Zum Konzept der Unendlichkeit im Mathematikunterricht am

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Wissenschaftliche Hausarbeit
zur Ersten Staatsprüfung für das Lehramt an
Gymnasien
im Fach:
Mathematik
Thema:
Zum Konzept der Unendlichkeit
im Mathematikunterricht am Gymnasium
vorgelegt von:
Pabel, Christopher
geb. am 03. 10. 1990
Erfurt, 18. 07. 2015
in Erfurt
Inhaltsverzeichnis
1.
Einleitung ....................................................................................................................... 1
2.
Relevanz der Unendlichkeit für die Schüler ............................................................... 3
3.
Andere Fächer und das Unendliche ............................................................................ 6
4.
Ein kurzer Abriss der Geschichte der Unendlichkeit .............................................. 11
5.
Der Lehrplan Mathematik in Thüringen .................................................................. 18
6.
Arbeitsweise ................................................................................................................. 22
7.
Die Unendlichkeit im Mathematikunterricht ........................................................... 26
7.1
Zahlennamen ................................................................................................ 27
7.2
Die Zahlenbereiche ℕ und ℤ oder Hilberts Hotel I ...................................... 30
7.3
Der Zahlenbereich ℚ oder Hilberts Hotel II ................................................ 35
7.4
Einfache Folgen und Mustererkennung ....................................................... 41
7.5
Geometrische Grundbegriffe ....................................................................... 44
7.6
Geometrie neu betrachtet ............................................................................. 47
7.7
Der Zahlenbereich ℝ .................................................................................... 49
7.8
Höhere Unendlichkeiten und Potenzmengen ............................................... 52
7.9
Der Taschenrechner ..................................................................................... 53
7.10
Die Diagonale des Quadrates oder √2 ......................................................... 54
7.11
Kurvendiskussion I oder Nullstellen und Verhalten im Unendlichen ......... 55
7.12
Lineare Gleichungssysteme ......................................................................... 55
7.13
Die Schatzsuche in 𝜋 ................................................................................... 56
7.14
Grundbegriffe der Stochastik ....................................................................... 59
7.15
Das Mitternachtsparadoxon ......................................................................... 60
7.16
Casinoparadoxien ......................................................................................... 62
7.17
Der Zufall ..................................................................................................... 63
7.18
Unendlichkeit I............................................................................................. 64
7.19
Folgen und Grenzwerte ................................................................................ 66
7.20
Reihen .......................................................................................................... 68
7.21
Die Grenzwertschreibweise ......................................................................... 70
7.22
Einführung in die Differentialrechnung ....................................................... 70
7.23
Kurvendiskussion II oder Asymptoten und Polstellen................................. 72
7.24
Folgen, Reihen und Grenzwerte geometrisch .............................................. 73
7.25
Einführung in die Integralrechnung ............................................................. 75
7.26
Gabriels Horn ............................................................................................... 76
7.27
Hilberts Hotel III .......................................................................................... 77
7.28
Kombinatorik ............................................................................................... 81
7.29
Von der Binomialverteilung zur Normalverteilung ..................................... 83
7.30
Unendlichkeit II ........................................................................................... 86
8.
Zusatz zum Lehrplan .................................................................................................. 88
9.
Fazit
...................................................................................................................... 90
10.
Glossar
...................................................................................................................... 92
11.
Abbildungsverzeichnis ................................................................................................ 93
12.
Quellenverzeichnis ...................................................................................................... 95
1.
Einleitung
„Zwei Dinge sind unendlich: Das Universum und die menschliche Dummheit. Beim
Universum bin ich mir aber noch nicht ganz sicher.“ Albert Einstein1
In der Alltagssprache taucht das Unendliche wie selbstverständlich auf. Man sagt, dass
man unendlich viel zu tun habe, dass die deutschen Staatsschulden unendlich hoch seien oder
man geht wie Albert Einstein von unendlich viel menschlicher Dummheit aus. Schon bei diesen einfachen Beispielen fällt auf, dass es unterschiedliche Verwendungen und Bedeutungen
des Begriffs gibt. Teilweise steht „unendlich“ für eine unüberschaubar große Menge, teilweise geht man von etwas aus, das tatsächlich unendlich groß ist.
In der uns bekannten Natur gibt es keine unendlich großen oder unendlich kleinen
Dinge. Nach wie vor ist unklar, ob das Universum unendlich groß ist, da man nicht über den
sichtbaren Bereich hinausblicken kann. Ebenso ist nichts unendlich Kleines bekannt, da
bisher immer noch kleinere Bestandteile der Materie gefunden wurden. Es ist also keine
Selbstverständlichkeit, sich mit dem Unendlichen zu beschäftigen, wenn es scheinbar keinen
Bezug zur wirklichen Welt hat. Damit stellt sich die erste Frage, ob solch ein Thema Schülerrelevanz hat und ob eine Konfrontation mit dem Unendlichen in der Schule stattfinden soll.
Wie sich zeigen wird, ist diese Frage mit einem klaren Ja zu beantworten. Dafür wird zuerst
die Schülerrelevanz als einzelner Abschnitt untersucht um herauszustellen, dass das Unendliche den Alltag durchdringt und wie wichtig es für die schulische Ausbildung ist. Danach wird
mit ausgewählten Schulfächern ein Quervergleich vorgenommen, der die Vielschichtigkeit
des Themas im Rahmen der Schule aufzeigt.
Es ist nicht zu bestreiten, dass die Mathematik ein Schwergewicht im Ringen um den
Begriff des Unendlichen ist, wobei höchstens die Philosophie in eine ähnliche Gewichtsklasse
kommt. Daher soll als Nächstes ein kurzer historischer Abriss gegeben werden, wie es zum
mathematischen Begriff und Symbol des Unendlichen kam und was die wichtigsten Neuerungen auf diesem Gebiet waren. Daraus muss man den Eindruck gewinnen, dass die Unendlichkeit von essentieller Frage für die Mathematik ist. Daher stellt sich die zweite Frage, ob das
Thema in den Lehrplan des Faches eingebunden ist. Diese Frage wird zu verneinen sein, was
direkt zur dritten und wichtigsten Frage führt: Wie und an welchen Stellen kann das Thema
Unendlichkeit den Schülern im Mathematikunterricht nahe gebracht werden?
1
Lotter, Johann Christian, Was taugt das Unendliche?, 2011,
<http://www.unendliches.de/german/vorwort.htm>, Zugriff 06. 05. 2015.
1
Die Beantwortung der Frage ist der Kern dieser Arbeit und schließt eine Erklärung des
jeweiligen Problems, die Stellung zum Mathematikunterricht, mögliche Umsetzungen sowie
einen didaktischen Kommentar mit ein. Die Subthemen erstrecken sich von der fünften bis
zur zwölften Klasse und durchdringen die Bereiche Analysis, Geometrie und Stochastik. Dabei wurde das Themenangebot absichtlich breit gewählt, um der Vielfalt des Themas gerecht
zu werden. Von reinen Beweisen, der Analyse mathematischer Grundbegriffe über Zahlenmengen und historische Erzählungen werden die unterschiedlichsten Bereiche in insgesamt 30
Anwendungen bedient. Hier wird dennoch die Exemplarität gewahrt, indem berühmte Paradoxien wie Hilberts Hotel, Gabriels Horn und weniger berühmte wie die Schatzsuche in π
einbezogen werden. Jede Anwendung behandelt einen Themenkomplex. Abschließend werden einige Themen angeschnitten, die sich nicht direkt oder nur schwer in den Lehrplan integrieren lassen, aber auch für den Einsatz in der Schule denkbar sind.
Didaktischer Schwerpunkt ist die Frage, wie man das weite Thema Unendlichkeit in
verständliche Abschnitte teilen und schülerorientiert darbieten kann. Dazu wurden für diese
Arbeit zwei entscheidende Methoden entwickelt: Erstens die Einführung einer Schreibweise
ähnlich den hyperreellen Zahlen, durch welche die Schüler tatsächlich mit Unendlich rechnen
können. Zweitens die Verwendung von Bausteinen, mit denen die Schüler die Abzählbarkeit
der natürlichen, ganzen und gebrochenen Zahlen modellieren können. Außerdem eignen sie
sich, um die Unendlichkeit in mehreren Dimensionen zu erfassen und kombinatorische Überlegungen anzustellen. Selbstverständlich waren für diese Arbeit mehr Themenbereiche auszuschließen als einzubinden, um keine unendliche Seitenzahl zu erhalten. Die Auswahl erfolgte
dann nach der Möglichkeit, die Inhalte schülernah aufbereiten zu können.
Diese Arbeit soll auch zum Einsatz oder als Nachschlagewerk für Lehrer dienen
können. Daher wurden die Themen sowohl nach Altersstufe als auch nach mathematischem
Bereich geordnet. Dennoch soll es sich hier nicht um eine Methodenkiste handeln, mit der
sich eine Unterrichtsstunde exakt vorbereiten ließe. Das Ziel ist aufzuzeigen, in wie vielen
Teilbereichen das Unendliche vorkommt und welche Gestaltungsmöglichkeiten es gibt.
Keinesfalls soll es im Unterricht nur noch um Paradoxien oder unentscheidbare Fragen gehen.
Aber die Unendlichkeit sollte im gymnasialen Unterricht den Stand einnehmen, der ihr durch
die Geschichte und den Aufbau der Mathematik zusteht.
„Der letzte Schritt der Vernunft ist die Erkenntnis, dass es eine Unendlichkeit von
Dingen gibt, die sie übersteigen.“ Blaise Pascal.2
2
Quadbeck-Seeger, Hans-Jürgen, Aphorismen und Zitate über Natur und Wissenschaft, Weinheim 2013, S. 50.
2
2.
Relevanz der Unendlichkeit für die Schüler
Nicht nur die Erwachsenen, schon die Kinder kennen den Begriff der Unendlichkeit
aus ihrem Alltag. „Bis zur Unendlichkeit und noch viel weiter!“ heißt es im Animationsfilm
Toy Story.3 Womöglich kann ein Kind dieses Filmzitat aufsagen, aber es gilt, die Textzeile
auch inhaltlich zu hinterfragen: Selbst wenn der Hauptcharakter des Films Buzz Lightyear mit
Lichtgeschwindigkeit fliegen könnte (wie sein Name nahelegt), würde er irgendwann die Unendlichkeit erreichen? Und nachgehakt: Könnte er „noch viel weiter“ fliegen?
In solche schwierigen, wenn nicht sogar paradoxen Situationen kann ein Kind geraten,
wenn es sich selbstständig mit dem Thema beschäftigt. Doch selbst ohne ein Zitat von außen
kommt jedes Kind mindestens einmal in seiner Entwicklung mit dem Unendlichen in Berührung: Beim Zählen. Beginnend mit Abzählreimen wie „Eins, zwei, Polizei“ oder „Eins, zwei,
drei, vier, fünf, sechs, sieben, eine alte Frau kocht Rüben“ lernen Kinder die ersten natürlichen Zahlen kennen.4 (Das Zahlenlernen selbst und das frühe Zahlenverständnis gehören in
den frühkindlichen Entwicklungsbereich und werden daher hier nicht thematisiert.) Sobald sie
das Prinzip verstanden haben, können sie selbst immer weiter zählen. Von vielen Erstklässlern ist dabei der berühmte Fehler bekannt, die Zehner „siebzig, achtzig, neunzig, zehnzig“ zu
zählen.5 Das weist darauf hin, dass man für die Bildung unserer Zahlen immer wieder neue
Wörter benötigt. Sieht man davon ab, kann ein Kind praktisch immer weiter zählen, was viele
auch versuchen. Ganz natürlich stellt sich ihm hier die Frage: Gibt es eine größte Zahl? Leider
wird diese Frage nicht allen Kindern beantwortet, sodass sie im Gymnasium noch gestellt
werden kann. Daher wird das Thema später als erste Anwendung thematisiert. Die meisten
Kinder merken aber von selbst, dass, egal welche Zahl sie sich ausdenken, es immer noch
eine größere gibt. So spielen sie zum Beispiel, sich gegenseitig zu übertrumpfen und immer
größere Zahlen zu sagen. Oft endet dieses Spiel mit dem Trick „Immer eins mehr als du
sagst“ oder „Immer das Doppelte von dem, was du nimmst.“ Hier sind wir noch nicht im Unendlichen angekommen. Doch auch dieses wird begrifflich von den Kindern, die den Begriff
von Eltern oder Lehrern gelernt haben, verwendet. Mit dem Ausruf „Unendlich!“ glaubt das
Kind gewonnen zu haben, da es Unendlich entweder als größte Zahl oder Grenze aller Zahlen
versteht. Damit ist das kindliche Spiel in der Regel noch nicht vorbei. Das andere Kind kann
3
Hemetsberger, Paul, Online-Wörterbuch dict.cc, 2015, <http://www.dict.cc/deutschenglisch/Bis+zur+Unendlichkeit+und+noch+viel+weiter.html>, Zugriff 03. 05. 2015.
4
Recknagel, Uwe, Abzählreime, 2015, < http://www.kindergeburtstag-spiele.de/reime/reime.htm>, Zugriff
03. 05. 2015.
5
Selter, Christoph, Deutsches Zentrum für Lehrerbildung Mathematik, Kinder rechnen anders,
<http://kira.dzlm.de/material/arithmetik-bis-zum-2-schuljahr/vorkenntnisse-von-schulanfängern-zumzählen/warum-zählt-sie>, Zugriff 19. 05. 2015.
3
mit „Unendlich plus eins!“ oder „Zweimal unendlich!“ antworten, wobei die Kinder nicht
wissen, wer denn nun gewonnen hat. Dieses Verlangen der Kinder, nach etwas Größerem als
Unendlich zu suchen oder zu fragen, gilt es im gymnasialen Unterricht aufzugreifen.
Außer bei den Zahlen haben Kinder keine Möglichkeit, sich mit dem Unendlichen zu
beschäftigen. Oft wird „unendlich“ als Hyperbel für (sehr) Großes eingesetzt. So hört ein
Kind, dass es unendlich viele Sterne gäbe, unendlich viele Sandkörner, oder dass Atome
unendlich klein seien und man sie daher nicht sähe. Da es nicht greifbar ist, gibt es nur zwei
mögliche Herangehensweisen: Man kann sich dem Unendlichen philosophisch/theologisch
oder mathematisch nähern. Zum Ersten kann man allgemeine Überlegungen anstellen: Wenn
man endlich lange lebt, ist man dann unendlich lange tot? Theologisch kann man fragen: Ist
Gott ein unendlich gutes Wesen? Oder kann man einfach festlegen, dass Gott ein unendlich
mächtiges Wesen ist? Diese Fragen sind durchaus interessant und werden daher kurz in Kapitel 3 besprochen, wenn es um die Möglichkeiten der anderen Fächer geht. Allerdings entziehen sich philosophische und theologische Gedanken der Beweisbarkeit und Nachvollziehbarkeit. Natürlich kann man persönlich zu gewissen Schlüssen kommen und eine Anregung für
das Denken erhalten, aber es ist kaum möglich, zu wirklichen Einsichten zu gelangen. Letztlich bleibt es jedem selbst überlassen, ob und wie er sich die Ewigkeit vorstellt. Zum Zweiten,
der Mathematik, kann man konkrete Aussagen über die mit Zahlen verbundene Unendlichkeit
treffen. Die verschiedenen Facetten werden in Kapitel 7 erläutert.
Die Schüler des Gymnasiums haben in den meisten Fällen schon etwas über die Unendlichkeit gehört, das man aber nicht als Fachwissen bezeichnen kann. Eventuell kennen sie
das Symbol ∞, die Lemniskate, die gerne als „Brezel“ bezeichnet wird und als versendeter
Smiley unter Schülern für „verwirrt“ steht. Auf YouTube finden sie außer dem Lied Infinity
unter den Suchtreffern für „Unendlichkeit“ auch ein Video, das die Summe der natürlichen
1
Zahlen zu − 12 bestimmt. Das Video hat über drei Millionen Aufrufe.6 Gymnasialschüler
müssen in der Lage sein, mit einer solchen Information umzugehen. Genauso, wie die Schüler
zu historischen Verschwörungstheorien Stellung beziehen können müssen, sollten sie auch
mathematische Grundkenntnisse über die Unendlichkeit erlangen, um nicht jeder Internetkuriosität zu erliegen.
Weiterhin ist das Verständnis der Unendlichkeit von zentraler Bedeutung für die Allgemeine Hochschulreife. Mit dem Abschluss ist die Studierfähigkeit verbunden, die auch ein
naturwissenschaftliches oder speziell ein mathematisches Studium ermöglicht. Das Verständ6
Vgl. Haran, Brady, Numberphile, ASTOUNDING: 1 + 2 + 3 + 4 + 5 + ... = -1/12,
<https://www.youtube.com/watch?v=w-I6XTVZXww>, Zugriff 20. 03. 2015.
4
nis von vielen mathematischen Gebieten hängt mit der Unendlichkeit zusammen: Fraktale
Geometrie, Analysis und Nichtstandard-Analysis oder Stochastik allgemein. Der Beweis oder
die Widerlegung der Riemannhypothese ist nach wie vor eine Million Dollar wert.7
Es zeigt sich ein Bruch zwischen der Schule und der Universität, da erstere schon seit
der Zeit der Leistungskurse nicht mehr angemessen auf das Studium vorbereitet. Hier soll die
neue Idee, mehr in die Breite als in die Tiefe zu gehen, nicht verteufelt werden. Zu einem solchen Breitenwissen gehört aber auch ein breites Verständnis der Unendlichkeit. Weiterhin
positiv am Unendlichen ist, dass es die Schüler mit echter Spannung oder Ehrfurcht erfüllen
kann. Sich mit unendlich großen Dingen zu beschäftigen, ist ein besonderes Unterfangen. Die
Erkenntnis, dass es etwas Größeres als Unendlich geben kann, schockiert oder verblüfft jeden.
Aber die Erkenntnis, dass es unendlich viele Unendlichkeiten gibt, kann jeden Schüler mitreißen. Ebenso können einzelne Geschichten wie Hilberts Hotel auch sehr lustig sein und den
doch manchmal tristen Mathematikunterricht aufhellen. Besonders ist auch der Umgang mit
diesem Gegenstand: Bei vielen Fragen wie dem Mitternachtsparadoxon hängt die „richtige“
Antwort davon ab, wie der Schüler argumentiert. Das mag im Deutschunterricht normal sein,
ist in diesem Fach aber gänzlich ungewöhnlich. Eine solche Abwechslung ist damit besonders
für die Schüler förderlich, die Probleme mit dem Rechnen an sich haben. Die Modellierung
des Problems und das Nachdenken darüber stehen bei allen Aufgaben mit dem Unendlichen
im Vordergrund. Die Rechnung, wenn es denn eine gibt, tritt dahinter zurück. In Zeiten des
programmierbaren Taschenrechners ist es genau das, was die Schüler lernen müssen: Es geht
in der Mathematik nicht um bloßes Einsetzen in Formeln, sondern um die Lösung von Problemen. Somit schult der Umgang mit der Unendlichkeit auch das Denken per se.
Durch die vielen Paradoxien werden die Schüler die Mathematik besser kennenlernen.
Manchmal gibt es richtige und falsche Ergebnisse, manchmal ist es nicht zu entscheiden: Man
kann Flächen in unendlich dünne Scheibchen zerschneiden und diese unendlich vielen
Scheibchen ergeben summiert einen Zahlenwert. Die Gleichung null mal unendlich bekommt
dadurch eine Bedeutung. Zu den wichtigsten Kenntnissen im Bereich des Unendlichen gehören die Vergleiche der Mächtigkeit. Wenn ein Schüler verstanden hat, dass es genauso viele
natürliche wie gebrochene Zahlen gibt, ist das ein Erfolg. Wenn er aber sogar versteht, warum
es mehr reelle Zahlen als natürliche gibt und warum eine kurze Strecke aus so vielen Punkten
wie ein riesiger Würfel besteht, dann ist sein Denken auf einem völlig neuen Niveau. Genau
das, das Emporheben des Schülers, ist die Aufgabe des Mathematikunterrichts.
7
Vgl. Parker, Matt, Win a million dollars with maths, No. 1: The Riemann Hypothesis, 2010,
<http://www.theguardian.com/science/blog/2010/nov/03/million-dollars-maths-riemann-hypothesis>, Zugriff
19. 05. 2015.
5
3.
Andere Fächer und das Unendliche
Das Unterrichtsfach Mathematik steht im Mittelpunkt dieser Arbeit. Nichtsdestotrotz
lohnt es sich, über den Rand eines einzelnen Faches hinauszublicken. Einerseits ist es interessant, wie in anderen Fächern die Unendlichkeit direkt oder indirekt verwendet wird. Andererseits gibt es in der Schule etwa über Projekttage die Möglichkeit, dass in unterschiedlichen
Fächern zusammen an einem Thema gearbeitet werden kann. Dass die Unendlichkeit geradezu dafür prädestiniert ist, soll der folgende Abschnitt zeigen. Es gibt dabei vier Möglichkeiten, sich mit dem Gegenstand Unendlichkeit zu beschäftigen: Erstens in grober Näherung,
zweitens in besserer Näherung, drittens rein kognitiv und viertens mathematisch.
Der erste Bereich wird von Musik, Kunst und Deutsch gebildet. Im Musikunterricht
lernen die Schüler, im Kanon zu singen. Dabei wird der Text mehrstimmig versetzt gesungen.8 Ein Kanon hat kein vordefiniertes Ende. Irgendwann gibt der Lehrer ein Zeichen, zum
Schluss zu kommen. Aber prinzipiell könnte man den Gesang unendlich lange fortsetzen. Das
ist auch bei vielen Volksliedern möglich. Sehr bekannt ist das folgende:
„Ein Mops kam in die Küche, und stahl dem Koch ein Ei.
Da nahm der Koch den Löffel und schlug den Mops zu Brei.
Da kamen viele Möpse und gruben ihm ein Grab.
Und setzten drauf 'nen Grabstein, worauf geschrieben stand: […]“
(Autor unbekannt, Melodie Il Carnevale di Venezia.)
Hier kann die Frage auftauchen: Wie viele Strophen hat das Volkslied denn eigentlich? Offensichtlich gibt es verschiedene, jeweils richtige Antworten: Es hat zwei oder unendlich viele Strophen. Nach zwei Strophen taucht jedes Mal ein Grabstein auf, durch dessen
Inschrift das Lied von vorne beginnt. An dieser Stelle wird klar, dass es verschiedene Ansichten zum Unendlichen geben muss. Denn selbstverständlich lassen sich niemals alle unendlich
vielen Strophen singen, da kein Mensch so lange lebt; auch die Existenz der ganzen Menschheit würde dafür nicht ausreichen. Die unterschiedlichen Ansichten sollen erst im nächsten
Kapitel untersucht werden, da es dann um den mathematischen Begriff geht.
Was in diesem Lied sprachlich passiert, gibt es auch in der Kunst. Es gibt Bilder beziehungsweise Figuren, die selbstähnlich sind. Betrachtet man einen Ausschnitt, sieht man
8
Carstens, Olaf, Feldmann, Wolf-Rüdiger, Kanon, der, 2013,
<http://www.duden.de/rechtschreibung/Kanon_Lied_Leitfaden_Norm>, Zugriff 13. 05. 2015.
6
wieder den vorherigen. In der Mathematik würde man hier von Fraktalen sprechen, die im
8. Kapitel angeschnitten werden. Allerdings ist die Kunst nicht in der Lage, etwas wie wirklich unendliche Tiefe zu liefern. Beim Betrachten der Bilder kann der Rezipient sich dennoch
vorstellen, wie die Prozesse fortlaufen würden, wodurch das Unendliche wieder erscheint.
Auch in der Fotografie ist das möglich, indem der Künstler sich selbst fotografiert und dann
ein Bild davon macht, wie er das Bild vor sich hält. Dann macht er ein Foto mit sich und diesem Foto, und so weiter. Auch hier entsteht der Eindruck eines unendlich langen Prozesses,
der es aber nie sein kann. Zuletzt soll hier die Fluchtpunktperspektive erwähnt werden. Dabei
lässt man sich alle Linien, die in Wirklichkeit parallel, aber nicht zur Bildebene parallel sind,
durch einen Punkt verlaufen. So entsteht der Eindruck, dass zum Beispiel eine breite Straße in
der Unendlichkeit zusammenläuft. Dabei handelt es sich tatsächlich nur um eine perspektivische Sicht. Würde man dieselbe Straße von oben, etwa aus einem Flugzeug betrachten, sähe
derselbe Abschnitt so parallel aus, wie er in Wirklichkeit ist.
Im Deutschunterricht ist es möglich, Textstellen mit dem auftauchenden Begriff
Unendlichkeit zu interpretieren. Ein Beispiel ist diese Stelle aus Der kleine Prinz: „Es ist absurd, mitten in der Unendlichkeit der Wüste auf gut Glück einen Brunnen zu suchen. Dennoch
machten wir uns auf den Weg. […] Und wie ich so ging, entdeckte ich im Morgengrauen den
Brunnen.“9 Wie wahrscheinlich ist es, einen Brunnen zu finden, wenn die Wüste unendlich
groß ist? Wie sich später zeigen wird, ist diese Wahrscheinlichkeit null, was aber nicht bedeutet, dass es unmöglich ist. Im Deutschunterricht wird man dagegen eine Stilmittelanalyse
durchführen und feststellen: Es handelt sich um eine Hyperbel. Mit der Wüste ist im Buch die
Sahara gemeint, die zwar groß, aber nicht unendlich groß ist.10 Diese Fächer stehen damit
dafür, dass man zwar etwas verwenden kann, dass den Eindruck von Unendlichkeit erweckt,
aber die Analyse liefert nur eine Darstellung, Vereinfachung oder Übertreibung.
Den zweiten Bereich stellen die naturwissenschaftlichen Fächer außer der Mathematik
dar. In der Astronomie beschäftigt man sich mit sehr großen Entfernungen. Unter der Annahme, dass das Universum beim Urknall entstanden ist und sich ausdehnt, geht man heute
von einem Durchmesser des beobachtbaren Universums von 90 Milliarden Lichtjahren aus.
Diese riesige Zahl ist zwar verglichen mit der Unendlichkeit immer noch winzig, aber da es
nur der sichtbare Bereich ist, kann man nicht sagen, ob das Universum unendliche Größe besitzt oder nicht.11 Geht man von einer endlichen Größe aus, stellt sich im Anschluss die Frage:
9
Antoine de Saint-Exupéry, Der kleine Prinz, Frankfurt am Main 2015, S. 114f.
Vgl. Antoine de Saint-Exupéry, Der kleine Prinz, Frankfurt am Main 2015, S. 15.
11
Planck Collaboration et al: Planck 2013 results. I. Overview of products and scientific results, 2013, S. 36,
Online-Version, <http://arxiv.org/abs/1303.5062>, Zugriff 17. 06. 2015.
10
7
Ist dann das, wohinein das Universum expandiert, unendlich groß? Es ist fraglich, ob diese
Frage jemals beantwortet werden kann.
Ebenso verhält es sich in der Physik und Chemie mit den unendlich kleinen Dingen.
Heute ist bekannt, dass Atome aus Elementarteilchen aufgebaut sind. Diese wiederum bestehen aus Quarks. Aber geht es noch kleiner? Und haben selbst Elektronen vielleicht noch kleinere Bausteine? Es ist nicht verboten, in der Schule über das Bohrsche Atommodell hinauszudenken und selbst, wenn bestimmte Teilchen zu den kleinsten erklärt werden, kann sich wie
einst bei den Atomen diese Annahme als falsch erweisen. Weiterhin kann in der Physik die
Kinematik untersucht werden: Kann Bewegung überhaupt stattfinden, wenn vorher unendlich
viele Wegabschnitte durchschritten werden müssen? Da dieses Problem auch mathematischer
Natur ist, wird es in Anwendung 19 untersucht. Gleichsam muss man aufpassen, wann es
wirklich um Unendlichkeit geht. Der aktuelle Film Entdeckung der Unendlichkeit von 2014
handelt vom Leben Stephen Hawkings. Dessen Lebensinhalt war, grob formuliert, die Suche
nach der Weltformel, nicht aber die Arbeit mit oder gar Entdeckung der Unendlichkeit. Hierbei handelt es sich nur um eine Irreführung durch den deutschen Titel, im Original heißt der
Film The Theory of Everything.12
In der Biologie begegnet man der Unendlichkeit in dem Gewand der Unsterblichkeit.
Damit ist gemeint, dass ein Organismus nicht dem Alterungsprozess unterliegt; der Tod durch
äußere Einflüsse ist dennoch möglich. Damit ist es dem Träger der Eigenschaft möglich, potentiell unendlich lange zu leben. Dazu gehören die meisten Bakterien und Einzeller wie etwa
die Amöbe. Diese Lebewesen führen bekannterweise Zellteilung durch, womit aus dem ursprünglichen Individuum zwei werden. Da dieser Prozess den Tod nicht kennt, wie er bei höheren Lebewesen auftritt, ergibt es also keinen Sinn, von Sterblichkeit zu sprechen. Damit
unterliegen Einzeller immer noch der Temperatur, dem Vorhandensein von Nahrung und so
weiter, aber man kann eine Amöbe unter optimalen Umständen durchaus als unsterblich bezeichnen. Störend ist bei diesem Bild nur, dass im Verlauf immer mehr Amöben entstehen
und man kein einzelnes, unsterbliches Individuum per se hat.
Ein zweites Beispiel ist daher die Qualle Turritopsis Nutricula. Vereinfacht gesprochen versetzt die Qualle sich immer wieder in einen früheren Lebenszustand zurück.13 Mit ihr
verglichen, könnte ein Mensch sich nach seinem 60. Geburtstag wieder in einen zwanzigjährigen verwandeln. Ein drittes Beispiel ist der Hummer. Er wächst sein ganzes Leben hindurch,
12
Vgl. Morali, Véronique, Die Entdeckung der Unendlichkeit, 2015,
<http://www.filmstarts.de/kritiken/222221.html>, Zugriff 06. 06. 2015.
13
Vgl. Van der Land, Jacob, World Register of Marine Species, Turritopsis nutricula, 2015,
<http://www.marinespecies.org/aphia.php?p=taxdetails&id=117440>, Zugriff 20. 06. 2015.
8
was eine typische Eigenschaft jugendlicher Lebewesen ist. Ursache ist das Enzym Telomerase, das die Chromosomen wieder herstellt und so den Alterungsprozess stoppt.14 Bis heute
sind sich noch nicht alle Biologen einig, ob es die beschriebene potentielle Unsterblichkeit
wirklich gibt. Womöglich wird mit jedem Teilungsprozess oder Wiederherstellungsprozess
etwas verbraucht, das jetzt noch unerforscht ist. Auch rein statistisch könnten sich Fehler bei
der Arbeit der Telomerase einstellen. Die Widerlegung der Unsterblichkeit erweist sich somit
leichter als ihr Beweis. Doch selbst wenn potentiell unsterbliche Lebewesen existieren sollten,
so kommt man damit dem bisher verwendeten Begriff der Unendlichkeit nicht nahe. Spätestens beim Ende der Erde und des Sonnensystems (oder, um Kritikern vorzubeugen, beim Ende allen Seins wegen des Auseinandertriftens der Materie) werden alle Lebewesen gestorben
sein. Auch wenn es noch Milliarden Jahre sind, von denen kein Mensch sich eine Vorstellung
machen kann, ist jede endliche Zahl klein im Vergleich zur Unendlichkeit. Zusammenfassend
nähert sich der zweite Bereich der Unendlichkeit nach menschlichem Gefühl schon viel besser an. Automatisiert bringen wir die größten, längsten oder kleinsten Größen mit dem Unendlichen zusammen. Dennoch wird bei jedem der vorgestellten Bereiche klar, dass eine
Annäherung an das Unendliche noch nicht das Unendliche selbst ist.
Der dritte Bereich wird von den geisteswissenschaftlichen Fächern Philosophie15 und
Religion gebildet. Man kann nicht leugnen, dass man sich der Unendlichkeit am besten über
die Vorstellung nähern kann, da es sie real um uns herum nicht gibt. Religiöse Vorstellungen
haben den Nachteil, dass sie sehr stark von den dazugehörigen Kirchen geprägt werden.
Interessanter ist daher die Philosophie, wobei gleichermaßen die Wissenschaft wie auch das
Unterrichtsfach gemeint sind. Wie sich im nächsten Kapitel herausstellen wird, war die Philosophie eine große Stütze im historischen Erkenntnisgewinn zur Unendlichkeit. Es stellt sich
nicht nur die Frage nach der ewigen Glückseligkeit, sondern auch, welche unendlichen Dinge
man sich überhaupt vorstellen kann. Neben der Unendlichkeit der Zahlen wird man beim
Nachdenken hauptsächlich auf endliche Körper, Mengen und Dinge treffen. Ist deren Verneinung dann unendlich? Wenn ein Würfel begrenzt ist, ist der Raum außerhalb des Würfels unendlich? Da man weiterhin Raum und Zeit theoretisch immer weiter teilen kann, sollte es zum
Beispiel zwischen zwei Zeitpunkten immer einen weiteren geben, was einer Anwendung der
unendlich vielen Zahlen in der Realität entspricht. Das waren nur einige Beispiele, um kurz
die Möglichkeiten aufzuzeigen, die sich der Philosophie bieten. In der Schulwirklichkeit
kommt im Philosophielehrplan die Unendlichkeit aber nicht vor. Vielmehr soll der Schüler in
14
Chen, Julian, Overview, < http://telomerase.asu.edu/overview.html>, Zugriff 20. 06. 2015.
Der Name des Faches weicht in den Schulen in vielen Bundesländern ab. In Thüringen heißt das Fach Ethik,
aber der Begriff Philosophie wurde wegen seiner trefflichen Ausdrucksstärke gewählt.
15
9
seinem Verhältnis zur Welt untersucht werden. In der Zielsetzung nimmt Kant eine besondere
Rolle ein, nach dessen vier Fragen die Ziele untergliedert sind.16 Damit begeben sich die
Schüler in die Erkenntnistheorie, ohne aber das Unendliche namentlich oder nur indirekt zu
erwähnen. Das ist insofern tragisch, da die Philosophie von allen bisher beschriebenen Fächern die beste Möglichkeit hätte, die Unendlichkeit in den Unterricht zu integrieren. Da sie
diese Aufgabe nicht übernimmt, kann und muss der Mathematikunterricht den gesamten Bereich der Vorstellung übernehmen. Das stellt formal kein Problem dar, da sich philosophische
und mathematische Gedanken zur Unendlichkeit überschneiden. Nicht zuletzt kann man Unendlichkeit selbst als ein mathematisch-philosophisches Thema auffassen. Der Schwerpunkt
dieser Arbeit wird durch den Bezug auf die Philosophie nicht verändert, vielmehr ist er als ein
weiterer Schlüssel zu sehen, um den Gegenstand didaktisch zu erschließen. Besonders die
Schüler, die mit Zahlen, Beweisen und Funktionen Berührungsängste haben, werden solche
Probleme zu schätzen wissen, selbst wenn die ein mathematisches Gewand tragen. Ein gutes
Beispiel für ein mathematisch-philosophisches Problem sind die Paradoxien des Zenon.17
In diesem Kapitel wurde deutlich, dass die Frage nach dem Unendlichen sehr wohl in
der Schule außerhalb des Mathematikunterrichts vorkommt, allerdings nur in indirekter Art
und Weise. Da die Unendlichkeit nicht selbst thematisiert wird, gibt es auch keine Definition
oder Abgrenzung. Das aufgetretene Problem der verschiedenen Bedeutungen des Begriffs
wird im nächsten Kapitel gelöst.
Die behandelten Fragen können nur als Einstieg in das Thema Unendlichkeit gesehen
werden. Mit den vorgestellten Fächern ist es also kaum möglich, dass die Schüler ein standfestes Konzept oder auch nur eine Vorstellung des Unendlichen entwickeln können. Allein
der Mathematikunterricht ist in der Lage, dieser Aufgabe mit klaren Definitionen, nachvollziehbaren Beweisen und logisch aufgebauten Modellen gerecht zu werden.
Damit konnte bis hierhin gezeigt werden, dass die Unendlichkeit im Alltagsleben und
in der Schule vorkommt. Damit ist die erste Frage aus der Einleitung beantwortet: Trotz der
eindeutigen Schülerrelevanz findet die Konfrontation mit dem Unendlichen per se im Unterricht nicht statt. Da der Mathematikunterricht für die Behandlung der Unendlichkeit prädestiniert ist, wird im Folgenden nur noch dieser behandelt. Bevor auf die didaktischen und fachspezifischen Besonderheiten eingegangen wird, bietet es sich an, den zeitlichen Werdegang
der Unendlichkeit in der Mathematik zu untersuchen.
