.2012 und Vollblüte am 25.5.2012 in Gülzow
Die Früchte der Gelben Pavie sind glattschalig.
An der veredelten „Multikastanie“, die in Gülzow bei der Landesforschungsanstalt steht (Abb. 6 ), konnte
bisher an den rot- und den gelbblütigen Kastanienteilen kein Befall durch die Kastanienmotte festgestellt
werden.
Bei der Beschäftigung mit den Kastanien wurde offensichtlich, dass es schwierig ist, umfassende
Bestimmungsliteratur zu finden. Hinzu kommen die oft vorkommenden Bastardierungen zwischen den
Arten und Variationen sowie die unterschiedliche systematische Zuordnung.
Insgesamt gibt es mehr als 20 Aesculus-Arten, wobei als Parkbäume unter unseren Bedingungen die 4
nachfolgenden Arten von Bedeutung sind.
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Gemeine Rosskastanie (Aesculus hippocastanum). Stark anfällig für die Kastanienmotte. Stammt aus
dem Mittelmeerraum.
Rote oder Fleischfarbige Rosskastanie (Aesculus x carnea). Sie ist ein Bastard aus A. hippocastaneum
x A. pavia). Starker Kastanienmottenbefall wurde noch nicht festgestellt.
Gelbe Pavie (Aesculus pavia, Synonyme: A. flava, A. octandra, Pavia lutea; Appalachen
Rosskastanie, yellow buckeye). Stammt aus dem Osten der USA. Es sind zwei Unterarten vorhanden:
A. octandra var. vestita und A. octandra var. virginica. Bei letzterer Unterart sollen Herkünfte
vorhanden sein, deren Blüten von gelb bis rot sein können.
Kahle oder Ohio Rosskastanie (Aesculus glabra, Synonym: ohio buckeye).
Die Suche nach Vorkommen der Gelben Pavie in Mecklenburg-Vorpommern ergab, dass sie in den
Schlossgärten von Schwerin und Ludwigslust vorhanden war. Gegenwärtig sind den Autoren fünf
Standorte bekannt, an denen die Gelbe Pavie steht. Sie stehen in Ehmkendorf, im Englischen
Landschaftspark Dammereez, im Rostocker Lindenpark (Abb. 8 und 9- rosablühende Formen), im
Botanischen Garten Rostock (Abb. 10) und in Gülzow. Interessant ist, dass die abgebildete Pavie im
Rostocker Lindenpark 3 kurze und ein oder 2 längere Kronenblätter hat. In der Regel besitzen die Blüten
der Pavie nur 2 kurze und 2 lange Kronenblätter sowie 7 Staubgefäße.
Abb. 8: Aesculus pavia im Botanischen
Garten Rostock, Mai 2012
Abb. 9: Aesculus pavia „Atrosanguinea“
im Botanischen Garten Rostock, Mai
2012
Ebenfalls gelbblütig, aber im Blütenaufbau ganz anders – Staubbeutel ragen über die Kronenblätter hinaus
– ist die Kastanienart Aesculus glabra. Eine, im botanischen Garten Rostock als Aesculus octandra
ausgezeichnete Form, kommt der Beschreibung von A. glabra sehr nahe (Abb. 11).
Abb. 10: Blütenstand der Gelben
Pavie im Lindenpark Rostock, Mai
2012
Abb. 11: Blütenstand von Aesculus
octandra, Botanischer Garten
Rostock Mai 2012
Aufgrund ihrer Mottenresistenz und des schönen Erscheinungsbildes sollte die Gelbe Pavie auch mehr
Beachtung bei Neuanpflanzungen in Parks und Freigeländen finden. Allerdings gibt es auch Angaben,
dass die Gelbe Pavie befallen werden kann. Wahrscheinlich muss dies aufgrund der vorhandenen
Formenvielfalt im Einzelfall überprüft werden.
Die Autoren würden sich freuen, wenn sie Meldungen über weitere Standorte der Gelben Pavie in
Mecklenburg-Vorpommern erhielten. Sie regen an, Bachelor- oder Masterarbeiten zu vergeben, in denen
die Systematik und Morphologie von Aesculus bearbeitet werden.
Fotos 1, 2, 3, 5, 8-11 Gießmann, 4, 6, 7 Höhne
Literatur:
Göritz, H. 1973: Laub- und Nadelgehölze für Garten und Landschaft. VEB Deutscher
Landwirtschaftsverlag Berlin
Horaĉek, P. 2007: Encyklopedie listnatych stromů a kerů. Computer Press, a.s. Brno
Internet: Angaben unter “Aesculus”
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