Komposita in der Werbung in Frauenmagazinen

Werbung
Ruhr-Universität Bochum
Fakultät für Philologie
Germanistisches Institut
Hauptseminar: Textsorten
Dozentin: Prof. Dr. phil. Karin Pittner
SS 2011
Superfeminin und extrabeliebt Komposita in der Werbung
in Frauenmagazinen
Nina Bittner
Hubertusstr. 5
44577 Castrop-Rauxel
Tel.: 02305/303210
[email protected]
108006242635 – M.A.
12. Fachsemester
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Inhaltsverzeichnis
1. Einführung……………………………………………………………………………………………………………………..3
2. Klassifizierung, Motive und Sprache von Werbung…………………………………………………………4
3. Werbung in Magazinen…………………………………………….……………………………………………………7
4. Komposita………………………………………………………………………………………………………………………8
4.1.
Determinativkomposita………………………………………………………………………………………9
4.2.
Kopulativkomposita………………………………………………………………………………………….10
4.3.
Exozentrische und endozentrische Komposita……………………………………….…………10
4.4.
Abgrenzungsprobleme…………………………………………………………………………………..….11
4.4.1. Abgrenzung gegenüber der Ableitung oder Zusammenbildung………………..…11
4.4.2. Abgrenzung gegenüber idiomatisierten Wörtern………………………………………..12
4.4.3. Abkürzungen in Komposita………………………………………….……………………………..12
4.5.
Anglizistische Komposita………………………………………………………….……………………….12
4.6.
Komposita in der Werbung……………………………………………………………………..………..13
5. Der Korpus…………………………………………………………………………………………………………………..14
6. Beispiele aus der Werbung…………………………………………………………….…………………………….16
6.1.
Kompositagebrauch in der Haarprodukt-Werbung……………………..…….………………17
6.2.
Kompositagebrauch auf der Titelseite des Burda Style-Magazins……………………..20
7. Funktionen von Komposita in der Werbung……………………………………………………………..….24
8. Literaturverzeichnis………………………………………………………………………………………………….….26
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1. Einführung
Wo das Auge nur hinfällt, so scheint es, kann der heutige Betrachter Werbung rezipieren. Tag für
Tag werden wir, bewusst oder unbewusst, mit den verschiedensten Produkten regelrecht bombardiert. Wir werden mit Werbung konfrontiert, sobald wir den Fernseher einschalten, eine Zeitschrift öffnen oder das Radio anschalten. Wenn wir auf den Bus warten, blicken wir oftmals auf
beleuchtete Reklametafeln; und wenn wir Internetseiten besuchen, erscheinen bunte Werbebanner. Es ist daher nicht überraschend, dass manche Leute wohl eher einen Werbespruch oder
eine Werbemelodie im Gedächtnis behalten, als „a reworking of a Shakespearean plot“ wie Torben Vestergaard und Kim Schroder (1994, 52) korrekter Weise feststellen. Werbung scheint sich
regelrecht im Gedächtnis zu verankern, manchmal für eine irritierend lange Zeit. Ein Fremdling
unserer Gesellschaft, schreibt Guy Cook (vgl. 2009, 1), wäre vermutlich geschockt von der Häufigkeit und der Vielfalt an Werbung und würde wahrscheinlich, nicht ohne Grund, der Werbung
mehr Aufmerksamkeit schenken als einem literarischen Text.
Aber warum hat Werbung in der heutigen Zeit eine solche Bedeutung? Eine Erklärung könnten
ihre außergewöhnliche Form und ihr Inhalt liefern. Werbung macht nämlich häufig Gebrauch von
Wortspielen, komprimiertem Geschichtenerzählen, Fotografien, Wortwitz und Rhythmus, die allesamt sehr einprägsam und unterhaltsam sein können. Des Weiteren zeichnet sich Werbesprache durch ihre Fülle an Adjektiven und ihren Mangel an Verben aus.
Die für den aufmerksamen Leser oder Hörer auffallendste Eigenschaft von Werbesprache stellen
jedoch ihr Reichtum und ihre Vielfalt an Komposita dar. Aus diesem Grund möchte ich in dieser
Arbeit Komposita als typische Elemente der heutigen Werbung untersuchen. Hierbei konzentriere ich mich auf die Werbung in fünf bekannten deutschen Frauenzeitschriften, die sich an eher
junge Leserinnen richten. Erwähnt werden sollte jedoch, dass diese Arbeit aufgrund ihres geringen Korpus‘ keinesfalls als zuverlässige oder aussagekräftige Quelle bewertet werden kann. Vielmehr soll sie dazu dienen, dem Rezipienten einen vagen Eindruck zu vermitteln, der sich lediglich
auf Willkür und Zufall stützt.
Das primäre Ziel besteht darin, zu untersuchen, inwieweit sorgsam ausgewählte Komposita der
Werbung helfen, ihr ultimatives Ziel zu erreichen: Einen Konsumenten dazu zu bringen das Produkt zu kaufen, das sie vertritt. Werbung für ein bestimmtes Produkt tritt nämlich vermehrt dann
auf, wenn es sich nur wenig oder kaum von seinem Konkurrenzprodukten unterscheidet. Werbetexter streben daher an, das charakterlose Produkt mit begehrenswerten Eigenschaften zu
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versehen. Diese Eigenschaften werden oft mit Hilfe von sorgfältig ausgesuchten Komposita beschrieben.
Eine weitere Absicht dieser Arbeit besteht darin, das Zusammenspiel zwischen Komposita, (erfolgreicher) Werbung und ihrer jeweiligen Zeitschrift zu erforschen, um schließlich zu entlarven,
inwieweit es Komposita möglich ist, die Aufmerksamkeit eines Konsumenten anzulocken und
aufrecht zu erhalten.
Zunächst möchte ich mich auf die Werbung und ihre besonderen Eigenschaften beziehen. Als
nächstes folgen die Grundlagen der Kompositabildung, wobei hier die für unsere Untersuchungen am wichtigsten erscheinenden Aspekte berücksichtigt werden. Nachdem der Korpus ausführlich vorgestellt wird, folgen zwei Beispiele aus dem Burda Style-Magazin, die den Kompositagebrauch in Werbung illustrieren. Zuletzt werden die Funktionen von Komposita in der Werbung resümiert und diskutiert.
2. Klassifizierung, Motive und Sprache von Werbung
Wenn wir heutzutage von Werbung sprechen meinen wir meistens die an den Verbraucher gerichtete „Absatz- oder Warenwerbung“ (Sowinski 1998, 10), die für den Verkauf von kommerziellen Produkten und Dienstleistungen wirbt und sich an eine Massenzielgruppe richtet. Es gibt
aber auch andere Arten von Werbung, als da wären Branchenwerbung, Einzelhandelswerbung,
Werbung zur Imagepflege und sogenannte Propagandareklame. Manche Werbung bezieht sich
in ihrem Inhalt auf Politik, manche auf gemeinnützige Institutionen wie Wohltätigkeitsverbände.
Des Weiteren, schreibt Geoffrey N. Leech (1966, 25), gibt es noch ,,national and local publications
[which are] often initiated by private individuals” (ebd.).
Guy Cook zufolge (2009, 15) gibt es verschiedene Kategorien, in die sich Werbung einteilen lässt.
Genau wie Leech unterscheidet Cook zwischen Produktwerbung und Nicht-Produktwerbung, wie
zum Beispiel die von politischen Parteien. Cook führt aber noch andere Unterschiede an: Zunächst einmal unterscheidet er zwischen aggressiven und sanften Verkaufsstrategien. Wenn der
Käufer in der Werbung mehr oder weniger gezwungen wird ein Produkt zu kaufen, wirkt diese
Vorgehensweise oftmals sehr unverblümt und appellierend. Die sanftere Art und Weise, den Käufer dazu zu bringen ein bestimmtes Produkt zu kaufen, richtet sich mehr an die Stimmung eines
Käufers, der den Eindruck gewinnen soll, dass sein Leben durch das Produkt bereichert wird (s.
Cook 2009, 15).
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Eine andere Unterscheidungsweise von Werbemethoden stellt die Erzeugung von Reizen dar.
Werbung, die Gründe zum Kauf angibt, weist auf Motive hin. Werbung, die den Käufer reizen
soll, appelliert an Emotionen, Humor und die Stimmungslage des Konsumenten. Dann gäbe es da
noch die Erscheinungsweise von Werbung, wobei in ‚langsames Tröpfeln‘ und ‚überraschende
Explosion‘ unterschieden wird. Cook unterteilt dann nochmal zwischen einer kurzen, mit wenigen Wörtern auskommenden Fassung, und einer langen, mit eher vielen Wörtern versehenen
Fassung (s. Cook 2009, 15f.).
