Mittel gegen Banner-Blindheit

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Internet World BUSINESS
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MARKETING & WERBUNG
9. Dezember 2013
25/13
NATIVE ADVERTISING
Mittel gegen Banner-Blindheit
Werbung, die nicht wie Werbung aussieht: Native Advertising wird derzeit als einer der heißesten Trends in der Mediaplanung gehandelt. Statt Online-Anzeigen aufpoppen zu lassen, erzählen die Marken redaktionell verpackte Storys
eplagte Web-User mussten im Laufe
der zurückliegenden Jahre schon einige Überlebensstrategien entwickeln. Eine davon ist die Fähigkeit, Display-Werbung auf dem Bildschirm einfach zu übersehen: Im Fachjargon wird das „BannerBlindheit“ genannt. Bei den Werbungtreibenden führt dieses Verhalten immer wieder zu Panikattacken, verständlicherweise
– ­basieren doch weite Teile des Web-Handels darauf, dass der Nutzer an die Hand
genommen und von einer Webseite auf
­eine andere geführt und dort nach Möglichkeit in ein Geschäft verwickelt wird.
Und dabei spielt Werbung, insbesondere
Banner-Werbung, eine elementare Rolle.
Auf der Suche nach einem Mittel gegen
dieses unerwünschte User-Verhalten diskutiert die Branche derzeit intensiv über
Native Advertising. Native Ads werden als
wirksame Werbealternative gegen Banner
Blindness hoch gehandelt. Im Grunde
wird damit eine Werbeform bezeichnet,
die nicht wie Werbung aussieht, sondern
eher wie ein redaktioneller Beitrag – oder
wie ein Teaser zu einem redaktionellen
Beitrag. „Native Ads sind im Lesefluss
platziert und somit sehr unaufdringlich“,
sagt Daniel Horzetzky, Head of Content
Marketing bei Plista. „Sie sind dem Look
& Feel des Umfelds angepasst und im
­direkten redaktionellen Bereich eingebettet. Dadurch genießen sie eine intensivere
Wahrnehmung als übliche Banner.“ Dabei
gilt die Faustformel: Je relevanter der Inhalt, desto größer die Aufmerksamkeit.
Story ersetzt Werbebotschaft
Plista gehört zu den Dienstleistern, die
von dem steigenden Interesse an Native
Advertising derzeit profitieren. Die Agentur hat auf zahlreichen Medienseiten
­kleine Empfehlungsboxen platziert. Darin
sind Miniaturbilder und ein paar knapp
formulierte Zeilen untergebracht, die das
Interesse des Users wecken sollen. Klickt
er auf den Anreißer, der sich ­beispielsweise
Foto: Fotolia / lassedesignen
G
Harmonisch: Wenn das beworbene Produkt zum Umfeld passt, stört es nicht mehr
inhaltlich mit Elektrorollern befasst, lan- Branded-Entertainment-Konzepte entwidet er auf dem Unternehmens-Blog des ckelt. Aktuelles Beispiel ist die Web-TVEnergiekonzerns RWE (siehe Abbildung). Sendung „Two for Fashion“ des Online„Der User wird also nicht mehr mit bun- Händlers Otto. Wie auf dem gleichnamiten, blinkenden Bildern und großen gen Blog wird dort über Modestile und
Claims gelockt, sondern mit Inhalten und Designertrends berichtet, womit sich Otto
Storys“, sagt Horzetzky. Inhalte,
an denen er Interesse hat, wes- Plista Tipps: Ein kurzer Teaser zu Elektrohalb die damit verbundene rollern führt zum Blog von RWE
Werbebotschaft auch auf Akzeptanz stößt.
