15 Minuten Diskurs - MKW Mannheim

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Universität Mannheim • Philosophische Fakultät
Seminar für Medien- und Kommunikationswissenschaft
15 Minuten Diskurs
Eine Analyse der Deliberation in den Fernsehnachrichten zur
Bundestagswahl 2009
Bachelor-Arbeit zur Erlangung des akademischen Grades
Bachelor of Arts (B.A.)
im Studiengang Medien- und Kommunikationswissenschaft
Vorgelegt am 31. Mai 2010 von
Charlotte Löb
Carina Weinmann
BA MKW, 6. Fachsemester
Matrikelnummer: 1091578
BA MKW, 6. Fachsemester
Matrikelnummer: 1091396
[email protected]
[email protected]
Betreuung durch Prof. Dr. Hartmut Wessler
Abstract
Diese Studie untersucht medienvermittelte Deliberation zur Bundestagswahl 2009 in
Fernsehnachrichten. Im Kontext der für das politische System Deutschlands folgenreichsten Wahl ist von Interesse, wie Bürger auf eine rational begründete Wahlentscheidung vorbereitet werden. Stellen die Nachrichten ihnen relevante Informationen
zur Verfügung? Werden diese durch einen kritischen Diskurs vermittelt? Der Fokus
liegt einerseits auf dem Input, andererseits auf dem Throughput öffentlicher Debatten.
Untersucht werden Diskursstruktur und -qualität anhand folgender Deliberativitätskriterien: (1) Inklusivität, (2) Ausgewogenheit, (3) Responsivität, (4) Zivilität, (5) Rechtfertigung und (6) Widerlegung. Mittels einer quantitativen Inhaltsanalyse wird die „heiße
Phase“ vor der Wahl in den Hauptnachrichtensendungen von ARD, ZDF, RTL und
Sat.1 analysiert. Die Autorinnen kommen zu dem Schluss, dass Nachrichtensendungen
deliberative Kriterien durchaus in Ansätzen erfüllen. Doch stellt sich heraus, dass unterschiedliche Senderstrukturen und der zeitliche Fortschritt der Debatte deren Deliberativität nur bedingt erklären können. Sie scheinen in diesem Diskurs durch strukturelle
Bedingungen massenmedialer Kommunikation überlagert zu werden. Die Studie eröffnet durch ihre Erkenntnisse Perspektiven für bislang vernachlässigte Dimensionen und
Gegenstände empirischer Forschung zur medienvermittelten Deliberation.
This study investigates mediated deliberation about the Bundestag elections 2009 in
television news. In the context of the most consequential elections for the German political system it is interesting how citizens are prepared to make a rationally reasoned
vote. Do news provide relevant information? Are they conveyed through a critical discourse? The study focuses on the input and throughput dimension of public debates.
Structure and quality of discourse are analyzed through the following criteria of deliberation: (1) Inclusiveness, (2) Balance, (3) Responsiveness, (4) Civility, (5) Justification
and (6) Rebuttal. Four stations’ news coverage (ARD, ZDF, RTL and Sat.1) of the crucial phase of the elections are scrutinized by quantitative content analysis. The authors
conclude that television news do rudimentary fulfill deliberative standards. Though,
different organizational structures of TV stations and the debate’s progress have limited
potential to explain deliberative patterns. They seem to be dominated by structural conditions of mass communication. This study’s main insights offer perspectives on so far
neglected dimensions and matters of empirical research in mediated deliberation.
Inhalt
Abbildungsverzeichnis .....................................................................................................iii
Tabellenverzeichnis ......................................................................................................... iv
1
Einleitung .................................................................................................................. 1
2
Theoretischer Hintergrund ........................................................................................ 3
2.1
Deliberation ....................................................................................................... 3
2.1.1 Deliberative Demokratietheorie .................................................................... 3
2.1.2 Medienvermittelte Deliberation .................................................................... 6
2.2
Wahlberichterstattung ....................................................................................... 9
2.3
Unterschiede zwischen den Sendergruppen .................................................... 16
2.3.1 Unterschiedliche Organisationsstrukturen .................................................. 16
2.3.2 Differenzen in Qualität und Inhalten der Berichterstattung ........................ 18
3
Konzeption der Studie ............................................................................................. 22
3.1
Variablen und Hypothesen .............................................................................. 22
3.1.1 Herleitung der Variablen ............................................................................. 22
3.1.2 Hypothesen – Diskursstruktur ..................................................................... 26
3.1.3 Hypothesen – Diskursqualität ..................................................................... 28
3.2
Indikatoren und Design des Messinstruments ................................................ 29
3.2.1 Operationalisierung – Diskursstruktur ........................................................ 29
3.2.2 Operationalisierung – Diskursqualität ........................................................ 36
3.3
4
Materialauswahl und Codierung ..................................................................... 41
Auswertung der Ergebnisse .................................................................................... 46
4.1
Ergebnisdarstellung und Hypothesenprüfung – Diskursstruktur .................... 46
4.1.1 Diskursstruktur nach Senderstruktur ........................................................... 46
4.1.2 Diskursstruktur im Zeitverlauf .................................................................... 55
4.2
Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse – Diskursstruktur ........... 64
4.3
Ergebnisdarstellung und Hypothesenprüfung – Diskursqualität .................... 74
4.3.1 Diskursqualität nach Senderstruktur ........................................................... 74
i
4.3.2 Diskursqualität im Zeitverlauf .................................................................... 84
4.4
5
Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse – Diskursqualität ............ 89
Zusammenführung der Teilstudien ......................................................................... 98
5.1
„Wird der Diskurs durch Sprecher der Peripherie inziviler?“ ........................ 98
5.2
„Wie undeliberativ ist Horse Race wirklich?“ ................................................ 99
5.3
„Sind responsive Beiträge argumentativer?“ ................................................ 106
6
Fazit ....................................................................................................................... 110
7
Literatur ................................................................................................................. 117
8
Anhang .................................................................................................................. 125
ii
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: „Das ‚Wahlkampf-Dreieck„“ .................................................................... 12
Abbildung 2: Übersicht über die unabhängigen und abhängigen Variablen .................. 26
Abbildung 3: Responsivitätsgehalt der Beiträge im Vergleich zwischen öffentlichrechtlichen und privaten Sendern .................................................................................... 55
Abbildung 4: Responsivitätsgehalt der Beiträge im Zeitverlauf ..................................... 63
Abbildung 5: Umfang der Berichterstattung im Zeitverlauf ........................................... 65
Abbildung 6: Responsivitätsgehalt der gesamten Wahlberichterstattung....................... 70
Abbildung 7: Inzivilitätsausprägungen im Vergleich zwischen öffentlich-rechtlichen
und privaten Sendern ...................................................................................................... 75
Abbildung 8: Zivile und inzivile Aussagen im Zeitverlauf ............................................ 85
Abbildung 9: Rechtfertigung im Zeitverlauf .................................................................. 86
Abbildung 10: Widerlegung im Zeitverlauf.................................................................... 88
Titelbild:
Eigene Erstellung mit Screenshots und diversen Bildelementen, abgerufen am 29.05.2010 von
http://bilderdienst.bundestag.de/collections/121762166/_1275226901/?se
arch[view]=detail&search[focus]=1 (© Deutscher Bundestag, Stephan
Erfurt)
http://www.spd.de/de/service/logos/index.html
http://www.cdu.de/service/35_19941.htm
http://www.fdp-bundespartei.de/webcom/show_article.php?wc_c=1706
http://die-linke.de/service/download/erscheinungsbild_logo_ua/
http://www.gruene.de/einzelansicht/artikel/logo-zum-download.html
http://die-violetten.de/
http://wiki.piratenpartei.de/Parteilogo
iii
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Schlüsselkriterien medienvermittelter Deliberation ........................................ 8
Tabelle 2: Anteile der Wahlthematisierung der verschiedenen Sendungstypen an allen
Beiträgen mit Wahlbezug der Sender im Vergleich ....................................................... 11
Tabelle 3: Themenstruktur 2009 der Nachrichtensendungen im Vergleich ................... 20
Tabelle 4: Themenpräsenz im Vergleich zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten
Sendern............................................................................................................................ 47
Tabelle 5: Sprecherpräsenz im Vergleich zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten
Sendern............................................................................................................................ 48
Tabelle 6: Parteienpräsenz im Vergleich zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten
Sendern............................................................................................................................ 50
Tabelle 7: Themenstruktur im Vergleich zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten
Sendern (gekürzt) ............................................................................................................ 52
Tabelle 8: Parteienstruktur im Vergleich zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten
Sendern............................................................................................................................ 52
Tabelle 9: Themenpräsenz im Zeitverlauf ...................................................................... 56
Tabelle 10: Sprecherpräsenz im Zeitverlauf ................................................................... 57
Tabelle 11: Parteienpräsenz im Zeitverlauf .................................................................... 58
Tabelle 12: Themenstruktur im Zeitverlauf (gekürzt) .................................................... 60
Tabelle 13: Parteienstruktur im Zeitverlauf .................................................................... 61
Tabelle 14: Responsivitätsgehalt im Zusammenhang mit der Länge der Beiträge......... 71
Tabelle 15: Beiträge am 26. September 2009: ZDF vs. RTL .......................................... 73
Tabelle 16: Zivilität der Aussagen im Vergleich zwischen öffentlich-rechtlichen und
privaten Sendern ............................................................................................................. 74
Tabelle 17: Herabwürdigende Äußerungen im Vergleich zwischen öffentlichrechtlichen und privaten Sendern .................................................................................... 77
Tabelle 18: Anteil der Rechtfertigungen in den Sprecheraussagen im Vergleich
zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern ................................................... 79
Tabelle 19: Anteil der Sprecheraussagen mit oder ohne Begründung im Vergleich
zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern ................................................... 80
Tabelle 20: Anteil der Widerlegungen in den Sprecheraussagen im Vergleich zwischen
öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern ................................................................... 81
Tabelle 21: Sprecheraussagen mit oder ohne Bezug auf Aussagen eines anderen Akteurs
im Vergleich zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern ............................. 82
iv
Tabelle 22: Sprecheraussagen mit oder ohne Gegenargument im Vergleich zwischen
öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern ................................................................... 82
Tabelle 23: Ausdruck in den Sprechergruppen Zentrum und Peripherie........................ 99
Tabelle 24: Begründungen im Zusammenhang mit der Themenzuordnung................. 100
Tabelle 25: Begründungen im Zusammenhang mit der Themenzuordnung unter
Kontrolle der Sprecherzuordnung ................................................................................. 101
Tabelle 26: Aussagen mit und ohne Begründung im Zusammenhang mit der
Themenzuordnung unter Kontrolle des Responsivitätsgehalts ..................................... 102
Tabelle 27: Ausdruck im Zusammenhang mit der Themenzuordnung......................... 103
Tabelle 28: Ausdruck im Zusammenhang mit der Themenzuordnung unter Kontrolle
der Sprecherzuordnung ................................................................................................. 104
Tabelle 29: Anteil der Aussagen in den Beiträgen nach Sprecherzuordnung im
Zusammenhang mit der Themenzuordnung ................................................................. 105
Tabelle 30: Begründete Aussagen im Zusammenhang mit dem Responsivitätsgehalt der
Aussagen ....................................................................................................................... 106
Tabelle 31:Bezugnahmen in Aussagen im Zusammenhang mit dem
Responsivitätsgehalt der Aussagen ............................................................................... 107
Tabelle 32: Bezugnahmen in Aussagen im Zusammenhang mit dem
Responsivitätsgehalt der Aussagen unter Kontrolle der Sprecherzuordnung ............... 107
Tabelle 33: Aussagen mit Bezügen im Zusammenhang mit den Sprechergruppen ..... 108
Tabelle 34: Sprecherzuordnung im Zusammenhang mit dem Responsivitätsgehalt .... 109
v
1
Einleitung
Wahlen und die ihnen vorausgehenden Wahlkämpfe sind mit die wichtigsten kommunikativen Ereignisse in demokratischen Systemen. In Deutschland ist die Bundestagswahl
die für das politische System folgenreichste Abstimmung (Schulz, 2008, S. 229). Sie
determiniert die politische Richtung der Gesellschaft und hat Auswirkungen auf andere
Wahlen. Die Medien und die Art ihrer Berichterstattung über solche Ereignisse spielen
für eine Wahl und ihren Ausgang und damit für die Entwicklung einer modernen Gesellschaft eine zentrale Rolle. Ihre Aufgabe ist es, den Bürgerinnen und Bürgern Information zur Verfügung zu stellen, um ihnen damit eine freie und rationale Meinungsbildung über die Parteien und deren Programme zu ermöglichen. Diese soll dann die
Grundlage für überlegte Wahlentscheidungen bilden. Medien sind jedoch keine neutralen Vermittlungsinstanzen, welche die Geschehnisse neutral abbilden. Vielmehr agieren
sie als selbstständige Akteure und verfolgen eigene Interessen (Brettschneider, 2005a).
Umso wichtiger ist es zu prüfen, inwieweit sie normativen Anforderungen gerecht werden. Das normative Konzept der deliberativen Demokratie, das von den Autorinnen als
theoretische Basis herangezogen wird, verfügt über feste Vorstellungen darüber, welche
Funktionen Öffentlichkeit und die darin eingeschlossenen Medien in einem demokratischen System zu erfüllen haben. Diese verteilen sich in einer Vorstellung von Öffentlichkeit als einem sozialen Raum auf drei Dimensionen: Input, Throughput und Outcome (Wessler, 2008, S. 3ff.; Wessler & Schultz, 2007, S. 16ff.). Die Studie widmet sich
den Prozessen innerhalb der ersten beiden Dimensionen, letztere liegt außerhalb des
Erklärungsanspruches. Die durch das deliberative Öffentlichkeitskonzept formulierten
Ansprüche werden in dieser Untersuchung an das Fernsehen herangetragen, welches
den Bürgerinnen und Bürgern als zentrale Informationsquelle zur Bundestagswahl diente.
Weitere Relevanz erhält die Studie durch die Tatsache, dass die Berichterstattung über
Wahlen bisher nicht Gegenstand empirischer Studien zur medienvermittelten Deliberation war. Auch das Format der Fernsehnachrichten wurde in diesem Forschungszweig
bisher nur wenig beachtet. Eine Untersuchung der Wahlberichterstattung in Fernsehnachrichten stellt daher eine interessante Ergänzung der bisherigen Forschung dar. Aus
diesem Interesse und den oben beschriebenen Überlegungen widmen sich dem Input
und Throughput medienvermittelter Deliberation folgende Forschungsfragen:
Wie gestaltet sich die Diskursstruktur der medienvermittelten Deliberation in der
Wahlberichterstattung der deutschen Fernsehnachrichten?
1
Wie gestaltet sich die Diskursqualität der medienvermittelten Deliberation in der
Wahlberichterstattung der deutschen Fernsehnachrichten?
Im Hinblick auf diese Fragen soll der Fokus auf zwei Aspekten liegen, die als mögliche
Ursachen von verschiedenen Differenzen und Tendenzen in der Berichterstattung in
Betracht gezogen werden. Einerseits ist zu untersuchen, ob aufgrund des dualen Rundfunksystems in Deutschland die ökonomische Struktur der Sender Auswirkungen auf
Struktur und Qualität der medialen Debatte hat. Andererseits soll in Anlehnung an weitere empirische Studien (Maia, 2009; Simon & Xenos, 2000) untersucht werden, inwieweit der zeitliche Fortschritt die Debatte verändert. Zur Beantwortung der Forschungsfragen hinsichtlich der oben erläuterten Aspekte wird eine vergleichende Studie
der vier Hauptnachrichtensendungen Tagesschau, heute, RTL Aktuell und den Sat.1
Nachrichten durchgeführt.
Zur Erläuterung des normativen Maßstabes, welcher hier an die Medien herangetragen
wird, wird zunächst auf das von Joshua Cohen maßgeblich geprägte deliberative Demokratieverständnis (Cohen, 1989) und das daraus resultierende Verständnis von massenmedialer Öffentlichkeit eingegangen. Im Anschluss daran werden Merkmale der Wahlberichterstattung erläutert und zur medienvermittelten Deliberation in Bezug gesetzt,
sowie Unterschiede zwischen den beiden Sendergruppen des dualen Rundfunksystems
ausgeführt. An diese theoretischen Ausführungen schließt sich eine Beschreibung der
Konzeption dieser Studie sowie die theoretische Herleitung der abhängigen Variablen
und Hypothesen an. Den Großteil der Arbeit nehmen die darauf folgende Darstellung
der Ergebnisse, deren Diskussion im Hinblick auf die Deliberativität der Wahlberichterstattung und die Beantwortung der Forschungsfragen ein. Dieser Teil widmet sich dabei
zunächst den Erkenntnissen um die Diskursstruktur, anschließend den Ergebnissen und
der Diskussion der Diskursqualität.
Den Abschluss bilden eine Zusammenführung der strukturellen und der qualitativen
Dimensionen und eine Thematisierung der Folgen dieser Erkenntnisse im Hinblick auf
das oben formulierte Forschungsinteresse. Die wesentlichen Ergebnisse, Einschränkungen der Studie, sowie theoretische und empirische Konsequenzen werden in einem abschließenden Fazit formuliert.
2
2
Theoretischer Hintergrund
2.1 Deliberation
2.1.1
Deliberative Demokratietheorie
In der Literatur finden sich viele Vorschläge, wie ein demokratisches Herrschaftssystem
aufgebaut sein sollte. Geprägt sind diese normativen Vorstellungen unter anderem durch
unterschiedliche Menschenbilder und historische Ereignisse. Ferree et al. (2002) gruppieren die verschiedenen normativen Modelle in vier Traditionen: das repräsentativliberale Modell, das partizipativ-liberale Modell, das diskursive und zuletzt das
konstruktivistische Modell.1 Zentrale Aspekte sind hierbei stets die Fragen: Wie soll der
politische Diskurs in der Öffentlichkeit gestaltet sein? Wer ist daran beteiligt und in
welcher Form? Wie sollen die teilnehmenden Akteure miteinander kommunizieren und
worüber? Welches Resultat ist für die Öffentlichkeit zu erwarten (Ferree et al., 2002, S.
205)? Jedes Modell findet andere Antworten auf diese Fragen. Jedoch sind die Traditionen in sich nicht durchgehend konsistent. So gibt es innerhalb des diskursiven oder auch
deliberativen Demokratiemodells, welches hier zugrunde gelegt wird, unterschiedliche
Auffassungen darüber, wie deliberative Diskurse gestaltet sein sollten. Diese Arbeit
stellt sich in die um Jürgen Habermas entstandene Tradition und bedient sich seines
Verständnisses von deliberativer Demokratie. Joshua Cohen, auf den sich auch Habermas bezieht, fasst diese folgendermaßen:
The notion of a deliberative democracy is rooted in the intuitive ideal of a democratic
association in which justification of the terms and conditions of association proceeds
through public argument and reasoning among equal citizens. Citizens in such an order
share a commitment to the resolution of problems of collective choice through public
reasoning, and regard their basic institutions as legitimate in so far as they establish the
framework for free public deliberation (Cohen, 1989, S. 21).
Den Prozess der Deliberation beschreibt Simone Chambers wie folgt:
Deliberation is debate and discussion aimed at producing reasonable, well-informed
opinions in which participants are willing to revise preferences in light of discussion,
new information, and claims made by fellow participants (Chambers, 2003, S. 309).
Deliberation ist Cohen und Chambers zufolge also ein diskursiver Prozess, bei dem
gleichberechtigte Teilnehmer begründete Argumente über ein gesellschaftlich relevantes Problem austauschen. Gleichzeitig sind sie bereit, die Gegenargumente der anderen
1
Genauere Erläuterungen der einzelnen Modelle finden sich bei Ferree et al., 2002, Kap. 10.
3
Teilnehmer anzuhören, sie zu respektieren und gegebenenfalls sogar zu übernehmen
und ihre Meinung zu ändern. Peters fasst dies wie folgt zusammen:
Public deliberation2 means a collaborative argumentative effort to obtain collectively
acceptable solutions to problems or resolutions of conflict. Even where a consensus is
not obtained or expected, public deliberation should lead to learning effects, to an
enrichment of the “stock” [Hervorhebung im Original] of arguments and ideas, to a reflective examination and possibly transformation of one‟s own convictions and preferences, to a certain degree of understanding and respect for opposing positions, and with
all that to a higher degree of rationality and legitimacy of political decisions (Peters,
2005, S. 173, zit. n. Wessler, 2008, S. 3).
Auf diese Debatten sollen „ein vernünftiger politischer Wille und legitime demokratische Entscheidungen folgen“ (Schultz, 2006, S. 39). Außerdem wirken der Vollzug und
die Teilnahme an solchen Debatten auf ihr Publikum und ihre Teilnehmer zurück. Deliberation wird insofern ein intrinsischer Wert zur Erhaltung und Reproduktion demokratischer Wertvorstellungen und damit einer erhöhten Stabilität des Systems zugesprochen. Der extrinsische Wert hingegen ergibt sich aus der erhöhten Legitimität der politischen Entscheidungen. Den Bürgern kommt innerhalb Theorien deliberativer Demokratie ein zentraler Stellenwert zu. Ihnen obliegt die Aufgabe, aktiv an Themenfindungsprozessen und der Einbringung von rationalen und sachlichen Argumenten mitzuwirken.
Deliberative Debatten sind darüber hinaus einigen Regeln unterworfen, welche die Qualität der Meinungsbildungsprozesse, die innerhalb der Diskussionen stattfinden, garantieren sollen. Habermas zufolge ist deliberative Demokratie gekennzeichnet durch einen
Prozess der Beratung, welcher öffentlich vollzogen und sowohl gegenüber gesellschaftlich relevanten Themen als auch Teilnehmern inklusiv ist. Der Diskurs wird als ein ziviler Austausch rationaler Argumente verstanden, wobei er nicht durch externe Zwänge
wie Zeitdruck oder durch interne Zurückhaltungen, wie ungleiche Verteilung von Macht
oder anderen Ressourcen eingeschränkt wird. Ziel solcher Diskurse ist es, einen Konsens zu erzielen, der sich aus dem „zwanglosen Zwang des besseren Arguments“ (Habermas, 1992, S. 370) ergibt. Habermas bezeichnet dies als einen „herrschaftsfreien
Diskurs“. Dieser kann nur in einer idealen Sprechsituation stattfinden:3 „Dies ist vor
allem dann der Fall, wenn für alle Diskursteilnehmer eine symmetrische Verteilung der
2
“I assume that the whole universe of public deliberations going on in a country corresponds to what
Habermas meant by the public sphere” (Peters, 1997, S. 14).
3
Nähere Erläuterungen der idealen Sprechsituation finden sich in Habermas‟ Vorstudien und Ergänzungen zur Theorie des kommunikativen Handelns (Habermas, 1984).
4
Chancen besteht, Sprechakte zu wählen und auszuführen“ (Burkart & Lang, 2007, S.
43).
Wichtig ist hierbei die enge Verknüpfung von politischen Demokratiemodellen und
Theorien politischer Öffentlichkeit:
Democratic theory focuses on accountability and responsiveness in the decision-making
process; theories of the public sphere focus on the role of public communication in facilitating or hindering this process (Ferree et al., 2002, S. 205).
Öffentlichkeit wird in Anlehnung an Habermas (1992) als ein sozialer Raum verstanden, welcher durch verständnisorientierte Kommunikationsstrukturen geprägt ist und in
welchem öffentliche Deliberation stattfindet. Hier findet der Austausch von Argumenten statt und es entwickeln sich Meinungsbildungsprozesse der Bürger. Diese Diskurse
sind in der Lebenswelt der Bürger verankert und bringen kommunikative Macht hervor.
Diese kann dann Einfluss auf das System nehmen. Für das politische System ist damit
konkret die An- oder Aberkennung von Legitimität verbunden, auf die es angewiesen
ist. Es ist damit also nicht als ein von der Lebenswelt abgekoppeltes System zu verstehen: „Das rechtsstaatlich verfaßte politische System ist intern in Bereiche administrativer und kommunikativer Macht differenziert und bleibt zur Lebenswelt hin geöffnet“
(Habermas, 1992, S. 427), da es beispielsweise durch Wahlen institutionell in die Lebenswelt eingebunden ist.
Diese unterschiedlichen Machttypen klassifiziert Habermas anhand einer von Bernhard
Peters (1993) entliehenen Akteurscharakterisierung (Peters, 1993, S. 327ff.). So schreibt
er die administrative Macht dem Zentrum des politischen Systems zu. Darunter sind
unter anderem die Verwaltung, die Regierung und die Legislative zu fassen. Die kommunikative Macht hingegen ordnet er allen anderen kommunikativ verdichteten Interessennetzwerken zu. Dazu zählen beispielsweise Verbände, NGOs, soziale Bewegungen
und Parteien. In Anlehnung an Habermas formulieren auch Gerhards und Neidhardt
ihren Öffentlichkeitsentwurf. Sie verstehen Öffentlichkeit als
ein intermediäres System, dessen politische Funktion in der Aufnahme (Input) und Verarbeitung (Throughput) bestimmter Themen und Meinungen sowie in der Vermittlung
der aus dieser Verarbeitung entstehenden öffentlichen Meinungen (Output) einerseits an
die Bürger, andererseits an das politische System besteht (Gerhards & Neidhardt, 1993,
S. 54).
5
Öffentlichkeit leistet damit einen sehr wichtigen Beitrag zum Erhalt demokratischer
Systeme, solange sie ihren beschriebenen Funktionen4 gerecht wird. Zusammenfassend
lässt sich festhalten, dass die maßgebliche Forderung an die öffentlichen Sphären demokratischer Systeme darin liegt, öffentliche Deliberation zu ermöglichen:
One of the most important values of a democratic public sphere lies in its capacity to facilitate public deliberation. Public deliberation, broadly speaking, transforms social and
political conflicts into argumentative debates in which claims are not just made but can
be problematized and discussed. [...] Public deliberation [...] is an open, collective
process of argumentative exchange about issues of societal relevance (Wessler &
Schultz, 2007, S. 15).
2.1.2
Medienvermittelte Deliberation
Einer der wichtigsten Hauptakteure in der Öffentlichkeit moderner Gesellschaften sind
die Medien. Die Prozesse öffentlicher Deliberation werden hauptsächlich von ihnen
veranlasst und finden durch sie vermittelt statt. Es ist Aufgabe der Medien, Informationen zu veröffentlichen, zu verbreiten und frei zugänglich zu machen. Wichtige Kriterien
sind diesbezüglich die Meinungsvielfalt, eine demokratische Repräsentation sowie die
Veröffentlichung von relevanten und verlässlichen Informationen:
Public deliberation is essential to democracy, in order to ensure that the public‟s policy
preferences – upon which democratic decisions are based – are informed, enlightened
and authentic. In modern societies, however, public deliberation is (and probably must
be) largely mediated [Hervorhebung im Original] […] (Page, 1996, S. 1).
Die Größe heutiger Gesellschaften und die hohe Komplexität politischer Probleme machen das ursprüngliche Konzept von face-to-face Diskursen zwischen allen Bürgern
einer Gesellschaft – wie es Habermas Vorstellungen entsprechen würde – nahezu unmöglich. Page (1996) stellt in seinem Buch „Who deliberates? Mass media in modern
democracy“ heraus, dass trotz vorhandener technischer Möglichkeiten Diskurse unter
Beteiligung aller Bürger absurd und nicht zielführend wären. Deshalb muss Deliberation nach Page dezentralisiert und an Experten delegiert werden. Der politische Prozess
der Lösungsfindung wird somit in einer „division of labor“ (Page, 1996, S. 4) organisiert. Hierunter versteht der Autor:
[to] delegate the jobs of studying policy and addressing the public to a small set of representatives or surrogate deliberators, perhaps to professional policy experts and communicators (Page, 1996, S. 4).
4
Eine grafische Darstellung der verschiedenen Prozesse findet sich in Wimmer, 2007.
6
Der Vollzug von deliberativen Diskursen ist also Aufgabe professioneller Kommunikatoren, die als Repräsentanten5 der Bevölkerung agieren. Dazu zählen „reporters, writers,
commentators, and television pundits, as well as public officials and selected experts
from academia or think tanks” (Page, 1996, S. 6). Damit wird die ursprünglich direkte
Kontrollinstanz des politischen Systems, die öffentlich-direkte Deliberation, durch eine
öffentlich-medienvermittelte Deliberation abgelöst. Nach Habermas hat diese medienvermittelte Deliberation die folgenden drei Funktionen:
To mobilize and pool relevant issues and required information, and to specify interpretations; to process such contributions discursively by means of proper arguments for
and against; and to generate rationally motivated yes [Hervorhebung im Original] and
no [Hervorhebung im Original] attitudes (i.e. public opinions) that are expected to determine the outcome of procedurally correct decisions (Habermas, 2006, S. 416).
Aus diesem Verständnis von Deliberation in modernen Gesellschaften leiten sich verschiedene normative Ansprüche an die Medien und ihren Leistungen für einen deliberativen Diskurs ab. Page formuliert hierzu einige Kriterien im Hinblick auf das Wer? und
Was? (Page, 1996, S. 10). Sein Fokus liegt damit auf der Inklusivität und Repräsentativität hinsichtlich der Debattenteilnehmer und der Themen, die innerhalb der Diskurse
behandelt werden.
Wessler (2008) und Wessler und Schultz (2007) schlagen in Bezug auf das oben beschriebene Verständnis von Öffentlichkeit drei normative Säulen für medienvermittelte
Deliberation auf den drei Dimensionen Input, Throughput und Outcome vor. Bezüglich
der Input-Dimension halten sie fest, dass eine generelle Offenheit für Sprecher eine utopische Forderung ist. Sie schlagen vor, sich eher auf eine Offenheit gegenüber Themen
und Ideen zu konzentrieren (Wessler & Schultz, 2007, S. 16). Für den Prozess des
Throughputs fordern sie ein ziviles Verhalten der Debattenteilnehmer und eine rational
begründete Argumentation. Sie gehen davon aus, dass trotz der triadischen Struktur6
massenmedialer Kommunikation Deliberation stattfinden kann. Dies liegt insbesondere
daran, dass einerseits die Verwendung von Argumenten, gleich aus welchem Grund
(strategisch oder verständnisorientiert), einem Diskurs zuträglich ist und andererseits
das Publikum die Debatten eher observiert als selbst aktiv daran teilzunehmen (Wessler
& Schultz, 2007, S. 16ff.). Hinsichtlich der Outcome-Dimension weichen Wessler und
Schultz von der Forderung Habermas‟ nach einem Konsens ab: „for large-scale public
5
Der Begriff der Repräsentanten könnte hier missverstanden werden. Die genannten „Vertreter“ sind
nämlich nur teilweise demokratisch legitimiert und vertreten oft nur gruppenspezifische Interessen.
6
Die Debattenteilnehmer diskutieren nicht miteinander, um ihren direkten Kontrahenten zu überzeugen,
sondern um das Publikum von ihren Ansichten in Kenntnis zu setzen und für sich zu gewinnen.
7
deliberation in the media the triadic and competitive structure makes consensus
unlikely“ (Wessler & Schultz, 2007, S. 18). Stattdessen halten sie einen begründeten
Dissens für einen angemessenen Maßstab für medienvermittelte Debatten (Wessler &
Schultz, 2007, S. 12).
Gastil hingegen formuliert neun Kriterien, die die Ansprüche an die medienvermittelte
Deliberation charakterisieren (siehe Tabelle 1).
Media Producers
Media Users
Analytic Process
Create a solid information base.
Prioritize the key values at
stake.
Identify a broad range of solutions.
Present media users with a broad
base of background information
by reporting extensively on important issues.
Explore the underlying public
concerns behind the surface facts
and events that define an issue.
Present the broadest possible
range of solutions to problems,
including nongovernmental and
unpopular ones.
Weigh the pros, cons, and
trade-offs among solutions.
Report different viewpoints but do
more than juxtapose them; subject
them to careful scrutiny
Make the best solution possible.
Make recommendations but keep
editorial content distinct from
news; leave the decision to the
media user.
Seek out opportunities to learn of
others‟ experiences and relevant
expert analyses.
Consider the diverse concerns
underlying issues and how others
prioritize issues differently.
Learn about how people like or
unlike yourself think about addressing a problem.
Reassess your biases favoring or
opposing different solutions by
seeing how others weigh pros and
cons.
Take responsibility for making up
your own mind after listening to
the advice of experts, partisans,
and others.
Social Process
Adequately distribute speaking
opportunities.
Ensure mutual comprehension.
Use diverse sourcing, invite diverse guests with different ways
of speaking, and reach beyond
conventional debates (left/right).
Make news and information understandable for readers; prose
should be accessible to the audience.
Consider other ideas and experiences.
Take arguments from all perspectives seriously.
Respect other participants.
Model respect for different views;
treat readers with respect by making news serious but engaging.
Make time to listen to sources with
views different from your own.
Add your own voice when appropriate.
When you cannot understand an
issue or argument, seek clarification from others.
When hearing different views,
avoid tuning out or ruminating an
counterarguments before considering what is said.
Give the benefit of the doubt to
sources but demand better behavior from those who violate your
trust.
Tabelle 1: Schlüsselkriterien medienvermittelter Deliberation7
Zu jedem Kriterium formuliert er eine Anforderung an die Medien und eine Forderung
an die Bürger, die Rezipienten. Unterteilt sind die Kriterien in den „Analytic Process“,
welcher unter anderem strukturelle Bedingungen enthält, und in den „Social Process“,
der Regeln für die Interaktion innerhalb der medienvermittelten Deliberation anlegt
7
Eigene Erstellung nach Gastil, 2008, S. 52.
8
(Gastil, 2008, S. 52). Diese Kriterien können nur an das Mediensystem in seiner Gesamtheit angelegt werden, da nach Gastil kein einzelnes Format alle Kriterien erfüllen
kann:
An important point here is that this responsibility is best understood as applying to the
media system as a whole, rather than an individual producer, let alone an individual
piece of reporting or a single program (Gastil, 2008, S. 50f.).
Diese Forderung ist zwar durchaus sinnvoll, allerdings auch streitbar, weil sie voraussetzt, dass die Rezipienten sich bei ihrem Meinungsbildungsprozess stets mehreren Medienangeboten aussetzen. Der Anspruch, der in dieser Arbeit an die Medien gestellt
wird, ist der, dass auch Informationssendungen allein deliberative Kriterien zu einem
gewissen Grad erfüllen können.
Es existieren verschiedene Studien zu medienvermittelter Deliberation, die sich innerhalb des Habermas‟schen Verständnisses verorten lassen. Vereinfacht lassen sie sich
anhand ihres Hauptfokus in drei Arten unterteilen: Studien zu Diskursprozessen (Maia,
2009; Simon & Xenos, 2000), zu Diskursstrukturen (Bennett et al., 2004) und zur Diskursqualität (Schultz, 2006; Wessler, 1999). Daneben gibt es auch Studien, welche beide Dimensionen der Diskursstruktur und -qualität gleichwertig untersuchen (Ferree et
al., 2002; Gerhards, Neidhardt & Rucht, 1998). Auch in dieser Arbeit liegt der Fokus
zum einen auf der Diskursstruktur und zum anderen auf der Diskursqualität. Die prozesshafte Komponente wird anhand der unabhängigen Variablen des zeitlichen Fortschritts mit einfließen.
2.2 Wahlberichterstattung
Wahlen sind essentieller Bestandteil von Demokratien (Meyer, 2009, S. 169; Nohlen,
2007, S. 27ff.). Sie sind Ereignisse, bei denen die Bürger am politischen Prozess teilhaben und durch ihre Stimmabgabe den Machtinhabern Legitimation verleihen können
(Nohlen, 2007, S. 34f.; Schulz, 2008, S. 229).8 Politische Akteure und Parteien werben
in der Zeit vor den Wahlen um die Stimmen der Bürger, indem sie sie über ihre programmatischen Inhalte informieren und zur Stimmabgabe in ihrem Interesse zu überzeugen suchen. Insofern handelt es sich bei Wahlkämpfen um eine besondere Form po8
Den Begriff der Legitimation verwenden in diesem Zusammenhang sowohl Schulz als auch Nohlen. Er
sollte jedoch nicht mit der durch deliberative Debatten entstehenden Legitimation (siehe Kapitel 2.1.1)
gleichgesetzt werden.
9
litischer Kommunikation. In der heutigen Gesellschaft wird diese maßgeblich über die
Massenmedien vermittelt (Schulz, 2008, S. 245). Den Medien und ihrer Wahlberichterstattung kommt deshalb eine hohe Bedeutung zu:
Wahlen sind klar konturierte kommunikative Ereignisse und zumindest unter den regelhaft [Hervorhebung im Original] auftretenden politischen Abläufen, über die Medien
berichten, die sie kommentieren und interpretieren, die folgenreichsten (Schönbach,
1998, S. 114).
Das in jeglicher Hinsicht relevanteste Medium ist dabei das Fernsehen. In Bezug auf die
Nachrichten dieses Mediums bemerkt beispielsweise Klaus Kamps:
Nachrichtenmedien sorgen nicht nur mehr oder weniger gut dafür, daß die Bevölkerung
über Politik „auf dem Laufenden gehalten wird“ [Hervorhebung im Original]; ihre Existenz ist Ausdruck und Bedingung politischer Teilhabe wie Legitimation (Kamps, 1998,
S. 34).
Ob Fernsehnachrichten – wie Kamps suggeriert – einen positiven Einfluss auf politische
Teilhabe ausüben, ist nicht eindeutig zu belegen. Die Wirkung der politischen Medienberichterstattung im Allgemeinen und des Fernsehens im Speziellen auf die Mobilisierung der Bürger ist umstritten und allenfalls für einzelne Formate nachgewiesen worden, wie Schmitt-Beck und Mackenrodt (2009) in einer zur Bundestagswahl 2005
durchgeführten Studie zeigen. Bestätigt wurde durch die Studie, dass Fernsehnachrichten maßgeblich zur Vermittlung von politischen Inhalten in Wahlkämpfen beitragen und
ihre Nutzung mit sinkendem Abstand zur Wahl zunimmt (Schmitt-Beck & Mackenrodt,
2009, S. 422ff.). Eine Erhebung zur Bundestagswahl 2009 weist in dieselbe Richtung:
49 % der Befragten des ARD/ZDF-Wahltrends 2009 informieren sich hauptsächlich mit
Hilfe dieses Mediums über den Wahlkampf (Geese, Zubayr & Gerhard, 2009, S. 638).
Zwar liegen in dieser Studie keine Daten darüber vor, in welchem Format sich die Zuschauer größtenteils informieren, jedoch besitzen Nachrichten nach den aktuellen Werten der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF) im Bereich der Informationsangebote mit Politikbezug immer noch die höchste Nettoreichweite. Im Jahr 2008 betrug
diese 39 %, im Vergleich dazu waren die Reichweiten bei Talk- und Gesprächsshows
mit 13 % oder 20 % bei Nachrichtenmagazinen (Gerhards & Klingler, 2009, S. 669)
deutlich niedriger. Wie Tabelle 2 zeigt, entfiel auf Nachrichten angesichts ihrer im Vergleich zu den meisten sonstigen Wahlsendungen (z. B. dem TV-Duell) eher kurzen
Ausstrahlungslänge ein relativ hoher Anteil an der gesamten Wahlthematisierung des
Fernsehens. Im Zeitraum vom 3. August bis zum 4. Oktober 2009 erreichten die Nachrichten einen Wert von 24 %.
10
Sender
Sendungstyp
Nachrichten
Magazine
Wahlsendungen
Gesamt
ARD/Das
Erste
ZDF
RTL
Sat.1
Gesamt
20%
26%
30%
26%
24%
5%
7%
10%
0%
6%
75%
67%
60%
74%
70%
100%
100%
100%
100%
100%
Basis: Alle Sendungen mit Wahlbezug im Zeitraum von 3.8. bis 4.10.2009
Quelle: IFEM, Köln
Tabelle 2: Anteile der Wahlthematisierung der verschiedenen Sendungstypen an allen Beiträgen mit Wahlbezug der Sender im Vergleich9
Aufgrund der hohen Reichweite sind Wahlkämpfe und ihre Ergebnisse einerseits vom
Fernsehen und seinen Nachrichten in hohem Maße abhängig, Schulz spricht in diesem
Kontext von einer regelrechten „Fernsehdependenz“ (Schulz, 2006, S. 51). Andererseits
meint dieser Begriff die Tatsache, dass Fernsehnachrichten für Parteien und Politiker –
auch heute noch – das beliebteste Kampagnenmittel sind. Dies liegt nur teilweise an
seiner exponierten Position als wichtigstes Informationsmedium der Bürger. Ein weiterer Grund besteht darin, dass Parteien für ihre Wahlkämpfe ohnehin ein großes Maß an
finanziellen Mitteln aufwenden und Fernsehen für die Politik quasi kostenlos den
Wahlkampf übermitteln kann. Insofern zählen Fernsehnachrichten zu den „free media“,
im Vergleich zu „paid media“ oder auch „earned media“, wie beispielsweise Plakate
oder Wahlkampfveranstaltungen (Plasser & Lengauer, 2009, S. 323; Schoen, 2007, S.
38). Schulz nennt zudem folgende Vorteile des Formats für die Wahlkampagne:
Das hoch eingeschätzte Wirkungspotential […] macht [das Fernsehen] für das Kampagnenmanagement besonders attraktiv. Vor allem die aktuelle Berichterstattung ist für die
politische Kampagne relativ leicht kalkulierbar und instrumentalisierbar. Fernsehnachrichten greifen schlaglichtartig nur die auffälligsten Geschehnisse des Tages heraus,
wenige Ereignisse mit hohem Nachrichtenwert, dabei vor allem diejenigen, die sich in
starken Bildern, im Handeln von Personen und „sprechenden Köpfen“ [Hervorhebung
im Original], in Kontroversen und Konflikten manifestieren (Schulz, 2008, S. 246).
Die Medien selbst stellen dabei keine unbeteiligten Vermittlungsinstanzen dar. Wie
Brettschneider herausstellt, werden sie im Wahlkampf selbst zu politischen Akteuren.
Sie wählen aus, worüber sie berichten, wie sie darüber berichten und determinieren damit letztlich Inhalt und Qualität der Wahlberichterstattung. Zugleich versuchen politische Akteure, die Medien in ihrem Sinne zu instrumentalisieren und ihre jeweilige
9
Eigene Erstellung nach Ergebnissen des ARD/ZDF Wahlmonitors 2009 (Krüger & Zapf-Schramm,
2009, S. 626).
11
Agenda durch politische Public Relations durchzusetzen (Brettschneider, 2005a, S. 21).
Insofern stehen die Wähler neben dem direkten Kontakt zu politischen Akteuren – wie
beispielsweise durch Politikerreden – über die Wahlberichterstattung zum einen unter
dem indirekten Einfluss der Politik, zum anderen unter dem Einfluss der Medien selbst,
wie folgendes Schaubild verdeutlicht:
Parteien und
Politiker
Themenmanagement
durch Parteien
Massenmedien
und Journalisten
Selektion und
Interpretation
direkter
Kontakt
Medienwirkung
Wähler
-
Einstellungen
Verhalten
Abbildung 1: „Das ‚Wahlkampf-Dreieck‘“10
Das zuvor erläuterte deliberative Verständnis einer Demokratie und die Diagnose einer
medienvermittelten Deliberation unterstreicht die Stellung der Medien als Bindeglied
zwischen politischem Zentrum und Bürgern. Wie John Gastil in dem Kapitel „Deliberative Elections“ (Gastil, 2008, S. 79ff.) darlegt, sind zur Gewährleistung deliberativer
Wahlen einerseits Bürger und das politische System, andererseits die Massenmedien
gefragt. Unter Bezugnahme auf Kathleen Hall Jamieson nennt er als deren Aufgabe im
Wahlkampf, Themen mit öffentlicher Relevanz zu behandeln und Kandidaten in Bezug
auf ihre Forderungen und Ziele in die Pflicht zu nehmen (Gastil, 2008, S. 93; Jamieson,
1992). So besteht insbesondere im Wahlkampf der Anspruch an die Medien, sowohl
eine Informations- als auch Kontrollfunktion zu erfüllen (Schultz, 2006, S. 77ff.). Nicht
nur Gastil nennt allerdings Tendenzen in der politischen Berichterstattung und speziell
der Wahlberichterstattung, die einer zufriedenstellenden Deliberation diametral gegenüber stehen. Zahlreiche Politik- und Medienwissenschaftler sprechen von einem Wandel
der Medien und der Wahlkämpfe in den vergangenen Jahren; so umschreibt beispielsweise Schulz diese Entwicklung mit dem Begriff der „Medialisierung“, womit er „solche Veränderungen bezeichne[t], die aus Interdependenzen zwischen Medien und
Wahlkampagnen resultieren, insbesondere zwischen dem Medienwandel und dem
Wandel der Wahlkampfführung“ (Schulz, 2006, S. 42). Als negative Folgen nennt er
10
Eigene Erstellung nach Brettschneider, 2005a, S. 20.
12
dabei unter anderem Personalisierung und Entsachlichung (Schulz, 2006, S. 45). Dies
sind Tendenzen, die auch von anderen Theoretikern, teilweise unter dem Stichwort der
Emotionalisierung, thematisiert werden (Brettschneider, 2002a, 2002b, S. 270ff.; HoltzBacha, 2001, 2006; Pappi & Shikano, 2001; Plasser & Lengauer, 2009; Schulz & Zeh,
2006, S. 287; Schulz, Zeh & Quiring, 2005). Setzt man den Maßstab einer möglichst
deliberativen Berichterstattung an, lenken diese Muster von einer substantiellen Debatte
ab und fokussieren weniger Themen und Argumente als Personen und deren Eigenschaften.
Eine weitere These ist die der „Amerikanisierung“ von Wahlkämpfen und der medialen
Berichterstattung über sie. Beschrieben wird damit eine Angleichung an in den USA
übliche Strategien (Schulz, 2008, S. 244). Hinsichtlich dieses Begriffs herrscht jedoch
teilweise Uneinigkeit unter den Forschern. So verstehen darunter einige eine Angleichung an amerikanische Verhältnisse der Wahlkampfführung und die Berichterstattung
über sie, andere fassen darunter einen generellen, systemunabhängigen Wandel, der
nicht unilinear gerichtet ist, was teilweise auch als „Modernisierung“ bezeichnet wird
(Donges, 2000; Kamps, 2000). Christina Holtz-Bacha wiederum setzt den Begriff der
Amerikanisierung weitgehend mit dem der „Professionalisierung“ gleich, worunter sie
einen Wahlkampf weg von den Parteien hin zu PR-Agenturen und Beratern fasst
(Holtz-Bacha, 2000, S. 44f.).
Insofern werden unter dem Begriff der „Amerikanisierung“ verschiedene Tendenzen
beschrieben, von denen die meisten – zumindest aus Deliberativitätssicht – negativ zu
bewerten sind. Eine mit den zahlreichen Konzeptionen weitestgehend übereinstimmende und auch mit den von Gastil genannten Deliberationsgefahren konforme Definition
bieten Plasser und Lengauer. Unter „Amerikanisierung“ subsummieren sie die Tendenzen zu „Game-Zentrierung“, „Personalisierung“, „Negativismus“ und „Journalistische
Interpretativität“. Letzteres meint eine eher spekulativ-wertende im Gegensatz zu einer
deskriptiv-neutralen Berichterstattung seitens der Journalisten (Plasser & Lengauer,
2009). Bei einer game-zentrierten und oft als „Horse Race“ bezeichneten Berichterstattung (Gastil, 2008, S. 94f.; Littlewood, 1998; Schulz, Zeh & Quiring, 2005; Wessler,
2008, S. 9) kommen Inhalte und Programme der Parteien zugunsten einer Berichterstattung über Umfrageergebnisse und aktuelle Beliebtheitswerte – kurzum der Frage: „Wer
liegt vorn und warum?“ – zu kurz. Kritisiert wird daran vor allem, dass die Medien im
Falle einer solchen Berichterstattung einerseits versäumen, Politiker zu ihren Standpunkten selbst sprechen zu lassen und andererseits die Bürger durch eine nüchterne
13
Wiedergabe der Realität zu informieren (Buchanan, 2001, S. 364). Gegenüber stellen
lassen sich damit eine politics-zentrierte, also auf Horse Race, Strategie und Taktik ausgerichtete, und eine policy-zentrierte, also an sachpolitischen Fragen orientierte Berichterstattung (Plasser & Lengauer, 2009, S. 335; Schultz, 2006, S. 162ff.).11
Bei einer von Negativismus, Skandalisierung oder auch Sensationalismus geprägten
Berichterstattung (Schoen, 2007, S. 37; Schulz, Zeh & Quiring, 2005; Wessler, 2008, S.