Eine weitere Möglichkeit Aufsehen zu erregen, von der Werbetexter häufig Gebrauch machen,
bezieht sich auf die Einarbeitung von ausgefallenen Werbegrundsätzen. Besonders das Umkehrprinzip, das typische Eigenschaften von Werbung durch ihr Gegenteil ersetzt, wird gern und häufig angewandt. Die Beobachtung nämlich, dass das dargestellte Leben in der Werbung meistens
glücklich und problemfrei ist, führte bei einigen Werbetextern zu realistischen und umstrittenen
Darstellungsweisen. Menschen mit Problemen fand man plötzlich genauso in der Werbung vor
wie die ‚normalen‘ Familien der stereotypischen Reklame (s. Cook 2009, 224ff.).
Eine andere Variante der Anwendung umgekehrter Prinzipien bezieht sich auf die Nachahmung
von typischen Sitten und Konventionen. Weicht eine Werbung nämlich von den gesellschaftlichen Erwartungen ab, besteht die Möglichkeit, dass sie höchstwahrscheinlich mehr Aufmerksamkeit anlockt und schließlich vielleicht gerade deshalb überzeugt. „Apart from attracting attention
this strategy also skillfully manipulates the assumption that ads lie“ (Cook 2009, 229).
Ich möchte den Blickwinkel nun auf Werbung und ihre Beschaffenheit als Diskurs- und Sprachgebrauchsform richten. Laut Geoffrey N. Leech (1966, 25) fällt die meiste Werbesprache unter die
umfassende Kategorie der ‚geladenen Sprachen‘. Das bedeutet, dass sie mit ihrer Sprache darauf
abzielt, Willen, Meinung und Einstellung des Konsumenten zu beeinflussen. Werbung, die ein
bestimmtes materielles Ziel verfolgt, setzt sich daher als oberste Priorität, die psychische Verfassung von Konsumenten zu verändern oder bereits existierende produktfreundliche Haltungen zu
stärken. Dies soll schließlich zu dem erwünschten Verhalten führen: Ein ganz bestimmtes Produkt
zu kaufen. Zusammengefasst besteht das Ziel darin, den Konsumenten davon zu überzeugen,
dass Produkt A besser ist als Produkt B oder C (s. Leech 1966, 26).
Die ‚direkteste‘ Form von Werbung ist die, die mit einer belanglosen Veränderung eines Produktes als ein enormer Fortschritt wirbt. Das ultimative Ziel einer Werbung für eine neu entstehende
Marke, die den dauerhaften Marktwettbewerb anstrebt, besteht also darin, das Produkt auf eine
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Art und Weise zu vertreten, das es mit gängigen Begehren in Verbindung setzt statt den Konsumenten von ihm zu überzeugen (s. Leech 1966, 26f.).
Leech führt nun vier Aspekte an, die eine Reklame erfolgreich und überzeugend machen: Sie
muss Aufmerksamkeit auf sich ziehen, sie muss das Interesse aufrecht erhalten, das sie angelockt
hat, sie muss im Gedächtnis bleiben oder wenigstens als bekannt wiederzuerkennen sein, und
sie muss den Konsumenten anregen, seinen Kaufdrang in die Tat umzusetzen. Viele Eigenschaften von Werbesprache können unmittelbar mit mindestens einem dieser Prinzipien in Verbindung gebracht werden. Sie kann unter die folgenden Kategorien eingeordnet werden: ‚Aufmerksamkeitswert‘, ‚Lesbarkeit‘ (oder ‚Hörbarkeit‘), ‚Einprägsamkeit‘ und ‚Werbekraft‘ (s. Leech 1966,
27).
Der ‚Aufmerksamkeitswert‘ kann allem zugeordnet werden, das Aufmerksamkeit auf das bestimmte Produkt anzieht. Unkonventionelles Verhalten, wie beispielsweise ein ungewöhnlicher
Sprachgebrauch, findet höchstwahrscheinlich große Beachtung. Manchmal verstoßen Werbetexter sogar gegen ersichtliche Sprachregeln, indem sie zum Beispiel Wörter falsch schreiben oder
einen grammatischen Schnitzer verwenden. Der Neologismus (Wortneubildung), wie wir später
sehen werden, ist eine weitere Variante unkonventionellen linguistischen Verhaltens (s. Leech
1966, 27f.).
Die Eigenschaften, die dazu führen, dass Sprache leicht lesbar ist, sind so ziemlich dieselben, die
dazu führen, dass sie leicht hörbar ist. Dieses Prinzip setzt voraus, dass Werbetexter einfache,
persönliche und umgangssprachliche Ausdrucksweisen mit bekanntem Vokabular verwenden (s.
Leech 1966, 28).
Die Funktion von wörtlicher Erinnerung bezieht sich nicht nur auf das Einprägen von bekannten
Markennamen, sondern auch auf ihre dazugehörigen Werbesprüche, bestimmte Schlüsselphrasen und manchmal auch Bruchstücke eines Werbeliedes. Der Markenname und seine typischen
Fangsätze sollten daher wechselseitige Erinnerungsantriebe füreinander darstellen, damit das
Produkt mit einer festen und untrennbaren Firmenmarke im Gedächtnis des Konsumenten abgespeichert wird. Wenn diese ‚Sprachkunst‘ nun oft genug wiederholt wird, wird sie voraussichtlich irgendwann im Kopf hängen bleiben. Was genau dazu beiträgt, dass ein Werbeslogan unvergesslicher ist als ein anderer, ist nicht leicht zu definieren. Der Erfolg hängt von vielen bekannten
aber auch unbekannten Faktoren ab. Es ist daher das kreative Geschick des einzelnen Werbetexters, die richtige Verkaufsmethode für das jeweilige Produkt zu wählen und umzusetzen (s. Leech
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1966, 30). Komposita, da sind sich Werbefachleute und Linguisten einig, ziehen die Aufmerksamkeit aus verschieden Gründen auf sich und führen so gegebenenfalls dazu, dass das Produkt, das
sie repräsentieren, länger in den Köpfen der Rezipienten bleibt (s. Leech 1966, 29).
3. Werbung in Magazinen
In der Magazinwerbung stehen ausschließlich Bild und Schrift für die Überzeugungsarbeit zur
Verfügung. Im Unterschied zum Fernsehen reduziert sich die Vermittlung des Werbeinhalts also
auf das Sehen. „Da die kommunikativen Möglichkeiten beschränkt sind, das Hören – gesprochene
Sprache, Musik, andere Geräusche – und bewegte Bilder ausschließen, spielt die Schrift in der
Werbung in den Printmedien eine nicht geringe Rolle“ (Exel 2001, 4).
Fallen dem Betrachter auf den ersten Blick zunächst keine Gemeinsamkeiten zwischen Bild und
Wörtern auf, so werden die rezipierten Elemente schnell verknüpft (s. Baumgart 1992, 312f.),
„[d]a im Prinzip nichts isoliert wahrgenommen wird“ (Behrens 1988, 212) wie aus der Assoziationsforschung hervorgeht. In dem Moment also, wo ein Produktname in Verbindung mit emotional geladenen Bildern gesetzt wird, übernimmt dieser die emotionale Bedeutung (vgl. Behrens
1988, 217).
Um eine emotionale Aufladung der Werbebotschaft zu erreichen, wird nicht nur mit emotional
geladenen Bildern gearbeitet, sondern auch mit geladenen Wörtern, die Emotionen auslösen
können. Wörter und ihre gestaltungsfähige Optik werden also nicht nur als einfacher Blickfang
eingesetzt, sondern es wird auch mit dem Inhalt von Wörtern gezielt manipuliert. „Ein Wort und
dessen Bedeutung kann auf bestimmte Art platziert werden, so dass es die Phantasie anregt, ein
weites Inhaltsspektrum bietet und – oft in Verbindung mit Bildern – über einen Umweg zum Produkt selbst führt“ (Exel 2001, 17).
„Fast alle als werbliche Schlüssel- und Reizwörter erkannten Begriffe bezeichnen einen erwünschten emotionalen Zusatznutzen“ (Baumgart 1992, 310). Römer (vgl. 1968, 133) schreibt in
diesem Zusammenhang von dem Ziel bestimmter Wörter, in den Konsumenten und Konsumentinnen einen positiven Gedankengang zu generieren. Im Sinne von sanften Verkaufsstrategien
und erfolgreicher Reizerzeugeng müssen die Werbetexter daher „auf die Befindlichkeit, Gestimmtheit, Bedürfnisse, Wünsche und Sehnsüchte“ (Exel 2001, 8) ihrer Kundschaft eingehen,
um am Ende Absatzerfolge zu erzielen. Eine solch geladene Sprache steht meist in Verbindung
mit Werten, die der jeweiligen Kundschaft, in unserem Fall junge Frauen, als wichtig erscheinen.
