Körper-Formen

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ZU GUTER LETZT
Körper-Formen
Rudolf Kopp aus Wiedlisbach haucht dem Baustoff Gips Leben ein
«Das Arbeiten und Gestalten mit den Händen und
die Freude am Schönen als
Ästhet», dies der Antrieb,
der Rudolf Kopp dazu
bringt, Körper in Gips zu
formen.
Es ist Sonntagnachmittag, leicht
bewölkt. Etwas über 50 Personen
haben den Weg zum idyllischen
Museum Wasseramt in Halten gefunden. Vor dem mittelalterlichen
Turm steht ein Holzbrett, welches
eigentlich so gar nicht ins Bild
passt. Man sieht ihm die Spuren
des Gipses bereits an, obwohl es
während der Arbeit mit Plastik abgedeckt wird. Gleich um die Ecke,
neben dem Eingang zum «Käfig»,
ist das Model Karin bemüht, jede
Stelle ihres Körpers mit Melkfett
einzustreichen. «Letzte Woche war
es kälter», meint sie und blickt lachend auf die Hühnerhaut, die sich
wegen des doch eher kalten Windes gebildet hat. Nun noch den Slip
aussen eingefettet, und los gehts.
Nur ein Versuch
Vorne am Turm wird sie bereits von
Rudolf Kopp erwartet. Der Wiedlisbacher Malermeister hat vor einem
Jahr an der Fachmesse für das Maler- und Gipsergewerbe den ersten Rang im Wettbewerb «gips go
crazy» errungen. Nun zeigt er, im
Rahmen seiner Ausstellung im Museum, eine Live-Körperabformung.
Nach einer kurzen Begrüssung lässt
er den Baugips sachte in den Kessel mit Wasser rieseln, um ihn dort
eine Minute stehen und ziehen zu
lassen. «Einsumpfen heisst dieser
Vorgang», werden die Zuschauer
informiert. Das Vorgehen bei der
Körperabformung ist einfach: Zuerst lässt Rudolf Kopp eine ganz
dünne, sehr wässrige Schicht Gips
über den Körper laufen. Wenn dieser ein bisschen gezogen hat, fängt
Rudolf Kopp damit an, dickeres
«Material anzuhängen». Danach
werden ca. 15 cm breite Streifen
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Color Care
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aus Jute in den Gips eingearbeitet.
Trocknen lassen - fertig. Die ganze
Prozedur dauert knappe 20 Minuten. «Ich habe nur einen Versuch.
Wenn etwas schiefgeht, muss ich
ganz von vorne beginnen», meint
der Künstler und lacht. Sollte nämlich die unterste Schicht sich nicht
perfekt dem Körper anpassen, ist
die Arbeit unbrauchbar.
Schwer und warm
Nach getaner Arbeit sind sowohl
das Model als auch der «Gipser» zufrieden. Karin, weil sie den schweren Klotz - es sind um die 17 kg
- losgeworden ist und Rudolf Kopp,
weil es gleich beim ersten Versuch
geklappt hat. Den richtigen Zeitpunkt, um den Gips vom Körper
zu entfernen, findet er heraus, indem er die Druckfestigkeit und die
Wärme des schnellbindenden Materials mit den Händen prüft. «Mit
ein bisschen Übung hat man das
schnell raus», erklärt er.
Vom Negativ zum Positiv
Bis zur fertigen Büste steht aber
noch eine Menge Arbeit bevor. Das
Negativ, welches jetzt zur Weiterverarbeitung bereit ist, wird mit
einem Trennmittel ausgespritzt.
Dann folgt derselbe Arbeitsgang
wie auf dem lebendigen Körper. Zuerst die ganz dünne Gipsschicht,
dann dickeres Material anhängen
und die Jutestreifen einbetten. Das
Resultat ist in seiner Detailtreue
bestechend. Hautporen und Muttermale sind ebenso zu erkennen
wie die feine Stickerei auf der Unterwäsche. Dieser zweite Teil der
Arbeit kann man am 23. September um 13 Uhr, an der Finissage
der Ausstellung, ebenfalls live miterleben. «Ich versuche, am fertigen Stück so wenig wie möglich zu
verändern», meint Rudolf Kopp auf
die Frage, wieviel er zuletzt noch
schleifen muss. Für ihn sind es
gerade die Unterschiede und vielleicht auch Unzulänglichkeiten,
die das Arbeiten mit dem Körper
so spannend machen.
Natalie Brügger
«Übrigens…»
Es geht auch anders
Der Wahlkampf treibt dieses Jahr
sonderbare Blüten, wird doch eigentlich nicht mehr über Themen
selber diskutiert, sondern nur noch
über die Art, wie die verschiedenen
Parteien den Wahlkampf führen.
Ich muss gestehen, dass ich mich
noch nicht sehr intensiv mit den
Ständerats- und Nationalratswahlen auseinandergesetzt habe. Vielleicht sollte ich anfügen, dass ich
dieses Übrigens am Montagnachmittag schreibe, also bevor mich
die verschiedenen Parolen am heutigen Podium in Langenthal beeinflussen konnten. Was sie ja auch
nicht tun sollten... Gerade in dieser Zeitung ist es wichtig, so objektiv wie möglich über die Parteien
zu berichten, siehe die Leserbriefe
in der letzten Ausgabe zum Thema
SVP-Inserat. Aber lassen wir das
beiseite. Ich interessiere mich persönlich sowieso mehr für die Menschen, die etwas bewegen wollen,
als für die Partei, in der sie heimisch
sind. Und bei uns im Oberaargau
scheint die Wahlschlacht auch
nicht ganz so kämpferisch geführt
zu werden. Dies ist mir aufgefallen, als ich letzte Woche sowohl in
den Kantonen Solothurn als auch
Luzern unterwegs war. Am Strassenrand, im Bahnhof, in Parks überall wird man von freundlichen
Gesichtern angegrinst. Gleichzei-
tig erfährt man
auch, welche
Liste man einwerfen muss,
will man diese
netten
Menschen des öfteren in der Zeitung oder im Fernsehen betrachten. Ich habe zwar nicht erfahren,
wofür sich diese meist männlichen
Kandidaten einsetzen, aber eines
war klar: Es ist Wahlkampf. Nicht
so im Oberaargau. Keine Plakate,
niemand der freundlich lächelnd
grüsst, wenn ich morgens zur
Arbeit fahre. Die einzigen politischen Aktivitäten, die ich bisher
beobachten konnte, waren Standaktionen bei verschiedenen Anlässen. Der Wahlkampf scheint erst
diese Woche mit dem überparteilichen Podium und dem Besuch
von Bundesrat Samuel Schmid am
Donnerstag zu beginnen. Dies ist
natürlich nur eine rein persönliche
Empfindung und hat nichts damit
zu tun, dass die Parteien bisher
nichts getan haben (soviel Diplomatie muss sein). Übrigens: Nadine Masshardt beweist, dass Wahlkampf auch spielerisch geführt
werden kann. Merci für die PolitSlang Übersetzungsmaschine. Ich
kann sie in nächster Zeit sicher gut
gebrauchen.
Natalie Brügger
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Selu
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