Das sanfte Lächeln des Russen - AMC

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Grigory SOKOLOV LAEISZHALLE MUSIKHALLE HAMBURG 6th March 2017 W. A. Mozart
*** L. van Beethoven Sonata in C major K. 545 (1788)
Fantasia K. 475 (1785) Sonata K. 457 (1784) Sonata in e minor n. 27 op. 90 (1814) Sonata in c minor n. 32 op. 111 (1822) Das sanfte Lächeln des Russen Konzert von historischer Größe: Grigory Sokolov spielt Mozart und Beethoven in der Laeiszhalle Von Peter Krause Hätten Mozart und Beethoven gar keine Musik geschrieben, sondern Theaterstücke, dann würden wir von heutigen Interpreten ihrer Kunst auch keine Klangbäder erwarten, in deren Wärme wir von Konzert zu Konzert immer wieder wohlig eintauchen könnten. Statt einfach zu hören und zu genießen, würden wir dann in jeder neuen Aufführung mit allerhand Überraschungen rechnen, mit verblüffenden Entdeckungen von verborgenen Botschaften, mit dem Aufspüren von Subtext und Widerhaken. Niemand käme dann auf die Idee, die Interpreten dieser sattsam bekannten Texte würden sie bloß brav herunterbeten. Als Grigory Sokolov in seinem Pro‐Arte‐Recital nun just Mozart und Beethoven in der restlos ausverkauften Laeiszhalle spielte, glich der Großmeister des Klaviers rein äußerlich zwar, wie wir es bei ihm sehr wohl gewohnt sind, dem fast schon autistisch demütigen Diener seiner Komponisten. Doch der Schein der äußerlichen Abgeklärtheit trügt vollkommen. Denn Sokolovs Altersweisheit ist erfüllt von einem geradez unerbittlichen Forscherdrang und Erkenntniswillen. Über die Vorurteile, wie denn der angebliche Luftikus Mozart und das ach so grüblerische Schwergewicht Beethoven zu klingen haben, kann der Russe nur sanft lächeln. Verschmitzt startet Sokolov in den Abend denn auch mit Mozarts Klaviersonate C‐Dur KV 545, die nach dem Tode ihres Schöpfers als „Sonata facile“ erschienen ist. Doch ist sie deshalb wirklich nur ein leichtes Stückchen, das einem Kinderspiel gleicht? Der Salzburger Musensohn hat sie dezidiert als Lehrer für seine Schüler ersonnen. Pianissimofein und trillermunter, mit gehauchten Bassakkorden und aufgekratztem Dialog der Stimmen in gleichsam barocker Rhetorik geht Sokolov das Anfangs‐Allegro an. Voller Zärtlichkeit und Schmeicheln und in subtil differenzierter Dynamik kommt auch das Final‐Rondo daher. Behutsam lässt er dazwischen das Andante ganz von innen heraus als intime Seelenmusik leuchten, lauscht den nach Moll strebenden Schattierungen innig nach. Legt Sokolov hier wie ein kluger Mozart‐Regisseur also erst einmal eine falsche Fährte? Eigentlich will der größte noch aktive Pianist unserer Tage in seinem dramaturgisch ausgefeilten Programm attacca zu den Schwesterwerken aus Fantasie c‐Moll KV 475 und Sonate c‐Moll KV 457 übergehen und so einen bewussten Bogen spannen von der nun in ihrer Scheinlieblichkeit zu entlarvenden „leichten“ Sonate zum Mozart der ganz scharf auf kleinstem Raum gegeneinander gesetzten Widersprüche. Vorschnell applaudierende Kenner des Werks machen die Idee zunichte. Doch Sokolov setzt sein Konzept durch. Mit der c‐Moll‐Fantasie bricht die Romantik des frei schweifenden Geistes in den Kosmos der im reinen Wortsinn schönen Musik ein. Es ist ein Schumann vorwegnehmendes Wechselbad der Gefühle, mit dem wir nun in einer maximierten Dynamik der Kontraste konfrontiert werden. Sprudelnd erzählerisch, ja novellenhaft scheinen sich hier lebendige Charaktere gegenüberzustehen. In einem der Malerei abgeguckten Chiaroscuro scheinen Trugbilder der Helligkeit auf, die alsbald wie in Don Giovannis Höllenfahrt umso tiefer hinabfallen. Just die komplexen Persönlichkeiten von Mozarts Opernfiguren stehen Pate für Sokolovs tiefschürfenden Zugriff auf das ausschweifende Stück. Es sind gerade die sonst bloß sanften Moll‐Trübungen der nachfolgenden Sonate, die der weise Mann auf dem Steinway genauer analysiert als viele seiner Kollegen. Er lässt sich selbst im Molto allegro viel Zeit, um zwischen den Zeilen zu lesen, große Bögen auszuformen, auszusingen, zu modellieren. So tun sich sonst verborgen bleibende Dimensionen auf. Krass setzt Sokolov die schmerzerfüllten Vorhalte gegen die raftstrotzenden Akkorde des Allegro assai. Mozarts Musik steckt voller Theatralik, voller unvermittelter Gegensätze. Endlich erleben wir all das. Große Oper ist das, auf den schwarz‐weißen Tasten orchestral zum Klingen gebracht. Beethoven stellt in seiner nicht minder theatralischen Musik Weiches und Hartes, Himmlisches und Heroisches bekanntermaßen schroff gegenüber. Der grimmige Titan rast sich aus. Doch Sokolov misstraut auch hier dem gängigen Klischee. Der Sonate Nr. 27 e‐Moll op. 90 lauscht er bei allem ihr innewohnenden brennenden Furor auch eine verblüffende, fast schon verkünstelte Poesie ab. Und was sagt er zu den letzten Dingen von Beethovens letzter Sonate, der Nr. 32 in c‐Moll op. 111? Den puren Trotz des ersten Satzes musiziert Sokolov mit kompromissloser Gewalt aus, wir lernen einen wütenden, zerrissenen, mit der Taubheit kämpfenden Beethoven kennen. Doch dann evoziert da ein selbst in die Jahre gekommener Mann am Klavier die göttliche Schlichtheit schlechthin. Die Arietta des Adagio molto semplice ecantabile führt bei Sokolov geradewegs an den Anfang des Abends mit Mozarts „Sonata facile“ zurück – jetzt freilich wie nach einer langen Läuterung aus der Gewitternacht zum Tageslicht strebend. Haben einfache Wahrheiten doch noch eine Gültigkeit? Ist eine Bejahung des Daseins noch möglich? Es scheint so, als hörten wir die oft gespielte, aber selten vollends durchdrungene Sonate zum ersten Mal, ganz neu, in der aufregenden Frische des erfüllten Augenblicks. Ein halbes Dutzend Zugaben beenden ein Konzert von historischer Größe. https://www.welt.de/print/die_welt/hamburg/article162660837/Das‐sanfte‐Laecheln‐des‐Russen.html 
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