8) geht es mehr um Aufmerksamkeit heischende Berichterstattung, offensive Kritik und
Angriffe als um sachlich angemessene Nachrichten sowie zivile, angemessene und substantielle Kritik, die nach deliberativen Gesichtspunkten vorzuziehen wäre. Gastil bemerkt hierzu: „Just as campaigns produce charges and countercharges, so do the media
repeat – or even construct – negative attacks” (Gastil, 2008, S. 95). In beiden Fällen,
sowohl der Wiedergabe als auch der selbst getätigten Angriffe durch die Medien, ist am
eindeutigsten die deliberative Forderung nach Zivilität von Debatten verletzt. Eine weitere häufig genannte Tendenz ist diejenige der sinkenden Sprechzeiten (sound bites), die
Akteuren innerhalb der Nachrichten eingeräumt werden (Schulz, 2006, S. 46). John
Gastil diagnostiziert hier eine enorme Abnahme in Bezug auf die USA und Frank Esser
kann dieselbe Tendenz in Frankreich, Großbritannien und Deutschland feststellen (Esser, 2008; Gastil, 2008, S. 96).
Was daraus folgt, ist ein marginaler Zeitraum für den Ausdruck von Meinungen und
tiefgründigen Argumentationen. In O-Tönen von mittlerweile nur rund zehn Sekunden
ist dies schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Auch diese Tendenz wirkt somit einer
gelingenden Deliberation entgegen. Eine weitere Tendenz der Berichterstattung nennt
Wessler mit dem Begriff „news reporting according to a partisan line“ (Wessler, 2008,
S. 8), womit er die Berichterstattung anhand einer bestimmten Linie und die daraus folgende Begrenzung des Meinungsspektrums durch Mechanismen wie instrumentelle
Aktualisierung (Kepplinger et al., 1989) oder dem Heranziehen opportuner Zeugen
(Hagen, 1993) meint. Page bezeichnet dies als „Constructed Deliberation [Hervorhebung im Original]“ (Page, 1996, S. 19). Zwar bezieht sich diese verzerrende Tendenz
nicht explizit auf die Wahlberichterstattung, sondern auf die Politikberichterstattung im
Allgemeinen, jedoch kann eine Verzerrung des medialen Diskurses zugunsten einer
Partei und ihrer Akteure gerade vor einer Wahl als besonders Deliberativität mindernd
11
Im weiteren Verlauf der Arbeit werden die Begriffe „Horse-Race-Berichterstattung“ und „politicsBerichterstattung“ zur Bezeichnung von auf Strategie, Taktik, Wahlkampf und Umfragewerten zentrierten Nachrichten synonym verwendet. Die aus substantiellen Informationen und Sachthemen bestehenden
Beiträge werden in dieser Studie mit den synonym verwendeten Begriffen von „sachpolitischer“ und
„policy-Berichterstattung“ bezeichnet.
14
bezeichnet werden. Im Hinblick auf die Berichterstattung vor Bundestagswahlen ist
gerade diese Konzentration auf einzelne Personen regelmäßig der Fall gewesen. Zwar
scheint der Kanzlerbonus, also die höhere Beachtung des Amtsinhabers, über die Jahre
verschwunden zu sein, wie Schulz und Zeh in einer Langzeitstudie über die Kandidatendarstellung im Wahlkampf feststellen, (Schulz & Zeh, 2006, S. 300). Allerdings
zeigte sich 2002 ein deutliches Übergewicht der Präsenz von Gerhard Schröder (Brettschneider, 2002a, S. 265ff.) und 2005 von Angela Merkel (Brettschneider, 2005a, S.
22f.), was als zwar nicht als Amtsinhaber-, aber als Kandidatenbonus bezeichnet werden
kann. Von einer ausgewogenen Berichterstattung, die allen Parteien, Akteuren und deren Themenschwerpunkten einen gleich oder ähnlich großen Umfang einräumt, kann in
einem solchen Fall nicht mehr die Rede sein.
Die genannten Muster und Tendenzen sind aus deliberativer Sichtweise als Gefahren für
den medialen Diskurs zu bezeichnen. Sie lenken innerhalb der Berichterstattung von
tatsächlichen Inhalten ab und/oder wirken verzerrend und bedrohen eine substantielle,
tiefgründig recherchierte Berichterstattung, die Bürgerinnen und Bürgern am Tag der
Wahl eine wohl überlegte Meinungsbildung ermöglicht.
Allerdings müssen die Befunde zumindest teilweise relativiert werden. So gelangen
Plasser und Lengauer in ihrer ländervergleichenden Untersuchung der Wahlkampfberichterstattung zu dem Schluss, dass die These der „Amerikanisierung“ nur zum Teil
bestätigt werden kann (Plasser & Lengauer, 2009). Zwar zeigte die Berichterstattung
von Tagesschau und RTL Aktuell im Jahre 2005 annähernd dasselbe Ausmaß an GameZentrierung und Negativismus wie in den US-amerikanischen Nachrichten im Wahljahr
2004, Personalisierung und journalistische Interpretativität waren jedoch in weit geringerem Maße ausgeprägt. Auch Essers Untersuchung präsentiert eine gemäßigte Diagnose für die deutsche Berichterstattung. So wurden den Hauptakteuren in der Berichterstattung von ARD und RTL über den Wahlkampf 2005 immerhin noch durchschnittlich
11,2 Sekunden für ihre Aussagen gewährt, im Vergleich zu lediglich 8,8 Sekunden im
Wahljahr 2004 der USA (Esser, 2008, S. 411). Insofern lässt sich vermuten, dass die
Wahlberichterstattung in Deutschland noch nicht so stark von Maßgaben von Aufmerksamkeit erregender Berichterstattung geprägt ist wie die der USA. Dass solche Tendenzen jedoch zunehmen, stellen die von Amerikanisierung, von Modernisierung oder Medialisierung sprechenden Theoretiker genauso wie die genannten Studien fest. Sie gelangen damit zu einem ähnlichen Befund wie Schulz und Zeh ihrer Studie über Kandidatendarstellungen:
15
Insgesamt lassen sich die beobachtbaren Veränderungen als Personalisierung, „Entsachlichung“ [Hervorhebung im Original] und Dramatisierung der Wahlkampfberichterstattung interpretieren. Die Fernsehnachrichten vermitteln ein zunehmend lebendiges, farbiges und spannendes Bild des Wahlkampfs, in dem die Kanzlerkandidaten eine immer
prominentere Rolle spielen. Den Stilwandel haben die öffentlich-rechtlichen wie die
privaten Programme in ähnlicher Weise vollzogen. Dabei sind die Unterschiede zwischen den Sendersystemen, die zu Beginn der Dualisierung sehr ausgeprägt waren, zunehmend geringer geworden. Diese Angleichung ist auch schon in anderen Analysen
festgestellt worden (Schulz & Zeh, 2006, S. 300).
Ob von der angesprochenen „Angleichung“ in vollem Umfang die Rede sein kann oder
die strukturellen Unterschiede zwischen den beiden Säulen des deutschen Rundfunksystems auch zu Differenzen in Qualität und Inhalten führen, ist eine in der „Konvergenzdebatte“ nicht selten gestellte Frage.12 Auch die vorliegende Studie strebt zum Teil den
Vergleich zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehsendern und ihrer jeweiligen Berichterstattung über die Bundestagswahl 2009 an. Insofern ist es relevant, einen
Blick auf strukturelle Unterschiede zwischen den beiden Gruppen und die mutmaßlich
daraus erwachsenden Konsequenzen zu werfen.
2.3 Unterschiede zwischen den Sendergruppen
Der Unterschied zwischen den zwei Bereichen besteht zuallererst in ihrer Finanzierungsform und Organisationsstruktur, die zunächst skizziert werden soll, bevor anschließend Schlussfolgerungen auf die Qualität der Berichterstattung gezogen und bereits einige in Bezug auf die Wahlberichterstattung 2009 festzustellende Differenzen
genannt werden sollen.
2.3.1
Unterschiedliche Organisationsstrukturen
2.3.1.1 ARD und ZDF13
Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ARD und ZDF finanzieren sich größtenteils aus den von Rundfunkteilnehmern zu entrichtenden Gebühren, deren Höhe nach
Anmeldung des Bedarfs durch die Rundfunkanstalten von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs für Rundfunkanstalten (KEF) festgesetzt wird (Beyer & Carl,
2008, S. 48).14 Aufgeteilt wird die erzielte Gesamtsumme zu festgesetzten Anteilen un-
12
Als beispielhaft kann hier die Studie von Barbara Pfetsch (1996) genannt werden, deren Inhalt und
Fazit weiter unten erläutert werden wird.
13
Zusätzliche Informationen zu den einzelnen Sendern finden sich im Anhang (Kapitel 8.1).
14
Seit Januar 2009 betragen sie pro Teilnehmer 17,98 Euro [2008: 17,03 Euro] monatlich für Fernsehgeräte, Radio und neuartige Rundfunkgeräte (Gebühreneinzugszentrale (GEZ), 2010a, 2010b).
16
ter ARD, ZDF, DRadio sowie den Landesmedienanstalten. Bezogen auf das Jahr 2008
betrug der Gebührenanteil der ARD rund 5.348,39 Mio. Euro, derjenige des ZDF rund
1.728,98 Mio. Euro (Gebühreneinzugszentrale (GEZ), 2010a). Einen kleinen Teil ihrer
Einnahmen akquirieren öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten zudem durch Werbung,
die sie jedoch nur in geringem Umfang schalten dürfen.15 Geregelt wird dies durch §16,
Absatz 1 und 2 des Rundfunkstaatsvertrags (RStV). Dieses Dokument – respektive seine Ausformung in den verschiedenen Bundesländern – ist die zentrale rechtliche Grundlage der öffentlich-rechtlichen Anstalten, das ihnen im Gegenzug zu ihrer Finanzierung
über Gebührenentgelte einen Programmauftrag (siehe §11 RStV) auferlegt, zu dessen
Erfüllung von den einzelnen Anstalten Entwürfe und Richtlinien zur Selbstverpflichtung für jeweils zwei Jahre ausgearbeitet werden müssen (Berger, 2008, S. 81; Beyer &
Carl, 2008, S. 48f.). Die Forderungen in dem durch §11 RStV festgeschriebenen Auftrag lauten wie folgt:
(1) Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist, durch die Herstellung und
Verbreitung ihrer Angebote als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller
und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen
und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen. Die öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten haben in ihren Angeboten einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. […]
(2) Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags
die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen (Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten in der Bundesrepublik Deutschland, 2009, S.
11f.).
Maßgebliche Forderungen sind somit Binnenpluralität, das heißt Vielfalt innerhalb des
Programms, sowie Unabhängigkeit und Ausgewogenheit. In den Worten von Cass
Sunstein können die Sender damit als sogenannte „general interest intermediaries [bezeichnet werden, deren Aufgabe es ist], providing both shared experiences for millions
and exposure to diverse topics and ideas“ (Sunstein, 2002, S. 12). Für die Einhaltung
dieser Maßgabe sorgt ein Gremium, in dem gesellschaftlich relevante Gruppen vertreten
sind. Beim ZDF ist dies der Fernsehrat und bei der ARD der Rundfunkrat. Weitere Organe in der Organisationsstruktur der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind der
Verwaltungsrat, der vor allem für ökonomische Fragen zuständig ist, sowie der Inten-
15
Lediglich vor 20 Uhr sind dem ersten und zweiten Programm täglich 20 Minuten gestattet (Beyer &
Carl, 2008, S. 149).
17
dant, der als Repräsentant und Hauptverantwortlicher für die Geschäfte fungiert (Beyer
& Carl, 2008, S. 49).
2.3.1.2 RTL und Sat.116
Die durch Entstehung des dualen Rundfunksystems im Jahre 1984 hinzugekommenen
privaten Fernsehsender finanzieren sich ausschließlich durch Werbeeinahmen und im
Falle von Pay-TV-Sendern wie Premiere durch Gebühren. Ausnahme ist hier ein kleiner Anteil von zwei Prozent der Rundfunkgebühren, der für die Finanzierung der Landesmedienanstalten aufgewendet wird, die für die Aufsicht der Sender zuständig sind
(Beyer & Carl, 2008, S. 49). Die Werbung betreffend müssen auch sie sich an verschiedene Regeln halten (Beyer & Carl, 2008, S. 149f.); maßgeblich ist das Volumen von
höchstens 20 Prozent der Sendezeit durch §16, Absatz 1 und §45, Absatz 1 RStV geregelt. Unter diesen Bedingungen betrug der Bruttowerbeumsatz im Jahre 2008 bei RTL
2278,2 Mio. Euro und bei Sat.1 1570,6 Mio. Euro (Media Perspektiven, 2009, S. 12).
Ihr Programm hingegen können die Sender – bis auf einige allgemeine, durch den RStV
festgelegte Richtlinien – frei gestalten. Dabei gilt nach den §§25 und 26 RStV die Maßgabe der Außenpluralität, das heißt die Vielfalt ergibt sich aus der Summe der verschiedenen privaten Fernsehsender. Eine Überwachung des Programms wie bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten findet nicht statt; eher lose wirken gesellschaftlich relevante
Gruppen in den Landesmedienanstalten mit. Die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) sorgt für die Überwachung der Meinungsvielfalt im
privaten Sektor. Sie handelt im Auftrag der Landesmedienanstalten, die gleichzeitig an
die Entscheidungen der KEK gebunden sind (Beyer & Carl, 2008, S. 49f.).
2.3.2
Differenzen in Qualität und Inhalten der Berichterstattung
Dass die strukturellen Unterschiede zwischen den beiden Bereichen des dualen Rundfunksystems auch Differenzen in den Programminhalten nach sich ziehen, zeigen Patrick Donges und Otfried Jarren (1997). In ihrer Studie über den Zusammenhang von
redaktionellen Strukturen und der Qualität der Berichterstattung am Beispiel der Landespolitik in Hamburg gelangen sie zu dem Schluss, dass sich grundsätzlich zwei Redaktionsformen unterscheiden lassen: solche mit festen Ressorts, wie öffentlichrechtliche Sender und die Presse, und solche ohne feste Ressorts, wie die Privatsender.
Die festen Ressorts der öffentlich-rechtlichen Sender haben geregelte Interaktionsbeziehungen zu Quellen und Informationspartnern sowie eine höhere Professionalisierung
16
Zusätzliche Informationen zu den einzelnen Sendern finden sich im Anhang (Kapitel 8.1).
18
der Journalisten in einem Bereich zu Folge. Umgekehrt führt das Fehlen von Ressorts
bei den Privatsendern dazu, dass die Journalisten über weniger Fachwissen und weniger
feste Kontakte zu PR-Beauftragten und Politikern verfügen. Zudem zeichnen sich Privatsender durch eine „Output-Orientierung“, also eine Zentrierung auf Zielgruppen und
Quoten, aus. Die öffentlich-rechtlichen Sender sind hingegen durch eine „InputOrientierung“ (Donges & Jarren, 1997, S. 204) und damit auf die Beobachtung ihrer
Umwelt konzentriert. Laut der Studie wird somit die journalistische Qualität der privaten Sender sowohl von Medienschaffenden und Öffentlichkeitsakteuren als auch von
Politikern geringer eingeschätzt als die von öffentlich-rechtlichen Sendern und der Presse. Die Konzentration auf Quoten und Publikum und den daraus resultierenden Unterhaltungsfokus der privaten Sender bestätigt auch Barbara Pfetsch (1996) im Rahmen
ihrer Studie zur Konvergenz zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern:
[…] political coverage on commercial television – like every other content – is subject
to the economic logic, the core of which is the need to attract a mass audience and to
create favourable advertising conditions. As a consequence, the name of the game is entertainment as far as the bulk of programming is concerned (Pfetsch, 1996, S. 431).
In ihrer Untersuchung zeigt Pfetsch, dass seit der Einführung des dualen Rundfunksystems eine Konvergenz, das heißt eine Annäherung von privaten und öffentlichrechtlichen Fernsehsendern, zu beobachten ist. Sie untersucht die Berichterstattung im
Hinblick auf verschiedene Dimensionen wie dem Anteil von politischen Themen in
Nachrichten oder dem Ausmaß von Visualisierung und kann nachweisen, dass private
Sender im Umfang der Politikthematisierung zu den öffentlich-rechtlichen aufschließen
und sich diese wiederum in Bezug auf die Präsentationsformen an die privaten annähern
(Pfetsch, 1996, S. 446). Allerdings gelangt sie zu dem Schluss, dass von einer vollkommenen Konvergenz keine Rede sein kann.
Diese Erkenntnis von Pfetsch bestätigt auch Brettschneider, indem er sich auf Ergebnisse des InfoMonitors der späten 80er Jahre bis zum Anfang des neuen Jahrtausends bezieht. Öffentlich-rechtliche Fernsehsender enthalten ihm zufolge mehr Informationen
und politische Inhalte als private (Brettschneider, 2005b, S. 701ff.). Zudem thematisiert
er die Tatsache, dass die Privaten ihre Nachrichten eher in Form einer Fernsehlogik präsentieren; also in kürzerer Form, stärker visualisiert und mit mehr Dramatik und Konflikten (Brettschneider, 2005b, S. 703). In Bezug auf das Ausmaß an Personalisierung
sprechen sowohl Schulz und Zeh hinsichtlich der Bundestagswahl 2005 als auch Brettschneider in seiner Untersuchung der Darstellung von Angela Merkel, Edmund Stoiber
19
und Gerhard Schröder in den Jahren 2000 bis 2002 von einer größeren Nähe der privaten Fernsehsender zu amerikanischen Verhältnissen (Brettschneider, 2002a, S. 270ff.;
Schulz & Zeh, 2006, S. 287).
Aktuelle Werte des InfoMonitors bestätigen Brettschneiders Beobachtung. Der Umfang,
den die Politik generell in den Nachrichtensendungen der Sender einnimmt, zeigt deutliche Unterschiede zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern: Im Jahre 2009
waren 48 % der Berichterstattung der Tagesschau politischen Themen gewidmet, bei
heute waren es 38 %. RTL Aktuell hingegen beschäftigte sich nur zu 20 % mit der Politik, die Sat.1 Nachrichten zu 26 % (Krüger, 2010, S. 51).
Nachrichtensendungen
Tagesschau
Themen
heute
RTL Aktuell
Sat.1
Nachrichten
Politik
48%
38%
20%
26%
Wirtschaft
10%
10%
7%
9%
Gesellschaft/Justiz
9%
8%
6%
7%
Wissenschaft/Kultur
5%
6%
3%
4%
Unfall/Katastrophe
3%
4%
8%
9%
Kriminalität
3%
5%
9%
9%
Human Interest/Buntes
3%
6%
15%
20%
Sport
7%
9%
17%
7%
Wetter
7%
8%
7%
4%
Sonstiges
5%
7%
7%
3%
100%
100%
100%
100%
Gesamt
Basis: Alle Nachrichtensendungen im Zeitraum von 1.1. bis 31.12.2009
Quelle: IFEM, Köln
Tabelle 3: Themenstruktur 2009 der Nachrichtensendungen im Vergleich17
Diese Erkenntnisse spiegeln sich auch in der Wahlberichterstattung 2009 wider. Wie
aus dem ARD/ZDF-Wahlmonitor 2009 hervorgeht, widmeten ARD und ZDF der Berichterstattung zur Wahl jeweils 3080 Minuten, RTL hingegen lediglich 822 und Sat.1
gar nur 596 Minuten (Krüger & Zapf-Schramm, 2009, S. 625).
Zwar sagt der bloße Umfang der Berichterstattung allein nichts über die Qualität der
Nachrichten aus, jedoch kann daraus geschlussfolgert werden, dass die öffentlichrechtlichen Sender der Politik mehr Relevanz einräumen und dadurch mehr Zeit zur
17
Eigene Erstellung nach Ergebnissen des InfoMonitors 2009 (Krüger, 2010, S. 51). Die Zahlen ergeben
im Gesamten nicht 100 %. Der Fehler befindet sich in der Originaltabelle.
20
Verfügung haben, verschiedene Themen und Sprecher in den medialen Diskurs einzubringen und die einzelnen Gegenstände der Berichterstattung mit Informationen und
Argumenten auszustatten. Bestätigung erhält diese Vermutung durch eine Befragung
der Zuschauer zu ihrer Beurteilung der Wahlberichterstattung der verschiedenen Sender
im Rahmen des ARD/ZDF Wahltrends 2009. Hierbei bewerten 74 Prozent aller Befragten die Vorwahlberichterstattung der ARD als „sehr gut“ bis „gut“, 70 Prozent waren es
beim ZDF, bei RTL 41 Prozent und bei Sat.1 schließlich nur 27 Prozent (Geese, Zubayr
& Gerhard, 2009, S. 646). Detaillierte Befragungsitems zeigen zudem, dass die Zuschauer die öffentlich-rechtlichen Sender hinsichtlich der Güte der Berichterstattung vor
allem in Bezug auf Verständlichkeit, Glaubwürdigkeit und Seriosität und zudem bezüglich Themen- und Sprecherauswahl sowie Ausgewogenheit von Parteienpräferenzen
besser bewerten als die privaten (Geese, Zubayr & Gerhard, 2009, S. 647). Die abgefragten Items sind dabei einigen der in dieser Studie untersuchten Dimensionen von
Deliberativität gleich beziehungsweise kommen ihnen ähnlich.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass zahlreiche Indizien dafür vorliegen,
dass die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender aufgrund ihrer Organisationsstruktur und
aufgrund der Auflagen durch den RStV vermehrt auf Inhalte und Qualität ihrer Berichterstattung konzentriert sind. Im Gegensatz dazu ist bei den privaten Fernsehsendern von
einem aus der Konzentration auf Zielgruppen und Quoten resultierenden und nicht letztlich im Wahlkampf vielfach beobachteten „Infotainment“ (Schulz, Zeh & Quiring,
2005, S. 57) auszugehen. Dies wirkt sich vermutlich zu Ungunsten engagierter Information aus. Diese Annahmen werden durch die genannten Studien, aktuelle Statistiken und
Zuschauerbefragungen bestätigt. Ob diese Diagnose auch im Hinblick auf die Deliberativität des medialen Diskurses innerhalb der Berichterstattung über die Bundestagswahl
2009 bestätigt werden kann, geht daraus nicht hervor. Es ist jedoch zu vermuten, dass
sich die ökonomische Struktur eines Senders auf die Qualität der Berichterstattung auswirkt und öffentlich-rechtliche Sender in höherem Maße deliberativ über den Wahlkampf 2009 berichten. Die letztliche Beantwortung dieser Frage ist eines der Ziele dieser Studie.
21
3
Konzeption der Studie
Nach der Vorstellung der theoretischen Grundlagen sollen nun die daraus abgeleiteten Hypothesen präsentiert und erläutert werden. Dazu werden zunächst unabhängige und abhängige Variablen aufgezeigt und ausgeführt. Im anschließenden Teil wird die Umsetzung der
Variablen in verschiedene Indikatoren und das Design des Messinstrumentes erläutert. Zuletzt werden Materialauswahl und Forschungsablauf skizziert.
3.1 Variablen und Hypothesen
3.1.1
Herleitung der Variablen
Wie in Kapitel 2.3 erläutert, ist unter Bezug auf die Forschungsergebnisse von Donges
und Jarren (1997) und Barbara Pfetsch (1996) sowie aufgrund von Zuschauerbefragungen davon auszugehen, dass die unterschiedlichen Finanzierungskonzepte der Fernsehsender in Deutschland Auswirkungen auf deren inhaltliche Qualität haben. Gerade die
stärkere „Output-Orientierung“ und die Tendenz hin zum „Infotainment“ der privatwirtschaftlich finanzierten Sender lassen an deren deliberativen Qualitäten zweifeln. Insofern wird die Organisations- bzw. ökonomische Struktur der Sender als eine der unabhängigen Variablen in die Hypothesen einfließen. Die zweite unabhängige Variable
ergibt sich aus der Rezeption einer Studie von Rousiley C. M. Maia. Sie zeigt in ihrer
Untersuchung der Debatte über den Verkauf von Feuerwaffen in Brasilien (Maia, 2009),
dass sich der mediale Diskurs im zeitlichen Verlauf verändert: Er wird komplexer, die
Anzahl der Argumente beider Seiten vergrößert sich und die Sprecher gehen vermehrt
aufeinander ein. Im Anschluss an ihre Erkenntnisse wird der zeitliche Fortschritt der
Debatte als weitere unabhängige Variable definiert.
Zur Umsetzung des Konstrukts der medienvermittelten Deliberation in messbare Deliberativitätskriterien werden verschiedene Kriterienkataloge gesichtet und aggregiert. Im
Folgenden sollen die Vorschläge, die in die Untersuchung eingeflossen sind, kurz erläutert werden.
In Anlehnung an Habermas entwickeln Bennett et al. (2004) drei Qualitätskriterien für
die Struktur medienvermittelter Deliberation. Diese sind einerseits „Access“, also die
Möglichkeit für Akteure sich aktiv in die öffentliche Debatte einzubringen, andererseits
„Recognition“, welche die Identifikation und das den Sprechern zugebilligte Ausmaß
von Berichterstattung erfasst, und zuletzt die „Responsiveness“. Diese bezieht sich auf
die dialogische Struktur des Diskurses. Den Autoren zufolge sind diese Merkmale för22
dernd für eine deliberative Debatte und wirken auch auf die Meinungsbildung der Bürger zurück:
Degrees of access, recognition, and responsiveness contribute to the quality of vicarious
or active deliberation on issues – affecting, in turn, the quality of opinions subsequently
expressed in polls, voting choices or protests (Bennett et al., 2004, S. 438).
In seinem normativen Modell öffentlicher Deliberation in den Printmedien führt Hartmut Wessler (2008) deliberative Kriterien auf vier Ebenen ein: Auf der höchsten Ebene
der Ausgabe respektive der Seite kann geprüft werden, in welchem Verhältnis die Artikel zueinander stehen, also ob sie sich widersprechen oder ob sie die gleichen Meinungen wiedergeben. Auf Ebene des Artikels steht der Responsivitätsgehalt der Sprecheraussagen im Fokus. Hierbei ist von Interesse, inwieweit Sprecheraussagen sich direkt
auf die Äußerungen anderer Sprecher beziehen. Die dritte Ebene der Äußerung befasst
sich mit den Kriterien der Zivilität und der Ko-Präsenz von konfligierenden Ideen in
einer Äußerung. Auf der kleinsten Ebene des Ideenelementes schlägt Wessler vor,
Rechtfertigungs- und Widerlegungselemente als Maßstab heranzuziehen (Wessler,
2008, S. 10).
Rousiley C. M. Maia legt in ihrer bereits erwähnten Studie vier verschiedene Kriterien
zur Erfassung von Deliberation an:
Degrees of access to the news media environment, use of critical arguments, reciprocity/
responsiveness, and opinion reversibility in mediated communication are important
measures for qualifying contemporary democracy (Maia, 2009, S. 317).
In ihren Kriterien finden sich auch die oben beschrieben Merkmale von Bennett et al.
(2004) wieder. So schlägt sie „Accessibility and characterization of participants
[Hervorhebung im Original]” vor, welche die Kriterien “Access” und “Recognition”
von Bennett et al. beinhalten. Mit ihren Variablen „Use of arguments [Hervorhebung im
Original]“ und „Reciprocity and responsiveness [Hervorhebung im Original]” lehnt sie
sich an die von Wessler vorgeschlagene und oben erläuterte Typologie an, ohne jedoch
die systematische Unterscheidung in verschiedene Ebenen zu beachten. Mit der Variable der „Reflexivity and reversibility of opinions [Hervorhebung im Original]“ versucht
sie Lernprozesse zu erfassen, die Habermas als essentiellen Bestandteil deliberativer
Debatten definiert (Maia, 2009).
23
Bei der Übertragung dieser Kriterien auf die vorliegende Studie muss zunächst folgende
Frage beantwortet werden: Was ist während eines Wahlkampfes in Bezug auf den Deliberativitätsgehalt von Fernsehnachrichten zu erwarten?
Zunächst ist festzuhalten, dass sich die meisten Studien zu medienvermittelter Deliberation auf mediale Debatten zu bestimmten Themen wie Abtreibung (Ferree et al., 2002;
Gerhards, Neidhardt & Rucht, 1998), Drogen (Wessler, 1999) oder dem Feuerwaffenverbot in Brasilien (Maia, 2009) konzentrieren. Die Bundestagswahlen sind allerdings
kein solches Thema. Vielmehr sind Wahlen – wie bereits in Kapitel 2.2 dargelegt –
wiederkehrende „kommunikative Ereignisse“. Der Unterschied zwischen den beiden
Begriffen lässt sich mit Bentele (1992, S. 54f.) anschaulich fassen. So handelt es sich
ihm zufolge bei Ereignissen um „[z]eitlich, räumlich, örtlich begrenzte Realitätsausschnitte“. Sie liegen „in der Welt“ vor und werden von Journalisten „zum Objekt der
Berichterstattung“ gemacht. Unter anderem aus Ereignissen entstehen Themen. Diese
können definiert werden als Realitätskomplexe, die in Interaktion zwischen Ereignissen,
Bewertung von Ereignissen, Meinungen und journalistischen Selektions- und Präsentationsregeln konstituiert werden (Bentele, 1992, S. 55).
Diese Differenzierung verdeutlicht, dass es sich bei Ereignissen, also auch Bundestagswahlen, als solchen (noch) nicht um Gegenstände der Berichterstattung handelt. Vielmehr leiten die Journalisten aus ihnen Themen ab, über die sie berichten. Dies erschwert
die Übertragbarkeit von Variablen und Operationalisierungsweisen anderer Studien auf
die vorliegende Untersuchung. Verschiedene sich daraus ergebende Modifikationen
werden an den entsprechenden Stellen erläutert werden.
Für die Dimension der Diskursstruktur lassen sich die von Bennett et al. (2004) vorgeschlagenen Kriterien heranziehen und mit den von Maia vorgeschlagenen Variablen der
„Accessibility and characterization of participants [Hervorhebung im Original]” und
der „Reciprocity and responsiveness [Hervorhebung im Original]” zusammenführen.
Für die Diskursqualität sind insbesondere die Variablen Zivilität, Rechtfertigung und
Widerlegung aus dem normativen Modell Wesslers fruchtbar. Letztere finden sich auch
in Maias „Use of arguments [Hervorhebung im Original]“ (Maia, 2009). Allerdings
lassen sich nicht alle der vorgeschlagenen Kriterien auf die Wahlberichterstattung übertragen. So wird davon ausgegangen, dass Lernprozesse in Form von Revidierungen der
eigenen Meinung aufgrund der triadischen Struktur massenmedial vermittelter Kommunikation im Allgemeinen und der Besonderheit der Wahlkampfsituation nicht zu finden
24
sein werden. Die Variable, die Maia (2009) dafür vorschlägt, wird also nicht weiter beachtet. Die Kürze der sound bites (siehe Kapitel 2.2) erschwert außerdem die KoExistenz „konfligierender Ideen“ (Wessler, 2008, S. 10) innerhalb einer Sprecheraussage, da die Sprecher ihre kurz bemessene Zeit wahrscheinlich eher dazu nutzen werden,
ihre eigenen Ansichten darzustellen und, falls möglich, zu begründen. Weiterhin wird
das Kriterium der „Response articles [Hervorhebung im Original]“ (Wessler, 2008, S.
10), welches Wessler auf Ebene der Seite respektive der Ausgabe anlegt, in dieser Studie nicht auf die äquivalente Ebene in Fernsehnachrichten – der gesamten Sendung –
übertragen, sondern nur auf Ebene der einzelnen Beiträge mit der Variable der Responsivität untersucht. Mit anderen Worten: Das Vorkommen von direkten Antwortbeiträgen wird als nicht formatgerecht angesehen, da Fernsehnachrichten sehr komprimiert
und kurz die Geschehnisse eines Tages wiedergeben. Responsivität wird daher nur innerhalb einzelner Beiträge und nicht über Beitragsgrenzen hinweg erwartet.
Aus diesen Ausführungen ergeben sich für die Diskursstruktur die folgenden drei abhängigen Variablen:
(1) Inklusivität
Welche Themen, Sprecher und Parteien finden Eingang in
den massenmedialen Diskurs, welche bleiben außen vor?
(2) Ausgewogenheit Ist der massenmediale Diskurs im Hinblick auf Themen
und Parteien ausgewogen oder finden sich starke Ungleichgewichte?
(3) Responsivität
Findet sich im massenmedialen Diskurs eine dialogische
Struktur?
Für die Diskursqualität hingegen werden die nachstehenden drei abhängigen Variablen
formuliert:
(1) Zivilität
Wie gehen die Debattenteilnehmer miteinander um?
Wie geht „das Medium“ mit ihnen um?
(2) Rechtfertigung Begründen Sprecher ihre Aussagen?
Versuchen sie ihren Standpunkt argumentativ zu rechtfertigen?
(3) Widerlegung
Gehen Sprecher auf Aussagen anderer Sprecher ein?
Versuchen Sprecher die Argumente anderer Sprecher
durch Gegenargumente zu entkräften?
Folgendes Schaubild bietet eine Übersicht der genannten abhängigen (AVs) und der
beiden unabhängigen Variablen (UVs):
25
UVs
AVs
• DISKURSSTRUKTUR
• ÖKONOMISCHE
SENDERSTRUKTUR
• ZEITLICHER FORTSCHRITT
•Inklusivität
•Ausgewogenheit
•Responsivität
• DISKURSQUALITÄT
•Zivilität
•Rechtfertigung
•Widerlegung
Abbildung 2: Übersicht über die unabhängigen und abhängigen Variablen
3.1.2
Hypothesen – Diskursstruktur
Unterschiede zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehsendern lassen sich
zunächst auf der Input-Dimension medialer Diskurse vermuten. Es ist anzunehmen,
dass die mit der „Input-Orientierung“ (Donges & Jarren, 1997, S. 204) vorgenommene
Umweltbeobachtung öffentlich-rechtlicher Sender zu einer höheren Inklusivität führt.
Weiterhin lässt die ausdrückliche Forderung nach „Meinungsvielfalt“ und „Ausgewogenheit“ durch den Rundfunkstaatsvertrag (Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten in der Bundesrepublik Deutschland, 2009, S. 11f.) und der sich daraus ergebenden Maßgabe der Binnenpluralität eine größere Ausprägung der anderen beiden Kriterien von Deliberativität und abhängigen Variablen der Diskursstruktur vermuten. Im Hinblick auf die unabhängige Variable der ökonomischen Struktur der Sender lassen sich
aus den theoretischen Grundlagen insofern folgende Hypothesen ableiten:
H 1:
Wenn der Fernsehsender öffentlich-rechtlich organisiert ist, dann gestaltet sich
die Berichterstattung über die Bundestagswahl 2009 inklusiver als bei einem
privatwirtschaftlich organisierten.
H 2:
Wenn der Fernsehsender öffentlich-rechtlich organisiert ist, dann gestaltet sich
die Berichterstattung über die Bundestagswahl 2009 ausgewogener als bei einem privatwirtschaftlich organisierten.
H 3:
Wenn der Fernsehsender öffentlich-rechtlich organisiert ist, dann weist die Berichterstattung über die Bundestagswahl 2009 einen höheren Responsivitätsgehalt auf als ein privatwirtschaftlich organisierter.
26
Gestaltet sich der Einfluss der unabhängigen Variable der ökonomischen Struktur noch
uniform auf die abhängigen Variablen, so ergibt sich im Hinblick auf die zweite unabhängige Variable des zeitlichen Fortschritts ein differenzierteres Bild. Im Anschluss an
Maia (2009) lässt sich vermuten, dass mit dem zeitlichen Fortschritt der Wahlberichterstattung mehr Themen Eingang in die Debatte finden und der Gehalt an Responsivität
zunimmt. Darüber hinaus erscheint es plausibel, dass der Umfang der Wahlberichterstattung mit sinkendem Abstand zur Wahl am 27. September kontinuierlich ansteigt und
damit mehr Zeit und Raum für Themen und Sprecher sowie den Aufbau einer dialogischen Struktur vorhanden ist. Auch die Ergebnisse des ARD/ZDF Wahlmonitors 2009
hinsichtlich der „Informationsangebote mit Wahlbezug nach Wochen“ stützen diese
Annahme (Krüger & Zapf-Schramm, 2009, S. 626).18 Auf die abhängige Variable der
Ausgewogenheit kann diese Argumentation allerdings nicht angewandt werden. Im Gegensatz zu Inklusivität und Responsivität wird hier vielmehr eine Reduktion vermutet,
je näher die Bundestagswahl 2009 rückt. Wie in Kapitel 2.2 dargelegt, konnte innerhalb
der Berichterstattung über vergangene Bundestagswahlen regelmäßig ein Kandidatenbonus festgestellt werden.
Zudem liegt die Vermutung nahe, dass die Kandidaten aufgrund einer erfolgreicheren
Kampagnenstrategie eine höhere Präsenz in den Nachrichten verzeichnen können, was
wohl nicht zuletzt an ihrem höheren Budget und damit mehr Möglichkeiten für politische PR und erfolgreiches Agenda-Building liegt (Brettschneider, 2005a, S. 21; Statista,
2010). Es ist anzunehmen, dass sich diese Unausgewogenheit mit sinkendem Abstand
zur Wahl verstärkt. Theoretische Stützung lässt sich dazu aus der Nachrichtenwerttheorie heranziehen (Kepplinger, 2006): Die geringere Nähe zur Bundestagswahl erhöht
insofern den Nachrichtenwert der Kandidaten und lenkt damit die Unausgewogenheit
der Berichterstattung in Richtung der Akteure Merkel und Steinmeier und damit auch in
Richtung CDU/CSU und SPD sowie der von ihnen verfolgten Themen (Brettschneider,
2002a, S. 273ff.). Aus diesen Überlegungen leiten sich bezüglich der unabhängigen
Variablen des zeitlichen Fortschritts folgende Hypothesen ab:
H 4:
Je näher die Bundestagswahl 2009 rückt, desto inklusiver ist die Berichterstattung.
18
Im Hinblick auf die hier angesprochene Grafik aus der Studie ist zu bemerken, dass sie den Umfang
aller Informationsangebote mit Wahlbezug darstellt und den Anteil der Nachrichtensendungen nicht separat aufführt. Deshalb kann über den tatsächlichen Umfang der Berichterstattung zur Bundestagswahl in
den Nachrichten keine definitive Aussage getroffen werden. Ein sinkender Umfang wird in diesem Rahmen jedoch als keinesfalls wahrscheinlich angesehen.
27
H 5:
Je näher die Bundestagswahl 2009 rückt, desto weniger ausgewogen ist die
Berichterstattung.
H 6:
Je näher die Bundestagswahl 2009 rückt, desto höher ist der Responsivitätsgehalt der Berichterstattung.
3.1.3
Hypothesen – Diskursqualität
Aus der oben ausgeführten unabhängigen Variablen der ökonomischen Struktur der
verschiedenen Sender und den dahinter stehenden theoretischen Überlegungen in Bezug
auf die inhaltliche Qualität ergibt sich unter dem Gesichtspunkt einer deliberativen Diskursqualität die Überlegung, dass öffentlich-rechtliche Sender deliberative Qualitätskriterien besser erfüllen können als private Sender. Verbunden mit den drei abhängigen
Variablen für die Diskursqualität lassen sich folgende Hypothesen formulieren:
H 7:
Wenn ein Fernsehsender öffentlich-rechtlich organisiert ist, dann gestaltet sich
die Berichterstattung über den Bundestagswahlkampf 2009 ziviler als bei einem
privatwirtschaftlich organisierten.
H 8:
Wenn ein Fernsehsender öffentlich-rechtlich organisiert ist, dann finden sich in
der Berichterstattung über den Bundestagswahlkampf 2009 häufiger Rechtfertigungen als bei einem privatwirtschaftlich organisierten.
H 9:
Wenn ein Fernsehsender öffentlich-rechtlich organisiert ist, dann finden sich in
der Berichterstattung über den Bundestagswahlkampf 2009 häufiger Widerlegungen als bei einem privatwirtschaftlich organisierten.
In der Forschung ist die Rede von einer Abnahme der traditionellen Parteienbindung
und einem Trend hin zu immer späteren Wahlentscheidungen (Maurer & Reinemann,
2006, S. 109). Dies erhöht den Druck auf Parteien und Kandidaten besonders in den
letzten Tagen des Wahlkampfes in den Medien zu erscheinen und die Aufmerksamkeit
der Wähler für sich zu gewinnen. In einer Studie zu Effekten von „„in-your-face„
[Hervorhebung im Original] politics“ (Mutz, 2007) weist Mutz nach, dass „incivility
[...] heightens level of arousal. Arousal is closely tied to level of attention, so one might
expect uncivil political discourse to be especially well remembered” (Mutz, 2007, S.
623). Dies führt zu folgender Annahme:
H 10: Je näher die Bundestagswahl 2009 rückt, desto unziviler wird die Debatte.
Nach Maia (2009) wird die Argumentation der Teilnehmer im Zeitverlauf komplexer.
Diese Komplexität ergibt sich aus der Anzahl der Argumente, die die unterschiedlichen
Gruppen zur Befürwortung ihrer Strategie anführen. Außerdem zeigt Maia, dass die
Sprecher verstärkt aufeinander eingehen und sich dialogische Strukturen herausbilden,
28
je länger die Debatte andauert. Die Tatsache, dass die Sender der Berichterstattung über
den Wahlkampf vorab schon mehr Sendezeit einräumen (Krüger, 2009, S. 610), spricht
dafür, dass Debattenteilnehmer ihre Argumentation besser ausbauen und auch eher auf
andere Sprecher eingehen können. Aus diesen Überlegungen lassen sich die folgenden
beiden Hypothesen ableiten:
H 11: Je näher die Bundestagswahl 2009 rückt, desto mehr Rechtfertigungen finden
sich.
H 12: Je näher die Bundestagswahl 2009 rückt, desto mehr Widerlegungen finden
sich.
3.2 Indikatoren und Design des Messinstruments
3.2.1
Operationalisierung – Diskursstruktur
3.2.1.1 Inklusivität
Mit dem Kriterium der Inklusivität ist die Input-Dimension medialer Diskurse angesprochen; sie beschreibt ihren Grad der Offenheit beziehungsweise Abgeschlossenheit
(Wessler, 2008, S. 4f.; Wessler & Schultz, 2007, S. 16). Zur Operationalisierung dieses
Kriteriums liegen mehrere Vorschläge vor. Wessler und Schultz fordern unter Bezugnahme auf Bernhard Peters Offenheit und äquivalente Chancen für Themen, Ideen und
Argumente. Bennett et al. (2004) analysieren die Urheber der in den Medien vorkommenden „issues“. Einen weiteren Vorschlag liefert Rohlinger (2007), indem sie die Inklusivität anhand von Frames misst. Maia (2009) wiederum bezieht Inklusivität vor allem auf in die mediale Debatte einbezogene Sprecher, ihre Rollen sowie den jeweils
gewährten Umfang in der Medienberichterstattung und verfolgt damit eine ähnliche
Vorgehensweise wie Ferree et al. (2002) in ihrer Studie.19
Für die Operationalisierung der Inklusivität in dieser Studie muss die Tatsache beachtet
werden, dass es sich bei der Bundestagswahl nicht um ein Thema sondern um ein Ereignis handelt, wodurch dieses Kriterium nicht anhand von Argumenten, Ideen oder
Frames gemessen werden kann. Insofern werden als Indikatoren für die Inklusivität der
Wahlberichterstattung die behandelten Themen sowie die Sprecher herangezogen, die
19
Es muss an dieser Stelle verdeutlicht werden, dass Maia und Ferree et al. die Kriterien der Inklusivität
und Ausgewogenheit in eine Dimension zusammenfassen. In der vorliegenden Studie werden die beiden
Kriterien in zwei verschiedenen Dimensionen umgesetzt und ausgewertet. Für die Notwendigkeit dieser
Trennung plädieren auch Bennett et al. (2004, S. 440) mit explizitem Verweis auf Ferree et al.
29
Eingang in die Debatte finden. Weiterhin ergibt sich aus dem Gegenstand der Wahlberichterstattung und dem demokratischen System der Bundesrepublik Deutschland, dass
die Parteien eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielen. Insofern wird als dritter Indikator für die Inklusivität die Präsenz von Parteien festgelegt.
In der Literatur – sogar der Agenda-Setting-Forschung – ist man sich zuweilen unklar
oder uneinig darüber, was unter einem „Thema“ zu verstehen ist (Kuhlmann, 1999, S.
179f.; Rössler, 1997, S.72ff.). Eine oftmals herangezogene Definition liefert beispielsweise Luhmann:
Unter »Themen« [Hervorhebung im Original] wollen wir bezeichnete, mehr oder weniger unbestimmte und entwicklungsfähige Sinnkomplexe verstehen, über die man reden
und gleiche, aber auch verschiedene Meinungen haben kann […] (Luhmann, 1974, S.
32).
In der vorliegenden Arbeit wird als „Sinnkomplex“ ein Beitrag innerhalb der Nachrichtensendung verstanden, dessen Hauptfokus als ein „Thema“ gelten soll. Zur Erhebung
der Themenstruktur wird auf Basis der Parteiprogramme der im Parlament vertretenen
Parteien,20 sowie aus Bevölkerungsumfragen der Forschungsgruppe Wahlen (Forschungsgruppe Wahlen, 2009a, 2009b, 2009c, 2009d, 2009e, 2009f, 2009g, 2009h) ein
aus sachpolitischen Themen bestehender Katalog erstellt. Diese Vorgehensweise begründet sich durch die Anforderung an die Medien im Wahlkampf, einerseits die Wähler auf eine fundierte Wahlentscheidung vorzubereiten, ihnen zu diesem Zweck die
Standpunkte der Parteien deutlich zu machen und andererseits Politiker zu Aussagen
über Themen von öffentlichem Interesse herauszufordern (Gastil, 2008, S. 79ff.; Jamieson, 1992, S. 11; Schultz, 2006, S. 77ff.). Im Anschluss an die Erkenntnis des ersten
Pre-Tests (siehe dazu weiter unten), dass die Berichterstattung aus einem erheblichen
Teil aus reinen Horse-Race-Beiträgen besteht, wird dieser um die die Ausprägungen 18
bis 21 erweitert, woraus sich folgende Themenliste ergibt:
20
Eine anschauliche Zusammenfassung der in den Parteiprogrammen enthaltenen und zentralen Themen
des Jahres findet sich auf den Internetseiten der ARD (tagesschau.de, 2009). Nach Überprüfung der Vollständigkeit und Reliabilität dieser Liste wurde sie als Basis für den Themenkatalog herangezogen.
30
Sachpolitik
1. Atomkraft/Energie
2. Europa
3. Bundeswehr/Afghanistan/Terror
4. Datenschutz/Internet
5. Zuwanderung
6. Arbeitslosigkeit
7. Wirtschaftslage
8. Banken- und Finanzkrise
9. Verdruss Politik/Politiker
10. Bildung/Schule
11. Kosten/Preise/Löhne
12. Familie/Kinder/Jugend
13. Steuern/Steuererhöhungen
14. Gesundheitswesen/Pflege
15. Rente/Alterssicherung
16. soziales Gefälle
17. Umwelt/Klima
Horse-Race-Berichterstattung
18. Wahlkampf/Parteien-PR
19. Koalitionen
20. Wahlberichterstattung
21. Demoskopie
Sonstiges
Wie in Kapitel 2.2 dargelegt, kann jedoch eine Horse-Race-Berichterstattung angesichts
der Vernachlässigung politischer und substantieller Inhalte nicht als deliberativ bezeichnet werden. Insofern dient die Erweiterung der Themenliste der detaillierteren Erhebung und der Vermeidung zu hoher Fallzahlen innerhalb der Ausprägung „Sonstiges“, wird jedoch in der Auswertung nicht als das Deliberativitätskriterium der Inklusivität steigernd betrachtet.
