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SALZBURGER FESTSPIELE
21. Juli – 30. August 2017
Wozzeck, Lady Macbeth von Mzensk, Lear
Nervenpunkte der Moderne
Wozzeck, Lady Macbeth von Mzensk, Lear: Die drei Opern des 20. Jahrhunderts, die diesen
Festspielsommer prägen, gehören zu den eindringlichsten Musiktheaterwerken der jüngeren
Geschichte. Darüber hinaus markieren sie Umbrüche und Verdichtungspunkte des Genres.
Wozzeck: Matthias Goerne – Wozzeck © Marco Borggreve; Asmik Grigorian – Marie © P. Gasiunas; William
Kentridge – Regisseur © Stella Olivier; Vladimir Jurowski – Dirigent © Sheila Rock
Die kolportierten 137 Proben sind Legende, doch selbst die tatsächlichen 34 Orchester- und
14 Gesangsproben sprechen Bände: Der Aufwand schien alle vernünftigen Grenzen zu
sprengen, als Erich Kleiber 1925 die Uraufführung von Alban Bergs Wozzeck an der Berliner
Lindenoper vorbereitete. Das Sujet war ebenso unerhört wie die Musiksprache selbst; die
Notierung der atonalen, jenseits von Dur und Moll sich entfaltenden Klänge auch rhythmisch
schwierig zu lesen. Kleibers Akribie machte sich freilich bezahlt: Während die Konservativen
entrüstet reagierten, erkannten die Aufgeschlossenen sofort die expressive, ja emotional
überwältigende Kraft von Bergs Musik und seines Plädoyers für die vielfach geschundene,
ausgebeutete Titelfigur. Der Soldat Wozzeck findet angesichts der Untreue seiner Geliebten
Marie nur noch in Mord und Freitod einen Weg aus seiner Verzweiflung.
Berg verdichtet die Geschichte dieses Antihelden aus Georg Büchners Dramenfragment zu
drei Akten mit jeweils fünf Szenen, die in geradezu filmischer Stringenz auf die Katastrophe
zusteuern. Die höchste Konzentration erreicht Berg dabei in der „Invention über einen Ton“,
der Mordszene, in der sich der Todeston H in einem riesigen Crescendo des ganzen
Orchesters aufbäumt: Klage und Anklage zugleich.
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21. Juli – 30. August 2017
Matthias Goerne ist der ideale Wozzeck
Der für sein scharfes Ohr bekannte Dirigent Christoph von Dohnányi rühmte den Bariton
Matthias Goerne einmal nach einer gemeinsamen Wozzeck-Aufführung mit den Worten,
„noch nie in der Geschichte der Oper“ habe er „gehört, dass so viele Noten in der Partie
richtig gesungen worden sind“: Das zeigt sowohl Goernes Ausnahmerang in der Titelrolle als
auch die Tatsache, dass die Herausforderungen des Werks immer noch enorm sind. Bei den
Festspielen war das Werk zuletzt 1997 in einer Interpretation durch Claudio Abbado und
Peter Stein zu erleben; nun ist Matthias Goerne das expressive Zentrum einer profilierten
Besetzung, mit welcher Vladimir Jurowski am Pult der Wiener Philharmoniker und William
Kentridge als Regisseur ihre Neudeutung erarbeiten.
1933 war Wozzeck in Nazideutschland als „entartet“ verboten worden, auch im Ausland
kamen die Aufführungen nahezu zum Erliegen; nach 1945 setzte sich das Werk endgültig
durch.
