Die Ermittlung - Theater am Sachsenring

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 Die Ermittlung
von Peter Weiss
"Ich meine, man sollte gar nicht anders schreiben als mit der Absicht,
die Gesellschaft zu beeinflussen oder zu ändern. Peter Weiss 1964 in "10 Arbeitspunkte eines Autors
in der geteilten Welt" Die zehn Vorstellungen der ERMITTLUNG im November und Dezember 2002 waren ein großer Erfolg.
1.700 Zuschauer sahen diese Gemeinschaftsproduktion von SACHSENRING und Regisseur, Hans Kieseier
im Hörsaal XXV der Uni, Köln.
Die Karteneinnahmen von EUR 10.000,00 wurden zu 100 % als Spende weitergeleitet an den Verband
Information und Beratung NS-Verfolgter (EUR 7.500,00) nach Minsk, Weißrussland und an den
Jugendclub Courage, Köln (EUR 2.500,00) Danach gab es noch vier weitere Termine im November und Dezember 2003:
DIE ERMITTLUNG von Peter Weiss
ist ein "Oratorium in 11 Gesängen", dem die mehr als 300 Zeugenaussagen des Frankfurter
Auschwitz-Prozesses von 1963 bis 1965 zugrunde liegen.
Am 19.10.1965 fanden in West und Ost 16 (!) Uraufführungen der "Ermittlung" statt.
Heute gehört "Die Ermittlung" zu den wenig gespielten deutschen Stücken.
Wir spielen dieses Stück heute auch angesichts der aktuellen Diskussion, die zeigt, dass"Antisemitismus"
und "Nazistische Methoden" Begriffe sind, die nicht losgelöst von der industriellen Tötungsmaschinerie
deutscher Konzentrationslager gesehen werden können.
Das Verhältnis zwischen Deutschen und Juden, egal welcher Nationalität, wird daher immer ein besonderes
sein. Um dieses in der Gegenwart zu begreifen, müssen wir die deutsch - jüdische Vergangenheit kennen,
begreifen und in lebendiger Erinnerung behalten. DIE ERMITTLUNG:
Zeugen werden noch einmal aussagen. Keine Belehrung, nur ein Bericht. Sprechen über das
Unsagbare, diese "Hölle auf Erden". In Verse gefasst, vor Gericht gebracht. Aufgeführt im Hörsaal
XXV der Universität zu Köln. Die zehn Vorstellungen von DIE ERMITTLUNG (Peter Weiss), die wir vom 14.10.2002 bis zum
16.12.2002 in einem Hörsaal der Universität Köln gespielt haben, brachten ein Spendenergebnis (aus
100% Karteneinnahmen) von € 10.000,00. Wir danken allen KünstlerInnen und MitarbeiterInnen, die die Grundlage für dieses großartige
Ergebnis durch Ihren Verzicht auf Gage ermöglicht haben. Und wir danken Ihnen, unseren
ZuschauerInnen, dass Sie die Produktion so zahlreich durch Ihren Besuch unterstützt haben und wir
mit 1.684 Karten zehn ausverkaufte Vorstellungen verbuchen konnten. Die Spende werden wir gemeinsam mit einem Vertreter des Bundesverbandes NS-Verfolgte im Laufe
des Februar 2003 an Überlebende von Auschwitz in Minsk/Belorussland selbst weiterleiten. DIE ERMITTLUNG von Peter Weiss ist eine Koproduktion zwischen dem Theater am Sachsenring und
Hans Kieseier. Sie entsteht in Zusammenarbeit mit der Studiobühne Köln und der Kölnischen Gesellschaft
für christlich-jüdische Zusammenarbeit e.V.
Weit über 20 Schauspielerinnen und Schauspieler aus unterschiedlichsten Theatern der freien Szene Kölns,
sowie Namen aus der sogenannten Comedy- und Unterhaltungsszene haben sich zusammengefunden, um
ein kaum gespieltes Stück Theater zu einem öffentlichen Signal zu machen. Ein Signal für eine Rückkehr auch zu Inhalten in einer Zeit ästhetischer Beliebigkeiten!
Ein Signal für eine Politisierung von Theater in einer Zeit der Gleichgültigkeit!