Im Anschluss an die Vorgehensweise des InfoMonitors 2009 werden zudem für jedes
der Themen angesprochene Nebenaspekte erfasst (Krüger, 2010, S. 72), was durch eine
offene Codierung realisiert wird. Damit kann zum Einen detaillierter aufgeschlüsselt
werden, in welcher Art und Weise die jeweiligen Themen in der Berichterstattung behandelt werden und welche Themen angesprochen werden, die nicht den Hauptfokus
des Beitrags bilden. Zum Anderen bietet diese Vorgehensweise die Möglichkeit, Themen, die nicht in der aufgestellten Liste vertreten sind, rückwirkend in die Analyse mit
einzubeziehen.21
Im Rahmen ihrer Ausführungen zu Inklusivität und Proportionalität des Abtreibungsdiskurses führen Ferree et al. aus, es sei wichtig, dass Sprecher aus Zentrum und Peripherie des politischen Systems zu Wort kommen (Ferree et al., 2002, S. 235). Aufbauend auf das von Bernhard Peters entworfene und von Habermas übernommene Zentrum-Peripherie-Modell (Habermas, 1992, S. 429ff.; Peters, 1993, S. 327ff.) entwirft
Wessler eine Sprechertypologie, die sich grundlegend in die beiden Bereiche von politischem Zentrum und Peripherie unterteilt. Zwischen diesen beiden Bereichen stehen als
dritte Gruppe die Journalisten (Wessler, 1999, S. 71ff.). Dieses Modell übernehmen in
21
Es wäre in diesem Sinne denkbar, dass Themen Eingang in die Berichterstattung finden, die durch
andere als die im Parlament vertretenen Parteien aufgeworfen und auch nicht durch die Bevölkerung
genannt wurden. Dies war jedoch in keiner der untersuchten Sendungen der Fall, insofern erwies sich die
Kategorie im Hinblick auf ihre Ausprägungen sowohl nach dem Pre-Test als auch nach der Hauptcodierung als vollständig.
31
seinen Grundzügen auch Ferree et al. (2002) sowie andere Studien, die sich mit öffentlichen Diskursen und deren medialer Vermittlung beschäftigen (Gerhards, Neidhardt &
Rucht, 1998, S. 100ff.; Kuhlmann, 1999, S. 196ff.).
Angepasst wird die Typologie in dieser Studie vor allem auf die im Parlament vertretenen Parteien, die sowohl in Bezug auf die Legislative als auch die Exekutive (Regierung) erhoben werden sollen (Näheres dazu im folgenden Abschnitt). Darüber hinaus
wird aufbauend auf der Sprechertypologie von Rousiley C. M. Maia die Kategorie der
Künstler und Prominenten hinzugefügt (Maia, 2009, S. 320), welche zur Peripherie des
politischen Systems gezählt werden können. Zudem wird hinsichtlich der Journalisten
eine weitere Differenzierung vorgenommen. Aus diesen theoretischen Anlehnungen und
der partiellen Weiterentwicklung ergibt sich folgende Sprechertypologie:22
1. Zentrum des politischen Systems
a. Legislative/Parteien
CDU/CSU
FDP
SPD
Die Grünen
Die Linke
Sonstige
b. Verwaltung und Regierung
CDU/CSU
SPD
Sonstige /ohne Partei
2. Peripherie des politischen Systems
a. Interessengruppen, -verbände
b. soziale Bewegungen
c. Experten/Intellektuelle
d. Advokaten
e. Problembetroffene/Bürger
f. Künstler/Prominente
g. Journalisten und andere Medienschaffende
(Nicht-Angehörige der Nachrichtensendung)
3. Journalisten (Angehörige der Nachrichtensendung)
4. Sonstige
c. Judikative
Hinsichtlich des Vorkommens von Parteien in der Berichterstattung wird zum Einen auf
die Sprechertypologie und damit auf die ihnen gewährten Aussagen zurückgegriffen. Im
Gegensatz zu anderen Erhebungen – beispielsweise dem ARD/ZDF Wahlmonitor 2009
(Krüger & Zapf-Schramm, 2009) – wird in diesem Rahmen jedoch die Auffassung vertreten, dass dieses Element nicht ausreichend ist. Deshalb soll zum Anderen erhoben
werden, inwieweit die Parteien durch die Journalisten und andere Sprecher in der Berichterstattung thematisiert werden. Insofern werden als ergänzende Indikatoren zur
Präsenz der Parteien deren sprachliche und explizite Nennungen, gleich durch welche
Akteure, mit in die Analyse einbezogen.
3.2.1.2 Ausgewogenheit
Das Kriterium der Ausgewogenheit des medialen Diskurses ist aus Deliberationssicht
ein zweischneidiges Schwert. Einerseits lassen sich etwaige Ungleichheiten erheben und
22
Erläuterungen der Sprechertypen – insbesondere derjenigen der politischen Peripherie – finden sich in
der erwähnten und in weiterer Literatur (Neidhardt, 1994, S. 14f.; Peters, 1997; Wessler, 1999, S. 71ff.).
32
thematisieren, andererseits jedoch gestaltet sich seine Definition nicht wenig problematisch. Kritisch ist vor allem die Bestimmung und Begründung des anzulegenden Maßstabs, also die Antwort auf die Frage, wann der Diskurs ausgewogen oder verzerrt ist.
Wie Wessler und Schultz bemerken, ist es charakteristisch für den massenmedialen
Diskurs, dass nicht allen Sprecher die gleichen Äußerungschancen zukommen, wodurch
die Verteilung der Sprecher letztlich keine Schlussfolgerung auf die Deliberativität der
Debatte zulässt (Schultz, 2006, S. 57ff.; Wessler, 2008, S. 3; Wessler & Schultz, 2007,
S. 20). Bestärken lässt sich diese Feststellung in Bezug auf den Gegenstand dieser Studie. So dreht sich die Berichterstattung zur Bundestagswahl per definitionem um das
politische Zentrum, wodurch die Transparenzfunktion aus Deliberationssicht hier eine
völlig andere ist als beispielweise die in der von Ferree et al. (2002) untersuchten Debatte. Insofern wird die Verteilung der Sprecher nicht als Indikator für die Ausgewogenheit der Berichterstattung herangezogen.
Vielmehr muss die Messung der Ausgewogenheit kontextspezifisch erfolgen. So erheben beispielsweise Bennett et al. (2004) die Verteilung der in der Kontroverse um das
World Economic Forum (WEF) behandelten Themen anhand ihrer Quelle. Wie oben
bereits erwähnt, handelt es sich jedoch bei der Bundestagswahl einerseits nicht um eine
Kontroverse, andererseits sind die wenigsten Themen eindeutig einem Akteur zuzuordnen. Unausgewogenheiten hinsichtlich der Themenstruktur können jedoch trotzdem
Ausdruck von auf den Diskurs ausgeübter Macht einzelner Akteure sein, was einem
„herrschaftsfreien Diskurs“ im Habermas‟schen Sinne (siehe Kapitel 2.1.1) im Wege
stünde. Insofern soll die Ausgewogenheit zum Einen anhand der behandelten Themen
beurteilt werden, zum Anderen entlang der Präsenz der Parteien in der Berichterstattung. Anhand der Sprecheraussagen von Parteiangehörigen soll beurteilt werden, ob die
Medien im Wahlkampf die verschiedenen Parteien in ausgewogenem Maße zu relevanten Aussagen herausfordern oder sie ihnen ermöglichen.23 Die Parteinennungen sind ein
Indikator dafür, inwieweit die Parteien in ausgewogenem Maße thematisiert und die
Bürger – mutmaßlich – über deren Programme in Kenntnis gesetzt werden und ob dabei
unter den Parteien Chancengleichheit besteht.
23
Das Argument von Wessler und Schultz (2007), dass nicht alle Sprecher die gleichen Äußerungschancen besitzen, kann im Hinblick auf die Parteien nicht angewandt werden, da sie zum Einen alle dem politischen Zentrum angehören und sich die Forderung ihrer Ausgewogenheit zum Anderen aus dem Gegenstand der Berichterstattung, der Bundestagswahl, ergibt. Dieser dreht sich im demokratischen System der
Bundesrepublik Deutschland schließlich hauptsächlich um die (Wahl der) Parteien.
33
Hinsichtlich der Erhebung der Themen wird die bereits vorgestellte Themenliste herangezogen. Dabei soll die Ausgewogenheit der Themen in einer negativen Weise beurteilt
werden und somit analysiert werden, ob starke Ungleichgewichte und ausgeprägt starke
Präsenzen einzelner Themen in der Berichterstattung vorliegen. Diese Vorgehensweise
verfolgen auch Bennett et al.; sie legen ebenso keinen bestimmten Maßstab an, sondern
erwähnen Verzerrungen innerhalb der Dimension „Recognition“ (Bennett et al., 2004,
S. 448f.).
Zudem wird das Verhältnis zwischen Sachpolitik und Horse-Race-Berichterstattung
fokussiert. Hierbei sollte im Hinblick auf die in Kapitel 2.2 erläuterten nichtdeliberativen Tendenzen in der Wahlberichterstattung eine an Sachthemen orientierte
Berichterstattung zumindest überwiegen. Zudem wird es im Hinblick auf die Überprüfung der Hypothesen vor allem um die (Un-)Ausgewogenheit im Vergleich zwischen
den verschiedenen Sendern sowie im zeitlichen Verlauf der Debatte gehen.
Um die von Wessler angesprochene, Deliberation verhindernde Berichterstattung entlang einer „partisan line“ (Wessler, 2008, S. 8) diagnostizieren zu können, sollen die
oben genannten Elemente der Parteienpräsenz nicht nur im Hinblick auf Inklusivität
sondern auch auf Ausgewogenheit hin beurteilt werden. Auch hier stellt sich allerdings
die Frage nach dem geeigneten Maßstab. Ferree et al. (2002) liefern dazu einen Vorschlag: Die Parteienpräsenz, die sie anhand der Sprecheräußerungen messen, vergleichen sie mit der Sitzverteilung im Bundestag, was sie als Kriterium der „Proportionalität“ umschreiben (Ferree et al., 2002, S. 232ff.). Dieser Maßstab ist relativ leicht umzusetzen, muss allerdings als konservativ bezeichnet werden. In diesem Sinne scheint auch
Schultz in seiner Studie zur Deliberation in politischen Talkshows die einem „ProporzSystem“ folgende Politikerstruktur eher zu kritisieren. Gleichwohl weist er darauf hin,
dass zumindest Regierung und Opposition in annähernd gleichem Maße in den Talkrunden vertreten zu sein scheinen (Schultz, 2006, S. 179). Die Ausgewogenheit dieser
zwei Lager ist ein weniger starrer Vorschlag als der von Ferree et al., gestaltet sich allerdings im Hinblick auf die Große Koalition des 16. Bundestages vor der vergangenen
Wahl ebenso als problematischer Maßstab. Im Anschluss an die von Habermas entworfene und in Kapitel 2.1.1 erläuterte ideale Sprechsituation (Habermas, 1992), die den
normativen Maßstab für deliberative Debatten darstellt, wird im Gegensatz zu beispielsweise Ferree et al. (2002) der Maßstab einer Gleichverteilung der Präsentation der
Parteien gewählt. Gerade im Hinblick auf die hier untersuchte Berichterstattung zur
Bundestagswahl sollte zur Erzielung einer hohen Deliberativität allen Parteien die glei34
che Chance zur Äußerung und zudem der gleiche Raum dafür zur Verfügung gestellt
werden.
3.2.1.3 Responsivität
In Anlehnung an Ferree et al. (2002) bezeichnet Responsivität das Vorhandensein einer
dialogischen Struktur in der Berichterstattung: “dialogic structure, measures the presence of speakers with opposing views in the same article“ (Ferree et al., 2002, S. 240). Da
die Autoren Artikel in Tageszeitungen untersuchen, wird dieses Merkmal in dieser Studie auf die äquivalente Ebene von Fernsehnachrichten übertragen. In diesem Sinne wird
durch das Kriterium der Responsivität erhoben, ob in einem Beitrag mehrere Sprecher
mit verschiedenen Ansichten zu einem Thema zu Wort kommen. Als mögliche Ausprägungen nennen Ferree et al. weiterhin „One direction only“ – mit der Aufteilung in
„Only Anti“, „Only Pro“ und „Only Neutral“ – sowie „Both Directions“ (Ferree et al.,
2002, S. 240). Da es hinsichtlich der oben genannten Themen nicht (immer) möglich ist,
zwischen Pro und Anti zu unterscheiden und auch mehr als zwei Sichtweisen zu einem
Thema in der Berichterstattung erwähnt werden können, kann die Operationalisierung
der Autoren hier nicht angewendet werden. Zudem missachten Ferree et al. ein weiteres
Element von Responsivität, das Wessler verdeutlicht:
But responsiveness contains an additional element, namely that the two actors and their
claims are not only reported but that a link is established between the claim and the
counterclaim (Wessler, 2008, S. 12).
Insofern muss es sich um sogenannte „reaction stories“ handeln, in der „responses“ auf
„claims“ wiedergegeben werden (Bennett et al., 2004, S. 450). Erforderlich ist deshalb
eine explizite Verbindung mindestens zweier Standpunkte, was eine hohe Anforderung
an die Berichterstattung darstellt.24 In Bezug auf Fernsehnachrichten scheint dies allerdings nicht unrealistisch, glaubt man den Ausführungen von Simon Cottle und Mughda
Rai (2006). Die Autoren stellen die These auf, dass auch Fernsehnachrichten deliberativ
sein können, wenn darunter mehr verstanden wird als lediglich ein rationaler Argumentenaustausch. Cottle und Rai verstehen in ihrem Aufsatz Nachrichtensendungen als eine
Form „kommunikativer Architektur“ und stellen eine Typologie verschiedener „kommunikativer Frames“ auf, mit Hilfe derer verschiedene Nachrichtenbeiträge charakterisiert werden können (Cottle & Rai, 2006, S. 171). Zwei dieser Frames, die sie in die
Kategorie „Deliberation/dialogue“ einordnen, können als ausgestattet mit Responsivität
im Sinne von Ferree et al. (2002), Wessler (2008) sowie Bennett et al. (2004) bezeich24
So können beispielsweise Bennett et al. (2004) diese Form in ihrer Studie nicht ein einziges Mal finden.
35
net werden: „Contest“ und „Contention“. So werden im „Contest“-Frame zwei Standpunkte von Akteuren gegenüber gestellt, jeweils durch Aussagen eines Reporters miteinander verbunden (Cottle & Rai, 2006, S. 172f.). Im „Contention“-Frame werden mehr
als zwei Stimmen und Meinungen erwähnt. Es handelt sich mehr um eine Konfliktstruktur, die jedoch ebenso durch einen Reporter geleitet wird (Cottle & Rai, 2006, S. 173f.).
Da diese beiden kommunikativen Frames zum Einen durch die Autoren unter dem
Schlagwort der Deliberation eingeordnet werden und zum Anderen in ihrem Aufbau
sowohl Responsivität mit zwei als auch mit mehreren Standpunkten fassen, wird in Anlehnung an Cottle und Rai für das Kriterium der Responsivität erfasst, ob es sich bei
einem Nachrichtenbeitrag um einen „Contest“ oder um eine „Contention“ handelt, wobei das Kriterium der Responsivität erfüllt wäre. Alternativ liegt eine als „Sonstige“
bezeichnete Form vor, die jedoch nicht detaillierter aufgeschlüsselt wird, da das Kriterium der Responsivität in einem solchen Fall ohnehin nicht erfüllt ist.
Eine letzte Bedingung betrifft die Art und Weise der Standpunkte sowie ihre Urheber.
Wie Wessler (2008) und auch Bennett et al. (2004) fordern, ist die Aufgabe der Journalisten respektive der Medien: „invite those with opposing views or claims to respond
directly to each other“ (Bennett et al., 2004, S. 439). Daraus geht einerseits hervor, dass
es sich bei den verschiedenen Standpunkten um „opposing“, also entgegengesetzte und
nicht gleiche oder ähnliche Ansichten handeln muss. Andererseits wird deutlich, dass
ein von dem Medium – in diesem Kontext von der jeweiligen Nachrichtensendung sowie von den an ihr beteiligten Journalisten – selbst ausgedrückter Standpunkt nicht als
Responsivität herstellend betrachtet werden kann. In Bezug auf die Kategorie des Responsivitätsgehalts ergeben sich somit folgende Ausprägungen:
1. Contest
2. Contention
3. Sonstiges
3.2.2
Operationalisierung – Diskursqualität
Im folgenden Abschnitt wird die Übersetzung der abhängigen Variablen Zivilität,
Rechtfertigung und Widerlegung in Indikatoren beschrieben. In Anlehnung an Wessler
wird zwischen Rechtfertigung und Widerlegung unterschieden. Maia hingegen fasst
diese beiden Variablen zu einer einzigen zusammen: „Use of arguments [Hervorhebung
im Original]“ (Maia, 2009, S. 317). Theoretisch steht dahinter, wie Maia unter Bezugnahme auf mehrere Theoretiker feststellt, „the ideal of political justification and the
36
reciprocal reason-giving in public” (Maia, 2009, S. 324). Alle drei Variablen werden in
der vorliegenden Arbeit auf Ebene der einzelnen Sprecheraussagen erhoben.
3.2.2.1 Zivilität
Die abhängige Variable der Zivilität wird mit Hilfe der Inzivilität operationalisiert, da in
der genannten Literatur sehr häufig diese Vorgehensweise genutzt wird. Im folgenden
Abschnitt werden verschiedene Ausprägungen des Konstrukts hergeleitet. Zivilität bezeichnet einerseits den respektvollen Umgang der Sprecher innerhalb der Debatte untereinander, also einen Verzicht auf „being [...] unusually impolite“ (Mutz, 2007, S. 624),
sowie auf
nonverbal cues (such as rolling of the eyes) and phrases devoid of explicit political content (such as „You have completely missed the point here!‟ [Hervorhebung im Original]). The candidates in the uncivil condition also raised their voices and interrupted one
another. In the civil version, the politicians spoke calmly throughout and were patient
and respectful while the other person spoke (Mutz, 2007, S. 625).
Hieraus leiten sich die Ausprägungen „Unterbrechung eines Sprechers“, „Persönlicher
Angriff auf einen anderen Akteur“ und „Non-verbale Unhöflichkeiten“ ab. Zu zivilem
Verhalten der Debattenteilnehmer gehört andererseits auch die Abwesenheit von „„hot
button‟ [Hervorhebung im Original] language, that is, words that are likely to outrange
opponents“ (Ferree et al., 2002, S. 239). Hierfür wird die Ausprägung „Gebrauch von
Schimpfwörtern“ eingeführt. Nach dem ersten Pre-Test hat sich jedoch gezeigt, dass
diese Ausprägung etwas grob gefasst ist. Es haben sich nämlich zahlreiche inzivile
sprachliche Äußerungen gefunden, die allerdings auch nicht in die Gruppe „Gebrauch
von Schimpfwörtern“ fallen.
Um das Messinstrument zu verfeinern, wird der detailliertere Vorschlag zur Untersuchung der Zivilität in medialen Debatten von Deana A. Rohlinger zur Anregung herangezogen. Rohlinger schlägt in einer Studie zur amerikanischen Abtreibungsdebatte
(Rohlinger, 2007) vier verschiedene rhetorische Stile zur Untersuchung von Aussagen
journalistischer Moderatoren vor:
Here, I coded the rhetorical styles of journalists [Hervorhebung im Original] used to describe the arguments, activities, and/or advocates of the pro-choice and pro-life positions. There are four, mutually exclusive rhetorical styles: vilification, partisan, valorization, and neutral (Rohlinger, 2007, S. 130).
Diese rhetorischen Stilfiguren geben den Anstoß dazu, auch in dieser Studie eine weitere Ausprägung zu definieren, die inzivile Äußerungen fasst, welche nicht unter die Aus37
prägung „Gebrauch von Schimpfwörtern“ fallen. Es wird daher die Gruppe „Herabwürdigender Sprachgebrauch“ hinzugefügt. Eine Unterscheidung in verschiedene Arten
rhetorischer Stile, wie Rohlinger sie vorschlägt, wird hier nicht übernommen, da außer
der neutralen Stilfigur alle anderen Figuren als inzivil einzustufen sind. Mit anderen
Worten: Anders als bei Rohlinger wird nicht zwischen positivem oder negativem rhetorischen Stil unterschieden. Es ist vielmehr von Bedeutung, ob beispielsweise Zynismus,
Ironie oder Sarkasmus Eingang in die mediale Wahlberichterstattung finden und durch
wen sie getätigt werden.
Zwar wird Rohlingers Begrenzung der Analyse allein auf journalistische Aussagen mit
der Begründung
while opponents may not always be civil to one another, journalists in both mainstream
and political outlets should generally promote agreement among diverse groups. As
such, journalists should not take sides in these debates (Rohlinger, 2007, S. 130)
als eine interessante Vorgehensweise anerkannt, jedoch ist die Stichhaltigkeit des Arguments nicht einleuchtend genug. Deshalb wird in dieser Studie eine solche Einschränkung nicht vorgenommen.
Zivilität meint außerdem den respektvollen Umgang der Journalisten mit den Debattierenden. Aussagen von Sprechern können daher auch durch auditive Schnitte unterbrochen werden. In diesem Rahmen gilt eine Aussage jedoch nur dann als unterbrochen,
wenn die Aussage des Sprechers durch einen Schnitt semantisch unvollständig oder
sinnlos wird. Eine weitere Dimension von Inzivilität bildet die Kameraperspektive.
Kameraeinstellungen, die nur das Gesicht eines Akteurs zeigen, werden als inziviler
gegenüber denen definiert, die auch noch den Oberkörper oder die ganze Person des
Sprechers zeigen:
It has become common to show talking heads engaged in political repartee from an extremely close perspective. To obtain the same perspective on another person in real life,
one would need to be virtually kissing him or her. In this sense televised political discourse can be described as doubly „in your face‟ [Hervorhebung im Original]; it is both
unusually uncivil relative to everyday conversations, and it also creates the impression
that, quite literally, the political speakers are in your face, that is, unnaturally and uncomfortably close for a nonintimate acquaintance and public figure (Mutz, 2007, S.
623).
Zu einer inzivilen Darstellung zählen damit die Kameraeinstellungen, die Akteure oder
Ausschnitte von Akteuren, wie beispielsweise nur das Gesicht oder nur die Augen, in
der Großen (close-up) oder der Detailaufnahme (extreme close-up) zeigen. Unter einer
38
Großen wird in Anlehnung an Borstnar, Pabst und Wulff eine Kameraeinstellung verstanden, die „das Gesicht einer Figur oder ein kleineres Objekt (z. B. eine Tasse) bildfüllend [erfasst]“ (Borstnar, Pabst & Wulff, 2002, S. 91). Bei einer Detailaufnahme hingegen wird „ein Detail eines Gesichtes (z. B. das Auge) oder ein sehr kleines Objekt [...]
formatfüllend abgebildet“ (Borstnar, Pabst & Wulff, 2002, S. 91).25 Dies gilt allerdings
nur für Personen oder Ausschnitte von Personen, nicht für Objekte.
Somit lässt sich Inzivilität in zwei Dimensionen unterschieden: Inziviles Verhalten der
Debattenteilnehmer selbst und eine inzivile Inszenierung der Teilnehmer durch die Medienschaffenden. Inzivilität wird außerdem auf zwei Ebenen erhoben: der akustischen
und der visuellen Ebene:
Akustische Ebene
1. Gebrauch von Schimpfwörtern
2. Herabwürdigender Sprachgebrauch
3. Unterbrechung eines Sprechers
4. Unterbrechung durch das Medium
5. Persönlicher Angriff auf einen anderen Akteur
Visuelle Ebene
6. Non-verbale Unhöflichkeiten
7. Inzivile Kameraeinstellung
8. Sonstige
3.2.2.2 Rechtfertigung
Um die Standpunkte von Debattenteilnehmern nachvollziehen und verstehen zu können,
sind sowohl die Zuschauer als auch die anderen Teilnehmer darauf angewiesen, dass der
Sprecher seine Gründe explizit darlegt. Ein wichtiges Element in deliberativen Diskursen ist daher die Rechtfertigung. Die Benennung der Variable orientiert sich an dem
normativen Modell zur Messung von Deliberativität von Hartmut Wessler (2008). In
Anlehnung daran wird Rechtfertigung verstanden als „the demand to give reasons for a
claim“ (Wessler, 2008, S. 10). Rechtfertigungen sind also sprachliche Äußerungen, die
eine argumentative Struktur haben (Kuhlmann, 1999, S. 84) und
nicht (ausschließlich) auf Formen der Verlautbarung, des Bekenntnisses, der schlichten
Behauptung oder Bekräftigung des einfachen Meinungsstatements, der bloßen Information, reiner Polemik, Drohung, Narration, Selbstoffenbarung beruhen (Schultz, 2006, S.
352).
Mit anderen Worten sind es Aussagen, die durch eine rationale Begründung des Urhebers gestützt werden, wobei eine Begründung „der Verteidigung des Geltungsanspruchs
auf Richtigkeit von Handlungen, Zielen, Interessen und Regeln [dient]“ (Kuhlmann,
1999, S. 327). In Anlehnung an Christoph Kuhlmann wird hierbei zwischen Begrün-
25
Für Erläuterungen weiterer Kameraeinstellungen siehe Borstnar, Pabst & Wulff, 2002, S. 91.
39
dung, Beweis und Erklärung unterschieden. Zwar genügen nur Begründungen dem hier
zugrunde gelegten Anspruch an Deliberativität, doch können Beweise und Erklärungen
als Deliberativitätsbemühungen charakterisiert werden, da sie kommunikative Geltungsansprüche nach Habermas stützen. So stützt eine Erklärung den Geltungsanspruch
der Verständlichkeit, welcher die Voraussetzung für einen Diskurs bildet, ein Beweis
stützt hingegen den Anspruch der Wahrheit, da er einen nachvollziehbaren Vollzug zur
Realität herzustellen versucht. Definiert werden diese drei Konstrukte, die alle auf die
Frage „Warum?“ antworten folgendermaßen:
Begründungen begründen, warum etwas getan wird, oder getan werden soll, warum bestimmte Ziele und Interessen verfolgt werden oder verfolgt werden sollen. Beweise beweisen, daß etwas so ist, wie behauptet wird. Erklärungen erklären, warum etwas so ist
wie es ist (Kuhlmann, 1999, S. 327).
In seiner Studie zu politischen Argumentationsbemühungen in den Massenmedien entwickelt Kuhlmann (1999) ein höchst komplexes und sehr detailliertes Konstrukt zur
Messung von Rechtfertigungen.
Gerhards, Neidhardt und Rucht (1998), die in ihrer Studie zum Abtreibungsdiskurs in
deutschen Qualitätszeitungen eine sehr einfache Operationalisierung des Konzepts
Rechtfertigung vorschlagen, gelangen erstaunlicherweise zu einem sehr ähnlichen Ergebnis wie Kuhlmann, wie Wessler feststellt (Wessler, 2008, S. 10). Dies legt nahe,
dass eine so detaillierte und komplizierte Operationalisierung, wie Kuhlmann sie vorschlägt, nicht unbedingt zielführender sein muss. In dieser Analyse wird daher eine Mischung der beiden Vorgehensweisen herangezogen. Die einfache Umsetzung der Variable Rechtfertigung, wie Gerhards, Neidhardt und Rucht sie vorschlagen, wird beibehalten und durch die oben dargestellte Unterscheidung zwischen Begründung, Erklärung
und Beweis von Kuhlmann erweitert. Damit ergeben sich für die Kategorie Rechtfertigung folgende Ausprägungen:
1.
2.
3.
4.
Aussage allein
Aussage mit Begründung
Aussage mit Erklärung
Aussage mit Beweis
3.2.2.3 Widerlegung
Diskursive Debatten setzen auch auf Ebene der Aussagen einen Fokus auf das Kriterium
des Dialoges:
40
A dialogic process is one in which the participants provide fully developed arguments
for their own position and take seriously and respond to the arguments of others (Ferree
et al., 2002, S. 240).
Die dritte im Hinblick auf die Diskursqualität untersuchte Variable der Widerlegung
bezeichnet die „presence of an idea that refers to and argues against an idea that it
opposes [Hervorhebung im Original]” (Wessler, 2008, S. 10). Sie beinhaltet damit zwei
Aspekte: Einerseits den Bezug der Aussage eines Akteurs auf die Ideen, Vorstellungen
oder Aussagen eines anderen Akteurs. Andererseits aber auch die Formulierung eines
Gegenarguments zu einer solchen Idee.
In ihrer Studie „Shaping Abortion Discourse“ setzen Ferree et al. (2002) diese Variable
um, indem sie eine umfangreiche Liste26 von „rebuttal ideas“ (Ferree et al., 2002, S.
241) zum Abtreibungsdiskurs aufstellen und die mediale Berichterstattung auf ihr Vorkommen hin überprüfen. Diese Operationalisierung ist für die vorliegende Studie allerdings wenig zielführend, da es sich bei der Berichterstattung über die Bundestagswahl
keineswegs um ein gesellschaftlich strittiges Thema handelt, für welches vorweg verschiedene Argumente erhoben werden könnten. Vielmehr ist die Bundestagswahl – wie
bereits in Kapitel 3.1.1 beschrieben – ein Ereignis.
Daher werden in dieser Studie keine themenspezifischen Cluster von „rebuttal ideas“
(Ferree et al., 2002, S. 241) untersucht, sondern vielmehr allgemeiner überprüft, ob Widerlegungen von Sprechern im Diskurs verwendet werden.
Es ergeben sich damit folgende Indikatoren:
1. Aussage allein
2. Aussage mit Bezugnahme
3. Aussage mit Gegenargument
3.3 Materialauswahl und Codierung
Zur Untersuchung der Wahlberichterstattung zur Bundestagswahl 2009 wird die Methode der quantitativen Inhaltsanalyse gewählt und mit dem Annotationsprogramm
ANVIL durchgeführt. Entlang der unabhängigen Variable der ökonomischen Struktur
der Sender werden als Untersuchungsmaterial die Hauptnachrichtensendungen der bei-
26
Die vollständige Liste der rebuttal ideas findet sich im methodischen Appendix (Ferree et al., 2002, S.
320-324).
41
den Bereiche mit den höchsten Marktanteilen im deutschen Fernsehen herangezogen:
Tagesschau (ARD), heute (ZDF), RTL Aktuell (RTL) und Sat.1 Nachrichten (Sat.1).27
Die gewählten Sendungen wurden von den Verfasserinnen an jedem Tag im Zeitraum
vom 08. Juni 2009 bis zum 04. Oktober aufgezeichnet.28 Für die Definition der Grundgesamtheit orientiert sich die Studie grundlegend am ARD/ZDF Wahlmonitor, der neun
Wochen der Fernsehberichterstattung, beginnend mit dem 3. August 2009 untersuchte
(Krüger & Zapf-Schramm, 2009). Abweichend zu dieser Erhebung wird jedoch in der
vorliegenden Arbeit die Berichterstattung nach der Bundestagswahl außer Acht gelassen. Somit endet der Untersuchungszeitraum mit dem Tag vor der Wahl und damit dem
26. September 2009. Diese Einschränkung gründet darauf, dass das Untersuchungsinteresse in dieser Studie der medienvermittelten Deliberation gilt, die die Wähler als Basis
für ihre Wahlentscheidung aus den Nachrichtensendungen erhielten. Somit ist die Berichterstattung nach der Wahl, die sich vermutlich hauptsächlich um Koalitionsverhandlungen und -spekulationen drehte, nicht mehr relevant. Das Material wird zudem anhand der Ergebnisse des ARD/ZDF Wahlmonitors weiter eingeschränkt. Wie die Autoren der Veröffentlichung darlegen, kann erst ab dem Zeitpunkt der Landtagswahlen am
30. August 2009 von einer umfangreichen Wahlberichterstattung die Rede sein (Krüger
& Zapf-Schramm, 2009, S. 625f.). Zudem existieren, wie auch Maurer und Reinemann
feststellen, in der Forschung verschiedene Ansätze zur Untersuchung der Wahlberichterstattung. Je nach Studie werden entweder mehrere Monate oder lediglich die letzten
vier bis sechs Wochen vor der Wahl, die sogenannte „heiße Phase“, betrachtet (Maurer
& Reinemann, 2006, S. 112ff.).29 In der vorliegenden Studie wird hinsichtlich des Zeitraums die letztgenannte Möglichkeit gewählt und als Grundgesamtheit die Berichterstattung vom 30. August bis zum 26. September 2009 definiert, welche in Form einer
Vollerhebung untersucht wird. Dies bietet diverse Vorteile: Es müssen keine Überlegungen darüber erfolgen, welche Elemente der Grundgesamtheit für eine repräsentative
27
Analog zum Wahlmonitor wird ProSieben nicht in die Analyse einbezogen. Die Autoren der Veröffentlichung der Studie schreiben dazu: „ProSieben wurde aufgrund seiner marginalen Wahlinformationsangebote in der Analyse nicht berücksichtigt [= Fußnote 1)]“ (Krüger & Zapf-Schramm, 2009, S. 635).
28
Die Daten entsprechen damit dem Zeitraum vom Tag nach der Europawahl am 07. Juni 2009 bis eine
Woche nach der Bundestagswahl am 27. September 2009. Insbesondere der Beginn der Datensammlung
wurde gemäß der Überlegung, dass hier mit einer größeren Sicherheit über den Bundestagswahlkampf
und nicht mehr über den Europawahlkampf berichtet wurde, ausgewählt.
29
Manche Studien bzw. Theoretiker sprechen von Wahlkampfberichterstattung oder Berichterstattung im
Wahlkampf (Plasser & Lengauer, 2009; Schulz, 2008; Schulz & Zeh, 2006), manche von Wahlberichterstattung (Brettschneider, 2002a; Krüger & Zapf-Schramm, 2002, 2009), was sich im Gegenstand jedoch
nicht grundsätzlich unterscheidet. Die Autorinnen plädieren allerdings für den Ausdruck der Wahlberichterstattung, da hier explizit die Deliberativität der Informationen zur Wahl als Basis für die Entscheidung der Bürger im Vordergrund steht und (optimalerweise) nicht der Wahlkampf der Parteien.
42
Stichprobe ausgewählt werden sollen. Insbesondere angesichts der in dieser Studie angestrebten Aussagen über Änderungen der Deliberativität im Zeitverlauf könnten sich
Probleme aus etwaigen Differenzen in der Berichterstattung an verschiedenen Wochentagen ergeben.
Zudem ist eine Vollerhebung zwar in der Phase der Codierung aufwendiger, bietet jedoch innerhalb der Auswertung den Vorteil, dass die Berechnung von Signifikanzwerten, die angeben, ob die durch eine Stichprobe gewonnenen Erkenntnisse mit geringer
Irrtumswahrscheinlichkeit auf die Grundgesamtheit bezogen werden können, entfällt.
Dies betrifft sowohl ein – zwar selten vorkommendes aber mögliches – unrechtmäßiges
Verwerfen der Nullhypothese (α-Fehler) oder aber eine fälschliche Ablehnung der Alternativhypothese (β-Fehler), die lediglich auf einer nicht repräsentativen Stichprobe
beruhen kann. Durch die Vollerhebung kann die Gefahr von solchen aus der Stichprobenziehung resultierenden Fehlern hinsichtlich der Ergebnisse von vornherein ausgeschlossen werden und die Ermittlung der α-Fehler-Wahrscheinlichkeit als auch der in
den meisten Studien vernachlässigten β-Fehler-Wahrscheinlichkeit wird obsolet (Bortz
& Döring, 2007, S. 26, 498ff.). Doch nicht nur praktisch gesehen ist dies ein Vorteil;
auch präzise Signifikanztests schließen eine falsche Bestätigung oder Ablehnung von
Hypothesen nicht aus. Insofern wird die hohe Relevanz der Tests in der sozialwissenschaftlichen Forschung, ihr Nutzen oder doch eher Schaden in der Literatur kontrovers
diskutiert (Harlow, 1997; Morrison, 1973). Letztendlich können bei Studien mit Stichprobenziehung durch den Verlass auf Tests entstehende Fehler und Unsicherheiten nur
durch eine Wiederholung der Untersuchung mit einer alternativen Stichprobe behoben
oder reduziert werden (Bortz & Döring, 2007, S. 25ff.). Die Daten dieser Studie hingegen sind in höchstem Maße robust und aussagekräftig (Häder, 2010, S. 139ff.), ermöglichen jede Form der Auswertung und lassen in Bezug auf die Repräsentativität der
Stichprobe keinerlei Zweifel an der Hypothesenprüfung aufkommen. Auf statistische
Tests wird bei der Ergebnisdarstellung trotzdem nicht verzichtet werden. Dies betrifft
vor allem die Prüfung der in den Hypothesen formulierten Zusammenhänge. Um Aussagen über deren Präsenz respektive Stärke treffen zu können, werden Prozentsatzdifferenzen (d%) sowie die Assoziationsmaße Cramer‟s V und Eta (η) herangezogen werden.30 Die Vorhersagequalität der abhängigen durch die unabhängigen Variablen wird
durch die PRE-Maße Lambda (λ) und Eta-Quadrat (η²) beurteilt werden.
30
Die Begriffe Assoziations-, Korrelations- und Kontingenzmaß respektive -koeffizient werden dabei in
Anlehnung an Benninghaus synonym verwendet (Benninghaus, 2002, S. 67).
43
Das Analysematerial bildet also analog zur Grundgesamtheit die gesamte Wahlberichterstattung der Hauptnachrichtensendungen von ARD, ZDF, RTL und Sat.1 in der „heißen Phase“ des Wahlkampfs. Wie Maurer und Reinemann herausstellen, wird allerdings
auch der Gegenstand der Wahlberichterstattung in verschiedenen Studien unterschiedlich definiert. Einmal wird die komplette Berichterstattung vor der Wahl mit einbezogen, ein anderes Mal nur Beiträge mit explizitem Wahlbezug. Das Aufgreifkriterium
wird in diesem Sinne ebenso entlang der Umsetzung des ARD/ZDF Wahlmonitors definiert. Damit wird ein Beitrag lediglich dann bei der Codierung beachtet, wenn dieser
einen Bezug zur Bundestagswahl 2009 aufweist; dies bedeutet konkret, wenn die Bundestagswahl Hauptgegenstand des Beitrags ist oder von einem beliebigen Sprecher explizit genannt und ein Bezug zum Beitragsthema – beispielsweise der Finanzkrise –
aufzufinden ist.31 Die sonstige politische Berichterstattung ohne konkreten Bezug auf
die Bundestagswahl wird damit nicht in die Analyse mit einbezogen. Zwar liefert diese
in der Regel ebenso Informationen zu politischen Themen und Ereignissen, allerdings
wird die Überlegung angestellt, dass erst mit dem Schlagwort der Wahl eine thematische Verbindung seitens der Rezipienten hergestellt wird und somit nur die direkt auf
die Wahl bezogene politische Berichterstattung letztlich relevant ist für die Meinungsbildung der Bürger.
Im Hinblick auf die Codierung wird das Messinstrument anhand dreier Analyseebenen
beziehungsweise -einheiten entworfen: Die erste Analyseeinheit bildet die Nachrichtensendung, bei der Sender sowie Datum und damit die für die beiden unabhängigen Variablen relevanten Merkmale erhoben werden. Ein einzelner Beitrag bildet jeweils die
zweite Analyseeinheit. Hier werden Länge, Hauptthema, Themenaspekte sowie Responsivitätsgehalt codiert. Auf Ebene einer einzelnen Aussage und der dritten Analyseeinheit werden Länge, Sprechertyp, Inzivilität, Begründung, Widerlegung sowie Parteinennungen festgehalten.32
Vor der Hauptcodierung wurden zur Überprüfung der Reliabilität zwei Pre-Tests durchgeführt. Dafür wurden zufällig drei Tage aus dem August und September 2009 ausgewählt, also insgesamt zwölf Sendungen codiert. Als Formel für die Berechnung der
31
Zwar wird dieses Aufgreifkriterium in der Publikation des Wahlmonitors (Krüger & Zapf-Schramm,
2009) nicht erwähnt, allerdings konnte die Information darüber durch eine Nachfrage bei einem der Autoren (Dr. Udo Michael Krüger) in Erfahrung gebracht werden.
32
Die detaillierten Codieranweisungen finden sich im Codebuch (siehe Anhang, Kapitel 8.3).
44
Intercoder-Reliabilität wurde Cohen‟s kappa verwendet.33 Für den ersten Pre-Test ergab
sich für die Kategorien „Datum“ und „Sender“ jeweils ein Reliabilitätskoeffizient von
99,5 %. Hinsichtlich der Kategorie „Thema“ wurde ein Wert von kappa = 96,7 % erzielt, für „Responsivitätsgehalt“ war das Ergebnis kappa = 83,4 %. Die Kategorie
„Sprechertyp“ ergab eine Übereinstimmung von 96,3 %, bei „Inzivilität“ waren es 85,8
%, bei „Rechtfertigung“ 81,3 % und bei „Widerlegung“ 80,2 %. Für die Kategorie „Parteinennung“ wurde der Wert kappa = 94,1 % errechnet. Die Werte des ersten Pre-Tests
zeigten also, dass die Codiererinnen das entworfene Messinstrument mit hoher Übereinstimmung benutzten. Trotzdem wurden im Anschluss an den ersten Pre-Test auf Basis
der Erfahrungen während der Codierung einige Nachbesserungen im Codebuch vorgenommen. Im Anschluss daran wurde ein zweiter Pre-Test durchgeführt; aufgrund der
sehr guten Ergebnisse des ersten Tests mit lediglich acht Sendungen. Die Werte für Cohen‟s kappa hielten sich auf dem oben erwähnten Niveau beziehungsweise konnten
teilweise noch verbessert werden. Im Anschluss an die Hauptcodierung und vor der
Ergebnisauswertung wurde zur nochmaligen Überprüfung der Validität des Messinstruments und der Übereinstimmungen der Codierung(en) ein Post-Test durchgeführt.
Dabei wurden acht Sendungen codiert und in Bezug auf alle Kategorien Reliabilitätskoeffizienten von mehr als 83 % erzielt.
33
Bei den Übereinstimmungen wurde auch darauf geachtet, dass mit dem Annotationstool ANVIL jeweils
in etwa dieselben Start- und Endpunkte gesetzt wurden. Die Kategorie „Themenaspekte“ wurde aufgrund
der offenen Codierung nicht in die Berechnung mit einbezogen.
45
4
Auswertung der Ergebnisse
In diesem Kapitel werden die Ergebnisse der Studie zunächst dargestellt und eine Hypothesenprüfung vorgenommen, wobei zunächst auf die Diskursstruktur und die dazugehörigen Hypothesen, dann auf die Diskursqualität eingegangen wird. Im Verlauf dieses
Abschnittes sollen die Erkenntnisse, die der Beantwortung der Forschungsfragen dienen, vorgestellt werden. Beide Gesichtspunkte, unter denen die mediale Debatte betrachtet wurde und die daraus abgeleiteten Hypothesen, gehen davon aus, dass einerseits
die ökonomische Struktur eines Senders, andererseits der zeitliche Verlauf der Wahlberichterstattung Auswirkungen auf die medienvermittelte Diskursstruktur und die Diskursqualität haben.
Für die Überprüfung der Hypothesen um den zeitlichen Verlauf der Debatte werden die
untersuchten Nachrichtensendungen der vier Sender zusammengefasst. Der Übersichtlichkeit wegen wird der Untersuchungszeitraum in vier Abschnitte von jeweils sieben
Tagen unterteilt und die Ergebnisse wochenweise dargestellt. Für jeden dieser Abschnitte werden Summe oder Mittelwert der codierten Items gebildet.
4.1 Ergebnisdarstellung und Hypothesenprüfung – Diskursstruktur
4.1.1
Diskursstruktur nach Senderstruktur
Die erste Hypothese formuliert die Annahme, dass die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ARD und ZDF inklusiver berichten als die beiden Privatsender RTL und Sat.1
und somit hinsichtlich der Input-Dimension des medialen Diskurses eine größere Offenheit besitzen. Die Inklusivität wird anhand von drei Indikatoren überprüft: der Anzahl der in den Diskurs integrierten Themen, Sprecher sowie Parteien. Da es dabei nicht
allein um das „Wer oder was?“ – sozusagen die reine Inklusivität – sondern auch um
das „wie viel“, also den Grad der Inklusivität gehen soll, werden für die Auswertung die
absolute Anzahl von in den Nachrichten behandelten Themen, von zu Wort kommenden
Sprechern sowie von integrierten Parteien herangezogen.
Tabelle 4 stellt die Anzahl der in der Berichterstattung behandelten (Beitrags-)Themen
dar. Es wird ersichtlich, dass die öffentlich-rechtlichen Sender im Gesamten mehr Themen und Beiträge mit Bezug zur Bundestagswahl aufweisen als die privaten (90 vs. 85).
46
Dieser Unterschied gründet dabei auf einer höheren Anzahl von sachpolitischen Themen (26 vs. 21), was aus deliberativer Sicht als positiv zu werten ist.34
Ökonomische Senderstruktur
Themen
öffentlich-rechtlich
Sachpolitik
privat
26
21
Atomkraft/Energie
5
2
Europa
0
0
Bundeswehr/Afghanistan/Terror
7
7
Datenschutz/Internet
2
0
Zuwanderung
0
0
Arbeitslosigkeit
1
1
Wirtschaftslage
3
2
Banken- und Finanzkrise
2
0
Verdruss Politik/Politiker
1
2
Bildung/Schule
0
0
Kosten/Preise/Löhne
1
1
Familie/Kinder/Jugend
0
3
Steuern/Steuererhöhungen
2
3
Gesundheitswesen/Pflege
1
0
Rente/Alterssicherung
1
0
soziales Gefälle
0
0
Umwelt/Klima
0
0
Horse-Race-Berichterstattung
59
60
Wahlkampf/Parteien-PR
40
36
Koalitionen
6
11
Wahlberichterstattung
8
9
Demoskopie
5
4
Sonstige
5
4
Gesamt
90
85
2
χ = 12,849, V = 0,271, λ = 0,000
Basis: Alle Beiträge im gesamten Erhebungszeitraum, N = 175
Tabelle 4: Themenpräsenz im Vergleich zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern
Bestätigt wird diese Diagnose auch durch die codierten Themenaspekte. Die Auswertung der offenen Codierung dieser Kategorie zeigt eine Anzahl von insgesamt 43 angesprochenen Sachthemen als Nebenaspekte von Beiträgen bei den öffentlich-rechtlichen
Sendern (vs. 23 bei den privaten). Vor allem „Atompolitik/Energie“, „Kos-
34
Dagegen könnte eine höhere Anzahl von solchen Themen und Beiträgen, die der Horse-RaceBerichterstattung zuzuordnen sind, von einem deliberativen Standpunkt aus nicht als positiv gewertet
werden (siehe dazu Kapitel 2.2).
47
ten/Preise/Löhne“ und „Steuern/Steuererhöhungen“ werden dabei thematisiert.35 Auch
die Breite der Themenpalette spricht bei ARD und ZDF für eine höhere Inklusivität: elf
der 17 definierten Themen werden jeweils als Hauptfokus und 16 als Nebenaspekte von
Beiträgen in die Berichterstattung integriert, bei RTL und Sat.1 sind es lediglich acht
Haupt- und 14 Nebenthemen. Somit lässt sich hinsichtlich der Themeninklusivität festhalten, dass die öffentlich-rechtlichen Sender sich gemäß der durch Hypothese 1 formulierten Annahme verhalten.
Tabelle 5 stellt die Verteilung und Anzahl der im massenmedialen Diskurs zu Wort
kommenden Akteure im Hinblick auf die ökonomische Struktur der Sender dar.