Schostakowitschs Mitgefühl für Katerina Ismailova, die Lady Macbeth von Mzensk
Lady Macbeth von Mzensk: Mariss Jansons – Dirigent © Marco Borggreve; Andreas Kriegenburg – Regie ©
Monika Rittershaus; Nina Stemme - Katerina Lwowna Ismailowa © Neda Navaee
Doch schon 1927 erschütterte Wozzeck das Leningrader Publikum – und den damals 20jährigen Dmitri Schostakowitsch. Ihm selbst gelang dort 1934 mit seiner Oper Lady Macbeth
von Mzensk ein rasch sich ausbreitender Erfolg. Darin bringt er nach einer Novelle von
Nikolai Leskow gewissermaßen eine russische Schwester Wozzecks auf die Bühne. Der
wesentliche Unterschied besteht darin, dass sich diese Katerina Ismailowa durch
mörderische Gewalt aus ihrem freud- und lieblosen Umfeld befreit, indem sie mit ihrem
Geliebten Sergej zuerst ihren brutalen Schwiegervater, dann ihren schlappschwänzigen
Ehemann aus dem Weg räumt. Aber das vermeintliche Glück ist von kurzer Dauer. Überführt
und zu lebenslanger Zwangsarbeit verurteilt, findet sich das Paar auf dem Weg in ein
sibirisches Straflager wieder. Hier bekommt Katerina eine junge Rivalin und sieht damit das
Letzte schwinden, was ihr noch geblieben scheint: Sergejs Liebe. Schließlich tötet Katerina
das Mädchen und sich selbst mit ihr.
Schostakowitsch übersetzt den damals monströsen Plot in extreme, auch extrem
naturalistische Töne; Gewalt und besonders Sex werden so deutlich und drastisch zu Klang
wie nie zuvor. Zwischen russischer Volksmusik, schneidenden Orchesterfarben,
Schlagzeugattacken und der parodistischen Überzeichnung der Charaktere treten
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21. Juli – 30. August 2017
Schostakowitschs Sympathie und Mitgefühl für Katerina unverhohlen zutage – eine kühne
Parteinahme.
Trotzdem hätte er sich niemals träumen lassen, dass sein Erfolg mit dem Werk plötzlich null
und nichtig werden und sich das Regime, in dem er lebte, gegen ihn und seine Musik
wenden könnte: das sowjetische Pendant zu den von den Nazis verfemten, verfolgten und
ermordeten Künstlern. Denn nachdem Stalin die Oper 1936 offenbar mit Abscheu gehört
hatte, erschien in der Prawda umgehend ein infamer Verriss. Julian Barnes resümiert die
schlimmsten drei Sätze dieses Artikels und deren Bedrohungspotenzial in seinem
biographischen Schostakowitsch-Roman Der Lärm der Zeit (2016) so: „‚Der Komponist hat
offensichtlich überhaupt nicht bedacht, was das sowjetische Publikum von der Musik
erwartet und in ihr sucht.‘ Das reichte, um ihn aus dem Komponistenverband
auszuschließen. ‚Die Gefahr einer solchen Richtung in der sowjetischen Musik liegt klar auf
der Hand.‘ Das reichte, um ihm die Möglichkeit, zu komponieren und aufzutreten, zu
nehmen. Und schließlich: ‚Dieses raffinierte Spiel aber kann böse enden.‘ Das reichte, um
ihm das Leben zu nehmen.“ Die Schergen kamen nicht. Der Schrecken aber blieb sein
Leben lang.
Nina Stemme ist die leidenschaftlich liebende Lady Macbeth
2001 hatten Valery Gergiev und Peter Mussbach das Werk in Salzburg herausgebracht, nun
gibt Nina Stemme als führende hochdramatische Sopranistin unserer Zeit die Katerina in
einer Inszenierung von Andreas Kriegenburg; die Philharmoniker leitet Mariss Jansons, der
in Leningrad studiert und das kulturpolitische Klima der Sowjetära noch selbst miterlebt hat.
„Noch selten – vielleicht in Alban Bergs Wozzeck – ist die Einsamkeit des Menschen so
überzeugend aus dem Faktum her gezeichnet worden, dass er dem Mitmenschen
gegenüber blind ist“: So schrieb der Sänger Dietrich Fischer-Dieskau über Aribert Reimanns
Lear, also über jene Oper, deren Komposition er selbst angeregt und bei deren umjubelter
Uraufführung 1978 in München er auch die Titelrolle interpretiert hatte.