Diese Werte werden nun mit den Eigenschaften des jeweiligen Produktes zusammen verkauft.
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„Werte sind Verkaufsschlager. […] Träume und Wünsche werden verkauft. Ruhe und Geselligkeit,
Jugend und frohes Alter, Potenz, Attraktivität, Wissen, Besonnenheit, Weisheit – nichts läßt sich
sprachlich nicht verpacken“ (Glück 1990, 144).
Um die Werbeanzeige schließlich zu perfektionieren, werden diese Werte mithilfe von präzisen,
zeit- und platzsparenden Kompositionen vermittelt. „Zu einer gelungenen Anzeige gehört unter
anderem die knappe Formulierung. Zusammensetzungen können diese unterstützen“ (Exel 2001,
17).
4. Komposita
Komposita (Zusammensetzung) und Derivation (Ableitung) sind die wichtigsten Mittel der Wortbildung für die allgemeine Wortschatzerweiterung der deutschen Sprache (vgl. Lühr 2000, 149
und Fleischer 1995, 45). Ein Kompositum ist generell als ein Wortbildungsergebnis zu verstehen,
das aus der Komposition, dem Wortbildungsprozess, entstanden ist. Bezüglich der Morphologie
sind Komposita Morphemgefüge aus zwei oder mehreren Gliedern, die jedoch als ein Wort zu
erfassen sind (vgl. Ortner 1984, 16). Jedes Kompositionsglied gilt selbst auch als ein Wort, genau
genommen als ein freies Morphem oder eine selbständige Morphemkonstruktion. Ein Beispiel
hierfür wäre die Zusammensetzung von Haus und Tier, dem Haustier (vgl. Zhu 1987, 13).
Als der Haupt- und Grundtypus von Komposita wird die ‚Zweigliedrigkeit‘, also die binäre Gliederung, bezeichnet. Hierfür werden verschiedene Gründe angeführt: „es gilt nicht nur (im Dt. wie
im Engl., Frz. usw.) generell, daß Komposita gewöhnlich zwei Konstituenten haben, sondern auch,
daß Komposita weiterhin aus (mindestens) zwei Lexemen gebildet sind“ (Ortner et al. 1991, 9).
Es gibt aber auch Konstituenten, die ihrerseits wieder Komposita sind. In einem solchen Fall
spricht man dann von „Dekomposita“ (Grimm 1977, 209ff.) oder „Compound-within-Compounds“ (Warren 1978, 10). „Als ‚Glieder‘ sind hier aber einfach die Lexeme bezeichnet, die in
einem Kompositum vorkommen“ (Ortner et al. 1991, 9).
Lorelies Ortner et al. schätzen, dass ungefähr 80 oder 90 % der Substantivkomposita morphologisch als zweigliedrig anzusehen sind. Das heißt, sie sind aus zwei freien Lexemen zusammengesetzt (vgl. Ortner et al. 1991, 9). Wird ein Kompositum nun mit einem Adjektiv gebildet, bleibt es
gewöhnlich zweigliedrig (vgl. Fleischer 1978, 84). Anders ist es bei der Bildung mit einem Verbstamm.
Neben den zahlreichen Komposita mit einem Simplex (Schreibpapier) oder (Halb-)Präfixverb (Einschreibfrist) kommt hier vor allem aufgrund der prädikatsbildenden Rolle des
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Verbs im Satz und seiner Möglichkeiten, die von der Valenz her vorgesehenen Leerstellen
durch Nomina zu füllen, eine große Vielfalt von komplexen A-Konstituenten vor (Zahnputzglas, Kriegsopfereinsparverfügung). (Ortner et al. 1991, 11)
Daher ist die Kombination Substantiv plus Substantiv, wobei letzteres meistens die A-Konstituente darstellt, die am häufigsten erscheinende Komposition. „Auch sind die – oft schwierig einordbaren – Grenz- und Zwischenformen für sie typisch“ (Ortner et al. 1991, 11). Im Deutschen
unterscheidet man generell zwischen Komposita mit Bindestrich (Goethe-Roman), oder Komposita ohne Bindestrich (Hausfrau). In diesem Fall sind die Konstituenten zusammen geschrieben
(s. Exel 2001, 11). Die Komposita werden nach dem binären Verhältnis der Glieder hauptsächlich
in zwei Gruppen unterteilt, den Determinativ- oder Kopulativkomposita.
4.1.
Determinativkomposita
Laut Lorelies Ortner (1991, 112) gehören etwa 7/8 aller Substantivzusammensetzungen dem Typ
des Determinativkompositums an, bei dem B, das Grundwort, also die zweite Konstituente, durch
A, das Bestimmungswort, also die erste Konstituente, direkt modifiziert wird. Ein Beispiel hierfür
wären die Schwimmflügel. Das sind Flügel, die einem helfen, zu schwimmen. „A ist B dabei semantisch und syntaktisch untergeordnet, B ist semantisch und syntaktisch der Kern der Konstruktion; die B-Konstituente erbringt die Bezeichnungsleistung“ (Ortner et al. 1991, 112). Das heißt,
dass das Grundwort die grundlegenden inhaltlichen Bedeutungen und die grammatischen Merkmale eines Kompositums bestimmt, wie zum Beispiel die Wortart oder die Flexion. Durch das
Bestimmungswort werden die semantischen Merkmale und Eigenschaften des Grundwortes modifiziert und eingeschränkt. Das Grundwort heißt deshalb auch „Determinatum“ (Marchand
1969, 31) und kann ein Substantiv, ein Adjektiv, ein Verb oder ein Partizip sein (vgl. Zhu 1987,
14f.).
Das Bestimmungswort, der ‚Determinans‘, steht im Deutschen meistens am Anfang eines Kompositums. Seine Funktion besteht darin, das Grundwort inhaltlich näher zu erklären und zu bestimmen. Eine Ausnahme stellt hier beispielsweise das Kompositum Jahrhundert dar. Als Bestimmungswort können nicht nur fast alle Wortarten dienen, sondern auch andere Zeichenformen,
wie zum Beispiel Ziffern, Buchstaben und Abkürzungen. Das Bestimmungswort „trägt normalerweise den Hauptakzent des Kompositums“ (Zhu 1987, 14f.). Ausnahmen stellen allerdings festgebildete, verbale Komposita mit einer Präposition als Bestimmungswort dar. Ein Beispiel wären
hier die Komposita durchlàufen und hinterlègen.
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Die beiden Kompositakonstituenten werden entweder mit Fugenzeichen, wie beispielsweise in
Gewichtszunahme, oder auch ohne Fugenzeichen, wie das Kompositum Waldtier, gebildet. „Zwischen dem Bestimmungswort und Grundwort kann auch ein Bindestrich stehen“ (Zhu 1987, 14f.).
4.2.
Kopulativkomposita
Der großen Menge an Determinativkomposita steht die vergleichsweise kleine Menge an Kopulativkomposita (0,4%) gegenüber. Ihre Konstituenten sind immer nebengeordnet. Beispiele hierfür wären der Hosenrock, der Tier-Mensch und der Dichter-Komponist (s. Ortner et al. 1991, 115).
„Beide Glieder zeigen die gleiche Wortart und die gleiche grammatische Funktion, weisen eine
inhaltliche Addition auf“ (Zhu 1987, 14/15). Unterscheidungsprobleme zwischen Determinativkompositum und Kopulativkompositum treten dann auf, wenn sich der Informationsschwerpunkt zum Vorteil von einer der beiden Konstituenten verschiebt. Generell besteht daher ein
breites und oftmals unscharfes Übergangsfeld (s. Ortner et al. 1991, 115).
4.3.
Exozentrische und endozentrische Komposita
Die Komposita der beiden Arten können manchmal als exozentrische Bildungen verwendet werden. Die sogenannten Bahuvrihi, Possesivkomposita und exozentrische Kopulativkomposita sind
Beispiele hierfür (vgl. Ortner 1984, 62). „Diese Komposita haben eine metaphorische Eigenschaft,
können jedoch in vielen Fällen ohne metaphorische Bedeutung verwendet werden“ (Zhu 1987,
14). Das heißt, dass ein exozentrisches Kompositum ein Kompositum bezeichnet, das kein Grundwort als Oberbegriff enthält und daher auch nicht durch das Grundwort im gleichen Satz ersetzt
werden kann. Das Wort gehört insgesamt zu einer anderen Bedeutungsklasse als der Wortteil,
der das Grundwort darstellt.
