Kolumne: Trottoir

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Trottoir (Kolumne im „Bund“)
Wo genau liegt Ibiza?
Vor Jahren hat Zengermax einen Stadtplan von Zürich erworben. Seither ist es ihm zur lieben
Gewohnheit geworden, hin und wieder mit dem Zeigefinger durch die Limmatstadt zu flanieren.
Besonders mag er es, gedanklich am Bürkliplatz zu stehen und sich selbst zu fragen, ob ihn seine
Fingerpromenade diesmal der rechten Seeseite entlang Richtung Zürichhorn führen soll, oder ob es ihn
nicht doch eher nach Wollishofen zieht. Natürlich hängt die Routenwahl immer ein wenig vom Wetter
oder von anderen, wechselnden Faktoren ab. Nächsten Samstag zum Beispiel, wählt er überhaupt keine
Route, da bleibt der Stadtplan im Schrank. Der Denker möchte nicht riskieren, dass sein Zeigefinger
mitten im Chaos untergeht, hat er doch in einer offiziellen Vorschau zur Strassenparade memorable
Sätze wie diesen hier gelesen: «Die tanzwütige Menge wird mit feinstem Trance und Hardtrance
verwöhnt, die mit 25.000 Watt Soundpower in die Partycrowd gepulst werden.» Zengermax ist nicht ganz
sicher, ob sich sein Kartenspazierfinger in einer mit zartem 25'000-Watt-Soundpower verwöhnten
Partycrowd wirklich zugehörig fühlen würde. Und obwohl an jenem Hochsommerfasnachtsumzug ein
Lastwagen mitfährt, von dem es heisst er werde «den einen oder anderen sicherlich an fette Parties auf
Ibiza oder in Miami erinnern, wenn er durch unsere Bikinigirls und Beachboys zum rocken bewegt wird»,
lässt das unseren Musikfreund einigermassen kalt. Zwar hat er keine genaue Vorstellung davon, wie fett
die elektronisch untermalten Gesellschaftsabende auf Ibiza und Miami genau sind, aber wenn er sich nur
schon vorstellt, dort könnten sich Menschen tummeln, die eine Menschenansammlung Partycrowd
nennen und von Lastwagen, die sich durch Bikinigirls zum rocken bewegen lassen, an eine Südseeinsel
erinnert werden, dann spürt er tief in seinem Innersten, dass er wenig verpasst, wenn er in den nächsten
Tagen daheim bleibt, in aller Ruhe seine Burrusli raucht und lauwarmen Boilerkaffee trinkt. Und falls es
ihn plötzlich dennoch nach Musik gelüsten sollte, kann er immer noch an dieses Strassenmusik-Festival
gehen. Es heisst Buskers Bern und funktioniert, wenn Zengermax alles richtig verstanden hat, auch ohne
Jupidupiyeahyeah-Partypeople-Feeling.
© Pedro Lenz
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