Wozzeck markierte die Geburtststunde der atonalen Oper, mit der Lady Macbeth von
Mzensk zog ein ätzender Naturalismus auf der Bühne ein; beide Stücke, einer neuartigen
Sozialkritik verpflichtet, wurden von den diktatorischen Regimen ihrer Entstehungsländer
unterdrückt.
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Lear verfällt der Schmeichelei zweier Töchter
Lear: Franz Welser-Möst – Dirigent © Satoshi Aoyagi Japan; Simon Stone – Regie © Sandra Then; Gerald
Finley – König Lear © Sim Canetty-Clarke; Anna Prohaska – Cordelia © Harald Hoffmann/Deutsche
Grammophon; Michael Maertens – Narr © Reinhard Werner/Burgtheater
Lear hingegen symbolisiert eine spätere Wende – oder besser: Synthese – in der
Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts: die verwandelte Wiederkehr des Primats der
Singstimme und von erhabenem, nie hohlem Pathos; die Nutzbarmachung neuester
Satztechniken fürs Musiktheater, etwa Klangflächen, deren schillernde Konturlosigkeit
ihrerseits eine Befreiung von den Zwängen des linearen Reihendenkens darstellten. Schon
Verdi wollte die Geschichte des Königs Lear komponieren, der zugunsten seiner Töchter
abdankt, dabei aber auf die Schmeicheleien der beiden älteren hereinfällt und die ehrlichen,
knappen Worte der jüngsten, Cordelia, gering schätzt – ein Fehlurteil, das die Tragödie erst
heraufbeschwört.
Aribert Reimanns Schaffensrausch
Auf Basis einer Shakespeare-Übersetzung aus dem 18. Jahrhundert erstellte Claus C.
Hennerberg ein Libretto, an das sich Reimann zuerst zögerlich heranwagte, um dann im
Schaffensrausch darin aufzugehen. „Die dunkle Farbe, massive Ballungen im Blech, Flächen
in den tiefen Streichern führten mich zur Person ‚Lear‘“, hielt er in seinen Notizen fest. Durch
Clusterbildungen werden in der Sturmszene inneres und äußeres Toben eins, ein 48-töniger
Streicherakkord unterscheidet nicht mehr „zwischen kosmologischem und menschlichem
Abgrund“ (Nobert Abels).
Drei Frauen – drei Schicksale : Marie – Katerina Ismailova – Cordelia
So wie bei Maries Affäre und Katerinas Mordtat ist es hier Cordelias Weigerung, sich
anzubiedern: Erneut überschreitet eine Frau selbstbewusst den Handlungsrahmen, den
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allein ihr die Männer zugebilligt hatten – diesmal nicht schuldhaft verstrickt, sondern mit
höherem Recht. Das Unheil nimmt dennoch und gerade deshalb seinen Lauf.
„Es kann nie schöner klingen als bei den Wiener Philharmonikern“, war Reimann schon
2004 überzeugt, als in Salzburg seine Zeit-Inseln uraufgeführt wurden. Nun lässt sich das
Meisterorchester von Franz Welser-Möst durch die hochkomplexe Partitur führen; Gerald
Finley liebt und leidet als Lear, Anna Prohaska ist die treusorgende Tochter Cordelia,
Michael Maertens spielt den Narren.
