Buchrezension/Jürgen STEINDORFER Die Kunst, nicht zu lernen Fritz B. Simon Um den Inhalt des Buches “Die Kunst, nicht zu lernen” kurz zu umschreiben: Fritz B. Simon erwähnt in diesen 12 Kapiteln, die aus unabhängig von einander verfassten Vorträgen oder Artikeln für Fachzeitschriften bestehen, Themenbereiche, mit denen er während seiner Berufslaufbahn konfrontiert wurde. Darunter befinden sich Geschehnisse, die er als junger Arzt in einer psychiatrischen Anstalt, als Familientherapeut und Organisationsberater erlebt hat. Bereits im ersten Kapitel erwähnt der Autor die Einsicht von Sigmund Freud, dass sein Beruf neben Erziehen und Regieren zu den „unmöglichen Berufen“ gehört. Das bestätigt er dadurch, in dem er sagt: „Ich konnte die Menschen daran hindern zu tun, was sie wollten. Ich konnte aber trotz all meiner Macht nicht in vorraussagbarer Weise sicherstellen, dass sie taten, was ich wollte!“ Dieser Unterschied zwischen Wollen und Können – der Beziehung zwischen Macht und Ohnmacht – wird in diesem Buch auf verschiedenste Art u. Weise dargestellt. Denn genau das, was zwischen dem Analytiker und dem Analysand geschieht, kann man in einer sehr ähnlichen Form auch zwischen Eltern-Kindern und Vorgesetzten-Angestellten (was uns vielleicht besonders interessiert) beobachten. Ein paar Kapitel später wird festgehalten, dass man die Macht niemals als Eigenschaft eines Menschen sehen sollte (wie etwa blaue Augen oder große Füße), sondern stets als die Eigenschaft einer Beziehung. Denn ob man mächtig oder ohnmächtig ist, hängt zwar zum Teil von einem selber ab, aber auch vom Gegenüber. Gerade diese Feststellung konnte ich im Bereich des Personalmanagements schon persönlich während eines Ferialjobs beobachten. Dort war es nämlich so, dass ich eine gewisse Führungspersönlichkeit als sehr mächtig empfunden habe (manche Angestellten erstarrten förmlich als er das Großraumbüro betrat). Später dann musste ich erkennen, dass dem nicht ganz so war, denn einer Mitarbeiterin gelang es, sich mit ein bisschen Courage sehr wohl gegen ihn zu behaupten (sie war also ein „starkes Gegenüber“). In weiterer Folge meint der Autor auch, dass man das Verhalten, ohne die Köpfe und Herzen seiner Mitmenschen zu gewinnen, auch insofern steuern kann, in dem man nach dem schon aus dem Altertum bekannten Motto vorgeht: „Mögen sie mich hassen, wenn sie mich nur fürchten!“. In diesem Punkt kann ich Fritz B. Simon nun ganz und gar nicht beipflichten. Denn gerade im Personalmanagement (Führungsstil) wird diese Strategie nur sehr kurzfristig zu Erfolg führen. Denn wie wir alle wissen sollte ein solch autoritärer Führungsstil, wo die Furcht im Mittelpunkt steht, längst der Vergangenheit angehören, da die Teamarbeit in der Form von Projektgruppen immer mehr an Bedeutung gewinnt. Schon im ersten Abschnitt des Buches erfährt man, dass die Entwicklungsgeschichte selbstorganisierender Systeme eine Geschichte bewältigter Störungen ist: „Ohne Störung keine Veränderung, ohne Störung keine Entwicklung, ohne Störung aber auch keine Fehlentwicklung und ohne Störung keine Therapie.“ Daraus lässt sich schon erahnen, dass sich das Resultat der Störung (positiv oder negativ) nicht vorhersagen lässt. So ist es wohl auch in der Personalarbeit. Ob der neue Mitarbeiter, der die Abteilung mit seinen neuen, innovativen Ideen stört, positiv oder negativ zu bewerten ist, sei dahingestellt. In dem Kapitel „Die Organisation der Selbstorganisation“ bringt der Autor schließlich eine Metapher für die Tätigkeit des Managers, die mir persönlich besonders gut gefällt und meines Erachtens auch Auswirkungen auf die Personalarbeit hat. „Der Manager muß arbeiten wie der Dirigent eines Orchesters oder der Coach einer Fußballmannschaft. Er kann weder selbst alle Instrumente spielen noch alle Tore schießen. Wie das Orchester und wie die Fußballmannschaft spielen, liegt außerhalb der Kontrolle des Dirigenten oder Trainers.“ So wie z. B. die Fußballer elf autonome, nichtberechenbare Systeme sind, die sich in einer feindlichen Umwelt behaupten müssen, ist es auch mit den Mitarbeitern. Diejenige Mannschaft wird gewinnen, deren Mitgliedern es gelingt, ihr Verhalten aktuell und schneller zu koordinieren. Zu Beginn behauptet Fritz B. Simon, dass er die unnötigen Wiederholungen (Chronifizierungen) der einzelnen Fachartikeln und Vorträge überarbeitet hat, um den Lesefluß nicht zu stören. Um den Lesefluß tatsächlich zu gewährleisten, hätte er vor allem in den vorderen Artikeln nicht so viele fachspezifische Ausdrücke verwenden dürfen. Diese sind im Prinzip bei einer bestimmten Zielgruppe (Psychotherapeuten) durchaus angebracht, jedoch wenn man seine Erkenntnisse auch der Allgemeinheit mittels einem Buch zugänglich machen will, sollte man wirklich auf eine derartige Menge an Fachvokabular verzichten. Deshalb würde ich das Buch (die ersten Kapitel) nur all jenen empfehlen, die auf dem Gebiet der Psychotherapie/Psychologie ein klein wenig belesen sind. Obwohl ich zu diesen Menschen nicht gehöre und mich trotzdem durch diese Kapitel gequält habe, wurde mein Wissen doch noch durch das verständliche Kapitel „Die Organisation der Selbstorganisation“ bereichert!