Situativer Kontext Situativer Kontext

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Staatliches Studienseminar für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen Trier
Schulstr. 21 54293 Trier-Ehrang 0651/44922 Email: [email protected] FAX: 0651/ 42322
Kommunikation im schulischen Kontext
Was ist Kommunikation?
Der Grundvorgang der zwischenmenschlichen Kommunikation: Da ist ein Sender, der etwas
mitteilen möchte. Er verschlüsselt sein Anliegen in erkennbare Zeichen, in eine Nachricht. Der
Empfänger entschlüsselt diese Nachricht und gibt ein Feedback. Eine Voraussetzung für die
erfolgreiche Kommunikation ist, dass Sender und Empfänger die gleiche Kodierung für die
Nachricht verwenden. Die Nachricht kann durch eine Störung verfälscht werden. Die
Kommunikation ist immer eingebettet in einen situativen Kontext. Forschungsergebnisse belegen,
dass der nonverbale Anteil an unserer Kommunikation 80% der Reaktionen darauf bewirkt. Für
viele Menschen ist diese Tatsache erschreckend, weil sie sich der Bedeutung und der Kontrolle
ihrer Körpersprache nicht bewusst sind.
Das informationstheoretische Sender-Empfänger-Modell
Störung
Situativer Kontext
Zeichen
Zeichen
Codierte Nachricht (verbale/nonverbale Informationen)
Sender
Empfänger
Informationskanal
Codiertes Feedback (verbale/nonverbale Informationen
Situativer Kontext
(vgl.: Stuart Hall, 1970)
Watzlawik erweiterte aus der Sicht der Kommunikationspsychologie das Modell, indem er
versuchte, pragmatische Axiome zu definieren.
Alles Verhalten ist Kommunikation. Es ist unmöglich, nicht zu kommunizieren!
(Jedes Schweigen, jeder Blick, jede Berührung ist Kommunikation.)
In jeder Kommunikation finden wir einen Inhalts- und Beziehungsaspekt. Der
Inhaltsaspekt vermittelt die Daten und der Beziehungsaspekt weist an, wie diese
Daten zu verstehen sind. Der Beziehungsaspekt bestimmt den Inhalt.
Schulz von Thun entwickelte das Modell Die vier Seiten einer Nachricht
Sachebene: Worüber ich dich informiere
Apellseite: Wozu ich dich veranlassen
möchte
Selbstkundgabe: Was ich dir mitteile
Beziehungsseite: Wie ich zu dir stehe
http://www.jugendinfonetz.de/photos/SchulzvonThun.JPG
Welche Bedeutung haben die Vorbemerkungen für den Kontext Schule?
Das Feld der Kommunikationsstrukturen innerhalb des Systems Schule ist vielfältig und nicht
immer der Sache, dem Anliegen oder dem Inhalt förderlich. Kommunikation, die im System Schule
bei allen Kommunikationspartnern (Schüler, Lehrkräfte, Eltern, Schulleitung, externe Partner usw.)
gelingen soll,
beachtet den situativen Kontext
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einigt sich auf einen für alle verständlichen Code
intendiert flache Hierarchien bzw. Symmetrie
beachtet und „pflegt“ die Beziehungsebene
strebt die Wertschätzung und Zufriedenheit aller Beteiligten / Partner an
beachtet Widerstände
verständigt sich auf gemeinsame Ziele
vereinbart gemeinsame Wege, Schritte, Maßnahmen und Vorgehensweisen
kommuniziert über Kommunikation (Metakommunikation)
vermeidet Störfaktoren und ist authentisch.
Diese Grundsätze beziehen sich auf alle kommunikativen Prozesse innerhalb der Schule (alle
Lehr- und Lernprozesse, Fachgespräche und Konferenzen, Kommunikation in Teams, SchülerSchüler-Gespräche, Lehrer-Schüler-Gespräche, Konfliktgespräche, Elterngesprächen, in
Beratungssituationen, Kontakt zu externen Partnern u.a.).
Kommunikationsstrategien
Für gelungene Kommunikation, die o.a. Aspekte beachtet, ist die Anwendung von
Kommunikationsstrategien von Bedeutung:
• Wirksame Fragen (offene Fragen, Rückfragen, richtungsweisende Fragen,
Reparaturfragen, Hochwertfragen)
• Aktives Zuhören
• Pausen ertragen
• Zusammenfassen
• Widerspiegeln
• Angebote formulieren
• Psychische Repräsentanz beachten
• Nonverbale Signale beachten
Kommunikation und Lernen
Gesicherte Erkenntnisse aus Untersuchungen im Bereich der Lernpsychologie sowie der
Neurobiologie weisen darauf hin, dass
Lernen ein subjektiver Prozess der Aneignung ist,
Wissen immer ein Prozessergebnis ist,
Lernende in Lernprozessen aktiv sind und Lernen an bestehende Wissensstrukturen
anknüpft.