Haut ist beispielsweise nicht Rothaut wie Haus in Holzhaus, sondern es handelt sich hier um eine
Person, die rote Haut ‚besitzt‘. Die Benennung für ‚Person‘ ist nicht direkt innerhalb des Kompositums gegeben und muss daher ‚außerhalb‘ ergänzt werden. Daher auch die Bezeichnung ‚exozentrisch‘.
Das endozentrische Kompositum, hingegen, bezeichnet ausschließlich ein Determinativkompositum. Es handelt sich hier um Komposita, deren Grundwort in Sätzen für das gesamte Wort eingesetzt werden kann, ohne dass der Satz dabei grammatisch falsch würde.
Ein Beispiel für ein endo- und exozentrisches Determinativkompositum ist Katzenauge. Seine endozentrische Bedeutung bezieht sich auf das Auge einer Katze, seine exozentrische Bedeutung
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hingegen auf Retroreflektoren im Straßenverkehr. In einem solchen Satzzusammenhang würde
das Grundwort Auge alleine keinen Sinn mehr ergeben (s. Ortner et al. 1991, 115).
4.4.
Abgrenzungsprobleme
Im Folgenden möchte ich die drei größten Problemfälle bezüglich der Abgrenzung von anderen
Kategorien besprechen, da durch Ableitung oder Zusammenbildung und durch idiomatisierte
Wörter und Abkürzungen die Grenzen zur Komposition oft ineinander übergehen.
4.4.1. Abgrenzung gegenüber der Ableitung oder Zusammenbildung
Eine syntaktische Fügung oder ein Kompositum als Ganzes kann oft durch ein Derivat (Ableitung)
mit einem Suffix umgestaltet werden. Im Falle der syntaktischen Fügung Glas machen entsteht
so das Derivat Glasmacher. Das Kompositum vorwärmen wird wiederum zur Vorwärmung. Die
Neologismen Glasmacher und Vorwärmung sind nach den Regeln der Kompositabildung nicht
mehr in zwei Glieder zu trennen, da Macher und Wärmung „nicht als selbständige Wörter vorkommen können und inhaltlich nicht als trennbares Glied vom ersten betrachtet werden“ (Zhu
1987, 16). Solche Bildungen zählen wir deshalb zur Ableitung oder Zusammenbildung (vgl. Fleischer 1983, 63 f.). In unseren Untersuchungen betrachten wir eine Ableitung oder eine Zusammenfassung innerhalb eines Kompositums deshalb als ein Glied. Das Kompositum Luftvorwärmung ist daher für uns eine zweigliedrige Konstruktion, die aus den Wörtern Luft und Vorwärmung zusammengesetzt ist (s. Zhu 1987, 16).
Die Grenze zwischen Komposita auf der einen, und Ableitung oder Zusammenbildung auf der
anderen Seite kann in manchen Fällen unscharf sein. „Die Übergänge zwischen beiden können
fließend sein, wenn das Endglied u.U. auch als selbständiges Wort vorkommen kann“ (Zhu 1987,
16). In solchen Fällen entscheidet dann der jeweilige inhaltliche Kontextzusammenhang. Wenn
das Endglied also in der Lage ist als ein selbständiges Wort in einer Paraphrasenstruktur (in Syntagmen oder Sätzen) zu agieren, wird es als Grundwort eines Kompositums betrachtet. Ein Beispiel hierfür wäre die Glasspiegelschwankung, die sich auf die Schwankung eines Glasspiegels
bezieht (s. Zhu 1987, 16).
4.4.2. Abgrenzung gegenüber idiomatisierten Wörtern
Da idiomatisierte Wörter diachronisch und etymologisch zu behandeln sind (s. zum Beispiel inhaltlich demotivierte und undurchsichtige Morphemkonstruktionen wie Augenblick), dies aber
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eine Arbeit ist, die sich auf die synchrone Sicht beschränkt, betrachten wir die Idiome als eine
Einheit. „In den wissenschaftlich-technischen Fachsprachen begegnen uns auch viele als ein Wort
eingeführte zusammengesetzte Fremdwörter wie Atmosphäre oder Mikroskop. Diese Fremdwörter werden den idiomatisierten Konstruktionen zugerechnet“ (Zhu 1987, 16f.). Nach unserer Einteilung wird das Determinativkompositum Ofenatmosphäre daher aus den Konstituenten Ofen
und Atmosphäre zusammengesetzt und gehört somit zu den zweigliedrigen Komposita (s. Zhu
1987, 16/17).
4.4.3. Abkürzungen in Komposita
Auch Bildungen mit Abkürzungswörtern (vgl. Harlass 1974, 95) zählen wir zu den zweigliedrigen
Komposita, obwohl die darin enthaltenen Abkürzungen eigentlich auch wieder auf Zusammensetzungen zurückzuführen sind. „Auf diese Weise kann jedoch die äußere morphologische Struktur der Komposita übersichtlicher dargestellt werden“ (Zhu 1987, 17).
So gehören Komposita wie EDV-Spezialist, oder solche mit Affixbildungen wie in Vertriebsgenossenschaft, Auswandererberatung und Experimentierberatung (s. Ortner et al. 1991, 10) für uns
zu den binären Kompositabildungen dazu (vgl. Fleischer 1978, 84).
Speziell in der wissenschaftlich-technischen Fachsprache werden Abkürzungen, auch abgekürzte
Zusammensetzungen, oft für chemische Begriffe verwendet. Sie treten meistens vereinzelt als
ein Glied in Komposita auf, wie beispielsweise der Na₂ O-Gehalt (s. Zhu 1987, 17).
4.5.
Anglizistische Komposita
Es gibt zwei Arten anglizistischer Komposita. Die erste, die im Korpus registriert ist, besteht komplett aus englischen Wortteilen wie beispielsweise Shopping Queen. Die zweite Form setzt sich
aus englischen und deutschen Wortteilen zusammen. Ein Beispiel für ein solches Mischkompositum wäre Sommer-Look. Susan Piersig stellt fest, dass im Rahmen ihrer Untersuchung „auffallend
viele unterschiedliche Mischkomposita erfasst [wurden], die größtenteils auf die in der Wortbildung kreativen Werbeleute zurückzuführen sind“ (Piersig 2009, 47). Aber auch die Anglizismen
selbst, fährt Piersig fort, seien sehr produktiv, da aus ihnen neue Lexemverbindungen entstünden. Ihre Untersuchungen beinhalten auch die Wortteilmenge der Komposita, die meistens aus
zwei bis drei Einzelwörtern zusammengesetzt seien. Sporadisch seien aber auch Komposita mit
vier oder fünf Wortteilen vorzufinden, wie zum Beispiel Anti-Aging-Intensiv-Feuchtigkeitspflege
oder Sofort-Frische-Kick (s. Piersig 2009, 47). Wie man den Beispielen entnehmen kann, bestehen
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Komposita nicht nur aus zusammengesetzten Substantiven, sondern werden auch aus Verben
und Adjektiven zusammengesetzt, die so substantiviert werden.
Einer der größten Unterschiede zwischen den englischen und den deutschen Komposita stellt
allerdings ihre Schreibweise dar. Existieren im Englischen drei verschiedene Schreibmöglichkeiten für Komposita, nämlich getrennt, zusammen oder mit Bindestrich, werden sie in der deutschen Sprache laut amtlichen Regelwerk für Rechtschreibung lediglich zusammen oder mit Bindestrich geschrieben. Meistens werden zusammengesetzte deutsche Wörter jedoch nach der
ersten Variante ohne Bindestrich geschrieben. Unter den zusammengesetzten Anglizismen im
Korpus, so Piersigs‘ Beobachtung, seien alle drei Formen registriert (vgl. Piersig 2009, 47).
4.6.
Komposita in der Werbung
In der heutigen Zeit verlangen immer mehr Produkte, sowie deren Eigenschaften, nach neuen,
kreativen Bezeichnungen. Die häufigste und innovativste Form der Wortbildung in Werbetexten
stellen die Komposita dar, die den Bedarf an Neuem und dem Kreativitätsdruck in der Werbung
wohl am besten standhalten (vgl. Patocka 1998, 83). In Werbetexten handelt es sich meistens
um sogenannte
,Augenblicksbildungen‘ (auch ‚Ad-hoc-Bildungen‘ oder ‚Okkasionalismen‘), die erstmalig
oder auch einmalig in einem Text auftauchen und bei denen noch nicht abzusehen ist, ob
sie sich durchsetzen, also sich zu Neologismen und damit Richtung Lexikalisierung weiterentwickeln – oder ob sie auf die Verwendung in einem singulären Kontext beschränkt
bleiben und damit nie den Weg in das Lexikon finden. (Janich 2005, 105)
Die Grenzen zwischen Okkasionalismen und Neologismen sind jedoch fließend (vgl. Exel 2001,
10).
