beginnt schon ganz verkehrt

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Datum: 28.03.2011
Die Südostschweiz
7007 Chur
081/ 255 50 50
www.suedostschweiz.ch
Medienart: Print
Medientyp: Tages- und Wochenpresse
Auflage: 35'754
Erscheinungsweise: 6x wöchentlich
Themen-Nr.: 833.4
Abo-Nr.: 833004
Seite: 21
Fläche: 65'179 mm²
Der Verfremdungstrip
beginnt schon ganz verkehrt
Liebesgymnastik auf dem Brettergerüst: Die Tänzer in Marco Santis «Alcina»-Inszenierung sind nicht wirklich Teil des Stücks.
hört Morgana, sie singt von ihrer Liefür den schönenAnkömmling BraEine getanzte «Alcina» hat am be
damante. Dummerweise ist der kein
Samstag das Theater St. Gallen Mann, sondern eine verkleidete Frau,
auf die Bühne gebracht. Der
die auf der Suche nach Ruggero, ihBallettchef Marco Santi liess
remVerlobten, ist, der von der Zauberin Alcina betört auf deren Insel hänin Händels Zauberoper die
Von Reinmar Wagner
Gegensätze von Barockgesang
und modernem Tanz ohne
Puffer aufeinander treffen.
Es beginnt schon ganz
verkehrt: Wie Oratoriensänger kommen Morgana, Bradamante und MeSt. Gallen.
lisso auf die Bühne. Die erste Arie ge-
Bild Regina KuehneiKeystone
Oper über. Seine Tänzerinnen und
Tänzer sind nicht wirklich Personal
auf Alcinas Zauberinsel, sondern zei-
gen Liebesgymnastik und erotische
Fantasien auf dem zweistöckigen
Brettergerüst, das Katrin Hieronimus
als Bühne eingerichtet hat. Daneben
gen geblieben ist. Ebenso dummer- hängen sie in ihren Pausen immer
weise ist Bradamante aber noch gar sichtbar für uns herum, wechseln die
nicht verkleidet so sind wir schon Kostüme, warten betont lustlos auf
auf dem Verfremdungstrip, noch be- ihren nächsten Einsatz.
vor die Oper richtig angefangen hat.
Auf diesem Trip bleiben wir in der Eigentlich nicht inszenierbar
Inszenierung des St. Galler Ballett- Santi verzichtet also darauf, die Bachefs Marco Santi die ganze Händel- rockoper zusätzlich zur Inszenierung
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auch noch zu choreografieren. Es gäbe nicht deren Präzision und Sicherheit,
dafür historische Vorbilder: Händel, Geläufigkeit und Spritzigkeit erreicht.
im Wettbewerb mit anderen Londo- Dirigent Robert Howarth hielt Tempi
ner Opernunternehmern, lud die und Drive hoch, konnte auf das EngafranzösischeTänzerin Marie Sa116, die gement des Ensembles zählen und
für ihre Bühnenpräsenz und ihre für hielt auch den Kontakt zwischen Büh-
die damalige Zeit freizügigen Kostü- ne und hochgefahrenem Graben mit
me berühmt war, in seine Kompagnie wachen Reflexen auf gutem Niveau.
und fügte für sie eine Reihe französi- Auf dieser Höhe bewegte sich auch
scher Tänze in die Oper. Santi nun das Sängerensemble, ohne wirklich
lässt die beiden Sphären, Oper und berauschend zu singen. Die technimodernen Tanz, recht beziehungslos schen Schwierigkeiten in Händels
nebeneinander stehen und erliegt grossen Arien Koloraturen, Sprünge,
auch nicht der Versuchung, ständig etwas Szenisches präsentieren zu müssen. Manchmal dürfen die grossen Dacapo-Arien auch einfach für sich stehen, so wie sie gedacht sind.
gelangen oft nur mit
Bangen und Herzklopfen. Die Ausnahme war Delphine Galou als Bradamante, welche die virtuoseste Koloratur-Arie mit Bravour in den Saal
Verzierungen
Das ist eh die Crux an Händels schmetterte.Wirklich intensive sängeOpern. Man kann diese Vokalartistik, rische Momente gelangen daneben
in der die Handlung völlig stillsteht eher selten, und meistens war Netta
und minutenlang nur ein Gefühl (im Or in der Titelrolle dafür verantwortMittelteil oft ein Gegenstück dazu) lich. Sie fand für Alcinas Klagegesänevoziert wird, kaum inszenieren, weil ge teilweise wirklich bezwingend
einfach nichts passiert und weil man schöne Linien und Farben, für den Radank der selbstverständlich kunst- che-Engel dagegen fehlte ein wenig
voll variierten Wiederholung des die Durchschlagskraft.
ersten Teils am Ende jeweils wieder Das galt insgesamt noch stärker für
am Anfang der Arie landet. Santis Ar- den Ruggiero von Antigone Papoulbeit ist auf jeden Fall kurzweilig, aber kas: Da war einfach zu wenig heldiviel Sinn macht sie im Grunde nicht. sche Attitüde. Ein Countertenor wäre
wohl die bessere Besetzungsidee geZu wenig Präzision und Spritzigkeit wesen. Die Uraufführung 1735 zum
Musikalisch kam die Produktion nicht Beispiel sang kein Geringerer als der
so recht auf Touren. Schon in der Ou- neben Farinelli berühmteste Kastrat
vertüre wurde deutlich, dass sich das Carestini.
St. Galler Sinfonieorchester klanglich
zwar an denVorbildern der Barocken- Weitere Vorstellungen: 1., 3., 9., 13. und
sembles orientiert, aber bei Weitem 28. April, 3., 10., 15. Mai und 8. Juni.
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