16
Vgl. Thüringer Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Lehrplan für den Erwerb der allgemeinen
Hochschulreife, Ethik, Erfurt 2012, S. 15.
17
Vgl. Clegg, Brian, Pugh, Oliver, Introducing Infinity, London 2012, S. 19.
10
4.
Ein kurzer Abriss der Geschichte der Unendlichkeit
Dieser Abschnitt soll nicht nur die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Unendli-
chen darstellen, sondern sogleich den Begriff mathematisch definieren, wobei die unterschiedlichen Ansichten aufgezeigt werden, so wie sie sich historisch entwickelten.
Die Geschichte der Unendlichkeit zerfällt grob in drei Teile, die nun nacheinander
besprochen werden: Erstens die Antike, zweitens die Zeit vor Cantor und drittens die Zeit
nach Cantor. Es ist nicht genau auszumachen, wann Menschen das erste Mal ein Konzept von
der Unendlichkeit hatten, da nur schriftlich festgehaltene Quellen berücksichtigt werden können. Bei den Ägyptern und Babyloniern um 1800 v. Chr. tauchte ein Konzept vom Unendlichen noch nicht auf, da sie nur reine Anwendungsaufgaben behandelten. Denksportaufgaben
existierten bereits, aber sie hatten einen praktischen Bezug wie die Berechnung eines Feldes.
Probleme wie das Abzählen bis zu unendlichen Größen finden sich nicht. Daher gab es einen
endlichen Zählhorizont und Zahlen wie Pi zur Kreisberechnung wurden gerundet.18 Ähnlich
wie bei Pi verfuhren die Babylonier bei Brüchen. Das besondere an der Bruchrechnung ist,
dass je nach Zahlensystem schon bei einfachen Brüchen unendliche Längen auftauchen können, so ist
1
3
= 0.333 … im Dezimalsystem und so weiter. Im Sexagesimalsystem der Baby-
lonier tritt dieses Problem ab dem Nenner sieben auf. Die Babylonier haben den Nenner entweder weggelassen oder später kommentarlos durch eine Näherung ersetzt.19
Inwieweit die Griechen die ägyptische oder babylonische Mathematik kannten, ist
heute unbekannt. Die Herausbildung der griechischen Mathematik des 6. bis 4. Jahrhunderts
v. Chr. ist in den Elementen des Euklid zusammengefasst. Der Satz des Euklid, nachdem es
unendlich viele Primzahlen gibt, wird in Anwendung 2 bearbeitet. Interessant ist, dass Euklid
nicht schrieb, dass es unendlich viele Primzahlen gibt. Seine Formulierung besagt, dass es
mehr Primzahlen als jede vorgelegte, endliche Menge an Primzahlen gebe: Man kann zu einer
beliebigen, aber festgelegten Anzahl von Primzahlen immer eine weitere finden. Diese Auffassung des Unendlichen bezeichnet man als potentielle Unendlichkeit. Aristoteles verglich
diesen potentiellen Zustand mit den Olympischen Spielen: Die Spiele gibt es, aber man kann
sie nicht zeigen. (Die wenigen Wochen ausgenommen, in denen sie alle vier Jahre stattfinden.)20 Das Unendliche war für Aristoteles ein Prozess, der weiter gehen kann als jede festgelegte Grenze. Für ihn gab es nichts, das wirklich unendlich wäre, was man als aktuale Unend18
Vgl. Purkert, Walter, Vom Unendlichen in der Mathematik zur Mathematik des Unendlichen, in: Eifler, Günter, Saame, Otto, Schneider, Peter, Endlichkeit – Unendlichkeit, Mainz 1993, S. 136.
19
Vgl. ebenda, S. 137f.
20
Vgl. Clegg, Brian, Pugh, Oliver, Introducing Infinity, London 2012, S. 25.
11
lichkeit bezeichnet.21 Die Mathematik der Griechen ist untrennbar mit der griechischen Philosophie verbunden. Dahinter steckt wahrscheinlich die Idee, dass man etwas wie dem Unendlichen nur rein abstrakt begegnen kann, da es alle menschliche Erfahrung übersteigt.
Die Griechen erfassten teilweise den Unterschied zwischen sehr großen Zahlen und
dem Unendlichen, was nicht selbstverständlich ist. Etwa verglich Archimedes etwa 230 v.
Chr. für den König von Syrakus die Größe des Universums mit einem Sandkorn. Anstatt zu
behaupten, dass das Universum unendlich viel größer sei als das Sandkorn schätzte er die
Größe ab. Zuerst zählte er die Anzahl der Sandkörner, die einen Mohnsamen ausmachen,
dann die Mohnsamen, um eine fingergroße Kugel auszufüllen und so weiter. Schließlich kam
er darauf, dass man zum Füllen des Universums etwa 1051 Sandkörner brauche. Als Anmerkung ist festzuhalten, dass er ein sehr kleines Universum annahm, das etwa einen Radius von
der Sonne bis zum Saturn hätte. Darin enthalten ist die Annahme eines endlichen Universums.
Trotzdem konnte er hiermit zeigen, dass das Verhältnis endlicher Größen, seien sie noch so
verschieden, auch endlich beschrieben werden kann.22
Die Griechen kannten unendliche Zahlenfolgen, wobei
unendlich auch hier als potentiell unendlich zu verstehen ist. Demnach kann man bei einer Zahlenfolge immer weitere Zahlen angeben, wohingegen die vollständige Folge nie vorliegen kann. Zu den wichtigsten gehört die Folge der natürlichen Zahlen, die der geraden
Zahlen und die der Quadratzahlen. Die Griechen kannten auch interessante Folgen wie 𝑎 ≔
1
8
w
Abbildung 1
,… ,
1
2𝑛
1
1
,
1
2
,
1
4
,
. Addiert man die Folgeglieder, ist man beim
Begriff der Reihe. Durch ihre geometrische Herange-
hensweise kannten die Griechen den Grenzwert dieser Reihe. Wie in der Abbildung 1 gut zu
erkennen ist, ist die Summe der Glieder zwei. Hier setzt eine der Paradoxien des Zenos aus
dem 5. Jahrhundert v. Chr. an. Dazu betrachte man aus der Abbildung 1 nur die Strecke DC.
Angenommen, jemand möchte von D nach C kommen. Obwohl beide Punkte nur zwei Einheiten entfernt sind, kann man C nicht erreichen: Zuerst muss man von D zu E. Dann E zu F,
von F zu H und so weiter. Insgesamt gibt es unendlich viele Schritte. Wie soll man alle beschreiten können? Demnach sind alle Bewegungen sowie das Erreichen eines neuen Zeit21
Vgl. Purkert, Walter, Vom Unendlichen in der Mathematik zur Mathematik des Unendlichen, in: Eifler, Günter, Saame, Otto, Schneider, Peter, Endlichkeit – Unendlichkeit, Mainz 1993, S. 150.
22
Vgl. Clegg, Brian, Pugh, Oliver, Introducing Infinity, London 2012, S. 10.
12
punktes unmöglich. Ein Zuhörer Zenons soll nach seinem Vortrag aufgestanden und demonstrativ eine Runde gegangen sein. In anschaulicher Form, als Wettrennen zwischen Achilles
und einer Schildkröte, ist das Paradoxon in Anwendung 19 dargestellt.23
Die herausragende Leistung der Griechen in diesem Bereich ist die Entdeckung der irrationalen Zahlen durch die Phythagoreer. Diese philosophische Schule sah alles aus Zahlen
aufgebaut, wonach alles Harmonie und Zahl sei. Sie strebten nach Eintracht mit der Natur und
betrieben Zahlenmystik sowie Zahlentheorie. Sie sahen Zahlen als abstrakte Begriffe, so kann
eine Zahl eine Primzahl sein, eine gerade Zahl oder nichts davon. Wann genau und von wem
die Irrationalität entdeckt wurde, ist nicht bekannt. Die Phythagoreer wirkten vom 6. bis zum
4. Jahrhundert v. Chr., was den Zeitraum etwas einschränkt.24
Die Grundfrage, durch die sie der Irrationalität begegneten, war die Frage nach dem
Maß zweier Strecken. Gesucht ist eine Strecke 𝑚 für die Strecken 𝑎 und 𝑏, sodass 𝑎 und 𝑏
ganzzahlige Vielfache von 𝑚 sind. In der Abbildung 2 ist das für Strecken der Länge
8 𝐿𝐸 und 6 𝐿𝐸 dargestellt, deren Maß 2 𝐿𝐸 ist.
Abbildung 2
Zu finden ist dieses Maß zum Beispiel mit dem euklidischen Algorithmus. Schon bei
einer einfachen Figur kommt man auf eine schwierige Frage: Welches Maß haben die Quadratseite und die Quadratdiagonale? Hier hätten die Griechen eine Größe schätzen können,
wie es die Ägypter oder Babylonier getan hätten. Nimmt man für ein reales Quadrat mit einem Meter Seitenlänge ein Maß von einem Millimeter, so lässt sich die Frage genauer beantworten, als es in der Baukunst notwendig wäre. An der Stelle hätten die Griechen davon ausgehen können, dass es mit einem wirklich feinen Maß möglich sei, das Verhältnis exakt zu
bestimmen. Wie im Beweis der Irrationalität von √2 in Anwendung 10 hervorgeht, gibt es
jedoch kein gemeinsames Maß für beide Längen.
Genau das haben die Pythagoreer erkannt, und sie waren alles andere als erfreut darüber. Eine Zahl, die sich der Vorstellung entzieht oder nach modernem Verständnis unendlich
23
Vgl. Clegg, Brian, Pugh, Oliver, Introducing Infinity, London 2012, S. 19.
Vgl. Purkert, Walter, Vom Unendlichen in der Mathematik zur Mathematik des Unendlichen, in: Eifler, Günter, Saame, Otto, Schneider, Peter, Endlichkeit-Unendlichkeit, Mainz 1993, S. 141f.
24
13
viele aperiodische Dezimalstellen hat, passte nicht in ihr harmonisches Weltbild. Sie fürchteten sich vor Apeiron, dem Unendlichen und Unbestimmten. Das von Anaximander von Milet
geprägte Wort besaß eine negative Konnotation wie für uns die Wörter Chaos oder Untergang. Auch wenn sie erste Beweise verstanden und in das Thema vordrangen, so war es für
sie doch mysteriös und unheimlich.25 Der Legende nach sollen sie sogar einen der ihren,
Hippasos von Metapont, ertränkt haben, weil er das Geheimnis der irrationalen Zahlen außerhalb ihres Kreises erzählte. Viel wahrscheinlicher ist aber, dass es einen politischen Konflikt
gab. Dennoch macht die Überlieferung dieser Geschichte deutlich, welche immense Bedeutung dieser Entdeckung zugeschrieben werden kann.26
Lange Zeit gab es keine wichtigen Offenbarungen zur Unendlichkeit, wobei kleinere
Schritte hier unberücksichtigt bleiben müssen. Wichtige Punkte führte Galileo in seinem
Hauptwerk Discorsi auf, das er während seines Hausarrests schrieb. Da er im katholischen
Raum eine schwierige Stellung hatte, kam es über Umwege 1635 an die Öffentlichkeit. Hier
sollen seine wichtigsten Gedanken wiedergegeben werden.27 Beginnend eine interessante
Überlegung: Wenn man eine Kugel oder einen Kegel (nicht durch die Grundfläche) zerteilt,
entstehen zwei ovale Schnittflächen, die gleich groß sind. Nun setze man die Schnitte so an,
dass davon mehr zur Spitze des Kegels oder zu einem beliebigen Rand der Kugel gehen.
Dadurch werden die ovalen Flächen kleiner. Was geschieht am Ende? Offensichtlich trennt
man einen einzelnen Punkt ab, aber die Schnittfläche wird wieder ein Oval sein - ein offensichtlicher Widerspruch. Auch zählte Galileo verschiedene Mengen wie die der Quadratzahlen. Er kam zu dem Schluss, dass es kleinere und größere Unendlichkeiten gibt, die aber
dieselbe Anzahl beschreiben können. Damit sind die Worte größer und kleiner natürlich nicht
mehr im herkömmlichen Sinne zu verwenden, sondern nur Schein.28
Die entscheidenden Größen in der mathematischen Entwicklung des Unendlichen waren Newton und Leibniz mit der Differential- und Integralrechnung. Beide entwickelten ihre
Ideen relativ unabhängig voneinander. Leibniz wusste von Newtons Arbeit durch ihren Briefverkehr und entwickelte seine Methode später, aber veröffentlichte sie früher. Auch wurde er
bekannter in diesem Bereich, da seine Notation einfacher war. Zwar gab es vor diesen beiden
Mathematikern mit Descartes, Cavalieri oder Fermat im 17. Jahrhundert andere große Mathematiker, denen aber ein inhaltliches Kalkül fehlte, ebenso schien es zwischen vielen ihrer
Probleme keinen Zusammenhang zu geben. Das änderte die Infinitesimalrechnung. Da die
25
Vgl. Clegg, Brian, Pugh, Oliver, Introducing Infinity, London 2012, S. 22.
Vgl. ebenda, S. 36.
27
Vgl. ebenda, S. 52.
28
Vgl. ebenda, S. 56f.
26
14
historischen Überlegungen zu unendlich kleinen Größen von Newton und Leibniz sehr interessant sind, werden sie in Anwendung 22 untersucht.29 Ihre Methoden zeichneten sich in
erster Linie dadurch aus, dass sie funktionierten. In der Rechnung kommen unendlich kleine
Größen vor, die größer als null sind, aber an späterer Stelle wegen ihrer unbedeutenden Größe
weggelassen werden. Der bedeutendste Kritiker der unzureichenden Begründung der Infinitesimalrechnung war 1734 der Bischof Berkeley. Der erklärte etwas höhnisch, dass eine unbestimmte, kleine Größe in der Theologie nie vorkommen würde: Die Argumentation sei zu
widersprüchlich.30 Dieser scheinbare Widerspruch konnte erst dadurch gelöst werden, dass
ein sauberer Grenzwertbegriff und die Theorie der reellen Zahlen im 19. Jahrhundert zusammentrafen. Die reellen Zahlen besaßen bis dahin noch keine arithmetische Theorie, das heißt,
es war nicht möglich, exakt zu sagen, was unter einer irrationalen Zahl zu verstehen sei.
Diese neuesten Erkenntnisse der Unendlichkeit sind Cantor zu verdanken, der dabei
auf Bolzano aufbaut. Die Lösung bestand darin, mit unendlichen Mengen zu arbeiten. Somit
ist eine reelle Zahl ein gedachtes Objekt, das durch eine Menge von unendlich vielen rationalen Zahlen definiert wird. Der Umfang dieser Arbeit reicht nicht aus, um auf alle Einzelheiten
der modernen Unendlichkeitsrechnung einzugehen.31 Cantor beschäftigte sich neben der Mathematik auch mit Shakespeare, Philosophie und katholischer Theologie. Sein Steckenpferd
war die Mengenlehre, die er Mannigfaltigkeitslehre nannte und zwischen 1874 und 1897 entwickelte. Die Grundidee dabei bilden bijektive Abbildungen. So konnte er zeigen, dass gewisse Mengen wie die der rationalen gleichmächtig zu den natürlichen Zahlen sind, andere
wie die der reellen Zahlen dagegen nicht.32
Viele mathematische Vorlesungen zur Mengenlehre beginnen mit seiner Definition:
„Unter einer ‚Menge‘ verstehen wir jede Zusammenfassung M von bestimmten wohlunterschiedenen Objekten m unserer Anschauung oder unseres Denkens (welche die ‚Elemente‘
von M genannt werden) zu einem Ganzen.“33 Cantors Forschung ging weit über die Einführung der Mengenlehre hinaus. Er zeigte, dass die Mächtigkeit des Kontinuums der eines
Quadrates und der eines Würfels entspricht, was Cantor selbst mehr zum Nachdenken anregte
als seine Unterscheidung der abzählbaren und überabzählbaren Unendlichkeit. Weiterhin
baute er eine Hierarchie des Unendlichen auf: Die Mächtigkeit der natürlichen Zahlen bezeichnete er als ‫א‬0 , gesprochen „Aleph-Null“ nach dem ersten Buchstaben des hebräischen
29
Vgl. Purkert, Walter, Vom Unendlichen in der Mathematik zur Mathematik des Unendlichen, in: Eifler, Günter, Saame, Otto, Schneider, Peter, Endlichkeit-Unendlichkeit, Mainz 1993, S. 151f.
30
Vgl. ebenda, S. 159.
31
Genauere Informationen finden sich zum Beispiel in Arens, Tilo, et al., Mathematik, Heidelberg 2013.
32
Vgl. Clegg, Brian, Pugh, Oliver, Introducing Infinity, London 2012, S. 101.
33
Deiser, Oliver, Einführung in die Mengenlehre, Berlin 2010, S. 13.
15
Alphabets. Die Mächtigkeit der Potenzmenge der natürlichen Zahlen ist größer, sie bezeichnete er mit 2‫א‬0 . Davon kann man wieder die Potenzmenge bilden und so weiter, und so immer
mächtigere Unendlichkeiten erhalten. Eine zweite Möglichkeit ist, nach ‫א‬0 die nächstgrößere
Mächtigkeit mit ‫א‬1 zu bezeichnen, dann ‫א‬2 und so weiter. Die schülergerechte Umsetzung
findet sich in Anwendung 8.
Es gab nun drei Möglichkeiten, unendliche Mengen zu definieren: Erstens die Verneinung: Eine Menge ist unendlich, wenn sie nicht endlich ist. Zweitens der Vergleich: Eine
Menge ist unendlich, wenn es keine endliche Menge gibt, zu der sie gleichmächtig ist.
Drittens die Version nach Dedekind: Eine Menge ist unendlich, wenn sie zu einer echten
Teilmenge gleichmächtig ist.34 Alle Definitionen werden im Folgenden verwendet. Dedekind
stand mit Cantor in Briefwechsel und ist für den Beweis der Überabzählbarkeit der reellen
Zahlen mitverantwortlich, daher hätte er hier ebenso in den Mittelpunkt gestellt werden können. Cantor ist allerdings in weit mehr Bereiche involviert, die schülerrelevant sind, wie seine Bijektionsbeweise verschiedener Zahlenmengen. Seine Person ist damit für diese Arbeit
interessanter. Cantors Arbeit führte ihn zur Kontinuumshypothese: Es gibt keine Menge, deren Mächtigkeit zwischen der Mächtigkeit der natürlichen und der Mächtigkeit der reellen
Zahlen liegt. Die Mächtigkeit des Kontinuums bezeichnete Cantor mit ‫ 𝑐א‬und er fand heraus,
dass diese Mächtigkeit der Potenzmenge der natürlichen Zahlen (2‫א‬0 ) entspricht. Alternative
Formulierungen sind daher ‫א = 𝑐א‬1 oder 2‫א‬0 = ‫א‬1 .
Diese neuen Gedanken Cantors waren nichts für mathematische Puristen wie
Kronecker. Sein Ausspruch von 1886 bei der Berliner Naturforscher-Versammlung bringt das
zum Ausdruck: „Die ganzen Zahlen hat der liebe Gott gemacht, alles andere ist Menschenwerk.“35 Seine Kritik war rein dekonstruktiv und verschlimmerte Cantors Depressionen ebenso wie der Tod Cantors jüngsten Sohnes. 1918 verstarb Cantor im Sanatorium.36
Gödel bewies 1938 mit seinem Unvollständigkeitssatz, dass es in jedem mathematischen System Probleme gibt, die unmöglich zu lösen sind. Weiterhin lasse sich die Kontinuumshypothese aus der Mengenlehre nicht widerlegen. Erst in den 1960ern zeigte Cohen, dass
sie sich auch nicht beweisen lässt. Das bedeutet, man kann sowohl die Kontinuumshypothese
wie auch ihre Negation als weiteres Axiom zur Mengenlehre hinzufügen!
Wie der Überblick vermuten lässt, hat sich der Begriff des Unendlichen mehrmals
gewandelt: Seit der Antike und durch das Mittelalter überwog der Begriff der potentiellen
34
Vgl. Purkert, Walter, Vom Unendlichen in der Mathematik zur Mathematik des Unendlichen, in: Eifler, Günter, Saame, Otto, Schneider, Peter, Endlichkeit-Unendlichkeit, Mainz 1993, S. 162f.
35
Weber, H, Leopold Kronecker, in: Jahresbericht der Deutschen Mathematiker-Vereinigung 2 (1893), S. 19,
Online-Version, <http://gdz.sub.uni-goettingen.de/dms/load/img/?IDDOC=245785&p=1>, Zugriff 17. 06. 2015.
36
Vgl. Clegg, Brian, Pugh, Oliver, Introducing Infinity, London 2012, S. 101-132.
16
Unendlichkeit, dem Aristoteles, Thomas von Aquin und sogar Gauß anhingen. Das aktual
Unendliche wurde kaum, und wenn, dann nur für Gott selbst verwendet. Erst mit Cantor kann
man von einem Eingang des aktual Unendlichen in die Mathematik sprechen. Besser als diese
zwei Begriffe sind die folgenden vier geeignet, um die heutigen Haltungen zu charakterisieren: Der Ultrafinitismus lehnt alle Unendlichkeitsbegriffe ab. Der Finitismus akzeptiert ausschließlich das potentiell Unendliche. Der Konstruktivismus akzeptiert das aktual Unendliche,
aber nur für operativ abgeschlossene Mengen wie die natürlichen Zahlen. Der Platonismus
akzeptiert das aktual Unendliche durchgehend.37 Die Unterscheidung ist für die Meinungsbildung der Schüler wichtig, was in den Anwendungen 18 und 30 diskutiert wird. Der Grundton
dieser Arbeit ist konstruktivistisch mit leichter Orientierung zum Platonismus. Letztendlich
sind die Anwendungen so frei konzipiert, dass mit allen Schüleransichten außer dem Finitismus gearbeitet werden kann. Wenn Schüler in der Klasse sein sollten, die sich konstruktiv
gegen jegliche Arbeit mit dem Unendlichen wehren, so fördert das die Diskussion. Versuchen
Schüler dagegen mit einer dekonstruktiven Arbeitshaltung, dem Unterricht zu entgehen, so ist
dagegen selbstredend vorzugehen. Grundsätzlich ist an keiner Ansicht der Schüler etwas auszusetzen, solange es sich nicht offensichtlich um Fehlkonzepte handelt.
Obwohl die Geschichte möglichst genau nachgezeichnet werden sollte, mussten auf
Grund der schieren Faktenmenge Abstriche gemacht werden. Einerseits sollte durch die Verweise auf spätere Kapitel klar geworden sein, an wie viele historische Probleme der Unendlichkeit die Schulmathematik anknüpfen kann. Andererseits kann man diesen historischen
Ausflug auch mit Schülern unternehmen: Selbst wenn Mathematikunterricht nicht Geschichte
ist, so wird es die jüngeren Schüler interessieren, warum die Griechen dem Unendlichen misstrauisch oder sogar furchtsam begegneten. Die älteren Schüler können mit der Kontinuumshypothese angesprochen werden, wie es zu ihrer Formulierung kam oder was man von der
widersprüchlichen Beantwortung sagen soll. Welche Möglichkeiten das Unendliche bietet,
um in den Unterricht integriert zu werden, soll nach einer kurzen Analyse des Lehrplans in
30 Anwendungen gezeigt werden.
37
Vgl. Heuser, Harro, Unendlichkeiten, Wiesbaden 2008, S. 14.
17
5.
Der Lehrplan Mathematik in Thüringen
Die natürlichen Zahlen, Brüche, Folgen, Reihen, Wahrscheinlichkeit, Integralrech-
nung, Differentialrechnung… In der Mathematik gibt es viele Themen, die das Unendliche in
der einen oder anderen Form benötigen. Betrachtet man aber den Lehrplan, so scheint die
Unendlichkeit auf den ersten Blick keine Rolle zu spielen: Das Wort selbst und nicht einmal
eine Komposition davon tauchen im Lehrplan auf.38 Die Formulierung „Unendlichkeit“ wird
umgangen, aber auf drei andere Arten findet sich der Eingang in den Lehrplan, die hier
exemplarisch gezeigt werden: Erstens gibt es die stillschweigende Verwendung, wie in „Der
Schüler kann geometrische Grundbegriffe (Punkt, Strecke, Strahl, Gerade, Abstand, Winkel)
sinnvoll verwenden.“39 Eine sinnvolle Verwendung ist auch möglich, ohne die Begriffe wirklich zu verstehen oder zu hinterfragen. Womöglich wird bei der sinnvollen Verwendung von
der Fähigkeit ausgegangen, sie richtig zu bezeichnen. Für den Mathematikunterricht am
Gymnasium ist das definitiv zu wenig. Eine Gerade kann ohne Erfassen ihrer unendlichen
Länge nicht durch den Schüler erfasst werden.
Zweitens gibt es die indirekte Verwendung: „Der Schüler kann die Ableitung einer
Funktion als lokale Änderungsrate und als Differenzialquotient beschreiben, erläutern und
geometrisch als Tangentenanstieg interpretieren.“40 Solche Ziele sind nur umsetzbar, wenn
die Schüler ein klares Konzept unendlich kleiner Größen haben. Drittens gibt es die direkte
Verwendung: „ Der Schüler kann das Verhalten von Funktionen an den Rändern des Definitionsbereiches untersuchen, dabei den Grenzwertbegriff aus der Anschauung heraus erklären
und die Grenzwertschreibweise 𝑙𝑖𝑚𝑥→±∞ 𝑓(𝑥) bzw. 𝑙𝑖𝑚𝑥→𝑥0 𝑓(𝑥) verwenden.“41 Hier
kommen die Lemniskate beziehungsweise die unendlich kleine Größe 𝑥0 − 𝑥 zwar explizit
vor, aber thematisiert werden sie nicht. Der Grenzwert ist das einzige Thema, bei dem die
Unendlichkeit direkt (aber nicht explizit) vorkommt.
In diesem Abschnitt soll nun untersucht werden, wo genau die in dieser Arbeit vorgestellten Themen in den Lehrplan integriert werden können. Hier lohnt sich der erste Blick auf
die Lernkompetenzen. Von den sechs mathematischen Kompetenzen werden Mathematisch
argumentieren (K1), Probleme mathematisch lösen (K2) und Mathematisch kommunizieren
(K6) bedient. Das Argumentieren geht mit dem Problemlösen einher, wenn zum Beispiel Paradoxien wie Hilberts Hotel besprochen werden. Das Kommunizieren meint vor allem,
38
Vgl. Thüringer Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Lehrplan für den Erwerb der allgemeinen
Hochschulreife, Mathematik, Erfurt 2013.
39
Ebenda, S. 17.
40
Ebenda, S. 40.
41
Ebenda, S. 28.
18
die Probleme der Unendlichkeit sachgerecht und verständlich wiedergeben oder verschriftlichen zu können. Dagegen ist mathematisches Modellieren im Lehrplan auf realitätsnahe
Situationen bezogen. Die Verwendung mathematischer Darstellungen (wie Tabellen) und das
symbolische Umgehen mit der Mathematik verstehen sich von selbst, stehen aber in den
Anwendungen nicht so sehr im Vordergrund wie die ersten drei Kompetenzen. Insgesamt
bietet sich für die Unendlichkeit besonders das problemorientierte Argumentieren an. 42 Durch
die Auswahl bestimmter mathematischer Kompetenzen wird die Arbeitsweise eingeschränkt,
die Themenzuordnung aber noch nicht begründet. Daher soll nun das zweite Kompetenzmodell des Lehrplans herangezogen werden.
Vom Thüringer Kompetenzmodell ist nur die Sachkompetenz ausschlaggebend, um
die Themen einzuordnen. Inwiefern ein Bereich Methoden-, Sozial- oder Selbstkompetenz
fördert, wird in den einzelnen Themen grob besprochen; der erfolgreiche Kompetenzerwerb
liegt hier vor allem an der Aufarbeitung des Lehrers.
43
Der Thüringer Lehrplan fasst jeweils
zwei Klassen zusammen und unterteilt so die Sachkompetenz in die Altersgruppen 5/6, 7/8,
9/10 und die Thüringer Oberstufe. In sich sind die die ersten drei Altersstufen viergeteilt:
Arithmetik/Algebra – mit Zahlen, Variablen und Symbolen umgehen, Funktionen – Beziehungen/Veränderungen erkunden, beschreiben und darstellen, Geometrie – ebene und räumliche Strukturen nach Maß und Form erfassen und Stochastik – mit Daten und Zufall arbeiten.
Die Oberstufe hat nur drei Themenbereiche: Analysis, Vektorrechnung/Analytische Geometrie und Stochastik.44
Damit ergeben sich 15 Bereiche, was für diese Arbeit zu unübersichtlich wäre. Die
Unendlichkeit wird besonders in den ersten Jahren am Gymnasium durch unendliche Mengen
und in der Oberstufe durch die Infinitesimalrechnung thematisiert. Daher werden die Klassen
7-10 zusammengelegt. Außerdem wird die Dreiteilung der Oberstufe allgemein verwendet
und die Themen aus dem Bereich Funktionen werden passend zugeordnet. Vektorrechnung/Analytische Geometrie meint außerhalb der Oberstufe dann nur die Geometrie und wird
auch so bezeichnet. Damit ergeben sich neun Bereiche. Wie im Lehrplan werden sie zuerst
nach der Klassenstufe, dann erst nach dem Bereich untergliedert.
In der Altersgruppe 5/6 wird zunächst Analysis betrachtet. In dieser Altersstufe werden immer größere Zahlen bis zu einer Billion benannt. Ein Blick auf weitere Namen und die
potentiell unendlichen Namensmöglichkeiten bietet sich also an. Es folgen natürliche, gebrochene und negative Zahlen, deren Gleichmächtigkeit mit Hilberts Hotel betrachtet werden
42
Vgl. ebenda, S. 7-10.
Vgl. ebenda, S. 6f.
44
Vgl. ebenda, S. 3f.
43
19
kann. Die Schüler sollen bereits Muster bei Zahlen und Figuren erkennen, weshalb bereits
einfache Folgen bearbeitet werden können. In der Geometrie sind zuerst Grundbegriffe wie
Strecke oder Punkt zu klären, daraufhin können freie Überlegungen zu geometrischen Figuren
angestellt werden: Wenn man die Eckenzahl des regelmäßigen Vielecks erhöht, ergibt das
irgendwann einen Kreis? Und ist eine Gerade vielleicht ein unendlich großer Kreis? Die Einführung der irrationalen Zahlen wird am Quadrat erklärt. Die Stochastik ist bis zur 6. Klasse
spärlich und behandelt lediglich das Erfassen und einfache Auswerten von Daten. Hier bietet
sich keine Verwendung des Unendlichen an.
In der Altersgruppe 7-10 folgt die Erweiterung von ℚ auf ℝ, auch wieder mit Hilberts
Hotel. Außerdem werden Potenzmengen und der grafikfähige Taschenrechner genauer betrachtet. Den Analysisabschnitt schließt eine allgemeine Arbeitsanregung zur Unendlichkeit
ab. In der Geometrie werden die irrationalen Zahlen über die Diagonale des Quadrates eingeführt sowie Kurvendiskussionen und lineare Gleichungssysteme anschaulich betrachtet. Zum
Abschluss erfolgt eine spielerische Schatzsuche in der Kreiszahl. Die Stochastik wird mit
Anwendungen zu den Grundbegriffen und wichtigen Paradoxien bereichert. Auch der Zufall
wird mit einer Anwendung bedacht.
In der Oberstufe ist die Hauptaufgabe der Analysis, die Differentialrechnung und Integralrechnung schülergerecht zu erklären. Dazu ist das Verständnis von Folgen, Reihen und
Grenzwerten maßgeblich. Die Geometrie beginnt mit einer Erfassung von Asymptoten und
Polstellen als geometrische Besonderheiten. In einem zweiten Abschnitt wird erklärt, wie
Grenzwerte bildlich analysiert werden können. Die Integralrechnung wurde in den Bereich
Geometrie verschoben, da die Anschauung und Interpretation als Fläche überwiegen. Gabriels
Horn und die Erweiterung für Hilberts Hotel schließen die Geometrie zur Unendlichkeit ab. In
der Stochastik werden Kombinatorik und Normalverteilung mit dem Unendlichen verknüpft.
Alle kurz beschriebenen Themen sind in der nachfolgenden Tabelle aufgeführt und
mit der Nummer des jeweiligen Abschnittes versehen, wie sie in Kapitel 7 vorkommen. In
den Spalten sind die drei Themenkomplexe, in den drei Zeilen die Altersgruppen angeordnet.
Es ergeben sich ungefähr zehn Anwendungen pro Altersgruppe.
20
Analysis
Geometrie
1. Zahlennamen
5. Geometrische Grundbegriffe
2. Die Zahlenbereiche
6. Geometrie neu betrachtet
Stochastik
5-6
ℕ und ℤ oder Hilberts
Hotel I
3. Der Zahlenbereich ℚ
oder Hilberts Hotel II
4. Einfache Folgen und
Mustererkennung
7-10
7. Der Zahlenbereich ℝ
8. Höhere Unendlichkeiten und Potenzmengen
9. Der Taschenrechner
10. Die Diagonale des Quadrates oder Wurzel 2
11. Kurvendiskussion I oder
Nullstellen und Verhalten im
Unendlichen
12. Lineare Gleichungssysteme
13. Die Schatzsuche in π
14. Grundbegriffe
der Stochastik
15. Das Mitternachtsparadoxon
16. Casinoparadoxien
17. Der Zufall
18. Unendlichkeit I
11-12
19. Folgen und Grenzwerte
20. Reihen
21. Die Grenzwertschreibweise
22. Einführung in die
Differentialrechnung
23. Kurvendiskussion II oder
28. Kombinatorik
Asymptoten und Polstellen
29. Von der Bino-
24. Folgen, Reihen und Grenzwerte geometrisch
mialverteilung zur
Normalverteilung
25. Einführung in die Integralrechnung
26. Gabriels Horn
27. Hilberts Hotel III
30. Unendlichkeit II
Abbildung 3
21
6.
Arbeitsweise
In diesem letzten Kapitel vor den eigentlichen Anwendungen sollen didaktische
Gedanken zur Psychologie vorgestellt werden, die die darauf aufbauende Struktur begründen.
Dabei gibt es keine vorbestimmte Lehr-Lerntheorie, die notwendig für die erfolgreiche Umsetzung ist. Der Lehrer sollte sich dennoch im Klaren über die beiden bekanntesten Theorien
der Informationsverarbeitung sein. Die erste ist die Perspektive des aktiven Tuns. Sie misst
dem aktiven Problemlösen die wichtigste Bedeutung beim Erwerb von Wissen bei. Die Schüler sollen Gelegenheit bekommen, Verhalten zu zeigen, dass bekräftigt wird, wenn es erwünscht ist. Die Perspektive gilt als veraltet, da heute nicht mehr das Einüben von richtigen
Antworten, sondern das vernetzte Denken im Vordergrund steht. Piaget baute seinen Konstruktivismus auf dieser Grundidee auf. Der Wunsch, aktiv auszuprobieren, besteht bei vielen
Schülern und kommt im Frontalunterricht nicht zum Tragen. Für die Unendlichkeit gibt es
viele Anwendungsbeispiele, bei denen die Schüler sich ausprobieren können und Fehler machen sollen. Nur so lässt sich etwa die Erweiterung von Hilberts Hotel in Anwendung 27 im
Unterricht einsetzen. Die zweite Perspektive ist die der aktiven Informationsverarbeitung.
Hier ist nicht das sichtbare Tun, sondern die aktive Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand im Kopf ausschlaggebend. Diese Perspektive wird von den meisten Lehr-LernForschern präferiert. Lernenden kann Wissen demnach nicht direkt vermittelt werden,
sondern sie müssen die Informationen aktiv interpretieren.45
Diese Position ist für die meisten Anwendungen einzunehmen, da die Unendlichkeit,
wenn überhaupt, nur mental erfasst werden kann. Dabei darf für dieses anspruchsvolle Thema
aber keine der Perspektiven aus den Augen verloren werden, da manche Schüler von dieser
geistigen Aufgabe überfordert sein werden. Für diesen Fall und ebenso zur allgemeinen Veranschaulichung wurden für diese Arbeit verschiedene Hilfsmittel entwickelt beziehungsweise
zusammengestellt: Die Bauplattform, U-Zahlen und die Paradoxien.