Ein Signal für Solidarität in einer Zeit des Abseits-Stehens!
Ein Signal für ein Zusammenführen unterschiedlichster Ansätze von Theater zu einer gemeinsamen
Arbeit an einem wichtigen Stück!
Ein Signal für Geschichtsbewusstsein!
Carlos Garcia Piedra, Claus Vinçon, Dada Stievermann, Dirk Bach, Frank Meyer, Georg Uecker, Gerd
Krebber, Gerd Köster, Gerhard Haag, Gregor Höppner, Hans Holzbecher, Heinrich Cuipers, Hella von
Sinnen, Holger Doellmann, Klaus Schweizer, Lutz Reichert, Marietta Bürger, Martin Zuhr, Norbert Alich,
Peter Nottmeier, Rainer Pause, Ralph Morgenstern, Robert Griess, Thomas Hackenberg, Thomas
Wissmann, Volker Hein, Volker Schmitz, Volker Lippmann, Wilfried Schmickler, Wolfgang Nitschke Alle an dieser Produktion Beteiligten treten ohne Gage auf und stellen Arbeitskraft und Mittel unentgeltlich
zur Verfügung, so dass die
jeweiligen Karteneinnahmen vollständig als Spende an Überlebende von Auschwitz weitergeleitet werden
können.
Wir Theaterleute wollen gemeinsam ein Zeichen setzen für Verständigung und Versöhnung. Erinnerung Gegenwart braucht die Vergangenheit "Wem die gedruckten Berichte über Auschwitz unzugänglich erscheinen, dem werden durch das
'Oratorium' die Massenmorde vergegenwärtigt, und diese Aufgabe könnte es noch dann erfüllen,
wenn die Auschwitz-Berichte in Vergessenheit geraten und nur noch Teil der Bibliotheken sein
sollten." Georg Hensel Die elf Gesänge der ERMITTLUNG beschwören den typischen Ablauf der Menschenvernichtung in
Auschwitz - dieser Hölle auf Erden - herauf, vom ersten, dem "Gesang von der Rampe" mit der 'Selektion',
der Auswahl der Häftlinge für die Ermordung, bis zum letzten, dem "Gesang von den Feueröfen", der
Massenverbrennung der Leichen in den Krematorien, in denen im Sommer 1944 bis zu 20.000 durch Gas
vergiftete Häftlinge täglich vernichtet wurden.
Der Text der Gesänge - in freien Versrhythmen - beruht auf den Prozessakten, den persönlichen
Prozessbesuchen des Autors und den Prozessberichten, die Bernd Naumann für die 'Frankfurter Allgemeine
Zeitung' geschrieben hat. Sie werden oft nahezu wörtlich benutzt.
Ernst Schumacher - Über die szenische Darstellbarkeit der Hölle auf Erden 1965
"Sich der Schwierigkeit bewusst, unmittelbare und mittelbare Nachbildungen der Hölle auf Erden auf dem
Theater zu geben, haben sich andere Autoren mit der unmittelbaren und mittelbaren Nachbildung von
Vorgängen der Vorhölle und Nachhölle des faschistischen Mordsystems begnügt. Z.B.: Zwischenfall in
Vichy von Arthur Miller, Joel Brand von Heinar Kipphardt, Andorra von Max Frisch. Die besondere
Schwierigkeit bei diesen Versuchen liegt darin, den unmittelbaren Bezug zur uns bedrängenden Gegenwart,
wenn man so will, zur Nachhölle des Faschismus herzustellen, und das "tua res agitur" (Um deine Sache
handelt es sich) der dargestellten Vorgänge zum Bewusstsein zu bringen....Der Fortschritt, den Die
Ermittlung gegenüber diesen dramatischen Versuchen darstellt, besteht eben darin, dass in ihr Vorhölle,
Hölle und Nachhölle des Faschismus in gleicher Weise erfasst, auf eine der traditionellen Theaterform
gemäße Weise zur Darstellung gebracht und die Zuschauer zu einer unvermeidlichen, jeden betreffenden
Auseinandersetzung herausfordert...Um mit der Nachhölle fertig zu weden und der Schaffung eines
Paradieses auf Erden wenigstens so weit vorzuarbeiten, dass die Menschheit sich nicht selbst ausrottet,
sondern am Leben bleibt, ist die "Besichtigung der Hölle" nötig...Entscheidend ist jedoch, dass die
Höllenfahrt nicht in der bloßen Verurteilung stehenbleibt, sondern zu Urteil und Handlung befähigt. Eben in
dieser Vermittlung liegt das Bleibende der Ermittlung." Presse in Ausschnitten: taz 16.10.02
Kölner Bühnenstars machen Ernst von Erich Huppertz
In einem Hörsaal der Kölner Universität wird das Stück über den Frankfurter Auschwitz-Prozess zu einem
Exempel über das Böse. Es mutet auf den ersten Blick absurd an: Ausgerechnet Comedians wie Hella von
Sinnen oder Dirk Bach lesen "Die Ermittlung", das "Oratorium in 11 Gesängen" von Peter Weiss. Doch
gerade sie zeigen, dass es heute nicht nur eine "Spaßgesellschaft" gibt, sie beleben das politische Theater
wieder und setzen einen Gegenpol zu Rassismus und Antisemitismus.