Werbetexte machen laut Manuel Baumgart neben der Zusammensetzung von Wörtern ohne und
mit Bindestrich außerdem Gebrauch von der Schreibung mit internen Großbuchstaben – den Binnenmajuskeln (vgl. Baumgart 1992, 213). „Das Schriftbild mit Binnenmajuskel ist ungewohnt und
zieht unweigerlich die Aufmerksamkeit des Lesers auf sich“ (Stein 1999, 261). Zum einen kommt
dem Großbuchstaben im Wortinnern eine verbindende Aufgabe zu. Zum anderen treten die Konstituenten eines Kompositums so besser in Erscheinung und werden gleichzeitig betont. Damit
werden sowohl die Zusammengehörigkeit, als auch der Begriffsinhalt des jeweiligen Kompositums, hervorgehoben.
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Die Binnenmajuskel ist in erster Linie ein werbesprachliches Phänomen. „Ihr gehäuftes Auftreten
in der Werbung bei der Schreibung von Namen für Produkte, Dienstleistungen und Unternehmen
ist kein Zufall, kommt es doch vor allem darauf an, einerseits den Marken- bzw. den Produktnamen so zu präsentieren, dass er im Gedächtnis haften bleibt“ (Stein 1999, 274). Die Majuskel im
Wortinnern tauchte als Vorreiter zu Beginn der 80er Jahre in Personenbezeichnungen auf. Mit
Hilfe des Binnen-I wurde zunächst auf die gleichgestellte Benennung von Mann und Frau aufmerksam gemacht wie beispielsweise in dem Kompositum RednerInnen. In bestimmten Branchen wird von der Binnenmajuskel häufig Gebrauch gemacht. So findet man sie zum Beispiel in
der Computerfachsprache (MicrosoftPowerPoint), in Begriffen der Deutschen Bahn (BahnCard),
im speziellen Sprachgebrauch von Banken und Versicherungen (SparkassenFonds) und im Fernsehen (GlücksSpirale) (vgl. Stein 1999, 261). Für diese Zusammensetzungen werden überwiegend
Substantive verwendet.
„Eine Reihe weiterer Möglichkeiten, die die Werbung nutzt, um Konstituenten von Komposita
deutlich zu machen, sind die Schreibung mit Auslassungsstrich in Kombination mit Schrägstrich
(z.B. Standby-/Gesprächszeit), mit Anführungszeichen und Bindestrich (z.B. „Rote Socken“-Kampagne); Markierung durch typographische Mittel wie Fettdruck (z.B. Euromagazin)“ (Exel 2001,
10f.). Hin und wieder kommt es auch vor, dass Komposita nicht an ihrer Schreibung zu erkennen
sind. Die Konstituenten werden dann nach englischem Vorbild mit Lücke, getrennt geschrieben,
wie zum Beispiel das Pflege Shampoo (vgl. Stein 1999, 267).
5. Der Korpus
Zwei Motive bekräftigen die Verwendung von Korpora als Quelle linguistischer Daten: „Im Gegensatz zu Theorien von Syntax oder Semantik als autonomen Komponenten der Sprachkompetenz besteht eines dieser Motive in dem Bestreben, sprachliche Formen relativ zu natürlichen
Kontexten zu beschreiben und hierfür authentisches Material zu untersuchen“ (Novak 1996, 20).
Das zweite Motiv bezieht sich auf die Statistik und ihrer Repräsentativität. Diesem Motiv kann
jedoch entgegengesetzt werden, dass sich zwischen linguistischen Kategorien und frequentiellen
Aspekten ihrer Verwendung intrinsische Relationen zeigen lassen. In vielen Bereichen der Linguistik leisten frequentielle Untersuchungen allerdings einen anerkannten Beitrag.
Was sich mithilfe korpuslinguistischer Methoden daher anstreben lässt, ist die Bereitstellung repräsentativer Proben. Laut Christian Mair ist Repräsentativität “not a property of a corpus but a
15
relation between the size and composition of a corpus on the one hand, and the issue investigated on the other” (Mair 1990, 14). Leech stellt hingegen nüchtern fest: “the notion of what is
an adequate corpus shifts significantly as one moves from one linguistic level to another.” (Leech
1991, 13).
Wie die Tabelle (s. Seite 16) zeigt, setzt sich das hier verwendete Material aus Werbeanzeigen
aus fünf verschiedenen Magazinen zusammen, die sich an die Interessen junger Frauen richten.
Schaut man sich die Tabelle nun genauer an, stellt man fest, dass das InTouch- und das OK!-Magazin die meisten Gemeinsamkeiten aufweisen. Seitenanzahl von Magazin und Werbung stimmen genau überein. Hat das InTouch-Magazin zwar eine Werbeanzeige und neun Komposita
mehr, so stimmen prozentualer Werbeanteil im Magazin und die durchschnittliche Kompositaanzahl in der Werbung wieder überein. Dennoch gibt es Unterschiede in den Werbeprodukten der
beiden Magazine. Das InTouch-Magazin hat ein eher buntes und geschlechterunspezifisches Repertoire an Werbung (McDonalds, Alkohol, Computerspiele, Telekom, eBay, andere Frauenzeitschriften und Pflegeprodukte für Frauen), wohingegen sich die Werbung im OK!-Magazin fast
ausschließlich an Frauen richtet (Haarfärbemittel, Schuhmarken, Fernsehsendungen, Pflegeprodukte und Kosmetika speziell für Frauen). Diese Eigenschaft teilt sich das OK!-Magazin wiederum
mit dem Life&Style-Magazin, das zwar auch 84 Seiten umfasst, prozentual allerdings weniger
Werbung im Magazin vorzufinden ist. Vergleicht man den prozentualen Werbeanteil in der
Life&Style-Zeitschrift mit dem des Burda Style-Magazins, so erkennt man, dass er in etwa gleich
ist. Was jedoch einen Unterschied darstellt, ist die relativ hohe Seiten- und durchschnittliche
Kompositaanzahl des Burda Style-Magazins und seine limitierten Werbeprodukte (lediglich Pflegeprodukte, andere Zeitschriften und Nähmaschinen werden beworben). Allerdings ist die Seitenanzahl hier noch lange nicht so hoch wie in der InStyle-Zeitschrift, die sich erheblich von den
vier anderen Zeitschriften unterscheidet. Mit einer Seitenanzahl von 278 Seiten ist sie fast drei
Mal so umfangreich. Ihre Seitenanzahl an Werbung ist sogar fast zehn Mal so groß wie bei den
anderen Magazinen mit einem prozentualen Werbeanteil von 36%. Überraschend ist hier daher
die extrem niedrige Kompositaanzahl in der Werbung des Magazins. Das liegt daran, dass sich die
Werbung generell von der in den anderen Magazinen unterscheidet. Sind die Werbeprodukte
noch relativ ähnlich (Pflegeprodukte, Parfüm, Kosmetika, Schuh- Schmuck- und Designerwerbung für Frauen), so fällt dem Betrachter jedoch sofort die Wortkargheit ins Auge. Es wird überwiegend mit Nahaufnahmen von Frauenkörpern oder –gesichtern in den Werbeanzeigen gearbeitet, die lediglich mit dem jeweiligen Markennamen auskommen. Wenn das Markenprodukt
16
dann doch mal näher erläutert wird, fällt der häufige Gebrauch von französischen Wörtern auf.
Auch das stellt einen Unterschied zu den anderen Magazinen dar, deren Werbung viele Anglizismen beinhaltet.
Burda Style
InTouch
Life&Style
OK!
InStyle
84
84
84
278
11
11.5
8.5
11.5
100
10
12
8
11
82
101
86
66
77
290
Seitenanzahl Ma-108
gazin
Seitenanzahl
Werbung
Anzahl
Werbung
Anzahl
Komposita
Werbung in %
ca. 10.19 % ca. 13.7 %
ca. 10.12 % ca. 13.7 %
ca. 36 %
ca. 10
ca. 8
ca. 3 - 4
Im Magazin
Komposita
ca. 7
ca. 7
pro Werbung
6. Beispiele aus der Werbung
Im Folgenden sollen diverse Beispiele für Komposita in der Werbung für Frauen analysiert werden. Die Beispiele entnehmen wir den hier angeführten Frauenmagazinen. Ich möchte vorwegnehmen, dass ich die Titelseiten der Zeitschriften als selbstständige Werbeanzeigen mitgezählt
habe. Das ist zum einen auf die Art zurückzuführen, wie Magazine in Magazinen für sich Werbung
machen, nämlich indem sie die Titelseite präsentieren. Zum anderen macht es Sinn, da das Magazin A mit seinen Schlagzeilen den flüchtig und selektiv lesenden Konsumenten ansprechen und
davon überzeugen will, lieber Magazin A statt B zu kaufen.