Bei der Bauplattform handelt es sich um eine Platte und etwa 50 möglichst würfelförmige und eventuell mehrfarbige Bausteine. Die Idee orientiert sich an Fröbels Spielgaben.
Dessen Idee war es, schon Kinder an Körper heranzuführen. Die „Dritte Spielgabe“ war ein
Würfel, der aus acht Würfeln mit halber Seitenlänge bestand. So sollten die Kinder verstehen,
dass man Körper zerteilen beziehungsweise aus mehreren neue Körper erzeugen kann.46
45
Vgl. Renkl, Alexander, Wissenserwerb, in: Wild, Elke, Möller Jens, Pädagogische Psychologie, Heidelberg
2009, S. 7f.
46
Vgl. Schradi, Mirjam, 3. Spielgabe, 2015, <http://www.friedrich-froebel-online.de/s-p-i-e-l-g-a-b-e-n/3spielgabe/>, Zugriff 19. 06. 2015.
22
Mit einer Seitenlänge von 5 𝑐𝑚 pro Baustein sind die Fröbelgaben zu groß, um sie auf jedem
Schülerpult zu verwenden, aber sehr anschaulich. Direkt auf Fröbel bauen die Ankersteine
auf, die sich nur durch ihr Material unterscheiden und durch ihr Eigengewicht auf Noppen
verzichten können. Leider sind sie wie die Fröbelgaben sehr teuer in der Anschaffung und
genauso groß wie sie.47 Als am praktikabelsten erwiesen sich Legosteine, die durch ihre Noppen aufeinander halten, also im Unterricht nicht so leicht umfallen. Mit 15 𝑐𝑡. pro Stück, also
7,50 € für 50 Steine, sind sie noch erschwinglich, wenn die meisten Schüler nicht ohnehin
genügend Steine bei sich zuhause haben. Dafür sind sie mit 3cm x 3cm x 2cm leider nur annähernd würfelförmig. Zudem gibt es von Lego bereits Platten, die man verwenden kann. Für
die anderen Steine müsste man eine beliebige Unterlage mit einem Karomuster versehen, das
die Maße der Steine hat.48
Um markenrechtlich keine Schwierigkeiten zu bekommen, empfiehlt es sich, den
Schülern verschiedene Steine vorzuschlagen und ihnen, ähnlich den sonstigen Arbeitsmaterialien, die Auswahl selbst zu überlassen. Legosteine werden sicherlich am häufigsten verwendet
und so dienen sie auch hier als Beispiel. Die Abbildung zeigt, wie eine Platte mit der beschriebenen Anzahl Steine aussehen kann.
Abbildung 4
Die Steine sind für alle beschriebenen Aufgaben zu Hilberts Hotel notwendig und für
alle Aufgaben hilfreich, in denen abzählbar unendliche Mengen vorkommen. Der Vorteil ihrer
Verwendung wird sich bei der ersten Aufgabe zeigen.
47
Vgl. Schradi, Mirjam, Holzbausteine im Baukasten, <http://www.friedrich-froebel-online.de/bausteine-undbaukl%C3%B6tze/ankerstein/>, Zugriff 20. 06. 2015.
48
The LEGO Group, 2013, <http://shop.lego.com/de-DE/Pick-A-Brick11998;jsessionid=7C3356240734873DA2A59179D437B262.lego-ps6?fromListing=listing>, Zugriff
19. 06. 2015.
23
Mit den Unendlichkeits- oder U-Zahlen ist das „falsche“ Rechnen gemeint, das weitere Symbole wie das für eine unendlich große Zahl verwendet. Kann eine falsche Symbolspra𝑥
che überhaupt zielführend sein? Man betrachte die gewöhnliche Differentialgleichung 𝑦 ′ = 𝑦 .
𝑑𝑦
𝑥
Schreibt man sie in der Form 𝑑𝑥 = 𝑦, so kann man mit 𝑑𝑥 multiplizieren, als ob es eine Variable wäre. Die Gleichung 𝑦𝑑𝑦 = 𝑥𝑑𝑥 lässt sich nun einfach durch Integrieren und Umstellen
1
lösen: 𝑦 = 2 𝑥 2 + 𝐶 für 𝐶 ∈ ℝ. Ebenso kann man einige Probleme nur mit Hilfe von komplexen Zahlen lösen, bei denen man dann aber eine reelle Lösung erhält. In der Mathematik kann
man die Pfade zuweilen verlassen und trotzdem sicher ans Ziel kommen. Die nun hier vorgeschlagene Symbolsprache ist eine Abwandlung der hyperreellen Zahlen aus der Nichtstandard-Analysis.49 Der Schwerpunkt liegt dabei nicht auf der mathematischen Sauberkeit,
sondern darauf, dass die Schüler lernen zu formalisieren und zu diskutieren. Im Weiteren
werden diese Zahlen als U-Zahlen bezeichnet.
Zuerst wird eine Zahl α definiert, die eine positive Zahl größer als null ist, aber kleiner
als jede positive, reelle Zahl: ∀ 𝑥 ∈ ℝ+ : 0 < 𝛼 < 𝑥. In Worten ist Alpha eine unendlich kleine
Zahl. Die Schüler können nun versuchen herauszufinden, welche Rechenregeln für Alpha
gelten. Wie bei den Paradoxien wird es Widersprüche geben. Diese Zahl hat damit fast die
Eigenschaften der Null: Gilt 𝑥 + 𝛼 = 𝑥 ? Solche Fragen werden an passender Stelle diskutiert. Die weiteren Zahlen sind ∞ (Unendlich) und ∞ (Unendlich mit Unterstrich). Ob alle
Zahlen einzeln diskutiert oder zusammen eingeführt werden, liegt im Ermessen des Lehrers.
• Es sei 0 die kleinste aller nichtnegativen, reellen Zahlen.
• Es sei 𝛼 eine unendlich kleine Zahl größer null.
• Es sei ∞ Unendlich50 als Zahl wie auch als Anzahl.
• Es sei ∞ ein größeres Unendlich als ∞.
Die Verwendung von Unendlich als Zwitter zwischen Anzahl und Ordnungszahl ist nicht mathematisch korrekt, aber zielführend. Auch die Unterscheidung von Kardinal- und Ordinalzahlen hätte ihre Vorteile, doch bei der Aufarbeitung der Mathematik der Unendlichkeit für
die Schule ergab sich, dass die Aufteilung für die Anwendungen überflüssig ist. Streng genommen ist Unendlich keine Zahl, aber wenn Schüler mit ihr wie mit einer Zahl hantieren,
verbessert das ihr Verständnis. Die Schreibweise für die Mächtigkeit von Mengen wurde
ebenfalls schülerfreundlich kurz gefasst, zum Beispiel |ℕ| = ∞ oder |ℝ| = ∞ > ∞.
Das soll keinen Frevel an der Mathematik darstellen, sondern den Zugang für die Schüler ver-
49
50
Vgl. Clegg, Brian, Eine kleine Geschichte der Unendlichkeit, Hamburg 2015, S. 298f.
Zur Kenntlichmachung erfolgt hier die Großschreibung.
24
einfachen. Der Lehrer muss selbst entscheiden, ob er diese symbolische Veranschaulichung
nutzen will. Die Möglichkeiten sind in den jeweiligen Aufgaben angegeben.
Unter den 30 Anwendungen befinden sich zahlreiche Paradoxien. Ein Paradoxon ist
etwas, das der gängigen Meinung oder dem angewöhnten Glauben zuwiderläuft. Das Gegenteil orthodox (rechtgläubig) ist das bekanntere Wort, was sicherlich mit dem Christentum zusammenhängt. Eine erste Sammlung namens Paradoxien des Unendlichen stammt von
Bolzano. Damit meinte er 1851 hauptsächlich merkwürdige Ergebnisse beim Rechnen mit
dem Unendlichen.51 Paradoxien, wie sie hier vorkommen, sind kleine Geschichten, in denen
etwas Unmögliches, Unerhörtes oder Unglaubliches passiert. Diese Geschichten sind dazu in
der Lage, den Schüler zu fesseln und ganz in den Bann zu ziehen. Didaktisch liegt das daran,
dass sie beim Schüler Verwunderung hervorrufen oder seine Vorstellungen von der Welt ins
Wanken bringen. Der Schüler erkennt das Problem und versucht es zu lösen, obwohl es seinen Alltag nicht betrifft. Fälle, die er sich nicht erklären kann oder die ihm unmöglich erscheinen, lösen dabei eine besondere Anziehungskraft aus.
Es gibt zwei verschiedene Arten von Paradoxien: Die scheinbaren und die echten. Bei
den scheinbaren Paradoxien werden die Schüler den Denkfehler erkennen und besonders verinnerlichen, wenn sie ihn selbst begangen haben. Bei den echten Paradoxien bemerken sie,
dass auch der Lehrer beziehungsweise kein Mensch jede Frage beantworten kann. Manche
Paradoxien werden durch eine gute Begründung zwar schlüssiger, bleiben aber so ungreifbar
wie zuvor. Es ist nicht möglich, Paradoxien nach bestimmten Schemata zu lösen, wie es sonst
im Mathematikunterricht häufig möglich ist. Jedes Problem ist anders und erfordert eine andere Methode oder einen anderen Blickwinkel. Für das Image des Mathematikunterrichts ist
es förderlich, Paradoxien zu verwenden. Noch immer kursiert das Bild von der absolut exakten Wissenschaft, in der es darum geht, Zahlen zusammenzurechnen. Nach diesem Bild wird
die Mathematik in der Oberstufe oder Uni nicht komplexer, sondern die Aufgaben werden
einfach schwieriger. Solche Vorurteile können durch die Verwendung von Paradoxien überwunden werden. Zuletzt gibt es den Lebensbezug zu den Schülern: In ihrem weiteren Leben
werden sie lernen, dass es nicht auf alle Fragen eine Antwort gibt und schlimmer noch: Oft
widersprechen sich die Antworten und es liegt an einem selbst, Argumente für eine bestimmte
Antwort zu finden.
Weitere Materialien wie Listen, Spielkarten und dergleichen werden in den jeweiligen
Kapiteln erwähnt. Dabei gilt, dass mit der Schwierigkeit des Themas die Anschaulichkeit
proportional zunehmen sollte.
51
Vgl. Bolzano, Bernard, Paradoxien des Unendlichen, Leipzig 1920, S. 1-3.
25
7.
Die Unendlichkeit im Mathematikunterricht
Die 30 Anwendungen sind erstrangig nach Altersgruppe und zweitrangig nach
Themenkomplex sortiert und so angeordnet, wie es im 5. Kapitel beschrieben ist. Dabei wird
nur der Zusammenhang mit dem Unendlichen beleuchtet. Behandelt eine Anwendung beispielsweise Grenzwerte, so beinhaltet der Abschnitt natürlich nicht alle Fragen, die damit in
Verbindung stehen, sondern nur die Aspekte, die mit der Unendlichkeit zu tun haben. Bei
großen Themen wie der Integralrechnung mussten weitere Einschränkungen getroffen
werden, was aus der Einleitung jeder Anwendung hervorgeht. Weiterhin beginnen die einzelnen Anwendungen mit der Theorie des jeweiligen Abschnittes. Besteht kein Erklärungsbedarf
wie bei der Anwendung zum Taschenrechner, folgt nach kurzen, einleitenden Worten unmittelbar der Hauptteil. Dieser kann aus historischen Fakten, Beweisen, Herleitungen oder eigens
für diese Arbeit konzipierten Ideen bestehen. Je nach Thema kann ein Hauptteil eine logische
Beweisführung oder auch eine Anleitung zum pädagogischen Spiel sein. Direkt in den Hauptteil sind die didaktischen Möglichkeiten integriert. Dabei kann es sich zum Beispiel um methodische Anregungen oder die Betonung von problematischen Punkten handeln.
Auf Stundenverlaufspläne oder die Durchplanung des Unterrichts wurde absichtlich
verzichtet. Diese Details würden von der eigentlichen Aufgabe ablenken, Anwendungen für
den Mathematikunterricht zu präsentieren. Durch die offene Gestaltung kann jede Anwendung an den jeweiligen Unterricht angepasst werden.
Die Anwendung wird mit einem didaktischen Kommentar beendet. Der beinhaltet
außer einer Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse der Anwendung mögliche
Schwierigkeiten oder Besonderheiten für die Schüler. Das ist notwendig, weil die Arbeit mit
dem Unendlichen nicht einfach ist und die Schüler leicht überfordern kann.
Wenn es nicht ausdrücklich anders aufgeführt ist, beziehen sich die Rechnungen auf
reelle Zahlen. Auf die Abbildungen wird im Fließtext eingegangen, weshalb sie nur mit ihrer
Nummer und nicht mit einer Erklärung unterschrieben sind. Im Abbildungsverzeichnis finden
sich neben den Bildquellen auch Kurzbeschreibungen zu jeder Abbildung. Falls es passend
ist, wird nach Fischer in Kenntnisse, Erkenntnisse und Einsichten unterschieden.52 Die Verwendung der U-Zahlen ist für alle Anwendungen obligatorisch. Die Anwendungen können
unabhängig voneinander in den Unterricht eingebaut werden. Um alle Querverweise nutzen
zu können, empfiehlt es sich, die Anwendungen der Reihe nach einzubauen.
52
Andersen, Uwe, Woyke, Wichard, Politische Bildung, 2003,
<http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/handwoerterbuch-politisches-system/40355/politische-bildung?p=all>,
Zugriff 11. 05. 2015.
26
7.1
Zahlennamen
In der 5. Klasse lernen die Schüler, immer größere Zahlen zu benennen. Laut Lehrplan müssen dabei die Zahlen bis eine Milliarde gelernt werden, manche Schulbücher gehen
sogar bis zu einer Quadrilliarde. Folgende Erkenntnisse ergeben sich unmittelbar aus der
Namenstabelle: Der Wortstamm der Namenswörter ist lateinisch. Die Namen ändern sich
Wert
Name
Wert
Name
immer mit dem Faktor 1000. Ab einer Million
werden die Präfixe der lateinischen Zahlen
103
Tausend
1024
Quadrillion
106
Million
1027
Quadrilliarde
109
Milliarde
1030
Quintillion53
33
Quintilliarde
„llion“ und „lliarde“ werden ab einer Million
36
Sextillion
abwechselnd verwendet. Insgesamt kann man
39
Sextilliarde
das folgende Schema herleiten: Ein Präfix mit
42
Septillion
der Endung „llion“ steht für 106𝑛 , wobei 𝑛 den
12
10
15
10
18
10
21
10
Billion
Billiarde
Trillion
Trilliarde
10
10
10
10
Abbildung 5
verwendet. Dabei gibt es unterschiedliche
Stämme wie „Octi“ und „Octo“, deren Analyse
in die Sprachforschung gehört. Die Suffixe
Wert des Präfixes angibt. Das Suffix „lliarde“
erhöht um den Faktor 1000 auf 106𝑛+3 . Eine Sextilliarde ist damit 106∙6+3 = 1039 und eine
Zentilliarde 10603 . Mit Kombination mehrerer Vorsilben kann man bis zur lateinischen Entsprechung für 999 gelangen. Die Zahl 1000 (Mille) wurde bereits für die Million verbraucht.
Damit ist 10999∙6+3 = 105997 die größte Potenz, die sich so darstellen lässt. Für Zahlen ab
106000 kann diese Systematik nicht mehr funktionieren. Verschiedene Autoren haben unterschiedliche Varianten vorgeschlagen, wobei die einfachste von Conway stammt: Von der zu
benennenden Zahl nehme man die Potenz, teile sie durch 6 und dann von rechts beginnend in
Dreiergruppen ein: Steht eine 1 allein, so lautet das Präfix „Mi“. Um Dreiergruppen untereinander abzugrenzen, benutzt man „lli“. Für alleinstehende Tausender wird als Platzhalter
„ni“ eingefügt, und zuletzt erhält das Wort die Endung „llion“.54
Zum Beispiel ist von 106000 der sechste Teil der Potenz 1000. In Dreiergruppen
schreibt man 1_000. Es gibt eine alleinstehende 1, also lautet das Präfix „Mi“. Dann kommt
die nächste Dreiergruppe und somit „lli“. Weil die Gruppe nur aus Nullen besteht, folgen „ni“
und „llion“ als Endung. Insgesamt heißt das Wort Mi-lli-ni-llion. Auf diese Weise lassen sich
riesige Zungenbrecher konstruieren: 1033330 = 105555∙6 und damit heißt die Zahl Quinti-lliquinqua-quinquaginta-quingenti-llion. Übersetzt kann man das als „Fünf-Leerzeichen53
Auch Quinquillion. Die Zahlennamen in anderen Sprachen als Deutsch bieten sich als fächerübergreifendes
Projekt an.
54
Conway, John, Guy, Richard, The Book of Numbers, New York 1996, S. 13 - 16.
27
fünfhundertfünfundfünfzig -llion“ sehen. Mit diesem System lässt sich jeder vorgelegten Zahl
über 106000 ein eindeutiger Name zuordnen. Die Benennung von sehr kleinen Brüchen funktioniert auch mit diesen großen Namen. Dazu wird an den Namen das Suffix „stel“ angehängt
und es entsteht der Kehrwert.
1
1036
= 10−36 ist demzufolge ein Sextillionstel. Auf die alterna-
tive Namensgebung der Präfixe wie „Milli“ oder Kilo“ soll hier nur kurz eingegangen werden. Sie sind vor allem in der Physik gebräuchlich und gehen von Yokto (10−24 ) bis Yotta
(1024 ) . Damit machen sie ersichtlich, welcher Bereich für unser Leben relevant ist. Außerhalb dieser Grenzen wissen wir nicht, was passiert, unabhängig, ob die Einheit Sekunde,
Gramm, Kelvin oder Meter ist. Schon für die Zahl 10100 lässt sich für keine Maßeinheit mehr
eine Interpretation finden. Dennoch erhielt sie unabhängig vom obigen System einen Namen:
Ein Googol. Der amerikanischen Mathematiker Edward Kasner prägte diesen Begriff 1938.
Angeblich fragte er zuvor seinen neunjährigen Neffen, wie der eine sehr große Zahl nennen
100
würde. Außerdem erfand der das Wort Googolplex für 10𝐺𝑜𝑜𝑔𝑜𝑙 = 1010
. Die Speicher-
fähigkeit aller Computer auf der Erde zusammen würde nicht ausreichen, eine Zahl dieser
Größenordnung abzuspeichern. Diese Namensgebung blieb allerdings ohne praktischen Nutzen. Die Suchmaschine Google wurde nach Googol benannt, da sie besonders viele Suchergebnisse aufzeigen soll. Der Firmenhauptsitz von Google heißt passend Googleplex.55
Doch welchen Zusammenhang haben große Zahlen und die Unendlichkeit? Relativ betrachtet, sind 324 und ein Googol gleich weit von der Unendlichkeit entfernt. Dennoch sind
große Zahlen in vielen Sprachen symbolisch zu verstehen. Im Judentum war schon die 40
eine große Zahl. Wenn in der Bibel davon die Rede ist, dass die Hebräer 40 Jahre durch die
Wüste zogen oder Jesus 40 Tage in der Wüste fastete, heißt das einfach nur „sehr lange Zeit.“
Bei den alten Griechen stand eine Myriade für die Anzahl von 10000, aber auch eine unzählbare Menge.56 Offensichtlich sahen sie anfangs darin keinen Unterschied.
Dieses Thema lässt sich hervorragend mit der Darstellung von Zahlen als Zehnerpotenzen verbinden. Die Schüler bekommen vor der ersten Stunde zum Thema die Hausaufgabe, die Zahlen „Eine zwei mit 24 Nullen“ und „Eine drei mit 24 Nullen“ schriftlich zu addieren. Dabei müssen sie noch nicht wissen, dass es sich um Quadrillionen handelt. Die
Erkenntnis dieser Aufgabe wird bei den meisten Schülern sein, dass es sehr aufwendig war
und man das Ergebnis auch so erraten konnte. („Eine fünf mit 24 Nullen.“) Damit wird die
Zehnerschreibweise als ein Hilfsmittel für die Schüler eingeführt, das ihnen Arbeit abnimmt.
55
Page, Larry, Brin, Sergey, <https://www.google.com/intl/de_de/about/company/facts/locations/>, Zugriff
29. 05. 2015.
56
Sievers, Jan, Myriade, 2015, <http://neueswort.de/myriade/>, Zugriff 20. 06. 2015.
28
1 ∙ 1024 + 4 ∙ 1024 zu schreiben spart Zeit und vermeidet Fehler. Nun können die Schüler
sich zu dieser Zahl hocharbeiten: Welche Zahlen kennen sie schon, nach welchen Regeln
kommt ein neuer Name? Da die wenigsten Schulen Latein ab der 5. Klasse anbieten, wird
jeder Schüler durch ein Arbeitsblatt mit einer Namenstabelle unterstützt, wie sie in diesem
Kapitel verwendet wird. Auch für den späteren Chemieunterricht, etwa die Benennung der
Kohlenwasserstoffe, wird sich das als sinnvoll erweisen.
Für die Schüler lässt sich der Bereich der im Universum vorkommenden Dinge sehr
gut mit einem Zoom darstellen. Damit ist eine digitale Karte gemeint, in die die Schüler immer tiefer hinein- oder aus ihr herauszoomen können. Frei zur Verfügung steht die von Huang
Cary entwickelte Proportionenkarte des Universums.57 Hier dargestellt sind von links nach
rechts die Zoomfaktoren 100 und 106 . Die Übergänge verlaufen fließend.
Abbildung 6
Trotz des unglaublichen Unterschiedes des kleinsten (10−35 𝑚) zum größten Maßstab
(1027 𝑚) stellen die Schüler so fest, dass sich alle Größen in unserem Universum in einem
festgelegten Bereich befinden. Einerseits erklärt das, warum man nicht immer größere Zahlen
benötigt: Sie kommen in der Natur schlicht nicht vor. Andererseits regt es zum Nachdenken
an: Ist 1027 𝑚 wirklich das Maximum? Kann man nicht immerhin in Gedanken darüber hinausgehen? Und wenn ja - wo kommt man dann an? Wenn sich diese Gedanken bei den Schülern ergeben, werden sie auch mit ihnen diskutiert.
Um die Größenverhältnisse zu veranschaulichen, kann man der alten Frage nachgehen,
wie viele Sandkörner man braucht, um das Universum zu füllen. Diese Modellierungsaufgabe
sollte erst nach der Volumenformel für den Würfel gestellt werden, die für die Klassenstufe
5/6 angedacht ist. Ob die Schüler dann tatsächlich einen kleinen Würfel mit Sand befüllen
oder von Anfang an schätzen, bleibt im Ermessen des Lehrers. Hier sollte sich die Erkenntnis
durchsetzen, dass trotz ihrer Größe nur eine endliche Zahl berechnet wurde. Da Modellierungsaufgaben viel Zeit in Anspruch nehmen, ist dieser Weg als Alternative zu dem davor
beschriebenen Ablauf zu verstehen.
57
Cary, Huang, The scale of the universe, 2012, <http://htwins.net/>, Zugriff 04. 04. 2015.
29
Probleme mit der Unendlichkeit sollten sich in diesem Abschnitt noch nicht ergeben,
da sie selbst noch nicht auftaucht. Eher kann man formulieren, dass sie von den großen
Zahlen abgegrenzt wird. Hier ist es wichtig, die Schüler nicht mit zu vielen neuen Begriffen
zu überfordern. Die Schüler erkennen, dass immer größere Zahlen gebildet werden können.
7.2
Die Zahlenbereiche ℕ und ℤ oder Hilberts Hotel I
In der 5. Klasse lernen die Schüler, dass unterschiedliche Zahlenbereiche existieren.
Für diese Arbeit gelten die gängigen Definitionen:
ℕ ≔ {1,2,3 … }
ℤ ≔ {… − 3, −2, −1,0,1,2,3 … }
𝑎
ℚ ≔ {𝑏 : 𝑎 ∈ ℤ, 𝑏 ∈ ℤ\{0}}
Die Mengen sind echte Teilmengen voneinander: ℕ ⊂ ℤ ⊂ ℚ. Dennoch sind alle drei
Mengen gleichmächtig. Da diese Erkenntnis grundlegend für die mathematische Unendlichkeit ist, soll sie auf dreifachem Wege verständlich gemacht werden: Mit Hilberts Hotel, mit
Funktionen und mit den U-Zahlen.
Zur Einführung wird die Frage mit den Schülern diskutiert, ob es etwas gibt, das unendlich (vorhanden) ist. Dabei werden sich die Schüler in aller Regel gegenseitig widersprechen, denn egal wie gut ein Einfall sein mag, in der Natur ist (wahrscheinlich) nichts unendlich. Beim Universum und der menschlichen Dummheit stößt man auf zwei verschiedene
Erkenntnisgrenzen. Hier reicht es einzusehen, dass man nicht alles wissen kann. Was sicherlich von vielen Schülern als unendlich angenommen wird, sind die (natürlichen) Zahlen.
Nun hören die Kinder die Kurzgeschichte von Hilberts Hotel in einer beliebigen
Fassung. Hilbert soll sie in verschiedenen Fassungen in seine Vorlesungen integriert haben.
Damit sich die Schüler darauf einlassen, sollte sie klar als Gedankenexperiment klassiert sein.
Es gibt in unserem Universum nicht genügend Atome, um so ein Hotel zu errichten, aber dieses Wissen sollte die Schüler nicht in ihrer Vorstellungskraft hemmen. Wichtig ist dabei, die
Anschaulichkeit möglichst gut zu gewährleisten.58
I) In einer weit, weit entfernten Galaxie gibt es ein ganz besonderes Hotel: Es ist unendlich groß. Wegen seines guten Essens und dem freundlichen Personal ist es immer gut
besucht. Eines späten Abends kommt noch ein Gast und fragt bei der Empfangsdame: „Guten
Abend, haben Sie vielleicht noch ein Zimmer für mich?“ Sie schüttelt den Kopf: „Leider nein,
wir sind komplett ausgebucht!“ Traurig will er wieder gehen, da stolpert er dem Direktor
58
Heuser, Harro, Unendlichkeiten, Wiesbaden 2008,S. 156.
30
über den Weg. Der Reisende fragt diesen: „Bitte, ich wohne am anderen Ende der Galaxie!
Die Reise dauert Jahre! Könnten Sie mir noch ein Zimmer verschaffen?“59
Über diese Frage können die Schüler in Zweierteams oder Gruppen miteinander diskutieren. Lösungen, die in endlicher Zeit zu schaffen sind, sind allgemein vorzuziehen. Eine gute
Antwort ist, dass bei so vielen Gästen sicher einer davon den späten Gast bei sich aufnimmt.
Bei solchen Antworten kann der Lehrer die Frage jeweils passend verschärfen oder weiterfragen, ob es noch klügere Antworten gibt. Die Musterlösung lautet so:
II) Der Direktor meint: „Keine Sorge, wir nehmen jeden Gast auf! Moment, ich regle
das!“ Er nimmt sein Universalhandy und bestellt jedem Gast, dass er in das Zimmer mit der
um eins höheren Nummer umziehen möge. Der Gast aus Zimmer 1 geht in Zimmer 2, der aus
Zimmer 2 in Zimmer 3 und der aus Zimmer 8400 geht in Zimmer 8401.
Das Wissen, dass der Gast aus Zimmer 𝑛 in Zimmer 𝑛 + 1 umzieht, ist in dieser
Altersstufe noch nicht notwendig. Sollte man Hilberts Hotel als Wiederholung einsetzen oder
eine Klasse unterrichten, die man nicht bereits in der 5. Klasse unterrichtete, bietet sich die
Funktionenschreibweise an: 𝑓(𝑥) = 𝑥 + 1. Damit erhält jeder Gast seine exakte Zimmernummer. In der Sprache der U-Zahlen heißt diese Erkenntnis: ∞ + 1 = ∞. Die natürlichen
Zahlen behalten ihre Mächtigkeit, wenn man eine Zahl hinzunimmt. Für die Schüler formuliert kann man sagen: Die natürlichen Zahlen sind genauso viele wie die natürlichen Zahlen
mit der Null zusammen. Hier lassen sich weitere Fragen einstreuen: Welche Teilmengen der
natürlichen Zahlen sind noch zu ihnen gleichmächtig? Dazu geht die Geschichte weiter.
III) Am nächsten Tag kommt ein sehr großer Bus mit unendlich vielen Passagieren.
Der Direktor reibt sich die Hände, da er hofft, viel Geld zu verdienen. Aber die Empfangsdame fragt sich: „Passen die alle noch in unser Hotel?“
Einige Schüler werden wahrscheinlich einwerfen, dass die Gäste im Hotel unendlich
viele Zimmer weitergehen sollen. Da sie dafür aber unendlich lange bräuchten, soll es hier
nicht als Lösung zählen. Vielleicht errät ein Schüler die Musterlösung:
IV) Der Direktor greift wieder nach seinem Telefon. „Liebe Gäste, entschuldigen Sie
die Störung. Bitte ziehen sie alle in das Zimmer mit der doppelten Zimmernummer. Dafür
erhalten sie auch ein Freigetränk.“ „Und das reicht?“ fragt ihn die Empfangsdame. „In der
Tat“, sagt er, „der Gast aus Zimmer zwei geht in Zimmer vier, der aus Zimmer 103 geht in
Zimmer 206 und der aus Zimmer 5000… gut der muss wirklich lange laufen… geht in Zimmer
10000. Damit sind alle ungeraden Zimmer frei! Und somit kommt der erste aus dem Bus in
Zimmer 1, der zweite in Zimmer 3, der dritte in Zimmer 5 und so weiter!“
59
Alle vorgestellten Narrationen zu Hilberts Hotel sind eigene Formulierungen.
31
Die interessante Erkenntnis ist: Es gibt so viele (un)gerade Zahlen wie natürliche
Zahlen! In der Sprache der U-Zahlen bedeutet das: ∞ + ∞ = 2 ∙ ∞ = ∞. Das widerspricht
dem gesunden Menschenverstand, da offensichtlich die geraden und ungeraden Zahlen zusammen die natürlichen Zahlen ergeben und es damit halb so viele von beiden geben müsste.
Eine Tabelle leistet hier wahrscheinlich die beste Überzeugungsarbeit. Wie zuvor kann sie mit
den jeweiligen Funktionen verbunden werden.
Funktion mit 𝑥 ∈ ℕ
Zahlen
Natürliche 1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
𝑓(𝑥) = 𝑥
Gerade
2
4
6
8
10
12
14
16
18
20
𝑓(𝑥) = 2𝑥
Ungerade
1
3
5
7
9
11
13
15
17
19
𝑓(𝑥) = 2𝑥 − 1
Quadrate
1
4
9
16
25
36
49
64
81
100 𝑓(𝑥) = 𝑥 2
Abbildung 7
Dabei ist der Begriff der Bijektion für Schüler aller Altersstufen nicht maßgeblich, der
Begriff der eindeutigen Zuordnung reicht. Noch anschaulicher lässt sich erklären, dass jede
natürliche Zahl einen Partner bei den geraden Zahlen hat. Falls man eine Zahl weiß, kennt
man immer auch die andere. Man stelle sich viele Hochzeitspaare vor: Jeder hat genau einen
Partner, also sind es wirklich gleich viele Männer und Frauen. Zur Verbildlichung kann man
zwei Handyverträge vergleichen: Vertrag A kostet 20 Euro und man darf so lange und so viel
telefonieren, wie man will. Vertrag B kostet 10 Euro, aber dafür kann man das Handy nur an
jedem zweiten Tag benutzen. Welcher Vertrag ist besser? Wenn man von einer begrenzten
Lebenszeit ausgeht, ist der zweite Vertrag eine starke Einschränkung. Hätte man unendlich
viel Zeit zur Verfügung, könnte man mit beiden Handys unendlich lange telefonieren. Daher
wäre der zweite Vertrag besser - er kostet einmalig weniger. Noch verwirrender erscheint die
Zuordnung bei den Quadratzahlen, deren Abstand immer weiter zunimmt. In den Discorsi
stellte Galileo 1638 heraus, dass die Menge der Quadratzahlen ebenso groß ist wie die der
natürlichen Zahlen sein müsse. Damit trat er der weit verbreiteten Ansicht entgegen, die weniger dicht gestreuten Quadratzahlen müssten weniger sein als die natürlichen.60
In der Tat nimmt der Abstand zwischen ihnen zu, aber die Begründung für die
Gleichmächtigkeit ist dieselbe wie bisher. Anders verhält es sich mit den Primzahlen. Es gibt
kein Schema, um vorherzusagen, welche Zahl eine Primzahl sein wird. Daher lässt sich keine
einfache Zuordnung finden. Um zu zeigen, dass es unendlich viele Primzahlen gibt, kann man
den indirekten Beweis einführen. Der Beweis von Euklid ist so einfach, dass er schon in der
60
Clegg, Brian, Pugh, Oliver, Introducing Infinity, London 2012, S. 203.
32
5. Klasse behandelt werden kann. Hier sollte man die Schritte, wie unten angeführt, mit Beispielen anreichern, um sie den Schülern anschaulich zu machen.61
Allgemein
Beispiel
Angenommen, es gäbe nur endlich viele Man vollzieht die Rechnung bis zu der Zahl,
Primzahlen. Dann bildet man deren Produkt von der man denkt, sie sei die größte Primund addiert 1 dazu: 𝑝1 ∙ 𝑝2 ∙ … ∙ 𝑝𝑛 + 1 = 𝑝. zahl. 2 ∙ 3 ∙ 5 + 1 = 31. Das ist eine PrimDiese neue Zahl 𝑝 ist entweder eine Prim- zahl! (Wäre 31 keine Primzahl, dann wäre
zahl oder nicht. Wenn sie eine Primzahl ist, sie nicht durch 2 teilbar, weil ihr Vorgänger
dann ist die Aussage widerlegt: Sie ist of- 30 durch 2 teilbar ist und erst 32 ist wieder
fensichtlich größer als ihre Faktoren. Wenn durch 2 teilbar. Sie wäre auch nicht durch 3
sie keine Primzahl ist, dann hat sie per Defi- oder 5 teilbar, weil der Vorgänger 30 durch
nition Teiler, die Primzahlen sind. Diese beide teilbar ist. Dann müsste sie also andere
Primzahlen kommen im Produkt noch nicht Primteiler haben und damit wäre die Aussage ebenfalls widerlegt!)62
vor, also muss es weitere geben!
Abbildung 8
Erst wenn man prüfen will, ob 13 die größte Primzahl ist, erhält man erstmals keine
Primzahl als Ergebnis, sondern 30031. Diese Zahl enthält die neuen Primfaktoren 59 und
509, die größer als 13 sind. Diese Rechnung könnte für eine 5. Klasse aber zu unübersichtlich
werden. Um im nächsten Schritt zu zeigen, dass es so viele ganze wie natürliche Zahlen gibt,
braucht man einen kleinen Trick. Am Anfang dieser Anwendung wurde ℤ als zweiseitig unendliche Menge definiert: {… − 3, −2, −1,0,1,2,3 … }. In der Tat erstrecken sich die negativen
Zahlen von −∞ bis +∞. Eine Bijektion funktioniert dann, wenn man die Zahlen in eine andere Reihenfolge bringt: ℤ ≔ {0,1, −1,2 − 2, 3, −3 … }. Jetzt lautet die Zuordnung zu den natürlichen Zahlen und die dazugehörige Vorschrift wie folgt:
Zahlen
Funktion
Natürliche
1
Ganze
0
2
1
3
4
5
6
7
8
9
10
𝑓(𝑥) = 𝑥
−1
2
−2
3
−3
4
−4
5
siehe unten
Abbildung 9
1
(𝑥 − 1), 𝑥 𝑔𝑒𝑟𝑎𝑑𝑒
Es gilt 𝑓(𝑥) = { 21
− 2 (𝑥 − 1), 𝑥 𝑢𝑛𝑔𝑒𝑟𝑎𝑑𝑒
61
Vgl. Casiro, Francis, Cohen, Gilles, Erster Vorstoß ins Unendliche: Bijektion, in: Spektrum der Wissenschaft
spezial, 02/2005, Stuttgart 2005, S. 7.
62
Euklid, Die Elemente, Buch IX, Proposition 20, Online-Version,
<http://aleph0.clarku.edu/~djoyce/java/elements/bookIX/propIX20.html>, Zugriff 06. 05. 2015.
33
Der Direktor kann die Personen aus dem Hotel also mit den beiden Funktionen für gerade und ungerade Zahlen oder mit den Funktionen für natürliche und ganze Zahlen verteilen.
In beiden Fällen passen zweimal unendlich viele Gäste in das Hotel.
