Advertising

Werbung
Advertising
November_2008
38_BESTSELLER
Im Reich der Pillendreher
Innovation, Inquisition und Information, das sind die Spannungsfelder der
pharmazeutischen Industrie, die nicht nur ihre Pulver und Mittelchen
vermarkten will, sondern auch mit ihrem Negativ-Image zu kämpfen hat.
Angesichts des engen Werbekorsetts ist das keine leichte Aufgabe.
Welche Erfolgsrezepte die Pharma-Agenturen ihren Patienten verschreiben,
hat BESTSELLER für Sie recherchiert. text gudrun wolfschluckner
D
ie Vorwürfe sind schwerwiegend:
Ärzte werden zu Handlangern gemacht, alte Medikamente unter
neuem Namen und zu höheren Preisen verkauft, preiswerte Generika verhindert. Je
knapper die Gesundheitsbudgets sind,
desto brutaler presst sie ihre Produkte auf
den Markt. Und obendrein will ihr die EU
jetzt auch noch die Daumenschrauben in
Sachen
Werbebestimmungen
lockern.
„Sie“ ist die Pharmaindustrie, die nach wie
vor mit einem schlechten Ruf zu kämpfen
hat und sich ungerechtfertigt an den Pranger gestellt fühlt, handle sie doch unter
strengen Auflagen, ethisch korrekt und im
Dienste der menschlichen Gesundheit. Ihr
Dasein auf der Anklagebank liegt nicht
­zuletzt in belastenden Arzneimittel-Skandalen der Vergangenheit begründet, deren
mediales Echo bis heute nachhallt. In
­diesem Zusammenhang „Contergan“ zu
erwähnen, reicht aus. Damit verlief der
soziale Abstieg der weißen Hoheit zum
schwarzen Schaf ungleich rasanter, als der
steinige Weg zurück zum Sauber-Image
bewältigbar ist. Möglich wäre das durch
transparente Konzernpolitik und progressive Kommunikationsmaßnahmen, doch
Pharmamarken-Ranking 2008
foto Shutterstock
Basierend auf Werbespendings
1. 11 Pflanzen Schlankheitskur
2. Supradyn Multivitaminpräparate
3. Dr. Böhm Produkte
4. Bepanthen
5. Formoline
6. Canesten
7. Alpinamed Produkte
8. Hafesan Kapseln
9. Dulcolax Dragees
10. Thomapyrin Tabletten
Quelle: Focus
BESTSELLER_39
Advertising
November_2008
stattdessen übten sich die Pharmakon-
von Seriosität und Ethik zumindest nach
ten lebt. Die Zeiten, in denen die Ärzte ge-
zerne in falscher Zurückhaltung, bemän-
außen hin zu wahren. Dadurch bleiben sie
kauft werden, sind vorbei. Doch es scheint
geln die betreuenden Agenturen.
deutlich unter dem Spielraum, den sie
mir fast so, als schämte man sich dafür,
­eigentlich hätten.“ Zusätzlich gehemmt
dass man Gutes tut.“
Imagekrank
durch die „militärischen Hierarchien“ der
Die Angst vor dem Arzt, mit dem man es
Schon Francis Bacon hat gesagt – und
weltumspannenden Pharmakonzerne, de-
sich nicht verscherzen wolle, die Angst
­Michael Leitner, Agenturchef von Public
ren Länderchefs meist die Hände gebun-
vor neuen Möglichkeiten und ein schlech-
Health PR, stimmt ihm zu: „Nichts macht
den seien. „Das geht bis hin zum Stoß-
tes Gewissen, weil man lange Zeit „mit ho-
einen Menschen argwöhnischer als wenig
trupp, der alle paar Monate kommt, um
hen Margen“ hantiert und versucht habe,
zu wissen.“ Und ergänzt: „In dem Augen-
sich die Landeszahlen präsentieren zu
„die eigenen Pfründe abzusichern“, nennt
blick, wo man nichts erfährt, entstehen
­lassen und jedem einzelnen Außendienst-
hingegen Ewald Zwinz, Geschäftsführer
Gerüchte. Das ist auch das Grundproblem
mitarbeiter Instruktionen gibt.“ „Unge-
der gleichnamigen Wiener Werbeagentur,
der Pharmaindustrie.“ Mit dieser Meinung
schickt“ in der eigenen Vermarktung,
als Ursachen für das selbstverordnete
steht Leitner keineswegs alleine da. In
nennt es Rachinger. Das Resultat: „Es gibt
Schweigen der Pharmabewegung. „Sie ist
­Gesprächen mit den Pharma-Agenturen
ganze Industriezweige, die unsere Welt
eine supergoldene Branche, nicht allein
­sickern immer wieder Vorwürfe durch,
­ruinieren und dennoch als sexy gelten.