Zunächst möchte ich aber die Magazinnamen vergleichen und untersuchen, von denen allein drei
das englische Wort ‚style‘ teilen. ‚Style‘ wird ins Deutsche mit ‚Mode‘ oder ‚Stil‘ übersetzt, und
deutet somit auf einen Lebensbereich hin, der Frauen traditionell interessiert. Während ich Nachforschungen bezüglich der Zusammen- oder Getrenntschreibung angestellt habe, fiel mir auf,
dass alle fünf Zeitschriften ihre Schreibweise sporadisch ändern. Zunächst einmal beanspruchen
die Magazinnamen okkasionell das Wort ‚Magazin‘ für sich, was dazu führt, dass ein endozentri-
17
sches Determinativkompositum mit oder ohne Bindestrich und mit dem Grundwort Magazin entsteht. Aber auch die Schreibweise innerhalb der Konstituenten ändert sich. So wird das exozentrische Kopulativkompositum Burda Style, hier nach englischem Vorbild ohne Bindestrich, groß
und auseinander, hin und wieder auch mit Binnenmajuskel (BurdaStyle), oder zusammen und
klein (Burdastyle), geschrieben. Hubert Burda Media ist übrigens Deutschlands‘ größter internationaler Medienkonzern.
Auch die InTouch (dt.: ‚in Verbindung‘) und die InStyle (dt.: ‚in Stil, stilvoll‘) kommen mal mit
Binnenmajuskel, mal getrennt geschrieben (In Touch und In Style) vor. Und auch das Life&StyleMagazin (dt.: ‚Leben‘) ändert seine Schreibweise, indem es manchmal getrennt geschrieben wird
(Life & Style). Das OK!-Magazin (dt.: ugs. für ‚in Ordnung‘) ist in seinem Gebrauch hingegen sehr
konstant. Der Einfachheit halber habe ich mich bei jedem Magazinnamen für die Schreibweise
entschieden, die ich am häufigsten perzipieren konnte.
6.1.
Kompositagebrauch in der Haarprodukt-Werbung
Um ein Beispiel für die zahlreichen Werbungen für Pflegeprodukte zu geben, möchte ich nun eine
Pflegecreme von NIVEA analysieren. Insgesamt beinhaltet diese Werbeanzeige fünfzehn Komposita, die sich auf zwei Seiten verteilen. Auf der linken Seite ist ein Kopf einer Frau abgebildet, der
fast lebensgroß ist. Die etwa 45-jährige Brünette lächelt vor einem insgesamt sehr blaugehaltenem Hintergrund, der auf der rechten Seite mit DNA-Strängen und der NIVEA-Creme mit ihrem
dazugehörigen Karton verziert ist.
Auf der linken Seiten, unterhalb des Kopfes, finden wir unser erstes endozentrisches Determinativkompositum. DNA-Schutz besteht nach unserer Unterteilung aus zwei Konstituenten: dem abgekürzten, lexikalisierten Substantiv DNA und dem lexikalisierten Substantiv Schutz. DNA ist übrigens englisch und heißt ausgeschrieben deoxyribonucleic acid, was in das Deutsche mit ,Desoxyribonukleinsäure‘ übersetzt wird. In wie viele Konstituenten diese beiden fachsprachlichen
Begriffe wieder einzuteilen sind, mag man als Laie nur vermuten. Fest steht, dass die Kundin das
Produkt NIVEA nun mit einem gewissen Schutz in Verbindung bringen wird, der sich voraussichtlich, wie so oft üblich bei NIVEA, auf die Haut bezieht.
„Ihre DNA ist ein einzigartiger genetischer Bauplan – auch für ihre Haut“ (Burda Style 2010, 2)
kündigt uns die kleingedruckte Erläuterung nun an. Dieses Mal steht die DNA für sich allein. Das
Adjektiv einzigartiger stellt im Übrigen eine Ableitung dar.
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Der Bauplan besteht wiederum aus zwei Substantiven, dem Bau und dem Plan. Zusammengesetzt ergeben sie ein lexikalisiertes endozentrisches Determinativkompositum, das in Verbindung
mit den bis jetzt untersuchten Komposita eher nach wissenschaftlicher Fachsprache klingt.
„Umweltstress wie UV-Strahlung schädigt die DNA und verlangsamt die Zellregeneration, die
Haut verliert an Elastizität“ (Burda Style 2010, 2). Allein dieser Satz beinhaltet vier Komposita.
Umweltstress ist meiner Meinung nach nicht-lexikalisiertes endozentrisches Determinativ- und
Kopulativkompositum in Einem. In diesem Satzzusammenhang scheinen beide Substantive nebengeordnet zu sein und jede Konstituente kann auch für sich alleine stehen. Allerdings lässt sich
der Informationsschwerpunkt zugunsten von einer der beiden Konstituenten auch verschieben.
Umwelt ist übrigens eine Lehnübersetzung für das dänische Wort omverden.
Das lexikalisierte Substantiv UV-Strahlung ist ein endozentrisches Determinativkompositum, das
aus der Abkürzung UV des Substantivs Ultraviolett und dem Substantiv Strahlung gebildet wird.
Schaut man sich den Bedeutungsinhalt der letzten beiden Komposita nun genauer an, stellt man
fest, dass hier eine sehr negative Wortwahl vorliegt, die die Kundin womöglich zum Weiterlesen
animieren soll, um die Lösung dieser Probleme zu erfahren.
Die DNA wird nun ein drittes Mal erwähnt, gefolgt von dem nicht-lexikalisierten Substantiv Zellregeneration. Hier setzen sich die Substantive Zelle und Regeneration zu einem endozentrischen
Determinativkompositum zusammen. Aus Anpassungsgründen ‚verliert‘ die Zelle das –e. Das
Wort Regeneration entstammt übrigens dem spätlateinischen Wort regeneratio, das mit ‚Wiedergeburt‘ übersetzt werden kann. Die potentielle Kundin gewinnt also wieder Hoffnung, ist die
Wortbedeutung doch eher positiv einzuordnen.
Die Erläuterung wird fortgeführt mit dem Versprechen: „NIVEA VISAGE DNAge Systempflege mit
reiner Folsäure schützt die DNA“ (Burda Style 2010, 2). Meiner Meinung nach ist die NIVEA VISAGE DNAge Systempflege ein einziges Kompositum, das nach dem englischen Vorbild ohne Bindestrich gebildet wurde. Nach unserer Klassifizierung besteht das endozentrische Determinativkompositum, das unter Umständen auch ein endozentrisches Kopulativkompositum darstellen
könnte, aus sechs Konstituenten. Zunächst wäre da das nicht-lexikalisierte Substantiv NIVEA, der
Produktname, der sich von dem lateinischen Adjektiv niveus ableitet, was in das Deutsche mit
‚Schnee‘ übersetzt werden kann. Die zweite Konstituente VISAGE ist ein lexikalisiertes Substantiv,
das aus dem Französischen (visage) und dem Lateinischen (visus) abstammt und kann mit dem
deutschen Wort ‚Gesicht‘ übersetzt werden. Nach der DNA-Konstituente folgt nun das englische
Substantiv Age, das hier am besten mit dem deutschen Wort ‚Alter‘ übersetzt wird. DNA und Age
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gehen deshalb eine ungewöhnliche Verbindung ein, da der letzte Buchstabe von DNA als Anfangsbuchstabe für Age agiert. Hier lässt sich also die Kreativität der Werbetexter besonders gut
erkennen.
Zuletzt besteht unser sechsteiliges Kompositum aus dem endozentrischen Determinativkompositum Systempflege. Das lexikalisierte Substantiv System entstammt übrigens dem spätlateinischen Wort systema und dem griechischen Wort sýstēm. Pflege ist ein lexikalisiertes Substantiv.
Alles in allem scheint das analysierte Kompositum auf den ersten Blick kompliziert und zu mindestens teilweise fachsprachlicher Natur zu sein. Auf den zweiten Blick stellt man jedoch fest,
dass der Informationsgehalt für nur sechs Wörter unglaublich hoch ist. Hätte man sie umschrieben, wären wahrscheinlich mehrere Sätze nötig gewesen. Des Weiteren liegt in diesen durchaus
positiven Wörtern die Lösung zu dem gerade erwähnten Problem.
Bevor noch einmal die DNA folgt, wird das lexikalisierte Substantiv Folsäure angeführt. Eindeutig
einer Fachsprache zugehörig entstammt Fol- dem lateinischen Substantiv folium, das mit ‚Blatt‘
übersetzt wird. Zusammen ergeben Fol- und Säure ein endozentrisches Determinativkompositum. Allerdings muss ich zugeben, dass hier unter Umständen auch ein idiomatisiertes Wort vorliegt. Meiner Meinung ist dieses Wort daher ein sogenannter Grenzfall.