Ökonomische Senderstruktur
Sprechertypen
Zentrum
Legislative
Verwaltung und Regierung
Judikative
Peripherie
Interessengruppen, -verbände
soziale Bewegungen
Experten/Intellektuelle
Advokaten
Problembetroffene/Bürger
Künstler/Prominente
Journalisten: Nicht-Mitarbeiter
Sonstige
Gesamt
öffentlichrechtlich
privat
185
180
134
133
49
47
2
0
71
104
15
8
2
2
11
32
0
0
27
55
0
4
16
3
0
2
256
284
2
χ = 65,995, V = 0,350, λ = 0,404
Basis: Alle Sprecheraussagen im gesamten Erhebungszeitraum (ausgenommen: Mitarbeiter der
Nachrichtensendungen), Mehrfachcodierungen möglich, N = 540
Tabelle 5: Sprecherpräsenz im Vergleich zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern36
Es zeigt sich, dass die privaten Fernsehsender sowohl hinsichtlich der Gesamtanzahl an
einbezogenen Sprechern als auch der Anzahl der verschiedenen Sprechertypen eine hö-
35
Die detaillierte Auswertung der Kategorie „Themenaspekte“ im Sendervergleich findet sich im Anhang
(siehe Kapitel 8.2).
36
In dieser Tabelle sind die einzelnen Ausprägungen der Bereiche von Legislative und Verwaltung/Regierung zusammengefasst, da die detaillierte Betrachtung nach der codierten Parteizugehörigkeit
im Rahmen des dritten Indikators betrachtet werden wird. Die Werte von χ² und V beziehen sich dabei
auf die Daten vor der Zusammenführung, der Wert von λ auf die vorliegende Tabelle. Dieselbe Vorgehensweise findet sich bei der Prüfung von Hypothese 4.
48
here Inklusivität aufweisen: 284 Sprecher kommen während des Untersuchungszeitraums zu Wort, bei ARD und ZDF sind es hingegen nur 256. Die privaten Fernsehsender lassen also insgesamt mehr Sprecher zur Bundestagswahl zu Wort kommen als die
öffentlich-rechtlichen. Die höhere Inklusivität der privaten Sender kommt dabei maßgeblich durch eine höhere Anzahl an Sprechern aus der politischen Peripherie zustande
(104 vs. 71 Sprecher bei den öffentlich-rechtlichen). So kommen bei den öffentlichrechtlichen Sendern sogar mehr Sprecher des politischen Zentrums zu Wort (185 vs.
180 Sprecher bei den privaten). Bezüglich der Peripherie sind die Differenzen vor allem
durch eine hohe Anzahl an Bürgern respektive Problembetroffenen (55 bei den Privatsendern vs. 27 bei den öffentlich-rechtlichen) und Experten beziehungsweise Intellektuellen (32 vs. elf) bedingt. Advokaten werden allerdings bei beiden Sendergruppen außen
vor gelassen; gänzlich ausgeschlossen sind bei den öffentlich-rechtlichen Sendern zudem Künstler/Prominente und bei den privaten der Bereich der Judikative.
Die Anzahl der zu Wort kommenden Politiker sowie der Parteinennungen in den Nachrichten ist in Tabelle 6 dargestellt. Hier zeigen die Gesamtzahlen der Sprecher (175 bei
den öffentlich-rechtlichen vs. 174 bei den privaten) und Nennungen (587 vs. 572) keine
bemerkenswerten Unterschiede, wohl aber die Anzahl der verschiedenen in den Diskurs
integrierten Parteien: So dürfen bei RTL und Sat.1 sieben verschiedene Parteien sprechen, bei ARD und ZDF hingegen nur die fünf im Parlament vertretenen. Die Ergebnisse der gezählten Parteinennungen zeigen, dass bei den privaten Sendern insgesamt zehn
verschiedene Parteien thematisiert werden, bei den öffentlich-rechtlichen hingegen lediglich sieben. Allerdings muss dem hinzugefügt werden, dass die Fallzahlen der Nennungen kleinerer Parteien wie der Bayern- oder der Tierschutzpartei sehr gering sind.
49
Aussagen
Parteien nach
Senderstruktur
öffentlichrechtlich
Nennungen
öffentlichrechtlich
privat
privat
CDU/CSU
50
63
162
152
SPD
42
52
161
180
FDP
31
25
130
98
Bündnis 90/Die Grünen
32
17
65
55
Die Linke
20
14
64
62
Piratenpartei
0
2
1
10
Die Violetten
0
1
0
4
Tierschutzpartei
0
0
0
3
Bayernpartei
0
0
0
1
NPD
0
0
4
7
174
587
572
Gesamt
175
2
Aussagen: χ = 22,054, V = 0,251, λ = 0,000
2
Nennungen: χ = 22,725, V = 0,153, λ = 0,001
Basis (Aussagen): Sprecheraussagen mit Parteizuordnung im gesamten Erhebungszeitraum, N = 349
Basis (Nennungen): Alle Parteinennungen im gesamten Erhebungszeitraum, N = 1159
Tabelle 6: Parteienpräsenz im Vergleich zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern
Die Unterschiede zwischen den Sendergruppen hinsichtlich ihrer Inklusivität ergeben
also ein geteiltes Bild. Die öffentlich-rechtlichen Sender greifen mehr (verschiedene)
Themen in ihrer Berichterstattung auf; die privaten TV-Sender beziehen dagegen mehr
(verschiedene) Parteien in ihre Berichterstattung ein. In Bezug auf die Sprecherinklusivität ergeben sich Unterschiede lediglich hinsichtlich einer größeren Offenheit der privaten Sender gegenüber der Peripherie im Gesamten.
Unterschiede zwischen den Sendergruppen sind hier also vorhanden. Das Zusammenhangsmaß Cramer‟s V zeigt bei allen drei Dimensionen eher schwache Zusammenhänge
zwischen der Senderstruktur und der Inklusivität. Lediglich bei den Sprechern ergibt
sich ein hoher Wert für das PRE-Maß Lambda (λ), was bedeutet, dass die Kenntnis der
Sendergruppe eine falsche Voraussage der Sprecherverteilung um 40 % reduziert. Diese
Dimension ist jedoch auch diejenige, die von den drei ausgewerteten die geringsten Unterschiede offenbart. Im Gesamtbild lässt sich die durch Hypothese 1 angenommene
höhere Inklusivität von ARD und ZDF nicht bestätigen. Damit steht fest: Die Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen TV-Sender gestaltet sich nicht inklusiver.
Als Indikatoren für eine ausgewogene (im Gegensatz zu einer verzerrten) Berichterstattung werden die in den Diskurs integrierten Parteien und die sachpolitischen Themen
der Berichterstattung herangezogen, wobei hier die Themenaspekte nicht die Analyse
50
einbezogen werden. Dabei soll überprüft werden, wie sich jeweils die Anzahl der Themen beziehungsweise der gewährten Sprecheraussagen und Nennungen innerhalb der
Berichterstattung der beiden Sendergruppen zueinander verhalten. Zum Einen soll dazu
auf die relativen Häufigkeiten, zum Anderen auf die durchschnittlichen Längen der Beiträge und Parteiäußerungen zurückgegriffen werden. Als weiterer Indikator für einen
(un-)ausgewogenen medialen Diskurs soll zudem das Verhältnis zwischen Horse-Raceund sachpolitisch orientierter Berichterstattung betrachtet werden. Hypothese 2 geht
davon aus, dass ARD und ZDF ausgewogener über die Bundestagswahl berichten.
Die Anteile der einzelnen Themen in der Berichterstattung sind nicht stark unterschiedlich verteilt. Beide Sendergruppen berichten in relativ hohem Ausmaß über das Thema
„Bundeswehr/Afghanistan/Terror“: 7,8 % aller Beiträge (inklusive der Horse-RaceBerichterstattung und der Kategorie „Sonstiges“) widmen sich bei den öffentlichrechtlichen diesem Thema, 8,2 % bei den privaten Sendern.37 Allerdings sind diese Ausreißer nicht stark unterschiedlich voneinander ausgeprägt. Ein größerer Unterschied
besteht dagegen in der Länge der auf Sachthemen fokussierten Beiträge. Hier kann aufgrund der wesentlich kleineren Standardabweichung von 57,21 Sekunden bei den privaten Sendern (vs. 71,56 Sekunden bei den öffentlich-rechtlichen) von einer ausgewogeneren Berichterstattung die Rede sein. Aus deliberativer Sicht ähnlich unausgewogen
gestaltet sich allerdings das Verhältnis von sachpolitisch orientierter und Horse-RaceBerichterstattung: Wie aus Tabelle 7 hervorgeht, lässt sich sowohl bei den öffentlichrechtlichen als auch den privaten Sendern ein starkes Übergewicht von Horse-RaceBerichterstattung feststellen, deren jeweiliger Anteil eine geringe Prozentsatzdifferenz
zwischen den Sendergruppen aufweist: 70,6 % beziehungsweise 65,6 % drehen sich
allein um die von Schultz so bezeichneten „politics“-Themen wie Wahlkampfveranstaltungen, Koalitionsverhandlungen und -spekulationen sowie Wahlumfragen. Lediglich
24,7 % respektive 28,9 % entfallen auf sachpolitische Themen und damit auf solche, die
sich im Anschluss an Schultz unter dem Schlagwort „policy“ einordnen lassen (Schultz,
2006, S. 162ff.). Unter deliberativen Gesichtspunkten liegt hier eine zu Ungunsten von
substantieller Berichterstattung unausgewogene Debatte vor. Positiv anzumerken ist
allerdings, dass den Sachthemen durchschnittlich längere Beiträge gewidmet werden als
der Horse-Race-Berichterstattung: 125,57 zu 108,64 Sekunden bei den öffentlichrechtlichen und 120,95 zu 117,93 Sekunden bei den privaten Sendern, wobei sich dieses
Verhältnis bei ARD und ZDF aus deliberativer Sicht besser darstellt.
37
Die komplette Auswertung zur Ausgewogenheit der Themen findet sich im Anhang (siehe Kapitel 8.2).
51
durchschnittliche Beitragslänge
[Standardabweichung]
(in Sekunden)
öffentlichprivat
rechtlich
Anteil der Beiträge
Themen nach
Senderstruktur
öffentlichrechtlich
privat
Sachpolitik
28,9%
24,7%
125,57 [71,56]
120,95 [57,21]
Horse-Race-Berichterstattung
65,6%
70,6%
108,64
117,93
Sonstige
5,6%
4,7%
61,82
96,05
Gesamt
100%
100%
110,93 [58,00]
117,65 [55,99]
2
Anteil: χ = 12,849, V = 0,271, λ = 0,000
2
Länge: χ = 116,993, V = 0,818, η = 0,059, η² = 0,003
Basis: Alle Beiträge im gesamten Erhebungszeitraum, N = 175
Tabelle 7: Themenstruktur im Vergleich zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern (gekürzt)38
Die Unterschiede in der Repräsentation der Parteien zwischen den beiden Sendergruppen gehen aus Tabelle 7 hervor. Sie stellt den jeweiligen Anteil der den Parteien gewährten Aussagen an allen Aussagen von Politikern und den Anteil der Nennungen der
verschiedenen Parteien an allen Parteinennungen dar.
Anteil der Aussagen
Parteien nach
Senderstruktur
öffentlichrechtlich
privat
Anteil der Nennungen
öffentlichrechtlich
privat
CDU/CSU
28,5%
36,2%
27,6%
26,6%
SPD
24,0%
29,9%
27,4%
31,5%
FDP
17,7%
14,4%
22,1%
17,1%
Bündnis 90/Die Grünen
18,3%
9,8%
11,1%
9,6%
Die Linke
11,4%
8,0%
10,9%
10,8%
Piratenpartei
0%
1,1%
0,2%
1,7%
Die Violetten
0%
0,6%
0%
0,7%
Tierschutzpartei
0%
0%
0%
0,5%
Bayernpartei
0%
0%
0%
0,2%
0%
100%
0%
100%
0,7%
100%
1,2%
100%
NPD
Gesamt
2
Anteil Aussagen: χ = 22,054, V = 0,251, λ = 0,000
2
Anteil Nennungen: χ = 22,725, V = 0,153, λ = 0,001
Basis (Aussagen): Sprecheraussagen mit Parteizuordnung im gesamten Erhebungszeitraum, N = 349
Basis (Nennungen): Alle Parteinennungen im gesamten Erhebungszeitraum, N = 1159
Tabelle 8: Parteienstruktur im Vergleich zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern
Bei Betrachtung der gewährten Äußerungen lässt sich zunächst feststellen, dass die öffentlich-rechtlichen Sender der CDU/CSU mit 28,5 % Anteil an allen Parteiäußerungen
38
Die angegebenen Maßzahlen beziehen sich auf alle erhobenen Themen, deren einzelne Auflistung sich
im Anhang findet (siehe Kapitel 8.2).
52
nur wenig mehr Aussagen gewähren als der SPD mit 24,0 %. Dahinter folgen Bündnis
90/Die Grünen mit 18,3 % und die FDP mit 17,7 %. RTL und Sat.1 hingegen lassen im
Gegensatz zu allen anderen Parteien deutlich mehr CDU/CSU-Politiker zu Wort kommen (36,2 %). Dahinter folgen mit deutlichem Abstand Politiker der SPD (29,9 %) und
dann Sprecher der FDP (14,4 %). Die geringe Prozentsatzdifferenz zwischen der am
häufigsten und der am zweithäufigsten sprechenden Partei bei den öffentlich-rechtlichen
(d% = 4,5) zeigt, dass sich die Verteilung der Äußerungschancen auf die Politiker verschiedener Parteien ausgewogener gestaltet als bei den privaten (d% = 6,3). Ein ähnliches Bild ergibt sich hinsichtlich der Parteinennungen: Dort besteht bei RTL und Sat.1
schon zwischen CDU/CSU (26,6 %) und SPD (31,5 %) eine Prozentsatzdifferenz von
d% = 5, mit noch größerem Abstand folgt die FDP, die einen Anteil von 17,1 % an allen
genannten Parteien verzeichnen kann. Die öffentlich-rechtlichen Sender hingegen erwähnen CDU/CSU mit 27,6 %, SPD mit 27,4 % und FDP mit 22,1 % in deutlich ausgewogenerem Verhältnis.
Relevant für eine ausgewogene Berichterstattung in Bezug auf die Parteien sind jedoch
nicht nur deren Äußerungschancen und Thematisierung, sondern auch der tatsächliche
Raum, den ihnen die Sender für ihre Äußerungen einräumen. Ein Blick auf die durchschnittliche Länge der Äußerungen zeigt, dass die privaten Sender den Politikern zwar
durchweg weniger Redezeit zur Verfügung stellen, dies jedoch in ausgewogenerem
Maße tun. Die Standardabweichung der sound bites ist bei RTL und Sat.1 mit 4,27 Sekunden kleiner als bei ARD und ZDF mit 4,65 Sekunden.39
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Ausgewogenheit der Themen keine
starken Unterschiede zwischen den beiden Sendergruppen aufzeigt. Während die privaten Sender den verschiedenen Themen in höherem Maße eine ähnliche Beitragslänge
zuweisen, ist das Verhältnis zwischen sachpolitisch orientierter und Horse-RaceBerichterstattung bei den Öffentlich-Rechtlichen vor allem in Bezug auf die Länge der
Beiträge aus deliberativer Sicht positiver zu bewerten. Bei der Repräsentation der Parteien weisen die Unterschiede vermehrt in Richtung einer größeren Ausgewogenheit der
öffentlich-rechtlichen Sender. Zwar ist die Länge der sound bites bei den privaten TVSendern ausgewogener auf die Parteien verteilt, allerdings kann die relativ geringe Differenz der Standardabweichungen (0,38 Sekunden) kaum die wesentlich ausgewogenere
Parteienpräsentation der öffentlich-rechtlichen Sender durch Äußerungen und Nennun39
Die Auswertung der sound bites nach Parteien und im Gesamten findet sich inklusive der zugehörigen
Korrelationsmaße im Anhang (siehe Kapitel 8.2).
53
gen ausgleichen. Die Werte des Assoziationsmaßes Cramer‟s V zeigen zwar schwache
Zusammenhänge zwischen den Dimensionen der Ausgewogenheit und der Senderstruktur an und die Werte des PRE-Maßes Lambda indizieren, dass die Kenntnis der Senderstruktur keine zuverlässigere Aussage über Unterschiede in Themen- und Parteienstruktur zulässt. Jedoch offenbaren das Gesamtbild und vor allem die Parteienpräsenz Unterschiede zwischen den Sendergruppen. Im Kontext der Bundestagswahl sind die Parteien
Hauptgegenstand und -anlass der Berichterstattung und ihre Nennung steht zumindest
mutmaßlich in Zusammenhang mit der Thematisierung ihrer programmatischen Inhalte
und Ziele. Insofern werden die Differenzen als ausreichend für eine Bestätigung der
Hypothese beurteilt. Damit kann festgehalten werden: Die Wahlberichterstattung der
öffentlich-rechtlichen TV-Sender gestaltet sich ausgewogener als die der privaten.
Hinsichtlich des Responsivitätsgehalts der Berichterstattung soll beurteilt werden, welcher Anteil aller codierten Beiträge in den beiden Sendergruppen in Form einer dialogischen Struktur aufgebaut ist, also mindestens zwei entgegengesetzte Standpunkte zum
Thema des Beitrags zueinander in Beziehung setzt. Die Beiträge wurden entlang ihres
Responsivitätsgehalts als „Contest“ (Beitrag mit zwei verschiedenen Standpunkten)
oder „Contention“ (Beitrag mit mehr als zwei verschiedenen Standpunkten) codiert.
Wie Abbildung 3 verdeutlicht, weist die Berichterstattung der privaten Sender mehr
responsive Beiträge auf: Insgesamt 47,1 % fallen unter „Contest“ und „Contention“. Bei
den öffentlich-rechtlichen Sendern hingegen sind nur 37,8 % aller Beiträge responsiv
und damit dialogisch strukturiert.
54
Responsivitätsgehalt der Beiträge nach
Senderstruktur
70%
62,2%
Anteil der Beiträge
60%
52,9%
50%
40%
20%
Contest
28,2%
30%
20,0% 17,8%
18,8%
Contention
Sonstige
10%
0%
öffentlich-rechtlich
privat
Senderstruktur
2
χ = 1,914, V = 0,105, λ = 0,000
Basis: Alle Beiträge im gesamten Erhebungszeitraum, N = 175
Abbildung 3: Responsivitätsgehalt der Beiträge im Vergleich zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten
Sendern
Die nicht responsiven und damit nur einen Standpunkt zum jeweiligen Thema enthaltenden Beiträge überwiegen bei beiden Sendergruppen, wodurch im Hinblick auf dieses
Kriterium alle Sender überwiegend nicht deliberativ berichten. Der Wert von Cramer‟s
V (V = 0,105) zeigt, dass ein schwacher Zusammenhang zwischen dem Merkmal der
Senderstruktur und dem Responsivitätsgehalt der Berichterstattung vorhanden ist. Zudem kann die Zuordnung eines Senders zu einer der beiden Gruppen nicht die Responsivität seiner Nachrichten voraussagen, wie der errechnete Wert des PRE-Maßes Lambda (λ = 0) anzeigt. Also hängt die Responsivität der Wahlberichterstattung 2009 nicht
davon ab, ob der Sender öffentlich-rechtlich oder privat organisiert ist. Der erwartete
Unterschied im Sinne eines höheren Responsivitätsgehalts der öffentlich-rechtlichen
Sender liegt ohnehin nicht vor. Damit bleibt im Hinblick auf Hypothese 3 festzuhalten:
Die Wahlberichterstattung der öffentlich-rechtlichen TV-Sender gestaltet sich nicht
responsiver.
4.1.2
Diskursstruktur im Zeitverlauf
Hypothese 4 formuliert die Annahme, dass die Berichterstattung im zeitlichen Verlauf
und mit sinkendem Abstand zur Wahl inklusiver wird und damit mehr Themen, Sprecher und Parteien Eingang in den massenmedialen Diskurs finden. Diese Annahme lässt
sich in Bezug auf die Themen der Berichterstattung nur bedingt bestätigen. Tabelle 9
55
zeigt die Verteilung der absoluten Anzahl der Themen in allen Sendern, unterteilt auf
die vier analysierten Wochen.
Woche
1
Themen
Sachpolitik
3
2
4
10
13
10
14
Atomkraft/Energie
4
1
2
0
Europa
0
0
0
0
Bundeswehr/Afghanistan/Terror
2
3
4
5
Datenschutz/Internet
0
1
0
1
Zuwanderung
0
0
0
0
Arbeitslosigkeit
0
2
0
0
Wirtschaftslage
0
5
0
0
Banken- und Finanzkrise
0
0
0
2
Verdruss Politik/Politiker
2
0
0
1
Bildung/Schule
0
0
0
0
Kosten/Preise/Löhne
0
0
1
1
Familie/Kinder/Jugend
2
0
1
0
Steuern/Steuererhöhungen
0
1
0
4
Gesundheitswesen/Pflege
0
0
1
0
Rente/Alterssicherung
0
0
1
0
soziales Gefälle
0
0
0
0
Umwelt/Klima
0
0
0
0
Horse-Race-Berichterstattung
29
19
30
41
Wahlkampf/Parteien-PR
24
10
12
30
Koalitionen
1
3
6
7
Wahlberichterstattung
1
5
10
1
Demoskopie
3
1
2
3
Sonstige
3
2
1
3
Gesamt
42
34
41
58
2
χ = 90,586, V = 0,415, λ = 0,000
Basis: Alle Beiträge im gesamten Erhebungszeitraum, N = 175
Tabelle 9: Themenpräsenz im Zeitverlauf
Hier steigt zwar die Gesamtzahl der Themen von der zweiten bis zur vierten Woche von
34 auf 58 an, in Bezug auf die sachpolitischen und damit inhaltlich substantiellen Themen zeigt sich jedoch keine eindeutige Tendenz. Zwar erhöht sich die Anzahl von der
ersten auf die zweite Woche von zehn auf 13 Themen, sinkt dann allerdings wieder auf
zehn Themen in der dritten Woche, bis sie in der letzten wieder auf 14 Themen ansteigt.
Damit ist die Themeninklusivität in der letzten Woche zwar größer als in der ersten, von
einem kontinuierlichen Anstieg kann jedoch nicht die Rede sein. Auch die Themenpa56
lette erweitert sich nach der zweiten Woche des Untersuchungszeitraums nicht mehr.
Von der ersten auf die zweite Woche lässt sich ein Anstieg von vier auf sechs verschiedene Themen feststellen, bis hin zur letzten Woche stagniert diese Anzahl. Im gesamten
Erhebungszeitraum ist die Anzahl der nicht behandelten Themen somit auffallend hoch.
Einzig die in den Beiträgen angesprochenen sachpolitischen Nebenthemen zeigen sowohl einen Anstieg in der Gesamtzahl (von elf in Woche 1 bis zu 24 in Woche 4) als
auch in der Anzahl verschiedener Themen, was dafür spricht, dass die Beiträge im zeitlichen Verlauf thematisch gesehen komplexer werden.40
Die Sprecherpräsenz zeigt einen kontinuierlichen Anstieg von der zweiten bis zur vierten Woche. Wie Tabelle 10 zeigt, kommen in der zweiten Woche 109 Sprecher zu
Wort, in der dritten Woche 128 und in der letzten Woche 165.
Woche
1
2
3
92
75
81
117
Legislative
76
45
50
96
Verwaltung und Regierung
15
30
31
20
1
0
0
1
45
35
47
48
Interessengruppen, -verbände
7
8
3
5
soziale Bewegungen
4
0
0
0
Experten/Intellektuelle
2
12
15
14
Advokaten
0
0
0
0
25
12
24
21
Künstler/Prominente
2
0
0
2
Journalisten: Nicht-Mitarbeiter
5
3
5
6
1
0
1
0
138
109
128
165
Sprechertypen
Zentrum
Judikative
Peripherie
Problembetroffene/Bürger
Sonstige
Gesamt
4
2
χ = 100,878, V = 0,250, λ = 0,000
Basis: Alle Sprecheraussagen im gesamten Erhebungszeitraum (ausgenommen: Mitarbeiter der
Nachrichtensendungen), Mehrfachcodierungen möglich, N = 540
Tabelle 10: Sprecherpräsenz im Zeitverlauf
Auch die Betrachtung der nicht vorhandenen Sprechertypen weist in Richtung einer
höheren Sprecherinklusivität gegen Ende der Wahlberichterstattung. So sind in der vierten Woche lediglich zwei Gruppen, soziale Bewegungen und Advokaten überhaupt
40
Die detaillierte Auswertung der Kategorie „Themenaspekte“ im Zeitverlauf findet sich im Anhang
(siehe Kapitel 8.2).
57
nicht im massenmedialen Diskurs vertreten, während es in den vorherigen Wochen bis
zu vier verschiedene Gruppen sind.
Die nähere Betrachtung der Anzahl von in den Diskurs integrierten Sprechern zeigt jedoch, dass im zeitlichen Verlauf nicht wesentlich mehr Sprecher der politischen Peripherie in die Berichterstattung einbezogen werden. Deren Anzahl steigt im Verlauf der
vier Wochen lediglich von 45 in der ersten auf 48 in der letzten Woche an. Der Anstieg
der Gesamtanzahl von zu Wort kommenden Akteuren und der Anzahl verschiedener
Sprechertypen im zeitlichen Verlauf kommt demnach maßgeblich über Sprecher aus
dem politischem Zentrum zustande; dabei wiederum vor allem durch Sprecher der Legislative, also durch die Parteien. Hier ist hauptsächlich von der dritten auf die vierte
Woche ein enormer Anstieg von 81 zu 117 getätigten Aussagen zu verzeichnen. Insofern kann die Auswertung der Sprecherpräsenz nur bedingt als Indikator für eine höhere
Inklusivität der Debatte herangezogen werden beziehungsweise steht in direktem Zusammenhang mit der Auswertung des dritten Indikators, der Parteienpräsenz.
Tabelle 11 stellt die Anzahl der Politikeraussagen und Parteinennungen im Gesamten
und bezogen auf die verschiedenen Parteien im Einzelnen dar. Hinsichtlich der Äußerungen ist festzustellen, dass die Anzahl der in den Diskurs integrierten Politiker erst
von der dritten auf die vierte Woche maßgeblich ansteigt (78 zu 115 Sprecher).
Parteien nach
Wochen
Aussagen
Nennungen
1
2
3
4
1
2
3
CDU/CSU
22
28
28
35
77
48
63
126
SPD
26
18
26
24
139
37
76
89
FDP
12
6
11
27
49
23
59
97
Bündnis 90/Die Grünen
10
11
9
19
29
10
26
55
Die Linke
16
7
4
7
62
14
13
37
Piratenpartei
0
0
0
2
0
1
2
8
Die Violetten
0
0
0
1
0
0
0
4
Tierschutzpartei
0
0
0
0
0
0
1
2
Bayernpartei
0
0
0
0
0
0
0
1
NPD
0
0
0
0
2
0
0
9
86
70
78
115
358
133
240
428
Gesamt N
2
χ = 50,546, V = 0,220, λ = 0,016
4
2
χ = 98,757, V = 0,184, λ = 0,059
Basis (Aussagen): Sprecheraussagen mit Parteizuordnung im gesamten Erhebungszeitraum, N = 349
Basis (Nennungen): Alle Parteinennungen im gesamten Erhebungszeitraum, N = 1159
Tabelle 11: Parteienpräsenz im Zeitverlauf
58
Diese Diagnose betrifft auch die Anzahl von verschiedenen zu Wort kommenden Parteien: Kommen in den Wochen 1 bis 3 lediglich die fünf im Parlament vertretenen Parteien zu Wort, erhalten in der letzten Woche auch Politiker der Piratenpartei und der
Violetten Möglichkeit zur Äußerung. Auch die Anzahl der Parteinennungen zeigt im
Gesamten einen Anstieg von 133 in Woche 2 über 240 in Woche 3 bis zu 428 in der
Woche vor der Wahl. Auch die Anzahl verschiedener Parteien wächst kontinuierlich an:
Kommen in Woche 1, bis auf zwei einzelne Nennungen der NPD, lediglich die fünf im
Parlament vertretenen Parteien im Diskurs vor, so werden in Woche 2 sechs, in Woche
3 sieben und in der letzten Woche zehn verschiedene Parteien thematisiert.
In Bezug auf die Inklusivität der Berichterstattung lässt sich resümieren, dass bei zwei
von drei Dimensionen dieses Deliberativitätskriteriums ein Anstieg zu verzeichnen ist.
Wie im Zuge der Auswertung mehrmals implizit erwähnt, fällt einzig die erste Woche
aus dem steten Muster heraus. Um dies zu erklären, können die zur Erweiterung der
Themen erhobenen Themenaspekte herangezogen werden. Hier ergibt ein Blick in die
Daten, dass sich die relativ hohen Anzahlen von Themen, Sprechern und Parteien durch
die in dieser Woche stattgefundenen Ereignisse erklären lassen. So fanden zum Einen
am 30. August Landtagswahlen in drei Bundesländern statt, deren Berichterstattung
teilweise Bezüge auf die Bundestagswahl enthielt. Zum Anderen verkündeten die meisten Parteien in dieser Woche ihren Wahlkampfauftakt, was ebenso Beiträge in den
Nachrichtensendungen nach sich zog.
Angesichts dieser durch die spezifischen Umstände der ersten Woche zu erklärenden
hohen Anzahlen in Bezug auf alle drei Dimensionen und der Anstiege in den Wochen 2
bis 4 lässt sich festhalten, dass die Inklusivität der Berichterstattung im zeitlichen Verlauf ansteigt. Die Werte des Assoziationsmaßes Cramer‟s V sprechen für einen schwachen Zusammenhang zwischen Inklusivität und dem zeitlichen Fortschritt in der Wahlberichterstattung. Die durchweg geringen PRE-Maß-Werte zeigen, dass die Kenntnis
der Woche nicht den Grad der Inklusivität zu bestimmen hilft. Im Gesamten sind die in
Bezug auf alle Dimensionen festzustellenden Anstiege trotz dieser Einschränkungen
deutlich. Insofern kann Hypothese 4 bestätigt werden: Die Berichterstattung der vier
Sender gestaltet sich inklusiver, je näher die Bundestagswahl rückt.
Die durch Hypothese 5 formulierte Annahme ist die, dass die mediale Berichterstattung
mit sinkendem Abstand zur Bundestagswahl aufgrund des höheren Nachrichtenwertes
einzelner Personen und Parteien, sowie der durch sie vertretenen Themen und ihnen
59
gewidmeten Beiträge unausgewogener wird. Um die Hypothese bestätigen zu können,
müssten sich also im zeitlichen Verlauf Ungleichgewichte in der Behandlung der Sachthemen herausbilden und die in der Debatte vorkommenden Parteien müssten stark unterschiedliche Äußerungschancen und -zeiträume erhalten. Ein weiterer Beleg für eine
unausgewogenere Berichterstattung im Zeitverlauf wäre zudem ein steigendes Übergewicht der Horse-Race- im Vergleich zur sachpolitisch orientierten Berichterstattung.
Der Anteil an Themen unterteilt nach Wochen zeigt, dass von einer unausgewogeneren
Berichterstattung im zeitlichen Verlauf keine Rede sein kann. Zum Einen sind die als
ein Gegensatz zur Ausgewogenheit zu interpretierenden Ausreißer im Hinblick auf die
Sachthemen in Woche 2 mit 14,7 % (Thema „Wirtschaftlage“) und Woche 3 mit 9,8 %
mit höheren Prozentzahlen belegt als in der letzten Woche vor der Wahl mit 8,6 % (jeweils Thema „Bundeswehr/Afghanistan/Terror“).41 Zum Anderen ist, wie in Tabelle 12
dargestellt, im gesamten Untersuchungszeitraum unter deliberativen Gesichtspunkten
eine Unausgewogenheit in Richtung der Horse-Race-Berichterstattung festzustellen, die
im Zeitverlauf nicht kontinuierlich ansteigt und mit 70,7 % in der letzten Woche sogar
geringer ist als in der dritten Woche mit 73,2 %.
Anteil der Beiträge
Themen nach Wochen
1
2
3
4
Sachpolitik
23,8%
38,2%
24,4%
24,1%
Horse-Race-Berichterstattung
69,0%
55,9%
73,2%
70,7%
Sonstige
7,1%
5,9%
2,4%
5,2%
Gesamt
100%
100%
100%
100%
durchschnittliche Beitragslänge
[Standardabweichung]
(in Sekunden)
1
2
3
4
Sachpolitik
130,24
[56,96]
150,62
[87,41]
92,98
[39,01]
115,33
[54,69]
Horse-Race-Berichterstattung
118,57
98,97
121,75
110,11
Sonstige
72,73
118,07
[55,97]
145,88
121,48
[70,27]
30,24
112,50
[59,62]
51,04
108,31
[47,13]
Gesamt
2
Anteil: χ = 90,586, V = 0,415, λ = 0,000
2
Länge: χ = 504,86, V = 0,981, η = 0,090, η² = 0,008
Basis: Alle Beiträge im gesamten Erhebungszeitraum, N = 175
Tabelle 12: Themenstruktur im Zeitverlauf (gekürzt)42
41
Die komplette Auswertung zur Ausgewogenheit der Themen findet sich im Anhang (siehe Kapitel 8.2).
Die angegebenen Maßzahlen beziehen sich auf alle erhobenen Themen, deren einzelne Auflistung sich
im Anhang findet (siehe Abschnitt 10.1).
42
60
Als ein weiterer Indikator für eine (un-)ausgewogene Berichterstattung kann weiterhin
die durchschnittliche Länge der den einzelnen Themen gewidmeten Beiträgen – sozusagen die issue bites – herangezogen werden. Das Ausmaß der Streuung der durchschnittlichen Längen und die Fragestellung, inwieweit den Themen ähnlich oder stark verschieden lange Beiträge gewidmet werden, kann durch die Standardabweichung bewertet werden. Diese beträgt bei den Sachthemen in der ersten Woche 56,96 Sekunden, in
der zweiten steigt sie auf 87,41 an. In der dritten Woche fällt sie wieder auf 39,01 Sekunden und in der letzten Woche liegt sie bei 54,69 Sekunden. Aufgrund dieser
Schwankungen und der Tatsache, dass dieses Maß in der letzten Woche sogar geringer
ausfällt als in der ersten, kann nicht davon die Rede sein, dass hinsichtlich der Beitragslängen eine unausgewogenere Berichterstattung im Zeitverlauf vorliegt. Auch der Vergleich zwischen sachpolitisch orientierter und Horse-Race-Berichterstattung weist nicht
auf eine erhöhte Unausgewogenheit gegen Ende der Debatte hin. Der durchschnittliche
Umfang der Beiträge, die sich um Sachthemen drehen, ist – mit Ausnahme der dritten
Woche – stets höher, wodurch sowohl insgesamt als auch im Zeitverlauf keine Unausgewogenheit im Sinne einer durchschnittlichen umfangreicheren Berichterstattung über
Horse-Race-Themen vorliegt.
Die Präsenz der Parteien im zeitlichen Verlauf offenbart ein überraschendes Bild: Tabelle 13 zeigt, dass die Berichterstattung sowohl bezüglich der Anteile an Sprecheräußerungen als auch an Nennungen in der letzten Woche deutlich ausgewogener wird.
Anteil der Aussagen
Parteien nach
Wochen
Anteil der Nennungen
1
2
3
4
1
2
3
4
CDU/CSU
25,6%
40,0%
35,9%
30,5%
21,5%
36,1%
26,3%
29,4%
SPD
30,2%
25,7%
33,4%
20,8%
38,8%
27,8%
31,7%
20,8%
FDP
14,0%
8,6%
14,1%
23,5%
13,7%
17,3%
24,6%
22,7%
Bündnis 90/Die Grünen
11,6%
15,7%
11,5%
16,5%
8,1%
7,5%
10,8%
12,9%
Die Linke
18,6%
10,0%
5,1%
6,1%
17,3%
10,5%
5,4%
8,6%
Piratenpartei
0%
0%
0%
1,7%
0%
0,8%
0,8%
1,9%
Die Violetten
0%
0%
0%
0,9%
0%
0%
0%
0,9%
Tierschutzpartei
0%
0%
0%
0%
0%
0%
0,4%
0,5%
Bayernpartei
0%
0%
0%
0%
0%
0%
0%
0,2%
0%
100%
0%
100%
0%
100%
0%
100%
0,6%
100%
0%
100%
0%
100%
2,1%
100%
NPD
Gesamt
2
Anteil Aussagen: χ = 50,546, V = 0,220, λ = 0,016
2
Anteil Nennungen: χ = 98,757, V = 0,184, λ = 0,059
Basis (Aussagen): Sprecheraussagen mit Parteizuordnung im gesamten Erhebungszeitraum, N = 349
Basis (Nennungen): Alle Parteinennungen im gesamten Erhebungszeitraum, N = 1159
Tabelle 13: Parteienstruktur im Zeitverlauf
61
Innerhalb der ersten drei Wochen belegen entweder die SPD oder die CDU/CSU mit
(überwiegend) weit mehr als 30 % der Äußerungen beziehungsweise Nennungen den
führenden Platz innerhalb der Parteienpräsenz. In der letzten Woche führt die
CDU/CSU mit 30,5 % der Äußerungen und 29,4 % der Nennungen die Rangliste an;
der Abstand zu den anderen Parteien sinkt. Die Anteile verschieben sich vor allem zugunsten der Oppositionsparteien FDP (23,5 % der Aussagen und 22,7 % der Nennungen) und Bündnis 90/Die Grünen (16,5 % der Aussagen und 12,9 % der Nennungen).
Von einer Gleichverteilung der Parteienpräsenz kann trotzdem nicht die Rede sein, denn
dann müssten auch kleinere Parteien wie Die Violetten oder die Piratenpartei deutlich
höhere Anteile verzeichnen können. Zudem sinkt die Prozentsatzdifferenz zwischen der
jeweils stärksten und zweitstärksten präsentierten Partei nicht durchweg, sondern steigt
beispielsweise bei den Äußerungschancen von d% = 2,5 in Woche 3 auf d% = 7 in Woche 4 an. Ähnliches gilt für die Nennungen, bei denen sie in der letzten Woche vor der
Wahl von d% = 5,4 auf d% = 6,7 ansteigt.
Der bereits zur Überprüfung von Hypothese 2 herangezogene Indikator der sound bites
kann die Diagnose einer ansteigenden Ausgewogenheit der Parteienpräsenz über die
Wochen nicht bestätigen. Hier ist zunächst ein Absinken der Standardabweichung in
den ersten drei Wochen von 5,08 auf 4,13 Sekunden zu verzeichnen. In der letzten Woche steigt diese Kennzahl wieder auf 4,67 Sekunden an.43 Somit kann bezüglich der
sound bites von einer unausgewogeneren Berichterstattung kurz vor der Wahl im Vergleich zu den beiden Wochen zuvor die Rede sein. Eine kontinuierliche Tendenz allerdings ist nicht feststellbar. In Bezug auf die Parteien liegt deshalb eine ausgewogenere
Berichterstattung vor, je näher die Bundestagswahl rückt. Zwei Indikatoren für deren
Präsenz weisen in diese Richtung.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich hinsichtlich der Themen keine unausgewogenere Berichterstattung im zeitlichen Verlauf der Debatte beobachten lässt. Bezogen auf Äußerungen und Nennungen wird die Präsenz der Parteien zu Ende des
Untersuchungszeitraums in geringem Ausmaß ausgewogener. Die errechneten Werte
der Korrelationsmaße weisen auf einen Zusammenhang zwischen Ausgewogenheit und
dem zeitlichen Fortschritt der Debatte hin, der jedoch im Hinblick auf die sich nicht
wesentlich verändernde Themenstruktur stärker ist als bei der Parteienstruktur. Ähnlich
wie bei der Inklusivität lassen sich auf Basis der jeweiligen Woche kaum Themen- und
43
Die Auswertung der sound bites nach Parteien und im Gesamten findet sich inklusive der Korrelationsmaße im Anhang (siehe Kapitel 8.2).
62
Parteienstruktur voraussagen. Dies enthüllen die durchgängig niedrigen Werte der PREMaße. Im Gesamten lässt sich eine wesentlich ausgewogenere Debatte mit sinkendem
Abstand zur Wahl damit nicht feststellen, jedoch auch keine unausgewogenere. In Bezug auf Hypothese 5 kann damit resümiert werden: Die Berichterstattung gestaltet sich
nicht unausgewogener, je näher die Bundestagswahl rückt.
Der Responsivitätsgehalt der Berichterstattung im zeitlichen Verlauf über alle Sender
hinweg gibt Auskunft darüber, ob im Anschluss an Maia (2009) der massenmediale
Diskurs mit sinkendem Abstand zur Bundestagswahl an dialogischer Struktur gewinnt
und damit der zeitliche Fortschritt der Debatte deren Komplexität erhöht. Abbildung 4
zeigt die relative Anzahl der (nicht) responsiven Beiträge im Verlauf der vier Wochen.
Responsivitätsgehalt der Beiträge im
Zeitverlauf
80%
Anteil der Beiträge
70%
60%
69,0%
58,6%
50%
51,2%
50,0%
40%
Contest
30%
Contention
20%
Sonstige
10%
0%
1
2
3
4
Wochen
2
χ = 5,861, V = 0,130, λ = 0,000
Basis: Alle Beiträge im gesamten Erhebungszeitraum, N = 175
Abbildung 4: Responsivitätsgehalt der Beiträge im Zeitverlauf
Um die durch Hypothese 6 formulierte Annahme, dass die Berichterstattung im Zeitverlauf responsiver wird, bestätigen zu können, müsste die Kurve der nicht responsiven
und damit als „Sonstige“ codierten Beiträge (rot) sinken. Dies ist allerdings lediglich
von der ersten zur zweiten Woche der Fall. Dabei sinkt der Anteil der nicht responsiven
Beiträge von 69,0 % auf 50,0 %. In den Wochen 3 und 4 allerdings steigt dieser Anteil
zunächst auf 51,2 % und dann auf 58,6 % an. Zudem zeigt sich ein schwacher Zusammenhang zwischen dem Responsivitätsgehalt und dem zeitlichem Fortschritt der Debatte (V = 0,130). Darüber hinaus kann auf Basis des Zeitverlaufs keine zutreffendere Aus63
sage über den Responsivitätsgehalt der Berichterstattung getätigt werden als ohne
Kenntnis der jeweiligen Woche, wie der Wert von Lambda (λ = 0) verdeutlicht. Die
vermutete Tendenz einer responsiveren Berichterstattung mit sinkendem Abstand zur
Wahl lässt sich ohnehin nicht bestätigen. In Bezug auf Hypothese 6 kann damit festgehalten werden: Die massenmediale Debatte gestaltet sich nicht responsiver, je näher
die Bundestagswahl rückt.
4.2 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse – Diskursstruktur
Im Folgenden sollen nun die im vorigen Abschnitt gewonnenen Erkenntnisse der Hypothesenprüfung im Hinblick auf die drei abhängigen Variablen und Deliberativitätskriterien der Inklusivität, Ausgewogenheit und des Responsivitätsgehalts der Berichterstattung zusammengefasst werden. Die Forschungsfrage
Wie gestaltet sich die Diskursstruktur der medienvermittelten Deliberation in der
Wahlberichterstattung in den deutschen Fernsehnachrichten?
soll damit beantwortet und insofern das Gesamtbild der erhobenen Merkmale der Berichterstattung dargestellt werden. Zudem werden die zu erkennenden Unterschiede und
Tendenzen zwischen den Sendergruppen und im zeitlichen Verlauf der Debatte zusammengefasst. Wie innerhalb der Hypothesenprüfung dargelegt, wurden diese zwar nicht
zweifelsfrei und ausschließlich durch die unabhängigen Variablen determiniert. Angesichts der Vollerhebung in dieser Studie – so muss an dieser Stelle betont werden – steht
jedoch fest, dass über die Signifikanz der Ergebnisse nicht diskutiert werden muss.
Hinsichtlich der Inklusivität der Wahlberichterstattung können zwischen den beiden
Sendergruppen zwar in Bezug auf die drei Dimensionen von Themen, Sprechern und
Parteien im Einzelnen, nicht aber im Gesamtbild bemerkenswerte Unterschiede festgestellt werden. Sowohl öffentlich-rechtliche als auch private Sender zeichnen sich durch
eine hohe Sprecherinklusivität aus, bei der der Fokus zwar eindeutig auf dem politischen Zentrum liegt, jedoch Sprecher der Peripherie – insbesondere Bürger und Problembetroffene – auch in hohem Maße zu Wort kommen. Hinsichtlich der Sprecher
zeichnet sich die Input-Dimension der Wahlberichterstattung also durch einen hohen
Grad an Offenheit aus. Dasselbe ergibt sich für auf die Wahl bezogene Sachthemen,
jedoch nur dann, wenn man Haupt- und Nebenthemen der Beiträge betrachtet. Bei den
Parteien bleibt Raum zur Verbesserung: ARD und ZDF beziehen sieben, RTL und Sat.1
64
zehn verschiedene Parteien in den Diskurs ein; damit werden immer noch 19 der insgesamt 29 zur Bundestagswahl 2009 zugelassenen Parteien (Egeler, 2009) aus dem medialen Diskurs ausgeschlossen. Insgesamt ist in Bezug auf die Inklusivität nicht zu erkennen, dass die öffentlich-rechtlichen Sender eine wesentlich von Jarren und Donges
(1997) so bezeichnete höhere „Input-Orientierung“ aufweisen. Auch die Forderung des
RStV, „einen umfassenden Überblick über das […] nationale […] Geschehen“ (RStV
§11, Absatz 1) zu liefern, wurde nicht vollends erfüllt.
Unterschiede in Bezug auf die Inklusivität ergeben sich hingegen im zeitlichen Verlauf.
Die gesamte Berichterstattung in den Hauptnachrichtensendungen der vier Sender enthält mehr Themen, Sprecher und Parteien, je näher die Wahl rückt. Einzig die erste Woche vom 30. August bis zum 5. September 2009 fällt überwiegend aus diesem Muster
heraus, wozu sich als Erklärung die Wahlkampfauftakte und Landtagswahlen und der
insofern mutmaßlich höhere Umfang der Berichterstattung heranziehen lassen. Die folgende Abbildung zeigt, dass der Umfang der Berichterstattung tatsächlich mit dem Grad
der Inklusivität in Verbindung zu stehen scheint:
Summe der Beitragslängen [sec]
Umfang der Berichterstattung im
Zeitverlauf
6282,2
6500
6000
5500
4959,08
5000
4612,44
4500
4130,3
4000
3500
3000
1. Woche
2. Woche
3. Woche
4. Woche
Basis: Alle Beiträge im gesamten Erhebungszeitraum, N = 175
Abbildung 5: Umfang der Berichterstattung im Zeitverlauf
Insofern lässt sich sagen, dass eine umfangreichere Berichterstattung tatsächlich dazu
genutzt wird, mehr Sprecher und Parteien in den Diskurs zu integrieren, sowohl in der
Gesamtzahl als auch der Anzahl verschiedener Sprechertypen und Parteien. Einzig bei
den Themen steigt hier lediglich die Anzahl der als Nebenaspekte von Beiträgen angesprochenen Sachthemen.