Native Ads folgen damit dem
Prinzip des Branded Entertainment. Bei dieser Form der Kommunikation verzichtet ein Unternehmen darauf, nur eine
plumpe Werbebotschaft zu verkünden. Stattdessen versucht es
über interessante Geschichten,
seine Marke beim Verbraucher
im Gespräch zu halten. Weltmeister in die- bei den Usern als kompeser Disziplin ist der Getränkehersteller tenter Lieferant für Mode
Red Bull, der als Höhepunkt dieser Strate- und Lifestyle positioniert.
gie im Oktober 2012 den Sprung des Ex­
Auch verschiedene Publisher haben
tremsportlers Felix Baumgartner aus der Branded Entertainment als lukrative EinStratosphäre inszenierte und weltweit ein nahmequelle entdeckt, darunter das „HanMillionenpublikum erreichte.
delsblatt“. Auf seiner Website Handels„Native Advertising ist keine blatt.com bespielt etwa der Mischkonzern
wirklich neue Geschichte“, sagt General Electric einen ganzen Channel
Klaus Ahrens, Geschäftsführer der und berichtet dort ausführlich über die
Agentur Pilot in Hamburg. „Es ist Themen Energie und Healthcare. Natüraber ein sehr charmanter Begriff, lich sind diese Seiten als Sonderveröffentder das Thema neu zusammen- lichung gekennzeichnet. Trotzdem sollen
fasst.“ Pilot hat in den vergangenen die redaktionelle Anmutung der Beiträge,
Jahren schon mehrfach für Kunden das glaubwürdige Umfeld des „Handelsblatts“ sowie die dem Stil des Finanztitels ähnelnde optische Aufbereitung den General-Electric-Konzern
als kompetente Marke empfehlen.
„Im Grunde ist das wie das gute alte
Advertorial“, sagt Eduard Klein,
­Geschäftsführer der Beratungsfirma
Calor Communication und Betreiber
der Website Content-marketing.com.
„Auch ein Advertorial sieht so aus
wie der Rest der Zeitschrift.“
Die Blog-Zeitung Huffington Post,
Huffington Post: Ein Teaser führt auf eine die vor Kurzem mit viel Medientrara
von HRS redaktionell gestaltete Reiseseite in Deutschland startete, vertraut in
ihrem Business-Plan ebenfalls auf solche
Branded-Content-Modelle. Journalistisch
anmutende Text-Bild-Teaser leiten den
User zu einer Seite weiter, auf der sich Inhalte befinden, die indirekt für ein Unternehmen werben. Das Buchungsportal
HRS nutzt beispielsweise diese Gelegenheit und berichtet rund um das Thema
Reisen (siehe Abbildung unten links).
Nachteil dieser gebrandeten und gesponserten Webseiten ist der hohe Aufwand, der mit ihrer Erstellung verbunden
ist. Der Artikel muss inhaltlich relevant
sein und mit seinen Geschichten zum
­übrigen Auftritt passen. Das Layout muss
ebenfalls exakt angepasst werden. Die
Werbeform ist also maßgeschneidert auf
den jeweiligen Werbeträger und dafür
muss Zeit und Geld investiert werden.
Standardisierte Native-Advertising-Ansätze, wie die von Plista, machen BrandedEntertainment-Konzepte skalierbar. Ziel ist
es, Formate zu finden und einzuführen, mit
deren Hilfe native Werbung über Adserver
verbreitet, an Publisher ausgeliefert und
über branchenübliche Standards wie den
Tausend-Kontakt-Preis abgerechnet wer-
den kann: Eine höchst individuelle Werbeform wird so massentauglich.
Unternehmen wie Efamous.net oder
Unrulymedia arbeiten an dieser Skalierbarkeit, aber auch das Lifestyle-Magazin
Vice. Für sein Online-Netzwerk hat Vice
seit jeher aufwendige Branded-Entertainment-Formate realisiert, zuletzt beispiels-
„Der User wird nicht mehr mit
blinkenden Bildern gelockt,
sondern mit Inhalten“
DANIEL HORZETZKY
Head of Content Marketing, Plista
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MARKETING & WERBUNG
9. Dezember 2013
weise recht künstlerisch inspi- Xbox One: Zum Start der Spielekonsole
rierte Video-Produktionen im entwickelte Vice ein Werbeformat, das
Auftrag der Computermarke Platz für redaktionellen Content bietet
Lenovo. Für die neue Xbox
wurde nun aber in England
­eine Werbeform gelauncht, die
Banner-Werbung mit redaktionellem Content verbindet. Das
Format ist in drei Felder aufgeteilt: Während in einem das
Produkt gezeigt wird, kann in
einem der anderen Bereiche
­redaktionell aufbereiteter Content ablaufen (siehe Abbildung). „Es geht nicht mehr nur
um
Banner-Schaltungen“,
betont Benny Eichelmann,
­
Head of Advertising Vice Deutschland. Ebuzzing, der Anbieter für Social Video
„Es geht um die Distribution interessanter Advertising, hat seit Oktober das WerbeFormate, in denen Content integriert ist.“
format Ebuzzing Native auf dem Markt.