wegen ihrer Profitgier, sondern weil wir
wonach die Konzerne auch über ihre
Und jene, die erfolgreich zur Gesundheit
immer wieder krank werden.“
­Erfolgserlebnisse und Leistungen für das
der Bevölkerung beitragen, werden als die
Und wenn doch einmal etwas schief geht?
Gemeinwohl Stillschweigen bewahrten.
letzten Schurken hingestellt.“
Dann müssten sich die Konzerne ihre
­Fehler im Sinne einer offenen Krisenkom-
Wenngleich in den vergangenen Jahren
hinter den Mauern ein leichtes Umdenken
Operation weiße Weste
munikation eingestehen, rät Rachinger.
stattgefunden hat, ist die Skepsis davor
In den Reihen der vermeintlichen Schur-
Modernere Kommunikationsmaßnahmen
geblieben. Nicht so bei den Ärzten oder bei
ken finden sich „zu wenig gut ausgebildete
würden das Image-Leiden der Pharmakon-
chronisch Kranken, denn „jene, die regel-
Marketing- und Werbeleute, die Budgets
zerne also lindern: „Konstruktiveres Auf-
mäßig mit der Pharmaindustrie kommuni-
werden knapp gehalten, das Bewusstsein
treten und Aktionen, bei denen es auch ein-
zieren, und das ist erwiesen, haben auch
für öffentliche Auftritte und Markenbil-
mal um das billige Image-Abstauben geht.“
kein schlechtes Bild von ihr“, weiß Leit-
dung fehlt einfach noch“, glaubt Michael
Das Marketing-Potenzial, das es hier noch
ner. Kommunikationsdefizite diagnosti-
Mehler, CEO der ghost.company. „Die
auszuschöpfen gilt, scheint beträchtlich.
ziert auch swot-Chef Markus Rachinger:
Pharmaindustrie sehe ich aber noch lange
„Die Firmen verhalten sich teilweise
nicht so böse, wie sie oft dargestellt wird,
Marken statt Melken
päpstlicher als der Papst, um den Schein
auch wenn sie wie jeder andere von Profi-
Die Agenturen gehen aber davon aus, dass
sich dieser schlechte Befund in den nächs-
Auf zum Patienten
Der PMCA-Präsident über die Umbrüche in der Branche
bestseller Wie eingeschränkt sind die Pharmaunternehmen in ihrer
weise verbessern wird müssen. Vor allem
weil sich die Hersteller von Markenpräparaten schon jetzt angesichts harter Pa-
­Marktkommunikation wirklich?
robin rumler Wir sind natürlich eingeschränkt, aber wenn man die Regeln
kennt, kann man mit Feingefühl gutes Marketing betreiben.
tentregelungen und dem Preisdumping
der Generikakonkurrenz warm anziehen
müssen. Denn das Prinzip „Cashcow auf-
Was könnte man verbessern?
rumler Eine direkte Information an den Patienten wäre wünschenswert. Der
­Vorschlag liegt derzeit bei der EU-Kommission in Brüssel zur Begutachtung.