65
Trotz der erkennbaren Unterschiede zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern sowie im zeitlichen Verlauf der Berichterstattung kann festgestellt werden, dass
beide unabhängigen Variablen die Vorhersage der Inklusivität größtenteils nicht ermöglichen, also auf Basis der jeweils vorliegenden Senderstruktur oder des zeitlichen Fortschritts keine Aussage über den Grad der Offenheit der Berichterstattung getroffen werden kann. Angesichts der in Abbildung 5 dargestellten Auswertung des Umfangs der
Berichterstattung bleibt zu vermuten, dass dieser die Inklusivität von Nachrichten erklären könnte. Allerdings spielen dabei eine Vielzahl extramedialer Faktoren eine Rolle:
Welche Zeit steht in Anbetracht der sonstigen Beiträge für die Wahlberichterstattung
zur Verfügung? Welche Entscheidungen treffen die Redakteure? Welche Ereignisse
finden in der Realität statt, über die berichtet werden kann? Welche O-Töne stehen zur
Verfügung bzw. werden „eingefangen“? usw. Das Format von Fernsehnachrichten und
seine Spezifika tun wahrscheinlich das Übrige. Sie sind auf kurze Beiträge mit knappen
Aussagen, die sich aneinander reihen lassen, ausgelegt. Je länger die Beiträge sind, desto mehr Sprecher kommen auch zu Wort, was beispielsweise in politischen Talkshows
nicht zwingend der Fall sein muss. Dort liefern die Teilnehmer in der Regel mehrere
Aussagen, in Nachrichtenbeiträgen kommt dies (ausgenommen der Journalisten) eher
selten vor. Die Funktion der Nachrichten ist darüber hinaus, zu berichten, was aktuell
geschieht, wodurch die Themenpalette wiederum stärker extramedial beeinflusst ist als
in Reportagen oder Talkshows. Diese Spezifika des Formats oder auch verschiedene
Produktionsroutinen und journalistische Normen scheinen über die Sendergrenzen hinweg dieselben zu sein. Diese Faktoren sowie extramediale Bedingungen wie Geschehnisse in der Politik scheinen insofern einen höheren Einfluss auf die Inklusivität von
Fernsehnachrichten auszuüben als – wie angenommen – die Senderstruktur oder der
zeitliche Fortschritt der Debatte.
Im Gesamtbild lässt sich aufgrund der Erkenntnisse dieser Studie festhalten, dass die
Inklusivität der Wahlberichterstattung in den Fernsehnachrichten vor allem hinsichtlich
der Sprecher eine positive Diagnose erlaubt. Sowohl das politische Zentrum als auch die
Peripherie, vor allem Bürger, sind im massenmedialen Diskurs vertreten, wodurch das
Habermas‟sche Idealbild von öffentlicher Kommunikation in seinen Voraussetzungen
erfüllt ist (Ferree et al. 2002, S. 235; Habermas, 1992). Im Hinblick auf die mit der
Wahl in Verbindung gebrachten Sachthemen sind jedoch Leerstellen zu erkennen. Auch
ein nachweisbar größerer Umfang, der dem Ereignis der Bundestagswahl in den Nachrichten gewidmet wird, nutzen die Sender nicht dazu, diese zu schließen. Damit ist in
66
der Wahlberichterstattung der von Wessler und Schultz hervorgehobene Aspekt der
Input-Dimension – Offenheit gegenüber Themen und Ideen – medialer Diskurse (Wessler, 2008, S. 4f.; Wessler & Schultz, 2007, S. 16) nicht optimal erfüllt. Auch in Bezug
auf die Parteien – die vor der Wahl vermeintlich wichtigsten Akteure – wird eine Vielzahl außen vor gelassen. Somit ist die Offenheit des medialen Diskurses in den Nachrichtensendungen im Gesamten eher beschränkt und zeichnet sich durch ein geringes
Ausmaß an investigativem als vielmehr verlautbarendem Journalismus aus; eine Erkenntnis, zu der auch Gerhards, Neidhardt und Rucht (1998, S. 185) in ihren Schlussfolgerungen zum Abtreibungsdiskurs gelangen.
Hinsichtlich des Deliberativitätskriterium der Ausgewogenheit kann entsprechend der
Annahme festgestellt werden, dass die öffentlich-rechtlichen Sender ausgewogener berichten. Insbesondere betrifft diese Diagnose die Präsentation der Parteien. ARD und
ZDF verteilen die Äußerungschancen für Politiker in ausgewogenerem Maße und thematisieren die verschiedenen Parteien in stärker gleich verteiltem Ausmaß. Damit liegen
die öffentlich-rechtlichen Sender näher an einem deliberativen Ideal der Gleichverteilung von Äußerungschancen. Bei der Verteilung der Sprechzeiten ergeben sich jedoch
größere Unterschiede als bei RTL und Sat.1.
Trotzdem muss festgehalten werden, dass eine Ausgewogenheit in Form einer im deliberativen Sinne absoluten Gleichverteilung von Äußerungschancen der Hauptakteure,
wie sie hier zugrunde gelegt wurde, in beiden Sendern nicht vollends vorhanden ist. Es
lässt sich somit sagen, dass die öffentlich-rechtlichen Sender ausgewogener berichten
als die privaten Sender; jedoch nicht, dass sie ihre Wahlberichterstattung ausgewogen
im deliberativen Sinne gestalten. Überraschenderweise kann zwar im Zeitverlauf eine
Erhöhung der Ausgewogenheit festgestellt werden, allerdings gestaltet sich die Wahlberichterstattung auch zu Ende des Untersuchungszeitraums nicht völlig ausgewogen. So
folgt die Verteilung Politikeraussagen und Parteinennungen in allen Sendern und über
den gesamten Zeitraum hinweg doch eher der eines „Proporz-System[s]“44 als einer
Gleichverteilung; ein Umstand der im Anschluss an Schultz (2006) auch hier bemängelt
und als Bestätigung des bereits Bestehenden bezeichnet werden kann. Ein Diskurs um
eine Wahl, welche gemäß dem Ideal einer deliberativen Demokratie allen Akteuren
(hier: den Parteien) gleiche Chancen einräumt, liegt also in der Berichterstattung nicht
44
Damit ist bei Schultz und auch hier gemeint, dass sich die Anteile in der Berichterstattung ähnlich der
Sitzverteilung im Bundestag verhalten. Diese gestaltete sich im 16. Bundestag vor der Wahl 2009 wie
folgt: CDU/CSU 36,8 %, SPD 36,2 %, FDP 9,9 %, Bündnis 90/Die Grünen 8,3 % und Die Linke 8,6 %
der Sitze (Deutscher Bundestag, 2006).
67
vor. Positiv anzumerken ist allerdings die Tatsache, dass von „news reporting according
to a partisan line“ (Wessler, 2008, S. 8) nicht die Rede sein kann. Weder in der Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen noch in der der privaten Sender wird eine Partei
deutlich bevorzugt. Eine Vorrangstellung einer Partei zeigen lediglich die Daten zum
zeitlichen Verlauf: Hinsichtlich Äußerungen und Nennungen liegt in der letzten Woche
die CDU/CSU vorne, was in einem weiteren Zusammenhang als Hinweis auf einen in
dieser Wahl vorhandenen Kanzlerbonus gewertet werden kann.
Die Diagnose eines unausgewogenen Diskurses betrifft nicht nur die Präsentation der
Parteien. Auch das Verhältnis zwischen sachpolitisch orientierter und Horse-RaceBerichterstattung muss in Bezug auf den gesamten medialen Diskurs als unausgewogen
im deliberativen Sinne bezeichnet werden. So liegt in Bezug auf alle Sender und den
gesamten Zeitraum stets ein Übergewicht der Horse-Race-Berichterstattung vor. Lediglich in Woche 2 beträgt der Anteil der auf Sachpolitik fokussierten Beiträge in der
Wahlberichterstattung immerhin 38,2 %, ansonsten sind es durchgängig weniger als 25
%. Zum größten Teil geht es somit in den Nachrichten weniger um die Information der
Bürger zu den Standpunkten und Programmen der Parteien als um Wahlumfragen, Berichte über Wahlkampfveranstaltungen und das TV-Duell sowie Koalitionsspekulationen. Daraus resultiert auch die Problematik, dass über etwaige Unausgewogenheiten in
Bezug auf das Verhältnis der auf Sachthemen fokussierten Beiträge zueinander kaum
eine Aussage getroffen werden kann, weder im zeitlichen Verlauf noch im Sendervergleich. Es sind zwar Hinweise vorhanden, dass die Berichterstattung hier mehr auf extramediale Einflüsse zu reagieren scheint als darauf zu achten, verschiedene Themen in
ausgewogenem Maße zu behandeln. So ist beispielsweise das Thema „Bundeswehr/Afghanistan/Terror“ relativ oft Hauptfokus der Beiträge (zu durchschnittlich 8,0
% in Bezug auf alle Beiträge). Die Berichte beschäftigen sich dabei vor allem mit einem
von der Al-Qaida ausgehenden Terrorvideo mit Bezug zur Bundestagswahl. Der hohe
Prozentsatz der sich um das Thema „Wirtschaftslage“ drehenden Berichte in Woche 2
(14,7 % aller Beiträge) rührt maßgeblich vom in diesem Zeitraum verhandelten Deal
zwischen Opel und Magna. Dies sind Hinweise darauf, dass die Fernsehnachrichten
eher auf ihre Umwelt reagieren als selbst Themen zu setzen und dass Nachrichtenwerte
von Ereignissen eine größere Rolle spielen als das deliberative Ideal einer ausgewogenen Themenstruktur. Bestätigt werden könnten diese Vermutungen jedoch erst durch
einen Vergleich der Berichterstattung mit Ereignissen in der Realität, wie ihn beispielsweise Gerhards, Neidhardt und Rucht durchführten (1998, S. 93ff.). Ein weiteres Prob68
lem ist, dass aufgrund des hohen Anteils an Horse-Race-Berichterstattung die Anzahl
von sich um Sachpolitik drehenden Beiträgen zu niedrig ist, um aussagekräftige Schlüsse zu deren (Un-)Ausgewogenheit ziehen zu können.
Zur Verteilung von policy- und politics-orientierter Berichterstattung im Sendervergleich ist eine Relativierung der Ergebnisse anzumerken: Zwar enthalten auch die Nachrichten von ARD und ZDF nicht mehr Beiträge mit sachpolitischem Fokus und ihr öffentlich-rechtlicher Status hat keinen Einfluss auf diese Verteilung, doch ein Blick auf
die Kategorie „Themenaspekte“ kann enthüllen, dass sie in den als Horse-RaceBerichterstattung codierten Beiträgen wesentlich mehr Sachpolitik als Nebenaspekte der
Beiträge thematisieren. Des Öfteren erwähnen sie bei Berichten über Wahlkampfveranstaltungen die Programme der Parteien, während RTL und Sat.1 dies kaum tun (ein Beispiel dafür findet sich in Tabelle 15 weiter unten).
Zusammenfassend lässt sich zur Ausgewogenheit der Debatte sagen, dass hier zum Einen bezogen auf die Gleichverteilung der Äußerungschancen und Thematisierungen der
Hauptakteure der Bundestagswahl Defizite zu erkennen sind. Dasselbe gilt für das Verhältnis von substantieller, themenbezogener Berichterstattung und Game-Zentrierung.
Die festzustellenden Differenzen im Sendervergleich sowie Änderungen im Zeitverlauf
stehen dabei – wie die Werte der Assoziationsmaße zeigen – in Zusammenhang mit den
unabhängigen Variablen. Allerdings zeigen die PRE-Maße, dass bei einer Kenntnis von
Senderstruktur und/oder zeitlichem Verlauf der Debatte die Vorhersage von (Un)Ausgewogenheit(en) in der Berichterstattung nicht möglich ist.
Insofern müssen andere Einflussfaktoren die (Un-)Ausgewogenheit der Debatte letztlich
determiniert haben. Das wesentlich größere Ausmaß der Horse-Race-Berichterstattung
könnte ein Indikator für eine fortgeschrittene Amerikanisierung der Wahlberichterstattung sein (siehe Kapitel 2.2), die alle Sender betrifft und somit keine Differenzen in
Abhängigkeit zur ökonomischen Senderstruktur enthüllt. Unausgewogenheiten in der
Parteienpräsenz könnten damit in Verbindung stehen. In überwiegend aus Beiträgen
über den Wahlkampf der Parteien bestehenden Nachrichten bleibt zu vermuten, dass
dabei überwiegend diejenigen Parteien vorkommen, deren PR- und Agenda-BuildingStrategien erfolgreicher sind als die anderer, insbesondere kleinerer Parteien (Brettschneider, 2005a, S. 21). So können sogenannte Splitterparteien kaum große Wahlkampfveranstaltungen organisieren, auf die die Medien aufmerksam werden. Investigativer Journalismus im Sinne einer eigenständigen Präsentation auch der kleinen Parteien
69
und ihrer Programme fehlt damit. Von einer Erfüllung des von Gastil formulierten Kriteriums „Use diverse sourcing, invite diverse guests with different ways of speaking,
and reach beyond conventional debates (left/right)“ (Gastil, 2008, S. 52) kann somit
nicht die Rede sein. Die angenommene höhere Präsenz der Kandidaten, ihrer Parteien
und Themen aufgrund höherer Wahlkampfbudgets und ihres höheren Nachrichtenwertes
scheint anscheinend nicht nur gegen Ende der Debatte sondern im gesamten Zeitraum
vorzuliegen (siehe Kapitel 3.1.2).
Responsive und damit dialogisch strukturierte Nachrichtenbeiträge sind in der Berichterstattung zur Bundestagswahl 2009 durchaus vorhanden. Wie die folgende Abbildung
zeigt, ist der Diskurs mit 24,0 % als „Contest“ und 18,3 % als „Contention“ codierten
Beiträgen im Gesamten zu 42,3 % responsiv.
Responsivitätsgehalt der gesamten
Wahlberichterstattung
Contest
Contention
Sonstige
24,0%
57,7%
18,3%
Basis: Alle Beiträge im gesamten Erhebungszeitraum, N = 175
Abbildung 6: Responsivitätsgehalt der gesamten Wahlberichterstattung
Somit können zum Einen die theoretischen Vorschläge von Cottle und Rai (2006) im
Hinblick auf ihren empirischen Nutzen bestätigt, zum Anderen kann die Diagnose zu
diesem Kriterium von Deliberation wesentlich positiver ausfallen als in der Studie von
Bennett et al. (2004). Diese können eine Responsivität der von ihnen untersuchten Zeitungsartikel kein einziges Mal bestätigen. Trotzdem überwiegen mit einem Anteil von
57,7 % die nicht responsiven und damit einseitigen Nachrichtenbeiträge, was aus deliberativen Gesichtspunkten als negativ gewertet werden kann.
Differenzen im Zeitverlauf können nicht festgestellt werden. Die Debatte wird mit sinkendem Abstand zur Wahl nicht, wie angenommen wurde, responsiver. Dies mag daran
70
liegen, dass Maia (2009) in ihrer Studie ein Thema untersucht, zu dem verschiedene
Sprecher Argumente in den medialen Diskurs einbringen, infolgedessen im Zeitverlauf
vermehrt dialogische Strukturen entstehen. In der vorliegenden Studie steht jedoch ein
Ereignis im Vordergrund, wodurch die Präsentation oppositioneller Standpunkte vom
jeweiligen Beitragsthema abhängt. So verbessert – wie innerhalb der Hypothesenprüfung gezeigt – die unabhängige Variable des zeitlichen Verlaufs nicht die Vorhersagemöglichkeit der Responsivität. Denkbar ist, wie angedeutet, ein Einfluss des jeweiligen
Beitragsthemas. Fasst man die als responsiv anzusehenden Beitragstypen „Contest“ und
„Contention“ zusammen und setzt die dadurch entstehende Gruppe responsiver Beiträge
in Anhängigkeit zu den codierten Themen, ergibt sich für das PRE-Maß Lambda ein –
im Vergleich zu Senderstruktur und Zeitverlauf – wesentlich höherer Wert von λ =
0,203. Die Auswertung in Abhängigkeit zur Beitragslänge liefert ein noch aussagekräftigeres Ergebnis von λ = 0,973, was zeigt, dass von der Länge des Beitrags beinahe
zweifelsfrei auf dessen Responsivitätsgehalt rückgeschlossen werden kann. Gruppiert
man die Beiträge nahe des Medians von 116,76 Sekunden entlang der anschaulichen
Grenze von zwei Minuten, so lässt sich dieser Zusammenhang folgendermaßen illustrieren:
Beitragslänge
Responsivität
< 2 Minuten
> 2 Minuten
Gesamt
responsiv
22 (22,2%)
52 (68,4%)
74 (42,3%)
nicht responsiv
77 (77,8%)
24 (31,6%)
101 (57,7%)
Gesamt
99 (100%)
76 (100%)
175 (100%)
2
χ = 170,902, V = 0,988, λ = 0,973
Basis: Alle Beiträge im gesamten Erhebungszeitraum, N = 175
Tabelle 14: Responsivitätsgehalt im Zusammenhang mit der Länge der Beiträge45
So sind Beiträge mit weniger als zwei Minuten Länge nur zu 22,2 % responsiv, solche
mit mehr als zwei Minuten Länge hingegen zu 68,4 %. Angesichts von nur zwei Ausprägungen ist die Prozentsatzdifferenz von d% = 46,2 äußerst hoch. Diese Erkenntnis
weist darauf hin, dass der Responsivitätsgehalt der Fernsehnachrichten in der Wahlberichterstattung 2009 hauptsächlich von strukturellen Gründen, genauer der zur Verfügung stehenden Zeit abhängt, verschiedene Standpunkte zum Beitragsthema darzustellen. Umso verständlicher wird aufgrund dessen der geringfügig höhere Responsivitäts-
45
Die genannten Kennzahlen beziehen sich auf die Auswertung der Responsivität in Abhängigkeit zu den
einzelnen Längen aller 175 Beiträge.
71
gehalt der Berichterstattung von RTL und Sat.1. Der Median der Beitragslänge liegt in
Bezug auf die beiden Privatsender bei 119,76, bei ARD und ZDF bei 115,94 Sekunden.
Der geringe Unterschied von knapp vier Sekunden erklärt zum Einen die geringfügig
höhere Responsivität der privaten Sender, zum Anderen auch die praktisch nicht vorhandene Verbesserung der Vorhersage des Responsivitätsgehalt angesichts der Senderstruktur.
Da Fernsehnachrichten sich im Vergleich zu anderen Informationsangeboten im Fernsehen durch ihre Kürze auszeichnen, scheint dieses Format also strukturell eher im
Nachteil zu sein, was die Responsivität der Debatte betrifft. Trotzdem kann festgestellt
werden, dass in kurzen Nachrichtenbeiträgen eher auf die Darstellung verschiedener
Standpunkte verzichtet wird und die zur Verfügung stehende Zeit – so kann vermutet
werden – für die ausführliche Schilderung einer Position verwendet wird.
Diesem Merkmal des Formats wurde allerdings im Laufe der Konzeption des Messinstruments Rechnung getragen. So wurde wegen der wenigen zur Verfügung stehenden
Zeit in Fernsehnachrichten davon ausgegangen, dass das von Wessler entworfene Kriterium der „Response articles [Hervorhebung im Original]“ (Wessler, 2008, S. 10) nicht
auf dieses Format – in Form von aufeinander antwortenden Beiträgen – übertragen werden kann (siehe Abschnitt 3.1.1). Bei einer Sichtung der Daten kann jedoch festgestellt
werden, dass eine solche Art der Deliberativität gerade zu Ende der Debatte bei den
öffentlich-rechtlichen Sendern doch zum Einsatz kommt. Dies enthüllt insbesondere die
Kategorie der Themenaspekte. Folgender Auszug aus den Daten veranschaulicht diese
Feststellung; er zeigt die am 26. September codierten Beiträge bei ZDF und RTL im
Vergleich zueinander:46
46
Dieser Auszug kann dabei als ein Beispiel für ein ähnliches Bild an anderen Tagen – insbesondere in
der letzten Woche vor der Wahl – dienen. Zudem ist festzuhalten, dass an diesem und weiteren Tagen die
ARD ähnlich wie das ZDF und Sat.1 ähnlich wie RTL berichtete. Zur Veranschaulichung werden diese
beiden Sender einander gegenüber gestellt. Die weiter codierten Beiträge werden nicht aufgeführt, da sie
für diesen Aspekt nicht relevant sind.
72
Beitragsmerkmale
Beiträge am 26. September 2009
Wahlkampf/
Parteien-PR
Beitrag 2
Wahlkampf/
Parteien-PR
ZDF
Beitrag 1
RTL
Beitrag 3
Beitrag 1
Beitrag 2
Themenaspekte
(offene Codierung)
Thema
…
Wahlkampf/
Parteien-PR
…













Koalitionen
Wahlaufruf von Horst Köhler
Steuersenkungen
Rede Merkel
letzter Wahlkampftag CDU/CSU
Koalitionen
soziale Gerechtigkeit
Stärkung der Mittelschicht
Steuern
Abschaffung des Gesundheitsfonds
Familien
Rede Westerwelle
letzter Wahlkampftag FDP

…



Wahlaufruf von Horst Köhler
letzte Wahlkampfaktionen und
Strategien der Parteien
Erklärungen und Prognosen zur Lage
vor Bundestagswahl
Wahlumfragen

…

Responsivitätsgehalt
Sonstige
(nicht responsiv)
Sonstige
(nicht responsiv)
…
Contention
(mehrere Standpunkte)
…
Tabelle 15: Beiträge am 26. September 2009: ZDF vs. RTL
Deutlich wird dabei, dass RTL hier einen als responsiv codierten Beitrag sendet, das
ZDF dagegen zwei Beiträge, die als nicht responsiv eingestuft werden können. Sie enthalten die beiden Wahlkampfaktionen von CDU/CSU und FDP; RTL fasst dies in einem
Beitrag zusammen. Insofern handelt es sich bei der Berichterstattung des ZDF an diesem Tag um Antwortbeiträge zum Thema „Wahlkampf/Parteien-PR“, die jedoch nicht
als responsiv im Sinne der hier definierten Operationalisierung gelten können.
Damit bleibt im Hinblick auf die Responsivität in Fernsehnachrichten einerseits zu untersuchen, inwieweit Antwortbeiträge vorkommen und ob hier eventuell der Ausschlag
gebende Unterschied zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehsendern liegt.
Andererseits bleibt die Frage offen, ob mittels einer höheren Anzahl an Beiträgen, die
aufeinander Bezug nehmen und gegensätzliche Standpunkte einander gegenüber stellen,
eine mediale Debatte (um ein Ereignis oder Thema) im Zeitverlauf responsiver wird.
Angesichts dieser Erkenntnisse lässt sich die Forschungsfrage wie folgt beantworten:
Die Diskursstruktur der medienvermittelten Deliberation in der Wahlberichterstattung
2009 weist eine hohe Inklusivität im Hinblick auf in den Diskurs einbezogene Sprecher
auf, zeigt jedoch eine eingeschränkte Offenheit gegenüber Sachthemen und Parteien.
Die Anforderung an die Medien, im Wahlkampf einerseits Themen mit öffentlicher Relevanz zu behandeln und andererseits Parteien zu ihren Forderungen und Zielen zu befragen (Gastil, 2008, S. 93; Jamieson, 1992), wird damit nur bedingt erfüllt. Ausgewo73
genheit im Verständnis eines „herrschaftsfreien Diskurs[es]“ mit einer Gleichverteilung
von Äußerungschancen (Habermas, 1984) ist im Gesamten nicht vorhanden. Wenngleich keine „Constructed Deliberation [Hervorhebung im Original]“ (Page, 1996, S.
19) im Sinne einer erkennbaren Überpräsenz einer Partei vorliegt, so folgt die Parteienstruktur eher der Sitzverteilung im Bundestag und bestätigt damit die bestehenden
Machtverhältnisse. In Bezug auf die Themen kann ein Ungleichgewicht in Richtung
von Horse-Race-Berichterstattung und damit eine Unausgewogenheit zu Ungunsten von
aus deliberativen Gesichtspunkten zu bevorzugender, substantieller Berichterstattung
festgestellt werden (Gastil, 2008, S. 94f.). Die trotzdem in den Diskurs integrierten
sachpolitischen Themen scheinen eher äußeren Vorkommnissen zu folgen als von kritischem und aufsuchendem Journalismus auszugehen. Angesichts der Kürze von Fernsehnachrichten und der anspruchsvollen Umsetzung des Kriteriums ist der relativ hohe
Gehalt an Responsivität und damit dialogisch strukturierten Beiträgen aus deliberativer
Sicht positiv hervorzuheben, der jedoch von genau diesem Kriterium abhängig ist.
4.3 Ergebnisdarstellung und Hypothesenprüfung – Diskursqualität
4.3.1
Diskursqualität nach Senderstruktur
Hypothese 7 beinhaltet die Annahme, dass öffentlich-rechtlich organisierte Sender ihre
Debatte ziviler präsentieren als private Sender. Folgende Tabelle veranschaulicht die
Verteilung der zivilen und inzivilen Sprecheraussagen in den unterschiedlichen Sendertypen. In der unteren Darstellung wird keine Rücksicht auf die unterschiedlichen Inzivilitätsausprägungen genommen:
Ökonomische Senderstruktur
Zivilität
öffentlich-rechtlich
privat
Zivile Aussagen
89,7%
76,1%
Inzivile Aussagen
10,3%
23,9%
100%
100%
Gesamt
2
χ = 45,571, V = 0,179, λ = 0,000
Basis: Alle Sprecheraussagen im gesamten Erhebungszeitraum, N = 1424
Tabelle 16: Zivilität der Aussagen im Vergleich zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern
Der Tabelle ist zu entnehmen, dass sich die beiden Sendertypen in ihrer Verteilung der
(in-)zivilen Aussagen deutlich unterscheiden: So überwiegen bei den öffentlichrechtlichen Sendern ARD und ZDF die zivilen Aussagen mit 89,7 % im Gegensatz zu
74
76,1 % bei den beiden privaten Sendern RTL und Sat.1. Während bei den öffentlichrechtlichen Sendern nur ein Zehntel der Aussagen inzivil sind, ist es bei den privaten
Sendern fast ein Viertel. Der Unterschied zwischen den beiden Sendergruppen beläuft
sich bezüglich der zivilen Aussagen auf 13,6 Prozentpunkte.
Ein Blick auf die Verteilung der inzivilen Aussagen auf die unterschiedlichen Inzivilitätsausprägungen47 verdeutlicht, dass die Unterschiede zwischen den Sendertypen bei
den Ausprägungen „Herabwürdigender Sprachgebrauch“ am stärksten ausfallen. Abbildung 7 stellt die Verteilung der unterschiedlichen Inzivilitätsausprägungen in den einzelnen Sendern dar. Jeder Ausprägung ist eine andere Farbe zugeordnet:
Inzivilitätsausprägungen
80%
68,5%
70%
Gebrauch von
Schimpfwörtern
Herabwürdigender
Sprachgebrauch
60%
50%
Unterbrechung durch einen
Sprecher
47,1%
Unterbrechung durch das
Medium
40%
Persönlicher Angriff
30%
non-verbale Unhöflichkeit
20%
17,1% 17,1%
Unzivile Kameraeinstellung
11,8%
11,4%
10%
16,9%
7,1%
4,5%
2,8%
Erhöhte Lautstärke
0%
öffentlich-rechtlich
privat
2
χ = 22,372, V = 0,104, λ = 0,000
Basis:
Alle inzivilen Sprecheraussagen der einzelnen Sendertypen im gesamten Erhebungszeitraum, Mehrfachcodierungen möglich, N(öffentlich-rechtlich) = 70, N(privat) = 178
Abbildung 7: Inzivilitätsausprägungen im Vergleich zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern
Das Schaubild verdeutlicht die herausragende Rolle der Ausprägung „Herabwürdigender Sprachgebrauch“: Während in den öffentlich-rechtlichen Sendern 47,1 % der inzivilen Aussagen dieser Ausprägung zufallen, sind es bei den privatwirtschaftlich organi47
Die Ausprägung „Sonstige“ ist hier nicht mehr aufgeführt, stattdessen ist die Ausprägung „Erhöhte
Lautstärke“ mit in die Auswertung aufgenommen worden. Alle in der Ausprägung „Sonstige“ aufgeführten Fälle fallen in diese Gruppe.
75
sierten Sendern sogar 68,5 % der Aussagen. Betrachtet man allerdings die anderen Ausprägungen, ergibt sich ein eher gemischtes Bild: Überwiegen bei den öffentlichrechtlichen Sendern beispielsweise die Ausprägungen „Unterbrechung durch das Medium“ (17,1 % vs. 11,8 %), „Persönlicher Angriff“ (11,4 % vs. 4,5 %) und „Erhöhte Lautstärke“ (7,1 % vs. 2,8 %), liegt eine nahezu gleiche Verteilung bei dem Anteil der „Inzivilen Kameraeinstellung“ (17,1 % vs. 16,9 %) vor. Beide Sendertypen scheinen damit
gleichermaßen die visuelle Ebene zu nutzen, um gegen die deliberative Maßgabe der
Zivilität zu verstoßen.
Der deutliche Ausschlag der Ausprägung „Herabwürdigender Sprachgebrauch“ zeigt,
dass der „Gebrauch von Schimpfwörtern“, der sich aus der Umsetzung der „„hot button‟
[Hervorhebung im Original] language“ (Ferree et al., 2002, S. 239) ableitet, tatsächlich
nicht ausreicht, um Inzivilität detailliert zu erfassen und dass die Erweiterung, die im
Kontext dieser Studie vorgenommen wurde, fruchtbar war. In der folgenden Tabelle
wird dieser Besonderheit nachgegangen und die Ausprägung „Herabwürdigender
Sprachgebrauch“ in Bezug auf ihre Urheber dargestellt:
76
Ökonomische Senderstruktur
Sprechertypen
öffentlich-rechtlich
privat
Parteien: CDU/CSU
6,1%
3,3%
Parteien: SPD
3,0%
4,1%
Parteien: FDP
15,2%
3,3%
Parteien: Bündnis 90/Die Grünen
18,2%
3,3%
3,0%
0,8%
Parteien: Piratenpartei
0%
0%
Parteien: Die Violetten
0%
0%
Parteien: Sonstige
0%
0%
Verwaltung und Regierung: CDU/CSU
0%
1,6%
3,0%
0%
Verwaltung und Regierung: Sonstige/ohne Partei
0%
0%
Judikative
0%
0%
Interessengruppen, -verbände
9,1%
0%
soziale Bewegungen
3,0%
0%
Experten/Intellektuelle
0%
2,5%
Advokaten
0%
0%
3,0%
4,9%
0%
0,8%
3,0%
0%
Journalisten: Mitarbeiter
33,3%
75,4%
Gesamt
100%
100%
Parteien: Die Linke
Verwaltung und Regierung: SPD
Problembetroffene/Bürger
Künstler/Prominente
Journalisten: Nicht-Mitarbeiter
2
χ = 57,091, V = 0,606, λ = 0,000
Basis: Alle Codierungen der Ausprägung „Herabwürdigender Sprachgebrauch“ im gesamten Erhebungszeitraum, N = 155
Tabelle 17: Herabwürdigende Äußerungen im Vergleich zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern
Interessanterweise findet sich der höchste Gebrauch dieser Inzivilitätsausprägung bei
den Journalisten der unterschiedlichen Sender (33,3 % vs. 75,4 %). Dies stützt Deana A.
Rohlingers (2007) Fokussierung auf die inzivilen rhetorischen Stile der Journalisten,
wie in Kapitel 3.2.2 beschrieben wurde. Weiterhin zeigt die Tabelle, dass die öffentlichrechtlichen Sender die beiden Oppositionsparteien FDP und Bündnis 90/Die Grünen
inziviler inszenieren als die privaten Sender, bei denen bezüglich der Parteien keine
solchen Ausschläge zu erkennen sind.
Es kann festgehalten werden, dass sich die Variable der Zivilität wie durch die Hypothese vorhergesagt zu verhalten scheint. Öffentlich-rechtliche Sender präsentieren den
medialen Diskurs um die Bundestagswahl 2009 deutlich ziviler als die privaten Sender.
Bezieht man nun allerdings das errechnete Zusammenhangsmaß Cramer‟s V und das
PRE-Maß Lambda mit ein, so ergibt sich ein ambivalentes Bild. Der Wert von Cramer‟s
77
V (V = 0,179) deutet an, dass zwischen der Senderstruktur und dem Ausdruck ein
schwacher Zusammenhang besteht. Deutlich stärker ist dieser Zusammenhang im Hinblick auf die Sprecher und die inzivilen Äußerungen (V = 0,606). Allerdings kann hieraus nicht die Richtung des Zusammenhangs abgelesen werden. Hierzu wird das Assoziationsmaß Lambda herangezogen. Letzteres nimmt in Bezug auf die obigen Auswertungen immer den Wert λ = 0 an. Damit wird deutlich, dass die abhängige Variable der
Zivilität nicht mit Hilfe der unabhängigen Variablen der Senderstruktur vorhergesagt
werden kann. Die deutlichen Unterschiede zwischen den beiden Sendern bleiben jedoch
bestehen und sind aufgrund der Vollerhebung auch nicht mit einem Qualitätsmangel der
Stichprobe zu erklären. Die Hypothese kann somit bestätigt werden: Die Berichterstattung über die Bundestagswahl 2009 gestaltet sich bei Fernsehsendern, die nach dem
öffentlich-rechtlichen Prinzip organisiert sind, ziviler als bei den Privaten.
Zur Prüfung der Hypothesen 8 und 9, denen die Annahme zugrunde liegt, dass privatwirtschaftliche Sender im Bezug auf die beiden abhängigen Variablen Rechtfertigung
und Widerlegung weniger deliberativ sind, wird zunächst kurz auf die Länge der sound
bites in den unterschiedlichen Sendertypen eingegangen.
In Anlehnung an Gastil (2008) wird davon ausgegangen, dass sound bites einerseits eine
sehr wichtige Rolle in der medialen Wahlkampfberichterstattung einnehmen, andererseits auch ihre Länge Einfluss auf die Deliberativitätskriterien Rechtfertigung und Widerlegung haben kann:
Even if taken for granted, the status quo of sound bites is an important part of the electoral landscape, as it reflects the relative scarcity of in-depth, fully developed argument
in day-to-day media coverage of elections (Gastil, 2008, S. 96).
Vergleicht man nun die Längen der sound bites, so ergibt sich ein erkennbarer Unterschied48 zwischen 14,45 Sekunden für die öffentlich-rechtlichen Sender und 13,07 Sekunden für die privaten. Es kann also festgehalten werden, dass die öffentlichrechtlichen Sender ihren Sprechern fast zwei Sekunden mehr an Möglichkeit bieten,
sich argumentativ zu äußern. Ob diese Chance auch genutzt wird, zeigt sich in der folgenden Hypothesenprüfung.
Die Hypothesen werden in Anlehnung an Ferree et al. (2002) drei Tests unterzogen. Sie
untersuchen in ihrer Studie zwar lediglich Widerlegungen und dies in Printmedien, al48
Eine Auflistung der durchschnittlichen sound bites für die einzelnen Sprecher findet sich im Anhang
(Kapitel 8.2).
78
lerdings wird das Auswertungsverfahren, welches sie für ihre Variable anwenden (Ferree et al., 2002, S. 241), in dieser Studie auch auf die Variable der Rechtfertigung übertragen. Demnach wird also zum Einen untersucht, wie hoch der Anteil der Rechtfertigungen und Widerlegungen innerhalb aller Sprecheräußerungen ist, zum Anderen wie
viel Prozent der Sprecheräußerungen mindestens eine Rechtfertigung oder eine Widerlegung beinhalten und zuletzt ist außerdem auf Ebene der Beiträge interessant, wie viel
Rechtfertigungen oder Widerlegungen im Durchschnitt auf einen Beitrag entfallen.
Für die erste Auswertungsweise hinsichtlich des Anteils an Begründungen pro 100
Sprecheräußerungen ergibt sich für Hypothese 8 folgendes Bild:
Ökonomische Senderstruktur
Rechtfertigungen
Begründung
öffentlich-rechtlich
privat
14,4%
8,3%
9,6%
11,3%
Erklärung
20,2%
18,5%
Gesamt
44,2%
38,1%
Beweis
2
χ = 13,660, V = 0,049, λ = 0,000
Basis:
Alle Sprecheraussagen im gesamten Erhebungszeitraum, Mehrfachcodierungen möglich,
N = 1424
Tabelle 18: Anteil der Rechtfertigungen in den Sprecheraussagen im Vergleich zwischen öffentlich-rechtlichen
und privaten Sendern
Von 100 Sprecheraussagen weisen in den öffentlich-rechtlichen Sendern gut 14 eine
Begründung auf, bei den privaten Sendern hingegen nur acht Aussagen. Ein relativ ausgewogenes Verhältnis ergibt sich bei den Ausprägungen „Beweis“ (zehn Aussagen vs.
elf Aussagen) und „Erklärung“ (20 Aussagen vs. 19 Aussagen). Diese sind im strengen
Sinne zwar nicht deliberativ, können aber durchaus als Deliberativitätsbemühungen, wie
in Kapitel 3.2.2 erläutert, verstanden werden. So ist Sprechern, die ihren Ansichten Erklärungen oder Beweise hinzufügen, ein höheres Interesse an Verständigung zuzusprechen als Sprechen, die nur ihren Standpunkt verlautbaren oder ankündigen.
Unterzieht man die Hypothese dem zweiten Auswertungsvorschlag und untersucht, in
wie vielen Sprecheraussagen mindestens eine Begründung vorliegt, so ergibt sich nachstehende Verteilung:
79
Ökonomische Senderstruktur
Rechtfertigung: Begründung
öffentlich-rechtlich
privat
Aussagen ohne Begründung
86,3%
91,7%
Aussagen mit Begründung
13,7%
8,3%
100%
100%
Gesamt
2
χ = 10,578, V = 0,086, λ = 0,000
Basis:
Alle Sprecheraussagen im gesamten Erhebungszeitraum, N = 1424
Tabelle 19: Anteil der Sprecheraussagen mit oder ohne Begründung im Vergleich zwischen öffentlichrechtlichen und privaten Sendern
Tabelle 19 verdeutlicht, dass in den öffentlich-rechtlichen Sendern 13,7 % aller Sprecher mindestens eine Begründung verwenden. Die Sprecher in den privatwirtschaftlich
organisierten Sendern tun dies hingegen nur zu einem Anteil von 8,3 %. Diese Verteilung der Aussagen mit Begründungen auf die verschiedenen Sendertypen weist in dieselbe Richtung wie die zugrunde gelegte Hypothese. Sprecher, die in den Sendern ARD
und ZDF zu Wort kommen, verwenden daher nicht nur mehr Begründungen, es sind
auch von vorneherein mehr Sprecher dazu bereit, überhaupt Begründungen anzuführen.
Bezüglich Ferree et al.„s dritter Auswertung auf Ebene der einzelnen Beiträge ergibt
sich folgende Verteilung: Auf die Beiträge der öffentlich-rechtlichen Sender entfallen
durchschnittlich 1,08 Begründungen pro Beitrag, auf die privaten 0,73 Begründungen.
Zuletzt wird noch der Zusammenhang zwischen den Sprechern und deren Verwendung
von Begründungen untersucht.49 Dabei wird analysiert, welche Sprecher in ihren Aussagen Begründungen verwenden. Auch hier überwiegt bei fast allen Sprechertypen innerhalb der öffentlich-rechtlichen Sender der Anteil an Begründungen. Damit stützt
auch dieses Ergebnis die untersuchte Hypothese.
Im Anschluss an diese umfangreiche Prüfung der Hypothese können alle Testergebnisse
zur Stützung der Annahme herangezogen werden. Öffentlich-rechtliche Sender erfüllen
damit auch das zweite Deliberativitätskriterium, welches in dieser Studie an die Qualität
des Diskurses angelegt wird, in Bezug auf die Prozentsatzdifferenzen besser. Allerdings
zeigt ein Blick auf das Assoziationsmaß Cramer‟s V und das PRE-Maß Lambda auch in
diesem Fall, dass zwar ein schwacher Zusammenhang zwischen der Senderstruktur und
der Variablen Rechtfertigung besteht (erste Auswertung: V = 0,049; zweite Auswertung: V = 0,086). Dieser kann jedoch nicht dazu verwendet werden, die Qualität einer
Vorhersage zu verbessern, wie das PRE-Maß Lambda indiziert. Die errechneten Werte
49
Eine genaue Auflistung dieses Zusammenhangs findet sich im Anhang (Kapitel 8.2).
80
für Lambda betragen bei allen Auswertungen λ = 0. Damit kann auch hier die unabhängige Variable der Senderstruktur nicht das Verhalten der abhängigen Variablen prognostizieren. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Unterschiede zwischen den Sendergruppen nicht vorhanden oder unbedeutend sind. Öffentlich-rechtliche Sender verwenden in der Berichterstattung über die Bundestagswahl 2009 deutlich häufiger Rechtfertigungen, was die Einbeziehung der Prozentsatzdifferenzen deutlich macht. Damit kann
auch diese Hypothese bestätigt werden: Fernsehsender, die nach dem öffentlichrechtlichen Prinzip organisiert sind, verwenden in der Berichterstattung über die Bundestagswahl 2009 häufiger Rechtfertigungen.
Die letzte Hypothese, die sich mit senderstrukturellen Unterschieden befasst, widmet
sich der abhängigen Variablen der Widerlegung. Analog zur vorherigen Hypothese
werden auch hier die drei Auswertungsweisen nach Ferree et al. (2002) angewendet.
Die anschließende Tabelle illustriert das Verhältnis der beiden Indikatoren „Bezugnahme“ und „Gegenargument“ hinsichtlich der verschiedenen Sendertypen:
Ökonomische Senderstruktur
Widerlegung
Aussage mit Bezugnahme
Aussage mit Gegenargument
Gesamt
öffentlich-rechtlich
privat
50,4%
31,8%
1,9%
0,7%
52,3%
32,5%
2
χ = 38,310, V = 0,082, λ = 0,000
Basis:
Alle Sprecheraussagen im gesamten Erhebungszeitraum, Mehrfachcodierungen möglich,
N = 1424
Tabelle 20: Anteil der Widerlegungen in den Sprecheraussagen im Vergleich zwischen öffentlich-rechtlichen
und privaten Sendern
Die Verteilung der Widerlegungen auf die Sendertypen zeigt, dass den öffentlichrechtlichen Sendern auch in diesem Fall die höheren Anteile zufallen: Von 100 getätigten Sprecheraussagen beinhalten bei den öffentlich-rechtlich organisierten Sendern gut
50 einen Bezug auf eine Aussage eines anderen Akteurs, bei den privaten Sendern hingegen weisen nur rund 32 Aussagen einen solchen Bezug auf. Gegenargumente kommen zwar bei beiden Sendern sehr selten vor, die öffentlich-rechtlichen Sender können
aber immerhin noch zwei Gegenargumente, die privaten nur rund ein Gegenargument
pro 100 Aussagen aufweisen. Damit weisen die Sprecheraussagen in den öffentlichrechtlichen Sendern einen höheren Anteil an Widerlegungen auf als die privaten Sender.
81
Im Hinblick auf die Auswertung der Sprecher in den Sendergruppen, die in ihrer Äußerung mindestens einen Bezug auf Aussagen anderer Akteure enthalten, zeigt sich nachstehendes Bild:
Widerlegung: Bezug auf Aussagen eines
anderen Akteurs
Ökonomische Senderstruktur
öffentlich-rechtlich
privat
Aussagen ohne Bezugnahme
59,2%
74,2%
Aussagen mit Bezugnahme
40,8%
25,8%
100%
100%
Gesamt
2
χ = 36,299, V = 0,160, λ = 0,000
Basis:
Alle Sprecheraussagen im gesamten Erhebungszeitraum, N = 1424
Tabelle 21: Sprecheraussagen mit oder ohne Bezug auf Aussagen eines anderen Akteurs im Vergleich zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern
Während 40,8 % der Sprecher in den öffentlich-rechtlichen Sendern einen Bezug zu
Aussagen anderer Akteure herstellen, leisten dies nur 25,8 % der Sprecher in privaten
Sendern. Ein sehr ähnliches Muster zeigt sich bei dem zweiten Indikator. Hier verwenden 1,9 % der Sprecher in öffentlich-rechtlichen Sendern mindestens ein Gegenargument, während bei den privatwirtschaftlich organisierten Sendern gerade einmal 0,7 %
der Sprecher sich dessen bedienen.
Widerlegung: Gebrauch eines Gegenarguments
Aussagen ohne Gegenargument
Ökonomische Senderstruktur
öffentlich-rechtlich
98,1%
99,3%
1,9%
0,7%
100%
100%
Aussagen mit Gegenargument
Gesamt
privat
2
χ = 4,401, V = 0,056, λ = 0,000
Basis: Alle Sprecheraussagen im gesamten Erhebungszeitraum, N = 1424
Tabelle 22: Sprecheraussagen mit oder ohne Gegenargument im Vergleich zwischen öffentlich-rechtlichen und
privaten Sendern
Entsprechend der dritten Auswertungsweise nach Ferree et al. (2002) zeigt sich, dass für
den Indikator „Bezugnahme“ in den öffentlich-rechtlichen Sendern durchschnittlich
3,80 Bezüge in einem Beitrag aufzufinden sind, bei den privaten 2,79. Sehr ähnlich verhält sich diese Verteilung auch im Hinblick auf den Indikator „Gegenargument“. Hier
entfallen auf die öffentlich-rechtlichen Sender 0,14 Gegenargumente pro Beitrag, auf
die privaten lediglich 0,06. Damit wird die Hypothese auch auf Ebene dieser Auswertung gestützt. Im Hinblick auf die Verteilung der beiden Indikatoren auf die verschiede82
nen Sprechertypen50 kann festgestellt werden, dass bei den Sendern RTL und Sat.1 in
91,7 % der verwendeten Bezüge dies durch einen an den Nachrichten beteiligten Journalisten geschieht und nur in 8,3 % der Fälle durch andere Sprecher. Die öffentlichrechtlichen Sender hingegen lassen neben den Journalisten (86,6 %) ein wenig stärker
auch andere Sprecher Bezüge herstellen. Die Gegenargumente hingegen entfallen bei
beiden Sendertypen in rund 40 % der Fälle auf die Journalisten.
Im Anschluss an diese Prüfung kann insgesamt festgehalten werden, dass die Sprecheraussagen der öffentlich-rechtlichen Sender nicht nur prozentual mehr Bezüge zu Aussagen anderer Akteure (d% = 18,6) und mehr Gegenargumente (d% = 1,2)51 enthalten.
Auch der Anteil an Sprecheraussagen, die mindestens ein Gegenargument oder einen
Bezug enthalten, ist deutlich höher. Damit verwenden Sprecher in den öffentlichrechtlichen Sendern nicht nur mit höherer Wahrscheinlichkeit Widerlegungen, sie verwenden auch tatsächlich mehr Widerlegungen als in den privaten Sendern. Bei den öffentlich-rechtlichen Sendern scheint daher ein stärkerer Fokus auf einer dialogischen
Struktur der Berichterstattung zu liegen als bei den privaten Sendern. Allerdings muss
einschränkend gesagt werden, dass diese Leistung hauptsächlich durch die Medienschaffenden, also durch die Journalisten und nicht durch die zu Wort kommenden Akteure selbst erbracht wird, was die Betrachtung der Sprechertypen in Bezug auf die Widerlegungen zeigt.
Dadurch erfüllen die öffentlich-rechtlichen Sender auch das Kriterium der Widerlegung
besser und sind deliberativer als die privaten Sender. Getrübt wird das Bild allerdings
durch die Betrachtung des Assoziationsmaßes Cramer‟s V. So legt dieses nur einen
schwachen Zusammenhang zwischen den untersuchten Variablen nahe (erste Auswertung: V = 0,082; zweite Auswertung: V = 0,160; 0,056)52. Auch in diesen Auswertungen nimmt Lambda in allen Fällen den Wert λ = 0 an, womit die Kenntnis über die unabhängige Variable keinen Beitrag dazu leistet, die abhängige vorauszusagen. Es lässt
sich resümieren, dass hier offensichtliche Unterschiede zwischen den Sendertypen vorliegen, auch wenn die Werte des PRE-Maßes Lambda nicht dazu beitragen können, eine
zutreffendere Vorhersage zu leisten. Damit wird Hypothese 9 bestätigt: Ist ein Fernseh50
Eine Auflistung der Tabellen zu den beiden Auswertungen findet sich im Anhang (Kapitel 8.2).
