Zur Wahrnehmung virtueller Produktbilder im Online - MCI-DL

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Zur Wahrnehmung virtueller
Produktbilder im Online Shopping
Christian Zagel, Alexander Piazza
Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Abstract
Aufgrund neuartiger Techniken aus dem Bereich der Computergrafik ist es möglich, realitätsnahe
computergenerierte Abbildungen von Produkten zu erstellen. Unternehmen aus unterschiedlichen
Industrien beginnen derartige Bilder für Produktkataloge, Webseiten oder digitale Dienstleistungen zu
nutzen. Die Verwendung im der Bekleidungsbranche ist dabei vergleichsweise neu. Ziel dieser Arbeit
ist es zu untersuchen, ob Kunden Bekleidungsprodukte anhand computergenerierter
Produktabbildungen anders wahrnehmen als im Vergleich zu realen Produktfotos. Die Ergebnisse
dieser Studie mit 335 Teilnehmern deuten darauf hin, dass es keine signifikanten Unterschiede in der
Wahrnehmung der Produkte bei den unterschiedlichen Arten an Produktfotos gibt.
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Einleitung
Virtuelle Produktfotos werden seit den letzten Jahren vermehrt im Marketing eingesetzt. So
erhöhte Ikea die Anzahl an computergenerierten Bildern auf deren Webseite und in den
gedruckten Katalogen von 2012 bis 2014 um ca. 50% (Parkin 2014). In der
Automobilindustrie werden heutzutage die Autos in mehr als 80% aller Bilder virtuell
erzeugt (Southern 2012). Der große Vorteil von virtuellen Produktbildern ist, dass keine
physischen Prototypen für die Erstellung von Marketinginhalten vorhanden sein müssen.
Dies macht den gesamten Prozess des „Time to Market“ schneller und günstiger. Im
Vergleich zu anderen Branchen ist die Verwendung virtueller Prototypen in der
Bekleidungsbranche vergleichsweise neu (Zagel & Löffler 2010).
Im Vergleich zum traditionellen Einkauf entsteht im Onlinehandel ein vom Kunden
wahrgenommenes Risiko, da eine direkte Evaluation des Produkts nicht möglich ist. Dieses
Risiko kann aufgeteilt werden in visuelle und taktile Komponenten, sowie das Risiko, das
aus dem Mangel der Möglichkeit entsteht Produkte zu testen und beispielsweise Kleidung
anzuprobieren. Um dieses Risiko zu minimieren, versuchen Kunden möglichst viele
Informationen über Qualitätseigenschaften des Produkts zu erhalten (Yu et al. 2012).
Veröffentlicht durch die Gesellschaft für Informatik e.V. 2016 in
S. Franken, U. Schroeder, T. Kuhlen (Hrsg.):
Mensch und Computer 2016 – Kurzbeiträge, 4. - 7. September 2016, Aachen.
Copyright © 2016 bei den Autoren.
http://dx.doi.org/10.18420/muc2016-mci-0255
Zur Wahrnehmung virtueller Produktbilder im Online Shopping
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Durch den Wegfall traditioneller Fotoshootings erscheint der Einsatz automatisch erzeugter
Abbildungen virtueller, am Computer generierter, Prototypen im Onlineshopping als
effiziente Möglichkeit Kosten zu senken. Studien zeigen jedoch, dass die Qualität der im
Internet gezeigten Bilder einen signifikanten Einfluss auf die Kaufwahrscheinlichkeit hat.
Daher ist die Präsentation von Abbildungen virtueller Produkte nur dann eine Alternative zu
echten Fotos, wenn die Wahrnehmung der Kunden nicht negativ beeinflusst wird bzw. diese
als gleichwertig wahrgenommen werden. Es ist erforderlich, dass Kunden einen
bestmöglichen Eindruck von der Ware erhalten. Dies umfasst sowohl die empfundene
Qualität als auch die Realitätstreue, welche einen direkten Einfluss auf die Preisbereitschaft
haben. Insbesondere wegen der Neuartigkeit der Technologieanwendung auf
Kleidungsstücke existieren für die Bekleidungsbranche bislang keine Erfahrungswerte. Diese
Arbeit untersucht daher Unterschiede in der Wahrnehmung von Abbildungen reeller und
virtueller Produkte anhand einer Onlinestudie. Zur Evaluation dienen Bilder von Schuhen
eines Sportartikelherstellers, die in beiden Varianten, also als Foto und als virtuelle
Abbildung, zur Verfügung stehen.
2
Konzeption und Durchführung der Studie
2.1 Aufbau der Studie
Die Arbeit orientiert sich an den Ergebnissen der Studie von Yu et al. (2012), in der das von
Kunden wahrgenommene Risiko beim Kauf von Kleidung in Onlineläden untersucht wird.
