Sweers: Musik-Welt: Italien

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Musik-Welt:
Italien
Die Tarantella: der Tanz der Spinne • Britta Sweers
Es gibt kaum eine touristische Werbebroschüre für Italien, die nicht mit der
Tarantella in ihrem Kulturteil wirbt. Nicht
ohne Grund: Obwohl es in Italien eine
große Vielfalt an Musiktraditionen gibt,
hat insbesondere die ursprünglich in
Süditalien beheimatete Tarantella immer
starke Aufmerksamkeit erregt. Dies liegt
vor allem an ihrer spektakulären Entstehungsgeschichte als Heilmittel gegen
den (vermeintlich giftigen) Tarantel-Biss.
Ziel dieser Arbeitsblätter ist es,
• den SchülerInnen eine zentrale italienische Musiktradition vorzustellen,
• eine Auseinandersetzung mit der Frage
anzustoßen, wie Musik auf den Menschen wirken kann,
• eine fachübergreifende Verknüpfung
der Musik mit Geografie (die SchülerInnen bringen einen Atlas mit) sowie Biologie zu schaffen.
Schritt 1: Begegnung mit einer
italienischen Musiktradition
Es sollte mit einem ersten Klangbeispiel
begonnen werden – zunächst ohne Hinweise, woher die Musik stammt (HB 7).
Die Höraufgabe für die SchülerInnen besteht darin zu beschreiben, was ihnen an
diesem Klangbeispiel auffällt (z. B. Instrumente, Atmosphäre), aber auch zu
überlegen, woher das Stück stammen
könnte. Erst dann sollte die Auflösung
gegeben werden (Aufnahme einer Tanzveranstaltung 1954 aus Kalabrien/Süditalien). Charakteristische Tarantella-Elemente, die auch auf diesem Klangbeispiel gehört werden können, sind:
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• Instrumente wie die Mandoline mit
ihrem schillernden, metallischen Klang
(den viele mit Italien assoziieren),
• das schwungvolle Tempo mit der hüpfenden Figur einer punktierten Viertel
und nachfolgenden Achtel,
• eine schlichte Form (die Musik dient ja
zur Tanzbegleitung) aus einigen melodischen Phrasen, die jeweils variiert wiederholt werden.
Insbesondere die unteren Klassen sollten jetzt selbst aktiv werden, indem die
kleine Tarantella aus Neapel Io mi sono
(Arbeitsblatt M 1, Playback HB 6) einstudiert wird (falls Instrumente vorhanden
sind, auch mit angegebener Begleitung).
Ähnlich wie das erste Klangbeispiel wird
auch diese Tarantella von der hüpfenden
Figur aus Viertel und nachfolgender Achtel geprägt. Da das Lied sehr schnell gesungen werden soll und im zweiten Teil
einige rhythmische Stolperstellen hat,
sollte die Melodie zunächst auf Silben
eingeübt werden.
Höhere Klassenstufen können anschließend (oder als Hausaufgabe) den
Text auf M 2 lesen, um dann das Quiz auf
M 3 zu lösen. Optional können die im
Text erwähnten Orte im Atlas herausgesucht werden. Ebenso kann versucht
werden (etwa im Biologieunterricht),
mehr über die Tarantel zu erfahren.
Schritt 2: Die Tarantella als
musikalisches Heilmittel
Die Entstehung der Tarantella ist eng mit
der medizinischen Wirkung von Musik
verbunden. Ein historisches Beispiel dafür
ist die Tarantella italiana (HB 8), die gezielt zur Behandlung eines von der Tarantel gebissenen Menschen komponiert wurde. Die SchülerInnen sollten jedoch selbst
überlegen, in welchem Gemütszustand
die Personen waren, für die dieses Stück
geschrieben wurde. Würde das Stück auch
auf die SchülerInnen selbst wirken?
Die Tarantella-Musiker und frühen Theoretiker hatten bereits erkannt, dass es
kein einheitliches musikalisches Allheilmittel geben konnte, da jeder Mensch
anders veranlagt ist. Als ergänzende Aufgabe (als Hausaufgabe oder im Unterricht)
sollen die SchülerInnen daher jeweils ein
bis zwei Stücke zusammenstellen, die
sie gegen Wut, Traurigkeit oder Stress
empfehlen würden. Was ergibt sich aus
dem Vergleich der Stücke? Gibt es Überschneidungen oder Gemeinsamkeiten?
Wichtig ist, dass hier nicht nach dem wirkungsvollsten Stück gesucht wird, sondern die Vielfalt (trotz vielleicht ähnlicher
Grundcharaktere) unterstützt wird.
Audio-Teil
HB 6: Io mi sono – Playback
HB 7: Tarantella aus Kalabrien
HB 8: Tarantella italiana
CD-ROM
• MIDI-Datei: Io mi sono
musikpaedagogik-online.de
• M 1 bis M 3 als PDF-Datei
klasse musik
Musik-Welt: Italien
M1
Musik und Text: trad.
dt. Text: Fritz Schröder
Io mi sono – Tarantella
2 S’esser vuoi un buon soldato
va alla guerra sempre armato
purché tirino i cannoni
almeno un piatto di maccheroni.