Diese Prozentsatzdifferenz mag zwar sehr gering erscheinen, betrachtet man allerdings die Prozentsätze, auf denen diese Berechnung beruht, so ist erkennbar, dass in den öffentlich-rechtlichen Sendern der
Anteil an Gegenargumenten doppelt so hoch ist wie in der privatwirtschaftlich organisierten Sendergruppe.
52
In dieser Auswertung nimmt Cramer‟s V zwei Werte an, da die Indikatoren getrennt ausgewertet wurden.
51
83
sender nach dem öffentlich-rechtlichen Prinzip organisiert, findet sich in der Berichterstattung über die Bundestagswahl 2009 häufiger Widerlegungen.
Die öffentlich-rechtlichen Sender scheinen also ihre längeren sound bites dazu zu nutzen, mehr Widerlegungen und Rechtfertigungen in die Debatte einfließen zu lassen, was
Gastils Aussage, die Länge der sound bites sei wichtig, um eine im deliberativen Sinne
bessere Argumentation liefern zu können, stützt. Man könnte hier auch von einem „more of the same effect“53 sprechen, da sich das Mehr an Zeit für eine Aussage positiv auf
das Mehr an deliberativen Elementen in der medialen Debatte auswirkt.
Zusammenfassend lässt sich für die obigen Hypothesen festhalten, dass mit Hilfe der
deutlichen Unterschiede zwischen den verschiedenen Sendergruppen in Bezug auf die
abhängigen Variablen die Hypothesen bestätigt werden können.
4.3.2
Diskursqualität im Zeitverlauf
Hypothese 10 formuliert die Annahme, dass die Debatte im zeitlichen Verlauf über alle
Sendergrenzen hinweg inziviler wird. Dies gründet sich auf die Vermutung, dass die
politischen Akteure versuchen, die Aufmerksamkeit der Medien auf sich und ihre Partei
zu ziehen, da eine erhöhte Inzivilität – in Anlehnung an eine Studie von Diana Mutz
(2007) – zu einer erhöhten Aufmerksamkeit seitens der Zuschauer führt. Nachfolgendes
Schaubild stellt die zivilen und inzivilen Sprecheraussagen im Zeitverlauf über alle vier
Sender hinweg dar, ungeachtet der verschiedenen Inzivilitätsausprägungen:
53
Diesen Begriff verwendet auch Kai Hafez (2002), der ihn dazu verwendet um eine Tendenz in Vollnachrichten-programmen wie BBC und CNN zu charakterisieren. Der Effekt bezeichnet den Umstand,
dass Nachrichtensender trotz der Ausweitung ihres Informationsangebotes nicht stärker auf NichtWestliche Gebiete eingehen, sondern noch mehr über den Westen selbst berichten. In diesem Kontext
wird der Begriff jedoch anders verwendet.
84
Zivilität im Zeitverlauf
90%
82,4%
81,5%
85,5%
81,3%
Anteil der Sprecheraussagen
80%
70%
60%
50%
zivil
40%
inzivil
30%
20%
17,6%
18,5%
1. Woche
2. Woche
14,5%
18,7%
10%
0%
3. Woche
4. Woche
2
χ = 2,718, V = 0,044, λ = 0,000
Basis:
Alle Sprecheraussagen im gesamten Erhebungszeitraum, Mehrfachcodierungen möglich, N = 1424
Abbildung 8: Zivile und inzivile Aussagen im Zeitverlauf
Dem Schaubild lässt sich entnehmen, dass sich die zivilen (orange) und die inzivilen
(blau) Aussagen in ihrer Verteilung auf die Sprecheraussagen im zeitlichen Verlauf
kaum ändern: Beginnend auf einem relativ hohem Niveau (82,4 %) fallen die zivilen
Aussagen zwar in der zweiten Woche leicht ab, steigen dann allerdings wieder an und
erreichen in der dritten Woche sogar ein höheres Niveau (85,5 %) als zu Beginn des
untersuchten Zeitraums. In der letzten Woche fallen sie noch einmal leicht ab und erreichen ihren niedrigsten Stand (81,3 %). Die inzivilen Aussagen bleiben auf einem relativ
niedrigen Niveau, an dem sich abhängig von den zivilen Aussagen wenig ändert. Insgesamt kann jedoch nicht von einer eindeutigen Tendenz der (in-)zivilen Aussagen gesprochen werden. Die Berichterstattung über die Bundestagswahl scheint sich in Bezug
auf die Zivilität ungefähr auf einem Niveau zu halten.
Die Ergebnisse der Berechnung des Assoziationsmaßes Cramer‟s V (V = 0,044) indiziert einen schwachen Zusammenhang zwischen den Variablen. Der Wert für Lambda
(λ = 0) hingegen zeigt wie bei den vorherigen Hypothesen, dass die unabhängige Variable des zeitlichen Fortschritts nicht dazu geeignet ist, das Verhalten der abhängigen
Variablen der Zivilität zu prognostizieren. Die Hypothese ist aufgrund der mangelnden
Unterschiede im zeitlichen Verlauf widerlegt: Die Berichterstattung über die Bundestagswahl 2009 wurde im zeitlichen Verlauf nicht inziviler.
85
Hinsichtlich der Rechtfertigung im Zeitverlauf (Hypothese 11) soll beurteilt werden, ob
diese, wie Maia (2009) annimmt, gemäß der formulierten Hypothese im Verlauf der
Debatte ansteigt, also ob die Anteile an Begründungen über die vier Wochen zunahmen
oder ob sie sich entgegengesetzt dieser Annahme verhalten.
Betrachtet man die abhängige Variable der Rechtfertigung im zeitlichen Verlauf, so
ergibt sich folgendes Bild:
Rechtfertigung im Zeitverlauf
Anteil der Sprecheraussagen
25%
20%
15,9%
15%
11,1%
Begründung
10,3%
Beweis
10%
Erklärung
5,6%
5%
0%
1. Woche
2. Woche
3. Woche
4. Woche
2
χ = 22,785, V = 0,037, λ = 0,000
Basis:
Alle Codierungen der Kategorie „Rechtfertigung“ im gesamten Erhebungszeitraum,
N = 5696
Abbildung 9: Rechtfertigung im Zeitverlauf54
Von besonderer Wichtigkeit ist in der oberen Abbildung der orangefarbene Graph, da er
die Begründungen im Zeitverlauf repräsentiert. Die anderen beiden Kurven beziehen
sich auf die in diesem Rahmen so genannten Deliberationsbemühungen, welche eine
untergeordnete Stellung einnehmen. In Bezug auf die begründeten Aussagen (orange)
lässt sich vorab sagen, dass die Begründungen entgegen der zugrunde gelegten Hypothese zunächst abnehmen. Das anfängliche Niveau von 11,1 % begründeten Aussagen
fällt in der zweiten Woche um 5,5 Prozentpunkte. Danach steigen die Begründungen
allerdings linear an, zunächst auf 10,3 %, um dann auf einem Niveau von 15,9 % zum
Stillstand zu kommen, wobei das anfängliche Niveau in der letzten Woche überholt
wird. Ein Blick auf die Ausprägungen „Beweis“ (blau) und „Erklärung“ (rot) zeigt, dass
sich die Erklärungen gemäß der Vorhersage verhalten und kontinuierlich ansteigen. Die
54
Die Kennzahlen wurden unter Berücksichtigung der Ausprägung „Aussage allein“ berechnet.
86
Beweise hingegen schwanken während des gesamten Untersuchungszeitraums um die
10 %-Marke.
Der Einbruch am Anfang des Untersuchungszeitraum respektive der hohe Ausschlag in
der ersten Woche, welcher sich bereits bei der abhängigen Variablen der Inklusivität
bemerkbar gemacht hat, könnte ebenso mit den Wahlkampfauftaktveranstaltungen der
Parteien und der Präsentation der Landtagswahlergebnisse vom 30. August erklärt werden. Trotz des anfänglichen Einsturzes der Kurve scheint sich die Hypothese somit
durch diese Verteilung und durch die Betrachtung der Prozentsatzdifferenzen bestätigen
zu lassen. Bezüglich des Kontingenzkoeffizienten Cramer‟s V (V = 0,037) kann hier
allerdings nur von einem schwachen Zusammenhang zwischen den Variablen des zeitlichen Verlaufs und der Rechtfertigung gesprochen werden. Der Prädiktionszusammenhang beträgt λ = 0. Damit kann auch hier nicht die unabhängige Variable dazu herangezogen werden, das Verhalten der abhängigen in Aussicht zu stellen. Dies ist jedoch
nicht unbedingt ein Anliegen der zugrunde gelegten Hypothese. Im Gesamten gesehen
muss hinsichtlich der in der Hypothese formulierten Annahme abgewogen werden, ob
und von welcher Tendenz hier die Rede sein kann. Anhand des Graphs wird deutlich,
dass der Anteil begründeter Aussagen eher ansteigt, als dass er sich konstant hält oder
gar fällt. Zudem lassen die Verläufe von „Beweis“ und „Erklärung“ den Schluss zu,
dass der Anteil bloßer Aussagen ohne jegliche Untermauerung im zeitlichen Verlauf
sinkt. Insofern wird die Hypothese bestätigt und festgehalten: Im zeitlichen Verlauf der
medialen Debatte finden mehr Rechtfertigungen Eingang in den Diskurs.
Zuletzt werden die Auswirkungen des zeitlichen Fortschritts der Debatte auf die Widerlegungen dargestellt. Hierbei wird, analog zu Hypothese 11, im Anschluss an Maia
(2009) die Annahme zugrunde gelegt, dass mehr Widerlegungen Eingang in die Debatte
finden, je länger diese andauert. In Bezug auf die beiden Indikatoren „Bezugnahme“
und „Gegenargument“ müssten beide Kurven daher ansteigen. Folgende Abbildung
widmet sich diesem Zusammenhang:
87
Widerlegung im Zeitverlauf
50%
Anteil der Sprecheraussagen
45%
45,6%
40,6%
40,5%
40%
33,8%
35%
30%
25%
Bezugnahme
20%
Gegenargument
15%
10%
5%
0,9%
1,3%
0,9%
1,8%
1. Woche
2. Woche
3. Woche
4. Woche
0%
2
χ = 8,775, V = 0,028, λ = 0,000
Basis:
Alle Codierungen der Kategorie „Widerlegung“ im gesamten Erhebungszeitraum,
N = 5696
Abbildung 10: Widerlegung im Zeitverlauf55
Hier ist ein eher zweigeteiltes Ergebnis zu sehen. Die Ausprägung „Bezugnahme“
(orange) verhält sich ähnlich wie die Begründungen aus Hypothese 11: Sie beginnt auf
einem relativ hohem Niveau (40,6 %), danach fällt die Kurve in der zweiten Woche ab
(33,8 %), um in den letzten beiden Wochen wieder kontinuierlich anzusteigen. Das Anfangsniveau wird in der letzten Woche überschritten, wobei der höchste Wert von 45,6
% erreicht wird. Zur Erklärung des Ausschlages in der ersten Woche können auch hier
die Wahlkampfauftaktveranstaltungen der Parteien dienen. Somit kann die zugrunde
gelegte Vermutung in dieser Beziehung bestätigt werden.
Der Graph, der den Gebrauch von Gegenargumenten darstellt (blau) hingegen, bestätigt
die Hypothese nicht. So steigen sie nur ganz minimal von 0,9 % in der ersten auf 1,3 %
in der zweiten Woche, fallen dann allerdings wieder zurück auf das anfängliche Niveau.
Zuletzt steigt die Kurve wieder und erreicht ihren höchsten Stand: 1,8 % der Sprecheraussagen beinhalten in der letzten Woche vor der Wahl ein Gegenargument. Im Hinblick auf den Indikator „Gegenargument“ kann die Hypothese aufgrund der sehr geringen Fallzahlen und eines nicht erkennbaren Anstieges nicht gestützt werden.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Hypothese hinsichtlich des Indikators
„Bezugnahme“ durchaus Bestätigung findet, bezüglich der Ausprägung „Gegenargu55
Die Kennzahlen wurden unter Berücksichtigung der Ausprägung „Aussage allein“ berechnet.
88
ment“ hingegen nicht. Auch unter Einbezug des Kontingenzkoeffizienten Cramer‟s V
und des PRE-Maßes Lambda findet die zugrunde gelegte Annahme keine Stützung. So
zeigt sich durch den Wert V = 0,028 der bisher schwächste Zusammenhang hinsichtlich
aller Zeitverlaufs-Hypothesen. Lambda nimmt auch hier den Wert λ = 0 an. Der Zusammenhang kann daher nicht für eine gesicherte Vorhersage verwendet werden.
Die Auswertung der Variable der Widerlegung hat gezeigt, dass bezüglich einer der
Indikatoren keine Tendenz festgestellt werden kann. Auch die errechneten Zusammenhangsmaße können nicht zur Stützung der Annahme herangezogen werden. Die Hypothese lässt sich daher nicht bestätigen: Im zeitlichen Verlauf des medialen Diskurses
verwenden die Sprecher nicht mehr Widerlegungen.
4.4 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse – Diskursqualität
In Anbetracht der oben dargestellten Ergebnisse und der Prüfung der Hypothesen werden im Folgenden die Erkenntnisse in Bezug auf die drei abhängigen Variablen Zivilität, Rechtfertigung und Widerlegung resümiert und diskutiert. Im Anschluss daran soll
für die dem Aspekt der Diskursqualität zugrunde gelegte Forschungsfrage eine Antwort
gefunden werden. Sie lautet:
Wie gestaltet sich die Diskursqualität der medienvermittelten Deliberation in der
Wahlberichterstattung der deutschen Fernsehnachrichten?
Sie soll im Hinblick auf das Verhalten der drei abhängigen Variablen und der untersuchten Aspekte der ökonomischen Struktur und dem zeitlichen Verlauf der medienvermittelten Debatte beantwortet werden.
Die PRE-Maße der obigen Hypothesenprüfung indizieren zwar, dass mit der Kenntnis
der unabhängigen Variablen der Senderstruktur und dem zeitlichen Verlauf keine verbesserte Voraussagbarkeit der abhängigen Variablen besteht, allerdings zeigen die Werte von Cramer‟s V, dass durchaus Zusammenhänge vorhanden sind. Auch sind die beobachteten Unterschiede aufgrund der Beschaffenheit des Materials keineswegs beliebig.
Zunächst lässt sich in Bezug auf die Zivilität festhalten, dass erkennbare Unterschiede
zwischen den beiden Sendertypen vorhanden sind. Innerhalb der Sendergruppen differieren die Anteile der zivilen Aussagen jedoch kaum (zivile Aussagen: ARD 88,1 % vs.
ZDF 91,5 % und RTL 76,3 % vs. Sat.1 75,8 %). Dieser Umstand spricht dafür, dass es
89
innerhalb der Produktionsroutinen der öffentlich-rechtlichen und der privaten Sender
Unterschiede gibt, auch wenn diese hier nicht so stark ausfallen, um eine Fehlerreduktion in der Vorhersage zu ermöglichen.
Das Gesamtbild ergibt außerdem, dass das Niveau der zivilen Aussagen in der Berichterstattung relativ hoch ist und es auch bleibt. Dieser Umstand ist aus deliberativer Sicht
positiv zu werten und spricht für die Deliberativität der Sender. Es ist außerdem ein
Indiz dafür, dass das Kriterium der Zivilität ein in der Wahlberichterstattung allgemein
anerkanntes Qualitätsmerkmal oder eine Produktionsnorm zu sein scheint, auch wenn es
von unterschiedlichen Sender(-gruppen) unterschiedlich stark umgesetzt wird. Interessanterweise entfällt, wie die obige Ergebnisdarstellung zeigt, ein Großteil der inzivilen
Äußerungen auf die Beitragssprecher und Moderatoren der Sender (ARD/ZDF 27,1 %
vs. RTL/Sat.1 60,1 %). Damit sind die Journalisten selbst die Hauptverursacher inziviler
Äußerungen in der Berichterstattung. Insbesondere die öffentlich-rechtlichen Sender
verstoßen dadurch gegen die in §11 RStV, Absatz 2 formulierte Auflage der „Objektivität und Unparteilichkeit“ der Medienschaffenden. Außerdem ist diese journalistische
Interpretativität – wie die exzessive Verwendung des Indikators „Herabwürdigender
Sprachgebrauch“ zeigt – ein Indikator für die in Kapitel 2.2 beschriebene Tendenz der
Amerikanisierung der Wahlberichterstattung. Besonders stark ist diese bei den privaten
Sendern vorzufinden.
Eine weitere Erklärung für die insgesamt zivile Berichterstattung kann auch der Umstand sein, dass der Wahlkampf aufgrund der Ausgangslage der einzelnen Parteien sehr
zivil geführt wurde und aus diesem Grund kaum inzivile O-Töne für die Berichterstattung vorhanden sind. So führte die große Koalition, welche zu dieser Zeit die Regierung
gebildet hat, dazu, dass die beiden größten Parteien CDU/CSU und SPD gleichzeitig
einen Wahlkampf gegeneinander führten und noch zusammenarbeiten mussten. Sie
konnten die Gegnerpartei daher nur sehr schlecht für Patzer in der vergangenen Legislaturperiode verantwortlich machen. Die Zivilität, mit der der Wahlkampf 2009 ausgetragen worden ist, wird insbesondere von den Moderatoren der privaten Sender RTL und
Sat.1 bedauert. Peter Kloeppel bemerkt beispielsweise am 13.09.2009 in der Ankündigung des Kanzlerduells dazu: „dann werden wir sehn, ob sich die Beiden endlich mal
richtig streiten!“
Einen Hinweis darauf, dass dies bei einer anderen Ausgangslage möglicherweise anders
ausgesehen hätte, bietet ein Blick auf die Urheber der Inzivilitäten in den Sendergrup90
pen. So entfallen bei den öffentlich-rechtlichen Sendern auf die beiden Oppositionsparteien Bündnis 90/Die Grünen und die FDP relativ hohe Anteile an inzivilen Äußerungen
(Bündnis 90/Die Grünen 18,2 %; FDP 15,2 %).
Auch die Tatsache, dass sich im zeitlichen Verlauf der Debatte keine großen Schwankungen ergeben, spricht aus deliberativer Sicht für die Qualität der Sender. Darüber
hinaus trifft die Vermutung, Kandidaten versuchten durch einen verstärkten Gebrauch
von Inzivilität über den Zwischenschritt der Erregung die Aufmerksamkeit der Zuschauer zu erhöhen (Mutz, 2007), anscheinend nicht zu.
Damit lässt sich für diese Variable festhalten, dass Nachrichtensendungen durchaus
geeignet sind, das deliberative Kriterium der Zivilität in ihrer Berichterstattung umzusetzen und dies auch tun.
Das Nennen von Gründen für den eigenen Standpunkt ist ein weiteres wichtiges Kriterium für den deliberativen Diskurs, welches auch in dieser Untersuchung beleuchtet
wurde. Hierbei zeigt sich, dass die Sender allgemein relativ wenig begründete Sprecheraussagen in ihre Berichterstattung integrieren. Die festgestellten Unterschiede sind zwischen den Sendergruppen relativ stark ausgeprägt. Innerhalb der Gruppen zeigt sich
hingegen ein fast homogenes Bild (ARD 12,8 %, ZDF 14,7 %, RTL 8,5 %, Sat.1 7,4 %).
Auch bei der Verteilung der Begründungen auf die verschiedenen Sprecherkategorien
entfallen die höchsten Werte auf die Journalisten (öffentlich-rechtliche 34,4 % vs. private 35,0 %). Es sind also die Medienschaffenden selbst, die das deliberative Kriterium
der Rechtfertigung am besten erfüllen. Dieser Umstand ist trotz des relativ geringen
Gebrauchs von Begründungen in den Aussagen positiv anzumerken.
Das Begründen der eigenen Aussagen verändert sich im zeitlichen Verlauf der Debatte.
Sprecher bringen, je näher die Bundestagswahl rückt, mehr Gründe in die Diskussion
ein, um ihren Standpunkt zu rechtfertigen. Jedoch ist der Zusammenhang der Variablen,
welcher mit Cramer‟s V berechnet wurde, relativ gering. Weitere Auswertungen ergeben, dass die Aussagenlänge diese Beziehung maßgeblich beeinflusst. So besteht ein
starker Zusammenhang zwischen der Aussagenlänge und der Verwendung eine Begründung (V = 0,690).56 Es zeigt sich außerdem, dass sich die Vorhersage, ob eine Aussage begründet wird oder nicht, mit dem Wissen über ihre Länge erkennbar verbessert
(λ = 0,290). Die Länge der Aussagen steht auch in einem starken Zusammenhang mit
56
Die dazugehörige Tabelle findet sich im Anhang (Kapitel 8.2).
91
den beiden unabhängigen Variablen der Senderstruktur (V = 0,636) und dem zeitlichen
Verlauf (V = 0,652).
Damit kann der Mangel eines starken direkten Zusammenhangs zwischen den beiden
unabhängigen Variablen und der abhängigen Variablen der Rechtfertigung über den
Umweg der Aussagenlänge erklärt werden: Sprecher, die ihre Standpunkte begründen,
brauchen mehr Zeit als Sprecher, die ihre Ansichten nur verlautbaren. Die Daten bestätigen dies: Begründete Aussagen sind über die Sendergrenzen hinweg im Durchschnitt
um drei Sekunden länger als unbegründete. Daher ist der Zusammenhang zwischen der
Länge und der Verwendung einer Begründung auch deutlich höher.
Die öffentlich-rechtlichen Sender gestehen ihren Sprechern, wie die obigen Auswertungen zeigen, durchschnittlich zwei Sekunden längere sound bites zu und schaffen damit
sichtlich bessere Rahmenbedingungen für die Verwendung von Begründungen als die
privaten Sender. Dies scheint also der Grund für die Unterschiede zwischen den Sendergruppen zu sein.
Bestätigung findet dieses Ergebnis außerdem durch einen senderübergreifenden Blick
auf die Urheber der Begründungen. So nutzen hauptsächlich die Journalisten das Mehr
an Zeit zur verstärkten Begründung. Medienexterne Sprecher tun dies weniger. Vermutlich korreliert dies bei Sprechern aus dem politischen Zentrum mit deren Wissen über
das Format der Nachrichtensendung. Sie sind sich wohl bewusst, wie viel Zeit ihnen zur
Verfügung steht, und adaptieren diese Medienlogik.57 Aus deliberativer Sicht wirft das
kein gutes Licht auf die Sprecher; andererseits aber auch nicht auf das Format der Nachrichtensendung, das ein solches Vorgehen begünstigt. Damit ist bereits ein wichtiger
Aspekt angesprochen, der am Ende dieses Kapitels diskutiert wird: das Spannungsverhältnis zwischen normativen Ansprüchen und strukturellen Bedingungen medienvermittelter Deliberation.
Weitere Gütekriterien des medialen Diskurses, welche in dieser Studie getestet wurden,
sind die Bezugnahme auf Argumente anderer Akteure und die Verwendung von Gegenargumenten in den Sprecheraussagen. Dieser Variable der Widerlegung liegt die Absicht zu Grunde, zu testen, ob in Nachrichtensendungen ansatzweise eine diskursive
Dialogstruktur auf der Ebene der einzelnen Aussagen konstruiert wird. Also wird da-
57
Nähere Erläuterungen zu der Beziehung zwischen Journalismus und PR sind in der Determinationshypothese von Barbara Baerns (1985) und dem Intereffikationsmodell von Bentele, Liebes, & Seeling
(1997) formuliert.
92
nach gefragt, ob Sprecheraussagen so gewählt und montiert werden, dass dem Rezipient
ein komprimiertes Bild der im Diskurs behandelten Geltungsansprüche einerseits, andererseits aber auch Bezüge und Gegenargumente präsentiert werden. Dies ist zugegebenermaßen ein sehr hoher Anspruch an das eher informations- als diskussionsfokussierte
Format der Nachrichtensendung.
Vorweg ist festzuhalten, dass bei den Gegenargumenten die Fallzahlen (öffentlichrechtliche Sender 13 Gegenargumente vs. fünf Gegenargumente bei den privaten Sendern) sehr gering sind, was nicht für die deliberative Qualität der Sender spricht. Dieser
Umstand wird durch den intensiveren Gebrauch des zweiten Indikators „Bezugnahme“
teilweise abgemildert. Hier sind die Fallzahlen beachtlich höher (öffentlich-rechtliche
Sender 277 Bezugnahmen vs. 192 Bezugnahmen bei den privaten Sendern).
Im Hinblick auf die Bezugnahmen der Akteure scheint die Konstruktion einer dialogischen Struktur in Grundzügen erkennbar zu sein. Interessanterweise sind es auch hier
hauptsächlich die Journalisten der Sender, die diese Leistung erbringen und Bezüge zu
Aussagen anderer Akteure herstellen (ARD/ZDF 86,6 % vs. RTL/Sat.1 91,7 %). Diese
Erkenntnis spricht dafür, dass die Journalisten der beiden Sendergruppen bemüht sind,
eine dialogische Struktur zu konstruieren und dem deliberativen Kriterium der Widerlegung zu entsprechen, auch wenn sie dies in unterschiedlichem Ausmaß tun. Hinsichtlich
dieses Indikators und der unabhängigen Variablen der Senderstruktur ergibt sich die
gleiche Zusammenhangskette wie bei den Begründungen. Die Bezugnahme auf Aussagen anderer Akteure steht in einem starken Zusammenhang mit der Dauer der Aussagen
(V = 0,698). Zudem verbessert das Wissen über Letzteres die Voraussagbarkeit des
Verhaltens des Indikators „Bezugnahme“ (λ = 0,448).58 Dabei steht die Aussagenlänge,
wie oben dargestellt, in Zusammenhang mit der Senderstruktur.
Hinsichtlich des zeitlichen Fortschritts der Debatte verhalten sich die Bezugnahmen,
ungeachtet des Einbruchs von der ersten zur zweiten Woche, wie in der Hypothese vorausgesagt. Je näher der Wahltag rückt, desto stärker werden Bezüge zu Aussagen anderer Akteure hergestellt. Die dialogischen Strukturen werden also im Verlauf der medialen Debatte komplexer, was für die Qualität der medienvermittelten Deliberation in den
Nachrichtensendungen spricht. Der zweite Indikator59 scheint jedoch dem Format nicht
58
Die dazugehörige Tabelle findet sich im Anhang (Kapitel 8.2).
Auch hier verhalten sich die Zusammenhänge wie bei dem ersten Indikator beschrieben. Cramer‟s V
indiziert für die Länge der Äußerungen und den Gebrauch eines Gegenargumentes einen deutlich erkennbaren Zusammenhang (V = 0,769). Das PRE-Maß Lambda erreicht einen Wert von λ = 0,444. Damit ist
59
93
gerecht zu werden. Ein Blick auf das Untersuchungsmaterial zeigt, dass es sich bei dem
Großteil der Aussagen mit Gegenargumenten um Ausschnitte aus Talkshowsendungen
wie beispielsweise aus dem „TV-Dreikampf“ vom 14.09.2009 handelt. Gegenargumente finden also meist nur unter Zuhilfenahme eines anderen Formats Eingang in die medienvermittelte Debatte der Nachrichtensendungen. Dieser Umstand gibt Anlass zur
Spekulation: Um ein Gegenargument in einer Aussage zu verwenden, muss die betroffene Person mit alternativen Ansichten konfrontiert werden. Ist dies nicht der Fall, so ist
der Fehler auch bei dem befragenden Journalisten zu suchen. Insofern ist es nicht nur
eine Leistung der Sprecher, sondern auch der Journalisten, Gegenargumente in den Diskurs einzubringen.
Betrachtet man die Verteilung der wenigen Gegenargumente auf die einzelnen Sprechertypen, so zeigt sich, dass die Journalisten häufig Urheber eines solchen Gegenarguments sind (öffentlich-rechtliche Journalisten 46,2 % vs. Journalisten privater Sender
40,0 %). Ein solches Verhalten verstößt zwar gegen die für die öffentlich-rechtlichen
Sender geforderte „Objektivität und Unparteilichkeit“ (§11 RStV, Absatz 2), aus deliberativer Sicht ist dies hingegen positiv zu werten.
Für die Variable der Widerlegung kann also festgestellt werden, dass diese einerseits
einen sehr hohen Anspruch an das Format der Nachrichtensendung darstellt, hinsichtlich der Bezugnahme auf Aussagen anderer Akteure aber in Ansätzen erfüllt wird. Dies
kann für den Indikator „Gegenargument“ nicht festgestellt werden. Für die medienvermittelte Deliberation ergibt sich durch dieses Kriterium also ein gemischtes Bild: Dialogische Strukturen sind nur in Grundzügen erkennbar. Aufgrund der Formatspezifika der
Nachrichtensendung, des Kontexts der Bundestagswahlen und deren Ereignisstruktur,
wird dieses Ergebnis jedoch positiv bewertet.
Werden die beiden Variablen Rechtfertigung und Widerlegung zusammengefasst und
gemeinsam als Argumentation der Debatte betrachtet, so lässt sich festhalten, dass sich
die Veränderungen im Zeitverlauf nicht in allen Fällen so verhalten, wie sie in anderen
Studien (Maia, 2009; Simon & Xenos, 2000) beschrieben werden. Auch legen die Berechnungen des Assoziationsmaßes Cramer‟s V sowie der PRE-Maße offen, dass die
festgestellten Veränderungen nicht direkt mit dem zeitlichen Verlauf der Debatte, sondern stattdessen mit der Länge der Aussagen zusammenhängen. Diese steht wiederum
auch ein starker Prädiktionszusammenhang vorhanden. Die dazugehörige Tabelle findet sich im Anhang
(Kapitel 8.2).
94
in engem Zusammenhang mit dem Zeitverlauf. Ein weiterer Faktor, der diesen Umstand
erklären könnte, ist der, dass sich alle bisherigen Studien zu medienvermittelter Deliberation einem bestimmten Thema widmen, zu dem es nur eine begrenzte Zahl von Argumenten gibt, die in die Debatte eingeführt werden. Folglich kann im Verlauf der Debatte eine Vertiefung der Argumentation stattfinden. Wie in Kapitel 3.1.1 bereits erläutert, sind Bundestagswahlen jedoch Ereignisse und keine Themen, wobei die große Zahl
an verschiedenen Diskussionspunkten in Zusammenhang mit der Wahl eine Vertiefung
der Argumente nicht unbedingt fordert. Eine komplexer werdende Argumentation über
einen längeren zeitlichen Rahmen ist anscheinend nicht charakteristisch für ein Ereignis
wie die Bundestagswahl.
Ein weiterer wichtiger Einflussfaktor ist die geringe Dauer des Formats der Fernsehnachrichten. Während Talkshows oder Wahlsendungen meist eine Stunde Zeit zur Verfügung haben, um sich verschiedenen, ausgewählten Themen zu widmen, bleibt den
Fernsehnachrichten ein Zeitfenster von zehn bis 20 Minuten. In dieser Zeit können sie
jedoch nicht nur über die Bundestagswahl berichten, sie müssen daneben auch Neuigkeiten über Außenpolitik, Kulturelles, Sport und das Wetter abdecken. Damit bleiben
durchschnittlich knapp drei Minuten für die Berichterstattung zur Bundestagswahl. Außerdem müssen auch die Spezifika des Mediums Fernsehen beachtet werden. Anders als
bei Zeitungen oder Online-Medien ist hier das wiederholte Lesen oder Sehen seitens der
Rezipienten nicht ohne einen technischen Aufwand möglich. Umfangreiche und komplexe argumentative Aussagen einzelner Sprecher entsprechen daher auch nur bedingt
der Logik des Mediums Fernsehen.
Im Anschluss an die obigen Ausführungen zu den einzelnen Deliberativitätskriterien
lässt sich die Forschungsfrage folgendermaßen beantworten: Die Diskursqualität der
medienvermittelten Deliberation zur Bundestagswahl 2009 gestaltet sich in allen Sendern und über den kompletten Untersuchungszeitraum hinweg sehr zivil. Dies ist positiv
hervorzuheben, da es ein Indikator für eine medienübergreifende Norm ist. Begünstigt
wird eine solche Norm auch durch die hohe Professionalisierung der Journalisten. In
Bezug auf Rechtfertigung und Widerlegung ist festzustellen, dass die deliberativen
Kriterien zwar nur mäßig erfüllt werden, sie aber ansatzweise zu erkennen sind und daher „nicht bloße Fiktion bleiben“ (Gerhards, Neidhardt & Rucht, 1998, S. 183). Ein
Grund dafür, dass die Kommunikation in der medienvermittelten Öffentlichkeit trotzdem zum Großteil aus bloßen Behauptungen oder Verlautbarungen besteht sind einerseits die „besonderen Konstitutionsbedingungen“ (Gerhards, Neidhardt & Rucht, 1998,
95
S. 183). Gemeint ist damit die stets auf das Publikum gerichtete Aufmerksamkeit der
Medien und der Akteure, die als Sprecher zu Wort kommen. Daher folgt die Kommunikation „einer Rationalität, die primär auf die Aufmerksamkeit und Zustimmung von
Publikumsgruppen und weniger auf die Verständigung zwischen konkurrierenden Sprechergruppen gerichtet ist“ (Gerhards, Neidhardt & Rucht, 1998, S. 185). Diese Bedingungen stehen einer deliberativen Diskursvorstellung entgegen.
Andererseits ist die triadische Struktur der Kommunikation (Wessler & Schultz, 2007,
S. 18) unter diesen Bedingungen zu beachten. So sind medienvermittelte Debatten keine
Diskurse unter gleichberechtigten Kommunikationspartnern, die in einem „herrschaftsfreien Diskurs“ unter Austausch und Abwägung von Argumenten gegeneinander einen
Konsens zu finden versuchen (Habermas, 1984). Vielmehr findet die Debatte niemals
unmittelbar statt. Die Diskussionsteilnehmer argumentieren stets unter Abwesenheit
ihres Gegenübers mit der Absicht der Überzeugung eines ebenfalls abwesenden Dritten,
des Publikums. Dieses ist dazu selbst kein aktiver Kommunikationspartner. Die Ausrichtung auf eine Bezugsgruppe, die selbst nicht Teil der Debatte ist, bleibt nicht ohne
Folgen. Einerseits kommunizieren die Sprecher strategisch, was dem Habermas‟schen
Diskursideal entgegensteht, jedoch, wie in Kapitel 2.1.2 erläutert, die angelegten Deliberativitätskriterien nicht behindern muss. Andererseits hängt die Bereitschaft der Sprecher, in ihren Aussagen eine Begründung, einen Bezug oder ein Gegenargument zu
verwenden, Neidhardt zufolge von ihren Zielen ab:
Erst wenn die Zwischengruppe der ‚Neutralen bzw. Unentschiedenen„ [Hervorhebung
im Original] einerseits groß genug und damit für die eigenen Zwecke strategisch wichtig ist sowie andererseits als informiert und interessiert wahrgenommen wird, entsteht
für den Sprecher die Notwendigkeit diskursiver Auseinandersetzung (Neidhardt, 1994,
S. 23).
In Bezug auf die Bundestagswahlen und auf das Ziel der Parteien, aufgrund von fehlenden Parteibindungen und Wechselwählern, Wähler zu mobilisieren, kann ein solches
Interesse durchaus unterstellt werden. Dadurch fällt die geringe Verwendung von Begründungen durch Sprecher des Zentrums im Vergleich zu den Journalisten umso negativer auf.
Die Tatsache, dass Medienschaffende die angelegten Deliberativitätskriterien Rechtfertigung und Widerlegung am ehesten erfüllen, spricht dafür, dass durchaus ein Bewusstsein für diese normativen Anforderungen vorhanden ist und betont die herausragende
Rolle der Journalisten bei der Konstruktion medienvermittelter Deliberation. Diese
96
normativen Anforderungen stehen jedoch in einem Spannungsverhältnis zu den oben
beschriebenen strukturellen Gegebenheiten der öffentlichen Kommunikation:
Nicht der Anspruch [einer verständigungsorientierter Kommunikation] als solcher, sondern seine Vereinbarkeit mit ökonomischen und konkurrenzdemokratischen Imperativen bestimmt somit in letzter Instanz das kommunikative Geschehen in den Massenmedien (Gerhards, Neidhardt & Rucht, 1998, S. 185).
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die strukturellen Bedingungen des Mediums
vorherrschend sind und diskursive Elemente in der Debatte zur Bundestagswahl 2009
nur wenig zu erkennen sind. Eine Ausnahme stellt die Zivilität dar. Dieser Anspruch
scheint mit den strukturellen Bedingungen der Medien gut vereinbar zu sein oder kann
sich gegen sie durchsetzen.
97
5
Zusammenführung der Teilstudien
In diesem letzten Teil der Studie sollen nun die beiden Forschungsfragen sowie die gewonnenen Erkenntnisse im Hinblick auf Diskursstruktur und -qualität zusammengeführt
werden. Die übergeordnete Frage besteht vor allem darin, welche Auswirkungen der
Struktur auf die Qualität der Debatte festgestellt werden können. Nachstehend präsentierte Fragestellungen lehnen sich zum Einen an Erkenntnisse anderer Studien an, zum
Anderen befassen sie sich mit den aus Sicht der Autorinnen relevantesten Zusammenhängen von Diskursstruktur und Diskursqualität.
5.1 „Wird der Diskurs durch Sprecher der Peripherie inziviler?“
Ferree et al. gelangen in ihrer Studie unter anderem zu der Erkenntnis, dass „the level of
incivility [...] is highest when actors from the periphery are included, alone or with actors from the core” (Ferree et al., 2002, S. 244). Weiterhin stellen sie fest, dass dies besonders stark auf Sprecher in deutschen Medien zutrifft. Die Beteiligung von Sprechern,
die zur politischen Peripherie gehören, senkt nach ihren Beobachtungen das Niveau der
Zivilität, da ihre Äußerungen allgemein inziviler sind. Übertragen auf diese Studie stellt
sich die Frage, ob durch einen höheren in Richtung der Peripherie ausgedehnten Grad
an Inklusivität der Anteil inziviler Aussagen ansteigt. Auf Basis des Ausdrucks der verschiedenen Sprechertypen im Vergleich soll dies überprüft werden. Damit wird beurteilt, ob Sprecher der Peripherie auch im Diskurs zur Bundestagswahl für mehr Inzivilität verantwortlich sind. Nachstehende Tabelle veranschaulicht den Zusammenhang zwischen der Zivilität der Aussagen und den Sprechern. Hierbei wird die Unterteilung in
Sendergruppen oder Zeitabschnitte nicht mit einbezogen. Ebenso wird die umfangreiche
Sprechertypologie in Zentrum (Legislative, Exekutive, Judikative), Peripherie (Interessengruppen und -verbände, soziale Bewegungen, Experten und Intellektuelle, Advokaten, Bürger und Problembetroffene, Prominente und Künstler, Journalisten als NichtMitarbeiter), Journalisten (als Mitarbeiter der Nachrichtensendungen) und Sonstige zusammengefasst.
98
Sprecherzuordnung
Zentrum
Ausdruck
Peripherie
Journalisten
Sonstige
zivil
76,9%
78,3%
85,7%
100%
inzivil
23,1%
21,7%
14,3%
0%
Gesamt
100%
100%
100%
100%
2
χ = 17,088, V = 0,110, λ = 0,000
Basis:
Alle Sprecheraussagen im gesamten Erhebungszeitraum, N = 1424
Tabelle 23: Ausdruck in den Sprechergruppen Zentrum und Peripherie 60
Die Tabelle zeigt, dass sich die Anteile der inzivilen Aussagen im Hinblick auf die Zugehörigkeit der Sprecher zu Zentrum oder Peripherie nur wenig unterscheidet. So sind
die Aussagen der Zentrumssprecher zu 23,1 % inzivil, bei den Sprechern aus der Peripherie sind es sogar etwas weniger: 21,7 % ihrer Aussagen gelten als inzivil. Das PREMaß Lambda deutet mit einem Wert von λ = 0 an, dass mit dem Wissen der Sprecherzugehörigkeit keine Fehlerreduktion der Vorhersage einhergeht. Zwar legt Cramer‟s V
(V = 0,110) durchaus einen Zusammenhang zwischen der Sprecherzuordnung und der
(In-)Zivilität nahe, dieser erklärt jedoch nicht die geringen Differenzen in der Verteilung. Durch Einbezug der Prozentsatzdifferenz von d% = 1,4 wird der empirischen Beobachtung von Ferree et al. eine kontrastierende entgegengesetzt. In der medialen Berichterstattung über die Bundestagswahl kann das Ergebnis, dass Sprecher aus der Peripherie das Zivilitätsniveau der Debatte senken, nicht bestätigt werden.
Eine mögliche Erklärung für die abweichende Erkenntnis dieser Studie ist der spezielle
Kontext, in dem Ferree et al. zu diesem Ergebnis kommen. Die Abtreibungsdebatte
wurde sehr kontrovers diskutiert und kann als ein moralischer und politischer Konflikt
bezeichnet werden (Gerhards, Neidhardt & Rucht, 1998, S. 178). Im medialen Diskurs
zur Bundestagswahl hingegen werden „informelle gesellschaftliche Konventionen und
alltagsweltliche Normen“ (Gerhards, Neidhardt & Rucht, 1998, S. 178) erörtert.
5.2 „Wie undeliberativ ist Horse Race wirklich?“
Im Hinblick auf die Ausgewogenheit der medienvermittelten Deliberation wurde festgestellt, dass in allen Sendern und im gesamten Zeitraum ein enormes Übergewicht an
Horse-Race-Berichterstattung vorliegt (siehe Kapitel 4.1). Unter Rückbezug auf diverse
Theoretiker lässt sich diese Form der Berichterstattung als nicht deliberativ einordnen
60
Zu dieser Auswertung ist zu bemerken, dass in Bezug auf die Sprecher die Spaltenprozente angegeben
sind. Zur Prüfung von Hypothese 7 wurden diesbezüglich Zeilenprozente herangezogen. Deshalb sind die
Prozentzahlen voneinander verschieden.
99
(Buchanan, 2001; Gastil, 2008, S. 94; Schultz, 2006; Wessler, 2008, S. 9), was vor allem mit dem fehlenden Fokus auf Sachthemen und auf substantielle, für die Wahl relevante Informationen begründet wird. Allerdings betrifft diese Argumentation in der
Hauptsache die Gegenüberstellung von Horse Race und sachpolitischer Berichterstattung; in Bezug auf Fernsehnachrichten also maßgeblich die Ebene von Themen. Es
stellt sich die Frage, ob eine solche Form von Berichterstattung auch weitere negative
Folgen auf der Ebene der einzelnen Äußerungen hat und damit weitere Belege zur Verurteilung von Horse Race aus deliberativer Sicht als „nur“ eine Vernachlässigung von
Sachthemen gefunden werden können. Eine interessante Erkenntnis wäre also, ob eine
auf Wahlkampf, Strategie und Taktik fokussierte Berichterstattung auch auf Ebene der
Diskursqualität negative Wirkungen nach sich zieht und damit eine begründete Verurteilung dieser Berichterstattungsform selbst möglich ist.
Zunächst soll betrachtet werden, ob die Horse-Race-Berichterstattung sich negativ auf
das deliberative Kriterium von mit Begründungen ausgestatteten Aussagen auswirkt. Zu
diesem Zweck werden alle im Untersuchungszeitraum codierten Aussagen einerseits
ihrem Vorkommen in sachpolitisch oder Horse Race zentrierten Beiträgen zugeordnet
(Variable „Themenzuordnung“), andererseits danach, ob sie eine Begründung enthalten
oder nicht. Tabelle 24 setzt diese beiden Merkmale von Aussagen zueinander in Beziehung:
Themenzuordnung
Begründungen
Sachpolitik
Horse Race
Sonstige
ohne Begründung
86,6%
90,4%
83,7%
mit Begründung
13,4%
9,6%
16,3%
Gesamt
100%
100%
100%
2
χ = 5,463, V = 0,062, λ = 0,000
Basis: Alle Aussagen im gesamten Erhebungszeitraum, N = 1424
Tabelle 24: Begründungen im Zusammenhang mit der Themenzuordnung
Die Auswertung zeigt, dass in sachpolitischen Beiträgen mit einer Prozentsatzdifferenz
von d% = 3,8 mehr Aussagen mit Begründungen enthalten sind als in solchen, die der
Horse-Race-Berichterstattung zuzuordnen sind. Allerdings zeigt das errechnete Assoziationsmaß (V = 0,062) keinen starken Zusammenhang zwischen den beiden Variablen
an. Der Wert des PRE-Maßes (λ = 0) indiziert, dass auf Basis der Themenzuordnung
keine Vorhersage des Anteils an begründeten Aussagen in einem Beitrag möglich ist.
Insofern könnte hier eine Drittvariable Einfluss auf den Zusammenhang nehmen, der
100
eine Beziehung zwischen policy- bzw. politics-Beiträgen und begründeten Aussagen
widerlegt. Wie in Kapitel 4.3 erwähnt, verwendeten verschiedene Sprechertypen unterschiedlich häufig Begründungen. Insofern könnte die Sprecherzusammensetzung in den
Beiträgen der Grund dafür sein, dass der Anteil an Begründungen in policy-Beiträgen
höher ist, nicht aber das Beitragsthema selbst.
Gruppiert man die verschiedenen Sprecher analog zur Auswertung im vorangegangenen
Abschnitt und kontrolliert den Einfluss dieser Variable, so ergibt sich folgende Tabelle:
Themenzuordnung
Begründungen unter
Einbezug der Sprecherzuordnung
Zentrum
Peripherie
Journalisten
Sonstige
2
Sachpolitik
Horse Race
Sonstige
ohne Begründung
80,5%
81,7%
75,0%
mit Begründung
19,5%
18,3%
25,0%
ohne Begründung
80,5%
84,8%
66,7%
mit Begründung
19,5%
15,2%
33,3%
ohne Begründung
90,3%
95,2%
89,7%
mit Begründung
9,7%
4,8%
10,3%
ohne Begründung
100%
0%
0%
mit Begründung
100%
0%
0%
Zentrum: χ = 0,262, V = 0,027, λ = 0,000
2
Journalisten: χ = 7,937, V = 0,095, λ = 0,000
2
Peripherie: χ = 1,562, V = 0,094, λ = 0,000
Sonstige: keine Berechnung möglich
Basis: Alle Aussagen im gesamten Erhebungszeitraum, N (Zentrum) = 363, N (Peripherie) = 175,
N (Journalisten) = 884, N (Sonstige) = 2
Tabelle 25: Begründungen im Zusammenhang mit der Themenzuordnung unter Kontrolle der Sprecherzuordnung
In dieser Auswertung sind die Werte des Assoziationsmaßes Cramer‟s V sowie des
PRE-Maßes Lambda zwar teilweise noch kleiner als in der vorigen Tabelle, jedoch ist
die relevante Erkenntnis, dass die Konditionalbeziehung zwischen der Themenzuordnung und dem Anteil begründeter Aussagen erhalten bleibt. Zwar verringert sich die
Prozentsatzdifferenz in Bezug auf Sprecher des politischen Zentrums (d% = 1,2) im
Vergleich zur vorigen Tabelle, steigt jedoch in Bezug auf Sprecher der Peripherie (d% =
4,3) und Journalisten (d% = 4,9) sogar an. Zudem ist über alle Sprecher hinweg der Anteil an begründeten Aussagen in sachpolitisch orientierten Beiträgen höher als der in
Horse-Race-Beiträgen. Insofern bleibt der Zusammenhang zwischen der Themenzuordnung und dem Anteil an begründeten Aussagen auch unter Kontrolle der Sprechertypen
bestehen. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass eine weitere Variable den Zusammenhang beeinflusst respektive den Ausschlag für diese Korrelation gibt.