Um die Mächtigkeiten der natürlichen Zahlen und der ganzen Zahlen zu vergleichen,
kann die Bauplattform benutzt werden. Dafür benötigt man fünf oder mehr Steine in zwei
Farben und im besten Fall einen andersfarbigen Stein für die Null. Dann kann man festlegen:
Die blauen Steine stehen für die negativen Zahlen, die roten Steine für die positiven Zahlen
und der weiße Stein steht für die Null. Die Aufgabe der Schüler ist es jetzt, die Steine in einem Schema anzuordnen, sodass keiner vergessen wird. Dabei sollen sie daran denken, dass
es von den roten und blauen Steinen unendlich viele gibt. Schnell finden sie heraus, dass man
nicht erst alle roten Steine verwenden kann, weil man dann nie fertig werden würde. Nach
und nach werden sie bemerken, dass die abwechselnde Reihenfolge zur Lösung führt. Es gibt
unendlich viele Lösungen, da man auch zwei positive und dann zwei negative Zahlen aufreihen kann und so weiter. Die exakte Anordnung der Null ist nicht wichtig, weil sie nur einmal
vorkommt; das Startfeld bietet sich aber natürlich an. Da man die ganzen Zahlen jetzt durchzählen kann, muss es für jede ganze Zahl einen Partner bei den natürlichen Zahlen geben.
Damit sind beide Zahlenbereiche gleichmächtig.
Die Gleichmächtigkeit der natürlichen Zahlen mit den positiven, negativen oder Quadratzahlen ist mit demselben Schema möglich. Hier stellt man sich vor, dass die blauen Steine
für die Zahlen 2, 4, 6, … beziehungsweise 1 , 3 , 5 … oder 1 , 4 , 9 … stehen und geht vor wie
oben. Alternativ kann man einen Strahl rote Steine und einen Strahl blaue Steine nebeneinanderbauen und sieht damit die Gleichmächtigkeit wie in der Tabelle. Sollten Schüler nach diesen Übungen noch Probleme mit den Zuordnungen zwischen den unendlichen Mengen haben,
muss die Anschaulichkeit erhöht werden. Es gibt zwar Bereiche der Mathematik, die nicht
allen Schülern zugänglich gemacht werden können, aber der Bijektionsgedanke ist so grundlegend, dass er nicht übergangen werden kann. Eine sehr handlungsorientierte Methode funktioniert am Beispiel der geraden Zahlen so: Die Schüler werden in zwei Gruppen eingeteilt,
die nicht gleich groß sein müssen. Da zu diesem Zeitpunkt noch einige Schüler davon ausgehen, dass es mehr natürliche Zahlen gibt, kann die Gruppe auch absichtlich größer gewählt
werden. Die Schüler der großen Gruppe erhalten die Zahlen 1, 2, 3, …, n und bekommen den
Gruppennamen Natürliche Zahlen, die der kleinen Gruppe erhalten die Zahlen 2, 4, 6, …, m
und heißen Gerade Zahlen. Dabei werden die Zahlen als Namensschilder aufgeklebt und zwei
verschiedene Farben verwendet, etwa rot für die natürlichen und blau für die geraden Zahlen.
Nun soll jeder Schüler einen Partner aus der anderen Gruppe finden. An dieser Stelle wird das
34
Spiel absichtlich etwas chaotisch, wie es immer bei der Einteilung in Gruppen passiert. Verstärkt wird das dadurch, dass einige Schüler übrigbleiben. In der nächsten Runde sollen die
Schüler sich eine Methode überlegen, das Tohuwabohu zu vermeiden. Nach kurzer Zeit sollte
eine einfache Lösung wie „Jeder mit einer roten Zahl sucht denjenigen mit dem Doppelten in
blau“ gefunden sein. Analog gilt „Jeder mit einer blauen Zahl sucht den mit der Hälfte in rot!“
In der Regel funktioniert der Ablauf jetzt besser. Außerdem wissen die Schüler, die übrig
sind, wer ihr Partner wäre. Wenn ein Schüler mit dem Namensschild „15“ (in rot) keinen
Partner findet, so weiß er trotzdem, dass sein Partner die „30“ (in blau) wäre, wenn es eine
größere Klasse gäbe. Also hat jedes Kind einen Partner; manche sind nur aus bestimmten
Gründen, wie der Klassengröße, nicht anwesend. Damit lässt sich den Schülern veranschaulichen, dass die Zuordnung nicht von der endlichen Anzahl abhängt. Analog lassen sich die
anderen Zuordnungen umsetzen. Da das Spiel sehr zeitaufwendig ist, sollte es so viel wie nötig, aber wenig wie möglich eingesetzt werden.
Didaktisch ist wichtig, auf den Begriff der Unendlichkeit einzugehen, wobei die Schülerideen vom Anfang des Abschnittes einzubeziehen sind. Die Definition des Unendlichen,
dass etwas nicht endlich ist, sollte hier klar ersichtlich werden. Die Definition, nach der eine
unendliche Menge gleichmächtig zu einer echten Teilmenge ist, lässt sich für diese Anwendung noch besser verwenden. Das Paradoxon, dass die natürlichen Zahlen wirklich nur ein
Teil der ganzen Zahlen sind, wird damit die Voraussetzung für deren Unendlichkeit. Die
Bijektion als Konzept muss unbedingt von allen Schülern verstanden werden. Ob das mit der
ersten Übung gelingt oder ob anschaulich mit Partnerspielen gearbeitet werden muss, ist bei
jeder Klasse individuell einzuschätzen.
7.3
Der Zahlenbereich ℚ oder Hilberts Hotel II
Die gebrochenen Zahlen sind anders aufgebaut als die natürlichen und die ganzen Zahlen. Zuerst müssen sich die Schüler klarmachen, dass deren Darstellung nicht eindeutig ist.
Schon in der Grundschule können Kinder mittels schriftlicher Division 1: 3 = 0,333 … bestimmen. Erst später lernen sie diesen Dezimalbruch als gemeinen Bruch
kation ergibt
2
3
= 0,666 … und
3
3
1
3
kennen. Multipli-
= 0,999 … Andererseits kann man den Bruch
3
3
kürzen und
erhält 1. Demnach gilt: 0,999 … = 1. Ein scheinbarer Widerspruch.63
63
Vgl. Rittaud, Benoît, Verschieden und doch gleich, in: Spektrum der Wissenschaft spezial, 02/2005, Stuttgart
2005, S. 52.
35
Umgekehrt kann man jeden nichtperiodischen Dezimalbruch in einen gemeinen Bruch
umwandeln, wie hier beispielhaft mit 0,999 … demonstriert wird. Man definiert 𝑥 als diese
Zahl, multipliziert sie mit 10, bildet die Differenz und teilt durch 9.
10𝑥 = 9,999 …
−𝑥 = 0,999 …
9𝑥 = 9
→𝑥=1
Diese paradoxe Tatsache kann durch die Zuhilfenahme der U-Zahlen entschärft werden. Offensichtlich fehlt bei 0,999 … ein „kleines bisschen“ zur 1. Bei 0,9 fehlt 0,1, bei 0,99
fehlt 0,01 und so weiter. Insgesamt fehlt 0,000 … 1. Diese nicht-reelle Zahl ist unendlich
klein und bisher als Alpha bekannt. Es gilt also 0,999 … + 𝛼 = 1. Sprachlich kann man Alpha
als „fast nichts“ begreifen. Einerseits fehlt in der Gleichung unendlich wenig, wofür das Alpha einsteht. Andererseits wurde bereits gezeigt, dass 0,999 … = 1 gilt, woraus 𝛼 = 0 folgen
müsste. Will man das Ergebnis mit reellen Zahlen angeben, gilt die letzte Behauptung. Nur
für spezielle Rechnungen, die später folgen, wird Alpha benötigt und darf dann nicht ignoriert
werden. Für diese spezielle Rechnung gilt also 𝑥 + 𝛼 = 𝑥 und 𝑥 ∙ 𝛼 = 0. Rechnungen mit
U-Zahlen sind mit Vorbehalt zu genießen. Falls die Schüler mit Symbolsprache Probleme
haben, sollte auf diesen Abschnitt verzichtet werden. Für Diskussionen eignet er sich hervorragend, aber dafür muss ein offenes Klassenklima herrschen, in dem die Schüler ihre Fragen
und Probleme zur Unendlichkeit offen kundtun und miteinander ausdiskutieren.
Zusammenfassend gibt es ausgerechnet für die natürlichen, ganzen und periodischen
Zahlen, mit denen man besonders leicht hantieren zu können glaubt, zwei Darstellungsformen. Bei ganzen Zahlen in Kurzschreibweise wird die letzte Stelle um eins gesenkt und unendlich oft Neun als Nachkommastellen angehängt. Bei periodischen rationalen Zahlen wird
die letzte Stelle ungleich null um eins gesenkt und ihr wird unendlich oft Neun angehängt.
Zum Beispiel gilt −63,72127 = −63,72126999 … Ist die Stelle vor dem Komma, ist das
anzupassen. Nur die aperiodischen Brüche und irrationalen Zahlen haben eine eindeutige
Darstellung. Diese Tatsache ist wenig problematisch, da man sich nur für eine der Darstellungsformen zu entscheiden braucht. Handlicher ist es, auf die Folge von Neunen zu verzichten. Dennoch ist dieses Phänomen interessant und den meisten Schülern über Drittel wie oben
dargestellt bekannt. Die Thematisierung im Unterricht bietet sich damit an.
Der Abstand zwischen zwei verschiedenen rationalen Zahlen kann beliebig klein sein
und ist nicht auf 1 beschränkt wie bei ganzen Zahlen. Wenn man zwei beliebige Brüche auf
dem Zahlenstrahl aussucht und den Ausschnitt vergrößert, wird man neue Brüche zwischen
36
ihnen finden. Wenn der Unterricht computerorientiert ist, kann das den Schülern mit Geometriesoftware wie GeoGebra64 nähergebracht werden:
Abbildung 10
Analytisch sollte man erst nach Abschluss der Bruchrechnung vorgehen, da die Addition von Brüchen und das Erweitern benötigt werden. Als Wiederholung vor einer Klassenarbeit bietet sich diese Anwendung besonders an. Man wählt die Brüche
1
𝑎
und
1
𝑏
mit
𝑎 ∈ ℤ, 𝑏 ∈ ℤ, von denen die Schüler denken, dass die so nah zusammenlägen, dass zwischen ihnen kein weiterer Bruch sein könne. Mit den Schülern dieser Altersstufe sollte man
nur exemplarisch arbeiten, etwa mit den Brüchen
1
und
9
1
8
. Nun wird der Hauptnenner 𝑎𝑏 ge-
bildet, in diesem Fall 72, und beide Brüche werden erweitert, um sie vergleichen zu können.
8
9
Bei den Brüchen handelt es sich also um 72 und 72 . Noch immer sieht es so aus, als könne es
nichts zwischen diesen Brüchen geben. Jetzt werden beide Brüche mit einer beliebigen Zahl
erweitert, etwa 2. Es ergeben sich
16
144
und
18
. Je größer die Zahl ist, mit der erweitert wird,
144
umso mehr Brüche finden sich dazwischen. Da das Verfahren unendlich oft angewendet
werden kann, gibt es immer neue Brüche zwischen vorgegebenen Brüchen. Alternativ kann
man den Schülern zeigen, wie man den Bruch findet, der sich genau in der Mitte von zwei
vorgegebenen Brüchen befindet. Das Verfahren ist wie das zuletzt dargestellte: Man addiert
die Brüche und teilt das Ergebnis durch zwei. Der Unterschied ist, dass eine geometrische
Deutung vorliegt: Man stellt sich die Verbindungsstrecke der Brüche als Strecke 𝐴𝐵 auf dem
Zahlenstrahl vor. Nun findet man den Mittelpunkt 𝑀 dieser Strecke und wiederholt den Vorgang mit 𝐴𝑀. So kann man zeigen, dass es im Intervall zwischen den Brüchen unendlich viele weitere gibt. Angenommen das erste Intervall ist [0,1], das nächste [1,2] und so weiter;
dann findet man auf dem Zahlenstrahl unendlich viele Intervalle mit jeweils unendlich vielen
Brüchen. Sind das mehr als unendlich viele? Um diese Frage mit den Schülern anzugehen,
kann wieder Hilberts Hotel dienen:
64
Siehe Hohenwarter, Markus, Dynamische Mathematiksoftware GeoGebra, 2015,
<https://www.geogebra.org/>, Zugriff 03. 04. 2015.
37
V) Am folgenden Tag kommen unendlich viele Busse an, jeder mit unendlich vielen
Passagieren. „Es ist unmöglich, dass die alle in unser Hotel passen!“, meint die Empfangsdame. „Wäre es eine endliche Anzahl an Bussen, dann könnte man erst den ersten Gast aus
jedem Bus unterbringen, dann den zweiten und so weiter. Aber mit so vielen Gästen geht das
nicht. Die Gäste können nicht einchecken.“ „Doch, das können sie!“, erwidert der Direktor
mit einem Lächeln.
Welchen Plan hat der Direktor, um unendlich mal unendlich viele Gäste unterzubringen? Dafür wird die Bauplattform benutzt. Die Farben für die Steine sind egal, die Interpretation der Platte ist bei dieser Aufgabe entscheidend. Eine Ecke wird ausgewählt und dient als
Startfeld. Die Länge und Breite der Platte dienen als Abszisse und Ordinate: In die eine Richtung werden die Busse gezählt, in die andere die Passagiere. Damit wird der erste Quadrant
des Koordinatensystems nachgebildet. (Genau genommen werden mit den Passagieren des
ersten Busses die Personen im Hotel bezeichnet, da auch diese umsortiert werden müssen.)
Die Aufgabe für die Schüler ist es nun, die Platte mit Steinen vollzubauen. Dabei sollen sie
bedenken, dass sich die Plattform in zwei Richtungen unendlich erstreckt. Wie bisher gibt es
unendlich viele Möglichkeiten, von denen die bekannteste das Cantorsche Diagonalverfahren
oder auch erstes Cantorsches Diagonalargument ist. So kommt es in der Musterlösung vor:
VI) Der Direktor zeichnet ein Raster auf ein Blatt Papier und gibt es seiner Empfangsdame. „Ich habe in die erste Zeile die Gäste
geschrieben und in die erste Spalte die Busse. Genau genommen ist mit dem ersten Bus unser Hotel
gemeint, denn wir sind ausgebucht und unsere Gäste werden leider wieder umziehen. Natürlich müsste
mein Zettel unendlich groß sein, ich habe gerade
also nur die obere linke Ecke gezeichnet. Nun, in
der Tat kann ich nicht erst die Gäste aus einem Bus
einquartieren, denn dann wäre das Hotel schon
voll. Daher machen wir das so: Wir gehen diagonal
durch.“ Er zeichnet mit einem Stift oben links beginnend Diagonalen. „Das erste Zimmer bekommt
Gast 1 aus Bus 1, das nächste Gast 2 aus Bus 1 und
das dritte Gast 1 aus Bus 2. Nach diesem Schema
bekommt jeder Gast ein Zimmer zugewiesen!“
Abbildung 11
38
Damit ist die Lösung erbracht, die bei der Übertragung auf die rationalen Zahlen noch
eine Schönheitskorrektur benötigt: Manche Brüche kommen doppelt vor, zum Beispiel sind
1 2 3
alle Werte auf der Diagonalen (1 , 2 , 3 , … ) gleich. Zusätzlich führt man daher die Regel ein,
einen Bruch nicht mitzuzählen, wenn der Wert bereits vorkam. Folgende Ergänzung lässt sich
für leistungsstärkere Klassen verwenden:
VII) Erst schaut die Dame erfreut, dann verängstigt. „Aber dann muss ich den ganzen
Tag zählen, welcher Gast welches Zimmer bekommt! Die Gäste kommen einfach nicht in der
Reihenfolge zu mir, wie es ihr Diagonalmuster vorsieht!“ „Gar kein Problem meine Teure!“,
antwortet der Direktor. „Jeder Gast hat einen Sitzplatz S in Bus B. Also ordnen wir ihm das
Zimmer 2𝐵 ∙ 3𝑆 zu. (Die 2 und 3 habe ich ausgewählt, weil sie Primzahlen sind und damit
wirklich jedes Zimmer nur einmal vergeben wird.) Das tolle an dieser Methode ist: Es bleiben
unendlich viele Zimmer frei, also ist die Wahrscheinlichkeit, neben einem Schnarcher zu
schlafen, sehr gering!“ „Oh Herr Direktor, was sind Sie für ein Genie!“
Die Anzahl der Busse und Passagiere steht für natürliche Zahlen. Streng betrachtet ist
also nur bewiesen, dass die positiven Brüche zu den natürlichen Zahlen gleichmächtig sind.
Ordnet man die ganzen Zahlen wieder zu {0,1, −1,2 − 2, 3, −3 … } um, funktioniert das Vorgehen. Für die Bauplattform gibt es eine interessante Alternative: Zuerst wird ein kartesisches
Koordinatensystem mit zwei Achsen und Zentrum in der Mitte der Platte auf die Bauplattform gezeichnet. Dabei können zum Beispiel wasserlösliche Folienstifte verwendet werden.
Die Aufgabe für die Schüler ist wieder, die Bauplattform
mit Steinen zu bebauen, nur ist der Startpunkt diesmal in
der Mitte. Eine besonders leichte Lösung der Aufgabe ist
es, spiralförmig vorzugehen. Ebenso können die Schüler
die Lösung finden, Quadrate oder allgemein Rechteckte um
den Mittelpunkt zu beschreiben. Auf beide Arten wird
jeder Punkt auf der in jeder Richtung unbegrenzten Platte
irgendwann erreicht. Auf der Abbildung 13 sind die
aber und Abbildung 12
Möglichkeiten skizziert. Die fettgedruckten Linien sind die
Koordinatenachsen und der markierte Pfeil ist der Startpunkt. Links ist die größer werdende
Spirale mit Start bei (1,1) im Koordinatensystem dargestellt. Rechts finden sich die konzentrischen Quadrate mit den Startpunkten (1,1), (2,2) und so weiter.65
65
Vgl. Barthe, Daniel, Die rationalen Zahlen sind abzählbar, in: Spektrum der Wissenschaft spezial, 02/2005,
Stuttgart 2005, S. 53.
39
Abbildung 13
In der Sprache der U-Zahlen lässt sich dieser Abschnitt mit einer einfachen Formel
zusammenfassen: ∞ ∙ ∞ = ∞. Es gilt sogar ∞ ∙ ∞ ∙ ∞ = ∞ und genauer ist das Produkt einer
beliebigen, aber endlichen Anzahl an Unendlichkeiten immer noch „nur“ unendlich. Wie man
diese Erweiterung mit Hilberts Hotel erklären kann, beschreibt Anwendung 27.
Mit dieser Anwendung sind die Schüler in eine neue Tiefe des Unendlichen vorgestoßen. Dass die Summe von Unendlich und einer beliebigen Zahl Unendlich ist, liegt im Akzeptanzrahmen der meisten Schüler. Dass aber unendlich viele Dinge mit jeweils unendlich vielen weiteren Dingen genauso viel sein sollen wie eine dieser Unendlichkeiten, wird die Mehrzahl der Schüler nicht einfach annehmen wollen. Hier ist ein Diskussionspunkt erreicht, der
nicht übergangen werden sollte. Das illustrieren die folgenden Fragen:
• Wenn man jeweils unendlich viele Murmeln in rot, blau, gelb und unendlich vielen
anderen Farbtönen hat, sind es dann trotzdem nur so viele wie die roten Murmeln?
• Wenn eine Schublade unendlich viele Fächer hat und in jeder sind unendlich viele
Bonbons, müssten dann nicht mehr als unendlich viele im Schreibtisch sein?
• Wenn ich unendlich viele Flaschengeister habe, von denen jeder unendlich viele
Wünsche erfüllt, ist das nicht besser als nur ein einziger davon?
Da die Fragen synonym sind, reicht es, die erste zu betrachten. Mit einer einfachen
Zuordnung zeigt man, dass es so viele rote wie blaue Murmeln gibt. Allerdings gibt es auch
so viele rote Murmeln wie blaue und gelbe zusammen. Das wurde bei der Gleichmächtigkeit
der natürlichen und ganzen Zahlen gezeigt. Es bleibt trotzdem paradox, dass die Pärchenbildung zwischen roten und blauen genauso aufgeht wie zwischen den roten und den blauen sowie grünen zusammen. Diese Gleichmächtigkeit zu einer echten Teilmenge ist gerade das,
was unendliche Mengen ausmacht. Letztendlich reicht eine besonders geschickte Zuordnung,
40
um die Gleichmächtigkeit zu zeigen, auch wenn sie bei anderen Zuordnungen scheitert.
Dieser Gedanke muss auf jeden Fall von den Schülern verinnerlicht werden. Da jeder Schüler
individuelle Denkprozesse durchläuft, spricht auch jeder auf andere Reize an. Daher sind Darstellungsvielfalt und Methodenvielfalt gefragt. Die dargestellte Problematik begreift der ein
oder andere Schüler vielleicht erst richtig durch die dritte der obigen Fragen: Obwohl ein
Flaschengeist weniger ist als zwei oder unendlich viele, ist er genauso nützlich. Man kann nur
einen Wunsch nach dem anderen äußern, mehrere Genies braucht ein Mensch nicht. An dieser
Stelle berührt man den Begriff des abzählbar Unendlichen. Da der aber mit der Frage nach
dem überabzählbar Unendlichen einhergeht, sollte er erst bei der Analyse der reellen Zahlen
verwendet werden. So vielfältig die Verständnisprobleme mit dem Unendlichen auch sind, so
viele Ansatzpunkte hat der Lehrer auch, um guten Unterricht durchzuführen.
7.4
Einfache Folgen und Mustererkennung
Viele Schüler kennen den berühmten Aufgabenbereich aus Intelligenztests, eine Folge
zu vervollständigen, die dann meist Zahlenreihe genannt wird. Eine Testaufgabe mit Lösung
kann so aussehen wie dieser Screenshot einer Internetseite:
Abbildung 14
Die Antwort mag richtig sein, aber sie ist nicht die einzige Möglichkeit. Betrachtet
man die Abstände zwischen den Zahlen, dann wird zuerst einmal null addiert, dann zweimal
nacheinander eins und dann zwei. Warum sollte nicht in den nächsten Schritten zwei addiert
41
werden? Dann wäre die Vorschrift nicht, die Summe der beiden Vorgänger zu bilden, sondern
den Vorgänger mit folgenden Zahlen zu addieren: 0, 1, 1, 2, 2, 2, 3, 3, 3, 3, … Damit ergibt sich
die gesuchte Zahl zu sieben. Verallgemeinert kann man die gegebenen Zahlen als Werte eines
Polynoms auffassen. Für das Beispiel gilt dann 𝑓(1) = 1, 𝑓(2) = 1, bis zu 𝑓(5) = 5. Da es
fünf Bedingungen gibt, ist der Ansatz ein Polynom 4. Grades. Dessen Funktionsvorschrift
liefert die weiteren Werte. Ebenso lassen sich jedes höhere Polynom, andere Funktionen und
andere Zuordnungen wählen; sie müssen nur mit den Bedingungen übereinstimmen.
Diesen Tipp kann man den Schülern jeder Altersstufe mit auf den Weg geben:
Bei einem Einstellungstest können sie beliebige Zahlen aufschreiben, wenn sie eine Argumentation dazufügen. In der Regel sollte das den Arbeitgeber mehr beeindrucken als die erwartete Antwort. Auch in der Unterstufe soll der Wert auf die Argumentation gelegt werden.
Bei der Zahlenreihe (1, 2, 4, … ) gibt es viele einfache Möglichkeiten sie fortzusetzen. Die
Aufgabe sollte daher nicht sein, nur weitere Zahlen zu finden, sondern eine Regel aufzustellen. Dabei gibt es keine Musterlösung, sondern jede Lösung ist akzeptabel, wenn sie zu den
vorgegebenen Zahlen passt. Möglichkeiten sind zum Beispiel in der Sprache der Schüler ausgedrückt „Man verdoppelt die letzte Zahl“ oder „Man addiert immer eins mehr als vorher zur
letzten Zahl.“ Mit dem Vorwissen der letzten Anwendung wissen die Schüler, dass es genau
so viele Zahlen in einer Zahlenreihe gibt, wie natürliche Zahlen existieren. Die Schüler der 5.
Klasse sollten bereits einige Muster erkennen können, die hier mit Beispielen angegeben sind.
• Eine Zahlenreihe wird immer größer. (1, 2, 3, 4, 5, … )
• Eine Zahlenreihe wird immer kleiner. (5, 4, 3, 2, 1, … )
• Um die nächste Zahl zu bestimmen, wird eine Grundrechenoperation ausgeführt.
(1, 2, 4, 8, 16, 32 … ) oder (5, 10, 15, 20, 25, 30, … )
• Es handelt sich um gerade oder ungerade Zahlen. (2,4,6,8 … ) oder (5, 7, 9, 11, … )
• Es handelt sich um die Quadratzahlen (1, 4, 9, 16, 25, … )
Bei den abnehmenden Zahlenfolgen ist zu beachten, dass die Schüler Null als Schranke sehen könnten. Dann lautet die Folge von oben (5, 4, 3, 2,1, 0, 0, 0 … ) Das Vorgehen ist
nicht als falsch anzusehen, da der Schüler ein Konzept dahinter haben kann: „Ich habe 5
Spielzeugautos und verschenke jeden Tag eins. Aber wenn ich keines mehr habe, kann ich
auch keins mehr verschenken.“ Ein Konzept, das in die negativen Zahlen reicht, ist ebenso
denkbar, wenn der Schüler an Schulden oder Verlust denkt.
Das Fortsetzen von Folgen kann auch rein über Muster eingeübt werden. Aufgaben
finden sich in gängigen Intelligenztests und zielen darauf ab, eine Figur weiterzudrehen oder
zu vervollständigen. Inhaltlich unterscheidet sich das nicht vom Vervollständigen von Zahlen42
folgen, da ein Prozess erkannt und weiterbetrieben werden muss. Die geometrische Anschauung ist für Schüler aber häufig schlüssiger, weshalb für Zahlenreihen Anschauungsobjekte
geeignet sind. Je nach Leistungsstärke können das Zählstäbchen oder Grafiken sein, wie sie in
Anwendung 24 vorgestellt werden.
Diese Anwendung bietet sich an, um die historische Unterscheidung von potentiell
und aktual unendlich zu verdeutlichen. Es ist möglich, bei Zahlenreihen immer weitere Zahlen zu finden; häufig kann man mit einer Formel sogar sofort die 𝑛-te Zahl ermitteln. Die
Schüler können hier diskutieren, welcher Begriff ihrer Meinung nach besser für Zahlenreihen
geeignet ist. Einerseits liegen bei den Aufgaben nur endlich viele Zahlen vor, denen man endlich viele weitere hinzufügt. Andererseits kann man sich alle Zahlen einer Abfolge als unendlich große Menge vorstellen, wie die natürlichen oder geraden Zahlen.
Innerhalb dieser Arbeitsphase sollten die Schüler bereits auf einfache Reihen aufmerksam gemacht werden, die mit diesen Folgen zusammenhängen. Dabei ergibt sich, dass
unendlich viele Zahlen addiert ebenso eine endliche wie auch unendliche Summe haben können. Letzteres ist einfach gezeigt: Addiert man eins immer wieder mit sich selbst, ergibt die
Summe unendlich. Ebenso ist die Summe der natürlichen Zahlen unendlich, weil sie sich mit
dieser Reihe abschätzen lässt.
∞
∑1 = 1+1+1+⋯ = ∞
𝑛=1
∞
∞
∑ 𝑛 = 1 + 2 + 3 + ⋯ = 1 + (1 + 1) + (1 + 2) + ⋯ > 1 + 1 + 1 + ⋯ = ∑ 1 = ∞
𝑛=1
𝑛=1
Hier sei auf Anwendung 20 zu Reihen verwiesen, in der auf die Behauptung einge1
gangen wird, die Summe der natürlichen Zahlen sei − 12. Außerdem werden dort weitere
Fragen erläutert, wie zum Beispiel, ob manche Summen nicht ein größeres Unendlich sein
müssten. Grundsätzlich ergibt sich die Erkenntnis, dass die Summe von unendlich vielen Zahlen unendlich ist, schon durch den gesunden Menschenverstand. Schwieriger ist zu erklären,
warum eine unendliche Summe auch einen endlichen Wert haben kann. Ohne zu weit auf
Mathematik der Oberstufe vorzugreifen, sollten Gymnasiasten jeglicher Altersstufe bereits
diese Erkenntnis gewonnen haben. Dafür reicht ein Exempel, das ohne weitere Theorie auskommt. Hierzu betrachtet man mit den Schülern die folgende Reihe.
∞
1 𝑛 1 1 1
∑( ) = + + +⋯ = 1
2
2 4 8
𝑛=1
43
Auf die Summenschreibweise ist im Unterricht zu verzichten, dafür sollte eine anschauliche Präsentation geboten werden. Hierfür eignen sich die analoge Uhr oder ein Kuchen, was sich auch beides mitbringen lässt. Bei der Uhr formuliert man: „Es ist drei Uhr.
Nun vergeht eine halbe Stunde, dann eine Viertelstunde, dann die Hälfte einer Viertelstunde
und immer so weiter. Wie spät ist es, wenn ich den Zeiger unendlich oft weitergeschoben
habe?“ Analog fragt man: „Ich schneide zuerst den Kuchen in zwei Hälften und esse eine.
Dann teile ich den Rest und esse eine Hälfte, das heißt ein Viertel. Nun teile ich wieder durch
zwei und esse eine Hälfte. Wie oft muss ich das wiederholen, bis ich den ganzen Kuchen gegessen (und Bauchschmerzen) habe?“ Dabei kann der Uhrzeiger mitbewegt oder ein echter
Kuchen zerteilt werden. Die Schüler werden rasch erkennen, dass man nicht über ein Ganzes
hinauskommt, egal, wie oft man den Prozess wiederholt. Vielleicht sind sich die Schüler nicht
einig, ob vier Uhr wirklich erreicht werden kann beziehungsweise ob wirklich der gesamte
Kuchen verschwindet. Diese Fragen sind ähnlich der Dichotomie des Zenon und werden daher hier nicht behandelt. In jedem Fall sollten alle Schüler übereinstimmen, dass der Vorgang
beschränkt ist und das Ergebnis endlich bleibt. Sollten wider Erwarten Schüler zurückbleiben, so kann eine Grafik wie Abbildung 1 aus Kapitel 4 verwendet werden. Das Vorgehen
ist dabei umgekehrt: Man teilt eine Fläche in der Hälfte, dann eine Hälfte davon noch einmal
und so weiter. Somit erhält man ganz offensichtlich als Summe nur das Ganze und nicht
mehr. Bei einer leistungsstarken Klasse kann man außerdem erwähnen, dass die Rechnung
ebenso für Vielfache der Brüche funktioniert, wie man mit Ausklammern feststellt:
∞
𝑎 𝑎 𝑎
1 1 1
1 𝑛
( + + + ⋯ ) = 𝑎 ( + + + ⋯ ) = 𝑎 ∙ ∑ ( ) ∀𝑎 ∈ ℝ
2 4 8
2 4 8
2
𝑛=1
Beispielsweise ist
3
2
3
3
+ 4 + 8 + ⋯ = 3. Damit wissen die Schüler nun, dass bei unend-
lichen Summen jedes Ergebnis (einschließlich Unendlich) möglich ist. Die Grundgedanken
dieses Kapitels werden für die geometrischen Grundbegriffe, Folgen und proportionale Zuordnungen benötigt. Verständnisprobleme sollte es bei den Zahlenreihen nicht geben, da das
Unendliche nicht direkt vorkommt, sondern nur als Entwicklungsrichtung.
7.5
Geometrische Grundbegriffe
Am Anfang jeder geometrischen Zeichnung oder Aufgabe steht die Frage: Was ist eigentlich ein Punkt? Die Erklärung, dass ein Punkt ein Objekt ohne Ausdehnung sei, erschließt
sich vielen Schülern nicht, da offensichtlich jeder Punkt, den sie sehen, eine Ausdehnung besitzt. Ähnlich dem Modell Massepunkt in der Physik sollte der Lehrer hier auf die Symbolik
44
verweisen: Ein Punkt auf der Tafel steht für den gedachten Punkt, den man nicht zeichnen
kann. Mit Punkten sind viele Paradoxien verbunden, die der bisherige Lehrplan ignoriert hat:
• Wenn ein Punkt keine Ausdehnung hat, ist er dann mit der Null gleichzusetzen?
• Können andere Figuren aus Dingen ohne Ausdehnung aufgebaut sein?
• Genügt es, wenn sich die Schüler bei Punkten fliegengroße Kreise vorstellen?
Es gibt verschiedene Definitionen für den Punkt wie die des Euklid, dass ein Punkt
etwas ist, das keine Teile hat. Auf diese Weise umging er gewandt die problematischen Formulierungen. Ebenso fasste Aristoteles das Zusammenhängende (heute Kontinuum) nicht als
etwas auf, dass aus Punkten besteht, sondern als etwas, das beliebig geteilt werden kann.
Auch er umschiffte das Unendliche damit sehr geschickt.
Im Rahmen dieser Arbeit bietet es sich an, über den Punkt wie folgt nachzudenken:
Ein Punkt ist ein Objekt mit unendlich kleiner Ausdehnung. Damit stellen sich die obigen
Fragen gar nicht: Etwas, das unendlich klein ist, ist damit immer noch größer als null und aus
unendlich vielen sehr kleinen Dingen kann etwas Neues entstehen. Das haben die Schüler
1
1
1
bereits bei der Summation 2 + 4 + 8 + ⋯ im letzten Kapitel entdeckt. Besser wäre die Überlegung der Integralrechnung, in der aus unendlich vielen unendlich kleinen Flächen eine endliche entsteht. Da dieser Vorgriff nicht zu leisten ist, können die Schüler auf ein besseres Verständnis in zukünftigen Mathematikstunden vertröstet werden.
Darauf aufbauend geht man in der analytischen Geometrie von Objekten aus, die aus
Punkten aufgebaut sind. Davon sollen zunächst die zweidimensionalen besprochen werden.
Eine Strecke lässt sich als Weg oder Menge auffassen. So ist es die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten oder die Menge der Punkte der von zwei Endpunkten begrenzten geraden
Linie. Schulbücher vermeiden die Begriffsschwierigkeiten mit Erklärungen, indem sie alles
weglassen, was auf Unendlichkeit hindeutet. So heißt es „Eine gerade Linie heißt Strecke,
wenn sie durch zwei Endpunkte begrenzt wird.“ und „Eine gerade Linie heißt Gerade, wenn
sie nicht durch zwei Endpunkte begrenzt wird.“ Auch zum Phänomen der Parallelität liest
man dann die simple Formulierung „ Die Geraden 𝑔 und ℎ sind parallel, wenn beide mit der
Geraden 𝑘 rechte Winkel einschließen.“66 Natürlich sind in der Mathematik leichte Definitionen den umständlichen vorzuziehen, doch nur wenn dabei nichts Wesentliches vergessen
wird. Hier ist zu ergänzen, dass eine Strecke aus unendlich vielen Punkten besteht. Dass deren
Mächtigkeit die des Kontinuums ist, wird in Anwendung 7 besprochen. Für die Unterstufe ist
eine Unterscheidung noch nicht notwendig, weshalb auch diese Unendlichkeit vorerst mit
„∞“ bezeichnet wird. Eine Gerade ist eine unbegrenzte, gerade Linie oder die Verbindung
66
Schröder, Constanze, Erfolgreich starten am Gymnasium Mathematik, Berlin 2015, S. 98.
45
von unendlich vielen Strecken. Diese Erklärung ist zulässig, da die Verbindung unendlich
vieler Teile aktual dafür sorgt, dass es weder Anfangs- noch Endpunkt gibt. Auch hier geht es
darum, dass sich die Schüler mit der Unendlichkeit auseinandersetzen und nach ihrem eigenen Verständnis prüfen, welche Bezeichnungen sinnvoll sind und welche nicht.
Bolzano sprach in seinen Paradoxien von verschiedenen Unendlichkeiten.67 Auch
wenn wir so eine Formulierung heutzutage benutzen, so hatte er doch ein anderes Verständnis
davon. Das Buchzitat bezieht sich auf Abbildung 15.
Abbildung 15
„Wem muss nicht einleuchten, dass die Länge der nach der Richtung 𝑎 𝑅 fortlaufenden Geraden unendlich sei? […] Und daß die nach beiden Seiten 𝑎 𝑅 und 𝑎 𝑆 hin unbegrenzt
fortlaufende Gerade […] größer zu nennen sei?“68
In den vorherigen Kapiteln wurde bereits mit Bijektionsbeweisen gezeigt, dass die natürlichen und ganzen Zahlen gleichmächtig sind. Hier fasse man Bolzanos 𝑎 𝑅 als Strahl auf.