Kann man zwischen erlaubter Laieninformation und unerlaubter
­Laienwerbung überhaupt trennen?
rumler Man kann in jedem Land eine Kommission mit verschiedenen Experten
aus dem Gesundheitswesen einsetzen, die entscheidet, was möglich ist und was
nicht. Das Patientenmanagement gehört in eine Hand.
ten Jahren verbessern wird beziehungs-
bauen und jahrelang abmelken“, wie Michael Leitner es ausdrückt, funktioniert
nicht mehr. Eine Lösung: Eigene GeneriRobin Rumler,
Präsident des
Pharma Marketing
Club Austria (PMCA).
Was unternimmt der PMCA, um den Marktteilnehmern das Leben zu erleichtern?
rumler In den vergangenen Jahren haben wir eine Plattform für alle Teilnehmer im Gesundheitssystem
geschaffen, die das Pharma-Business einerseits promoten soll und andererseits immer mehr Teilnehmer
mit verschiedenen Interessen an einen Tisch bringt, um über Branchentrends zu diskutieren, zu
­informieren und fortzubilden.
Wie ist die Marktsituation derzeit?
rumler Ich glaube, dass sich viele Firmen und Agenturen noch zu wenig auskennen und sich in ihrer
Kreativität einschränken. Und ich merke auch, dass progressivere Unternehmen, die sich trauen, mutige
Werbung zu machen, immer wieder im Fokus der öffentlichen Kritik stehen. Durch die so genannten
­Neuen Medien befinden wir uns in einer Umbruchphase und auch modernere Tools in der klassischen
Werbung sind im Kommen. Wir müssen proaktiver kommunizieren, um alle Beteiligten in der Verschreiberkette zu erreichen und uns darauf einstellen, dass der Patient in Zukunft stärker informiert werden will.
kafirmen eröffnen. Die andere: Company
Branding und konsequente Markenführung. Gerade jene Pharmaunternehmen,
die bereits starke Marken im Portfolio haben (siehe Kasten), „haben immer auch
eine starke Corporate Communication“.
Daneben glauben aber noch viele, „dass
sie sinnvolle Markenbildung betreiben,
wenn eine Initiative genauso aussieht wie
die Medikamentenpackung“, so Leitner,
daher gäbe es auch nur wenige „wirkliche“ Pharmamarken.
Michael Mehler bestätigt: „Wenn ich über
die einzelnen Produkte hinaus mit dem
Firmennamen arbeite und Kampagnen
40_BESTSELLER
fotos PMCA, ghost.company, Public Health PR, swot
Michael Mehler, ghost.company: „Laien­
werbung für ein Krebsmittel geht mir
­entschieden zu weit.“
„Es gibt keine weißen und schwarzen Schafe,
sondern verschiedene Variationen von Grau“,
weiß Michael Leitner von Public Health PR.
Markus Rachinger, swot, zur konfliktscheuen
Pharmaindustrie: „Es muss auch mal ums
­billige Image-Abstauben gehen.“
mache, die das Unternehmen als verant-
Spielregeln – einmal abgesehen von den
In diesem Bereich gibt es auch kaum Pro-
wortungsbewusst und topmodern erschei-
ethischen Richtlinien, die sich die Pharma-
teste. Anders bei den verschreibungspflich-
nen lassen, wirkt sich das sicher positiv
industrie selbstrestriktiv auferlegt hat
tigen Medikamenten (RX-Produkte), für
auf den Markt aus.“ Und auf das Image
(PHARMIG-Verhaltenskodex,
IGEPHA-
die bis dato jede Form von Werbung und
seiner Teilnehmer – hier kommt die so
Werbekodex). Ähnlich der Tabakwerbever-
­Information an den Endverbraucher unter-
­genannte Corporate Social Responsibility
bote wurde vom Gesetzgeber ein strenges
sagt ist. Nun wird auf EU-Ebene darüber
(CSR) ins Spiel.
