Ein unermüdlicher Musiker und Pädagoge

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Magazin 2010/11_S 73-140:Minden
11.05.2010
12:52 Uhr
Seite 130
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Franz Bernhardt, 1945
Karikatur eines Mithäftlings während
französischer Kriegsgefangenschaft
Eintrittskarte
Ein unermüdlicher Musiker und Pädagoge
Der städtische Musikdirektor Franz Bernhardt (1905 - 1989)
Wenn man sich auf die Spurensuche von
Franz Bernhardt in Minden begibt, fällt
erst einmal auf, dass nichts, aber auch gar
nichts an sein fast vierzigjähriges Wirken
in unserer Stadt erinnert. Sein Sohn Bernd
– 1937 geboren, von 1958 bis 1960 jeweils
Stipendiat des Richard Wagner Verbandes
und inzwischen pensionierter Musiklehrer
in Warendorf, der Heimatstadt seines
Vaters – hat noch eine sehr lebhafte
Erinnerung, vor allem an das Theater und
an den Theaterleiter Wilhelm Kahre, der
ihm jedoch immer wie ein „besserer Hausmeister“ vorkam. Dass der Halbwüchsige
so oft im Theater war, erklärt sich aus der
Tatsache, dass sein Vater in dessen produktivsten Jahren – als Leiter des Musikvereins – bis zu 60 Konzerte pro Jahr vorwiegend im Mindener Theater dirigiert hat
und der Junge sowohl bei den Proben wie
auch bei den Aufführungen durch das
ganze Haus tobte.
Franz Bernhardt ist 1905 in Warendorf
geboren und 1989 in Minden gestorben.
Hier war die Stätte seiner größten
Wirksamkeit und hier trat er 1935 seine
allererste Stelle als Junglehrer an (am
Caroline von Humboldt-, dem späteren
Herdergymnasium), nachdem er in Köln
studiert, in Berlin sein Examen abgelegt
und in Brandenburg sein Referendariat
absolviert hatte. Der vielseitig begabte
Musiker war wohl ein leidenschaftlicher
und überzeugender Pädagoge (wie sein
Schüler Werner Schmack zu berichten
weiß), aber ihn reizte weit mehr. Darum
war man in der Stadt auch nicht wirklich
verwundert, dass er am 25.Februar 1942 in
Bielefeld seine Oper „Die Spielereien einer
Kaiserin“ zur Uraufführung bringen konnte.
An hervorragender Stelle, nämlich auf der
Seite 3 des >Mindener Tageblatts<, berichtete „unser nach Bielefeld entsandter
Hauptschriftleiter“ Hansheinrich Thomas
über das musikalisch und literarisch ambitionierte Werk, dessen Libretto nach einer
Vorlage des Lyrikers und Dramatikers Max
Dauthendey entstanden war:
„Franz Bernhardt fühlte sich gepackt von
Dauthendeys schönem Schauspiel und
richtete sich sein >Textbuch< ein, das eben
doch ein echter Dauthendey wurde und
blieb. Er musste zartfühlend den Bedürfnissen der Oper gefügig gemacht werden
durch Kürzungen und Streichungen. Aber
die Sprache des Dichters ist nicht angetastet; seine Dichtung selbst vertrug behutsame Eingriffe durchaus und man entbehrt
nicht diesen oder jenen Akt, weil die einzelnen Teile des Werkes Bilder sind, Episoden aus dem Leben der Zarin Katharina I,
die von der Tochter eines Bauern sich
emporliebte, merkwürdige Stufenleiter
einer despotischen, leidenschaftlichen
Frau, Entwicklung eines Charakters starker
Prägung in stets neuen psychologischen
Formen … Aber was mehr noch lockt und
reizt, ist die Stimmung der Szenerie, und
die Bewegtheit des Vorwurfes ist dem
musikalischen Niederschlag günstig: Ein
temperamentvoller Musiker mit Phantasie
und Klangbewusstsein kann sich schon an
diesen >Spielereien< entzünden … Die Ur-
aufführung wurde zu einem großen Erfolg,
und das dankerfüllte Publikum, enthusiastisch angefeuert, erzwang sich einen
Vorhang nach dem anderen; weit über
zwanzigmal mussten die Darsteller, der
Dirigent und Regisseur und auch der
Komponist erscheinen, sie wurden mit
Blumen und Blüten überschüttet und
kamen immer von neuem vor die Rampe …
Bielefeld hatte seine erste OpernUraufführung, Minden-Ravensberg aber ein
bedeutendes kulturelles und künstlerisches Ereignis. Dass Franz Bernhardts
Oper zudem bei uns in Minden entstanden, konzipiert, instrumentiert und geschrieben wurde, erfüllt uns alle mit
besonderer Freude.“
Magazin 2010/11_S 73-140:Minden
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Programmheft von 1951/52
Nach diesem Paukenschlag war Franz
Bernhardt unbestritten die Nummer eins
auf der Mindener Musikszene – als
Komponist, aber auch als unermüdlicher
Organisator von Musikveranstaltungen.
Seine nachhaltigste Wirkung erzielte er
jedoch mit seiner kontinuierlichen Chorarbeit, egal ob in weltlichen oder kirchlichen Chören. Und nachdem die von den
Nazis betriebene Zwangsauflösung des
Musikvereins kurz nach dem Weltkrieg
endlich beendet war, war er die treibende
Kraft des seit 1828 bestehenden und sich
nun neu formierenden Musikvereins.
Schließlich ernannte ihn die Stadt Minden
im Jahre 1949 zum Städtischen Musikdirektor, wohl eher ein Titel als eine
Funktion – aber immerhin ist Franz
Bernhardt der einzige, der diesen Titel
jemals trug. Auf jeden Fall konnte und
wollte jetzt auch niemand mehr an ihm
vorbei. Als der Mindener Dom am 29. Juni
1957 nach dem Wiederaufbau neu geweiht
wurde, wurde seine Dom-Messe zur
Uraufführung gebracht. Und wann immer
das 1946 neugegründete StädtebundOrchester Nordwestdeutsche Philharmonie
in Minden auftrat, war es selbstverständlich, dass Franz Bernhardt (immerhin 6mal
pro Jahr) das Dirigat übernahm.
Nach seiner Pensionierung 1970 leitete er
den Musikverein Minden noch weitere drei
Jahre. (Und noch Jahre darauf erfüllte er
mit seinem sensiblen Orgelspiel Herz und
Sinne der katholischen Gläubigen.) Mit
seinem Weggang löste sich der 145 Jahre
lang das Musikleben Mindens prägende
Verein auf. Seit 1973 ging der stets vornehm gekleidete städtische Musikdirektor
durch die Stadt flanieren. Man vergaß ihn
schlicht und er kümmerte sich nicht drum.
Vielleicht findet sich ja einmal jemand, der
die Rolle dieses Mannes zu würdigen
weiß. Es stünde der Stadt nicht schlecht
an. Schließlich hat Franz Bernhardt viel für
sie getan.
Robert Werther
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