Diesen kann man mit den natürlichen Zahlen assoziieren und die gesamte oben abgebildete
Gerade mit den ganzen Zahlen. Letztendlich handelt es sich um eine andere Form der in
U-Zahlen ausgedrückten Formel 2 ∙ ∞ = ∞. Genauere Betrachtungen sind hier aber auch erst
nach Einführung der reellen Zahlen möglich. Weiterhin kann man einen Kreis definieren als
Menge aller Punkte, die von einem Mittelpunkt 𝑀 denselben Abstand haben. In höheren
Dimensionen geht man ebenso vor. Etwa ist eine Sphäre im dreidimensionalen Raum die
Menge der Punkte (𝑥, 𝑦, 𝑧), die vom Mittelpunkt denselben Abstand haben.
Bei der Arbeit mit den Schülern sollten die Grundbegriffe Punkt, Strecke und Gerade
aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Hierbei ist klar zu vermitteln, dass es sich
um Dinge der reinen Anschauung handelt. Ein Viereck kommt wie ein Punkt in der Realität
nicht vor. Ebenso ist eine Strecke auch real nicht unendlich oft zu teilen, da man physikalische Schranken hat, die jetzt noch nicht (oder nie) überwunden werden können. Ebenso sollten die Schüler schon vor der Einführung der reellen Zahlen wissen, dass ein Strahl und eine
Gerade für die gleiche Art der Unendlichkeit stehen. Hier kann man den Schülern erklären,
dass geometrische Objekte entweder ein Punkt sind oder aus unendlich vielen Punkten bestehen. Dabei ist es egal, ob es sich um eine Strecke, einen Strahl, einen Würfel oder den drei67
68
Vgl. Bolzano, Bernard, Paradoxien des Unendlichen, Leipzig 1920, S. 27.
Ebenda, S. 27.
46
dimensionalen Raum handelt - sie alle bestehen aus gleich vielen Punkten. Da die Mathematik
hierzu noch nicht altersgerecht ist, kann bei Schülern Vorfreude geweckt werden, dieses Mysterium in naher Zukunft zu verstehen. Selbst wenn damit nur wenig Schüler angesprochen
werden sollten, sind Schüler mit Vorfreude immer eine Bereicherung für die Klasse.
7.6
Geometrie neu betrachtet
„Der Kreis ist ein rundes Quadrat.“
„Ein Punkt ist ein Winkel, bei dem man beide Schenkel abgeschnitten hat.“
„Ein Kreis ist eine runde Linie, bei der man weder weiß, wo sie anfängt, noch wo sie
aufhört.“
Schüleraussagen69
Schüler neigen dazu, ihre eigenen Definitionen zu entwerfen. Diese Anwendung dient
dazu, andere Blickwinkel auf bekannte Figuren zu erlangen. Dabei handelt es sich nicht bloß
um eine Spielerei, sondern es dient der Veränderung des Standpunktes.
Einsteigen kann man mit dem Quadrat. Was passiert, wenn man die vier
Ecken abschneidet? Aus einer werden jeweils zwei und somit entsteht ein
Achteck. Dessen Regelmäßigkeit hängt natürlich vom Schnitt ab. Nun
wiederholt man den Vorgang unendlich lange, wodurch ein Unendlicheck
entsteht, das den Schülern bereits als Ellipse bekannt ist. Um diesen Prozess mit Papier nachzuvollziehen, faltet man ein quadratisches Blatt so,
dass die Ecken übereinanderliegen. Dazu sucht man sich eine Ecke aus
und faltet die anderen auf diese. Dadurch spart man drei Viertel der Arbeit. Nun sollen die Schüler, so gut es ihnen möglich ist, die Ecke mit einer Schere großzügig abschneiden. Mit den entstehenden Ecken ist ebenso
zu verfahren, bis keine Ecke mehr fühlbar ist. Am Ende werden die
Blätter aufgeklappt und verglichen. Obwohl es nur endlich viele Schnitte
waren, wahrscheinlich weniger als 20, ist das Resultat bei sauberer Arbeit gut zu erkennen.
Nutzt man diese Faltaufgabe, um den Kreis einzuführen, müssen die Schnitte tangential gesetzt werden. Das ist mit gutem Augenmaß oder Hilfslinien durch den Mittelpunkt möglich.
Dadurch entsteht aus geraden Schnitten eine gute Näherung für einen Kreis, wenn die Schnitte etwa gleich weit vom Mittelpunkt gesetzt werden. Bei dieser Aufgabe kann man die Sauberkeit der umsichtigen Schüler besonders loben, die sonst im Unterricht untergeordnet ist.
69
Brucker, Bernd, Das Vakuum ist ein großer leerer Raum, wo der Papst wohnt, München 2011, S. 77-82.
47
Ebenso kann man Schüler mit für sie unglaublichen Aussagen konfrontieren: „Eine
Gerade ist ein Kreis mit unendlichem Radius.“ Das erschließt sich nicht optisch wie die letzte
Aufgabe. Um die Schüler an den Rand der Vorstellungskraft zu bringen, fängt man bei einer
der beiden Figuren an, etwa dem Kreis. Dieser wird nun in Gedanken immer weiter aufgeblasen, wobei man gedanklich einen Randbereich des Kreises festhält. Dieses Randstück ist eine
Kurve, die sich immer mehr an eine Gerade annähert. Mit tatsächlich unendlichem Durchmesser ergäbe sich so eine Gerade. Dieses Gedankenexperiment ist optimal, um die schiere
Größe des Unendlichen geometrisch abzubilden. Durch Computersoftware wie GeoGebra
können die Schüler mit geometrischen Objekten hantieren. Schon beim dritten Vergrößern
des Ausschnittes ist der Kreisabschnitt für den Betrachter nicht mehr von einer Strecke zu
unterscheiden, wie ganz rechts im Vergleich zur Strecke GH zu erkennen ist.
Abbildung 17
Die Aussage „Parallelen sind Geraden, die sich im Unendlichen schneiden.“ ist weithin bekannt. Dieser Satz beruht wahrscheinlich auf der Fluchtpunktperspektive, nach der Geraden in der Ferne in einem Punkt zusammenlaufen zu scheinen. Einen einzigen Schnitt gibt
es in der Unendlichkeit nicht, denn auch wenn es perspektivisch so wirkt, bleibt der konstante
Abstand immer bestehen. Richtig formuliert ist, dass zwei parallele Geraden von unendlicher
Höhe betrachtet identisch sind. Auch das zeigt die Software sehr anschaulich: Von links nach
rechts gehend wurde herausgezoomt.
Abbildung 18
48
Bolzano erwähnt in seinen Paradoxien einen gewissen Joh. Schulz, der das Volumen
4
des gesamten Raumes zu 3 𝜋∞3 bestimmt hat. Mit Hilfe des Tafelwerks können die Schüler
herausfinden, was sich hinter dieser Idee verbirgt. So entdecken sie, dass Schulz das Volumen
einer Kugel mit unendlichem Radius berechnet hat. Mit ihrem bisherigen Wissen über
U-Zahlen wissen sie bereits, dass Unendlich mal eine Konstante und Unendlich mal sich
selbst wieder Unendlich ergibt. Damit wird die Formel überflüssig; das Volumen des Raumes
beträgt also Unendlich. Bolzano erklärte es mit Widersprüchen: Was ist mit einem unendlich
ausgedehnten Würfel oder Zylinder, der sich in der Sphäre befindet - nimmt der nicht den
ganzen Raum ein? Außerdem könnte man unendlich viele andere Sphären um diese herum
anordnen, was demnach mehr als der ganze Raum sein müsste, aber nicht sein kann.70
Insgesamt sollen die Schüler (auch in anderen Fächern) nicht einfach Begriffe hinnehmen, sondern hinterfragen. So wie die Begriffe „Demokratie“ oder „Briefgeheimnis“ im
Sozialkundeunterricht sehr heikel sind, gilt es hier, auch mathematische Begriffe zu ergründen. Dabei den Standpunkt zu wechseln, kann sich nur als positiv erweisen. Von Problemen
ist hier nicht auszugehen, da selbst die abstrakten Übungen von den Schülern mit Hilfe von
Software nachvollzogen werden können.
7.7
Der Zahlenbereich ℝ
Die Frage bei Hilberts Hotel lautete, ob es eine Möglichkeit der Nummerierung gibt.
Bei reellen Zahlen versagt der Versuch, sie durchzunummerieren: Sie sind überabzählbar.71
Dieser Widerspruchsbeweis ist als Cantors zweites Diagonalargument bekannt, da wie bei den
rationalen Zahlen ein Diagonalschema verwendet wird. Zuerst steht die Festlegung
0,999 … : = 1, wodurch die reellen Zahlen eindeutig werden. Dann beschränkt man sich auf
das Intervall [0,1], denn wenn dessen Überabzählbarkeit bewiesen ist, gilt ℝ erst recht als
überabzählbar. Die Annahme lautet, alle Zahlen im Intervall könnten nummeriert (abgezählt)
werden, so schreibt man mit den Ziffern 𝑎𝑖𝑗 ; 𝑖, 𝑗 ∈ ℕ :
1.
0,
𝑎11 𝑎12 …
für die erste Zahl,
2.
0,
𝑎21
𝑎22 …
für die zweite Zahl,
3.
0,
𝑎31
𝑎32 …
für die dritte Zahl
…
… …
…
und so weiter.
70
Vgl. Bolzano, Bernard, Paradoxien des Unendlichen, Leipzig 1920, S. 86.
Vgl. Casiro, Francis, Das Hotel Hilbert, in: Spektrum der Wissenschaft spezial, 02/2005, Stuttgart 2005,
S. 78f.
71
49
Jetzt bildet man eine neue Zahl, die als Nachkommastellen die Ziffern der Diagonale
erhält: 𝑎 = 0, 𝑎11 𝑎22 𝑎33 … Jetzt wird jede Ziffer nach dem Komma beliebig verändert, zum
Beispiel kann man jede Ziffer zur 1 machen, und was bisher 1 war, wird eine 0. So erhält man
𝑏 = 𝑏11 𝑏22 𝑏33 … Diese Zahl kann nicht in der Liste vorgekommen sein, denn die erste Ziffer
ist anders als die der ersten Zahl, die zweite Ziffer ist anders als die der zweiten Zahl und so
weiter. Damit war die Liste unvollständig und es gilt, dass man nicht alle reellen Zahlen abzählen kann. Das wird ab dieser Stelle überabzählbar genannt.72
Für die Schule ist dieser Beweis zu abstrakt. Es empfiehlt sich, die Schüler mit mindestens sechs Zahlen hantieren zu lassen, so dass zum Beispiel 𝑎 = 0,234512 … entsteht. Für
die Erstellung von 𝑏 können die Schüler selbst eine Regel überlegen, die jede Ziffer nach dem
Komma verändert. Denkbar wäre, bei jeder Ziffer 1 zu addieren, wobei die 9 zur 0 wird. Die
Erkenntnis, dass die neue Zahl nicht in der Liste stehen kann, sollte sich bei diesem Vorgehen
von selbst einstellen. Auch mit Hilberts Hotel kann der Beweis eingeleitet werden. Dabei
dient das Hotel wirklich nur als „Appetitanreger“; offensichtlich kann man die Gleichmächtigkeit der natürlichen und reellen Zahlen nicht zeigen.
VIII) Der Koch in Hilberts Hotel ist stolz auf seine neueste Création: Kein 3-GängeMenü, kein 5-Gänge-Menu, ein ∞-Gänge-Menü! Für jeden Gang können die Gäste aus zehn
möglichen Speisen auswählen: 1. Brot, 2. Suppe, 3. Fisch, 4. Salat, 5. Nudeln, 6. Pizza,
7. Spinat, 8. Eis, 9. Kuchen und 10. Torte. Jeder der unendlich vielen Gäste bestellt ein Menü.
Werden dabei alle Möglichkeiten ausgeschöpft? Der Direktor des Hotels möchte ein einzigartiges Menü. Er wählt deshalb im 1. Gang etwas anderes als Gast 1, im 2. Gang etwas anderes
als Gast 2 und so weiter. Diese Kombinationsmöglichkeit hat tatsächlich keiner der anderen!
Im Bereich der U-Zahlen gilt es nun, ein neues Symbol einzuführen. Dafür wird die
unterstrichene Lemniskate verwendet. Hier sind einige Beispiele mit Erklärungen angeführt,
wie sie auch Schüler aufstellen könnten.
∞>∞
Die Unendlichkeit der reellen Zahlen ist echt größer als die abzählbare.
∞ = ∞∞
Die neue Unendlichkeit kann man als unendlich Unendlichkeiten sehen.
∞ −∞ = ∞
Ohne die rationalen Zahlen bleiben dennoch überabzählbar viele reelle übrig.
Bereits 1873 wusste Cantor von der Überabzählbarkeit, die ihn dennoch wenig beeindruckte. In seiner Veröffentlichung ging er nicht einmal im Titel Über eine Eigenschaft des
Inbegriffs aller reellen algebraischen Zahlen darauf ein.73 Die reellen Zahlen liegen so dicht,
dass verständliche Beispiele rar werden. Hier kann man den Schülern folgendes Bild geben:
72
Vgl. Lehning, Hervé, Cantors Diagonale, in: Spektrum der Wissenschaft spezial, 02/2005, Stuttgart 2005,
S. 48f.
73
Vgl. Heuser, Harro, Unendlichkeiten, Wiesbaden 2008, S. 216.
50
Ein Mann möchte in den Himmel steigen. Der Weg dorthin sind unendlich viele unendlich
lange Leitern. Zwischen zwei Sprossen befinden sich wieder unendlich viele weitere Sprossen.
Daher wird der Mann nie die zweite Sprosse, geschweige denn die zweite Leiter erreichen.
Bis hier beschreibt das Bild nur die rationalen Zahlen. Die reellen Zahlen sind viel dichter:
Als er die erste Stufe zu ergreifen versucht, schreckt er zurück: Die Stufen sind so nahe beieinander, dass es das Klettern unmöglich macht. Die Leitern wirken nicht wie gewöhnliche
Holzleitern, sondern eher wie ein riesiger Baumstamm. Traurig geht der Mann nach Hause.
Mit dem Wissen über die reellen Zahlen kann man die Schüler fragen, ob eine kurze
oder eine lange Strecke mehr Punkte beinhaltet. In beiden Fällen ist es dieselbe Unendlichkeit
∞. Als Beweis genügt die einfache Funktion 𝑓: [0,1] → [0,2], 𝑓(𝑥) = 2𝑥. Sie ordnet die Zahlen der Intervalle einander bijektiv zu. Etwa gilt 𝑓(0.1234 … ) = 0.246 … Dass ein Strahl und
eine Gerade gleichmächtig sind, werden die meisten Schüler ebenso einsehen; es entspricht
den Gedanken zu Bolzano in Anwendung 5. Die Gleichmächtigkeit von Strecke und Strahl
1
zeigt man mit 𝑓(𝑥) = 𝑥 , 𝑥 > 1. Die Funktion könnte eine Überforderung für die Schüler darstellen, weshalb sie zusammen mit ihrem Graph genutzt werden sollte. So wird offensichtlich,
dass es eine Zuordnung gibt, die den unendlich vielen Werten aus (1, ∞) bijektiv Werte aus
(0,1) zuordnet. Jede reelle Zahl im jeweiligen Intervall bekommt genau einen Partner.
Beim Vergleich einer Strecke mit einem Quadrat ist mit Widerstand bei den Schülern
zu rechnen. Wie kann ein zweidimensionales Objekt nur aus so vielen Punkten bestehen wie
ein eindimensionales? Hier fand Cantor eine sehr überzeugende Methode, um die Kardinalität
beider Objekte in Bezug zu setzen. Dafür betrachte man mit den Schülern einen beliebigen
0.55 …
) Zwar lernen Schüler in der
𝟎. 𝟒𝟑 …
Punkt im zweidimensionalen reellen Raum, etwa 𝑃 = (
Schule, dass sie zwei Angaben bräuchten, um einen Punkt im zweidimensionalen zu bestimmen, doch man kann eine abwechselnde Schreibweise benutzen: 𝑃 = (0.5𝟒5𝟑 … ). Falls immer mit der oberen Komponente begonnen wird, muss eventuell eine Null eingefügt werden.
Mit dem Wissen, dass es um einen Punkt im dreidimensionalen Raum geht, bestimmt man im
𝟎𝟑, 𝟐𝟐 …
3,22 …
(𝟎17𝟑,
)
nächsten Beispiel 𝑄 =
34𝟐13𝟐 … = ( 1,31 … ) = (1,31 …) Damit ändert die
7,43 …
7,43 …
Dimension nichts an der Mächtigkeit des Kontinuums. Außerdem können die Schüler dieses
Wissen selbstständig verallgemeinern: Die Kontinuumsmächtigkeit ∞ ist dimensionsunabhängig. Bei Strecken, Ebenen, dem dreidimensionalen Raum oder Hyperwürfeln, immer
handelt es sich um dieselbe Art der Unendlichkeit.
51
7.8
Höhere Unendlichkeiten und Potenzmengen
Galileo ging noch davon aus, dass größer und kleiner bei unendlichen Größen nicht
gelten könnten.74 Im letzten Abschnitt wurde das bereits widerlegt und den Schülern damit
offengelegt, dass es außer der unvorstellbaren Unendlichkeit noch eine höhere gibt. Diese
Anwendung geht einen Schritt weiter. Dazu betrachtet man die Potenzmenge der natürlichen
Zahlen. Für die Schüler bildet man zuerst die Teilmengen von 𝐴 = {1,2,3}, sodass sie das
Konzept verstanden haben. Nun untersucht man, ob sich die Anzahl der Teilmengen abzählen
lässt. Dafür wird eine Tabelle angelegt und eine Eins
geschrieben, wenn die Zahl in der Teilmenge vorkommt; sonst eine Null. Da die Schritte analog zum
zweiten Diagonalargument sind, wird direkt mit einem
schülerfreundlichen Beispiel gearbeitet. Die zweite
Teilmenge enthält die 2, die 4 und womöglich noch
hallo hihi a Abbildung 19
- weitere Zahlen, die über diese Tabelle hinausgehen.
Nun betrachtet man die Diagonaleinträge: 𝑑 = 011 … Hier ändert man jede 1 zu einer
0 und umgekehrt. Es entsteht 𝑒 = 100 … Die zugehörige Teilmenge ist bisher noch nicht verzeichnet: Sie kann nicht die erste sein, weil sie die Eins enthält und nicht die zweite, weil sie
die Zwei nicht enthält und so weiter. Die Schüler werden dabei sicherlich den Bezug zur
Überabzählbarkeit der reellen Zahlen herstellen. Veranschaulichen lässt es sich besser als das
Diagonalargument, weil es nur die Einträge 0 und 1 gibt. Die können mit Spielkarten, Münzen oder dergleichen simuliert werden. Dann kann man bei der Bildung von e einfach die
Elemente der Diagonale umdrehen. Diese Übung dient zu mehr als einer Wiederholung:
Es wird gezeigt, dass die Potenzmenge eine größere Unendlichkeit beschreibt als die Ausgangsmenge. Dieser Vorgang lässt sich beliebig oft wiederholen. Die Potenzmenge der Potenzmenge der natürlichen Zahlen stellt damit die nächsthöhere Unendlichkeit dar und es gilt:
ℕ < 𝑃(ℕ) < 𝑃(𝑃(ℕ)) < 𝑃 (𝑃(𝑃(ℕ))) < ⋯
Damit gibt es unendlich viele verschiedene Unendlichkeiten. Wenn die Schüler die
Erkenntnis schon beeindruckend fanden, dass es etwas Größeres als Unendlich gibt, werden
sie hier ins Staunen geraten, so wie es die Mathematik leisten soll. Als Zusatz kann man die
Kontinuumshypothese ansprechen. Dass es unentscheidbare Probleme gibt beziehungsweise
74
Vgl. Heuser, Harro, Unendlichkeiten, Wiesbaden 2008, S. 203.
52
eine Aussage oder ihre Umkehrung zur Mathematik (Mengenlehre) hinzugefügt werden können, löst den Blick auf Mathematik als starre Rechenwissenschaft.75
7.9
Der Taschenrechner
In der Mittelstufe beginnt in Thüringen der Einsatz von Computeralgebrasystemen, die
die Lemniskate auf verschiedene Weise nutzen. Das soll am meistgenutzten Modell Ti-nspire
CX CAS verdeutlicht werden. Erstens gibt es den Überlauf. Bei Rechnungen mit sehr hohen
10
Ergebnissen wie 1010
wird Unendlich angegeben, allerdings in Verbindung mit einem gel-
ben Ausrufezeichen. Das Ergebnis ist damit nicht unendlich groß, sondern es übersteigt die
Rechen- oder Anzeigeleistung des Taschenrechners. Was zu groß bedeutet, können die Schüler selbst herausfinden. Dabei ist es vorteilhaft, wenn der Begriff Fakultät bereits eingeführt
wurde. Durch Ausprobieren findet man so heraus, dass 449! ≈ 3,85 ∙ 10997 die letzte noch
berechnete Fakultät ist. Was bei den Griechen die Myriade war, ist also beim Taschenrechner
101000 , eine Eins gefolgt von 1000 Nullen. Zweitens gibt es Unendlich als tatsächliches Ergebnis, etwa wenn man die Summe der natürlichen Zahlen berechnet. Drittens gibt es Unendlich als Sonderzeichen neben 𝜋 und 𝑒. Damit lässt sich so rechnen, wie es mit den U-Zahlen
eingeführt wurde. (Es gilt ∞ + ∞ = ∞ und so weiter.) Zwischen verschiedenen Unendlichkeiten unterscheidet der Taschenrechner aber nicht. Außerdem gelten die Operationen Subtraktion und Division als undefiniert. Insgesamt bietet der Taschenrechner sich an, um erste
Schritte beim Rechnen mit dem Unendlichen zu bewältigen. Bei diesem Thema kommt der
selbstdenkende Schüler viel weiter als der, der seine Aufgaben mit dem Taschenrechner zu
lösen gewohnt ist. Da CAS-Rechner die gesamte Kurvendiskussion übernehmen können, wie
sie früher Abituraufgabe war, sollten sich die Schüler neuen Denkaufgaben stellen. Beispielsweise kann man die Schüler auffordern, fünf Pythagoreische Tripel zu finden, das heißt
natürliche Zahlen der Art 𝑥 2 + 𝑦 2 = 𝑧 2 . Die Schüler mit Taschenrechner könnten auf diesem
wahllos Zahlen tippen, bis sie Paare gefunden haben. Die überlegenden Schüler wählen ein
bekanntes Tripel wie (3,4,5) und multiplizieren es mit fünf beliebigen Zahlen. Beispielsweise
ist (9,12,15) auch ein Pythagoreisches Tripel. Bei der Erklärung ihres Vorgehens könnten die
Schüler analytisch über Ausklammern oder geometrisch über ähnliche Dreiecke begründen.
In jedem Fall finden die Schüler so eine Methode, unendlich viele Tripel anzugeben. Da Unendlichkeit Denksport bedeutet, ist der Taschenrechner außer als Spielerei zu vernachlässigen.
75
Vgl. Busser, Elisabeth, Das Kontinuum: Labyrinth der Vernunft, in: Spektrum der Wissenschaft spezial,
02/2005, Stuttgart 2005, S. 60.
53
7.10
Die Diagonale des Quadrates oder √𝟐
Dieser Abschnitt dient als Begründung, warum man die reellen Zahlen benötigt. Für
die Alltagsmathematik werden negative Zahlen und Brüche verwendet. Die Schüler befinden
sich also nicht in der Notlage, hier weiter zu denken. Daher muss die Einführung der reellen
Zahlen gut begründet sein, damit es nicht wie eine simple Abhandlung des Lehrplans wirkt.
Die alten Griechen kannten schon ein einfach klingendes Problem, das mit den bisherigen
Zahlen nicht zu fassen ist: In welchem Verhältnis stehen die Seite eines Quadrates und seine
Diagonale? Zum Hintergrund sei auf den historischen Kontext zu Maßen in Kapitel 4 verwiesen. Bei der Beweismethode handelt es sich um den indirekten Beweis, den die Schüler nach
diesem Kapitel nachvollziehen und verallgemeinern können sollten. Dazu ist die Beweisführung sehr einfach zu halten. Zu Beginn die Annahme: Man kann die Diagonale als das Verhältnis zweier ganzzahliger Größen angeben. Dabei wird das Einheitsquadrat angenommen
und, dass der entstehende Bruch so weit wie möglich gekürzt ist. Hier kann man sich kurz
vergewissern, ob allen Schülern klar ist, dass man jeden Bruch eindeutig so weit kürzen kann,
dass Zähler und Nenner keine gemeinsamen Faktoren mehr besitzen. Außerdem sollte mit den
modernen Bezeichnungen gearbeitet werden, wodurch eine einfache Gleichung entsteht:
𝑎
√2 = 𝑏 mit 𝑎 ∈ ℤ, 𝑏 ∈ ℤ\{0}. Diese Gleichung kann man quadrieren und dabei mit der Klasse
die Potenzgesetze wiederholen. Es gilt offensichtlich 2𝑏 2 = 𝑎2 . Nun folgen logische Schritte,
die sich ebenso in einem Lehrervortrag wie in materialgeleiteter Gruppenarbeit erschließen:
• Die linke Seite der Gleichung ist unabhängig von b immer gerade.
• Demnach ist 𝑎2 auch gerade. Das ist nur möglich, wenn 𝑎 gerade ist.
Eventuell wird hier eine Erklärung für die Schüler benötigt. Ungerade Zahlen lassen
sich schreiben als 2𝑛 + 1 für ein 𝑛 ∈ ℤ. (2𝑛 + 1 )2 = 4𝑛2 + 4𝑛 + 1 = 2(4𝑛2 + 4𝑛) + 1.
Das Quadrat muss also immer ungerade sein. Folgerichtig kann es sich bei 𝑎 nur um eine gerade Zahl handeln. Das Quadrat gerader Zahlen 4𝑛2 ist immer gerade.
• Dann müssen 𝑏 2 und somit b auch gerade sein, weil die rechte Seite durch vier teilbar ist.
• Das ist ein Widerspruch zur Behauptung, der Bruch sei gekürzt. Also ist √2 nicht rational.76
Für die Irrationalität von Wurzeln aus anderen Primzahlen ist der Beweis analog. Irrationalitätsbeweise für Wurzeln aus Produkten wie √12 benötigen die Primfaktorzerlegung,
sind sonst aber nur wenig anspruchsvoller.77 An dieser Stelle genügt ein einziges Beispiel, um
die Notwendigkeit neuer Zahlen ersichtlich zu machen.
76
77
Vgl. Molodschi, W.N., Studien zu philosophischen Problemen der Mathematik, Berlin 1977, S. 153f.
Vgl. Nortmann, Ulrich, Im Kopf die Unendlichkeit, Münster 2015, S. 41.
54
7.11
Kurvendiskussion I oder Nullstellen und Verhalten im Unendlichen
Früher stand am Ende jeder Kurvendiskussion der Graph, für den man die bis dahin
gesammelten Informationen benötigte. Heute reicht es, die Funktionsvorschrift in den Taschenrechner einzugeben. Offen bleibt dabei, wie sich die Funktionen außerhalb des sichtbaren Feldes verhalten. Bei linearen Funktionen gibt es zwei Möglichkeiten: Ist die Funktion
konstant, behält sie immer denselben Wert. Interpretiert man die Abszisse als Zeitachse, so
ordnet die Funktion auch nach unendlicher Zeit denselben Wert zu. Ist die Funktion dagegen
steigend, nimmt sie nach unendlicher Zeit den Wert +∞ an. Genauer formuliert man: Die
Funktion strebt gegen Unendlich. (Fallend analog.) Hier stellt sich die erste Frage: Erreicht
eine steilere Funktion die Unendlichkeit schneller, beziehungsweise ist sie unendlicher? Auf
solche Schülerfragen muss man dabei gefasst sein. Eine sehr einfache Beantwortung ergibt
sich mit Zuhilfenahme der U-Zahlen. Beispielsweise gilt für die beiden linearen Funktionen
𝑓1 (𝑥) = 2𝑥 − 3 und 𝑓2 (𝑥) = 6𝑥 + 9:
𝑓1 (∞) = 2 ∙ ∞ − 3 = ∞ − 3 = ∞ = ∞ + 9 = 6 ∙ ∞ + 9 = 𝑓2 (∞)
Ebenso lässt sich zeigen, dass quadratische Funktionen trotz ihres stärkeren Wachstums keine andere Unendlichkeit beschreiben. Dieses Vorwissen ist für Grenzwerte besonders
wichtig; das Wachstum darf nicht mit verschiedenen Unendlichkeiten verwechselt werden.
Weiterhin taucht die Unendlichkeit bei den Nullstellen der trigonometrischen Funktionen auf. Hier lernen die Schüler, dass die Nullstellen der Sinusfunktion mit 𝜋 ∙ 𝑖, 𝑖 ∈ ℤ beschrieben werden können. Damit besteht die Gleichmächtigkeit der Anzahl der Nullstellen
mit der Gesamtzahl der ganzen Zahlen. Vergleicht man das mit der Funktion 𝑓(𝑥) = 0, stellt
man fest, dass beide unendlich viele Nullstellen haben, aber die lineare Funktion schon im
Intervall [0,1] mehr als die Sinusfunktion insgesamt besitzt. Auch hier gilt, dass die Mächtigkeit der reellen die der ganzen Zahlen überwiegt.
7.12
Lineare Gleichungssysteme
Diese Anwendung könnte ebenso der Analysis zugeordnet sein, doch die in der Mittelstufe auftretenden Gleichungssysteme sind vom Typ 2𝑥2 und können damit als zwei lineare
Funktionen aufgefasst werden. Diese Funktionen können einen Schnittpunkt haben, parallel
sein und keinen haben oder unecht parallel sein und damit über unendlich viele Schnittpunkte
verfügen. Dabei fällt es den Schülern meist leicht, bei einem Widerspruch anzugeben, dass es
keine Lösungen gibt. Die Angabe von unendlich vielen Lösungen ist dagegen ungewohnt.
55
Das liegt daran, dass man eine Größe frei wählen darf. Etwa für das Gleichungssystem
{(𝑦 = 𝑥 + 2), (3𝑦 = 3𝑥 + 6)} setze man 𝑦 = 𝑎 ∈ ℝ beliebig ein. Damit gilt 𝑥 = 𝑎 − 2.
Demnach sind alle Zahlentupel Lösungen, die sich schreiben lassen als (𝑎 − 2, 𝑎). Die genaue
Schreibweise ist von Lehrer zu Lehrer unterschiedlich. Die Schüler sollen hier den Unterschied zu einer einzigen Lösung mit Parameter begreifen. Dafür bietet es sich an, neben der
jeweiligen Schreibweise explizit eine gewisse Anzahl Lösungen angeben zu lassen. So sind
drei spezielle Lösungen zu dem obigen System (−1, 1), (−0.5, 1.5) und (8, 10). Durch deren
Angabe zeigt sich, ob der Schüler das Prinzip verstanden hat. Eine eindeutige Lösung mit
Parameter könnte bei einem anderen Gleichungssystem der Punkt (𝑏, 1) mit 𝑏 ∈ ℝ sein. Das
heißt, dass wirklich nur ein einziger Punkt die Gleichung erfüllt, auch wenn eine Koordinate
unbekannt ist und vielleicht erst im nächsten Aufgabenteil einen Zahlenwert erhält. Es bietet
sich nicht an, zwei unterschiedliche Schreibweisen für die Lösungsmengen einzuführen, da
große Verwechslungsgefahr für die Schüler besteht. Besser ist es, wenn die Schüler außer
ihrer Lösung einen Satz schreiben, wie viele Lösungen es gibt. (Zum Beispiel „Es gibt unendlich viele Lösungen.“) Diese Erkenntnis ist wertvoller als das Beharren auf einer sauberen
Formsprache, die selbst unter Mathematikstudenten noch Fragen aufwirft.
Weiterhin sollte jeder Schüler dieses Alters verinnerlicht haben, dass zwei Geraden
durch drei gemeinsame Punkte unendlich viele gemeinsame Schnittpunkte haben. Auch wenn
zwei für die Einsicht genügen würden, so gibt ein dritter Punkt Sicherheit. Deshalb sollten die
Schüler bei einer Wertetabelle für eine lineare Gleichung besser drei Punkte verwenden, was
eventuelle Rechenunsicherheiten aufzeigt.
7.13
Die Schatzsuche in 𝝅
„Dann machte er das Meer. Es wurde aus Bronze gegossen und maß zehn Ellen von
einem Rand zum andern; es war völlig rund und fünf Ellen hoch. Eine Schnur von dreißig
Ellen konnte es rings umspannen.“ (Altes Testament)78
Um Missverständnissen vorzubeugen: Das Zitat beschreibt den biblischen Tempelbau
unter Salomo. Das „Meer“ war ein bronzenes Waschbecken für Reinigungsrituale. An historischen Texten wie diesem kann man die damalige Genauigkeit mit den Schülern überprüfen.
Für den Kreisumfang gilt 𝑈 = 2𝜋𝑟, mit dem biblischen Radius von fünf Ellen erhält man
𝑈 ≈ 31,416 Ellen. Streng genommen ist „völlig rund“ also übertrieben, aber da die Ereignisse beinahe 3000 Jahre zurückliegen, bleibt es ein erstaunliches Ergebnis. Womöglich wurde
78
Jahwist et al., Bibel, Einheitsübersetzung, 1. Buch der Könige, 7,23.
56
sogar absichtlich gerundet, um den Text flüssig zu gestalten. Die Formulierung „Eine Schnur
von dreißig Ellen und vierhundertsechszehn Anteilen einer Elle“ wäre nicht nur unüblich und
schwer zu lesen gewesen, sondern auch immer noch ungenau. Wahrscheinlicher haben sie
aber von den Babyloniern die Näherung 3 übernommen, welche von denen schon vor 4000
Jahren verwendet wurde.79
Pi besitzt unendlich viele Nachkommastellen, wodurch jede Flächen- oder Umfangsberechnung am Kreis nur als Näherung anzugeben ist. Es ist fast unmöglich, dezimal den Umfang eines Kreises ohne Rundung anzugeben. Das „fast“ bezieht sich auf einen Spezialfall,
den man mit den Schülern besprechen kann. In welchem Fall ergibt 2𝜋𝑟 eine rationale Zahl?
Man wählt als Radius
1
𝜋
. Diese leichte Aufgabe ist für Schüler mit mangelndem Termver-
ständnis dennoch nicht zu lösen. In der Geschichte der Mathematik wurde versucht, 𝜋 immer
genauer zu bestimmen. Man kannte man schon im 14. Jahrhundert die Leibniz-Reihe, die offensichtlich erst später nach ihm benannt wurde. Die alternierende Reihe der Kehrwerte der
ungeraden Zahlen ergibt einen erstaunlichen Wert:
1
1
1
1
𝜋
1 − 3 + 5 + 7 − 9 + ⋯ = 4 . Wegen ihrer langsamen Konvergenzgeschwindigkeit ist
sie für die Berechnung aber unüblich.80 Weiterhin wurden Vielecke in Kreise beschrieben, die
diese sehr gut annäherten.81 Die Quadratur des Kreises bleibt bis heute unmöglich. Darunter
versteht man außer dem geflügelten Wort der Unmöglichkeit ursprünglich, ein flächengleiches Quadrat zu einem Kreis zu konstruieren.82 Die Unmöglichkeit können sich die Schüler
mit der Bauplattform vergegenwärtigen. Dabei wird ein Kreis mit einer Schablone und wasserlöslichen Stiften auf die Platte gezeichnet. Nun versuchen die Schüler, den Kreis mit Bausteinen aufzufüllen. Sie bemerken, dass man kleinere Steine braucht, um die Ränder auszufüllen. Entweder die Schüler bringen für diese Aufgabe kleinere Steine mit, oder der Lehrer lässt
es eine Gruppe stellvertretend für alle gut sichtbar mit einem Satz Steine durchführen. Mit
den Maßen der Steine lässt sich dann die Fläche des Kreises und damit indirekt 𝜋 bestimmen.