Reglement über die Branche verhängt
verhandelt, ob dieses strikte Werbeverbot
(siehe Kasten), über deren Sinn und Unsinn
gegenüber Laien liberalisiert werden soll,
Weiße und graue Schafe
viel diskutiert wird. So ist Werbung an
was von den meisten Agenturvertretern
Geht es jedoch um die Vermarktung der ei-
Ärzte und Patienten nach dem Österreichi-
naturgemäß begrüßt wird. Allerdings ge-
genen Präparate, liegt das Problem weni-
schen Arzneimittelgesetz (AMG) bekannt-
hen die Meinungen darüber auseinander,
ger in falscher Zurückhaltung der Unter-
lich nur für rezeptfreie, so genannte
unter welchen Bedingungen gelockert wer-
nehmen begründet als vielmehr in Justitias
­Over-the-counter-Produkte (OTC), erlaubt.
den soll.
Die besten Seiten der Online-Werbung
Wer Online-Zielgruppen sucht hat
jetzt guten Grund zur Freude.
Die adworx Interest-Channels sind das Ergebnis jahrelanger Erfahrung
und bringen Ihre Werbung punktgenau an Ihre Zielgruppe. Ohne
Streuverluste, auf den größten und besten Seiten des Landes. Und
darüber hinaus gibt es auch noch die detaillierte Kampagnen-Auswertung
und Analyse Ihrer Sujets.
adworx hat eben einiges was andere nicht haben und das ist ein guter
Grund zur Freude. Are you readdy?
adworx
internetservice gmbh
Lindengasse 65
1070 Wien
t. +43 1 523 58 58 - 0
f. +43 1 523 58 58 - 555
e. offi[email protected]
www.adworx.at
Advertising
November_2008
„Es ist doch absurd. Je wirksamer ein Me-
Pharma-Marketing in Zahlen
dikament ist, desto weniger darf man dar-
Mediaspendings nach Werbeträgern
über sagen. Mein Wunsch ist daher, dass
eine klare Unterscheidung getroffen wird,
wie weit Patienteninformation gehen darf,
die seriös und notwendig ist und daher
auch von der Pharmaindustrie kommen
sollte, und wann Laienwerbung anfängt,
die ethisch bedenklich ist. Solange das
nicht klar ist, bewegen wir uns in einem
Graubereich, was für niemanden wünschenswert ist“, meint etwa PR-Berater
Michael Leitner. Die „schwammige“ Gesetzeslage sei mitunter daran Schuld, dass
den Pharmakonzernen „fiese Tricks“ an-
Werbeträger
2007
(bis September)
Fachzeitung
4.393.614
Magazin
4.354.843
Regionale Wochenzeitung
2.125.515
Tageszeitung
11.019.535
Print gesamt
21.893.507
TV
Radio
Outdoor
Online
Gelbe Seiten
Kino
Gesamt
7.849.569
1.210.371
7.518
216.114
195
78.640
31.255.914
2008
(bis September)
4.833.094
4.986.379
3.151.279
11.499.380
24.470.132
Veränderung
in Prozent
10
15
48
4
12
7.952.561
1.408.822
659.421
140.337
426
0
34.631.699
1
16
8.671
-35
118
-100
11
Bruttowerbespendings in Euro
Quelle: Focus
steckte‘ Aktionen machen und der Konsu-
verschreibungspflichtige Arzneien an die
Ärzte ohne Grenzen?