101
Denkbar wäre hier weiterhin ein Einfluss des Responsivitätsgehalts der Beiträge. So
wäre es möglich, dass in responsiven Beiträgen mehr Begründungen vorkommen, da sie
sich durch eine dialogische Struktur auszeichnen, indem sie verschiedene oppositionelle
Standpunkte einander gegenüber stellen. Es kann gemutmaßt werden, dass durch eine
solche Beitragsstruktur auf begründete Aussagen weniger verzichtet werden kann als in
monologisch strukturierten Beiträgen. Der Responsivitätsgehalt des Beitrags würde insofern den Anteil an Begründungen determinieren und nicht seine Zuordnung zu sachpolitischer oder Horse-Race orientierter Berichterstattung. Deshalb ist es sinnvoll, auch
den Einfluss dieser zweiten Drittvariablen zu kontrollieren. Dies stellt die folgende Tabelle dar:
Begründungen unter Einbezug des Responsivitätsgehalts
Contest
Contention
Sonstige
2
Themenzuordnung
Sachpolitik
Horse Race
ohne Begründung
88,3%
89,7%
0%
mit Begründung
11,7%
10,3%
0%
ohne Begründung
81,4%
90,5%
91,7%
mit Begründung
18,6%
9,5%
8,3%
ohne Begründung
87,0%
90,6%
80,6%
mit Begründung
13,0%
9,4%
19,4%
Contest: χ = 0,199, V = 0,023, λ = 0,000
2
Sonstige: χ = 0,199, V = 0,080, λ = 0,000
Sonstige
2
Contention: χ = 4,896, V = 0,111, λ = 0,000
Basis: Alle Aussagen im gesamten Erhebungszeitraum, N (Contest) = 392, N (Contention) = 398,
N (Sonstige) = 634
Tabelle 26: Aussagen mit und ohne Begründung im Zusammenhang mit der Themenzuordnung unter Kontrolle des Responsivitätsgehalts
Die Auswertung zeigt, dass der Zusammenhang zwischen Themenzuordnung und Begründungen auch hier derselbe bleibt, wenn auch die Werte von Cramer‟s V und Lambda wiederum sehr niedrig sind. Auffallend ist zudem, dass die Prozentsatzdifferenz zwischen den begründeten Aussagen bei sachpolitischen und Horse-Race-Beiträgen sich im
Falle der Beitragsart „Contention“ im Vergleich zur Auswertung in Tabelle 26 mehr als
verdoppelt (d% = 9,1). Insofern kann zum Einen festgestellt werden, dass auch unter
Einbezug des Responsivitätsgehalts zu beobachten ist, dass in sachpolitischen Beiträgen
mehr begründete Aussagen vorkommen als in Horse-Race-Beiträgen, zum Anderen
scheint sich dieser Zusammenhang im Falle einer „Contention“ – einem Beitrag, der
mehr als zwei Standpunkte einander gegenüber stellt – zu verstärken. Es kann also festgehalten werden, dass in der Wahlberichterstattung 2009 der Horse-Race-
102
Berichterstattung zuzuordnende Nachrichten weniger begründete Aussagen enthalten
als solche, die sich um Sachpolitik drehen.
Dasselbe Bild einer negativen Auswertung von Horse-Race-Berichterstattung auf die
Argumentationsstruktur könnte sich im Hinblick auf den Anteil an Widerlegungen ergeben. Jedoch zeigen sich im Hinblick auf den Indikator „Bezugnahmen“ keine Differenzen in Bezug auf die Themenzuordnung, weshalb auf diese Auswertung hier nicht
weiter eingegangen wird. Die Anzahl an Gegenargumenten ist – wie in Kapitel 4.3 dargelegt – in der gesamten Berichterstattung zu niedrig, um aussagekräftige Ergebnisse
erhalten zu können.
Insofern bleibt nun das letzte Kriterium der Diskursqualität zu untersuchen. Eine weitere nicht deliberative Auswirkung von Horse-Race-Berichterstattung könnte ein größeres
Ausmaß an Inzivilität sein. Insbesondere bei Berichten über Wahlkampfveranstaltungen
ist es plausibel, dass mehr „Persönliche Angriffe“, „Herabwürdigender Sprachgebrauch“ und „Erhöhte Lautstärke“ seitens der Sprecher zum Einsatz kamen als in Beiträgen mit sachpolitischem Inhalt. Tabelle 27 setzt die Anteile (in-)ziviler Aussagen mit
der Themenzuordnung in Verbindung:
Themenzuordnung
Sachpolitik
Horse Race
zivil
87,1%
80,6%
86,0%
inzivil
12,9%
19,4%
14,0%
Gesamt
100%
100%
100%
Ausdruck
Sonstige
2
χ = 8,963, V = 0,079, λ = 0,000
Basis: Alle Aussagen im gesamten Erhebungszeitraum, N = 1424
Tabelle 27: Ausdruck im Zusammenhang mit der Themenzuordnung
Wie aus dieser Auswertung hervorgeht, ist der Anteil inziviler Aussagen in Horse-RaceBeiträgen tatsächlich höher als der in sachpolitischen Beiträgen. Die Prozentsatzdifferenz beträgt dabei d% = 6,5. Allerdings weist das Korrelationsmaß Cramer‟s V auf einen nur schwachen Zusammenhang hin (V = 0,079); das PRE-Maß Lambda indiziert,
dass eine Vorhersage des Anteils (in-)ziviler Aussagen je nach Themenbereich nicht
möglich ist (λ = 0). Analog zur Überprüfung der Begründungen ist es hier denkbar, dass
der Anteil (in-)ziviler Aussagen auf die Sprecher in den Berichten zurückzuführen ist.
Insofern muss der Einfluss dieser Drittvariablen auch hier kontrolliert werden. Die
103
nachfolgende Tabelle zeigt den Zusammenhang zwischen Themenzuordnung und dem
Anteil (in-)ziviler Aussagen unter Kontrolle der Sprecherzuordnung:
Ausdruck unter Einbezug
der Sprecherzuordnung
Zentrum
Peripherie
Journalisten
Sonstige
Themenzuordnung
Sachpolitik
Horse Race
zivil
84,4%
74,5%
87,5%
inzivil
15,6%
25,5%
12,5%
zivil
80,5%
76,1%
83,3%
inzivil
19,5%
23,9%
16,7%
zivil
89,9%
84,0%
86,2%
inzivil
10,1%
16,0%
13,8%
zivil
100%
0%
0%
inzivil
100%
0%
0%
2
Zentrum: χ = 3,881, V = 0,103, λ = 0,000
2
Journalisten: χ = 5,019, V = 0,075, λ = 0,000
Sonstige
2
Peripherie: χ = 0,578, V = 0,057, λ = 0,000
Sonstige: keine Berechnung möglich
Basis: Alle Aussagen im gesamten Erhebungszeitraum, N (Zentrum) = 363, N (Peripherie) = 175,
N (Journalisten) = 884, N (Sonstige) = 2
Tabelle 28: Ausdruck im Zusammenhang mit der Themenzuordnung unter Kontrolle der Sprecherzuordnung
Es zeigt sich, dass die Prozentsatzdifferenzen zwar nicht identisch sind mit der vorherige Auswertung, in ihrer Richtung jedoch bestehen bleiben. Unabhängig der Sprecherzuordnung lässt sich ein größerer Anteil an inzivilen Aussagen innerhalb der HorseRace-Berichterstattung beobachten. In Bezug auf Sprecher des politischen Zentrums
erhöht sich dabei die Prozentsatzdifferenz sogar auf d% = 9,9, was darauf hinweist, dass
sich die Inzivilität verstärkt, sobald Sprecher des Zentrums in Horse-Race-Beiträgen zu
Wort kommen. Dies stützt die oben erwähnte Annahme, dass im Wettstreit der Parteien
– die dem politischen Zentrum zuzuordnen sind – die Inzivilität besonders hoch ist. Die
nachfolgende Tabelle, welche die Sprecherverteilung nach Themenzuordnung darstellt,
bestätigt diese Vermutung:
104
Themenzuordnung
Sprecherzuordnung
Sachpolitik
Horse Race
Sonstige
Zentrum
19,1%
28,5%
18,6%
Peripherie
19,1%
9,4%
14,0%
Journalisten
61,4%
62,1%
67,4%
Sonstige
0,5%
0%
0%
Gesamt
100%
100%
100%
2
χ = 37,727, V = 0,115, λ = 0,000
Basis: Alle Aussagen im gesamten Erhebungszeitraum, N = 1424
Tabelle 29: Anteil der Aussagen in den Beiträgen nach Sprecherzuordnung im Zusammenhang mit der Themenzuordnung
Die Auswertung zeigt, dass in Horse-Race-Beiträgen im Vergleich zu anderen Beiträgen weitaus mehr Sprecher des politischen Zentrums als Sprecher der Peripherie zu
Wort kommen. Nun könnte argumentiert werden, dass diese sich im Allgemeinen inziviler äußern als andere Sprecher und ihre höhere Präsenz den Anteil inziviler Aussagen
in Horse-Race-Beiträgen erhöht. Unter Bezugnahme auf die oben ausgeführte Auswertung der (In-)Zivilität nach Sprecherzuordnung (siehe Tabelle 23) mag dies stimmen,
jedoch erweist sich – wie Tabelle 28 zeigt – die Korrelation zwischen Themenzuordnung und (In-)Zivilität trotzdem nicht als Scheinzusammenhang. Vielmehr verstärken
sich Themen- sowie Sprecherzuordnung gegenseitig und zwar dahingehend, dass bei
Horse-Race-Beiträgen der Ton allgemein inziviler ist und durch einen höheren Anteil an
sich inzivil verhaltenden Sprechern des Zentrums noch begünstigt wird. In Bezug auf
Sprecher, (In-)Zivilität und Themenzuordnung lässt sich resümieren, dass Letztere die
antezedierende Variable für die ersten beiden darstellt. Ob ein Beitrag sich um Horse
Race oder Sachpolitik dreht, determiniert in der Wahlberichterstattung 2009 sowohl die
darin zu Wort kommenden Sprecher als auch den Anteil (in-)ziviler Aussagen, wobei
sich der Zusammenhang zwischen Horse-Race-Berichterstattung und inzivilen Äußerungen bei Sprechern des politischen Zentrums verstärkt.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich die Horse-Race-Berichterstattung
nicht nur deshalb als nicht deliberativ bezeichnen lässt, weil sie Sachthemen aus den
Nachrichten verdrängt. Sie wirkt sich auch negativ auf die Diskursqualität aus, insofern
sie den Anteil an Begründungen reduziert und einen inzivileren Ton nach sich zieht. Der
hohe Anteil an Horse Race in der Wahlberichterstattung 2009 (siehe Kapitel 4.1) ist
damit aus deliberativer Sicht umso negativer zu beurteilen.
105
5.3 „Sind responsive Beiträge argumentativer?“
Ein weiterer interessanter Punkt ergibt sich aus der Fragestellung, in welcher Beziehung
die Responsivität auf Beitragsebene, welche untersucht, inwieweit in einzelnen Beiträgen eine diskursive Struktur vorhanden ist, zur tatsächlichen Argumentation (Rechtfertigung und Widerlegung) der Sprecher steht. Im Gegensatz zu den vorherigen Auswertungen ist dabei vor allem interessant, ob ein responsiver Beitrag mehr Rechtfertigung
und Widerlegung nach sich zieht oder ob ein responsiver Beitrag umgekehrt durch die
beiden argumentativen Muster entsteht. Betrachtet man zunächst die Beziehung zwischen der Responsivität der Beiträge und der Variablen der Rechtfertigung, so ergibt
sich unten stehendes Bild:
Responsivitätsgehalt
Begründungen
Contest
Contention
Sonstige
ohne Begründung
89,0%
88,9%
89,3%
mit Begründung
11,0%
11,1%
10,7%
Gesamt
100%
100%
100%
2
χ = 0,031, V = 0,005, λ = 0,000
Basis:
Alle Sprecheraussagen im gesamten Erhebungszeitraum, N = 1424
Tabelle 30: Begründete Aussagen im Zusammenhang mit dem Responsivitätsgehalt der Aussagen
Begründungen und Responsivität stehen, wie obere Tabelle zeigt in einem kaum wahrnehmbaren Zusammenhang (V = 0,005). Auch die Prozentsatzdifferenzen zwischen den
begründeten Aussagen in responsiven Beiträgen und nicht responsiven Beiträgen ist
minimal (d% = 0,1). Es kann also davon ausgegangen werden, dass die Responsivität
keinen Einfluss auf die Verwendung einer Begründung nimmt und umgekehrt auch das
Vorhandensein von Begründungen keinen responsiven Beitrag erzeugen.
Im Hinblick auf die zweite Variable der Widerlegung ist zunächst festzuhalten, dass
hier aufgrund der geringen Fallzahlen für den Indikator „Gegenargument“ (N = 18) dieser nicht weiter beachtet wird. Der zweite Indikator „Bezugnahmen“ weist höhere Fallzahlen auf und wird daher in die Auswertung einbezogen.
106
Responsivitätsgehalt
Bezugnahmen
Contest
Contention
Sonstige
ohne Bezugnahme
68,4%
62,8%
68,9%
mit Bezugnahme
31,6%
37,2%
31,1%
Gesamt
100%
100%
100%
2
χ = 4,553, V = 0,057, λr = 0,000, λc = 0,000
Basis:
Alle Sprecheraussagen im gesamten Erhebungszeitraum, N = 1424
Tabelle 31:Bezugnahmen in Aussagen im Zusammenhang mit dem Responsivitätsgehalt der Aussagen
Die Tabelle veranschaulicht, dass sich die Verwendung von Bezugnahmen in responsiven Beiträgen des Typs „Contest“ im Vergleich zu nicht responsiven Beiträgen („Sonstige“) kaum unterscheidet (d% = 0,5). Im Hinblick auf die als „Contention“ codierten
Beiträge ist jedoch im Vergleich zu den nicht responsiven durchaus ein Unterschied
festzustellen (d% = 6,1). Allerdings zeigt das Prädiktionsmaß Lambda in keine der beiden Zusammenhangsrichtungen einen Ausschlag an und auch Cramer‟s V (V = 0,057)
indiziert nur einen schwachen Zusammenhang der Variablen. Um nun der Möglichkeit
einer Scheinkorrelation zu entgehen, muss die Vermutung von mehr Bezugnahmen bei
„Contention“ weitere Stützung finden. Es stellt sich die Frage, ob der Zusammenhang
bei Kontrolle des Einflusses der Sprecher als Urheber der Bezüge, bestehen bleibt. Tabelle 32 widmet sich dem Einfluss dieser Drittvariablen:
Bezugnahmen
unter Einbezug der
Sprecherzuordnung
ohne Bezugnahme
Zentrum
mit Bezugnahme
Peripherie
Journalisten
Sonstige
2
ohne Bezugnahme
mit Bezugnahme
Contest
Contention
Sonstige
90,7%
90,8%
92,0%
9,3%
9,2%
8,0%
91,7%
89,7%
85,7%
8,3%
10,3%
14,3%
ohne Bezugnahme
55,1%
42,1%
57,7%
mit Bezugnahme
44,9%
57,9%
42,3%
ohne Bezugnahme
0%
mit Bezugnahme
0%
Zentrum: χ = 0,158, V = 0,021, λ = 0,000
2
Journalisten: χ = 14,912, V = 0,130, λ = 0,087
Basis:
Responsivitätsgehalt
0%
0%
0%
100,0%
2
Peripherie: χ = 1,171, V = 0,082, λ = 0,000
Sonstige: keine Berechnung möglich
Alle Sprecheraussagen im gesamten Erhebungszeitraum, N = 1424
Tabelle 32: Bezugnahmen in Aussagen im Zusammenhang mit dem Responsivitätsgehalt der Aussagen unter
Kontrolle der Sprecherzuordnung
Die Tabelle zeigt, dass die Prozentsatzdifferenz unter Kontrolle der Sprecher teilweise
verschwindet. So bleibt der Unterschied zwischen „Contention“ und „Sonstige“ ledig107
lich bei der Sprechergruppe der Journalisten deutlich bestehen (d% = 15,6). Die Drittvariable der Sprecher scheint also die Beziehung zwischen der Responsivität und den Bezugnahmen zu beeinflussen. Um diesen Verdacht weiter zu erhärten, wird in folgender
Tabelle betrachtet, um welche es sich bei Bezugnahmen handelt:
Bezugnahmen
Sprecherzuordnung
ohne Bezug
mit Bezug
Zentrum
34,7%
6,8%
Peripherie
16,1%
4,5%
Journalisten
49,0%
88,7%
Sonstige
0,2%
0%
Gesamt
100%
100%
2
χ = 211,149, V = 0,385, λ = 0,000
Basis:
Alle Sprecheraussagen im gesamten Erhebungszeitraum, N = 1424
Tabelle 33: Aussagen mit Bezügen im Zusammenhang mit den Sprechergruppen
Die Tabelle veranschaulicht, dass wenn Bezugnahmen vorkommen, es sich insbesondere um Journalisten (88,7 %) handelt. In 6,8 % der Fälle handelt es sich um Sprecher des
Zentrums; nur zu 4,5 % entstammen die Sprecher, welche einen Bezug herstellen, aus
der Peripherie. Der Wert des Assoziationsmaßes Cramer‟s V (V = 0,385) weist außerdem auf einen bedeutsamen Zusammenhang der Variablen hin, was die Vermutung,
dass die Sprecher in die Beziehung zwischen der Responsivität und der Widerlegung
intervenieren, weiter verstärkt.
Wird die Verteilung der Sprecher auf die verschiedenen Beitragstypen betrachtet, so
zeigt sich, dass in Beiträgen, die dem Typ „Contention“ zugeordnet werden, mehr Sprecher aus dem Zentrum (35,4 %) und Journalisten (57,3 %) zu Wort kommen. Ähnlich
verhält sich diese Verteilung auch bei dem Beitragstyp „Contest“ (Zentrumssprecher
24,7 %, Journalisten 63,0 %). Tabelle 34 veranschaulicht dies:
108
Responsivitätsgehalt
Sprecherzuordnung
Contest
Contention
Sonstige
Zentrum
24,7%
35,4%
19,7%
Peripherie
12,2%
7,3%
15,5%
Journalisten
63,0%
57,3%
64,5%
0%
0%
0,3%
100%
100%
100%
Sonstige
Gesamt
2
χ = 41,702, V = 0,121, λ = 0,020
Basis:
Alle Sprecheraussagen im gesamten Erhebungszeitraum, N = 1424
Tabelle 34: Sprecherzuordnung im Zusammenhang mit dem Responsivitätsgehalt
Zentrumssprecher und Journalisten sind also am häufigsten in den beiden responsiven
Beitragstypen vorhanden. Damit steht die Responsivität der Beiträge also nicht in direktem Zusammenhang mit dem Anteil an Bezugnahmen; weder sorgen responsive Beiträge für mehr Bezugnahmen noch entstehen durch einen hohen Anteil an Bezügen responsive Beiträge. Vielmehr kann die Vermutung, dass die Sprecher eine intervenierende
Variable hinsichtlich der Beziehung zwischen Responsivität und Bezugnahmen darstellen, bestätigt werden.
Die in diesem Kapitel dargestellten Auswertungen konnten zeigen, dass die Diskursstruktur auf die Diskursqualität nimmt. Dies verdeutlicht, dass die hier zunächst vorgenommene Trennung und auch in anderen Studien vollzogene Einzelbetrachtung verschiedener Deliberativitätskriterien für Operationalisierung und Analyse, nicht aber für
eine umfassende Interpretation und Bewertung sinnvoll ist.
109
6
Fazit
Im Feld der medienvermittelten Deliberation widmete sich diese Studie dem bisher
kaum untersuchten Format der Fernsehnachrichten. Zudem wurde mit den (Bundestags)Wahlen ein angesichts der demokratietheoretischen Fundierung des Konzepts der medienvermittelten Deliberation bislang empirisch überraschend vernachlässigter Gegenstand untersucht. Der Schwerpunkt der Studie lag darin, aufzuzeigen, wie Wähler vor
der Bundestagswahl 2009 durch ihr Hauptinformationsmedium und sein Format mit der
höchsten Reichweite auf Basis des deliberativen Demokratiemodells auf ihre Wahlentscheidung vorbereitet wurden. Wie ist dies also geschehen?
Im Gesamten wurden durch die Nachrichten durchaus ansatzweise deliberative Ansprüche erfüllt. Doch schon die Input-Dimension des Diskurses zeigte teilweise Schwächen: Die Bürger wurden lediglich über ausgewählte Themen und Parteien informiert,
dabei allerdings mit einer großen Bandbreite an Standpunkten verschiedener Sprechertypen. Auch sie selbst wurden in nicht unerheblichem Ausmaß in den Diskurs integriert.
Nur die Minderheit aller Äußerungen war jedoch mit Begründungen sowie Bezugnahmen auf andere Standpunkte ausgestattet. Fast nie wurden Argumente direkt durch Gegenargumente widerlegt. Damit war hinsichtlich der Throughput-Dimension eine deliberativ anspruchsvolle Argumentation in der Wahlberichterstattung überwiegend nicht
vorhanden. Die Wähler wurden somit durch die Nachrichten eher mit der Bundestagswahl konfrontiert als eingehend darüber informiert. Eine Gleichverteilung von Äußerungschancen an die Parteien als Hauptakteure lag nicht vor, ebenso wenig ihre Thematisierung durch verschiedene Sprecher und eine ausgewogene Themenstruktur. Von
einem „herrschaftsfreien“ (Habermas, 1984) und argumentativ hochwertigen Diskurs
konnte somit nur bedingt die Rede sein. Allerdings können die im Vergleich zu anderen
Studien (vor allem Bennett et al., 2004) relativ stark ausgeprägte Responsivität der Berichterstattung und das insgesamt hohe Level an Zivilität positiv hervorgehoben werden.
Eine wichtige Erkenntnis dieser Studie ist, dass einzelne Kriterien von Deliberation sich
maßgeblich gegenseitig beeinflussten. Dies betrifft zum Einen Auswirkungen der InputDimension auf den Throughput der Deliberation und zum Anderen Wechselwirkungen
verschiedener Throughput-Prozesse (siehe Kapitel 5). Die Studie konnte unter anderem
zeigen, dass Sprecherinklusivität und -ausgewogenheit sich auf die Argumentation auswirken und eine politics-Zentrierung nicht nur aufgrund der Vernachlässigung von
Sachthemen (Buchanan, 2001; Gastil, 2008, S. 94; Schultz, 2006) negativ zu beurteilen
ist. Auch auf Ebene der Diskursqualität konnten negative Folgen festgestellt werden. So
110
begünstigte die Horse-Race-Berichterstattung einen inzivilen Ton und verminderte das
Ausmaß an begründeten Aussagen. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass Kriterienkataloge für die empirische Erhebung von Deliberativität sinnvoll sind, allerdings nicht
wie eine abzuhakende Liste betrachtet werden sollten, sondern wie Faktoren, die sich
gegenseitig begünstigen aber auch negativ beeinflussen können.
Die vermuteten und durch die Hypothesen formulierten Unterschiede zwischen den
Sendergruppen konnten nur bedingt bestätigt werden. Es zeigten sich nicht über alle
Deliberativitätskriterien hinweg (auffallende) Unterschiede zwischen öffentlichrechtlichen und privaten Sendern. Trotz einer im Gesamten höheren Deliberativität von
ARD und ZDF konnte die Organisationsform der Sender nicht als Ausschlag gebender
Einflussfaktor auf die Deliberativität der Wahlberichterstattung bestätigt werden. Die
Bewertung dessen ist ambivalent: Einerseits existieren bestimmte journalistische Normen wie die Maßgabe eines zivilen Tons wohl über die beiden Sendergruppen hinweg.
Anderseits jedoch scheinen journalistische und redaktionelle Routinen wie die Verwendung von kurzen sound bites und ein geringes Einfordern von Begründungen in Interviews bei allen Sendern vorzuliegen. Darüber hinaus waren Muster wie eine geringe
Offenheit gegenüber Splitterparteien oder der Fokus auf Horse-Race-Berichterstattung
unabhängig von der Senderstruktur zu beobachten. Dieselbe Feststellung eines lediglich
geringen Einflusses auf die Merkmale der Debatte gilt für den zeitlichen Fortschritt, der
als prozessuale Komponente der Deliberation in die Studie einfloss. Die Beobachtung
von Rousiley C. M. Maia (2009) eines komplexeren Diskurses im zeitlichen Verlauf
schien im Hinblick auf die Wahlberichterstattung lediglich ansatzweise in Bezug auf die
Inklusivität und das Ausmaß an Begründungen vorgelegen zu haben, nicht aber für
Responsivität und Widerlegungen. Dies ist in dem Sinne negativ zu beurteilen, als dass
durch die Medien anscheinend kein Fortschritt in der Debatte forciert wurde. Positiv
anzumerken ist hierbei jedoch der Umstand, dass sich die Debatte im Zeitverlauf auch
nicht maßgeblich undeliberativer gestaltete. So wurde sie nicht, wie angenommen, unausgewogener und inziviler.
Es schienen also andere Faktoren als Senderstruktur und Zeitverlauf die Deliberativität
der Berichterstattung über die Bundestagswahl beeinflusst zu haben. Hier konnten und
können lediglich Vermutungen angestellt werden. Zum Einen ist hier der Umstand zu
nennen, dass kein spezifisches Thema sondern ein Ereignis im Vordergrund stand. Bisherige Studien zur medienvermittelten Deliberation beschäftigten sich dem gegenüber
meist mit (Streit-)Themen. Vor allem die äußerst niedrige Reflexivität und Widerlegung
111
von Meinungen könnte dadurch erklärt werden. So lässt sich dies bei einem spezifischen Thema, zu dem es eine begrenzte Anzahl von Standpunkten und Argumenten
gibt, eher vollziehen als bei einem Ereignis, unter dem sich mehrere Themen gruppieren
lassen. In einer eher begrenzten Möglichkeit zur Diskussion aller Themen in den durch
ihre Kürze geprägten Nachrichtensendungen war dies anscheinend nicht möglich.
Das Merkmal der beschränkten und teils sehr geringen Dauer der Nachrichtenbeiträge
schien darüber hinaus auch für andere Deliberativitätskriterien eine erklärende Variable
darzustellen. Dies konnte in Bezug auf den Zusammenhang von Beitragslänge und Responsivität genauso gezeigt werden wie für die Existenz von Begründungen und Widerlegungen in Abhängigkeit zur Länge der sound bites. Das genannte Charakteristikum
von Fernsehnachrichten wurde in der Phase der Operationalisierung bedacht – beispielsweise durch den Verzicht auf die Kriterien der Antwortbeiträge und konfligierender Ideen in einer Sprecheraussage (Wessler, 2008, S. 11) – anscheinend jedoch hinsichtlich seiner Relevanz und vielfältigen Wirkungsweise trotzdem unterschätzt. So
zeigte sich, dass die Throughput-Dimension der Deliberation in TV-Nachrichten maßgeblich von der begrenzten Ressource der Zeit abhing. Auch bei der Inklusivität und
insofern der Input-Dimension lässt sich dies vermuten. Die Deliberativität der Nachrichtensendungen war also einerseits dadurch determiniert, welchen Umfang und daran anschließend welche Relevanz die Journalisten der Bundestagswahl in ihrer Berichterstattung einräumten. Andererseits hing sowohl der Umfang als auch weitere Deliberativitätskriterien davon ab, wie sehr sie sich um eine Verbindung des Ereignisses der Wahl
mit einzelnen Sachthemen bemühten. Somit lässt sich festhalten, dass der Diskurs um
ein Ereignis eine ungleich größere Herausforderung an die Medien darstellt: Sie müssen
Themen recherchieren, mit dem Ereignis in Zusammenhang bringen und verschiedene
Standpunkte dazu ausfindig machen.
Auch das spezifische Ereignis selbst beziehungsweise der hier untersuchte Gegenstand
könnte die Berichterstattung und ihre Deliberativität zumindest teilweise determiniert
haben. So beeinflusste die Tatsache, dass es um eine Bundestagswahl ging, vor allem
die Ausgewogenheit des Diskurses. Bekannte Muster in der Wahlberichterstattung wie
die Horse-Race-Zentrierung werden seit Längerem immer wieder beobachtet (siehe
Kapitel 2.2) und lagen auch vor der vergangenen Bundestagswahl in erheblichem Ausmaß vor. Bislang hatte lediglich John Gastil diese Form der Berichterstattung in Verbindung zur Deliberation gesetzt (Gastil, 2008, S. 94). Seinen theoretischen Bemerkungen, dass sie Deliberativität vermindert, konnte – wie bereits erwähnt – in Bezug auf
112
mehrere Merkmale von Deliberation Recht gegeben werden. Auch der relativ hohe Grad
an Sprecherinklusivität könnte auf den Gegenstand der Bundestagswahl zurückzuführen
sein, deren Ausgang schließlich von der politischen Peripherie, genauer der Bürgern,
und nicht vom politischen Zentrum bestimmt wird.
Weitere Einflussfaktoren auf die Berichterstattung sind in extramedialen Umständen
wie den PR-Strategien und den Kampagnen der Parteien zu vermuten. Insbesondere die
an der aktuellen Machtverteilung im Parlament orientierte Parteienstruktur und auch der
Fokus auf Wahlkampfaktionen der großen Parteien zeigte, dass ein von äußeren Herrschaftseinflüssen freier medialer Diskurs nicht vorlag. Der hohe Fokus auf Horse-RaceBerichterstattung gibt einen Hinweis darauf, dass die Politik die zu den „free media“ zu
rechnenden Fernsehnachrichten immer noch als Kampagneninstrument in ihrem Wahlkampf nutzen konnten. Aus deliberativer Sicht haben die Medien hier teilweise versagt
und der Einfluss der Politik ist aus mehreren Gründen negativ zu beurteilen. Er verhindert einen „herrschaftsfreien Diskurs“ (Habermas, 1984) und begrenzt das Meinungsspektrum. Außerdem erschwert dieser Einfluss die freie Meinungsbildung und daran
anschließend die Entfaltung kommunikativer Macht seitens der Bürger unabhängig von
etablierten Machtstrukturen und entgegen der administrativen Macht des politischen
Zentrums (siehe Kapitel 2.1.1).
Aus dem Fokus auf Horse Race und der scheinbaren Reaktion auf Kampagnen lässt sich
ableiten, dass die Debatte eher auf Wahlkampf denn auf Wahl konzentriert war. Weiterhin schienen medienstrukturelle Bedingungen wie Nachrichtenwerte und Redaktionsroutinen die Berichterstattung stärker determiniert zu haben als deliberative Normen.
Die vorliegende Studie bestätigt damit eine Erkenntnis von Gerhards, Neidhardt und
Rucht (1998, S. 185).
Aus dieser Bilanz lassen sich zunächst praktische Konsequenzen ziehen. Eine größere
Bemühung um eine deliberativ anspruchsvolle Berichterstattung ist seitens der Journalisten in Bezug auf kommende Bundestagswahlen überaus gefragt. Durch die Gewährleistung höherer Umfänge für einzelne Beiträge und Äußerungen, die Herausforderung
begründeter O-Töne, das Aufsuchen von Gegenargumenten sowie durch die Verbindung von mehr Sachthemen mit der Bundestagswahl könnte die Deliberativität der
Fernsehnachrichten maßgeblich gesteigert werden. Zudem läge es an den Journalisten,
einer auf äußere Einflüsse wie Kampagnen und PR-Strategien der Parteien reagierenden
Berichterstattung Einhalt zu gebieten und auch mehr kleinere Parteien in den Diskurs zu
113
integrieren. Damit kann auf der einen Seite ein Plädoyer für einen investigativen als
vielmehr verlautbarenden Journalismus ausgesprochen werden. Die journalistische Arbeit ist damit aus deliberativer Sicht bislang ambivalent zu beurteilen. So finden sich
auf der einen Seite die erwähnten Defizite, auf der anderen Seite ist die im Vergleich zu
anderen Sprechern relativ ausgeprägte Deliberativität der Journalisten in Form von Zivilität und Argumentation positiv hervorzuheben.
Weiterhin lassen sich aus den Erkenntnissen der Studie theoretische und empirische
Konsequenzen für die Forschung zur medienvermittelten Deliberation ableiten. Gefordert ist hier zunächst eine höhere Beachtung des Gegenstands. Es sollte zwischen Themen und Ereignissen differenziert und die Erkenntnisse daraus einander gegenüber gestellt werden. Dabei stellt ein Ereignis nicht nur für die Medien, wie oben bemerkt, eine
größere Herausforderung dar. Auch für die empirische Forschung ergeben sich höhere
Ansprüche. Die vorliegende Studie hat zwar unterschiedliche, unter dem Ereignis der
Wahl zu gruppierende Themen differenziert erhoben und die Anzahl der jeweiligen
Standpunkte festgehalten. Allerdings könnte in weiteren Studien darüber hinaus analysiert werden, welche Standpunkte von welchen Sprechern zu verschiedenen Themen in
den Diskurs eingebracht werden. Zudem böte sich ein Vergleich mit der „alltäglichen“
Berichterstattung an, um die Besonderheit von sowohl themen- als auch ereigniszentrierter Deliberation herauszustellen. Stets beachtet werden sollte dabei, um welches
Thema beziehungsweise Ereignis es sich handelt und ob über politische oder moralische
Konflikte oder vielmehr über „informelle gesellschaftliche Konventionen und alltagsweltliche Normen“ (Gerhards, Neidhardt & Rucht, 1998, S. 178) beratschlagt wird. Des
Weiteren sollte das Messinstrument stets auf die Spezifika des jeweiligen Mediums und
Formats abgestimmt werden. In dieser Studie wurde darauf bereits geachtet. Allerdings
konnten innerhalb der Auswertung und Diskussion der Ergebnisse einige Punkte aufgezeigt werden, die mangels Vorgängerstudien im Vorfeld nicht bekannt waren, nun allerdings Eingang in die empirische Forschung finden können.
Eine letzte Folge betrifft den prozessualen Aspekt von Deliberation. Dieser könnte in
Nachfolgestudien in einem anderen Licht als dem Zeitverlauf in Bezug auf ein Format
betrachtet werden. Wie gezeigt wurde, griffen die Nachrichten Themen auf und gaben
damit viele Deliberationsimpulse, die sie jedoch in der Mehrzahl nicht weiter ausführten. Damit ließ sich in dem Format selbst kein Prozess erkennen, der die Kriterien von
Deliberation im Gesamten umfasste. Es wäre allerdings interessant, zu verfolgen, inwieweit die durch die Nachrichten gesetzten Impulse einerseits durch andere Formate
114
im Fernsehen – wie politische Talkshows – oder auch andere Medien aufgriffen wurden. Es ließe sich ein Prozessmodell andenken, das angefangen von den extramedialen
Einflüssen den Input, dann – unter Beachtung journalistischer und redaktioneller Routinen – den Throughput und anschließend gegebenenfalls das Outcome von Deliberation
über mehrere Medien und Formate hinweg fasst. Mit beachtet werden sollte dabei das
erwähnte Zusammenspiel von Input- und Throughput-Prozessen, wobei die Relevanz
einzelner Faktoren ebenso detailliert zu analysieren wäre wie die Richtung der Zusammenhänge.
Bezüglich der Outcome-Dimension sind unter anderem soziale Lernprozesse zu nennen,
die mittels Analysen von Medieninhalten allein jedoch nicht zu untersuchen und aufgrund ihrer Eigenschaft als Langzeiteffekte generell schwer zu erfassen sind (Wessler &
Schultz, 2007, S. 18f.). Anstatt der Lernprozesse selbst könnte allerdings untersucht
werden, inwieweit durch die Beobachtung eines Diskurses Lernprozesse bei den Rezipienten angeregt werden (Gerhards, Neidhardt & Rucht, 1998, S. 187f.). Nicht nur im
Anschluss an einen Wahldiskurs ließe sich beispielsweise das politische Wissen und
Engagement von Bürgern erheben sowie deren Deliberation untersuchen, die durch die
mediale Debatte induziert oder beeinflusst wird. Zum Zusammenhang von Mediennutzung und Bürgerdeliberation liegen bereits Studien vor (Kim, Wyatt, & Katz, 1999;
Moy & Gastil, 2006). Allerdings beachteten diese in zu geringem Ausmaß den Medieninhalt selbst, was ebenso für eine Verbindung der verschiedenen Dimensionen von Deliberation spricht.
Die vorliegende Studie hat zwar ebenfalls nicht die Outcome-Dimension beziehungsweise die Bürgerdeliberation untersucht; dies war in diesem Rahmen kaum möglich.
Input- und Throughput-Dimension jedoch wurden umfassend analysiert, miteinander
verbunden und bereits einige Unterschiede von ereignis- und themenzentrierter Deliberation aufgezeigt. Weitere Einschränkungen sind jedoch, dass sich diese Studie zum
Einen einem einzelnen Ereignis und einem spezifischen Format widmete und zum Anderen die Vermutungen zu den extramedialen Einflüssen mangels empirischer Daten
nicht eindeutig belegt werden können. Die Erkenntnisse lassen deshalb keine Verallgemeinerung zu. Durch Analysen zu weiteren Bundestagswahlen könnten die festgestellten Muster bestätigt oder ausdifferenziert werden. Zudem könnte unter Beachtung des
erläuterten prozessualen Modells medienvermittelte Deliberation in einem weit größeren Rahmen und unter Beachtung von noch mehr Einflussfaktoren untersucht werden
als bisher meist geschehen. Die von John Gastil formulierte Notwendigkeit der Betrach115
tung des gesamten Mediensystems (Gastil, 2008, S. 50f.) ließe sich so in eine spezifische Richtung lenken. Im Zuge dessen könnten Unterschiede zwischen verschiedenen
Formaten und Medien im Hinblick auf ihr deliberatives Potential genauer herausgearbeitet werden. Die wahlbezogene Deliberativität von 15 Minuten Fernsehen konnte diese Studie bereits aufzeigen.
116
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124
8
Anhang
8.1 Profile der vier untersuchten Rundfunksender
8.1.1
Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der
Bundesrepublik Deutschland (ARD)
Organisation
 Gründung 1950
 nicht selbstständige, rechtsfähige Organisation
 Zusammenschluss von Sendeanstalten, Mitglieder: BR,
HR, MDR, NDR, RB, RBB, SR, SWR, WDR, DW
 eine der Mitgliedsanstalten ist jeweils für 2 Jahre geschäftsführend und ihr Intendant Vorsitzender
(derzeit: SWR mit Peter Boudgoust)
 rechtliche Grundlagen: Rundfunkstaatsverträge der einzelnen Bundesländer
Finanzierung
 Bruttowerbeumsatz 2008: 303,5 Mio. Euro
 Gebührenanteil 2008: 5.348.393.127,07 Euro
Geschäftsfelder
 Produktion verschiedener Fernsehprogramme, vor allem
„Das Erste“ und die dritten Programme, zudem diverse Digitalprogramme
 Beteiligung u. a. an KI.KA, Phoenix, 3sat und ARTE
 Angebot im Internet (Mediathek)
Status
 Umsatz 2009: 6.385 Mrd. Euro
 Platz 2 der Medienkonzerne national und Platz 17 international
 20.226 Mitarbeiter
Nachrichten:
 Leitung: ARD aktuell
 Chefredakteur: Dr. Kai Gniffke
Tagesschau
(Anschlag, 2009; Berger, 2008, S. 81ff.; Gebühreneinzugszentrale (GEZ), 2010a; Media
Perspektiven, 2009, S. 7)
125
8.1.2
Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF)
Organisation
 Sendestart: 1. April 1963
 Geschäftsführung durch Intendant
(seit 2002: Markus Schächter)
 rechtliche Grundlagen: Rundfunkstaatsvertrag und ZDFStaatsvertrag
Finanzierung
 Bruttowerbeumsatz 2008: 202,8 Mio. Euro
 Gebührenanteil 2008: 1.728.977.209,42 Euro
Geschäftsfelder
 Produktion des Hauptprogramms und diverser Digitalprogramme
 Beteiligung u. a. an KI.KA, Phoenix, 3sat und ARTE
 Angebot im Internet (Mediathek)
Status
 Umsatz 2008: 1.993 Mrd. Euro
 Platz 7 der Medienkonzerne national
 etwa 3.600 Mitarbeiter
Nachrichten:
 Ansiedlung in der Hauptredaktion „Aktuelles“
 Redaktionsleiter: Luc Walpot
(seit 1. Januar 2009; vorheriger Leiter des ZDF-Studios in
Kairo und langjähriger Auslandskorrespondent des ZDF
in Bagdad und im Nahen Osten)
 Mitarbeiter: 102 feste und freie Redakteure
 Redaktionsarbeit in drei Schichten:
1) Nachrichten im Morgenmagazin
2) Nachrichten bis 17 Uhr
3) Hauptnachrichten um 19 Uhr durch ein spezielles
Team unter der Leitung eines Schlussredakteurs
sowie der Moderatoren Petra Gerster und Steffen
Seibert
 über die tagesaktuell arbeitenden Schichten hinaus organisieren zwei Planungsredakteure die Bereiche Inland und
Ausland in Zusammenarbeit mit den Korrespondenten
heute
(Anschlag & Bartels, 2009; Berger, 2008, S. 87ff.; Gebühreneinzugszentrale (GEZ),
2010a; Media Perspektiven, 2009, S. 7)
126
8.1.3
Radio Television Luxemburg (RTL)
Organisation
 Gründung 1984
 Geschäftsführerin Anke Schäferkordt
 Teil der Mediengruppe RTL, diese gehört zur BertelsmannTochter RTL Group
 Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) sorgt für die Überwachung der Meinungsvielfalt im privaten Sektor
 Rechtsform: privatrechtlich
Finanzierung
 Finanzierung über Werbeeinnahmen oder Gebühren (Pay
TV)
 Bruttowerbeumsatz 2008: 2278,2 Mio. Euro
Geschäftsfelder
der Mediengruppe
RTL
 Produktion verschiedener Fernsehprogramme, vor allem
RTL Television, VOX und n-tv; zudem diverse Digitalprogramme RTL Crime, RTL Passion und RTL Living
 Beteiligung u. a. an RTL II und SUPER RTL
 Angebot im Internet (RTLNOW.de)
Status
 Umsatz 2008: 16,118 Mrd. Euro
 Platz 7 der Medienkonzerne international und Platz 1 national
 etwa 106.083 Mitarbeiter (weltweit)
Nachrichten:
 Leitung: RTL Aktuell
 Chefredakteur: Peter Kloeppel
 RTL Aktuell wird aus dem virtuellen Nachrichtenstudio
RTL-News-World in Köln gesendet.
 Um das Nachrichtenangebot besonders nutzerfreundlich zu
gestalten, kommen animierte und dreidimensionale Grafiken vermehrt zum Einsatz.
 Auch Zuschauernews haben bei RTL Aktuell eine Chance
auf Veröffentlichung. Dazu können sogenannte RTLHandy-Reporter eigene Videos oder Fotos etwa von Wetterphänomenen als SMS oder MMS an die Redaktion schicken.
RTL Aktuell
(Berger, 2008; Jakobs, Schmalz, & Schuler, 2010; Media Perspektiven, 2009, S. 12)
127
8.1.4
Satelliten Fernsehen GmbH (Sat.1)
Organisation
 Gründung der PKS (Programmgesellschaft für Kabel- und
Satellitenfunk) 1984
 1985 Umbenennung in Sat.1
 Geschäftsführer seit 01.02.2010 Andreas Bartl, zuvor
(01.01.2009 bis 31.01.2010) Guido Bolten und Torsten
Rossmann
 Tochter der ProSiebenSat.1 Media AG, die wiederum Teil
der Kirch-Gruppe ist
 Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) sorgt für die Überwachung der Meinungsvielfalt im privaten Sektor; Rechtsform: privatrechtlich
Finanzierung
 Finanzierung über Werbeeinnahmen oder Gebühren (Pay
TV)
 Bruttowerbeumsatz 2008: 1570,6 Mio. Euro
 ProSiebenSat.1 Media AG agiert in 13 europäischen Ländern und mit 26 Sendern im Free TV und 24 Sendern im
Pay TV sowie 22 Radiosendern
 Angebot im Internet (Sat.1 Online)
Geschäftsfelder
der Mediengruppe
RTL
Status
 Umsatz 2008: 3,054 Mrd. Euro
 Platz 39 der Medienkonzerne international und Platz 3 national
 etwa 6.057 Mitarbeiter (weltweit)
Nachrichten:
 Hauptmoderator: Peter Limbourg
 Nachrichtendienstleister der ProSiebenSat.1 Media AG ist
N24
 An einer Sat.1-Nachrichtensendung arbeiten zwei Chefs,
mehrere Redakteure und Reporter, die auch die Nachrichten bei ProSieben und Kabel1 betreuen, als Rechercheure
und Autoren arbeiten und sich auf die vorbereitende Arbeit
der N24-Crew stützen und wiederum für die Sendungen
auf N24 zuarbeiten.
 An einem Werktag sind innerhalb 24 Stunden etwa 60 Redakteure für alle Nachrichten (N24 und Formate), für die
Wirtschaftsberichterstattung und die Planung tätig.