Dabei können die einzelnen Schritte den Schülern überlassen werden, damit sie die Modellierung selbstständig ausführen. Mit einem Radius von 3 Legosteinlängen (LE) ergibt sich ein
Flächeninhalt des Kreises von 28.27 𝐿𝐸 2 . Ausgelegt mit Legosteinen bestimmt man das
Volumen zu 21 𝐿𝐸 2 (Abbildung 20), die Auslegung mit Viertelsteinen ergibt 96 Steine entsprechend 24 𝐿𝐸 2 (Abbildung 21). Durch feineres Auslegen nimmt die Genauigkeit zu.
79
Vgl. Griesel, Heinz, Postel, Helmut, Suhr, Friedrich, Elemente der Mathematik 7, Braunschweig 2011, S. 214.
Vgl. ebenda, S. 214.
81
Vgl. Rittaud, Benoît, Wie viel wiegen die rationalen Zahlen, in: Spektrum der Wissenschaft spezial, 02/2005,
Stuttgart 2005, S. 68
82
Vgl. Müller, Tom, Perspektivität der Unendlichkeit, Regensburg 2010, S. 47.
80
57
Abbildung 20
Abbildung 21
Dabei sollten zwei Erkenntnisse gewonnen werden: Je kleiner die Steine sind, umso
genauer ist das Ergebnis. Und egal wie klein die Steine sind, es bleibt immer zu füllender
Raum übrig, weil der Kreis nicht geradlinig begrenzt ist. Daher bräuchte man unendlich viele
Schritte, um 𝜋 exakt zu bestimmen. Für Konstruktionen ist das unzulässig. Es gibt unzählige
weitere Methoden, um 𝜋 zu berechnen, die nicht alle erwähnt werden können. Weil der Computer heute die Rechnung übernehmen kann, findet man im Internet beliebig genaue Ergebnisse. Hinter dem Kofferwort Pibel verbirgt sich eine Webseite, auf der man sich 𝜋 vorlesen
lassen oder die ersten 10 Millionen Stellen herunterladen kann. 83 Damit lässt sich ein interessantes Experiment vollziehen, das als Infinite-Monkey-Theorem bekannt ist.84 Würde ein Affe
eine Schreibmaschine bedienen und rein zufällig die Tasten drücken, kann man die Wahrscheinlichkeit bestimmen, dass er das Wort „Affe“ schreibt. Ausgehend von 46 Tasten tippt er
1 4
das Wort mit einer Wahrscheinlichkeit von (46) ≈ 2.2 ∙ 10−7. Damit ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering, aber real größer Null. Tippt der Affe eine Milliarde Zeichen, so erwartet man
das Wort Affe mit großer Sicherheit. Tippt der Affe unendlich lange auf der Schreibmaschine,
so schreibt er das Wort auf jeden Fall - und sogar unendlich oft. Ein unendlicher Prozess relativiert jede noch so geringe Wahrscheinlichkeit, der Affe würde also auch die gesammelten
Werke von Shakespeare eintippen- in chronologischer Reihenfolge.
Dieses Paradoxon lässt sich an 𝜋 verdeutlichen, wenn man von dessen Aperiodizität
ausgeht. Das folgende Vorgehen funktioniert ebenso für √2 oder eine unendliche Folge von
Münzwürfen. Beginnen kann man, indem die Schüler ihr Geburtsdatum in 𝜋 suchen. Mit der
Suchfunktion in Dokumenten dauert das nur wenige Sekunden. Beispielsweise taucht der
83
Siehe Engelhardt, David, Pibel, <www.pibel.de>, 2009, Zugriff 14. 05. 2015.
Vgl. Collins, Nick, Monkeys at typewriters 'close to reproducing Shakespeare', The Telegraph 2011,
<http://www.telegraph.co.uk/technology/news/8789894/Monkeys-at-typewriters-close-to-reproducingShakespeare.html>, Zugriff 23. 05. 2015.
84
58
22.08. (2208) schon unter den ersten zehntausend Stellen auf. Ebenso lassen sich Telefonnummern und andere Zahlen in 𝜋 aufspüren. Interessanter wird es, wenn die Schüler sich eine
Übersetzung zwischen den Ziffern und Buchstaben ausdenken sollen. Dabei soll es sich um
eine eindeutige Vorschrift handeln, nach der man in 𝜋 lesen kann. Diese können die Schüler
zuerst entwickeln und dann 𝜋 nach interessanten Wörtern oder Informationen durchsuchen.
Informatisch interessierte Schüler können auch ein Übersetzungsprogramm anfertigen. Eine
Idee sei hier exemplarisch vorgestellt.
Nach zwei oder mehr Nullen beginnt ein neuer Abschnitt. Mit der Übersetzung kann
man dadurch an einer beliebigen Stelle in 𝜋 starten. Nun werden jeweils zwei Ziffern zusammen gelesen und nur die Zahlen 11 bis 39 berücksichtigt; alle anderen werden ignoriert.
11 𝑎
12 𝑏
13 𝑐
14 𝑑
15 𝑒
16 𝑓
17𝑔
18 ℎ
19 𝑖
21 𝑗
22 𝑘
23 𝑙
24 𝑚
25 𝑛
26 𝑜
27 𝑝
28 𝑞
29 𝑟
31 𝑠
32 𝑡
33 𝑢
34 𝑣
35 𝑤
36 𝑥
37 𝑦
38 𝑧
39 .
Abbildung 22
Beispiel: 70018991123237645263913 wird in 𝜋 entdeckt. Die Übersetzung startet
nach den Nullen. In Zweierblöcken erhält man 18|99|11|23|23|76|45|26|39|13 und nach
Ausschluss der unzulässigen Blöcke 18|11|23|23|26|39|13. Die Übersetzung lautet damit
„hallo. c“. Wichtiger als die Kenntnis, wie man so eine Geheimschrift anfertigt oder übersetzt,
ist die Einsicht in die Unendlichkeit. Nach dieser Kodierung finden sich in 𝜋 alle Bücher, die
jemals geschrieben wurden oder noch geschrieben werden! Dieses Verständnis geht weit über
die Anforderung des Lehrplans hinaus, nach der die Schüler „die irrationale Zahl 𝜋 als Proportionalitätsfaktor für den Zusammenhang zwischen Umfang und Durchmesser des Kreises
deuten“ können.85 Den Mathematikunterricht zu Pi kann man aber erst als gelungen betrachten, wenn 𝜋 nicht nur als Rechengröße, sondern als bewundernswerte oder erstaunliche Zahl
erkannt wurde.
7.14
Grundbegriffe der Stochastik
Zu den grundlegenden Unterscheidungen gehört die zwischen relativer Häufigkeit und
Wahrscheinlichkeit. Die relative Häufigkeit bezeichnet den Quotienten von absoluter Häufigkeit und der Gesamtzahl. Wenn ein Schüler eine Münze achtmal wirft und sie dreimal Kopf
3
zeigt, beträgt die relative Häufigkeit 8. Damit ist die relative Häufigkeit wirklich greif- und
85
Thüringer Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Lehrplan für den Erwerb der allgemeinen Hochschulreife, Mathematik, Erfurt 2013, S. 24.
59
messbar. Die Wahrscheinlichkeit dagegen ist ein theoretisches Maß. Mit den Begriffen der
Unendlichkeit lässt sich formulieren, dass die Wahrscheinlichkeit der relativen Häufigkeit bei
unendlich vielen Vorgängen entspricht. Über Münz- oder Würfelexperimente sollte hier das
starke Gesetz der großen Zahlen eingebracht werden. Im Gegensatz zur Konvergenz ist bei
der relativen Häufigkeit nur von einer Stabilisierung um die Wahrscheinlichkeit zu sprechen.
Die Schüler können experimentell herausfinden, dass bei zehn Münzwürfen womöglich fünf
Kopf zeigen, aber es bei einhundert nur vierzig sind.
Die Wahrscheinlichkeit beschreibt ein Ideal wie das Quadrat. Es gibt keine ideale
Münze mit einer Wahrscheinlichkeit von 0.5. Zwar besitzt jede Münze gewisse Wahrscheinlichkeiten für ihre Seiten, aber der Prozess diese zu ermitteln würde nicht nur unendlich viele
Würfe benötigen, sondern die Münze auch abnutzen, was die Wahrscheinlichkeit wieder veränderte. Außerdem sollen die Schüler für Wahrscheinlichkeiten sensibilisiert werden. Gerne
werden Lottokombinationen weitergegeben oder sogar verkauft, die bisher selten gezogen
wurden. Die Idee ist, dass sie als Ausgleich wahrscheinlicher erscheinen müssten. Viele
Schüler denken, nach einer Serie beim Münzwurf mit 50 mal Kopf müsste endlich Zahl erscheinen. Der Mathematiker weiß, dass Kopf und Zahl in jeder Runde gleichwahrscheinlich
sind. Der gute Mathematiker weiß, dass wieder Kopf erscheint, weil die Münze sicherlich
gefälscht ist.
7.15
Das Mitternachtsparadoxon
1759 veröffentlichte Laurence Sterne den Roman Leben und Meinungen des Tristam
Shandy Gentleman. In der Ich-Perspektive berichtet Shandy seine Lebensgeschichte. Dabei
fällt ihm auf, dass er ein Jahr benötigt, um einen Tag seines Lebens aufzuschreiben. Direkt
schließt sich die Frage an: Wenn er unendlich viel Zeit hätte, würde er dann jeden Tag beschreiben können? Einerseits kommen auf jeden Tag, den er lebt, 365 neue, die er beschreiben
muss. Damit ergibt sich täglich ein Defizit von 364 Tagen - die Schaltjahre noch nicht einmal
einberechnet. So gesehen kann er auch mit unendlich viel Zeit nicht alle Tage beschreiben,
weil sich die Defizite aufaddieren. Andererseits gibt es eine Bijektion zwischen den unendlich
vielen Tagen und den unendlich vielen Jahren der Ewigkeit. Daher hat paradoxerweise die
Ewigkeit gleich viele Sekunden, Minuten, Stunden, Tage und Jahre. Mit einem Rückgriff auf
die Bijektionsbeweise aus den ersten Anwendungen sollte die Antwort gefunden sein. Paradox bleiben beide Antworten. Eine interessante Ableitung dieser Geschichte ist das Mitternachtsparadoxon oder John Littlewood-Paradoxon:
60
In einer stürmischen Nacht klettert ein Mann auf einen hohen Berg, um etwas Unmögliches zu unternehmen. Er wartet, bis es ganz dunkel geworden ist. Eine Minute vor Mitternacht legt er in eine Urne zehn rote Kugeln, die mit den Nummern 1 bis 10 beschriftet sind.
Die erste Kugel nimmt er wieder heraus. Dann wartet er eine halbe Minute und legt zehn
neue Kugeln in die Urne, die mit 11 bis 20 beschriftet sind. Außerdem nimmt er die zweite
Kugel wieder heraus. Eine Viertelminute vor Mitternacht legt er die nächsten zehn Kugeln
hinein, nimmt die dritte heraus und so weiter. Wie voll ist die Urne genau zur Geisterstunde?
Es ergibt sich die paradoxe Situation, dass die Urne immer voller wird, aber andererseits zu jeder Nummer angegeben werden kann, wann sie wieder herausgezogen wird, indem
man sie mit zehn multipliziert. Die Kugel 7439 wird also in dem Vorgang wieder entfernt,
wenn er die Kugeln 74381 bis 74390 hinzufügt. Kurz vor Mitternacht befinden sich unendlich viele Kugeln in der Urne, aber genau Mitternacht ist keine mehr übrig. 𝐾𝑀−𝛼 = ∞ und
𝐾𝑀 = 0 wären mit den U-Zahlen formuliert daher zwei Aussagen, die Schüler schlussfolgern
könnten. 𝐾 steht hier für die Anzahl der Kugeln und der Index für den Zeitpunkt, wobei 𝑀
Mitternacht bedeutet. Dabei gibt es auch unter Mathematikern Streitigkeiten, was genau
Mitternacht passiere. Nur für Zenon wäre es kein Problem, da er sagen würde, dass es nie
Mitternacht wird.86
Durch eine kleine Änderung kann man die Aufgabe neu diskutieren: Es ist die gleiche
Situation, nur dieses Mal zieht der Mann jeweils die letzte Kugel wieder aus der Urne. Nach
dem ersten Schritt befinden sich also nur noch die Kugeln 1 bis 9 im Gefäß. Interessanterweise unterscheidet sich der Vorgang in der Urne bis kurz vor Mitternacht nicht. Ein Beobachter würde dasselbe wahrnehmen wie in der ersten Version des Paradoxons. Nur am Ende würden die Kugeln bei dieser Version nicht verschwinden: Da die Kugeln, die keine Vielfachen von 10 sind, nie herausgezogen werden, erreicht man hier zur Geisterstunde tatsächlich eine Anzahl von unendlich vielen Kugeln. 𝐾𝑀 = ∞. Nur durch die Entscheidung, welche
Kugeln wieder entfernt werden, übt man einen großen Einfluss auf das Ergebnis aus.
Die Aufgabe ist ein sehr gutes Beispiel dafür, welche Bedeutung die Möglichkeit des
Abzählens für die Frage nach dem Unendlichen hat. Das mathematische Diskutieren kann
hier besonders gut eingeübt werden, weil in der ersten Version des Paradoxons beide Varianten der Auslegung nachvollziehbar und logisch begründet sind. Die Schüler erkennen in der
zweiten Version, dass die Unmöglichkeit des Abzählens entscheidend für den Versuchsausgang ist.
86
Vgl. Linassier, Julien, Das Paradox der Biographie, in: Spektrum der Wissenschaft spezial, 02/2005, Stuttgart
2005, S. 46.
61
7.16
Casinoparadoxien
Über das Internet hat eine Strategie Absatz gefunden, mit der man im Casino todsicher
gewinnen soll. Dabei setzt man beim Roulette einen Euro auf Rot. Gewinnt man, hat man
einen Euro gewonnen. Verliert man, dann setzt man in der nächsten Runde das Doppelte.
Gewinnt man, bekommt man vier Euro ausgezahlt bei nur drei Euro Einsatz - der Gewinn
beträgt wieder einen Euro. Mit vollständiger Induktion zeigt man, dass für den Einsatz gilt:
𝑛−1
𝐸 = ∑ 2𝑖 = 2𝑛 − 1.
𝑖=0
Da die Induktion nicht mehr Teil des Lehrplans ist, wird sie hier nicht thematisiert.
Der Gewinn ist mit 2𝑛 genau um eins größer als der Einsatz. Man erhält also tatsächlich einen
gleichbleibenden Gewinn, unabhängig davon, in welcher Runde man gewinnt. Der Haken ist,
dass ein Sieg in kurzer Zeit nicht garantiert ist. Es ist möglich, dass zehn Mal nacheinander
Schwarz fällt. Dann hat der Spieler schon 1023 Euro verloren und durch die Einsatzverdopplung ist es ungewiss, wie lange er sich dieses Spiel noch leisten kann. Außerdem gibt es in
realen Casinos einen Höchsteinsatz. Abgesehen davon, kann man nur mit unendlich viel
Spielzeit und unendlich viel Geld tatsächlich von dieser Idee profitieren. (Wer aber schon
unendlich viel Geld besitzt, wird wahrscheinlich davon absehen.)
In der zweiten paradoxen Situation bekommt man folgendes Spiel vorgeschlagen: Man
setze einen beliebigen Geldbetrag. Nun wird eine faire Münze geworfen. Bei Kopf verliert der
Spieler und das Spiel ist zu Ende. Bei Zahl bekommt man seinen Einsatz zurück und die
nächste Runde beginnt. In jeder folgenden Runde verdoppelt die Bank bei Zahl den Einsatz,
bei Kopf wird ausgezahlt und das Spiel endet. Wie viel sollte man setzen? Die Frage lässt sich
mit Hilfe des Erwartungswertes gut beantworten. In der Tabelle sind die Wahrscheinlichkeiten P mit den jeweiligen Gewinnen G in Vielfachen des Einsatzes E angegeben.
𝑃
0.5
0.25
0.125
0.0625 0.03125
…
𝐺
0∙𝐸
1∙𝐸
2∙𝐸
4∙𝐸
8∙𝐸
…
𝑃∙𝐺
0𝐸
0.25𝐸
0.25𝐸
0.25𝐸
0.25𝐸
…
Abbildung 23
Außer in der ersten Runde gleicht der steigende Gewinn die sinkende Erfolgswahrscheinlichkeit aus. Da das Produkt aus Wahrscheinlichkeit und Gewinn dann immer ein Viertel des Einsatzes ergibt, ist der Erwartungswert unendlich. Man sollte bei dem Spiel also so
viel setzen, wie man hat! Das schützt allerdings nicht davor, in der ersten Runde Kopf zu
werfen. Viele Menschen würden eine sichere Million der 50: 50 Chance auf 100 Millionen
62
vorziehen, obwohl der Erwartungswert von 50 Millionen dafür spricht, das Risiko einzugehen. Hier gilt wieder, dass die Schüler ihre eigenen Argumente finden können. Sie sollten
einerseits wissen, was die rational richtige Entscheidung ist, aber es spricht nichts dagegen,
Sicherheit zu bevorzugen.
7.17
Der Zufall
Bei dieser Anwendung geht es um dem Zusammenhang von Zufall und Unendlichkeit.
Das betrifft Aufgaben, in denen unendlich viele Schritte oder eine unendlich kleine Wahrscheinlichkeit vorkommen. Im bereits erwähnten Paradoxon des Affen, der unendlich lange
auf einer Schreibmaschine tippt, zeigte sich, dass Unendlichkeit jeglichen Zufall ausschalten
kann. Murphys Gesetz Alles was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen kann man für den
Zufall übersetzen als Alles was passieren kann, wird auch passieren. Wenn es unendlich viele
Durchgänge gibt, tritt alles mit noch so kleiner Wahrscheinlichkeit ein. So lässt sich auch über
den Ursprung des Lebens diskutieren: Einerseits waren viele Zufälle wie das Zustandekommen der richtigen Aminosäuren notwendig, andererseits musste es in den Milliarden Jahren
nur ein einziges Mal die richtige Kombination geben. Falls es sich um eine sehr kleine, aber
positive Wahrscheinlichkeit handelt und man unendlich viele Versuchsdurchgänge hat, existiert der Zufall im bekannten Sinne nicht. Es bleibt ungewiss, wann das Ereignis erstmals eintrifft, aber es wird mit sicherer Wahrscheinlichkeit passieren.
Schwieriger sind Fragen, in denen die Wahrscheinlichkeit unendlich klein ist: Wie
wahrscheinlich ist es, eine rationale Zahl auszuwählen, wenn man zufällig eine reelle Zahl aus
dem Intervall [0,1] wählt? Zwar gibt es abzählbar unendlich viele rationale Zahlen, aber überabzählbar viele reelle Zahlen im Intervall. Mit U-Zahlen und dem altbewährten Verhältnis für
Anzahl der günstigen Ereignisse
die Wahrscheinlichkeit von Anzahl der möglichen Ereignisse ergibt sich
.
Wieder zeigt sich, dass die U-Zahlen seltsame, aber nützliche Ausdrücke hervorbringen. Auch ohne Grenzwerte zu kennen, bemerken die Schüler an dieser Stelle, dass durch den
gewaltigen Nenner die Wahrscheinlichkeit null sein muss. Andernfalls können sie es mit dem
bekannten Verhältnis
1
∞
vergleichen, das ebenfalls null ergibt. Wichtig ist dabei, dass in die-
sem Fall die Wahrscheinlichkeit null nicht mit dem unmöglichen Ereignis gleichzusetzen
ist.87 Zusammenfassend kann also auch bei unendlich vielen günstigen Ereignissen die Wahrscheinlichkeit null sein. Auch diese Aufgabe ist nur hypothetisch, da man die zufällig ausge87
Vgl. Rittaud, Benoit, Wie viel wiegen die rationalen Zahlen? Spektrum der Wissenschaft spezial, 02/2005,
Stuttgart 2005, S. 64.
63
wählte Zahl nie vollständig bestimmen kann. Wird beispielsweise die Zahl 0.500 … gezogen,
könnte es sich um den Bruch
1
2
oder vielleicht
5007
10000
handeln. Der letzte Bruch könnte mit
Kenntnis der nächsten Ziffer ausgeschlossen werden. Doch da man niemals alle Ziffern darstellen kann, bleibt das Problem als wirkliches Experiment unentscheidbar.
Das zweite Problem ist für Schüler anschaulicher: Ein Mensch wirft auf eine Dartscheibe. Wie wahrscheinlich ist es, einen vorher festgelegten Punkt zu treffen? Und wie häufig müsste er werfen, um mit sicherer Wahrscheinlichkeit erfolgreich zu sein? Zuerst ist die
Frage des Punktes zu klären. Der verhält sich in der Aufgabe paradox: Entweder er ist ein
Objekt ohne Ausdehnung. Dann könnte die Dartscheibe nicht existieren, da auch unendlich
viele Punkte zusammen keine Ausdehnung hätten. Oder er hat eine sehr kleine Ausdehnung.
Somit müsste man ihm eine Wahrscheinlichkeit zuordnen können. Dann könnte die Scheibe
nicht unendlich viele Punkte besitzen. Der Mittelweg ist, über U-Zahlen Punkte als unendlich
klein mit Ausdehnung 𝛼 anzusehen. Als Vorgriff ist hier zu erklären, dass eine Fläche „nur“
die Mächtigkeit des Kontinuums hat. Die Wahrscheinlichkeit, den Punkt zu treffen, liegt damit bei
𝛼
und somit sicher bei null. Interessanter ist die zweite Frage. Angenommen, er könn-
te unendlich oft werfen. Dann wäre es immer noch ein diskreter Vorgang, selbst wenn er jede
Sekunde einen Wurf schaffen würde. Daher ist die abzählbare Unendlichkeit zu verwenden:
𝑃=
𝛼∙∞
. Wie im ersten Fall ergibt sich die Wahrscheinlichkeit null. Auch ohne U-Zahlen
bieten diese Fragen großes Potential, da sie mit etwas Überlegung im Kopf entschieden werden können. Dadurch ist diese Anwendung auch für Vertretungsstunden lukrativ.
7.18
Unendlichkeit I
Schon Anaximander sagte „Die Materie ist unendlich in Raum und Zeit, das Weltall
ist unendlich, die Anzahl der Welten ist unendlich.“88 Heute sind wir noch nicht viel weiter,
da diese physikalischen Fragen unsere Erkenntnisgrenzen sprengen. Bolzano brauchte in seinen Paradoxien des Unendlichen 14 seiner 70 Paragraphen allein für den Begriff des Unendlichen.89 Da in den bisherigen Anwendungen das Unendliche nur ein Mittel zum Zweck war,
etwa den Unterschied der Mächtigkeiten von Zahlenbereichen aufzuzeigen, soll es hier direkt
mit den Schülern besprochen werden.
Beginnen kann man mit dem Symbol. Die Lemniskate ∞ wurde zuerst von John
Wallis 1655 benutzt, um Kegelschnitte mit der Dicke „Eins durch unendlich“ zu beschreiben.
88
89
Vgl. Molodschi, W.N., Studien zu philosophischen Problemen der Mathematik, Berlin 1977, S. 156f.
Vgl. Bolzano, Bernard, Paradoxien des Unendlichen, Leipzig 1920, S. 15.
64
Die Unendlichkeit wird ebenso wie die Ewigkeit durch die liegende Acht symbolisiert, da die
Schlaufe kein Ende hat. Ebenso gilt das Möbiusband als Abbild des Unendlichen, bei dem
man nicht zwischen unten und oben unterscheiden kann.90 Es wird auch Möbiusschleife genannt und wird mit Papier hergestellt, indem man ein Ende eines Bandes vor dem Festkleben
um 180° dreht. Schneidet man das Möbiusband entlang seiner Mittellinie auf, entsteht ein
großes Band. Zerschneidet man es erneut, entstehen zwei ineinander verschlungene Bänder
ähnlich der Lemniskate. Unter den einfachen Figuren wird der Kreis mit dem Unendlichen
verbunden.
Das kennen die Schüler aus Alltagserfahrungen: Eine Spielzeugeisenbahn kann auf
zusammengesteckten Schienen nur eine begrenzte Zeit fahren. Baut man die Schienen aber
kreisförmig zusammen, so fährt die Eisenbahn weiter, bis der Strom versagt oder sie kaputt
ist. Dabei sollte man darauf hinweisen, dass Figuren wie Kreise endlos, aber nicht unendlich
sind. Genau genommen gibt es nichts Unendliches an einem Kreis: Radius, Umfang und Flächeninhalt sind endlich. Weil es mindestens vier verschiedene Inhaltsebenen für Unendlichkeit gibt, sollten wie bei einer Lateinvokabel auch alle Bedeutungen präsent sein. Erstens ist
es semantisch das Gegenteil von endlich und wird so auch über die Mathematik hinaus verwendet. Zweitens steht es häufig im Zusammenhang mit unendlichen Mengen und meint dann
die Anzahl ihrer Elemente. Drittens steht es für das aktual Unendliche, etwa wenn jemand
davon ausgeht, das Weltall sei unendlich groß. Viertens steht es für Übertreibungen.
Da die Schüler ihre eigene Sicht auf das Unendliche entwickeln sollen, und da die
Kontroversität in der Forschung auch im Unterricht wiedergegeben werden muss, kann man
die Ansichten zum potentiell und aktual Unendlichen vergleichen. Dafür lassen sich die Makromethoden Diskussionsrunde oder Pro-Contra-Debatte verwenden. Am Beispiel der natürlichen Zahlen kann die eine Gruppe die Meinung vertreten, sie seien aktual unendlich, da sie
vorstellbar sind und man mit ihrer Gesamtheit arbeiten kann. Die andere Gruppe hält dagegen, dass man zwar Elemente hinzufügen kann, aber niemals die gesamte Menge vorliegen
hat. Auch der Standpunkt, auf Grund der Endlichkeit der Atome könne man nur begrenzt viele Zahlen notieren, kann hier mit den mentalen Argumenten verglichen werden. Solange die
Schüler schlüssig formulieren, können zu dieser Thematik die unterschiedlichsten Standpunkte eingenommen werden. Nihilistische Ansichten sollten mit Möglichkeit unterbunden
werden, da sie jegliche Weiterarbeit erschweren. Wenn dagegen ein Schüler die natürlichen
Zahlen nur als aktual anerkennt, kann er die Bijektionsbeweise dennoch anerkennen.
90
Vgl. Dambeck, Holger, Numerator: Rätsel des Möbiusbands gelöst, Spiegel online 2007,
<http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/numerator-raetsel-des-moebiusbands-geloest-a-495189.html>,
Zugriff 23. 04. 2015.
65
7.19
Folgen und Grenzwerte
Wie bei den bereits vorgestellten Zahlenreihen sind Folgen Auflistungen von Zahlen
nach einem bestimmten Prinzip. Selbstredend sind nur die unendlichen Folgen für diese Anwendung interessant. In dieser kurzen Anwendung werden eine berühmte wachsende und eine
fallende Folge vorgestellt. Die folgende Geschichte ist mehrere tausend Jahre alt:
Der Erfinder des Schachspiels hatte einen Wunsch beim König frei, der ein begeisterter Spieler war. Er wünschte sich ein Weizenkorn auf dem ersten Schachfeld, zwei auf dem
zweiten, vier auf dem dritten und dann immer die doppelte Anzahl auf dem nächsten. Der
König fand diesen Wunsch bescheiden und wollte ihm nachkommen.91
Beim Ausrechnen stellen die Schüler fest, dass der König ihm den Wunsch niemals erfüllen könnte, da schon auf dem letzten Feld 263 Körner liegen würden. Unbeschränkt wachsende Folgen sind wenig abwechslungsreich, da sie allesamt ∞ als Grenzwert haben. Aber bei
konvergenten Folgen ergibt sich trotz der unendlich vielen Glieder ein Grenzwert.
Folgen werden auch der Weg ins Unendliche genannt. Eine der berühmtesten Folgen
ist im Paradoxon Achilles und die Schildkröte abgefasst. Zenon beschrieb ein Wettrennen des
Helden Achilles gegen eine Schildkröte. Aus Gründen der Fairness bekommt die Schildkröte
10 Meter Vorsprung. Als Achilles diesen Punkt erreicht, ist die Schildkröte schon einen Meter
weitergekrochen. Achilles muss hinterher, doch als er diesen Punkt erreicht, ist die Schildkröte weitere 10 Zentimeter vor ihm und so geht es weiter. Zenon behauptet nun, dass Achilles
die Schildkröte niemals einholen könne - geschweige denn überholen. Dabei handelt es sich
aber nur um ein Scheinparadoxon, wie jeder weiß, der schon ein Wettrennen gegen eine
Schildkröte gelaufen ist.
Zenons Leistung besteht darin, zum Nachdenken über Zeit und Weg angeregt zu haben. Versetzt man sich in die Perspektive eines Erzählers, der das Wettrennen nach der oben
beschriebenen Art kommentiert, so wird man tatsächlich nie den Überholvorgang erleben.
Der Mathematiker Herman Weyl sprach sich im letzten Jahrhundert dafür aus: Wenn der Weg
wirklich aus unendlich vielen Teilstücken besteht, muss Achilles alle durchlaufen. 92 Wie in
der Anwendung zum Zufall kann man dem entgegnen, dass die Zeit zum Durchlaufen so stark
abnimmt, dass Achilles es wirklich in endlicher Zeit schafft. Physikalisch findet man den
Punkt, ab dem Achilles vorne liegt, als Schnittpunkt der gleichförmig geradlinigen
Bewegungsgeraden. Mathematisch bestimmt man den Grenzwert der einfachen Zahlenfolge
91
Eigene Formulierung. Vgl. Bigalke, Anton, Köhler, Norbert, Mathematik 11 Leistungsfach, Berlin 2001,
S. 13.
92
Heuser, Harro, Unendlichkeiten, Wiesbaden 2008, S. 87.
66
(10, 11, 11.1, 11.11, … ) entweder mit „scharfem Hinsehen“ oder in diesem Fall über die
Formel der geometrischen Reihe: 10 +
1
1−
1
10
= 11.111 … 93
Bei Grenzwerten ist besondere Vorsicht geboten. Deutlich wird das an folgender
Rechnung, die 𝜋 fälschlich zu 2 bestimmt: Man errichtet einen Halbkreis auf einer Strecke,
dann zwei Halbkreise mit halben Durchmesser, vier mit einem viertel Durchmesser und so
weiter. Die Folge der Halbkreise ist aus der Abbildung ersichtlich.
Abbildung 24
Es scheint, als würde die Kreislinie gegen den Durchmesser konvergieren. Betrachtet
man nüchtern die Werte, ergibt sich allerdings ein ganz anderes Bild:
Radius
Anzahl Halbkreise
Länge der Kreislinie
1
1
1∙1∙𝜋 =𝜋
0.5
2
0.5 ∙ 2 ∙ 𝜋 = 𝜋
0.0625
16
0.0625 ∙ 16 ∙ 𝜋 = 𝜋
𝛼
∞
𝛼∙∞∙𝜋 =𝜋
Abbildung 25
Der Schein kann trügen; wenn eine Folge von Mengen gegen eine Grenzmenge konvergiert, muss diese nicht mit dem Grenzwert übereinstimmen.94 Auch wenn der Prozess unendlich lange fortgesetzt wird, ändert sich das Ergebnis nicht, worauf die letzte Zeile der Tabelle hindeutet. Dabei soll diese Zeile nur symbolisch verstanden werden: Das Produkt einer
unendlich großen und einer unendlich kleinen Zahl kann einen endlichen Wert ergeben. Allgemein gilt sicherlich nicht 𝛼 ∙ ∞ = 1 wie in diesem Fall. Um diese Erkenntnis zu festigen,
kann man die Aufgabe mit den Schülern wiederholen, aber dann den Durchmesser verwen1
den. Die Länge der Kreislinie liefert in der letzten Zeile 2 𝛼 ∙ ∞ ∙ 𝜋 = 𝜋 und damit 𝛼 ∙ ∞ = 2.
Dabei sollen die Schüler die Einsicht bekommen, dass U-Zahlen für symbolische Rechnungen
funktionieren.
93
Arens, Tilo, et al., Mathematik, Heidelberg 2013, S. 158f.
Vgl. Rittaud, Benoît, Wie viel wiegen die rationalen Zahlen, in: Spektrum der Wissenschaft spezial, 02/2005,
Stuttgart 2005, S. 68.
94
67
7.20
Reihen
Unendliche Summen treten nicht erst in der Oberstufe auf. Schon der Bruch
10
3
steht
für eine Summe, nämlich 3 + 0.3 + 0.03 + ⋯ Die konvergenten Reihen werden in der Schule
genau behandelt, weshalb sich diese Anwendung auf die divergenten Summen spezialisiert,
die gegen unendlich streben. Schon Bolzano erkannte, dass man divergenten Reihen nicht
„vertrauen“ darf, die auch eine Erfindung des Teufels genannt werden. So gilt:
A = 1 + 2 + 4 + 8 … ist eine divergierende Reihe. Also: A = 1 + 2 + 4 + ⋯ = ∞.
2𝐴 =
2 + 4 + 8 + ⋯ ist das Doppelte dieser Reihe und ebenso divergent. Zieht
man jetzt die obere von der unteren ab, ergibt sich 2𝐴 − 𝐴 = 1 = 𝑆. Also gilt ∞ = 1.95
Wenn diese Aufgabe mit Schülern besprochen wird, werden sie hoffentlich entgegnen, dass
die Summe der Zweierpotenzen nicht endlich sein kann. Daher kann mit den Schülern die
Regel vereinbart werden, dass Umordnen bei divergenten Reihen nicht zulässig ist. Mit diesem Wissen können die Schüler ein modernes Internetphänomen untersuchen.
Im Internet, etwa auf der Videoplattform YouTube, hält sich die Theorie, die Summe
1
der natürlichen Zahlen sei − 12. Nach der Vorarbeit kann man die Schüler mit den Schritten
der Theorie konfrontieren, um sie zur Quellenkritik zu animieren. Analog kann man das Video anschauen. Den Start bilden drei Definitionen.
𝑆1 = 1 − 1 + 1 − 1 + 1 − ⋯
𝑆2 = 1 − 2 + 3 − 4 + 5 − ⋯
𝑆 =1+2+3+4+5+⋯
1
Dann wird 𝑆1 = 2 bestimmt - mit einem ähnlichen Vorgehen wie bei der Reihe 𝐴 zu Beginn.
Die genaue Rechnung wird zusammen mit der besonderen Reihe 𝑆1 im Anschluss analysiert.
Daraufhin wird 𝑆2 clever mit sich selbst addiert: 𝑆2 = 1 − 2 + 3 − 4 + 5 − 6 + 7 − ⋯
+(1 − 2 + 3 − 4 + 5 − 6 + ⋯ )
→ 2𝑆2 = 1 − 1 + 1 − 1 + 1 − 1 + 1 − ⋯ = 𝑆1 .
1
1
→ 2𝑆2 = 2 → 𝑆2 = 4. Im letzten Schritt rechnet man
𝑆 − 𝑆2 = 1 + 2 + 3 + 4 + 5 + 6 … − [1 − 2 + 3 − 4 + 5 − 6 … ] = 4 + 8 + 12 + ⋯
= 4(1 + 2 + 3 + ⋯ ) = 4𝑆. Jetzt muss man nur noch alle Teile zusammensetzen.96
𝑆 − 𝑆2 = 4𝑆
1
↔ − 4 = 3𝑆
1
→ 𝑆 = − 12
95
Vgl. Bolzano, Bernard, Paradoxien des Unendlichen, Leipzig 1920, S. 51-63.
Vgl. Haran, Brady, Numberphile, ASTOUNDING: 1 + 2 + 3 + 4 + 5 + ... = -1/12,
<https://www.youtube.com/watch?v=w-I6XTVZXww>, Zugriff 20. 03. 2015.