Native Advertising ist für viele schon Die Software erkennt mittels Kontext-­
jetzt einer der heißesten Online-Trends Targeting die redaktionellen Inhalte und
der nächsten Monate. Werbung im Ge- liefert dazu passende Videos. Scrollt der
wand von Content wird kommen, unklar User über den Text, schiebt sich an einer
ist nur, welche Formate sich durchsetzen vorher definierten Stelle der Artikel aus­
werden: Es herrscht Aufbruchsstimmung einander und es erscheint ein Werbe-­
und es wird allseits viel experimentiert.
Video. Scrollt der Leser weiter nach unten,
verschwindet es wieder.
„Bei Pre-Roll-Videos muss
der User die Werbung
­sehen, bevor er zum Inhalt
kommt“, sagt David Mahoney, General Manager von
Ebuzzing. „Bei Native entscheidet der Nutzer, ob er
sie sehen möchte.“
Das Beispiel zeigt gleichzeitig, dass der Begriff
Native Advertising noch
­
Spielraum für Interpreta­
tionen zulässt. Plista geht
beispielsweise davon aus,
dass Native Ads mit redaktionell aufbereitetem Con„Handelsblatt“-Website: Der Mischkonzern GE unterhält dort
tent arbeiten müssen. Für
einen eigenen Channel zum Thema Healthcare
Ebuzzing wiederum muss Werbung exakt
zum redaktionellen Umfeld und zu den
Interessen des Users passen, aber nicht unbedingt selbst Content bieten: Ein Artikel
über Laufsport könnte also mit einem Spot
von Adidas angereichert werden.
„Format, Stil und Erscheinungsbild orientieren sich bei Native Advertising an der
Plattform, auf der sie gezeigt werden“, sagt
Eduard Klein. Nach diesem Prinzip agieren
auch die großen sozialen
Netzwerke, die NativeAdvertising-Formate im
Repertoire haben: Twitter mit Promoted Tweets,
Linkedin und Facebook
mit Sponsored Posts. In
diesen Fällen nutzen die
Unternehmen die Möglichkeit, sich in den
Newsstream einzubuchen und dort ihren
Content anzuteasern. „Stünde der Content in der Spalte rechts, würde er als Werbung identifiziert und deutlich weniger
Beachtung finden“, so Klein.
Darin liegt aber auch die Gefahr dieser
jungen Werbeform. Noch ist der User
aufgeschlossen, weil sie nur fein dosiert
auftaucht und nicht unbedingt als Werbung erkannt wird. Doch sollten an allen
Ecken und Enden plötzlich Native Ads
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auf den Webseiten erscheinen, würde
sich der Kampf um die Aufmerksamkeit
des Users nur auf eine andere Ebene verlagern. Gleichzeitig käme es dann zu
­einem Kampf um Inhalte. „Im Endeffekt
wird es eine Schlacht um den besten Content geben – Quality Content is King“,
prognostiziert Daniel Horzetzky. „Es
wird mittelfristig um die Frage gehen,
wer zu welchem Thema den hochwertigsten Content hat und damit im sichtbaren
Bereich des organischen Google Rankings auftaucht.“
Bei den Agenturen gibt es bereits erste
Aktivitäten, dieses Feld zu besetzen.