3 Pulcinella mezzo spento
volea fare il testamento,
purché avesse dai padroni
un grosso piatto di maccheroni.
4 Tarantella si è cantata
due carlini si è pagata:
sono allegro o compagnoni,
ne compreremo de’ maccheroni.
2 Hab kein Geld in meiner Tasche,
keinen Tropfen in der Flasche,
brauch kein Bett aus Mahagoni,
nur eine Schüssel mit Maccaroni.
3 In der Welt wär viel mehr Liebe
und es gäbe keine Diebe,
keine Gauner und Ladroni,
hätt jeder jeden Tag Maccaroni.
4 Tarantella, euch gefallen,
komm ich wieder, sing euch allen:
neue Lieder und Canzoni
für eine Schüssel mit Maccaroni.
Mahagoni = edle Hozart
Maccaroni = Nudelsorte
Ladroni = Straßenräuber
Canzoni = Gesänge
Begleitung
4x
Xylofon/
Glockenspiel
Schellenkranz
Trommel/
Triangel
Italienische
Marionetten
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M2
Tarantella
Ursprung
Die Tarantella stammt ursprünglich aus Süditalien. Sie war
vor allem in den ländlichen Regionen von Apulien, Kalabrien und Sizilien, aber auch in der Umgebung Neapels
beheimatet. Gebiete wie Kalabrien, das sehr stark von
Landwirtschaft und Fischerei geprägt wurde, gehören noch
immer zu den ärmsten Regionen Italiens. Da die Industrialisierung hier sehr spät eingesetzt hat, blieben viele Traditionen – wie auch das Spielen der Tarantella – länger
erhalten als in anderen Landstrichen Italiens.
Musikalische Merkmale
Die Tarantella ist ein schneller Paartanz, der durch zahlreiche
leidenschaftliche Gesten begleitet wird. Der Tanz steht meist
im 6/8-Takt und zeichnet sich durch rollende Achtelbewegungen, aber auch durch hüpfende Figuren wie eine Viertel mit
nachfolgender Achtel aus. Die Instrumente sind vielfältig:
Typisch sind Mandoline, Gitarre, aber auch Dudelsack, Tamburin oder Flöte. Es gibt auch viele Lieder, die auf einem
Tarantella-Rhythmus beruhen. Häufig musizierte die Landbevölkerung selbst, aber es gab auch professionelle MusikerInnen, die zu Tanzveranstaltungen aufspielten.
Die Mandoline: ein typisches Instrument
Die Mandoline, die im 17. Jahrhundert aufkam, ist mit der
Laute verwandt, aber etwas kleiner. Die vier bis sechs paarweise aufgezogenen Saiten werden (wegen des leisen
Klangs) meist mit einem Plektrum im Tremolo gespielt –
was den besonderen metallisch-vibrierenden Klang erzeugt. Zwar gilt der Klang der Mandoline häufig als Inbegriff italienischer Volksmusik – doch auch in Deutschland
und Österreich gibt es zahlreiche Mandolinen-Orchester,
denn das Instrument lässt sich relativ leicht erlernen.
Geheimnisvoller Ursprung: Der Tanz der Spinne
Die Tarantella ist sehr eng mit einer in Süditalien vorkommenden Spinnenart verbunden – der Tarantel. Der Legende
nach war der Tanz das einzig wirksame Heilmittel gegen einen Tarantelbiss. Das Gift verursachte angeblich Halluzinationen und Depressionen und verurteilte den Betroffenen zu
einem langen Leiden. Einzige Medizin der Landbevölkerung
war die Musik. Die gebissene Person musste dazu gezwungen werden, bis zur Erschöpfung zu tanzen, um das Gift auf
diese Weise auszuschwitzen. Teilweise dauerten die Tänze
bis zu zehn Stunden, einige Berichte sprechen sogar von 36
Stunden! Vom 15.-17. Jahrhundert scheint es ganze „Tarantismus“-Epidemien gegeben zu haben – insbesondere im süditalienischen Tarent, Namensgeber der Spinne und der Musik.
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klasse musik
Musik-Welt: Italien
Frauen als bevorzugtes Opfer
Häufig waren übrigens Frauen betroffen. Manche haben
vermutet, dass die Depressionen und Weinkrämpfe Folge
der starken Unterdrückung der Frauen in der süditalienischen Gesellschaft waren – und der Tanz ihnen hier das
einzige Ventil bot. Eine andere Erklärung ist aber auch,
dass in Süditalien vor allem Frauen auf dem Land gearbeitet haben und deshalb häufiger mit Spinnen in unfreiwilligen Kontakt kamen.
Musik als Medizin?
Alles nur ländlicher Aberglaube? Auch im Mittelalter kamen
Mediziner zu dem Schluss, dass Musik in der Tat das beste
Heilmittel gegen den Tarantelbiss sei! Das Problem war jedoch, den richtigen Klang für den Patienten zu finden. Man
erkannte schon damals, dass Menschen unterschiedlich
auf ein Musikstück reagieren können. Auch glaubte man,
dass es verschieden wirkende Tarantelbisse gab, die nicht
nur Teilnahmslosigkeit, sondern auch große Aggressivität
verursachen konnten.