96
68
Der bereits erwähnte Fehler liegt an der Unzulässigkeit der Umordnung. Das ist sehr
eindrucksvoll an der verwendeten Reihe 𝑆1 = 1 − 1 + 1 − ⋯ zu sehen. Dazu gibt man die
folgende Erklärung: Eine ideale Glühlampe (die nicht kaputtgeht) wird immer wieder an- und
ausgeschaltet. Nach unendlich vielen Wiederholungen ist sie an (1) oder aus (0). Neben diesen beiden Ergebnissen gibt es je nach Ordnungsprinzip unendlich viele weitere:
(1 − 1) + (1 − 1) + (1 − 1) … = 0
1 + (−1 + 1) + (−1 + 1) + ⋯ = 1
1 + 1 + (−1 + 1) + (−1 + 1) … = 2
1 + 1 + 1 + (−1 + 1) + (−1 + 1) … = 3
Abbildung 26
Die ersten beiden Ergebnisse entstehen durch Umklammern, die letzten beiden durch
geschickte Anordnung. So erhält man jede natürliche Zahl, indem man die benötigte Anzahl
an Einsen nach vorne zieht:
Abbildung 27
Für die Abbildung wurden absichtlich mehr Pfeile als nötig verwendet, da die Schüler
das sichere Gefühl brauchen, dass das Schema sich tatsächlich fortsetzt. Es ist empfehlenswert, es die Schüler danach mit einer selbst gewählten einstelligen Zahl ausprobieren zu lassen. Weiterhin kann man mit der Reihe Brüche erzeugen, indem man wie bei der Reihe 𝐴 eine
1
Reihe um eins versetzt addiert. Es ergibt sich 2𝑆1 = 1 und damit 𝑆1 = 2. Diesem Bruch kann
man eine gewisse Bedeutung zuschreiben, wie das für diese Arbeit entwickelte Gedankenexperiment beschreibt: Ein Mann dreht eine Münze mit den Seiten Rot und Blau unendlich oft
um. Um nicht sein ganzes Leben zu verschwenden, beschließt er, sie jedes Mal doppelt so
schnell zu drehen wie zuvor. Nach der ersten Sekunde dreht er sie und sieht Rot, eine halbe
Sekunde später dreht er sie und sieht Blau. Zwei Sekunden nach dem Start wirkt die Münze
violett! Genau genommen kann das Auge die Farben durch die Drehung schon früher nicht
1
mehr auseinanderhalten, aber 2 lässt sich sinnvoll als Mittelwert interpretieren. Lässt man den
Schülern Zeit, mit dieser Reihe zu experimentieren, können sie sogar auf einen Widerspruch
stoßen. Subtrahiert man die Reihe nämlich geschickt von sich selbst, ergibt sich 0 = 1. Der
Wert der Reihe der natürlichen Zahlen bleibt also unbestimmt. Die Mathematik mag verblüffend sein, aber je mehr die Schüler selbst zu diesen Kunststücken in der Lage sind, umso weniger werden sie sich von dem Zauber blenden lassen.
69
7.21
Die Grenzwertschreibweise
Diese Anwendung ist die einzige, bei der im Lehrplan die Unendlichkeit erwähnt wird,
wenn auch nur ihr Symbol. Da das Prinzip schon aus dem Folgenkapitel bekannt ist, soll in
dieser Anwendung einzig die Schreibweise analysiert werden. Etwa schreibt man für eine
Funktion 𝑙𝑖𝑚𝑥→∞ 𝑓(𝑥) und meint damit, dass x unbegrenzt wächst. Dabei kann der Grenz1
wert eine reelle Zahl wie bei 𝑓(𝑥) = 𝑥 oder unendlich sein wie bei 𝑓(𝑥) = 3𝑥. In beiden Fällen müssen sich die Schüler vorstellen, immer größere Zahlen einzusetzen. Schreibt man dagegen 𝑙𝑖𝑚𝑥→𝑥0 𝑓(𝑥) so meint man, dass x sich immer näher an eine bestimmte Zahl annähert.
Bei 𝑙𝑖𝑚𝑥→0
1
𝑥
müssen die Schüler somit im Kopf immer kleinere Zahlen einsetzen. Dabei
werden sie feststellen, dass manche von ihnen auf den Grenzwert +∞, manche auf −∞ stoßen. Es ist nämlich entscheidend, von welcher Seite man den Grenzwert betrachtet. Gemeinsam mit den Schülern kann man daraus die Lehre ziehen, genau anzugeben, welche Richtung
man meint. Das geht am einfachsten mit Plus und Minus. Die Schreibweise 𝑙𝑖𝑚𝑥→0+
1
𝑥
liefert
daher das eindeutige Ergebnis +∞.
Weiterhin sind Grenzwerte für die Stetigkeit interessant. In vielen Schulklassen hält
sich das Gerücht, eine Funktion sei nur stetig, „wenn man sie mit einem Stift zeichnen kann,
ohne dabei abzusetzen.“ Demnach wären Tangens und die meisten gebrochenrationalen
Funktionen unstetig. Besser ist es daher, die Regel zu teilen. Wenn man die Funktion mit einem Stift durchzeichnen kann, ist sie stetig. Wenn nicht, dann muss man sich die Problemstellen ansehen. Gehören sie nicht zum Definitionsbereich, sind sie „ungefährlich“; so ist es auch
bei den eben genannten Funktionen. Wenn die Funktion dort definiert ist, muss nur noch eine
Frage beantwortet werden: Sind Funktionswert, linksseitiger und rechtsseitiger Grenzwert
gleich? Falls ja, ist sie stetig, falls nein, ist sie es nicht. Auch hier sieht man, welche weitreichende Fragen sich mit dem Unendlichen beantworten lassen.
7.22
Einführung in die Differentialrechnung
Spätestens mit der Differentialrechnung ging das unendlich Kleine in die reale Mathematik ein. Hier lohnt es sich, mit den Schülern Leibniz’ oder Newtons Anschauung zu diskutieren, die ähnlich den U-Zahlen ihre Ungenauigkeiten aufweisen. Newton bestimmte nach
seiner Fluxionsrechnung die Ableitung von 𝑦 = 𝑥 2 so: Er führte 𝑜 als unendlich kleine Größe
(Fluxion) und die momentanen Änderungsraten ẋ und ẏ (Fluenten) ein. Möchte man für die
70
einfache Funktion 𝑦 = 𝑥 2 die Änderungsfunktion wissen, setzt man für 𝑥 nun 𝑥 + ẋo und für
y ebenso 𝑦 + ẏo ein. Zusammenfassend ergibt sich ẏo − 2xẋo − ẋ2 𝑜2 = 0. An dieser Stelle
teilt Newton durch 𝑜, was zulässig ist, da es nicht gleich null ist. Für ẏ − 2xẋ − ẋ2 𝑜 = 0
argumentiert Newton dagegen, dass man die letzte Größe weglassen könne, weil sie mit einer
ẏ
unendlich kleinen Größe verbunden sei. Dadurch erhält er das richtige Ergebnis ẋ = 2𝑥, wenn
auch in für Kontinentaleuropäer ungewöhnlicher Schreibweise.97
Diese Theorie hatte noch Logiklücken, die besonders durch den Bischof Berkeley kritisiert
wurden: Einerseits ist die Rechnung nur möglich, wenn o ungleich null ist, andererseits werden am Ende die Größen mit o weggelassen, was doch für die Null spricht. Diese paradoxe
Wirkung von unendlichen Größen kam bereits an anderen Stellen vor, weshalb die Schüler sie
hier wiedererkennen und dadurch leichter diskutieren können. In der modernen Analysis wird
das unendlich Kleine ebenso verwendet, wenn auch auf dem festeren Standbein der reellen
Zahlen. Dabei sollen die Schüler lernen, wie sie den Anstieg einer Funktion an jeder Stelle
berechnen können. Der Trend im Unterricht geht dahin, einen hohen Wert auf die Ableitungsregeln zu legen und die Theorie möglichst kurz zu fassen. Wenn die Schüler nicht verstanden
haben, was sie da eigentlich tun und warum es funktioniert, verkommen sie zu Rechenmaschinen, was dem Lehrauftrag zuwiderläuft. Besser verbleibt man, den Differenzenquotient
und darauf den Differentialquotient ordentlich einzuführen. Die Motivationsfrage für die Sekante ist dabei, wie man den Anstieg einer Funktion an einer bestimmten Stelle finden kann,
wenn die Funktion nicht geradlinig ist. In der Abbildung werden Sekante (links) und die für
Schüler durch den Kreis bekannte Tangente (rechts) durch den Punkt 𝐹 verglichen.
Abbildung 28
97
Vgl. Purkert, Walter, Vom Unendlichen in der Mathematik zur Mathematik des Unendlichen, in: Eifler, Günter, Saame, Otto, Schneider, Peter, Endlichkeit – Unendlichkeit, Mainz 1993, S. 152.
71
Offensichtlich gibt die Sekante den Anstieg im markierten Punkt viel schlechter an als
die Tangente, aber ihr Vorteil liegt darin, dass man sie über zwei Punkte einfach berechnen
𝛥𝑦
kann. Es gilt für die zwei Schnittpunkte 𝑥0 und 𝑥1 das Verhältnis 𝛥𝑥 =
𝑓(𝑥1 )−𝑓(𝑥0 )
.
𝑥1 −𝑥0
Dieser Differenzenquotient wird zum Differentialquotient, indem der Grenzwert 𝑥1 → 𝑥0 gebildet
wird. Die Sekante wird zur Tangente.98
Beim Vergleich stellen die Schüler fest, dass man
mit dem zweiten Schnittpunkt möglichst nah am
ersten wählen muss, um ein gutes Ergebnis zu erzielen. Nichts anderes tut der Differentialquotient. Setzt
ℎ = 𝑥1 − 𝑥0 ,
man
𝑓(𝑥0 +ℎ)−𝑓(𝑥0 )
ℎ
hihi hi meine Abbildung 29
erhält
man
die
Variante
. An dieser können die Schüler wieder
über das Unendliche staunen: Die Größe ℎ wird un-
endlich klein, sie strebt gegen null. Für ℎ = 0 wäre der Anstieg perfekt berechnet, aber dann
würde null im Nenner stehen. Bildlich können die Schüler mit einer Geometriesoftware den
Grenzwertprozess tatsächlich vollziehen. Dabei erkennen sie, dass die Änderung des Anstieges anfangs noch sehr groß, aber später nur noch marginal ist. Auch geometrisch ist es interessant: Beim Prozess werden zwei Punkte so lange angenähert, bis nur noch ein einziger übrig ist. Es handelt sich um einen stetigen Prozess, doch die Überlagerung zweier Punkte muss
diskret sein, sie können nicht allmählich miteinander verschmelzen. So wird die Sekante zur
Tangente. Das Unendliche bleibt gleichzeitig verwirrend und faszinierend.
7.23
Kurvendiskussion II oder Asymptoten und Polstellen
Bei der vollständigen Kurvendiskussion geraten Schüler immer wieder an das Unendliche. Außer dem in Anwendung 7.11 besprochenen Verhalten im Unendlichen und den Nullstellen tauchen in der Oberstufe Polstellen und Asymptoten auf. Dabei ist die Asymptote eine
Hilfsfunktion, an die sich die gegebene Funktion für sehr große Werte anschmiegt. Anders
ausgedrückt, wirkt die Funktion von einer entfernten Perspektive wie ihre Asymptote; von
unendlicher Entfernung kann man nur die Asymptote wahrnehmen. Polstellen werden häufig
einfach als senkrechte Asymptoten beschrieben. Das ist technisch richtig, aber die Verknüpfung mit dem Unendlichen ist eine andere, weshalb beide Begriffe zu trennen sind:
98
Vgl. Von Krbek, Franz, Eingefangenes Unendlich, Leipzig 1952, S. 178.
72
Die Asymptote 𝑎 hat unter anderem dieselben Funktionswerte für unendliche Werte wie die
Funktion 𝑓. Es gilt also mit U-Zahlen: 𝑓(∞) = 𝑎(∞) und 𝑓(−∞) = 𝑎(−∞). Mit der Interpretation der Abszisse als Zeitachse entspricht das der Frage, was nach unendlich langer Zeit
passiert. Die Polstelle dagegen beschreibt eine Singularität, die deshalb nicht zum Definitionsgebiet gehört. In endlicher Zeit wird hier das Unendliche erreicht - und danach geht die
Funktion voran, als wäre nichts passiert. Ein Paradebeispiel ist die Tangensfunktion mit ihren
unendlich vielen Polstellen.
In der Grafik ist eine gebrochenrationale Funktion zu sehen, deren Polstelle aus der
Ferne betrachtet verschwindet und die von dort nur noch über ihre Asymptote bestimmt wird.
Abbildung 30
Die Polstelle 𝑥𝑃 = 1 lässt sich auf der rechten Seite durch den großen Maßstab nicht
mehr darstellen. Aus unendlicher Perspektive verlieren endlich viele Polstellen ohnehin ihre
Bedeutung. Sogar abzählbar viele Polstellen entfallen dann, da sie im Vergleich zu den überabzählbar vielen anderen Punkten praktisch nicht vorkommen. Nur wenn tatsächlich die Polstelle betrachtet wird und nicht die Funktion als Ganzes, fällt sie ins Gewicht. Die Asymptote
verhält sich gegensätzlich: Je mehr man den Maßstab vergrößert, umso mehr bekommt sie die
Oberhand. Für das Intervall [0,3] spielt sie dagegen keine Rolle und ebenso nicht für alle
kleineren Intervalle in diesem. Daher symbolisiert das Pärchen aus Asymptote und Polstelle
wunderbar den Gegensatz von unendlich kleinen und unendlich großen Größen. Eine detaillierte Unterscheidung wie hier begonnen, kann im Unterricht noch weiter ausgebaut werden.
Zuletzt begründet die Berechnung der Asymptote auch das Erlernen von mathematischem
Handwerkszeug wie der Polynomdivision.
7.24
Folgen, Reihen und Grenzwerte geometrisch
Die Bestimmung von Folgegliedern oder das Suchen nach dem Grenzwert einer Reihe
assoziieren Schüler häufig mit analytischem Rechnen, was die gängige Lösungsmethode dar73
stellt. Diese Anwendung stellt die interessante Alternative vor, bildlich Grenzwerte zu be1
stimmen. In Kapitel 4 ist das bereits mit der einfachen Reihe ∑ (2𝑛) geschehen, so dass der
Eindruck entstehen könnte, es gäbe nur dieses eine Anwendungsbeispiel. Die folgende Reihe
besitzt einen nicht-trivialen Grenzwert, den die Schüler so nicht erraten können:
Um das Ergebnis zu bestimmen, genügt es, eine Fläche
zu vierteln und den Prozess mit einem Viertel davon
fortzusetzen. Die ersten drei Summanden der Folge
sind in der Abbildung schwarz markiert. Nun sieht man, dass es jeweils
drei gleich große Quadrate gibt, von denen eines markiert ist. Damit ist
1
der Grenzwert 3 geometrisch bewiesen.99
Abbildung 31
Wenn die Summe der markierten Quadrate einen endlichen Wert
ergibt, könnte ein Schüler nun auf die Idee kommen, dass die Summe der
L-Formen ebenfalls endlich ist. Die Überlegung ist wünschenswert und
da es sich in jedem Schritt um drei Quadrate handelt, liegt der Grenzwert
1 nahe.100 Die Abbildung hierzu zeigt eindeutig, dass der Grenzwert 1
sein muss. Die einfache Rechnung soll dabei nicht vorenthalten werden:
Abbildung 32
3 1 0 3 1 1 3 1 2
3
1
1 2
3 4
∙ ( ) + ∙ ( ) + ∙ ( ) + ⋯ = ∙ (( ) + ( ) + ⋯ ) = ∙ = 1
4 4
4 4
4 4
4
4
4
4 3
Für die Rechnung ist lediglich die Formel der geometrischen Reihe vonnöten. In der
Schule sollten die Schüler ebenso den sicheren Weg der Rechnung wie auch den intuitiven
der Anschauung lernen. Dabei sind sicherlich beim Thema Unendlichkeit besonders viele
Fehler möglich, die für den Lerneffekt aber in Kauf genommen werden müssen. Der gesunde
Menschenverstand kann durch die Unendlichkeit in die Irre geführt werden. Als Ergänzung
zu einer Rechnung einen geometrischen Beweis zu nutzen, ist daher eine der wenigen Möglichkeiten, bei einem Unendlichkeitsproblem die Probe zu machen.
1
Den Abschluss bildet die anfangs erwähnte Reihe ∑ (2𝑛), deren
Grenzwert 1 mit einer neuen Einfärbung der letzten Grafik leicht gesehen werden kann, was nebenstehend zu sehen ist. Mit fortgeschrittenen Schülern kann man grafische Lösungen für Grenzwerte
aber Abbildung 33
überlegen, die nichts mit Zweierpotenzen zu tun haben.
99
Barthe, Daniel, Leonhard Eulers unendliche Summen, in: Spektrum der Wissenschaft spezial, 02/2005, Stuttgart 2005, S. 21.
100
Nortmann, Ulrich, Im Kopf die Unendlichkeit, Münster 2015, S. 124.
74
7.25
Einführung in die Integralrechnung
Die Berechnung des Flächeninhaltes idealer Figuren lernen die Schüler schon in der
8. Klasse. Egal ob die Fläche eines beliebigen Dreiecks oder die Oberfläche eines Zylinders,
selbst die Fläche einer Kugel können die Schüler mit einer zugehörigen Formel berechnen.
Dabei bleibt die Frage: Wie berechnet man eine krummlinige Fläche, wenn die Formel nicht
im Tafelwerk steht? Zur Anschauung kann man eine Apfelsine benutzen: Um ihre Oberfläche
möglichst genau zu bestimmen, schneidet man die Schale in dünne Streifen. Je dünner die
Streifen sind, umso besser kann man den Flächeninhalt über Dreiecke oder Rechtecke annähern, da die Krümmung der Schale weniger ins Gewicht fällt. Die Schüler werden schnell
erkennen, dass bei unendlich dünnen Streifen keine Probleme mehr bestehen würden. Man
zerlegt die Fläche also gedanklich in unendlich viele Rechtecke, die unendlich dünn sind.
Auch hier zeigt sich wieder die Formel ∞ ∙ 𝛼, deren Ergebnis eine reelle Zahl sein kann.
Auf die Vorbereitung der Integralrechnung über Ober- und Untersummen soll hier nur
kurz eingegangen werden, da es sich um die Berechnung von Reihen handelt. Wenn man den
Schülern aufgibt, die Fläche unter einer beliebigen Funktion mit gleich breiten Rechtecken zu
schätzen, so werden einige intuitiv Obersummen, einige Untersummen verwenden. Weiterhin
erkennen sie, dass sich bei einer steigenden Anzahl von Rechtecken beide Summen annähern,
um schließlich mit dem Integral gleich zu sein. Der Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung kann zwar mit den mathematischen Mitteln der Oberstufe bewiesen werden, bringt
aber keinen Mehrwert in der Erkenntnis des Unendlichen.
Spannender sind erste Aufgaben, die sich mit dem neuen Hilfsmittel lösen lassen. So
sucht man die Fläche unter der Funktion 𝑓(𝑥) = 𝑥 −5 im Intervall [1, ∞]. Obwohl damit eine
1
Fläche mit unendlicher Seitenlänge gegeben ist, führt die einfache Integration zu 4. Versucht
man sein Glück dagegen mit Obersummen, die definitiv die anschaulichere Lösungsmethode
sind, gerät man in eine Sackgasse: Bis heute ist das Ergebnis dieser Summe unbekannt. Dass
eine unendliche Länge und damit ein unendlicher Umfang nicht mit einem unendlichen Flächeninhalt Hand in Hand gehen müssen, bildet eine neue Erkenntnis für die Schüler. Ebenso
interessant ist es, Funktionen anzusehen, die über die Schule hinaus gehen. Die nebenstehende Dirichlet-Funktion ordnet den rationalen Zahlen die
Eins und allen irrationalen Zahlen die Null zu. Damit
ist sie an jeder Stelle unstetig und kann nicht integriert
werden. Dennoch darf man fragen, ob der Begriff der
das ist
Abbildung 34
75
Fläche hier einen Sinn hat. In jedem beliebigen Intervall ergibt sich ein Rechteck, dessen
Oberseite abzählbar viele und dessen Unterseite überabzählbare viele Punkte beinhalten.101
Zum Zeichnen empfiehlt es sich wie aufgezeigt, zunächst beide Teilmengen mit Punkten zu
skizzieren, aber die irrationalen Punkte dann mit einer Gerade zu verbinden. So können die
Schüler die Unendlichkeiten besser auseinanderhalten. Jetzt sollen sich die Schüler das
Rechteck als Haus vorstellen, wie es Kindergartenkinder zeichnen. Der Boden ist fest genug,
um darauf zu stehen- es fehlen nur abzählbar viele Nägel. Das Dach dagegen ist löchrig und
lässt sich nicht mit dem Boden vergleichen: Das Haus passt also nicht zusammen und ist unbewohnbar. Weitere Fragen führen hier auf das Lebesgue-Integral. Wichtiger als das ist bei
der Anwendung eindeutig der Umgang mit dem Unendlichen, bei dem die Schüler ihre eigenen Gedanken ordnen und sich eine eigene Meinung bilden sollen. Stellt hier etwa die Mehrheit der Schüler klar, dass sie abzählbar und überabzählbar nicht unterscheiden wollen oder
können, weiß der Lehrer, was es zu wiederholen gilt.
7.26
Gabriels Horn
Dieses Paradoxon gehört zu den berühmtesten aus dem Bereich des Unendlichen. Bei
Gabriels Horn oder Trompete handelt es sich um einen unendlich langen Hohlkörper, der von
der Form an ein Horn erinnert. Wegen seiner Länge kann natürlich nur ein Engel auf diesem
Musikinstrument spielen, woher der Name stammen mag.
Dieser Körper hat ein endliches Volumen. Zur Berechnung nutzt man die Funktion
1
𝑓(𝑥) = 𝑥 , die im Intervall [1, ∞) um die Abszisse rotiert. Falls keine Rotationskörper behandelt wurden, sollten die Schüler dem trotzdem gewachsen sein, indem sie die Formel zum
𝑏
Einsetzen erhalten: 𝑉 = 𝜋 ∫𝑎 (𝑓(𝑥))2 𝑑𝑥. Damit ist letztendlich nur eine einfache Integration
durchzuführen, wie sie im Beispiel der letzten Anwendung vorkam. So wird das Volumen zu
𝜋 𝑉𝐸 bestimmt und es ist damit endlich. Die Erkenntnis ist erstaunlich, aber den Schülern aus
der letzten Anwendung in einer niedrigeren Dimension bekannt. Damit können Figuren und
Körper mit unendlichen Längenmaßen dennoch endlichen Flächeninhalt oder wie hier ein
endliches Volumen besitzen. Zur Vorstellung bedeutet das bei einem vorderen Radius von
einem Dezimeter: Wenn man rund 3,14 𝑙 Farbe in das Horn füllt, ist es bis zum Rand voll.
Warum man das tun sollte, zeigt sich nach dem nächsten Schritt.
101
Vgl. Rittaud, Benoît, Triumpf des Diskreten, in: Spektrum der Wissenschaft spezial, 02/2005, Stuttgart 2005,
S. 72.
76
Abbildung 35
Nun wird die Oberfläche des Horns abgeschätzt, indem man die Funktion integriert.
∞1
∫1
𝑥
𝑑𝑥 = 𝑙𝑛 𝑎 − 𝑙𝑛 1 = 𝑙𝑛 𝑎 für 𝑎 → ∞. Der natürliche Logarithmus wächst unbegrenzt,
daher ist die Mantelfläche des Horns unendlich groß. Vielleicht kann die Existenz eines Körpers mit endlichem Volumen und unendlicher Oberfläche die Schüler nach den anderen Anwendungen nicht schockieren. Solche Körper erhält man auch nach folgender Anleitung: Man
nehme einen Würfel mit dem Volumen 1, teile ihn in zwei Stücke und lege beide nebeneinander. Dann teile man eins davon erneut und lege die Teile an das erste Stück und so weiter, bis
eine Treppe entsteht. Die Treppe hat immer dasselbe Volumen, erhält aber mit jedem Schritt
eine größere Oberfläche. Nach unendlich vielen Schritten ist man bei der Situation von Gabriels Horn angelangt. Das Instrument bleibt dennoch interessant, da es eine Erweiterung gibt:
Gabriels Horn soll zu einem besonderen Fest goldfarben angestrichen werden. Da die
Oberfläche unendlich groß und im Himmel Sparpolitik angesagt ist, werden nur 3.5 𝐿𝑖𝑡𝑒𝑟
Farbe gekauft und in das Horn gegossen. Es ist so viel, dass sogar etwas überläuft. Die Farbe
dringt von innen ein und färbt das Horn durch. Danach wird das Horn wieder ausgeschüttet
und die übrige Farbe wird für das nächste Fest verstaut.
Häufig folgt hier die Kritik, dass es keine Farbe geben kann, die so fein wäre, dass sie
bis in die Spitze des Horns vordringt. Andererseits gibt es das Horn ebenso nicht. 102 Wie alle
Anwendungen zum Unendlichen lässt es sich nicht Anfassen oder wirklich begreifen, aber
man kann darüber staunen.
7.27
Hilberts Hotel III
Die Geschichte von Hilberts Hotel hört mit der Frage nach den Schlafplätzen für unendlich viele Gäste aus unendlich vielen Bussen auf. Diese Frage wurde in Anwendung 3 so
modelliert, dass die Schüler eine Ebene geordnet mit Bausteinen bebauen mussten. Der nächs102
Vgl. Clegg, Brian, Eine kleine Geschichte der Unendlichkeit, Hamburg 2015, S. 338f.
77
te Schritt ist nun, eine weitere Dimension einzufügen. Dabei können die Schüler selbst kreativ
werden, wie man die Frage formulieren könnte. Am nächsten Tag kommen unendlich viele
• Jumbojets
• Flugzeugträger
• Raumschiffe
mit jeweils unendlich vielen Bussen mit jeweils unendlich vielen Passagieren. Passen alle
Menschen in das Hotel? Einige Schüler wissen schon durch die vorherige Erkenntnis
∞ ∙ ∞ = ∞, dass sich das Prinzip beliebig erweitern lässt. Andere werden diese Überlegung
noch nicht gehabt haben, da sie gedanklich nicht über die Ebene hinausdenken können. Für
die Bauplattform heißt die Frage: Gibt es eine Möglichkeit, den dreidimensionalen Raum geordnet mit Steinen zu füllen? Dabei reicht es wieder ohne Einschränkung, nur den ersten Oktanten zu betrachten. Die Bausteine werden in dieser Dimension tatsächlich als Würfel gesehen; eindimensional waren sie Punkte und zweidimensional Quadrate. Durch Ausprobieren
werden die Schüler auf dreidimensionale Objekte stoßen, die sie immer eine Schicht höher
bauen. Am leichtesten zu sehen sind der Würfel und die Pyramide. Die Abbildungen zeigen
jeweils beispielhafte Schritte aus dem Bauprozess.
Abbildung 36
Abbildung 37
Um Hilberts Hotel auf beliebig viele Stufen zu erweitern, sind zwei Schritte notwendig: Erstens eine Regel, die wie Cantors Diagonalargument vorgibt, auf welche Art man zählen soll. Zweitens eine narrative Umsetzung, die den beliebig vielen Stufen gerecht wird.
Durch die Analyse ihres selbst erbauten Körpers und mit Hilfe der analytischen Geometrie
können die Schüler diese Regel herleiten: Für Bebauung einer eindimensionalen Geraden ge78
nügt es, die natürlichen Zahlen als eindimensionale Vektoren aufzuschreiben. (Die ganze Gerade erhält man durch abwechselndes Verwenden positiver und negativer Zahlen. Die Regel
begnügt sich mit dem ersten Oktanten.) Für die zweidimensionale Ebene nutzt man zweidimensionale Vektoren. Deren Einträge dürfen alle natürlichen Zahlen bis einschließlich der
Zahl sein, die den momentanen Schritt angibt. Die Vektoren, die bereits in vorherigen Schritten verwendet wurden, dürfen nicht mehr für weitere Schritte genutzt werden. Beispiel: Zum
zweiten Schritt im zweidimensionalen Raum gehören drei Vektoren, weil es außer
1
( ) noch drei Möglichkeiten gibt, zwei Felder mit den Zahlen 1 und 2 zu besetzen.
1
1D
(1)
(2)
(3)
…
2D
1
( )
1
1
(1)
1
2
2
1
( ),( ),( )
1
2
2
2
2
1
1
2
2
1
(1) , (2), (2) , (1) , (1), (2), (2)
1
1
1
2
2
2
2
3
2
1
3
3
( ),( ),( ),( ),( )
3
3
3
1
2
…
3D
…
Abbildung 38
Die Vorschrift für den dreidimensionalen Raum findet sich analog. Interpretieren lässt
sich dieser Vorgang so, dass man den n-dimensionalen Raum mit Würfeln füllt, die alle aufeinander aufbauen. Die dreidimensionale Umsetzung wurde auf Abbildung 36 gezeigt. Auch
wenn man ab der 4. Dimension an Vorstellungsgrenzen stößt, so lässt sich das Verfahren dennoch beliebig fortsetzen. Gleichzeitig erkennen die Schüler, dass dieses Zählen bei einem
unendlich-dimensionalen Raum versagen würde. Hier könnte man den ersten Vektor
(1,1, … )𝑇 angeben, aber keine abzählbare Ordnung ab dem zweiten Schritt erzielen.
Ebenso lässt sich der n-dimensionale Raum mit Pyramiden füllen. Dabei werden weniger Vektoren pro Schritt benötigt, da es sich um einen Teil des vorherigen Würfels handelt.
1D
(1)
(2)
(3)
…
2D
1
( )
1
1
(1 )
1
2
1
( ),( )
1
2
2
1
1
(1) , (2) , (1)
1
1
2
1
3
2
( ),( ),( )
3
1
2
3
2
1
2
1
1
(1) , (2) , (3) , (1) , (2) , (1)
1
1
1
2
2
3
…
3D
…
Abbildung 39
Hier werden die Vektoren des jeweils ersten Schrittes im n-dimensionalen Raum wieder durch den n-dimensionalen Einheitsvektor gegeben. Die Vektoren des zweiten Schrittes
werden aus natürlichen Zahlen mit der Summe 𝑛 + 1 gebildet. Vektoren im grau markierten
Feld sind also diejenigen, bei denen die Summe der Einträge 5 ergibt. Es gilt demnach
𝑥 + 𝑦 + 𝑧 = 5 und so handelt es sich hier um Ebenen, die aufeinander parallel gestapelt sind.
79
Genauer sind es n-1-dimensionale Hyperebenen: Im eindimensionalen Punkte, im zweidimensionalen Strecken und im dreidimensionalen Dreiecke. Das kann nicht verwundern, wenn
man für die Interpretation weiß, dass es sich um schichtweise wachsende Pyramiden handelt.
Durch die Verwendung der Bauplattform lassen sich die anfangs komplex wirkenden
Zusammenhänge dieses Kapitels anschaulich erschließen. Sobald die Schüler selbst eine Anordnung beschrieben haben, stellt die Formalisierung nur noch eine kleine Aufgabe dar. Die
Übertragung auf 𝑛 Dimensionen ist nur formal möglich, baut gleichzeitig aber auf einem tiefen Verständnis der einfachen Dimensionen auf. Nebenbei wird durch die Verwendung der
Bauplattform der Unterricht aufgelockert und die Kreativität gefördert. Zusammen mit der
Analyse ergibt sich daher ein methodisch gut durchmischter Unterricht.
Die Narration für Hilberts Hotel leidet unter den weiteren Stufen, da man immer größere Dinge finden muss, die die Personen in sich aufnehmen. So könnte die fünfdimensionale
Version lauten: Am nächsten Tag kommen unendlich viele Ufos, jedes mit unendlich vielen
Raumgleitern, mit jeweils unendlich vielen Jumbojets mit jeweils unendlich vielen Bussen
mit jeweils unendlich vielen Passagieren. Passen alle in das Hotel? Die Antwort lautet ja, aber
die Frage ist zu umständlich formuliert. Ein cleverer Ausweg ist es, ein Beispiel mit kleiner
werdenden Objekten zu verwenden. Für die Vorstellung ist es einfacher, weil der Beobachter
immer tiefer hineinzoomen kann. Hilbert besitzt sehr viele Murmeln, die er in seinem
Schreibtisch aufbewahrt. Dieser Schreibtisch ist ganz besonders: Er hat unendlich viele
Schubladen. In jeder sind unendlich viele Fächer mit jeweils unendlich vielen Dosen. In jeder
Dose sind unendlich viele Schachteln mit jeweils unendlich vielen Murmeln. Besitzt er mehr
Murmeln als Cantor, der nur ein großes Glas mit unendlich vielen besitzt? Anmerkung: Hilbert ist sehr ordentlich, daher hat er die Schulbladen bis hin zu den Murmeln nummeriert.
Abbildung 40
80
Eine passende Injektion findet man zum Beispiel über Primzahlen. Dabei ergibt
2𝐴 ∙ 3𝐵 ∙ 5𝐶 ∙ 7𝐷 ∙ 11𝐸 gerade die Zahl der Murmel von Cantor, der sie zugeordnet wird. Die
Buchstaben stehen für die verschiedenen Tiefen (Schublade, Fächer und so weiter). Dieses
Modell lässt sich beliebig erweitern und so können die Schüler anspruchsvolle Geschichten
schreiben, wobei sie gleichzeitig wissen, dass das Ergebnis doch nur abzählbar unendlich ist.
Eine unendliche Tiefe lässt sich nie erreichen.
7.28
Kombinatorik
Bei unendlichen Prozessen steigen auch die Kombinationsmöglichkeiten. Dadurch ist
das Thema Kombinatorik per se mit der Unendlichkeit unvereinbar, da die Antwort auf die
Frage nach den Möglichkeiten immer unendlich ist. Deshalb geht es in dieser Anwendung
darum, wie man die Unendlichkeit auf Endliches reduzieren kann und welche Zählmethoden
sich beim bekanntesten Paradoxon des Themas, Hilberts Hotel, anbieten. Bereits behandelt
wurde das Infinite-Monkey-Theorem, bei dem ein Affe unendlich lange auf einer Schreibmaschine schreibt und dabei alles verfasst, was wir kennen. Diese Idee ist mit dem folgenden,
neu erdachten Paradoxon in endlicher Zeit lösbar: Die Bibliothek von Alexandria. Im Neubau
der antiken Bibliothek gibt es alle Bücher mit höchstens 1000 Seiten, dickere Bücher wurden
in zwei Bände aufgeteilt. Dabei wurden die Bücher alphabetisch sortiert. Das erste Buch ist
ganz leer, das zweite enthält nur den Buchstaben 𝑎 und so fort. Das letzte Buch enthält
durchgängig nur den Buchstaben 𝑧. Die Anzahl der Bücher ist endlich. Geht man von 3000
Zeichen pro Seite aus, müssen pro Buch 3 Millionen Plätze besetzt werden. Dafür stehen 26
Buchstaben und das Leerzeichen zur Verfügung. (Als Übung kann man weiterhin Sonderzeichen sowie Groß- und Kleinschreibung einbauen.) Für jede Stelle gibt es also 27 Möglichkeiten oder insgesamt 273000000 . Der Verlauf des Paradoxons würde mit einer einzigen Papierseite aber genauso funktionieren. Das Verwunderliche ist nämlich: In dieser Bibliothek finden
sich fantastische Schätze: Die Beschreibung von vergrabenen Reichtümern, ein neutral geschriebenes Geschichtsbuch und ein Buch über das eigene Leben! In diesem steht detailliert,
was man schon erreicht hat und was noch passieren wird - inklusive den Umständen des eigenen Todes. Nach genügend Zeit zum Überlegen sollten die Schüler das Problem der Bibliothek erkennen: Dort stehen ebenfalls ein Buch nur mit falschen Angaben von Schätzen und
tausende von Büchern, die eine falsche Zukunft beschreiben. Wenn alle Kombinationsmöglichkeiten auftauchen, sind darunter zwar nützliche, aber da man sie nicht extrahieren kann,
ist die gesamte Bibliothek nutzlos.
81
Zu Hilberts Hotel können die Schüler überlegen, wie viele Steine man benötigt, um
den zwei- bzw. dreidimensionalen Raum Schritt für Schritt zu füllen. Dafür muss man den
Algorithmus aus den jeweiligen Tabellen verstehen. Die Analyse des Algorithmus wird zuerst
an der Bauweise zur n-1-dimensionalen Hyperebene untersucht. Alternativ könnte man jede
andere Bauweise untersuchen, mit der die Schüler gearbeitet haben.