ment nicht merkt, wer dahinter steht.“
Öffentlichkeit kommunizieren darf, dann
Markus Rachinger findet es „eigenartig,
Sinnvolle Verschreibungen und nicht mehr
will ich auch wirklich Werbung dafür ma-
dass es den Europäern versagt ist, über
Verschreibungen per se könnten nur er-
chen dürfen. Aspirin darf auch in TV-Spots
verschreibungspflichtige Arzneimittel Be-
zielt werden, „wenn wir zeigen dürfen,
beworben werden.“ Außerdem müssten
scheid zu wissen“. Nicht zuletzt, weil es ein
dass die Produkte tatsächlich funktionie-
RX-Arzneien so oder anders vom Arzt ge-
Leichtes sei, sich alle möglichen Informati-
ren“. Eine „ewige Grauzone“ werde es
nehmigt werden. Mehlers Vorschlag lau-
onen aus dem Internet zu beschaffen. Die-
auch dann bleiben, wenn „informiert“,
tet daher, nach Krankheitsbildern zu reg-
sen „Anachronismus“ führt der swot-Chef
aber nicht „geworben“ werden dürfe, hält
lementieren. Soll heißen: „Dort werben,
mitunter auch darauf zurück, dass Ärzte
Michael Mehler dagegen: „In dem Fall
wo eine gewisse Aufklärung im Volk da ist
und Apotheker ihren Wissensvorsprung
bräuchten wir wohl einen hundertköpfigen
und verständlich kommuniziert werden
nicht an den „mündigen Konsumenten“
Beirat, der immer wieder über die Gren-
kann. Es wird keinen Sinn machen, für ein
verlieren wollten. „Lästige Fragen“ der Pa-
zen entscheidet. Wenn Information nicht
Krebsmittel Werbung zu machen, um es
tienten könnten den Göttern in Weiß nicht
zwingend langweilig sein muss, ist Wer-
hart auszudrücken. Das geht mir dann ent-
gefallen, meinen auch andere. Eine Locke-
bung für mich auch Information.“
schieden zu weit.“ Und: „Wenn wir Laien-
rung der Werbebestimmungen wäre aus
In den USA funktioniere das System der
werbung machen dürfen, müssen wir ext-
Rachingers Sicht nicht nur ein Fortschritt
Laienwerbung schon jahrelang und die Le-
rem auf die Wahrheit achten, die hieb- und
für den Konsumenten, sondern auch gleich-
benserwartung dort sei nicht geringer, sagt
stichfest von wissenschaftlichen Studien
sam für die Unternehmen am Gesundheits-
der ghost.company-Chef. „Wenn ich schon
belegt sein muss.“
sektor, die nicht mehr nur „auf den
Pharma eher krisenfest
Justitia lässt grüßen
Werbeentwicklungen im gesundheitsbusiness
Rechtsgrundlagen in der Pharmawerbung
Das aktuelle Werbeplus in der Pharmabranche
von insgesamt 11 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum ist laut Focus-Geschäftsführer Klaus Fessel
„immer noch beachtlich“. Obwohl sinkende Werte ab
August dieses Jahres bereits ein Zeichen für den
­erwarteten Konjunktureinbruch sein könnten –
das sei derzeit aber noch schwer absehbar. Die ältere
Bevölkerung in Österreich sieht der Marktforscher im
internationalen Vergleich gut abgesichert, hinzu
komme, dass die Konsumenten ihre Gesundheit auch in
wirtschaftsschwachen Zeiten eher wichtig nehmen
würden, wodurch die Pharmawerbung wohl „nicht ganz Mag. Klaus Fessel,
­Focus-Geschäftsführer.
so stark“ von den zu erwartenden Rückgängen
­betroffen sein dürfte.
Mit rund 70 Prozent entfällt der größte Teil des pharmazeutischen Media-Mix
weiterhin auf Printwerbung. Die TV-Werbung sei zwar insgesamt etwas
­zurückgegangen, erreiche aber umgerechnet immerhin noch 23 Prozent,
­ergänzt Fessel. Die atypischen Zahlen in der Außenwerbung erklärt er so:
Die Pharmaunternehmen hätten im Vorjahr kaum auf Plakat und Co. gesetzt,
„auch heuer entfallen auf diese Werbeträgergruppe umgerechnet nur rund zwei
Prozent, damit ist sie stark unterrepräsentiert“. Ebenso wie die Kino­
werbung, die eher jüngere, also für die Pharmaindustrie weniger relevante
­Zielgruppen anspreche.
42_BESTSELLER
Nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) ist Arzneimittelwerbung nur für rezeptfreie OTC-Produkte erlaubt. Für rezeptpflichtige Arzneimittel (RX) ist
­jede Form von Werbung und Information an Verbraucher
verboten. Redaktionelle Beiträge nimmt der
Oberste Gerichtshof nur dann von den Werbebeschränkungen des Arzneimittelgesetzes aus, wenn sie nicht –
auch nicht in indirekter Weise – auf ein Arzneimittel
­Bezug nehmen. Ein Beispiel: In einem Bericht wird der
Wirkstoffname, nicht aber der Handelsname und das
­Unternehmen in Zusammenhang mit Aussagen wie
„neue Hoffnung bei Brustkrebs“, „neue Therapie“, „erst- Dr. Maria-Luise Plank,
Juristin.