Zuletzt verspricht der Werbetexter noch: „Die Hauterneuerung wird beschleunigt, die Haut wirkt
sichtbar jünger und straffer“ (Burda Style 2010, 2). Mal abgesehen davon, dass sich so ziemlich
jeder Mensch eine Hauterneuerung wünscht, besteht dieses endozentrische Determinativkompositum aus zwei lexikalisierten Substantiven. Spätestens hier ist die Kundin überzeugt, dass das
Produkt gekauft werden muss, um sich seiner gegenwärtigen Umwelt anzupassen, in der Schönheit wichtig zu sein scheint.
Auch auf der rechten, zweiten Seite der Werbeanzeige lassen sich noch vier weitere Komposita
ausfindig machen. Die ersten zwei Komposita befinden sich auf der dargestellten Cremedose, die
angeblich „Hautstraffende Tagespflege“ (Burda Style 2010, 3) beinhaltet. Da das Substantiv Haut
bereits erläutert wurde, gehe ich hier direkt zu dem Adjektiv straffend über, das sich von dem
schwachen Verb straffen ableitet. Bereits dieses endozentrische Determinativkompositum verspricht eine Verbesserung des Aussehens. Nur wie genau soll das Aussehen verbessert werden?
Die Tagespflege, ein endozentrischen Determinativkompositum, soll es täglich richten. Das Substantiv Pflege wurde bereits analysiert. Tages- leitet sich von Tag ab, einem lexikalisierten Substantiv, das aus Gründen der Anpassung mit einem Fugen –es versehen wurde.
20
Auf der dazugehörigen Packung der Creme ist noch einmal von Hautstraffung, einem endozentrischen Determinativkompositum, die Rede. Straffung ist zwar ein lexikalisiertes Substantiv, leitet
sich aber vermutlich auch von dem schwachen Verb straffen ab.
Zuletzt ist über dem Produkt und seiner Packung noch eine Art Sanduhr abgebildet, auf der „DNASchutz Innovation“ (Burda Style 2010, 3) geschrieben steht. Wurde der DNA-Schutz bereits analysiert, entstammt das lexikalisierte Substantiv Innovation dem spätlateinischen Wort innovatio
(‚Erneuerung, Veränderung‘). Das endozentrische Determinativkompositum fällt im Übrigen
durch seine Schreibung nach englischem Vorbild, nämlich ohne Bindestrich, auf.
Schaut man sich nun auch die letzten Komposita der Werbeanzeige genauer an, stellt man fest,
dass alle ein gewisses Versprechen vermitteln, neue und positive Veränderungen zu bewirken.
6.2.
Kompositagebrauch auf der Titelseite des Burda Style-Magazins
Das zweite hier vorgestellte Beispiel stellt die Titelseite des Burda Style-Magazins mit sechzehn
verschiedenen Komposita dar. Habe ich den Magazinnamen bereits ausführlich erläutert, so
möchte ich mich zunächst auf die grafische Darstellung beziehen. Von der Hüfte an abgebildet
ist eine junge, fröhliche Frau, die posiert. Im Hintergrund, eher unscharf zu erkennen, nimmt
etwa zweidrittel das Meer und zu einem Drittel der blaue Himmel ein. Über dem Kopf der Frau
befindet sich horizontal der Zeitschriftenkopf mit dem Magazinnamen. Burda, als auch das Wort
Style, sind in den größten Buchstaben der Titelseite dargestellt, wobei Burda in noch größeren,
lilafarbenen, Buchstaben, und Style rechts neben dem Kopf der Frau in etwas kleineren, orangefarbenen Buchstaben abgebildet ist. Vermutlich aus verkaufsstrategischen Gründen, damit das
Magazin keinesfalls übersehen werden kann, ist der Name noch einmal in derselben Farbkombination
vertikal
in
der
oberen
linken
Ecke
zu
finden.
Auch
die
Internetseite
(WWW.BURDASTYLE.DE) ist dort horizontal angegeben.
Am linken Rand sind nun die ersten drei Überschriften mit jeweiliger kleingedruckter Erläuterung
vorzufinden. Die erste Überschrift, die auch ein wenig größer abgebildet ist, als die anderen Überschriften, überzeugt den stilbewussten Konsumenten mit der Ankündigung „Animal Prints – Sexy
und superfeminin: Overall, Rock, Bluse“ (Burda Style 2010, 1). Die ersten zwei nicht-lexikalisierten Komposita Animal Prints und superfeminin fallen dem aufmerksamen Leser vielleicht noch
auf. Der dritte Fall, der Overall, ist hingegen nicht mehr so leicht als Kompositum zu durchschauen. Zunächst aber möchte ich mir das Kompositum Animal Prints genauer ansehen. Animal
ist das englische Substantiv für ‚Tier‘. Prints, das Grundwort, ist das englische Substantiv mit s-
21
Plural für ‚Druckmuster‘. Ist die Zielgruppe doch überwiegend weiblich, so richtet sich dieses endozentrische Determinativkompositum speziell an weibliche Tierliebhaberinnen mit Englischkenntnissen, die ihr Lieblingstier vielleicht auf der Hose tragen möchten. Dass sich die Überschrift
an den weiblichen Kunden richtet, unterstreicht nun das endozentrische Determinativkompositum superfeminin, das sich aus einem Adjektiv bzw. Präfix und einem Adjektiv zusammensetzt.
Als Präfix wirkt das Bestimmungswort super- (lat. für ‚oben‘) emotional verstärkend. Die Leserin
kann also zum einen davon ausgehen, dass sie mit Tiermustern auf der Kleidung femininer (lat.
femina für ‚Frau‘) als mit anderen Druckmustern aussieht. Zum anderen wird angedeutet, dass
sich die besten Tiermuster in dem Burda Style-Magazin befinden.
Der Overall hingegen ist ein eher schwieriger Fall. Zunächst einmal ist das Substantiv lexikalisiert
und bezeichnet einen einteiligen, den ganzen Körper bedeckenden Anzug, der besonders zum
Schutz bei bestimmten Arbeiten getragen wird (s. www.duden.de). Wie man aber bereits an der
Aussprache feststellt, ist der Overall englischer Herkunft und setzt sich aus der Präposition over
(dt.: ‚über‘) und dem Adjektiv all (dt.: ‚alles‘) zusammen, was also zusammengesetzt so viel heißt
wie ‚Überalles‘. Meiner Meinung nach gehört es daher der Gruppe der exozentrischen Kopulativkomposita an, da all dem Wort over nebengeordnet ist und alleinstehend in unserem Zusammenhang hier keinen Sinn mehr ergeben würde.
In der Erläuterung zu der dritten Überschrift ist von einem Traumpaar die Rede. Zusammengesetzt aus den Substantiven Traum und Paar ist das endozentrische Determinativkompositum
Traumpaar jedoch bereits fester Bestandteil des Lexikons. Auffallend ist hier übrigens die emotionale Bedeutung des Wortes, das mit dem idealen Paar, einer Wunschvorstellung vieler Frauen,
gleichzusetzen ist.
Das nächste endozentrische Determinativkompositum gehört zu dem Aufmacher der Magazinausgabe. „Hochzeits-Special – Mode für große Gefühle“ (Burda Style 2010, 1) wirbt nicht nur mit
emotional aufgeladenen Wörtern, sondern auch mit einem ;Sonderheft‘ für Hochzeiten. Eine
Hochzeit ist traditionell zwar etwas, das sich beide Partner wünschen, dennoch ist die Frau eher
dafür bekannt, sich mit Kleidung und Schminke zu ‚verschönern‘. Um wahrscheinlich moderner
zu wirken, wird hier das englische Substantiv Special verwendet. Auffallend bei dem Bestimmungswort dieses endozentrischen Determinativkompositums ist, dass es bereits aus einem lexikalisierten endozentrischen Determinativkompositum besteht, nämlich aus dem Adjektiv hoch
und dem Substantiv Zeit. Des Weiteren wurde es mit einem Fugen –s versehen, um sich dem
Special anzupassen.
22
In der Erläuterung zum Aufmacher fallen der aufmerksamen Leserin die Komposita Farbtupfer,
Anlass-Mode und Chiffonkleid auf. Ein Farbtupfer bezeichnet einen durch Farbe entstandenen
Tupfen und besteht somit aus zwei Substantiven. Meiner Meinung nach steht in diesem endozentrischen Determinativkompositum das Bestimmungwort unüblicher Weise an zweiter Stelle,
und das Grundwort an erster. Denn schaut man sich den Satzzusammenhang genauer an, wird
einem bewusst, dass der Akzent auf der Farbe liegt, und nicht auf dem Tupfen. „Für die Farbtupfer sorgen die Gäste“ (Burda Style 2010, 1) könnte somit auch ohne den Tupfen auskommen, da
für die Farbe dann immer noch gesorgt wäre. Das –e in Farbe wurde hier übrigens aus Gründen
der Anpassung weggelassen.
