Zwei seltene Höhlenkrebse aus Oklahoma

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SÜSSWASSE R
CAM BARUS SU BTE R R AN E US
Zwei seltene Höhlenkrebse
aus Oklahoma
In Höhlen herrschen, bedingt durch das weitgehende Fehlen von Licht und
Nahrung, extreme Lebensbedingungen. Dennoch haben sich viele Tierarten
an solche Lebensräume angepasst. So gibt es auch mehrere Arten von
Krebsen, die sich in der Unterwelt sehr gut zurechtfinden.
Von Michi Tobler und Chris Lukhaup
A
uf einer Fläche von rund 130000
Quadratkilometern erhebt sich eine
Hochebene aus den Weiten des mittleren Westens der USA: das Ozark-Plateau.
Auf einer mittleren Höhe von 350 bis 550
Metern über dem Meer erstreckt sich eine
Landschaft aus dicht bewaldeten Hügeln und
Tälern, die von klaren Flüssen und Bächen
durchdrungen werden. Neben einer reichen
Fischfauna lassen sich in den kühlen Ge-
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wässern verschiedene Flusskrebsarten beobachten.
Die Ozarks sind durchzogen von Höhlensystemen, die meist das ganze Jahr über Wasser führen und eine eigene Fauna beherbergen. Neben Kleintieren (beispielsweise dem
Amphipoden Stygobromus ozarkensis, einigen
Insekten- und Spinnenarten) findet man unter Tage auch Höhlenfische der Gattung Amblyopsis, Höhlensalamander und Frösche.
Ziel einer Reise im Oktober 2005 war jedoch der Nachweis von zwei endemischen
Krebsarten, die nur aus wenigen Höhlen im
südwestlichsten Teil der Ozarks im Bundesstaat Oklahoma bekannt sind: Cambarus
subterraneus und C. tartarus.
In Nordamerika gibt es 39 Höhlenkrebsarten, die fast alle äußerst selten und streng
geschützt sind. Deshalb hatten wir Steve
Hensley vom US Fish & Wildlife Department
Seite 40:
Der Höhlenkrebs
Cambarus subterraneus
in seinem natürlichen
Lebensraum.
Cambarus subterraneus,
Habitus in der
Aufsicht, Portrait
und Bauchseite.
Fotos: Verfasser
Twin Cave:
Cambarus subterraneus
Cambarus subterraneus wurde erst im Jahre
1993 von Hobbs III beschrieben. Bis dahin
wurden die Populationen als C. setosus bezeichnet. Genetische Untersuchungen hatten
aber gezeigt, dass sich die Tiere aus Oklahoma deutlich von denen am Typusfundort
(Wilson’s Cave, Missouri) unterscheiden.
Irrtümlich wird C. setosus noch immer in
Artlisten der Krebse Oklahomas aufgeführt.
Die Species ist jedoch auf Höhlen im Bundesstaat Missouri beschränkt.
Cambarus subterraneus ist nur aus drei
Höhlen in Oklahoma bekannt. Wir konnten
die Art am Typusfundort, der Twin Cave, aufspüren. Um die Fledermauskolonien nicht
zu stören, stiegen wir nachts in die Höhle
ein. Hinter der großen Eingangskammer
ging es kletternd an steilen Abhängen entlang tief nach unten, bis wir auf den Bach
stießen, der die Höhle entwässert. Das Bachbett bestand aus hellem Schlamm, in den
man knietief einsank. Das Gewässer war nur
ein bis zwei Meter breit, aber seine Strömung
war in manchen Abschnitten beträchtlich.
Ein C.-subterraneus-Weibchen machten wir
in einer strömungsarmen Zone aus.
Neben der eigentlichen Höhlenart wiesen
wir in der Höhle auch Orconectes neglectus
neglectus nach. Diese Art ist im Nordosten
Oklahomas häufig in oberirdischen Fließgewässern anzutreffen.
Stansberry-January Cave:
Cambarus tartarus
Cambarus tartarus, beschrieben 1972 durch
Hobbs & Cooper, ist nur vom Typusfundort,
dem Stansberry-January-Höhlensystem, bekannt. Im Gegensatz zur Twin Cave wird die
Stansberry-January Cave von einem großen
Bach entwässert, der zwischen zwei und
sieben Meter breit ist. Cambarus tartarus
kommt nur im inneren Teil der Höhle vor, so
dass man zu einem langen und anstrengenden Marsch durch das kalte Wasser gezwungen ist. Der Untergrund im Bach ist entweder
kiesig oder schlammig.