1641 verfasste der Theoretiker Athanasius Kircher erstmals
Liedtexte und Tanzweisen ausschließlich zu Heilzwecken.
Kircher gab dabei genaue Hinweise, welche Instrumente
für welche Art von Persönlichkeit oder Tarantelbiss eingesetzt werden sollten. Schwermut sollte etwa mit lauten Trompeten und Trommeln, Wutanfälle hingegen mit weichen Instrumenten wie Geige oder Cembalo behandelt werden.
Vielfältige Inspirationsquelle
Heutzutage gibt es nur noch Nachahmungen der alten Heiltänze, die inzwischen in vielen Regionen zur Unterhaltung
oder auf Hochzeiten getanzt werden.
Jedoch wird die Tarantella immer wieder verwendet, um Bilder Süditaliens heraufzubeschwören, wie in dem MafiaFilm Der Pate. Die Tarantella findet sich im 19. Jahrhundert
ebenfalls in der Kunstmusik – etwa in Werken von Chopin,
Liszt und Weber. Aber auch J. K. Rowling ließ sich im zweiten Harry-Potter-Band (Harry Potter und die Kammer des
Schreckens) von der Tarantella inspirieren. So benutzt
Harrys Gegner Draco Malfoy einen Tarantallegra-Zauberspruch, um Harrys Beine im Duellierclub in extrem wilde,
unkontrollierbare Tanzbewegungen zu versetzen, die erst
mit einem Finite Incantatem-Spruch von Professor Snape
beendet werden konnten.
Die Tarantel – ein zu Unrecht beschuldigter Übeltäter
Wer kennt nicht den Ausspruch „Wie von der Tarantel gestochen?“ In der Tat sieht die Tarantel mit ihren dicken haarigen
Beinen und großen Augen sehr unheimlich aus. Doch mittlerweile weiß man, dass ein Tarantel-Biss zwar schmerzhaft ist –
aber selten zum Tod führt (seine Wirkung lässt sich ungefähr mit dem Stich einer Biene vergleichen). Auch weiß man, dass
die Tarantel wahrscheinlich mit der viel unauffälligeren Schwarzen Witwe verwechselt wurde. Deren Biss kann tatsächlich
Halluzinationen und Depressionen hervorrufen – und Schmerzen verursachen, die durch Bewegung gelindert werden können.
Für die eigentlich sehr menschenscheue Tarantel hatte diese über 500 Jahre andauernde Verwechslung schlimme Folgen!
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M3
Das Rätsel um die Tarantella
Die Tarantella
R
N
M
ist ein italienischer Hochzeitstanz.
ist ein Tanz, der ursprünglich aus Süditalien stammt.
stammt aus der Kunstmusik.
Kreuze die richtigen Antworten an.
Die Buchstaben in der richtigen
Reihenfolge ergeben eine Stadt in
Süditalien.
___ ___ ___ ___ ___ ___
Der Biss der Tarantel ist
M
A
N
absolut wirkungslos – im Gegensatz zum Gift der Schwarzen Witwe.
schmerzhaft, aber nicht lebensgefährlich.
verursacht Halluzinationen, die nur durch Bewegung gelindert werden können.
Häufig wurden Frauen von den Symptomen befallen, weil
A
I
P
italienische Frauen zu Depressionen neigen.
italienische Frauen die besseren Tänzerinnen waren und außerdem besser Mandoline spielen konnten.
sie viel auf dem Feld gearbeitet haben und deshalb leicht mit der Spinne in Berührung kommen konnten.
Wie konnte die Tarantella gegen das Spinnengift wirken?
N
C
E
Man hatte mit der Tarantella einen einzigartigen Klang gefunden, der jeden Patienten heilen konnte.
Gar nicht. Die Wirkung des Tanzens war reiner Aberglaube der Landbevölkerung.
Die Musik (z. B. Lautstärke, Wahl der Instrumente, Melodien) musste auf den jeweiligen Charakter des Patienten
angepasst werden.
Auf der Aufnahme hört man eine Mandoline. Die Mandoline
E
I
O
ist eines der vielen Instrumente, das eine Tarantella begleiten kann.
wird vor allem in großen Tarantella-Orchestern gespielt.
ist das Instrument, das zu jeder Tarantella-Aufführung gespielt wird.
Harrys Beine wurden durch Draco Malfoys Zauberspruch „Tarantallegra“ zum Tanzen gezwungen, weil
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O
Taranteln gefährlich sind und Harrys Beine bei dem Klang des Wortes deshalb vor Schreck anfingen, sich zu
bewegen.
L
dieser Spruch die Beine zur schnellen Tanzbewegungen zwingt, die nur durch einen Gegenzauber beendet
werden können.
I
das Tarantel-Gift einen Schwächeanfall verursacht, weshalb sich Harrys Beine durch den Spruch in Pudding
verwandelten.
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