mals die Möglichkeit, das Risiko einer Wiedererkrankung
entscheidend zu verringern“ genannt. Diese Aussagen werden als anpreisende
Angaben und damit als verbotene Laienwerbung gewertet. Informationen
über die menschliche Gesundheit oder Krankheiten gelten nicht als Werbung, sofern darin nicht, auch nicht indirekt, auf ein Arzneimittel Bezug genommen wird.
Die Fach- und Gebrauchsinformation ist vom Werbeverbot für Arzneimittel
ausgenommen. Im Herbst 2008 plant die EU-Kommission, den Arzneimittelherstellern zu ermöglichen, die Allgemeinheit über verschreibungspflichtige Arzneimittel in Fernseh- und Radioprogrammen sowie durch Verteilung von gedrucktem Material zu informieren. Ein Kontrollsystem besetzt durch staatliche Stellen
und Arzneimittelvertreter soll Transparenz und Qualität sichern.
fotos Focus Media, Maritczak
kreidet würden: „Eben dass sie ‚ver-
Advertising
November_2008
­Flaschenhals der Fachgruppen, Ärzte und
Apotheker beschränkt wären“, und verstärkt in Richtung Endverbraucher investieren könnten. Nachsatz: „Heute kann man
nicht einmal eine ordentliche Patientenbroschüre machen, weil man das Produktlogo nicht abbilden darf.“ Unerwünschte
Nebenwirkungen fürchtet Rachinger nicht,
denn auch nach einer Liberalisierung
werde verantwortungsvoll kommuniziert
und keineswegs „marktschreierisch hinausposaunt“, ist er sicher, denn er glaubt an
Nicht rezeptpflichtige Präparate, es gilt der IGEPHA-Werbecodex
Checkliste für OTC-Arzneimittel
Vorgaben für Werbung an Verbraucher und Fachkreise
•Arzneimittel ist zugelassen
•Arzneimittel ist nicht rezeptpflichtig und enthält auch nicht den Namen eines rezeptpflichtigen
Arzneimittels
•Übereinstimmung der Werbeaussagen mit den Angaben in der Fachinformation
•Angabe des Namens der Arzneispezialität und des Wirkstoffs (bei Monopräparaten)
•Werbecharakter kommt deutlich zum Ausdruck
•Quellenangaben für wissenschaftliche Aussagen, Studien, Produktvergleiche
•Quellenangaben für Preisvergleiche, Therapiekosten …
•Eigene Produktnamen sind als Marken (®) gekennzeichnet
•Keine Nennung von geschützten Marken von Mitbewerbern
•Keine Bezugnahme auf andere Arzneimittel
•Keine übertreibenden Aussagen/Irreführungen (Superlative)
•Maximal bis ein Jahr ab dem ersten Inverkehrbringen als „neu“ bezeichnet
•Kein Preisausschreiben oder Hinweise auf Prämien
•Keine Dank-, Anerkennungs- und Empfehlungsschreiben von Anwendern
•Keine Abgabe von Proben, Mustern oder Gutscheinen für Arzneimittel an Laien
•Kein Angebot an den Verbraucher zur Rücknahme bei Nicht-Erfolg
•Begriffe „sicher, Sicherheit“ sind definiert
•Pflichttext (Warnhinweis) vorhanden: „Über Wirkungen und mögliche unerwünschte Wirkungen
informieren Gebrauchsinformation, Arzt oder Apotheker“
•Verständlichkeit für Laien
•An Laien, Verbraucher gerichtet: keine Darstellungen, keine Abbildung von Ärzten, keine
­weißen ­Mäntel, keine B
­ ezugnahme auf Kinder, Testimonials und Prominente sowie keine
­Bezugnahme auf Naturprodukte und den ­Versandhandel
Quelle: Rechtsanwaltskanzlei DDr. Meinhard Ciresa
„diese Selbstregulierungskräfte“.