Bis über einen Kilometer vom Eingang
entfernt beobachteten wir in der Stansberry
January Cave ebenfalls zahlreiche O. n. neglectus. Da auch Jungtiere vorhanden waren,
scheint es sich um eine Population zu handeln, die dauerhaft im Untergrund lebt. Ob
sich die Höhlenpopulation in irgendwelchen
Merkmalen von den oberirdischen Populationen unterscheidet, ist bislang nicht bekannt.
Cambarus tartarus ist zumindest im begehbaren Teil der Höhle viel seltener. Neben
einem toten Tier entdeckten wir während des
ganzen Höhlenganges nur zwei weitere Individuen. Wie bei C. subterraneus ist praktisch
nichts über die Biologie der Tiere bekannt.
Höhlenkrebse sind anders
Die beiden Arten sehen sich äußerlich sehr
ähnlich und unterscheiden sich primär durch
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in Oklahoma gebeten, uns auf diesem Trip
zu begleiten.
Ausgerüstet mit Wathosen und Helmen,
Taschenlampen und Fotoausrüstung machten wir uns kletternd, kriechend, watend
und vor allem frierend auf in das Reich der
Höhlenkrebse.
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C A M B A R U S TA R TA R U S
Astyanax oder Höhlenmollys, Poecilia mexicana) energieaufwändige Verhaltensweisen
wie Aggressivität oder Territorialität verloren haben.
Die Höhlenarten sind Opportunisten, die
sich an allem vergreifen, was sich ihnen
bietet. Einen O. n. neglectus beobachteten
wir dabei, wie er an einer toten Fledermaus
fraß. Höhlenkrebse ernähren sich aber
hauptsächlich von Detritus, der in den Untergrund gespült wird. Oftmals sind sie unter
Fledermauskolonien zu finden, die an der
Höhlendecke ihre Schlafplätze haben und
jede Menge Guano hinterlassen. Der Dung
ist die Nahrungsgrundlage in vielen Höhlenökosystemen.
Bedrohte Lebensräume
Ein unterirdischer Bach; so sieht der Lebensraum von C. subterraneus und C. tartarus aus.
Die Höhlenkrebse sind stark
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gefährdet und streng geschützt
die Form der Gonopoden (Befruchtungsbeinchen der Männchen). Bei beiden Arten ist die
Pigmentierung vollständig reduziert, so dass
die Tiere vollkommen farblos sind. Auch bei
den zurückgebildeten Augen fehlt jede Pigmentierung.
Während die meisten oberirdischen Krebse
nicht älter als zwei bis vier Jahre werden, ist
das bei Höhlenformen anders. Wahrscheinlich werden einige der Arten über 100 Jahre
alt, wobei die Tiere sehr langsam wachsen.
Die Vermehrungsrate von Höhlenkrebsen
ist extrem niedrig und liegt im Schnitt bei
Ein Cambarus tartarus in seinem natürlichen Habitat.
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30 bis 40 Jungtieren. Während einer intensiven Studie an einer Höhlenkrebspopulation, Orconectes australis australis, in der
Shelta Cave in Alabama (die Populationsgröße betrug etwa 400 Individuen) konnten
über einen Zeitraum von sechs Jahren lediglich drei eiertragende Weibchen gefunden
werden.
Im Umgang mit Artgenossen scheinen
diese Krebse toleranter zu sein als die oberirdischen Arten. Energie ist sehr limitiert
in den unterirdischen Habitaten, so dass
viele Höhlenarten (übrigens auch Fische wie
Beide Cambarus-Arten sind aufgrund ihres
beschränkten Lebensraumes und der geringen Populationsgrößen stark gefährdet. Da
die entsprechenden Höhlen von verschiedenen Arten bewohnt werden, die bundesweit
geschützt sind (etwa Amblyopsis rosae und
verschiedene Fledermausarten), ist der Zugang zu sämtlichen Höhlen strikt geregelt.
Die Höhlen befinden sich im Privatbesitz
der Nature Conservancy und sind zum Schutz
der Höhlentiere nicht öffentlich zugänglich.
Sämtliche Fotos von den Krebsen haben wir
in der Höhle gemacht, und selbstverständlich
haben wir keine Tiere entnommen. Bedroht
sind die unterirdischen Lebensräume heute
vor allem durch oberirdische Landnutzung,
vor allem durch übermäßigen Düngemitteleinsatz in der Landwirtschaft.
Dank
Wir Danken Liz Bergey (University of Oklahoma) für die finanzielle Unterstützung und
Steve Hensley (US Fish & Wildlife) für die
Genehmigung zum Betreten der Höhlen. ■
Auch diese Art ist vollkommen unpigmentiert.
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