Im kompetenzorientierten Unterricht ergeben sich folgende didaktische Konsequenzen für
nachhaltiges, aktives und kommunikationsförderndes Lernen:
Aktivierung der Lernenden
Indirekte Lernprozesssteuerung anstelle von Belehrungsdidaktik
Feedback-Kultur aufbauen und Lernprozesse steuern
Missverstehen vermeiden durch Ursachensuche und Metakommunikation
Individuelles Lernen in Gruppen/Teams (Austausch, Erklären, Planen, Präsentieren, …)
Lerndialoge (L-S, S-S) gestalten
Lernen „coachen“ – angemessene Lehr-Lern-Beratungsprozesse haben
Balance zwischen Instruktion und Konstruktion halten
Schüler als kompetente Partner wahrnehmen
lernförderliches Lernklima (situativer Kontext) entwickeln
Regeln für Kommunikation entwickeln
Konfliktfähigkeit entwickeln
Kommunikationskompetenz entwickeln
Kommunikation fördern
Lernen und Kommunikation sind untrennbar verbunden. Wenn Lernprozesse eröffnet werden,
soll unmittelbar auch Kommunikationskompetenz optimiert und entwickelt werden.
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Das Unterrichtsgespräch
Lenkung durch den Lehrer
niedrig
Schülergespräch,
Austausch, Murmelgespräch (z.B.
im Doppelkreis,
Tischgespräch)
Austausch der
Schüler untereinander (Partnerund Gruppenarbeit)
hoch
Diskussion,
Streitgespräch,
Debatte, Klassenrat
Freies
(diskursives)
Unterrichtsgespräch
Formale Gesprächssituationen mit
starker Regelbindung
Erörtern von Problemen
Austausch kontroverser Meinungen
Vorwiegend nur
Lehrerimpulse zur
Aktivierung und
Einbindung der
Schüler
Fragendentwickelndes
Gespräch
(Sokratisches
Gespräch)
Nutzung der
Vorkenntnisse
Problem-, Sachund Sinnzusammenhang wird
in der Schülersprache entwickelt
Gelenktes Unterrichtsgespräch,
Lehrgespräch,
Prüfungsgespräch
Inhalt und Ziel
vorgegeben;
regelmäßige Zwischen- und Rückfragen (Verständnis-,
Wiederholungs-,
Beispielfragen) zum
Nachvollziehen des
Gedankenganges
Nach H. Meyer ist im gelenkten Unterrichtsgespräch dauerhaftes Lernen kaum möglich, weil
derartige Unterrichtsinhalte nur schwer emotional positiv besetzt werden können.
„Die Frage des Lehrers erstickt den Fragetrieb des Schülers, einen der wertvollsten Triebe des
jugendlichen Intellekts, und schädigt so eine der wertvollsten lebendigen Kräfte des Geistes. Die
Frageform ist eine künstliche Form der Erregung geistiger Energie; eine Schulform, die das Leben so
gut wie gar nicht kennt.“
(Hugo Gaudig 1908, zitiert nach: H. Meyer: Unterrichtsmethoden Bd. II, S. 206.)
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Das Unterrichtsgespräch in fragend-entwickelnder Form kann dem Lehrer Einblick in
Vorwissen, Einstellungen und Wahrnehmungen der Schüler geben
Die vorherigen Festlegungen der Unterrichtsinhalte und des zeitlichen Rahmens
entsprechen nicht den Denk- und Lernprozessen der Schüler.
Die Antworterwartung des Lehrers beeinflusst nachhaltig das Unterrichtsgeschehen.
Der Lehrer wird bei der Interpretation der Schüleräußerungen überfordert.
Die Urteilsbildung der Schüler wird nicht gefordert.
Unverbindliches Antwortraten der Schüler wird durch die zumeist unklaren und sich
überschneidenden Fragestellungen des Lehrers noch begünstigt.
Häufige Interaktionsstrukturen beim Unterrichtsgespräch
1. Das Lehrer-Schüler-"Ping-Pong"Gespräch
2. Das Schüler-Schüler-Impuls-Gespräch
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L stellt Frage - S1 antwortet - L gibt kurze
Rückmeldung oder Kommentar - L stellt die
nächste Frage ...;
L gibt Impuls - S3 antwortet darauf - S5 antwortet auf S3 - ... Lehrer greift sporadisch
erneut ein durch neuen Impuls
Schema: L - S1 - L - S2 - L - S3 - L - S4 - ...
Schema: L - S1 - S2 - S3 - S4 - S5 - L - ...
Kennzeichen:
Kennzeichen:
sternförmige Interaktionsstruktur
S antworten nur dem L
L kontrolliert das Gespräch vollständig
und zu jeder Zeit
kreisförmige Interaktionsstruktur
S reagieren auf S und L
L lenkt nur durch gelegentliche
Impulse
Impulse
Im Unterricht verstehen wir unter Impuls an Stelle der Lehrerfrage wirksame sprachliche, mimische
oder gebärdenhafte Beeinflussung der Schüler durch den Lehrer. Ein Impuls ist also von seiner
Funktion her definiert: Alles, was die Schüler zum Nachdenken oder zum Handeln bewegen kann,
kann von einem Lehrer mit differenzierter Verbal- und Körpersprache zum Impuls gemacht
werden:
das Foto, das er ohne jeden weiteren Kommentar hochhält,
die Provokation, die Gegenthese, die Verfremdung, mit der er vermeintlich sicheres Wissen
in Frage stellt,
die hochgezogene linke Augenbraue des Lehrers, mit der er Erstaunen oder
Unzufriedenheit signalisiert,
sein leises Stöhnen bei einer falschen Antwort,
sein Schweigen.