32 Kölner Bühnenprofis spielen - in wechselnder Zusammensetzung - mit: von Norbert Alich über Gerd
Köster und taz-Kolumnist Wilfried Schmickler bis Martin Zuhr.
Der Frankfurter Auschwitz-Prozess Anfang der 60-er Jahre war - nach den Nürnberger Prozessen - die erste
große öffentliche Aufarbeitung der Nazi-Verbrechen. Vor Gericht standen 18 Männer, alle beteiligt am
größten Massenmord der Geschichte. Weiss nutzte für sein Theaterstück im Wesentlichen Originalzitate
aus den Gerichtsprotokollen. Für die Kölner Aufführung wurde der Text auf rund zwei Stunden halbiert.
Zwei Stunden, die dem Publikum trotz Pause keine Pause lassen, sich von den beschriebenen
Grausamkeiten zu erholen....der Prozess (wird) zu einer exemplarischen Vorlesung über die Abgründe der
Seele und die jämmerliche Unfähigkeit der Menschen, zu ihren Taten zu stehen. Kölnische Rundschau 16.10.02
Rekonstruktion des Schreckens
Beeindruckende Initiative Kölner Theater: Peter Weiss' "Ermittlung" als Lesung von Nicole Strecker
... Bis zum 16.Dezember wird das Stück jeden Montag in wechselnder Besetzung im Hörsaal XXV in der
Universität gezeigt... Die realitätsnahe Imitation eines Gerichtsprozesses, wie überhaupt alles Theatrale
wird in diesem "Oratorium für elf Gesänge" bewusst vermieden, und anders als in der nüchternen Form
einer Lesung ist diese Rekonstruktion einer schrecklichen Wirklichkeit auch nicht denkbar...."Ein Zeichen
setzen für Verständigung und Versöhnung" ist die erklärte Absicht dieser beeindruckenden Initiative von
Regisseur Hans Kieseier und dem Theater am Sachsenring, und so wird der Kartenerlös der Veranstaltung
den Überlebenden von Auschwitz in Minsk gespendet. Aber hauptsächlich ist es eine Versöhnung durch
Erinnerung, die diese Inszenierung leisten will - Erinnerung an die brutalen Details einer unmenschlichen
Tötungsmaschinerie und an die Geschichte ihrer Opfer. EXPRESS 16.10.02
".... Hella von Sinnen, die in die Rolle einer Anklägerin schlüpfte, sagte nach der Premiere: 'Es war ein,
wenn nicht sogar der Höhepunkt meiner Karriere, hier mitmachen zu dürfen.'" Zum Projekt DIE ERMITTLUNG:
100% der Karteneinnahmen gehen als Spende an:
Bundesverband NS-Verfolgte - für Überlebende von Auschwitz in Minsk-Weißrussland und Jugendclub
Courage - für die Arbeit gegen Rechtsradikalismus bei Jugendlichen. Das Projekt DIE ERMITTLUNG wird ermöglicht durch:
den Verzicht aller Beteiligten auf auf Gage, Lohn und Kostendeckung; die Zusammenarbeit mit der
Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, der Studiobühne Köln, dem Ensemble
der Stunksitzung und großzügigen Spenden von Firmen und Einzelpersonen:
Fa. REMAGEN / Leselampen, Druckerei Hardt+Welzel u. Druckhaus Süd / Druck, Wolfgang Weimer /
Fotos, Norbert Raffelsiefen / Plakatierung Frankfurter Allgemeine Zeitung
Montag, 28. Oktober Feuilleton Seite 1 Die Ermittlung Wenn das Theater in den Hörsaal zieht, sucht es sich für gewöhnlich Aufgaben, mit denen es sich selbst