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21. Juli – 30. August 2017
Alban Berg Wozzeck
Oper in drei Akten op. 7 (1917-1922)
Libretto von Alban Berg nach dem Dramenfragment Woyzeck (1836) von Georg Büchner
Neuinszenierung
In deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln
Koproduktion mit der Metropolitan Opera, New York,
und der Canadian Opera Company, Toronto
Vladimir Jurowski, Musikalische Leitung
William Kentridge, Regie
Luc De Wit, Co-Regie
Sabine Theunissen, Bühne
Greta Goiris, Kostüme
Catherine Meyburgh, Video Compositor & Editor
Urs Schönebaum, Licht
Kim Gunning, Video Operator
Matthias Goerne, Wozzeck
John Daszak, Tambourmajor
Mauro Peter, Andres
Gerhard Siegel, Hauptmann
Jens Larsen, Doktor
Tobias Schabel, 1. Handwerksbursch
Huw Montague Rendall*, 2. Handwerksbursch
Heinz Göhrig, Der Narr
Asmik Grigorian, Marie
Frances Pappas, Margret
Salzburger Festspiele und Theater Kinderchor
Wolfgang Götz, Leitung Kinderchor
Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor
Ernst Raffelsberger, Choreinstudierung
Wiener Philharmoniker
* Teilnehmer des Young Singers Project – unterstützt von der KÜHNE-STIFTUNG
Premiere: 8. August, 20 Uhr
Weitere Vorstellungen: 14., 17., 24. und 27. August
Haus für Mozart
Supported by Bank of America Merrill Lynch
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21. Juli – 30. August 2017
Dmitri Schostakowitsch Lady Macbeth von
Mzensk
Oper in vier Akten (Urfassung 1930-1932)
Libretto von Alexander Preis und Dmitri Schostakowitsch nach der gleichnamigen
Novelle (1865) von Nikolai Leskow
Neuinszenierung
In russischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln
Mariss Jansons, Musikalische Leitung
Andreas Kriegenburg, Regie
Harald B. Thor, Bühne
Tanja Hofmann, Kostüme
Stefan Bolliger, Licht
Christian Arseni, Dramaturgie
Dmitry Ulyanov, Boris Timofejewitsch Ismailow
Maxim Paster, Sinowi Borissowitsch Ismailow
Nina Stemme, Katerina Lwowna Ismailowa
Maxim Aksenov, Sergej
Evgenia Muraveva, Aksinja / Zwangsarbeiterin
Andrei Popov, Der Schäbige
Oleg Budaratsky, Hausknecht / Wächter
Boris Stepanov*, Vorarbeiter
Igor Onishchenko, Mühlenarbeiter
Vasily Efimov, Kutscher / Betrunkener Gast
Alexey Shishlyaev, Polizeichef
Valentin Anikin, Polizist / Sergeant
Ksenia Dudnikova, Sonjetka
Andrii Goniukov, Alter Zwangsarbeiter
Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor
Ernst Raffelsberger, Choreinstudierung
Wiener Philharmoniker
* Teilnehmer des Young Singers Project – unterstützt von der KÜHNE-STIFTUNG
Premiere: 2. August, 18 Uhr
Weitere Vorstellungen: 5., 10., 15. und 21. August
Großes Festspielhaus
Supported by Bank of America Merrill Lynch
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21. Juli – 30. August 2017
Aribert Reimann Lear
Oper in zwei Teilen (1976-1978)
Libretto von Claus H. Henneberg nach William Shakespeares Tragödie King Lear in der
Übersetzung von Johann Joachim Eschenburg (1777)
Neuinszenierung
In deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln
Franz Welser-Möst, Musikalische Leitung
Simon Stone, Regie
Bob Cousins, Bühne
Mel Page, Kostüme
Nick Schlieper, Licht
Christian Arseni, Dramaturgie
Gerald Finley, König Lear
Tilmann Rönnebeck, König von Frankreich
Derek Welton, Herzog von Albany
Michael Colvin, Herzog von Cornwall
Matthias Klink, Graf von Kent
Lauri Vasar, Graf von Gloster
Kai Wessel, Edgar
Charles Workman, Edmund
Evelyn Herlitzius, Goneril
Gun-Brit Barkmin, Regan
Anna Prohaska, Cordelia
Michael Maertens, Narr
Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor
Ernst Raffelsberger, Choreinstudierung
Wiener Philharmoniker
Premiere: 20. August, 19.30 Uhr
Weitere Vorstellungen: 23., 26. und 29. August
Felsenreitschule
Mit Unterstützung der Freunde der Salzburger Festspiele e.V. Bad Reichenhall
Zu den Fotos:
http://www.salzburgerfestspiele.at/fotoservice/subcategoryid/5778/archivyear/2017
Kartenbüro der Salzburger Festspiele:
[email protected]
Rückfragen:
Pressebüro der Salzburger Festspiele
[email protected]
www.salzburgerfestspiele.at
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