Der Impuls ist zumeist offener als die Lehrerfrage:
Denklinie des Lehrers
Lehrerfrage
Schüler
antwort
Impuls
Denkfeld der Schüler
Schüleräußerungen
nach: Meyer, S. 207ff
Dialogisches Lernen
Lernen ist keine Folge von Belehrung. Jedes Kind lernt selbstständig, auf seinen eigenen Wegen.
Lernende konstruieren ihr Wissen, ihre Bildung selbst – im Handeln und im Dialog. Die
Lernpyramide, entwickelt aus den Ergebnissen zahlreicher Untersuchungen, belegt eindrucksvoll
den Zusammenhang von Kommunikation und Lernen. Die Diskussion der Inhalte erhöht den
Lernerfolg auf 50%. Jemandem einen Lernstoff erklären, z.B. während einer Gruppenarbeit, sichert
den Lernerfolg gegenüber dem Lehrervortrag signifikant (80%).
Kooperatives Lernen
Kooperatives Lernen bedeutet, dass sich SchülerInnen gegenseitig bei der Arbeit unterstützen und
gemeinsam zu Ergebnissen gelangen. In gut strukturierten Lerngruppen wird unter Zuhilfenahme
von zahlreichen Methoden ein hohes Aktivierungsniveau der Lernenden erreicht mit nachhaltigen
Erfolgen im kognitiven und im kommunikativen Bereich.
Beim Lernen im Team werden zwei Kompetenzebenen angesprochen:
Inhaltliche Ebene (Fachwissen, Fertigkeiten, Fähigkeiten, etc.)
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Kommunikations- und Interaktionsebene (Erwerb sozial-emotionaler und kommunikativer
Fähigkeiten)
Kommunikationstraining in Anlehnung an Klippert
Trainingsfeld 1:
Einsicht in die Bedeutung des Kommunikationstrainings stärken (z.B. durch Wahrnehmungsund Stilleübungen)
Trainingsfeld 2:
Freies Erzählen und Sprechen üben (z.B. durch Bildkartei, Partnerinterviews, Übungen zu
Mimik, Gestik und Körperhaltung, Schnellsprechsätze, 5-Satz-Methode)
Trainingsfeld 3:
Miteinander reden lernen (z.B. durch Kofferpacken, Bilddiktat, Echo-Spiel, Feedback-Übungen)
Die Schüler wenden das Gelernte in vielschichtigen Situationen an (argumentieren, diskutieren,
Regeln einhalten, lehren). Gelerntes muss konsequent im Fachunterricht eingesetzt und trainiert
(gepflegt) werden.
Stand: Juni 2010
Literatur:
Arnold, Rolf:
Caspary, Ralf:
Eschelmüller, Michele:
Hall, Stuart:
Hecker, Ulrich:
Hubrig, Christa:
Green, Norm u. Kathy:
Ich lerne, also bin ich, Heidelberg (2007)
Lernen und Gehirn, Freiburg (2007)
Lerncoaching – Vom Wissensvermittler zum Lernbegleiter
Mühlheim (2008)
Ausgewählte Schriften: Hall, Stuart. - Hamburg : ArgumentVerlag
Neue Formen der Leistungsbewertung - Den Leistungen ein
Gesicht geben
Lösungen in der Schule, Heidelberg (2007)
Kooperatives Lernen im Klassenraum, Seelze-Velber (2005)
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Klippert, Heinz:
Kommunikationstraining, Weinheim und Basel (2005)
Meyer, Hilbert:
Unterrichtsmethoden. Bd. II Praxisband, Frankfurt a. M.: 2000.
Palmowski, Winfried:
Nichts ist ohne Kontext, Dortmund (2007)
Palmowski, Winfried:
Der Stein des Anstoßes, Basel (2007)
Satir, Virginia:
Kommunikation – Selbstwert – Kongruenz, Paderborn (1990)
Schiffler, Horst; Winkeler Rolf:
Tausend Jahre Schule: Eine Kulturgeschichte des Lernens in
Bildern, Stuttgart (1994)
Weblinks:
http://www.dialogisches-lernen.de/
http://www.lsg.musin.de/supportweb/Methodentraining/material_kommunikationstraining.htm
http://www.dialogisches-lernen.de
http://www.mathematik.uni-dortmund.de/ieem/BzMU/BzMU2006/Sektions/begehr_astrid.pdf
http://www.ku-eichstaett.de/Forschung/forschungsprojekte/ldl/ldl_schule/medien/neue_wege_1.de
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