Sat.1 Nachrichten
(Berger, 2008; Media Perspektiven, 2009, S. 12; Zabel & Bartels, 2009)
128
8.2 Tabellen und Diagramme
8.2.1
Diskursstruktur
Ökonomische Senderstruktur
Themenaspekte
Atomkraft/Energie
öffentlichrechtlich
privat
11
3
Europa
1
2
Bundeswehr/Afghanistan/Terror
6
4
Datenschutz/Internet
1
2
Zuwanderung
0
1
Arbeitslosigkeit
6
3
Wirtschaftslage
8
6
Banken- und Finanzkrise
8
4
Verdruss Politik/Politiker
1
1
Bildung/Schule
4
2
15
1
5
3
15
2
Gesundheitswesen/Pflege
5
0
Rente/Alterssicherung
1
0
soziales Gefälle
2
0
Umwelt/Klima
2
2
43
23
Kosten/Preise/Löhne
Familie/Kinder/Jugend
Steuern/Steuererhöhungen
Gesamt
2
χ = 24,972, V = 0,615, λ = 0,082
Basis:
Alle codierten Themenaspekte im gesamten Erhebungszeitraum,
N = 399, Tabelle enthält keine Mehrfachnennungen in Beiträgen sowie der Horse-Race-Berichterstattung und
der Ausprägung „Sonstiges“ zugeordnete Themenaspekte
129
Anteil der Beiträge
Themen nach
Senderstruktur
Sachpolitik
öffentlichrechtlich
privat
durchschnittliche Beitragslänge
(in Sekunden)
öffentlichprivat
rechtlich
125,57
120,95
[71,56]
[57,21]
28,9%
24,7%
5,6%
2,4%
113,33
118,66
0%
0%
0
0
Bundeswehr/Afghanistan/Terror
7,8%
8,2%
131,29
87,12
Datenschutz/Internet
2,2%
0%
106,60
0
0%
0%
0
0
Arbeitslosigkeit
1,1%
1,2%
31,32
115,24
Wirtschaftslage
3,3%
2,4%
186,93
236,06
Banken- und Finanzkrise
2,2%
0%
131,84
0
Verdruss Politik/Politiker
1,1%
2,4%
179,96
125,90
0%
0%
0
0
1,1%
1,2%
119,16
181,40
0%
3,5%
0
93,16
Steuern/Steuererhöhungen
2,2%
3,5%
103,46
130,89
Gesundheitswesen/Pflege
1,1%
0%
86,92
0
Rente/Alterssicherung
1,1%
0%
117,28
0
soziales Gefälle
0%
0%
0
0
Umwelt/Klima
0%
0%
0
0
Horse-Race-Berichterstattung
65,6%
70,6%
108,64
117,93
Wahlkampf/Parteien-PR
44,4%
42,4%
109,65
118,07
Koalitionen
6,7%
12,9%
108,20
110,57
Wahlberichterstattung
8,9%
10,6%
106,85
150,53
Demoskopie
5,6%
4,7%
103,98
63,56
Sonstige
5,6%
4,7%
Gesamt [Standardabweichung]
100%
61,82
110,93
[58,00]
96,05
117,65
[55,99]
Atomkraft/Energie
Europa
Zuwanderung
Bildung/Schule
Kosten/Preise/Löhne
Familie/Kinder/Jugend
2
Anteil: χ = 12,849, V = 0,271, λ = 0,000
100%
2
Länge: χ = 116,993, V = 0,818, η = 0,059, η² = 0,003
Basis: Alle Beiträge im gesamten Erhebungszeitraum, N = 175
130
Ökonomische Senderstruktur
öffentlichrechtlich
sound bites der Politiker
privat
CDU/CSU
12,57
9,39
SPD
11,87
9,86
FDP
13,05
9,56
Bündnis 90/Die Grünen
10,71
10,40
Die Linke
13,44
9,36
Piratenpartei
0
10,80
Die Violetten
0
7,20
Tierschutzpartei
0
0
Bayernpartei
0
0
0
12,24 [4,65]
0
9,68 [4,27]
NPD
Gesamt [Standardabweichung]
2
χ = 244,666, V = 0,837, η = 0,277, η² = 0,077
Basis:
Sprecheraussagen mit Parteizuordnung im gesamten
Erhebungszeitraum, N = 349
sound bites
der Politiker
Wochen
1
2
3
4
CDU/CSU
10,35
11,88
11,02
10,05
SPD
13,13
9,81
8,66
11,22
FDP
12,99
9,96
11,89
11,00
Bündnis 90/Die Grünen
12,08
12,02
9,85
9,36
Die Linke
12,52
10,69
9,63
12,29
Piratenpartei
0
0
0
10,80
Die Violetten
0
0
0
7,20
Tierschutzpartei
0
0
0
0
Bayernpartei
0
0
0
0
0
12,16 [5,08]
0
11,08 [4,36]
0
10,18 [4,13]
0
10,53 [4,67]
NPD
Gesamt [Standardabweichung]
2
χ = 704,286, V = 0,820, η = 0,161, η² = 0,026
Basis: Sprecheraussagen mit Parteizuordnung im gesamten Erhebungszeitraum, N = 349
131
Wochen
Themenaspekte
1
2
3
4
Atomkraft/Energie
2
2
4
6
Europa
1
1
1
0
Bundeswehr/Afghanistan/Terror
2
1
2
5
Datenschutz/Internet
0
1
0
2
Zuwanderung
0
0
0
1
Arbeitslosigkeit
1
6
0
2
Wirtschaftslage
0
8
6
0
Banken- und Finanzkrise
2
3
3
4
Verdruss Politik/Politiker
0
0
1
1
Bildung/Schule
1
1
4
0
Kosten/Preise/Löhne
6
1
4
5
Familie/Kinder/Jugend
1
2
2
3
Steuern/Steuererhöhungen
2
5
4
6
Gesundheitswesen/Pflege
1
1
0
3
Rente/Alterssicherung
0
0
1
0
soziales Gefälle
0
0
0
2
Umwelt/Klima
1
0
1
2
11
15
16
24
Gesamt
2
χ = 70,278, V = 0,600, λ = 0,184
Basis:
Alle codierten Themenaspekte im gesamten Erhebungszeitraum, N = 399, Tabelle enthält
keine Mehrfachnennungen in Beiträgen sowie der Horse-Race-Berichterstattung und der
Ausprägung „Sonstiges“ zugeordnete Themenaspekte
132
durchschnittliche Beitragslänge
(in Sekunden)
Anteil der Beiträge
Themen nach Wochen
Sachpolitik
Atomkraft/Energie
Europa
Bundeswehr/Afghanistan/Terror
Datenschutz/Internet
Zuwanderung
Arbeitslosigkeit
Wirtschaftslage
Banken- und Finanzkrise
Verdruss Politik/Politiker
Bildung/Schule
Kosten/Preise/Löhne
Familie/Kinder/Jugend
Steuern/Steuererhöhungen
Gesundheitswesen/Pflege
Rente/Alterssicherung
soziales Gefälle
Umwelt/Klima
Horse-Race-Berichterstattung
Wahlkampf/Parteien-PR
Koalitionen
Wahlberichterstattung
Demoskopie
Sonstige
Gesamt [Standardabweichung]
2
Anteil: χ = 90,586, V = 0,415, λ = 0,000
1
2
23,8%
9,5%
0%
4,8%
0%
0%
0%
0%
0%
4,8%
0%
0%
4,8%
0%
0%
0%
0%
0%
69,0%
57,1%
2,4%
2,4%
7,1%
7,1%
100%
38,2%
2,9%
0%
8,8%
2,9%
0%
5,9%
14,7%
0%
0%
0%
0%
0%
2,9%
0%
0%
0%
0%
55,9%
29,4%
8,8%
14,7%
2,9%
5,9%
100%
3
24,4%
4,9%
0%
9,8%
0%
0%
0%
0%
0%
0%
0%
2,4%
2,4%
0%
2,4%
2,4%
0%
0%
73,2%
29,3%
14,6%
24,4%
4,9%
2,4%
100%
4
24,1%
0%
0%
8,6%
1,7%
0%
0%
0%
3,4%
1,7%
0%
1,7%
0%
6,9%
0%
0%
0%
0%
70,7%
51,7%
12,1%
1,7%
5,2%
5,2%
100%
1
130,24
[56,96]
126,23
0
180,36
0
0
0
0
0
125,90
0
0
92,48
0
0
0
0
0
118,57
122,43
122,60
185,92
63,91
72,73
118,07
[55,97]
2
150,62
[87,41]
131,20
0
176,32
97,44
0
73,28
206,58
0
0
0
0
0
21,00
0
0
0
0
98,97
92,64
94,49
107,54
132,88
145,88
121,48
[70,27]
3
92,98
[39,01]
83,92
0
86,01
0
0
0
0
0
0
0
119,16
94,52
0
86,92
117,28
0
0
121,75
101,46
134,64
141,06
108,22
30,24
112,50
[59,62]
4
115,33
[54,69]
0
0
59,03
115,76
0
0
0
131,84
179,96
0
181,40
0
144,65
0
0
0
0
110,11
118,48
93,09
75,40
77,71
51,04
108,31
[47,13]
2
Länge: χ = 504,86, V = 0,981, η = 0,090, η² = 0,008
Basis: Alle Beiträge im gesamten Erhebungszeitraum, N = 175
133
8.2.2
Diskursqualität
Ökonomische Senderstruktur
sound bites nach
Sprechertypen (in Sekunden)
öffentlichrechtlich
privat
Parteien: CDU/CSU
12,29
8,06
Parteien: SPD
12,29
9,90
Parteien: FDP
13,05
9,56
Parteien: Bündnis 90/Die Grünen
10,71
10,40
Parteien: Die Linke
13,44
9,36
Parteien: Piratenpartei
0
10,80
Parteien: Die Violetten
0
7,20
Verwaltung und Regierung: CDU/CSU
12,80
10,34
Verwaltung und Regierung: SPD
11,04
9,28
Verwaltung und Regierung: Sonstige/ohne Partei
13,95
11,48
5,84
0
Interessengruppen, -verbände
12,01
8,30
soziale Bewegungen
11,84
7,56
Experten/Intellektuelle
16,67
11,05
0
0
6,61
5,30
0
6,26
Journalisten: Nicht-Mitarbeiter
34,06
27,52
Journalisten: Mitarbeiter
15,21
15,52
0
6,66
14,45
13,07
Judikative
Advokaten
Problembetroffene/Bürger
Künstler/Prominente
Sonstige
Gesamt
2
2
öffentlich-rechtlich: χ = 5685,010, V = 0,773, η = 0,415, η = 0,172
2
2
privat: χ = 7492,243, V = 0,769, η = 0,416, η = 0,173
Basis:
Alle Sprecheraussagen im gesamten Erhebungszeitraum, N = 1424
134
Ökonomische Senderstruktur
Begründungen nach
Sprechertypen
öffentlichrechtlich
privat
Parteien: CDU/CSU
5,4%
5,0%
Parteien: SPD
8,6%
6,7%
Parteien: FDP
16,1%
10,0%
Parteien: Bündnis 90/Die Grünen
2,2%
3,3%
Parteien: Die Linke
5,4%
3,3%
Parteien: Piratenpartei
0%
3,3%
Parteien: Die Violetten
0%
1,7%
Verwaltung und Regierung: CDU/CSU
4,3%
6,7%
Verwaltung und Regierung: SPD
3,2%
0%
Verwaltung und Regierung: Sonstige/ohne Partei
2,2%
0%
0%
0%
2,2%
5,0%
0%
1,7%
5,4%
10,0%
0%
0%
7,5%
5,0%
0%
1,7%
3,2%
1,7%
Journalisten: Mitarbeiter
34,4%
35,0%
Gesamt
100%
100%
Judikative
Interessengruppen, -verbände
soziale Bewegungen
Experten/Intellektuelle
Advokaten
Problembetroffene/Bürger
Künstler/Prominente
Journalisten: Nicht-Mitarbeiter
2
χ = 16,261, V = 0,326
Basis:
Alle Sprecheraussagen mit Begründungen im gesamten Erhebungszeitraum; Mehrfachcodierungen möglich, N = 153
135
Bezugnahme
Widerlegungen nach
Sprechertypen und Senderstruktur
öffentlichrechtlich
Parteien: CDU/CSU
Gegenargument
privat
öffentlichrechtlich
privat
0%
0,5%
0%
0%
Parteien: SPD
1,8%
2,1%
23,1%
20,0%
Parteien: FDP
1,1%
0,5%
0%
0%
Parteien: Bündnis 90/Die Grünen
2,2%
1,0%
7,7%
0%
Parteien: Die Linke
1,8%
1,0%
15,4%
0%
Parteien: Piratenpartei
0%
0%
0%
0%
Parteien: Die Violetten
0%
0%
0%
0%
Verwaltung und Regierung: CDU/CSU
0%
0,5%
0%
0%
Verwaltung und Regierung: SPD
0,4%
0%
0%
0%
Verwaltung und Regierung: Sonstige/ohne Partei
0,4%
0%
7,7%
0%
0%
0%
0%
0%
1,4%
0%
0%
20,0%
0%
0,5%
0%
20,0%
0,7%
1,0%
0%
0%
0%
0%
0%
0%
0,4%
1,0%
0%
0%
0%
0%
0%
0%
3,2%
0%
0%
0%
86,6%
91,7%
46,2%
40,0%
100%
100%
100%
100%
Judikative
Interessengruppen, -verbände
soziale Bewegungen
Experten/Intellektuelle
Advokaten
Problembetroffene/Bürger
Künstler/Prominente
Journalisten: Nicht-Mitarbeiter
Journalisten: Mitarbeiter
Gesamt
2
χ = 20,478, V = 0,209
Basis:
2
χ = 7,261, V = 0,635
Alle Sprecheraussagen mit Widerlegungen im gesamten Erhebungszeitraum; Mehrfachcodierungen möglich, N(Bezüge) = 469, N(Gegenargument) = 18
136
sound bites
Begründungen
öffentlich-rechtlich
privat
Aussagen ohne Begründung
14,06
12,83
Aussagen mit Begründung
16,92
15,63
2
χ = 677,419, V = 0,690, λ = 0,290
Basis:
Alle Sprecheraussagen im gesamten Erhebungszeitraum, N = 1424
sound bites
Bezugnahmen
öffentlich-rechtlich
privat
Aussagen ohne Bezugnahme
12,51
11,27
Aussagen mit Bezugnahme
17,27
18,23
2
χ = 692,965, V = 0,698, λ = 0,448
Basis:
Alle Sprecheraussagen im gesamten Erhebungszeitraum, N = 1424
sound bites
Gegenargumente
öffentlich-rechtlich
privat
Aussagen ohne Gegenargument
14,38
13,06
Aussagen mit Gegenargument
17,76
14,33
2
χ = 841,766, V = 0,769, λ = 0,444
Basis:
Alle Sprecheraussagen im gesamten Erhebungszeitraum, N = 1424
137
8.3 Das Codebuch
Codebuch
61
Definitorischer Rahmen
Forschungsfrage und Hypothesen
Forschungsinteresse
Inwieweit erfüllt die Berichterstattung in deutschen Fernsehnachrichten über die Bundestagswahl 2009 deliberative Kriterien?
Forschungsfragen
Wie gestaltet sich die Diskursstruktur der medienvermittelten Deliberation in der
Wahlberichterstattung der deutschen Fernsehnachrichten?
Wie gestaltet sich die Diskursqualität der medienvermittelten Deliberation in der
Wahlberichterstattung der deutschen Fernsehnachrichten?
Hypothesen: Diskursstruktur
H 1:
Wenn der Fernsehsender öffentlich-rechtlich organisiert ist, dann gestaltet sich
die Berichterstattung über die Bundestagswahl 2009 inklusiver als bei einem
privatwirtschaftlich organisierten.
H 2:
Wenn der Fernsehsender öffentlich-rechtlich organisiert ist, dann gestaltet sich
die Berichterstattung über die Bundestagswahl 2009 ausgewogener als bei einem
privatwirtschaftlich organisierten.
H 3:
Wenn der Fernsehsender öffentlich-rechtlich organisiert ist, dann weist die Berichterstattung über die Bundestagswahl 2009 einen höheren Responsivitätsgehalt auf als ein privatwirtschaftlich organisierter.
H 4:
Je näher die Bundestagswahl 2009 rückt, desto inklusiver ist die Berichterstattung.
H 5:
Je näher die Bundestagswahl 2009 rückt, desto weniger ausgewogen ist die Berichterstattung.
61
Aufbau und Gestaltung des Codebuchs orientieren sich an den Hinweisen Patrick Rösslers (Rössler,
2005, S. 87ff.).
138
H 6:
Je näher die Bundestagswahl 2009 rückt, desto höher ist der Responsivitätsgehalt der Berichterstattung.
Hypothesen: Diskursqualität
H 7:
Wenn der Fernsehsender öffentlich-rechtlich organisiert ist, dann gestaltet sich
die Berichterstattung über die Bundestagswahl 2009 ziviler als bei einem privatwirtschaftlich organisierten.
H 8:
Wenn der Fernsehsender öffentlich-rechtlich organisiert ist, dann finden sich in
der Berichterstattung über die Bundestagswahl 2009 häufiger Rechtfertigungen
als bei einem privatwirtschaftlich organisierten.
H 9:
Wenn der Fernsehsender öffentlich-rechtlich organisiert ist, dann finden sich in
der Berichterstattung über die Bundestagswahl 2009 häufiger Widerlegungen als
bei einem privatwirtschaftlich organisierten.
H 10: Je näher die Bundestagswahl 2009 rückt, desto unziviler wird die Debatte.
H 11: Je näher die Bundestagswahl 2009 rückt, desto mehr Rechtfertigungen werden
verwendet.
H 12: Je näher die Bundestagswahl 2009 rückt, desto mehr Widerlegungen lassen sich
feststellen.
Definition wichtiger Begriffe
Grundgesamtheit
Die Grundgesamtheit stellt die Berichterstattung zur Bundestagswahl 2009 in den
Hauptnachrichtensendungen vom 30. August bis zum 26. September 2009, die sogenannte „heiße Phase“ des Wahlkampfs, dar.
Ökonomische Struktur
Der Begriff der ökonomischen Struktur legt fest beschreibt die Form der Finanzierung
der Fernsehsender bzw. gibt Auskunft über deren jeweilige Besitz- und Beteiligungsverhältnisse. Nach Dennis McQuail lassen sich grundlegend drei Arten unterscheiden:
„Most media belong to one of three categories of ownership: commercial companies,
private non-profit bodies and the public sector” (McQuail, 2005, S. 227). Für die vorliegende Arbeit sind lediglich die privatwirtschaftliche sowie die öffentliche Finanzierung
139
relevant, da die untersuchten Sender durch jeweils eine dieser ökonomischen Strukturen
gekennzeichnet sind.
Beitrag
Patrick Rössler folgend lässt sich ein Beitrag als „Gesamtheit aller Botschaften definieren, die zum selben Thema gesendet werden“ (Rössler, 2005, S. 78). Anders ausgedrückt: Ein Beitrag wird definiert als Ausschnitt einer Sendung, der unter einem Thema
steht. Eingeschlossen sein können dabei sowohl An- und Abmoderationen durch den/die
Nachrichtensprecher/in als auch Magnetaufzeichnungen (MAZ) sowie Kommentare und
Live-Schaltungen. Folgt auf einen Beitrag eine Live-Schaltung oder ein Interview, die
einen im Beitrag bisher nicht angesprochenen Themenaspekt beleuchtet, so wird dies als
neuer Beitrag codiert.
O-Ton
Ein O-Ton wird definiert als eine von einem Akteur selbst gesprochene Aussage oder
alternativ als wörtliches Zitat, das als in Anführungszeichen gesetzter Fließtext oder
vergleichbares kenntlich gemacht wird. Äußerungen von Nachrichten- und Beitragssprechern sind hier ausgeklammert.
Aussage
Als Aussage wird eine abgeschlossene Äußerung eines beliebigen Sprechers definiert:
„An utterance is a speech act or statement by a single speaker“ (Ferree et al., 2002, S.
50). Anfang und Ende einer Aussage werden entweder durch einen Sprecherwechsel
oder durch Schnitte den Ton betreffend (d. h. ausschlaggebend sind nicht die Bildschnitte) markiert. Irrelevant ist dabei, ob der jeweilige Sprecher im Bild zu sehen ist
oder nicht, d. h. auch ein Kommentar aus dem Off wird als Aussage gezählt. Eine Aussage ist im Vergleich zum O-Ton die weiter gefasste Kategorie, denn hier zählen auch
Äußerungen des Nachrichten- und Beitragssprechers.
Definition der Auswahleinheit
In der vorliegenden Studie erfolgt eine Vollerhebung.
Zeitraum
30. August 2009 bis 26. September 2009
räumlicher Geltungsbereich
national
140
Mediengattung
Fernsehen
Medienangebote62
ARD, ZDF, RTL und Sat.1
Format
Hauptnachrichtensendungen
Definition der Analyseeinheiten
Hinsichtlich der Definition der Analyseeinheiten wird eine hierarchische Zerlegung
(Rössler, 2005, S. 77f.) vorgenommen. Dies bietet unter anderem den Vorteil, dass Datum und Sender der jeweiligen Nachrichtensendung nur im Kontext der ersten Analyseeinheit und nicht mehrmals codiert werden müssen.
Erste Analyseeinheit (Analyseebene)
Nachrichtensendung
Codierung von Datum und Sender
Zweite Analyseeinheit (Analyseebene)
Beitrag
Codierung von Länge, Thema, Themenaspekten sowie
Responsivitätsgehalt
Aufgreifkriterium (Beitrag)
Ein Beitrag wird in Anlehnung an den ARD/ZDF-Wahlmonitor 2009 lediglich dann bei
der Codierung beachtet, wenn ein Bezug zur Bundestagswahl 2009 (in Form von Bildern oder Aussagen beliebiger Sprecher) vorhanden ist; dies bedeutet konkret, wenn in
einem Beitrag ein expliziter Bezug zur Bundestagswahl hergestellt wird oder die Wahl
Hauptgegenstand ist.63 Zwar könnte daneben auch die politische Berichterstattung ohne
konkreten Bezug zur Bundestagswahl mit einbezogen werden, da sie schließlich ebenso
Informationen hinsichtlich der Parteien und Politiker liefert. Allerdings wird davon ausgegangen, dass erst mit der Verbindung zur Wahl innerhalb des Beitrags auch die Verbindung im Kopf der Rezipienten hergestellt wird und somit die direkt auf die Wahl
bezogene politische Berichterstattung letztlich relevant ist für die Wahlentscheidung der
Bürger.
62
Analog zum Wahlmonitor wird ProSieben nicht berücksichtigt; die Autoren der Studie schreiben dazu
in ihrem Aufsatz: „ProSieben wurde aufgrund seiner marginalen Wahlinformationsangebote in der Analyse nicht berücksichtigt [= Fußnote 1)] (Krüger & Zapf-Schramm, 2009, S. 635).
63
Zwar wird dieses Aufgreifkriterium in der Publikation des Wahlmonitors (Krüger & Zapf-Schramm,
2009) nicht erwähnt, allerdings konnte die Information darüber durch eine Nachfrage bei einem der Autoren (Dr. Udo Michael Krüger) in Erfahrung gebracht werden.
141
Dritte Analyseeinheit (Analyseebene)
Aussage
Codierung von Sprechertyp, Inzivilität, Rechtfertigung,
Widerlegung, Aussagenlänge und Parteinennungen
Kategoriensystem
Erste Analyseebene (Nachrichtensendung)
Datum
Mit dieser Kategorie wird das Datum erfasst, an dem die zu codierende Nachrichtensendung ausgestrahlt wurde. Codiert wird es in der folgenden Form: JJMMTT. Somit
wird an erster Stelle das Jahr, an zweiter der Monat und an dritter der Tag erfasst.
Ausprägungen
In dieser Studie werden die Hauptnachrichtensendungen, die vom 3. August bis zum 27.
September 2009 ausgestrahlt wurden, untersucht. Diese Kategorie kann deshalb lediglich Werte annehmen, die einen Tag aus diesem Zeitraum beschreiben.
Sender
Diese Kategorie erfasst den Sender, auf dem die zu analysierende Nachrichtensendungen sowie Beiträge und Aussagen innerhalb der Sendungen ausgestrahlt wurde. In der
vorliegenden Untersuchung erfolgt eine Analyse der Hauptnachrichtensendungen der
beiden öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF sowie der beiden privaten Sender
RTL und Sat.1. Deshalb kann diese Kategorie lediglich vier mögliche Ausprägungen
annehmen.
Ausprägungen
01 ARD
02 ZDF
03 RTL
04 Sat.1
Codieranweisung
Datum sowie ausstrahlender Sender werden gemeinsam im Dateinamen der einzelnen
ANVIL-Dateien erfasst.
142
Ankerbeispiele
Bei der zu codierenden Nachrichtensendung handelt es sich um
die Tagesschau, die am 22.09.2009 in der ARD ausgestrahlt wurde. Datum und Sender werden gemeinsam im Dateinamen erfasst.
Dateiname:
ARD_090922
Bei der zu codierenden Nachrichtensendung handelt es sich um
sat.1 Nachrichten, das am 13.07.2009 auf sat.1 ausgestrahlt wurde. Datum und Sender werden gemeinsam im Dateinamen erfasst.
Dateiname:
SAT1_090713
Zweite Analyseebene (Beitrag)
In Anlehnung an die obige Definition eines Beitrags werden auf der zweiten Analyseebene Merkmale erhoben, die ein Ausschnitt aus der Nachrichtensendung mit Bezug zur
Bundestagswahl 2009 aufweist. Es wird das Thema des Beitrags, Themenaspekte, seine
Länge sowie der Beitragstyp erhoben.
Thema
Da die Berichterstattung zur Bundestagswahl 2009 Gegenstand dieser Studie ist, kann
sie in diesem Rahmen nicht als Thema betrachtet werden. Insofern ergibt sich das Thema eines Beitrags erst nach Beachtung des oben genannten Aufgreifkriteriums. Die Zuordnung erfolgt anhand der genannten Ausprägungen, wobei jeweils der Hauptfokus des
Beitrags zu codieren ist. Eventuelle Nebenthemen werden in Form einer offenen Codierung festgehalten (siehe nächste Kategorie).
Ausprägungen
01 Keine
12 Kosten/Preise/Löhne
02 Atomkraft/Energie
13 Familie/Kinder/Jugend
03 Europa
14 Steuern/Steuererhöhungen
04 Bundeswehr/Afghanistan/Terror
15 Gesundheitswesen/Pflege
05 Datenschutz/Internet
16 Rente/Alterssicherung
06 Zuwanderung
17 soziales Gefälle
07 Arbeitslosigkeit
18 Umwelt/Klima
08 Wirtschaftslage
19 Wahlkampf/Parteien-PR
09 Banken- und Finanzkrise
20 Koalitionen
143
10 Verdruss Politik/Politiker
21 Wahlberichterstattung
11 Bildung/Schule
22 Demoskopie
99 Sonstige
Codieranweisung
Eine Orientierung für die Codierung können in den Nachrichtensendungen vorkommende Inserts vor oder während des Beitrags bieten. Für eine detailliertere Analyse der
behandelten Themen und zur Erfassung des Kontexts der Thematisierung werden außerdem Themenaspekte in einer offenen Form festgehalten; dies allerdings in einer weiteren Kategorie (siehe unten).
Ankerbeispiele
Jan Hofer: „Die Debatte um die Laufzeit der Atomkraftwerke
nimmt keine Ende. Die Kanzlerin und der Bundesumweltminister
trafen sich dazu heute in Berlin …“
Codierung:
Thema: Atomkraft/Energie
Peter Limbourg: „Die Jugendarbeitslosigkeit steigt weiterhin rasant an. In den Augen von Pädagogen ein Problem, das in engem
Zusammenhang mit Jugendstraftaten steht.“
Codierung:
Thema: Arbeitslosigkeit
Sprecherton (Off): „… die kürzlich in Kraft getretene EURichtlinie zur Kennzeichnung von …“
Codierung:
Thema: Europa
Themenaspekte
Im Anschluss an den InfoMonitor 2009 werden für jedes der in der Kategorie des Themas codierten Themen dabei angesprochene Aspekte erfasst (Krüger, 2010a, S. 72).
Damit kann detaillierter aufgeschlüsselt werden, in welcher Art und Weise sowie Tiefe
die jeweiligen Themen in der Berichterstattung behandelt werden.
Ausprägungen
(offene Codierung)
Codieranweisung
Hinsichtlich dieser Kategorie werden die Themenaspekte per Schlagwörter notiert. Da
im Vorfeld keine Aussage über mögliche Ausprägungen möglich ist, wird eine offene
144
Codierung vorgenommen. Es ist zudem zu beachten, dass diese Kategorie nicht codiert
werden muss, falls die Ausprägung innerhalb der Kategorie des Themas bereits den
Inhalt des Beitrags ausreichend umschreibt.
Ankerbeispiele
Peter Limbourg: „Die Jugendarbeitslosigkeit steigt weiterhin rasant an. In den Augen von Pädagogen ein Problem, das in engem
Zusammenhang mit Jugendstraftaten steht.“
Codierung:
Themenaspekte: Jugendgewalt
Sprecherton (Off): „… die kürzlich in Kraft getretene EURichtlinie zur Kennzeichnung von …“
Codierung:
Themenaspekte: Gesetz, EU-Richtlinie
Beitragslänge
Hinsichtlich der Länge des Beitrags sind die oben genannte Kategorie des Themas sowie die dort dargelegten Anweisungen zu beachten. Die Beitragslänge ergibt sich somit
aus der Dauer, den ein Sinnkomplex innerhalb der Nachrichtensendung einnimmt.
Durch die Erfassung der Beitragslänge ist es möglich, die Ausgewogenheit der in der
Berichterstattung der Themen nicht nur im Hinblick auf eine rein gezählte Häufigkeit
sondern auch hinsichtlich des Umfangs zu beurteilen.
Ausprägungen
mm:ss
Codieranweisung
Diese Kategorie wird durch das Annotationsprogramm ANVIL, das zur Analyse verwendet wird, durch Setzen der Start- und Endpunkte für die Kategorie des Themas automatisch erfasst und muss deshalb durch die Codiererinnen nicht separat beachtet werden.
Responsivitätsgehalt
Die Kategorie des Beitragstyps dient als Indikator für das Deliberativitätskriterium der
Responsivität. In Anlehnung an Ferree et al. (2002) bezeichnet sie das Vorhandensein
einer dialogischen Struktur in einem Beitrag: “dialogic structure, measures the presence
of speakers with opposing views in the same article” (Ferree et al., 2002, S. 240). Im
Anschluss an Wessler (2008) sowie Bennett et al. (2004) sind zudem weitere Kriterien
zu beachten: Es muss sich bei den verschiedenen Standpunkten um entgegen gesetzte
145
(und nicht gleiche oder ähnliche), Ansichten handeln, die von den Journalisten miteinander verbunden werden. Ein Standpunkt, der durch sie selbst ausgedrückt wird, wird
hier nicht erfasst. Neben diesem Ausschlusskriterium werden alle Standpunkte gezählt,
unabhängig von Sprechertyp und davon, ob es sich um einen O-Ton oder ein indirektes
Zitat durch den Beitragssprecher handelt.
In Anlehnung an Cottle & Rai (2006) wird der Responsivitätsgehalt in Form des Beitragstyps erfasst: In einem „Contest“ werden zwei Standpunkte von Akteuren gegenüber gestellt, jeweils durch Aussagen eines Reporters miteinander verbunden (Cottle &
Rai, 2006, S. 172f.). In einer „Contention“ werden mehr als zwei Stimmen und Meinungen erwähnt, es handelt sich mehr um eine Konfliktstruktur, die jedoch ebenso
durch einen Reporter geleitet wird (Cottle & Rai, 2006, S. 173f.).
Ausprägungen
01 Contest
02 Contention
99 Sonstige
Codieranweisung
Da diese Kategorie auf Beitragsebene codiert wird, ist die obige Definition eines Beitrags zu beachten. In diesem Sinne wird für jeweils ein Thema erfasst, um welchen Beitragstyp es sich handelt, was bedeutet, dass sich der Responsivitätsgehalt auf die innerhalb der Kategorie „Thema“ codierte Ausprägung bezieht. Hierbei kommt es darauf an,
dass mindestens eine Verknüpfung vorliegt, um den Beitrag als responsiv einzustufen.
Insofern entscheidet die Anzahl der Standpunkte darüber, ob Ausprägung 01 (zwei
Standpunkte) oder 02 (mehr als zwei Standpunkte) codiert wird.
Wie oben dargelegt, werden von den Mitwirkenden an der jeweiligen Nachrichtensendung ausgedrückte Standpunkte hier nicht beachtet. Handelt es sich um die Nachrichtensendung Sat.1 Nachrichten, so wird ein von Peter Limbourg ausgedrückter Standpunkt nicht in die Analyse mit einbezogen. Sollte sich dagegen Steffen Seibert in den
Sat.1 Nachrichten äußern, ist dieser mit zu codieren, da er zwar im Hinblick auf den
Sender ZDF, nicht aber im Kontext des Senders RTL als Mitwirkender an der Nachrichtensendung bezeichnet werden kann.
146
Ankerbeispiele
Angela Merkel (O-Ton): „… einen Mindestlohn braucht dieses
Land nicht.“
Sprecherton (Off): „Der Finanzminister sieht das anders.“
Peer Steinbrück (O-Ton): „Ohne Mindestlöhne werden wir weiterhin Beschäftigte mit Dumpinglöhnen in Deutschland haben …“
[kein weiterer O-Ton bzw. Standpunkt im Beitrag]
Codierung:
Beitragstyp: Contest
Angela Merkel (O-Ton): „… einen Mindestlohn braucht dieses
Land nicht.“
Peer Steinbrück (O-Ton): „Ohne Mindestlöhne werden wir weiterhin Beschäftigte mit Dumpinglöhnen in Deutschland haben …“
[kein weiterer O-Ton bzw. Standpunkt im Beitrag; zudem keine
durch den Beitragssprecher hergestellte Verknüpfung]
Codierung:
Beitragstyp: Sonstiger
Dritte Analyseebene (Aussage)
Sprechertyp
Die Kategorie des Sprechertyps erfasst alle Aussagen, d. h. sowohl O-Töne als auch
Äußerungen von Nachrichten- und Beitragssprechern, die in den Nachrichtensendungen
vorkommen. Die Kategorie dient damit zum einen als Indikator für das Deliberativitätskriterium der Inklusivität (Sprecher und Parteien) und liefert Informationen darüber,
wer in der medialen Berichterstattung – neben den Medien selbst – zu Wort kommt und
Raum für den Ausdruck seiner Meinung erhält. Für diesen Zweck wird im Zuge der
Auswertung Ausprägung 31 keine Beachtung finden. Zum anderen liefert diese Kategorie detailliertere Informationen im Hinblick auf alle drei Deliberativitätskriterien der
Diskursqualität und beantwortet in diesem Sinne, wie zivil sich verschiedene Sprecher
verhalten und wie häufig sie Rechtfertigungen und Widerlegungen verwenden.
Ausprägungen
01 Zentrum des politischen Systems
147
11 Legislative/Parteien
111 CDU/CSU
112 FDP
113 SPD
114 Die Grünen
115 Die Linke
119Sonstige: (offene Codierung)
12 Verwaltung und Regierung
121 CDU/CSU
122 SPD
129 Sonstige /ohne Partei
13 Judikative
02 Peripherie des politischen Systems
21 Interessengruppen, -verbände
22 soziale Bewegungen
23 Experten/Intellektuelle
24 Advokaten
25 Problembetroffene/Bürger
26 Künstler/Prominente
27 Journalisten und andere Medienschaffende (Nicht-Angehörige der Nachrichtensendung)
03 Journalisten (Angehörige der Nachrichtensendung)
99 Sonstige
Codieranweisung
Hinsichtlich der Codierung ist anzumerken, dass hier stets die Kategorie codiert wird,
die in dem jeweiligen Beitrag bzw. der Aussage relevant ist. So kann beispielsweise
Angela Merkel sowohl als Mitglied des Bundestages als auch in ihrer Eigenschaft als
Kanzlerin zu Wort kommen. Codiert wird also der im Vordergrund stehende Sprechertyp. Sollten in einem Beitrag nacheinander zwei Positionen eines Sprechers von Relevanz sein oder zwei Positionen eine vergleichbare Rolle spielen, so wird hier eine Doppelcodierung vorgenommen. Dabei gilt stets, dass es keine Rolle spielt, ob der Sprechertyp durch visuelle (z. B. durch eine „Bauchbinde“) oder auditive (z. B. durch den
Text des Beitragssprechers) Informationen übermittelt wird. Zudem ist anzumerken,
dass eine einmalige Zuordnung oder Bezeichnung eines Sprechers ausreichend ist, d. h.
wird seine Position in einem ersten O-Ton genannt, so wird auch ein eventueller zweiter
O-Ton entsprechend codiert, auch dann, wenn die Bezeichnung nicht noch einmal er148
neut vorgenommen wird. Dies gilt selbstverständlich nur bei einer nicht vorhandenen
zweiten Bezeichnung und nicht dann, wenn sich die Bezeichnung (wie oben beschrieben) ändern sollte.
In Bezug auf die Ausprägungen innerhalb der Gruppe der Legislative/Parteien ist anzumerken, dass hier lediglich die im Bundestag vertretenen Parteien namentlich aufgeführt
sind, sonstige (eventuell) innerhalb der Berichterstattung zu Wort kommende Parteien
jedoch ebenfalls erfasst werden sollten. Somit ist im Falle der Codierung von Ausprägung 119 – falls möglich – die zutreffende Partei in Form einer offenen Codierung zu
notieren.
Ankerbeispiele
Gregor Gysi: „… was im Grunde die Aufgabe der Kanzlerin gewesen wäre …“
Codierung:
Sprechertyp: Legislative/Parteien: Die Linke
Frank Bsirske: „… den Mindestlohn zu verwirklichen. In der großen Koalition wird das kaum durchzusetzen sein.“
Codierung:
Sprechertyp: Interessengruppen, -verbände
Richard David Precht: „Philosophisch betrachtet ist das ein Thema, was die Menschheit seit jeder beschäftigt und damit auch die
Bürger in Bezug auf diese Bundestagswahl.“
Codierung:
Sprechertyp: Experten/Intellektuelle
Franz Beckenbauer: „Als Bayer wähle ich schon seit Jahrzehnten
dieselbe Partei. Das wird sich auch in diesem Jahr nicht ändern.“
Codierung:
Sprechertyp: Künstler/Prominente
Steffen Seibert: „Als Journalist hält man sich mit Parteipräferenzen zurück.“
[ausstrahlender Sender: ARD]
Codierung:
Sprechertyp: Journalisten und andere Medienschaffende:
Nicht-Angehöriger der Nachrichtensendung
149
Psychologe: „Die Jugendarbeitslosigkeit belastet die Gesellschaft.
Das merkt man auch in unserem Beruf. Die neue Regierung muss
da unbedingt Lösungen finden.“
Codierung:
Sprechertyp: Advokaten
Inzivilität
Der Indikator Inzivilität misst in wie weit die Debattenteilnehmer, aber auch die Medienschaffenden gegen die für deliberative Diskurse zentrale Zivilitätsnorm verstoßen.
Inzivilität meint hier „being [...] unusually impolite” (Mutz, 2007, S. 624), sowie ein
Gebrauch von
nonverbal cues (such as rolling of the eyes) and phrases devoid of explicit political content (such as “You have completely missed the point here!”). The candidates in the uncivil condition also raised their voices and interrupted one another. In the civil version,
the politicians spoke calmly throughout and were patient and respectful while the other
person spoke (Mutz, 2007, S. 625).
Zu inzivilem Verhalten der Debattenteilnehmer gehört andererseits auch der Gebrauch
von „hot button language, that is, words that are likely to outrange opponents“ (Ferree
et al., 2002, S. 239). In Anlehnung an Deana A. Rohlinger, wird hier außerdem die
Ausprägung „Herabwürdigender Sprachgebrauch“ eingeführt, da die Ausprägung „Gebrauch von Schimpfwörtern“, welche sich aus der „hot button language“ (Ferree et al.,
2002, S. 239) ergibt im Kontext der untersuchten Hauptnachrichtensendungen als ein
wenig eng erscheint, schließlich gibt es neben der Verwendung eines Schimpfwortes
andere rhetorische Mittel, die nicht zivil sind. Unter diese Ausprägung fallen auch rhetorische Figuren wie Zynismus, Ironie oder Sarkasmus.
Eine weitere Dimension von Inzivilität ist der Umgang der Medienschaffenden mit den
Debattierenden. Aussagen von Sprechen können daher auch durch Schnitte unterbrochen werden, ein Schnitt unterbricht eine Aussage jedoch nur, wenn die Aussage des
Sprechers durch ihn semantisch unvollständig oder sinnlos wird. Eine weitere Dimension von Inzivilität bildet die Kameraperspektive. Kameraeinstellungen, die nur das Gesicht eines Akteurs zeigen werden als inziviler gegenüber denen, die auch noch den
Oberkörper oder die ganze Person des Sprechers zeigen definiert.
Zu einer inzivilen Darstellung zählen damit die Kameraeinstellungen die Akteure oder
Teile von Akteuren in der Großen (close-up) oder der Detailaufnahme (extreme closeup) zeigen. Unter einer Großen wird in Anlehnung an Borstnar, Pabst und Wulff eine
Kameraeinstellung verstanden, die „das Gesicht einer Figur oder ein kleineres Objekt
(z.B. eine Tasse) bildfüllend [erfasst]“ (Borstnar, Pabst & Wulff, 2002, S. 91). Bei einer
150
Detailaufnahme hingegen wird „ein Detail eines Gesichtes (z.B. das Auge) oder ein sehr
kleines Objekt (...) formatfüllend abgebildet“ (Borstnar, Pabst & Wulff, 2002, S. 91).64
Somit lässt sich Inzivilität in zwei Dimensionen unterschieden: Inziviles Verhalten der
Debattenteilnehmer selbst und eine inzivile Inszenierung der Teilnehmer durch das Medium. Inzivilität wird auf zwei Ebenen erhoben: der akustischen und der visuellen Ebene.
Ausprägungen
Akustische Ebene:
01 Gebrauch von Schimpfwörtern
02 Herabwürdigender Sprachgebrauch
03 Unterbrechung durch einen Sprecher
04 Unterbrechung durch das Medium
05 Persönlicher Angriff auf einen anderen Akteurs
Visuelle Ebene:
06 Non-verbale Unhöflichkeiten
07 Inzivile Kameraeinstellung
99 Sonstige: (offene Codierung)
Codieranweisung
Ist in einer Sprecheraussage eine solche Ausprägung aufzufinden, so wird die gesamte
Sprecheraussage codiert. Sind mehrere Inzivilitäten innerhalb einer Aussage zu finden,
werden alle codiert, wobei die Reihenfolge der Codierung keine Rolle spielt. Sollten die
vorhandenen Möglichkeiten nicht ausreichen um alle Inzivilitäten festzuhalten oder
noch weitere Verstöße gegen die Zivilitätsnorm auffallen, die nicht in den Ausprägungen aufgeführt sind, so sind diese in der Ausprägung 99 festzuhalten.
Ankerbeispiele
O-Ton (Bürger): „und Frauen wie die Kanzlerin haben ja sowieso
wenig Ahnung von Familienpolitik!“
Codierung:
64
Inzivilität: Persönlicher Angriff auf einen anderen Akteur
Für Erläuterungen weiterer Kameraeinstellungen siehe Borstnar, Pabst & Wulff, 2002, S. 91.
151
O-Ton (Politiker): „Die Vorwürfe sind vollkommen an den Haaren herbeigezogen, das kann nur ein Spinner von der FDP gewesen sein, der sich das ausgedacht hat.“
Codierung:
Inzivilität: Gebrauch von Schimpfwörtern
Codierung:
Inzivilität: Inzivile Kameraeinstellung
Rechtfertigung
Ein wichtiges Element in deliberativen Diskursen ist die Rechtfertigung. Diese werden
verstanden als „the demand to give reasons for a claim” (Wessler, 2008, S. 10). Rechtfertigung sind Aussagen, die durch eine Begründung des Urhebers gestützt werden.
Hierbei muss zwischen Begründung, Beweis und Erklärung unterschieden werden:
Begründungen begründen, warum etwas getan wird, oder getan werden soll, warum bestimmte Ziele und Interessen verfolgt werden oder verfolgt werden sollen. Beweise beweisen, daß etwas so ist, wie behauptet wird. Erklärungen erklären, warum etwas so ist
wie es ist (Kuhlmann, 1999, S. 327).
In dieser Analyse wird eine Mischung der Vorgehensweisen von Kuhlmann einerseits
Gerhards, Neidhardt und Rucht andererseits herangezogen. Die einfache Umsetzung
von Rechtfertigung, wie Gerhards, Neidhardt und Rucht sie vorschlagen, wird beibehalten und durch die oben dargestellte Unterscheidung zwischen Begründung, Erklärung
und Beweis von Kuhlmann erweitert.
152
Ausprägungen
01 Aussage allein
02 Aussage mit Begründung
03 Aussage mit Beweis
04 Aussage mit Erklärung
99 Sonstige (offene Codierung)
Codieranweisung
Codiert wird hier stets die komplette Sprecheraussage (Definition siehe oben). In einer
Aussage können durchaus mehrere Elemente, also beispielsweise eine Begründung und
eine Erklärung, vorkommen, Mehrfachcodierungen sind also möglich. Hierbei spielt es
keine Roller welche der Ausprägung zuerst codiert wird.
Sollten die vorhandenen Auswahlmöglichkeiten nicht ausreichen um alle Rechtfertigungen einer Sprecheraussage zu erfassen, so bleibt die Möglichkeit diese zusätzlich im
Feld „Sonstige“ festzuhalten.
Ankerbeispiele
Sprecher (Einspieler): „Die CDU fordert eine Verlängerung der
Laufzeiten der Atomkraftwerke, da sie die daraus erzielten Gewinne in Familienpolitik investieren möchten.“
Codierung:
Rechtfertigung: Aussage mit Begründung
O-Ton (Experte): „Die Steuersenkung der FDP ist nicht wünschenswert, weil Deutschland bereits sehr hoch verschuldet ist.“
Codierung:
Rechtfertigung: Aussage mit Erklärung
Moderator: „Wie Sie den hier dargestellten Ergebnissen einer
Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen entnehmen können, würden 30 % der Deutschen, würde am kommenden Sonntag gewählt
werden, die CDU wählen.“
Codierung:
Rechtfertigung: Aussage mit Beweis
Widerlegung
Widerlegung bezeichnet die „presence of an idea that refers to and argues against an
idea that it opposes [Hervorhebung im Original]” (Wessler, 2008, S. 10). Die Variable
beinhaltet zwei Aspekte: Einerseits den Bezug von Aussagen auf Ideen oder Vorstel153
lungen eines anderen Akteurs, andererseits aber zusätzlich zu dem Bezug auch noch das
Anbringen eines Gegenarguments. Aufgrund des besonderen Kontextes dieser Studie
wird nicht wie in anderen Untersuchungen themenspezifische Cluster von „rebuttalideas“ (Ferree et al., 2002, S. 241) untersucht, sondern vielmehr allgemeiner überprüft,
ob Widerlegungen von Sprechern im Diskurs verwendet werden.
Ausprägungen
01 Kein Bezug vorhanden
02 Aussage mit Bezugnahme
03 Aussage mit Gegenargument
99 Sonstige (offene Codierung)
Codieranweisung
Liegt eine der aufgeführten Ausprägungen in einer Sprecheraussage vor, so wird, wie
bei den Rechtfertigungen stets die ganze Aussage codiert. Finden sich in einer Aussage
mehrere Ausprägungen, beispielsweise mehrere Gegenargumente, so wird auch hier
mehrfach codiert.
Es spielt auch hier keine Rolle in welcher Reihenfolge die Ausprägungen, sollten es
mehrere sein codiert werden. Falls die vorhandenen Möglichkeiten nicht ausreichen um
alle Ausprägungen festzuhalten, so ist dies unter der Ausprägung 99 nachzuholen.
Ankerbeispiele
O-Ton (Experte): „...ich stimme Herrn Westerwelle in seiner Forderung nach einer Steuersenkung nicht zu...“
Codierung:
Widerlegung: Aussage mit Bezugnahme
O-Ton (Politiker): „...der Plan die Lohnnebenkosten zu senken
um Arbeitsplätze zu schaffen, wird nicht funktionieren, vielmehr
werden die Arbeitgeber mehr Angestellte entlassen um auf die
Wirtschaftskrise zu reagieren...“
Codierung:
Widerlegung: Aussage mit Gegenargument
Aussagenlänge
Hinsichtlich der Länge der Aussage ist die oben genannte Definition zu beachten, wodurch sich die Aussagenlänge durch Anfang und Ende einer Sprecheraussage ergibt. Im
154
Hinblick auf die Studie dient sie der Erfassung von sound bites und damit zur Beurteilung des Kriteriums der Ausgewogenheit im Hinblick auf die Parteienpräsenz (über den
Sprechertyp).
Ausprägungen
mm:ss
Codieranweisung
Diese Kategorie wird durch das Annotationsprogramm ANVIL, das zur Analyse verwendet wird, durch Setzen der Start- und Endpunkte einer Aussage automatisch erfasst
und muss deshalb durch die Codiererinnen nicht separat beachtet werden.
Parteinennung
Durch diese Kategorie wird erfasst, welche Parteien durch Sprecher genannt werden. Es
spielt keine Rolle, welcher Sprecher eine Partei nennt. Zu beachten ist allerdings, dass
mit dieser Kategorie ausschließlich sprachliche und explizite Nennungen der Partei erfasst werden, d. h. nicht implizite Nennungen über ein Parteimitglied (siehe dazu drittes
Ankerbeispiel). Zu expliziten Nennungen werden auch die häufig verwendeten Parteibezeichnungen „Union“ (CDU/CSU), „Sozialdemokraten“ (SPD) und „Liberale“ (FDP)
gezählt, dagegen nicht Bezeichnungen durch Farben (wie z. B. „Schwarz-Gelb“).
Ausprägungen
01 CDU/CSU
02 SPD
03 FDP
04 Bündnis 90/Die Grünen
05 Die Linke
99 Sonstige: (offene Codierung)
Codieranweisung
Nennt ein Sprecher eine der in den Ausprägungen 1 bis 5 genannten Partei, so wird diese codiert. Dabei gilt die Regel: Codierung pro Nennung. Dies bedeutet, dass jede Nennung codiert wird, sowohl von mehreren als auch von derselben Partei in einer Aussage.
Wird eine andere Partei namentlich erwähnt, so ist Ausprägung 99 zu codieren und zeitgleich festzuhalten, um welche Partei es sich handelt. Damit können im Nachhinein
etwaige sonstige, (relativ) häufig genannte Parteien in die Analyse mit einbezogen werden.
155
Ankerbeispiele
Peter Limbourg: „Die SPD schwieg zu den Vorwürfen.“
Codierung:
Parteinennung: SPD
Angela Merkel: „Es ist erstaunlich, mit welchen Mitteln die Piratenpartei in diesem Bundestagswahlkampf junge Wähler ansprechen kann.“
Codierung:
Parteinennung: Sonstige: Die Piraten
Steffen Seibert: „Guido Westerwelle kann sich der Unterstützung
seiner Partei sicher sein.“
Codierung:
keine Codierung (!)
156
8.4 Die Specification File
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<value-el>BITTE CODIEREN</value-el>
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157
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158
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