Die drei Risikobereiche umfassen hierbei einerseits visuelle Aspekte (Wirkung einzelner
Farben und Aufdrucke) oder die Kombinierbarkeit der Farben mit anderen
Kleidungsstücken. Es werden aber auch taktile Aspekte sowie die mangelnde Möglichkeit,
Kleidung am eigenen Körper anzuprobieren, untersucht. Die vorliegende Studie fokussiert
sich speziell auf die visuellen Attribute, da hier die größten Unterschiede zwischen virtuellen
und realen Produktbildern zu erwarten sind. Diese Erwartung wird auch von den Ergebnissen
von Nitse et al. (2004) gestützt. Ebenso werden die Erkenntnisse von Yu et al. (2012)
berücksichtigt, die auf die Wichtigkeit hinweisen, dass Kunden sich im Onlineshopping
anhand des Bildes das Produkt am eigenen Körper vorstellen können müssen. Dies wird auch
von Gregory et al. (1982) betont, die einen direkten Einfluss der Vorstellungskraft auf die
Kaufhandlung aufdecken.
Abbildung 1: Beispiele für verwendete reale und virtuelle Produktbilder
Zur Bestimmung, welche Schuhe als Stimuli in der Studie genutzt werden sollten, wurden
zunächst je 84 Schuhe für Damen und Herren (primär Laufschuhe) ausgewählt. Um
bezüglich der visuellen Eigenschaften des Schuhs solche mit möglichst eindeutigen
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Ausprägungen auszuwählen, wurde eine Abstimmung vorgeschalten, bei der jeder Schuh
von drei Personen unabhängig voneinander anhand der Kriterien Materialtyp, Farbe,
Materialoberfläche und Glanzeffekte bewertet wurde. Resultierend daraus wurden zwei
Pakete pro Geschlecht mit je acht Schuhen pro Paket zusammengestellt. Jeder
Studienteilnehmer bewertet somit insgesamt acht Schuhe aus einem der vier Pakete und
erhält entweder ausschließlich reale oder virtuelle Produktbilder (Abbildung 1).
In der über soziale Medien gestreuten Onlinestudie werden zunächst die soziodemographischen Komponenten Alter und Geschlecht abgefragt. Abhängig vom Geschlecht
werden die Teilnehmer zufällig dem reellen oder virtuellen Bilderset der Geschlechtergruppe
zugeordnet. Zu jedem der Produkte bewerten die Teilnehmer anschließend anhand einer
siebenstufigen, an den Endpunkten beschrifteten Skala des Likert-Typ (1=“stimme überhaupt
nicht zu, 7=“stimme voll und ganz zu) die Ausprägung der wichtigsten aus der Literatur
abgeleiteten Produkteigenschaften (F1: Der Schuh ist sportlich; F2: Der Schuh ist trendy; F3:
Der Schuh hat ein außergewöhnliches Design; F4: Das Material wirkt hochwertig; F5: Das
Material scheint angenehm zu tragen; F6: Die Farben passen gut zueinander; F7: Die Farben
wirken grell; F8: Die Farben haben eine angenehme Wirkung; F9: Ich kann mir anhand
dieser Abbildung vorstellen, wie der Schuh in der Realität an mir aussehen würde).
2.2 Ergebnisse
Insgesamt nahmen 335 Probanden (208 weiblich, 127 männlich) im Alter von 15 bis 60
Jahren (M=25,6; SD=6,3) an der Studie teil. Um die statistischen Unterschiede zwischen der
Wahrnehmung von Abbildungen realer und virtueller Produkte zu bestimmen, wird im
Folgenden der t-Test verwendet. Zwingende Voraussetzungen für dessen Anwendung sind
ordinal-skalierte Daten, sowie eine Stichprobengröße von mindestens 30 je betrachteter
Gruppe, damit eine Normalverteilung angenommen werden kann. Diese Bedingungen sind in
der vorliegenden Studie erfüllt. Zunächst wurden t-Tests zwischen virtuellen und den realen
Produktbildern berechnet. Für den t-Test wurden hier die Mittelwerte pro Dimension genutzt
und dabei jeweils die Varianz dieser gemittelten Bewertung von realen mit den virtuellen
Produktbildern untersucht.