1D
(1)
(2)
(3)
…
2D
1
( )
1
1
(1)
1
2
1
( ),( )
1
2
𝟐
𝟏
𝟏
(𝟏 ) , (𝟐 ) , (𝟏 )
1
1
2
1
3
2
( ),( ),( )
3
1
2
3
2
1
𝟐
𝟏
𝟏
(1) , (2) , (3) , (𝟏) , (𝟐) , (𝟏)
1
1
1
2
2
3
…
3D
…
Abbildung 41
Der erste Schritt besteht immer aus einem Stein, der auf das erste n-dimensionale
Feld (1,1, … , 1)𝑇 gelegt wird. Der zweite Schritt der Dimension 𝑛 benötigt den zweiten
Schritt der Dimension n−1. Die dort vorkommenden Vektoren werden um eine Dimension
gehoben, indem ihnen eine 1 als untere Komponente angehängt wird. Dazu kommt der Vektor des ersten Schritts, dessen unterste Komponente um 1 erhöht wird. Ein Beispiel ist in der
Tabelle farbig markiert. Sobald die Schüler das Vorgehen verstanden haben, können sie versuchen, es für einen beliebigen Schritt der 𝑛. Dimension zu formulieren: Im 𝑘. Schritt nimmt
man die Vektoren des k. Schrittes der Dimension 𝑛 − 1 und fügt ihnen die Komponente 1
unten an. Dazu nimmt man die Vektoren des 𝑘 − 1. Schrittes der Dimension 𝑛 und erhöht
deren unterste Komponente um 1. Aus diesem Algorithmus lässt sich direkt eine rekursive
Berechnungsvorschrift ableiten. Die Anzahl der benötigten Steine kann auch intuitiv ermittelt
werden. Zur Abwechslung wird nun die Bauweise untersucht, die in den n-1-dimensionalen
Hyperwürfeln mündet.
Das Volumen eines n-dimensionalen Hyperwürfels mit der Seitenlänge a ergibt sich
zu 𝑉 = 𝑎𝑛 . Der zweidimensionale Hyperwürfel (Quadrat) mit der Seitenlänge von 3 Bausteinen besteht also aus 9 Bausteinen, der dreidimensionale aus 27. Ist die Anzahl der Steine in
der 𝑛. Dimension für den 𝑘. Schritt gesucht, so ergibt sich ein Hyperwürfel, bei dem man den
eine Längeneinheit kleineren Hyperwürfel nicht mitzählen darf. Die Anzahl 𝐴 ist
𝑘 𝑛 − (𝑘 − 1)𝑛 . Weitere Besonderheiten ergeben sich, wenn die reinen Zahlenfolgen der
Steine pro Schritt miteinander verglichen werden. Eindimensional wird ein Stein festgelegt.
82
𝑛/𝑘
Formel
1. Schritt
2. Schritt
3. Schritt
4. Schritt
5. Schritt
6. Schritt
1𝐷
1
1
1
1
1
1
1
2𝐷
𝑘 2 − (𝑘 − 1)2
1
3
5
7
9
11
3𝐷
𝑘 3 − (𝑘 − 1)3
1
7
19
37
61
91
4𝐷
𝑘 4 − (𝑘 − 1)4
1
15
65
175
369
671
5𝐷
𝑘 5 − (𝑘 − 1)5
1
31
211
781
2101
4651
6𝐷
𝑘 6 − (𝑘 − 1)6
1
63
665
3367
11529
31031
1𝑘 + 0𝑛
2𝑘 + 1𝑛
3𝑘 + 2𝑛
4𝑘 + 3𝑛
5𝑘 + 4𝑛
6𝑘 + 5𝑛
Rekursive Formel
Abbildung 42
Zweidimensional ergibt sich die Folge
der ungeraden Zahlen, da es sich um die Subtraktion benachbarter Quadratzahlen handelt.
Dreidimensional handelt es sich um die
zentrierten Sechseckzahlen. Sie beschreiben die
Summe der Kreise, die sich symmetrisch umeinander anordnen lassen. (Die Abbildung 43
zeigt die geometrische Darstellung.) Der Zusammenhang zwischen den Spalten kann mit
Formeln angegeben werden. Für den 1. und 2.
Schritt genügt scharfes Hinsehen, danach müssen sie die gewonnene Formel so modifizieren,
dass sie für höhere Schrittzahlen funktioniert.
Abbildung 43
Um ein neues Feld zu berechnen, nimmt man den Wert im Feld darüber und multipliziert ihn mit der Schrittzahl 𝑘 aus der Kopfzeile.
Dann addiert man 𝑘 − 1 hoch die Anzahl der Dimension 𝑛 des Eintrages. Für das nebenstehende Beispiel: 211 ∙ 3 + (3 − 1)5 = 665.
Abbildung 44
7.29
Von der Binomialverteilung zur Normalverteilung
Wenn man die Schüler nach ihrer Körper - oder Schuhgröße sortiert, wird sich nahezu
eine Binomialverteilung einstellen: Besonders große und kleine Größen sind selten, die meisten Schüler halten sich in der Mitte der Verteilung auf. Ebenso ergibt sich beim Münzwurf
eine Binomialverteilung. Beim einhundertfachen Münzwurf kommt es sehr selten vor, dass
83
1 100
die Münze nur Kopf zeigt - die Wahrscheinlichkeit beträgt (2)
≈ 7,9 ∙ 10−31 . Dass aber
gleich häufig Kopf und Zahl fallen, ist viel wahrscheinlicher - hierfür liegt die Wahrscheinlichkeit bei rund 8%. Möchte man großzügiger etwa gleich häufig Kopf und Zahl (bis zu einem Verhältnis von 60: 40), liegt die Wahrscheinlichkeit sogar bei rund 96,5%. Damit wird
bei Schülern gerne der Irrtum verknüpft, gewisse Folgen von Münzwürfen seien wahrscheinlicher als andere. Tatsächlich sind zum Beispiel (𝐾, 𝐾, 𝐾, 𝐾, 𝐾, 𝐾, 𝐾) und (𝑍, 𝐾, 𝐾, 𝑍, 𝐾, 𝑍, 𝐾)
gleich wahrscheinlich, auch wenn die zweite Folge von Würfen mehr dem Alltag zu entspre1 7
chen scheint. Eine einfache Rechnung zeigt, dass beide die Wahrscheinlichkeit (2) besitzen.
Bei einhundert Würfen hat jede Kette dieselbe Wahrscheinlichkeit wie die, die nur aus Kopfwürfen besteht. Die Binomialverteilung fragt aber nicht nach einzelnen Würfen, sondern fasst
mehrere zusammen. Das lässt sich besonders gut bei Würfelspielen wie Die Siedler von Catan
sehen. Hier bauen die Spieler an verschiedenen Rohstoffen, zu denen die Zahlen 2 bis 12 gehören. Es wird mit zwei Würfeln gespielt und die Augensumme betrachtet. Die Zahlen 6 und
8 tauchen besonders häufig auf und sollten daher besonders bebaut werden. Die 7 kommt
statistisch am häufigsten vor und löst einen Spezialzug aus.103
Vielleicht würfelt ein Spieler (1,6) und denkt dabei, dass diese Kombination oft falle,
weil er sie mit der 7 assoziiert. Die (1,6) ist so wahrscheinlich wie die (1,1), aber die Summen
sind binomialverteilt. Dabei gibt es nur eine Möglichkeit für die 2, aber sechsmal so viele für
die 7. Die Abbildung zeigt die Unterschiede zwischen Gleichverteilung und Binomialverteilung, die die Schüler sich einprägen müssen.
Abbildung 45
Mit Kenntnis der Binomialverteilung ist der Schritt zur Normalverteilung nicht
schwer. Dazu geht die Anzahl der Durchführungen gegen unendlich. Für jeden endlichen
Wert 𝑛 bleibt es bei einer Binomialverteilung, durch den Übergang wird aus der diskreten
Kurve eine stetige. Mit dem Taschenrechner lassen sich Experimente mit großem 𝑛 simulie103
Vgl. Catan GmbH, Spielregeln, 2015, <http://www.catan.de/service/spielregeln>, Zugriff 01. 07. 2015.
84
ren. Der Befehl ist eine einfache Eingabe, mit der die Schüler selbst experimentieren können.
Für den Ti-Nspire ist es randint(kleinste zu erzeugende Zahl, größte zu erzeugende Zahl,
Durchläufe). Die Darstellung 46 zeigt randint(1,2,2500) und randint(1,6,2500).
Abbildung 46
Zumindest bei der Simulation des Würfels lassen sich noch sichtbare Unterschiede erkennen,
sodass nicht von einer Gleichverteilung gesprochen werden kann. Die Simulation mit der Binomialverteilung zu verknüpfen, ist den heutigen Taschenrechnern noch nicht möglich; nach
der Berechnung von 30 Zeilen stürzt das Computersystem ab. In ein paar Jahren kann man so
aber anschaulich präsentieren, wie die Binomialverteilung mit wirklich ermittelten Ergebnissen für wachsende Größen eine immer bessere Beschreibung liefert. Bis dahin muss der
Übergang der ideellen Binomialverteilung zur Normalverteilung ausreichen. Auf der nächsten
Abbildung sind links beginnend die Werte der Binomialverteilungen des ideellen Münzwurfs
mit 10, 1000 und 1000 Durchführungen aufgeführt.
Abbildung 47
Bei 1000 Durchführungen sind die Funktionswerte noch eindeutig zu erkennen, gleichzeitig
verschwimmen die Punkte durch ihre Dicke zu einer verbundenen Funktion. Selbstredend
kann hier noch nicht von Stetigkeit gesprochen werden, aber es vermittelt einen Eindruck, wie
durch die Unendlichkeit aus diskret stetig werden kann. Für große 𝑛, die die LaplaceBedingung 𝑛𝑝(1 − 𝑝) < 9 erfüllen, kann die Normalverteilung als gute Näherung dienen.104
Damit ist diese Anwendung zum Experimentieren für die Schüler sehr geeignet.
104
Vgl. Bigalke, Anton, Köhler, Norbert, Mathematik 12 Leistungsfach, Berlin 2002, S. 334f.
85
7.30
Unendlichkeit II
Manche Philosophen stoßen sich schon an der Formulierung 2 + 2 = 4, weil dabei
abstrakte Dinge zusammengefasst werden und kein Mensch erkennen könne, ob diese Regel
immer gelte.105 Andere halten negative Zahlen für Unfug, da sie so nicht vorkommen. In der
Tat kann man −7 Äpfel nicht zeigen und selbst 5€ Schulden sind eine abstrakte Größe. Auch
die Existenz der Null wird bisweilen bestritten, da ein echtes, physikalisches Nichts nicht
existiert.106 Wie viel schwerer ist es da, von unendlichen Mengen zu sprechen oder zu erklären, warum es unendlich viele Unendlichkeiten gibt. Die Skepsis der Schüler ist unterschiedlich, aber um möglichst viele offene Fragen klären zu können, sollte in der Oberstufe eine
Einheit zur Unendlichkeit eingebaut werden. Diese ist zusätzlich zu den bisherigen Themen,
in denen die Arbeit mit Unendlich eine Ergänzung zum normalen Schulstoff darstellte. Daher
bietet sich eine oberstufengerechte Anwendung an, in der nur die Unendlichkeit mit ihren
Facetten behandelt wird. Drei Beispiele sollen dabei beschrieben werden, wobei die Auswahl
so groß ist, dass der Überblick genügen muss.
Erstens lässt sich die Geschichte des Unendlichen in der Neuzeit aufarbeiten. Wie unterschied sich Leibniz' bessere Notation von der Newtons? Warum konnte sich Cantors Mengenlehre nur so schwer durchsetzen? Wie beeinflusste der Gödelsche Unvollständigkeitssatz
die Mathematik? All diese Themen sind sehr zeitintensiv und sollten daher in Projektarbeit
oder fächerübergreifend angeboten werden.
Zweitens kann man den Blick auf die Kardinal- und Ordinalzahlen Cantors werfen,
der wegen seiner Erschütterung der Mathematik auch Verderber der Jugend genannt wurde.
Dieser Abschnitt ist nur für leistungsstarke Klassen gedacht und schafft die U-Zahlen ab. Die
Einstiegsfrage lautet, wie man eine Menge von natürlichen Zahlen beschreibt. Schon Bolzano
schrieb, dass man dafür die letzte verwendet. {1, 2, 3} könnten 3 Äpfel sein, wie die letzte
Zahl der Menge angibt. Bei den natürlichen Zahlen gibt es aber keine größte, wodurch sie
sich der Beschreibung entziehen.107 Die Notwendigkeit einer Zahlenunterscheidung ergibt
sich auch mit dem nächsten Beispiel: Mit den Schülern erarbeitet man, wie man die
höheren Stufen des Unendlichen ordnen könnte. Eine Möglichkeit ist dabei diese:
∞
1, 2, 3, 4, 5 … ∞, ∞ + 1, ∞ + 2, ∞ + 3, … , ∞ ∙ 2, … , ∞ ∙ ∞, ∞∞ , … , ∞∞ , …
108
Spätestens an
dieser Stelle muss die Unterscheidung von Kardinal- und Ordinalzahlen getroffen werden.
105
Vgl. Maddy, Penelope, Realism in Mathematics, New York 1990, S. 1.
Vgl. Clegg, Brian, Eine kleine Geschichte der Unendlichkeit, Hamburg 2015, S. 306.
107
Vgl. Bolzano, Bernard, Paradoxien des Unendlichen, Leipzig 1920, S. 20.
108
Vgl. Lavine, Shaughan, Understanding the infinite, London 1994, S. 247.
106
86
Nach den getroffenen Vereinbarungen der U-Zahlen gilt ∞ + 1 = ∞ = ∞ ∙ ∞, was die beschriebene Zählweise unmöglich macht. An einem einfachen Beispiel demonstriert man den
Schülern, welche zwei Bedeutungen eine Zahl haben kann. Dazu schreibt man die ersten natürlichen Zahlen auf die Tafel: 1 2 3 4 5 6 7 8. Diese Zahlen stehen zum Beispiel für
acht Äpfel, was der Anzahl der Zahlen entspricht. Das nennt man Kardinalzahl. Gleichsam
kann man auf die letzte Zahl zeigen, es ist die achte. Das gibt die Position der Zahl in der
Menge an und wird Ordinalzahl genannt. 109
Um beide Begriffe zu vereinen, zeichnet
man drei Objekte, etwa Sterne. Der markierte Stern hat eine Kardinalzahl von 1, aber
eine Ordinalzahl von 3.
Abbildung 48
Die Mächtigkeit wird nach Cantor mit ℵ (Aleph) bezeichnet; die Mächtigkeit der natürlichen oder ganzen Zahlen ist ℵ0 . Für die Ordinalzahlen verwendet man 𝜔. Die bisherige
Verwendung der Lemniskate spaltet sich somit in diese beiden Möglichkeiten auf. Nach dieser Unterscheidung ist bei Anwendungen zu Hilberts Hotel ℵ zu verwenden, bei Ordnungen
im Unendlichen dagegen 𝜔. So zählt man 1, 2, 3, …, 𝜔, 𝜔 + 1,…2 𝜔, …, 𝜔𝜔 , … und so weiter. Selbst bei 𝜔 hoch 𝜔-mal ist nicht Schluss, da diesem Ausdruck willkürlich der Name 𝜀0
gegeben wurde. Die Ordinalzahlen funktionieren anders, da Addition und Multiplikation nicht
kommutativ sind. Als Beispiel kann 𝜔 + 2 und 2 + 𝜔 illustriert werden: 𝜔 + 2 ist darstellbar
als {1, 2, 3, … , 𝜔1 , 𝜔2 , } und 2 + 𝜔 als {𝜔1 , 𝜔2 , 1, 2, 3, … }. Dadurch ist die erste Menge größer.
Als zweites Beispiel kann man die natürlichen Zahlen in gerade und ungerade zerlegen, die
jetzt jeweils für eine Folge ins Unendliche stehen: {2, 4, 6, 8, … , 1, 3, 5, 7, … } ist demnach eine
größere Menge als {1, 2, 3, … }.
Drittens bietet sich eine Diskussionsrunde an, in der die durch die Anwendungen geschärfte Sicht der Schüler untereinander besprochen wird. Dabei werden einerseits Fehlvorstellungen aufgedeckt und von Mitschülern verbessert. Andererseits wird das Verständnis
vom Unendlichen vertieft, da die Schüler in der Regel viele eigene Ideen haben, die sie auch
gerne einbringen. Somit werden noch weitere paradoxe Situationen gefunden, die in der Klasse ausgewertet werden können.
109
Vgl. Göttmann, Hans, Kardinalzahlen und Ordinalzahlen, 2010, <http://www.stkdarmstadt.de/goettmann/edaf/mathe/g02_02.htm>, Zugriff 15. 03. 2015.
87
8.
Zusatz zum Lehrplan
Die hier aufgelisteten Themen sind gut in den Lehrplan integrierbar, aber kein Be-
standteil. Somit eigenen sie sich besonders für klassenübergreifende Projekttage oder die Förderung besonders leistungsstarker Schüler.
Sicher interessiert es viele Schüler, wie die natürlichen Zahlen definiert sind. Peano
hat sich mit der Mengenlehre ein einfaches, aber sehr sinnvolles Konzept erdacht: Die Null
wird von der leeren Menge symbolisiert. Die Eins ist die Menge, die die leere Menge enthält
und so weiter.110 Die Zahlen werden dabei wie eine Matroschka aufgebaut:
0 = ∅, 1 = {∅}, 2 = {∅, {∅}}, 3 = {∅, {∅}, {∅, {∅}}} Sprachlich ist das das eine Herausforderung: Die 3 entspricht der Menge, die die leere Menge, die Menge, die die leere Menge enthält, und die Menge, die die leere Menge und die Menge, die die leere Menge enthält, enthält.
Dafür ist es inhaltlich logisch aufgebaut und die Menge jeder Zahl enthält so viele Mengen,
wie es ihrem Wert entspricht. Damit wurden die Zahlen faktisch aus nichts geschaffen. Ähnlich zu Hilberts Hotel kann man das Prinzip beliebig fortsetzen, indem die letzte Menge zusammen mit einer Menge, die sie enthält, in eine neue integriert wird.111
Fraktale sind durch Koch, Cantor und Mandelbrot berühmt geworden. Fraktale sind
selbstähnliche Figuren mit gebrochener Dimensionszahl. Die Koch-Kurve wurde ursprünglich
entwickelt, um ein Beispiel für eine Funktion zu finden, die überall stetig, aber nirgends differenzierbar ist. Diese Monsterkurve wird nach einem einfachen Prinzip gebildet, indem auf
einem Drittel einer Strecke ein gleichschenkliges Dreieck errichtet wird. Dieser Prozess wird
ad infinitum fortgesetzt. Es entsteht bei Start mit einem Dreieck eine Schneeflocke mit endlichem Flächeninhalt, aber unendlichem Umfang. Der Cantor-Staub ist eine Strecke, aus der
das mittlere Drittel entfernt wurde. Dieser Prozess wird wieder unendlich wiederholt. Übrig
bleibt eine Punktwolke mit Kontinuumsmächtigkeit. Die Mandelbrotmenge ist die optisch
ansprechende, eingefärbte Lösung einer komplexen Gleichung.112 Auch wenn die Schüler
damit nicht umgehen können, bleibt doch das Experimentieren und Neugierde wecken für das
Studium. Dafür kann man freie Software wie den Fractalizer verwenden.113 Durch Fraktale
bekommen Schüler eine Idee vom aktual Unendlichen, auch wenn Fraktale niemals vollständig vorliegen können. Anschließend sind auf der Abbildung 48 von links nach rechts der Cantorstaub, die Kochkurve und die Mandelbrotmenge zu sehen.
110
Vgl. Clegg, Brian, Pugh, Oliver, Introducing Infinity, London 2012, S. 98.
Vgl. Maddy, Penelope, Realism in Mathematics, New York 1990, S. 84.
112
Vgl. Arens, Tilo, et al., Mathematik, Heidelberg 2013, S. 156.
113
Siehe Sontheimer, Robert, 2007, <http://www.fractalizer.de/>, Zugriff 13. 05. 2015.
111
88
Abbildung 49
Schwarze Löcher oder der Urknall sind in der Physik das, was Polstellen in der Mathematik sind: Durch die Konzentration der Masse in einem (eventuell unendlich) kleinen
Punkt führt dazu, dass die gewohnten Regeln nicht mehr funktionieren. Die Zusammenarbeit
mit der Physik und Astronomie ist, wenn solche Themen denn behandelt werden, hier sehr
förderlich. Auch mit dem oft so verstandenen Gegenpol, dem Religionsunterricht, kann
interagiert werden. Dort gibt es die Auffassung, das Unendliche sei nicht mit endlichem
Verstand fassbar.114 Fragen des Verstandes lassen sich natürlich in den Mathematikunterricht
integrieren. Das Barbierparadoxon ist nur eine Folge der Beschäftigung mit dem Unendlichen, kann in einem umfangreichen Mathematikunterricht aber mit bearbeitet werden. Dabei
lautet die Frage: Der Barbier von Sevilla rasiert alle Menschen, die sich nicht selbst rasieren.
Rasiert der Barbier sich selbst? Sowohl ja als auch nein führen zu Widersprüchen. Hausdorff
sagte dazu: „Wenn es zu jeder Menge von Dingen noch ein weiteres, von ihnen verschiedenes
Ding gibt, ist die Gesamtheit der Dinge offenbar keine Menge.“115 Übersetzt kann man sagen:
Der Barbier existiert nicht. Eine letzte Intention ist es, Experimentierfreude mit auf den Weg
zu geben. So wie die U-Zahlen für diese Arbeit können die Schüler auch neue Zahlen erfinden
und versuchen, mit ihnen zu rechnen. Die so gemachten Fehler und Erfahrungen lehren mehr
über die Mathematik als zwanghaft gelöste Aufgaben. Auch wenn die Schüler überlegen
sollen, kann der Lehrer einen Anstoß geben. Das letzte Beispiel sind daher die unendlichen
Brüche. Die Schüler kennen die periodische Schreibweise. Was hindert sie daran, über einfache Perioden und reelle Zahlen hinauszudenken? So können sie mehrfach unendliche Brüche
erfinden wie 0.111…222…, bei denen man über die Ordnung nachdenken kann. Ist der Bruch
größer als 0.111…, obwohl sie in unendlich vielen Nachkommastellen übereinstimmen?
Solche Fragen lassen sich hervorragend in der Schule diskutieren.
114
115
Vgl. Nortmann, Ulrich, Im Kopf die Unendlichkeit, Münster 2015, S. 129.
Nortmann, Ulrich, Im Kopf die Unendlichkeit, Münster 2015, S. 120.
89
9.
Fazit
Von einem Englischlehrer erwartet niemand, dass er alle Vokabeln auswendig weiß,
von einem Mathematiklehrer aber allzu oft, dass er jede Frage beantworten könne. Niemand
würde von einem Biologielehrer erwarten, jedes Tier zu kennen oder jeden inneren Prozess zu
verstehen. Hartnäckig hält sich dagegen das Bild, dass der Mathematiklehrer seinen Gegenstand hundertprozentig kennt. Die Beschäftigung mit dem Unendlichen trägt also dazu bei,
dass dieses Bild entzaubert wird. Der Lehrer enthüllt, dass er sich bei einigen Fragen oder
paradoxen Problemen auch nicht sicher ist, was die Lösung ist. Mehr noch: Die Schüler erkennen, dass es in der Mathematik nicht wenige Fragen gibt, die gar nicht klar entschieden
werden können. Dieses realistische Bild beschreibt die moderne Mathematik viel besser als
das Vorurteil der meisten Menschen, es gehe nur um Zahlen und Rechnen. Durch die Betonung des Konzeptes der Unendlichkeit wird die philosophische Komponente des Faches mehr
zur Geltung gebracht.
Zu Beginn dieser Arbeit standen drei Fragen: Erstens, ob solch ein Thema Schülerrelevanz hat und ob eine Konfrontation mit dem Unendlichen in der Schule stattfindet. Zweitens, ob das Thema in den Lehrplan des Faches eingebunden ist. Und drittens, wie und an
welchen Stellen das Thema Unendlichkeit den Schülern im Mathematikunterricht näher gebracht werden kann. Die erste Frage wurde schnell beantwortet. Obgleich die Schülerrelevanz
deutlich herausgestellt werden konnte, ließ sich nicht von einer Konfrontation im Unterricht
sprechen. Es interessiert die Schüler und kommt in ihrem Alltag vor, aber im Unterricht bekommen sie kein Konzept vermittelt. Stattdessen gibt es in jedem Fach Bereiche, die zum
Unendlichen passen, aber sich den Schülern ohne die richtige Bearbeitung nicht erschließen.
So wissen die Schüler, dass man einen Kanon beliebig oft wiederholen kann oder manche
Tiere nicht von allein sterben, aber welche Paradoxien mit dem Unendlichen verbunden sind,
sehen sie in der Regel nicht. Falls sie doch auf paradoxe Situationen stoßen, sind sie damit
allein und überfordert. Der Handlungsbedarf für den Mathematikunterricht ist offensichtlich.
Die Analyse des Lehrplans ergab, dass die Unendlichkeit nahezu gar nicht im Mathematikunterricht gefordert und gefördert wird. Gleichzeitig konnte herausgestellt werden, dass
es beinahe zu jedem Teilbereich der Mathematik Anwendungen zum Unendlichen gibt. Die
wichtigste Frage war die letzte, wie und wo sich die Unendlichkeit in den Unterricht integrieren lässt. Dafür wurden 30 Anwendungen entworfen und den Bereichen Analysis, Geometrie
oder Stochastik unterstellt. Mit diesen Anwendungen konnten zwei Dinge gezeigt werden:
Erstens durchdringt das Unendliche die Mathematik. Egal, ob bei Zahlenbereichen, Glei90
chungssystemen, Folgen oder der Wahrscheinlichkeit: Ohne ein Konzept des Unendlichen
lassen sich diese Bereiche nicht richtig erschließen. Zweitens ist es für jede Thematik möglich, sinnvolle und interessante Anwendungen zu finden. Beim Arbeiten mit der Bauplattform
oder dem Diskutieren von Paradoxien gewinnen die Schüler tiefere Einsichten in die jeweiligen mathematischen Gebiete, als wenn sie diese strikt nach Lehrplan behandelt hätten.
Ein weiterer Gewinn sind die Kenntnisse zum Unendlichen, die die Schüler nur durch
die hier aufgeführten Arbeitsschritte oder Abwandlungen davon erlernen können. Damit sind
weite Erkenntnisse verbunden, die hier kurz zusammengefasst werden sollen. Am Beispiel
der Zahlenbereiche verstehen die Schüler, dass Gleichmächtigkeit mit Hilfe von Bijektionen
gezeigt werden kann. Existiert so eine eindeutige Zuordnung zwischen zwei Mengen, kann
man von gleich vielen Elementen sprechen. Existiert keine, dann muss eine der Mengen mehr
Elemente haben. So erhalten sie Zugang zum abzählbaren und überabzählbaren Unendlichen.
Über die Potenzmengen erkennen sie, dass man beliebig große Unendlichkeiten bilden kann.
Das widerspricht dem Bauchgefühl der meisten Schüler, es gäbe nur eine Wachstumsgrenze,
die unendlich genannt werden kann. Ebenso bietet die Erweiterung für Hilberts Hotel die
Möglichkeit, beliebige Dimensionen abzählbar zu gestalten. Insgesamt sollte sich bei den
Schülern die Einsicht durchsetzen, dass die Unendlichkeit erstens fundamental für alle mathematischen Bereiche ist und zweitens per se einen interessanten Gegenstand darstellt.
Die Arbeit mit den entwickelten U-Zahlen funktioniert, bleibt aber ein symbolisches
Mittel, um den Umgang mit dem Unendlichen zu erleichtern. Den Schülern Bauplattformen
zu geben, birgt das Risiko, dass die Schüler nur noch spielen und die eigentliche Aufgabe
vernachlässigen. Die Chance überwiegt, da die Schüler schwierige Fragen der Ordnung und
der Kombinatorik mit diesem einfachen Hilfsmittel bewältigen können. Abschließend bieten
sich Paradoxien als Schlüssel, um einen Bereich für die Schüler aufzuschließen wie auch als
Motivation, da sie „unerhörte Fragen“ aufwerfen und die Schüler zum Nachdenken anregen.
Summa summarum sollte die Unendlichkeit einen größeren Platz im Mathematikunterricht einnehmen, als sie es momentan tut. Es gibt viele Möglichkeiten, sie direkt wie auch
indirekt zu behandeln. Die Arbeit mit diesem anspruchsvollen Thema benötigt und fördert
analytisches, logisches und anschauliches Denken, weshalb sie für den Mathematikunterricht
hervorragend geeignet und empfehlenswert ist.
Von allen mathematischen Themen ist die Unendlichkeit das größte.
91
10.
Glossar
Apeiron, das: Altgriechisch und negativ konnotiert für das Grenzenlose, das Unendliche.
Abzählbarkeit, die: Eigenschaft einer Menge, zu den natürlichen Zahlen gleichmächtig zu
sein. Ist eine unendliche Menge nicht abzählbar, heißt sie überabzählbar.
Aktuale Unendlichkeit, die: Modalität, etwas könne wirklich unendlich vorhanden sein oder
zumindest geistig könne eine unendliche Gesamtheit konstruiert werden.
Ewigkeit, die: (1) Eine unendlich lange Zeit. (2) Theologisch für die Zeit nach der Zeit.
Folge, die : Auflistung von nummerierten Objekten nach einer bestimmten Regel. Eine unendliche Folge hat unendlich viele Folgeglieder.
Horn Gabriels, das: Paradoxon über ein Körper mit unendlicher Oberfläche bei endlichem
Volumen, auch bekannt als Gabriels Trompete.
Hotel Hilbert, das: Paradoxon von Hilbert über ein unendlich großes Hotel, in dem selbst
dann noch unendlich viele Gäste Platz finden, wenn es bereits ausgebucht ist.
Lemniskate, die: Ebene Kurve in Form einer liegenden Acht. ∞ Sie ist das gebräuchlichste
Symbol für die Unendlichkeit.
Mitternachtsparadoxon, das: Paradoxon über eine leere und gleichzeitig übervolle Urne.
Monsterkurve, die: Geometrische Kurve mit ungewöhnlichen Eigenschaften wie die KochKurve. Die meisten Monsterkurven sind Fraktale.
Reihe, die: Summation einer unendlichen Folge.
Potentielle Unendlichkeit, die: Modalität, gewisse Dinge wie die natürlichen Zahlen seien
beliebig zu ergänzen, ohne sie jemals vollständig vorliegen zu haben.
Schatzsuche in π, die: Paradoxon, dass in den unendlich Nachkommastellen von 𝜋 jede
Nachricht kodiert sein kann.
Unsterblichkeit, die: Fähigkeit eines Wesens, zeitlich unbegrenzt zu leben.
Unendlich, das: (1) Synonym für Unendlichkeit. (2) Mathematische Rechengröße oder Ergebnis. Beispiel: Unendlich plus vier ist Unendlich. (3) Hyperbel.
Unendlichkeit, die: (1) Gegenteil von Endlichkeit; eine Menge, die nicht endlich ist, ist unendlich. (2) Aktuale Unendlichkeit. (3) Potentielle Unendlichkeit.
92
11.
Abbildungsverzeichnis
Die geometrischen Figuren wurden mit GeoGebra erstellt.
Die Abbildungen von Berechnungen und Graphen entstammen dem TI-nspire CX.
1
Veranschaulichung einer einfachen Reihe. Eigene Darstellung.
2
Das Maß zweier Strecken. Eigene Darstellung.
3
Untergliederung der Themen. Eigene Tabelle.
4
Anwendungsbeispiel für die Bauplattform. Eigene Bilder.
5
Die Benennung großer Zahlen. Eigene Tabelle. Zahlennamen aus Conway, John, Guy,
Richard, The Book of Numbers, New York 1996, S. 13 - 16.
6
Proportionenkarte des Universums, Cary, Huang, The scale of the universe, 2012,
<http://htwins.net/>, Zugriff 04. 04. 2015.
7
Vier Zahlenfolgen mit Funktionsvorschrift. Eigene Tabelle.
8
Abwandlung von Euklids Primzahlbeweis. Eigene Tabelle. Euklids Vorgehen aus
Euklid, Die Elemente, Buch IX, Proposition 20, Online-Version,
<http://aleph0.clarku.edu/~djoyce/java/elements/bookIX/propIX20.html>, Zugriff
06.05.2015.
9
Zwei Zahlenfolgen mit Funktionsvorschrift. Eigene Tabelle.
10
Vergrößerung eines Ausschnittes des Zahlenstrahls. Eigene Darstellung.
11
Schema für Cantors erstes Diagonalargument. Eigene Darstellung.
12
Bauplattform mit Koordinatensystem. Eigenes Bild.
13
Schemata für die zweidimensionale Bebauung der Ebene. Eigene Darstellung.
14
Zahlenreihen-Zahlenfolgen Test. V.O.F., 2015, Zahlenreihen – Zahlenfolgen Test,
<https://www.fibonicci.com/de/rechnen-mathematik/zahlenreihen-zahlenfolgen-test/>,
Zugriff 24. 05. 2015.
15
Vergleich von Gerade und Strecke. Bolzano, Bernard, Paradoxien des Unendlichen,
Leipzig 1920, S. 27.
16
Entfernung der Ecken eines Quadrats. Eigene Bilder.
17
Vergleich von Gerade und Kreis aus der Distanz. Eigene Darstellung.
18
Parallele Geraden aus der Distanz. Eigene Darstellung.
19
Beispiele für Teilmengen der natürlichen Zahlen. Eigene Tabelle.
20
Beschreibung eines Kreises auf der Bauplattform mit großen Steinen. Eigenes Bild.
21
Beschreibung eines Kreises auf der Bauplattform mit kleinen Steinen. Eigenes Bild.
93
22
Dechiffrierungstabelle für 𝜋. Eigene Tabelle.
23
Wahrscheinlichkeiten und Gewinne zum zweiten Casinoparadoxon. Eigene Tabelle.
24
Konvergierende Folge von Halbkreisen. Eigene Darstellung.
25
Berechnung der Kreislinie. Eigene Tabelle.
26
Beispiele für die Summe der Reihe 𝑆1. Eigene Tabelle.
27
Schema, um eine bestimmte Summe zu erhalten. Eigene Darstellung.
28
Vergleich von Sekante und Tangente durch einen Punkt. Eigene Darstellung.
29
Differenzenquotient und Differentialquotient anschaulich. Eigene Darstellung.
30
Polstelle nah und aus der Distanz betrachtet. Eigene Darstellung.
31
Anschauliche Beweisführung für eine konvergente Reihe I. Eigene Darstellung.
32
Anschauliche Beweisführung für eine konvergente Reihe II. Eigene Darstellung.
33
Anschauliche Beweisführung für eine konvergente Reihe III. Eigene Darstellung.
34
Die Dirichlet-Funktion. Eigene Darstellung.
35
Gabriels Horn, Lee, Linus, Gabriels Horn, 2015,
<http://cafeavantgarde.com/images/gabriels-horn.png>, Zugriff 06. 06. 2015.
36
Würfelbauweise zur Bebauung des dreidimensionalen Raums. Eigene Bilder.
37
Pyramidenbauweise zur Bebauung des dreidimensionalen Raums. Eigene Bilder.
38
Vorschrift für die Würfelbauweise. Eigene Tabelle.
39
Vorschrift für die Pyramidenbauweise. Eigene Tabelle.
40
Bild zur Idee von Hilberts Schreibtisch. Eigene Darstellung.
41
Analyse des Algorithmus zur Pyramidenbauweise. Eigene Tabelle.
42
Herleitung der rekursiven Formeln für beliebige Dimensionen. Eigene Tabelle.
43
Veranschaulichung der zentrierten Sechseckzahlen. Eigene Darstellung.
44
Berechnungsbeispiel zur Rekursion. Eigene Tabelle.
45
Gleichverteilung und Binomialverteilung. Eigene Darstellung.
46
Simulation von 2500 Münz- und Würfelwürfen. Eigene Darstellung.
47
Binomialverteilung mit wachsender Anzahl. Eigene Darstellung.
48
Sterne. Eigene Darstellung.
49
Fraktale. Kochkurve: <http://www.hro.shuttle.de/hro/ebg/sprojekte/MasterOfChi/
Chaos /Bilder/Kochsche%20Schneeflocke.gif>, Zugriff 17. 06. 2015.
Cantorstaub: <http://www.matheplanet.com/matheplanet/ nuke/
html/uploads3/1790_dust.jpg>, Zugriff 17. 06. 2015.
Mandelbrotmenge:<https://www.informatik.uni-leipzig.de/~meiler/Schuelerseiten.dir
/DPlotzki/bilder/mdbkoord.gif48>, Zugriff 17. 06. 2015.
94
12.
Quellenverzeichnis
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Erklärung
Ich versichere, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und nur unter Verwendung der
gegebenen Literatur und Hilfsmittel verfasst habe.
Sämtliche Stellen, die anderen Werken entnommen sind, wurden unter Angabe der Quellen
als Entlehnung kenntlich gemacht.
Ort, Datum
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(Unterschrift)
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