Media-Agenturen wie Pilot haben das
­
Thema schon länger für sich entdeckt, bei
der Starcom Mediavest Group wurde
soeben ein Content Creator eingestellt
­
und Kreativagenturen gründen Units für
Content Marketing. „Native Advertising
wird eine der zentralen Entwicklungen der
kommenden Jahre sein“, sagt Lothar
­Prison, Chief Digital Officer Vivaki. „An-
„Stil und Erscheinungsbild
orientieren sich an der Plattform, auf der sie gezeigt werden“
EDUARD KLEIN
Geschäftsführer Calor Communication Group
gesichts sinkender Klickraten bietet sich
hier für die Online-Werbung eine riesige
Chance, wieder relevanter zu werden.“
Und für Journalisten tun sich abseits
­ihres angestammten Arbeitsfelds plötzlich
neue Jobs auf. Jobs, die ein Gespür für die
richtige Ansprache erfordern und gewiss
nicht anspruchslos sind. Ahrens: „Ich
­warne jeden davor, der glaubt, er müsse
nur einfach seine Pressemeldung ins Netz
•
stellen.“ hvr Native Ads stellen an Werbekunden ganz neue Anforderungen
„Alternative zur klassischen Display-Werbung“
Wie hat sich die Nachfrage nach Native
Advertising in den vergangenen Monaten
entwickelt?
Curt Simon Harlinghausen: Native Advertising steht in Deutschland noch ganz am
Anfang. Die Nachfrage steigt, ist aber
noch nicht so groß, dass man von einem
veritablen Geschäft sprechen könnte.
­Dafür ist die digitale Transformation in
manchen Wirtschaftsbereichen noch
nicht weit genug vorangeschritten, außerdem sind die Plattformen infrastrukturell
nicht vorbereitet. Zudem gibt es bis dato
nur eine geringe Anzahl an Technologieanbietern und Adservern, die die gezielte
Auslieferung von Content-integrierten
und kontextbezogenen Werbeformaten
unterstützen.
Worauf ist denn das aktuelle Interesse an
dieser Werbeform zurückzuführen?
Harlinghausen: Die Nachfrage entsteht vor
allem durch die Suche nach alternativen
Werbeformen zur klassischen digitalen
Display-Werbung. Ziel ist es, nützlichen,
interaktiven Branded Content anzubieten, der eine andere Form der User Experience bietet als klassische Werbung.
Lässt sich schon absehen, welche Formate
sich durchsetzen werden?
Harlinghausen: Erst einmal stellen sich die
Fragen, welche Formate es überhaupt gibt
und wie sich Native Advertising definiert.
Denn das Verständnis von dieser neuen
Form der zielgruppengerechten Content-
passende Plattformen aus­
wählen müssen. Aufmerksamkeit ist eher ein PushThema, wobei Entscheidungen eher mit
Pull Marketing beeinflusst werden.
Für welche Werbeziele eignet sich denn
­Native Advertising?
Harlinghausen: Im Prinzip für alle. Die
größte Herausforderung besteht sicher in
der Entwicklung von Format-Frameworks, sodass die Werbemaßnahmen
nicht „uniform“ wirken und somit ihre
„natürliche“ Wirkung zu schnell verloren
geht. Darüber hinaus sind die Erstellung
von passenden Inhalten sowie die Skalierung von Technologie für die Aussteuerung die wichtigsten Optimierungsfelder.
Curt Simon Harlinghausen
ist Geschäftsführer der Agentur
Akom 360 und Vorsitzender der
Fachgruppe Social Media im BVDW.
•
www.bvdw.org
Werbung ist unterschiedlich und reicht
von Social Ads wie Sponsored Stories,
Promoted Tweets oder Facebook Newsfeed Ads über Musik und Videos bis hin
zu Bildern und Grafiken. Das Spektrum
wächst kontinuierlich.
Das bedeutet: Werbekunden müssen sich
an den richtigen Umgang mit Native Advertising erst noch herantasten.
Harlinghausen: Sie müssen jedenfalls passende Inhalte entwickeln und diese so platzieren, dass sie nicht als reine Werbung
wahrgenommen werden. Das bedeutet,
dass die Werbekunden sich ihren Sales
Funnel und die Customer Journey der
Nutzer genau ansehen und für die einzelnen Abschnitte Themen definieren und
Ist Native Advertising damit eher ein länger anhaltender Trend oder doch nur ein
kurzfristiger Hype?
Harlinghausen: Ich denke, es kann zu
­einem nachhaltigen Trend werden, wenn
es gelingt, die Formate und Maßnahmen
so zu gestalten, dass sie sich am Nutzer
orientieren und dadurch einen echten
Mehrwert für ihn darstellen.
INTERVIEW: HELMUT VAN RINSUM
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