aufgibt. "Die Ermittlung" von Peter Weiss aber ist kein Theater: Das Oratorium in elf Gesängen,
"Konzentrat", so der Autor, des Auschwitz-Prozesses, der von 1963 bis 1965 in Frankfurt am Main
stattfand, vergegenwärtigt das ungeheuerliche Verbrechen, das in Kunst zu übersetzen sich verbietet. Als es
am 19. Oktober 1965 auf sechzehn Bühnen in West und Ost gleichzeitig uraufgeführt wurde, war das auch
eine politische Leistung des Suhrkamp-Verlages, der, mit dem Abstand von genau zwanzig Jahren, über die
Grenzen der Systemblöcke hinweg die Bühne als ein Ort der Aufklärung erneuerte, um dem öffentlichen
Bewußtsein eine Injektion wider das Vergessen zu verpassen. Gerade jene Produktionen erwiesen sich
damals als die eindringlichsten, die der Gewalt der Tatsachen vertrauten und sich der dramatischen
Stilisierung enthielten. Heute, da der zeitliche Abstand zwischen Gegenwart und Uraufführung fast schon
doppelt so groß ist wie der zwischen Prozess und Massenmord, gilt das wieder. Das jedenfalls demonstriert
ein Versuch mit dem Stück, zu dem sich mehr als dreißig Schauspieler der Kölner Off-Theater- und
Kabarett-Szene
zusammengefunden haben. Den Anstoß dazu gab die jüngste "Antisemitismusdebatte", und es sind deren
Floskeln, ob sie "nazistische Methoden" oder "man wird die Juden noch kritisieren dürfen" lauten, die "Die
Ermittlung" der geheuchelten Gedankenlosigkeit überführt und denen sie den zeitgeschichtlichen
Hintergrund einzieht. In der Regie von Hans Kieseier wird die szenische Lesung eines Konzentrat des
"Konzentrats" - jeweils Montags und noch bis zum 16. Dezember - in der Universität gezeigt, und es ist
dieser Ort, der Hörsaal XXV des WiSo-Gebäudes, der den Text nicht etwa didaktisch in Anspruch nimmt,
sondern wie selbstverständlich und deshalb beunruhigend in unseren Alltag ragen läßt: Vorne, an einem
Tisch frontal zum Auditorium, präsidieren Verteidiger, Richter, Ankläger, rechts von ihnen sind die neun anonymen Zeugen gruppiert, und links steht die Bank, auf der die Angeklagten nacheinander verhört
werden. In Straßenanzügen sitzen sie, als einzige mit Namensschildern an ihren Plätzen, hinten im Hörsaal,
aus dem Kollektiv des Publikums treten sie heraus, um Auskunft zu geben über die Methoden der
wirtschaftlichen Ausbeutung und der "verschärften Vernehmung", der sadistischen Ausfälle, des Folterns
und Mordens, und weichen dabei immer wieder aus in die Glätte von Euphemismen, mit denen sie die
Greuel und ihre Schuld
zu verharmlosen versuchen. Es sind die Details, die, genau artikuliert, den Schrecken freisetzen, und es
ist die Nähe zu Durchschnittsmenschen, so scheint es, die fähig sind, sich den inhumansten
Verhältnissen anzupassen, und so das Funktionieren der Tötungsmaschinerie möglich machen, aus der
die Beklemmung erwächst. Menschen im Hörsaal. Menschen wie wir? Wirklich? Kein Beifall.
Schweigen. aro
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