Die Anlass-Mode ist ein weiterer, eher undurchsichtiger Fall. Meiner Meinung nach handelt es
sich hierbei zwar um ein Determinativkompositum, allerdings um ein endo- und exozentrisches,
da der Konstituente Anlass zweierlei Bedeutungen zukommen. Zum einen kann es sich hierbei
um das Substantiv Anlass, also ein Ereignis, handeln, zum anderen kann es sich um Mode handeln, die zu jeder Gelegenheit angelassen werden kann, egal ob schicke oder lässige Kleiderordnung. In diesem Fall wäre das Bestimmungswort ein Verb (anlassen), das aus Anpassungsgründen
seinen Infinitiv –en verliert. Alles in allem lässt sich aber festhalten, dass Mode etwas ist, das
üblicher Weise dem Interesse von Frauen zugeschrieben wird.
Das endozentrische Determinativkompositum Chiffonkleid besteht aus dem französischen Substantiv Chiffon, und dem deutschen Substantiv, Kleid. Chiffon ist im Französischen gleichbedeutend mit ‚minderwertigem Gewebe‘. Im Deutschen ist das Kompositum heute bereits in das Lexikon übernommen worden.
Am Ende der Seite wird dann unten in einer Leiste noch die fachsprachliche Schneider-Büste erwähnt, ein endozentrisches Determinativkompositum bestehend aus zwei Substantiven, nämlich
Schneider und Büste. Die Büste hat zwar mehrere Bedeutungen, doch sie weichen alle nicht besonders voneinander ab, da sie sich immer auf die Schneiderei beziehen und daher trotzdem
endozentrisch einzuordnen sind. Nicht nur das Schneidern von Büsten, sondern auch Schneidern
generell wird oft den Interessen von Frauen zugeordnet. Dass ein solches Denken voreingenommen ist, beweisen jedoch die vielen bekannten männlichen Designer.
Nun lassen wir den Blick auf den rechten Rand der Titelseite schweifen. Hier ist in der Überschrift
von Oster Deko die Rede. In der dazugehörigen Erläuterung steht: „Sonnengelb zaubert Stimmung: 10 kreative Bastel-Ideen für zu Hause“ (Burda Style 2010, 1). Das Substantiv Ostern bezieht
sich auf ein Fest der christlichen Kirche, mit dem die Auferstehung Christi gefeiert wird. Deko ist
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ein lexikalisiertes Kurzwort für Dekoration, dessen Ursprung in der französischen und lateinischen Sprache liegt. Zusammengesetzt aus zwei Substantiven ist das Kompositum, das nach dem
englischen Vorbild ohne Bindestrich geschrieben wurde, den endozentrischen Determinativkomposita zuzuordnen. Die Tätigkeit des Dekorierens ist im Übrigen meistens auch auf die Interessen
von Frauen zurückzuführen.
Das endozentrische Determinativkompositum Sonnengelb lässt sich entweder in Substantiv plus
Substantiv, oder in Substantiv plus Adjektiv, einteilen. So oder so ist die Funktion des Bestimmungswortes, dem ein Fugen –n zugefügt wurde, das Gelb zu intensivieren und zu emotionalisieren.
Das folgende endozentrische Determinativkompositum dürfte nicht nur Frauen generell, sondern speziell Frauen mit Kindern interessieren. Bastel-Ideen bezieht sich nämlich auf die kreative
Ader von Frauen und Kindern gleichermaßen. Als Bestimmungswort fungiert hier das schwache
Verb basteln, das im Zuge des Anpassungsprozesses sein –n verliert. Das Substantiv Ideen kann
hier als Schlüsselwort dienen, wenn jemand auf der Suche nach neuen Anregungen ist.
Zuletzt wird am rechten Rand der Zeitschrift ein Kleiderschildchen mit der Aufschrift „Leichter
Nähen – Patchwork-Tasche, XXL-Shirts von Wohlfühlen bis Party“ (Burda Style 2010, 1) abgebildet. Patchwork ist an sich ein bereits lexikalisiertes Wort in der englischen Sprache, das sich jedoch aus dem Substantiv patch (dt.: ‚Flicken‘) und dem Substantiv work (dt.: ‚Werk‘) zusammensetzt. Bei uns in Deutschland wird häufig der lexikalisierte Begriff der Patchworkfamilie genutzt.
Eine Patchwork-Tasche bezieht sich daher auf eine Tasche, die sich aus vielen verschiedenen Flicken zusammensetzt. Das endozentrische Determinativkompositum kürzt diese Beschreibung
also erheblich.
Das endozentrische Determinativkompositum XXL-Shirts besteht ursprünglich aus insgesamt vier
Konstituenten, da die Abkürzung XXL für die zwei englischen Adverbien extra extra (lat. für
‚über…hinaus‘) und das englische Adjektiv large (dt.: ‚groß‘) steht. Nach unserer Klassifizierung
ist dieses Kompositum aber zweigliedrig. Übersetzt in das Deutsche spricht man hier also von
‚äußerst groß‘. Auch das Wort Shirts entstammt der englischen Sprache und bedeutet so viel wie
‚Hemden‘. Speziell aber die Adverbien sorgen für eine überdimensionale Vorstellung bezüglich
der Hemden.
Die XXL-Shirts werden nun mit dem endozentrischen Determinativkompositum Wohlfühlen in
Verbindung gebracht. Hier wurde das lexikalisierte schwache Verb wohlfühlen, das sich aus dem
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Adverb wohl und dem schwachen Verb fühlen zusammensetzt, jedoch substantiviert. Nichtsdestotrotz trägt das Wort einen angenehmen Charakter mit dem Ziel, Wohlbefinden in der Kundin
auszulösen.
7. Funktionen von Komposita in der Werbung
„Neue Produkte besitzen ohne Werbung keine oder eine sehr geringe Marktchance“ (vgl. Nickel
1999, 19). Entscheidet sich eine bestimmte Produktmarke daher dazu, viel Geld in eine teure
Werbung zu investieren, sollte sie aus verschiedenen Gründen Gebrauch von Komposita machen.
Zunächst einmal kürzen sie die Länge von Aussagesätzen in der Werbung erheblich und beschränken somit Platz und Kosten. Indem sie besondere Schlüsselmerkmale kennzeichnen, über die das
Produkt vermeintlich verfügt, verleihen Komposita der Werbebotschaft den nötigen Nachdruck,
um ein garantierter Erfolg zu werden.
Die kreativen und einzigartigen Eigenschaften dieser Okkasionalismen oder Neologismen führen
dazu, dass sie ein beständiger, fester Teil in der heutigen Werbung sind. Egal, ob Fernsehwerbung, Radiowerbung oder Magazinwerbung: Die Rezipienten werden, dank Komposita, eher
Probleme haben, sich die Wörter und ihre dazugehörige Marke nicht einzuprägen. Das weiß auch
die Werbeindustrie.
Wie man an unseren Beispielen sehen kann, war es also sehr geschickt von den Werbetextern
für Frauenprodukte fachkundige und kunstvolle Kompositakreationen mit einem ‚femininen Vokabular‘ zu verwenden. Frauen, die diese Werbung häufig genug lesen, werden überzeugt davon
sein, dass das beworbene Produkt das mit Abstand beste und lebensbereichernste auf dem
Markt ist.
Alles in allem entsteht der Eindruck, dass Komposita tatsächlich dazu in der Lage sind, Aufmerksamkeit erfolgreich zu erregen und die jeweilige Marke mit positiven und interessanten Assoziationen zu versehen. Die Aussage von Stefan Stein (1999, 273), dass grafische Abweichungen auffälliger sind als lexikalisch-semantische, scheint damit widerlegt. Und auch Manuela Baumgart
merkt an: „Der Primat des Bildes, so die Meinung kompetenter Werbefachleute, ist endgültig
widerlegt […]. Die Zukunft liegt im Wort“ (Baumgart 1992, 317ff.). Nina Janich schlägt daher sogar
vor, dass Komposita, die kohärent und sinnvoll in ihrer Wortfügung sind, den Wortschatz definitiv
erweitern und bereichern könnten, auch dann, wenn sie ungewöhnlich oder unregelmäßig gebildet sind (vgl. Janich 2005, 106).
25
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InTouch. 2012. Heftnummer 25. Deutschland (u.a.).
LifeStyle. 2011. Heftnummer 24. Deutschland (u.a.).
Ok!. 2012. Heftnummer 21. Deutschland (u.a.).
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