Robert Riedl, Geschäftsführer der Wiener
Agentur Welldone, „outet“ sich hingegen
als Ungläubiger: „Ich finde es schlichtweg
falsch, pure Werbung für einzelne, rezeptpflichtige Medikamente zu machen, weil
damit eine falsche Begehrlichkeit geweckt und die freie Entscheidung des Arztes gefährdet wird.“ Pharmaunternehmen
und ihre Agenturen sollten sich lieber
­darum bemühen, seriös und umfassend
über alle Therapiemöglichkeiten einer bestimmten Krankheit zu informieren, um
die Patienten in die Pflicht zu nehmen, auf
ihre Gesundheit zu achten und zum Arzt
zu gehen, der sich dann um die „Compliance“ – die richtige Medikation und Therapieeinhaltung – kümmern würde. Gegen
die bestehenden Regulative hat Riedl
somit nichts einzuwenden: „Wenn
man diese Regeln kennt, ist
die ­kreative Kraft ungebremst. In der Kommunikation an den Arzt und den
Rezeptpflichtige Präparate, es gilt der PHARMIG-Verhaltenscodex
Checkliste für RX-Arzneimittel
Vorgaben für Werbung an Fachkreise
•Arzneimittel ist in Österreich zugelassen
•Übereinstimmung der Werbeaussagen mit den Angaben in der Fachinformation
•Wortgetreue Übernahme und Quellenangaben für wissenschaftliche Aussagen, Studien,
Tabellen, Produktvergleiche
•Quellenangaben für Preisvergleiche, Therapiekosten …
•Vergleichbarkeit von zitierten Studien
•Aktuelle Fachkurzinformation ist am Werbemittel enthalten (bei allen schriftlichen
und elektronischen Unterlagen für Fachkreise)
•Angabe des Zeitpunkts, zu dem die Unterlage erstellt oder zuletzt
geändert worden ist
•Maximal bis ein Jahr ab dem ersten Inverkehrbringen als „neu“ bezeichnet
•Informationen sind genau, aktuell, überprüfbar und vollständig
•Eigene Produktnamen sind als Marken (®) gekennzeichnet
•Keine Nennung von geschützten Marken von Mitbewerbern
•Keine übertreibenden Aussagen/Irreführungen (Superlative)
•Kein Preisausschreiben, keine Prämien, keine finanziellen
oder materiellen Vorteile jenseits der Geringfügigkeit ­versprechen
•Begriffe „sicher, Sicherheit“ sind definiert
•Werbung nur Fachkreisen zugänglich (Homepage)
•Für Patienten (Laien, Anwender….) keine Werbung
für RX-Arzneimittel
Quelle: Rechtsanwaltskanzlei DDr. Meinhard Ciresa
44_BESTSELLER
Patienten.“
Patienten im Visier
Wie ein adäquates „Laienwerberecht“ aussehen könnte,
wird sich erst zeigen. Jedenfalls
hat die Pharmaindustrie den Patienten
längst ins Visier genommen und buhlt je
nach Produktgruppe und Rechtslage mit
un­terschiedlichen
Marketing-Methoden
um seine Aufmerksamkeit. Dem kommt
entgegen, dass der Wunsch nach mehr
­Information bei Patientenvertretern und
Selbsthilfegruppen lauter wird. Im OTCSegment sind der Kreativität vergleichsweise ­wenige Grenzen gesetzt.
Im ethischen ­Bereich der verschreibungspflichtigen Präparate lautet das Zauberwort derzeit „Bewusstseinsbildung“, um
dennoch – quasi „präventiv“ – Arzneibedarf zu schaffen.
zu machen: „Ein Außendienstbesuch kostet zirka 100 Euro und wenn Sie Pech haben, spricht der Referent in diesen fünf
Minuten beim Arzt nicht über die Produkte, sondern übers Tennis spielen.“ Mit
einem Direct-Mail etwa würde vergleichsweise „hochfrequent und kostengünstig
gefahren“. Im Übrigen glaubt der swotChef an den „guten, alten Print“. Einen an„Es ist meine Gesundheit und Ärzte sind keine
Götter, was ist also dabei“, sorgt sich Agenturchef Ewald Zwinz um das Inforecht der Patienten.