Dimension
F1: sportlich
F2: trendy
F3: außergew. Design
F4:
Material
hochwertig
F5: angenehmes Tragen
F6: passende Farben
F7: grelle Farben
F8: angenehme Farben
F9: Realität vorstellbar
Real 𝑥̅ (σ)
(N=166)
5,49(1,01)
4,47(1,04)
4,62(0,78)
4,85(0,95)
Virtuell 𝑥̅ (σ)
(N = 169)
5,57(0,86)
4,63(0,83)
4,81(0,71)
5,00(0,84)
pL
∆
pt
d
*0,042
*0,004
0,120
0,429
0,08
0,16
0,19
0,15
0,385
0,104
0,020
0,125
0,094
0,177
0,255
0,168
4,94(0,91)
4,97(0,95)
3,57(0,75)
4,09(0,78)
4,57(1,34)
5,00(0,76)
5,03(0,85)
3,75(0,76)
4,13(0,76)
4,52(1,26)
*0,092
0,104
0,611
0,878
0,542
0,06
0,06
0,18
0,04
-0,05
0,451
0,565
0,023
0,636
0,740
0,082
0,063
0,248
0,052
-0,038
Tabelle 1: Ergebnisse der statistischen Auswertung
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Eine weitere Bedingung für die Nutzung von t-Tests ist die Varianzhomogenität. Falls diese
nicht vorliegt, ist stattdessen der Welch-Test zu verwenden. Die Varianzhomogenität
zwischen allen Gruppen mit virtuellen und realen Produktbildern wird anhand des Levene
Tests bestimmt. Bei einem Wert von pL < 0,10 kann die Varianz als homogen angesehen
werden (in Tabelle 1: Ergebnisse der statistischen Auswertung mit einem * Symbol markiert)
und bei Werten von pL ≥ 0,10 kann die Varianz als inhomogen angesehen werden. Hierbei
konnten ausschließlich bei den Fragen F3 und F7 mit einem Signifikanzniveau von 5%
signifikante Unterschiede bei den Bewertungen der zwei Gruppen entdeckt werden. Beide
Werte besitzen nach Cohen mit einem Wert von knapp über 0,2 einen schwachen Effekt und
damit praktische Relevanz. Daraus kann abgeleitet werden, dass das Design der virtuellen
Produkte tendenziell außergewöhnlicher und die Farben greller eingeschätzt werden als bei
den realen Produkten. Insgesamt lässt sich anhand der Auswertung der Umfragedaten
schließen, dass virtuelle Produkte nicht relevant unterschiedlich zu realen Produkten
wahrgenommen werden.
3
Zusammenfassung und Ausblick
Insgesamt zeigen die Ergebnisse dieser Studie, dass sich die Wahrnehmung virtueller und
reeller Produktbilder nicht signifikant unterscheidet. Nur im Fall von sehr grellen Farben
wurde das Material bei virtuellen Produktbildern als tendenziell minderwertiger eingestuft
als bei den realen Produktfotos. Andererseits deuten die Ergebnisse darauf hin, dass bei
Produkten mit glänzenden Bestandteilen deren Qualität bei virtuellen Produkten als höher
eingestuft wird als bei den realen Produktfotos. Folglich ist eine Optimierung dieser
visuellen Eigenschaften bei der Erzeugung virtueller Prototypen anzustreben. Die geringen
Unterschiede in der Wahrnehmung deuten jedoch darauf hin, dass der Einsatz virtueller
Produktbilder von Schuhen im Onlineshopping schon heute ohne größere Einbußen zu
möglich ist.
Bei zukünftigen Studien wäre es interessant, speziell die Auswirkung von grellen Farbtönen
und glänzenden Materialien differenzierter zu untersuchen sowie auch Oberbekleidung in die
Evaluation einzubeziehen.
Literaturverzeichnis
Gregory, L., Cialdini, R., & Carpenter, K. (1982). Self-relevant scenarios as mediators of likelihood
estimates and compliance: Does imaging make it so? Journal of Personality and Social
Psychology, 43(1), 89-99.
Nitse, P. S., Parker, K. R., Krumwiede, D., & Ottaway, T. (2004). The impact of color in the ecommerce marketing of fashions: an exploratory study. European Journal of Marketing 38(7), 898915.
Parkin, K. (2014). Building 3D with Ikea. Cgsociety.org. Retrieved December 10, 2014, from
http://www.cgsociety.org/index.php/CGSFeatures/CGSFeatureSpecial/ building_3d_with_ikea.
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Southern, A. (2012). Real or Rendered? How 3D Imagery Is Changing the Way You Shop.
Techonomy.com. Retrieved December 10, 2014, from http://techonomy.com/2012/10/real-orrendered-how-3d-imagery-is-changing-the-way-you-shop/.
Yu, U. J., Lee, H. H., & Damhorst, M. L. (2012). Exploring multidimensions of product performance
risk in the online apparel shopping context: Visual, tactile, and trial risks. Clothing and Textiles
Research Journal, 30(4), 251-266.
Zagel, C. & Löffler, C. (2010). Technisches Konzept zur Service Externalisierung virtueller Prototypen
in der Modebranche. Schumann, M., Kolbe, L. M., Breitner, M. H., Frerichs, A. (Eds.):
Multikonferenz Wirtschaftsinformatik 2010, Universitätsverlag Göttingen, p. 1265-1276.
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