„Ich bin gegen amerikanische Verhältnisse“,
betont Robert Riedl von Welldone, „die Entscheidungshoheit muss beim Arzt bleiben.“
deren Vertriebskanal, der um seine Rolle
Schlau und integriert angelegt, kann man
mehr Nischenprodukte und Facharztme-
Monopol kippen, indem sie Drogerie-
damit alle an der Verschreibungskette
dikamente auf den Markt kommen, wird
märkte als Umschlagplatz für Arzneien
­Beteiligten erreichen, vom Arzt über den
er gezielter und spezialisierter einge-
zulässt und branchenfremden Personen
Patienten und Angehörige bis hin zur ge-
setzt“, schildert Leitner. Das heißt aber
erlaubt, eine Apotheke zu führen. Erst
sundheitsinteressierten Öffentlichkeit –
auch, dass die breite Kommunikation an
kürzlich haben sich neun Apotheken unter
mitunter auch jüngere Zielgruppen. Die
die Allgemeinmediziner stärker über an-
dem Namen „Team Santé“ in einem Fran-
sensibilisierenden
Awareness-Kampag-
dere Kanäle (siehe Kasten) wie Anzeigen
chise-System formiert, um sich für die
nen liegen im Trend, obzwar „wir im Au-
und redaktionelle Berichte in Fachmedien
­Zukunft zu wappnen. Damit das auch ge-
genblick keine Medikamente, sondern
laufen muss. Diese Entwicklung begreifen
länge, müssten sich die Pharmazeuten
Krankheiten kommunizieren“, kritisiert
manche Agenturen als Chance.
darum bemühen, ihren Point of Sale konsu-
Michael Leitner von Public Health PR.
Markus Rachinger hofft, dass der teure
mentenfreundlicher zu gestalten, meint
„Das heißt, wir reden über die Krankheit,
Außendienst an Bedeutung verliert, um
Michael Mehler. Eines steht fest: Das Wett-
um in diesem Kontext auch sagen zu kön-
den Weg „für direktere Maßnahmen“ frei
rüsten der Pillendreher geht weiter.
bangt, stellen die rund 1.250 Apotheken in
Österreich dar. Die EU könnte ihnen ihr
nen, dass es neue, effektive Medikamente
zur Heilung gibt.“ Damit sei man wider
jede Logik gezwungen, „problem- statt
­lösungsorientiert“ vorzugehen.
Ein heißes Eisen in diesem Zusammenhang ist natürlich das Internet, das von
den Agenturen als wirksames MarketingTool erkannt, aber nicht zuletzt auch aus
der eingangs erwähnten Scheu vor dialogorientierter Kommunikation und der heiklen Rechtslage von der Industrie nur unergiebig genützt wird. „Das Internet wäre
dann effektiv, wenn es nicht als Einbahnstraße verkümmern würde. Wir machen
so viele Informationsseiten für Pharmaunternehmen, die wir bewusst ‚tot‘ anlegen
müssen, um jede Interaktion mit den Zielgruppen künstlich zu unterbinden“, ärgert
sich swot-Geschäftsführer Markus Rachinger. „Die einzigen, die eigentlich keine
Chance haben, dort richtig auf Konsumentenfragen zu antworten, sind die ­Erzeuger
von Pharmapräparaten“, findet auch Werfotos Shutterstock, Zwinz, Welldone
ber Ewald Zwinz.
Ihr Arzt oder Apotheker
Um rezeptpflichtige Präparate zu bewerben, wird wohl auch nach einer Gesetzesnovelle der Arzt die erste Anlaufstelle
bleiben, er wird vornehmlich von Pharma-
❯❯ Schnell
❯❯ Flexibel
❯❯ GünStiG
❯❯ erFahren
referenten betreut. Doch auch der Außendienst hat sich gewandelt. „Da immer
phone +43 (0)1 478 90 50
[email protected]
Herunterladen