Einführung in die Personalökonomik

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Rezensionen (ZfP 2/2001)
Wolff, Birgitta / Lazear, Edward P.:
Einführung in die Personalökonomik
Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart, 2001, 317 S.,
DM 39,80
Das Buch „Einführung in die Personalökonomik“ von Birgitta Wolff und Edward P.
Lazear stellt den ersten Teil einer für den
deutschsprachigen Sprachraum in weiten
Teilen neu konzipierten Version des Lehrbuchs „Personnel Economics for Managers“
von Lazear dar. Das Buch richtet sich an
Studierende wie Praktiker und verfolgt das
Ziel einen ersten Zugang zu einem ökonomischen Verständnis personalwirtschaftlicher
Aufgaben zu eröffnen sowie die spezifischen
Vorteile dieser Herangehensweise aufzuzeigen.
Im ersten Kapitel wird Personalwirtschaft
(PW) als eine unternehmerische Angelegenheit charakterisiert. Anschaulich wird dabei
von einer Person ausgegangen, welche die
Gründung eines Unternehmens beabsichtigt
und sich daher mit der Rekrutierung (2 Kap.)
und Entlohnung (3 Kap.) von Mitarbeitern
mit zentralen personalwirtschaftlichen Fragestellungen auseinander zu setzen hat. Es wird
dafür argumentiert PWL theoretisch eindeutig fundiert zu betreiben, was auf eine Anwendung des (mikro-) ökonomischen Verhaltenskalküls hinausläuft. Vergleichsweise
ausführlich werden die Nutzenmaximierung
und rationale Verhaltensweise als zwei zentrale Prämissen der Personalökonomik dargestellt. Eine stärkere Betonung der Anwendung des methodologischen Individualismus
wäre hier zudem wünschenswert gewesen,
um den Unterschied zu einer verhaltenswissenschaftlich orientierten PWL noch klarer
herauszustellen. Das Kapitel schließt mit einer gelungenen Systematisierung der PW als
solche. Ordnung verleiht dabei besonders die
Zweiteilung personalwirtschaftlicher Aufgaben in personalbedingte Koordinationsprobleme und Motivationsprobleme.
Das zweite Kapitel widmet sich der Rekrutierung von Mitarbeitern. Es wird zunächst der
Frage nachgegangen, inwiefern ein Unternehmen besser niedrig oder hochqualifizierte
Mitarbeiter beschäftigen sollte. Anhand eines
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begrüßenswert einfach gehaltenen Rechenbeispiels wird dazu ein entsprechendes Vorteilhaftigkeitskalkül erstellt. Im weiteren
wird die Frage nach dem Qualitätsstandard
von Mitarbeitern noch erweitert, indem auch
die Bedeutung von Technologie/Kapital für
die Arbeitsproduktivität berücksichtigt wird.
Die Überlegungen in diesem Abschnitt gehen
von der Annahme aus, dass Bildung überhaupt Einfluss auf die Produktivität des Personals hat. Angesichts des anvisierten Leserkreises wären daher ausführlichere Erläuterungen zu den Prämissen der Humankapitaltheorie und deren Kritik dienlich gewesen.
Im Anschluss werden ausgehend von dem
Problem der Informationsasymmetrie zwischen Arbeitgeber und Bewerbern hinsichtlich der Leistungsfähigkeit, verschiedene
Auswahlmethoden („Screening“, Stücklohnverträge, Probezeiten) diskutiert. Insbesondere zum sog. „Screening“ ist anzumerken,
dass die Tauglichkeit dieses Instrumentes
stark von der Gültigkeit der unterstellten
Prämissen abhängig ist. Für Unternehmen ist
es z.B. de facto schwierig, anhand eingereichter Zertifikate zu beurteilen, wie viel
Mühe der Erwerb desselben gekostet hat.
Studiendauer und -zensuren können bei heterogenen Anforderungsprofilen von Ausbildungsinstituten nur Hinweise geben. Das
Kapitel setzt sich fort mit der Frage, wie die
tatsächliche Produktivität von Mitarbeitern
offengelegt werden kann. Auch hier wird von
asymmetrisch verteilter Information dahingehend ausgegangen, dass Mitarbeiter ihre
Produktivität i.d.R. besser einschätzen können als Arbeitgeber. Für letztere wird gut
nachvollziehbar dargelegt, dass es mitunter
schwierig, regelmäßig aber auf jeden Fall mit
Kosten verbunden ist, die tatsächliche Produktivität von Mitarbeitern festzustellen.
Anhand von Zahlenbeispielen werden Fälle
leicht und schwer zu bestimmbarer Produktivität unterschieden, die – wenn auch etwas
zu ausgedehnt interpretiert – ganz sicher ihren Beitrag zur Veranschaulichung leisten.
Angesichts des noch vergleichsweise geringen Verbreitungsgrades der Personalökonomik innerhalb der PWL, vermisst man ange-
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sichts der Zielgruppen des Buches aber
grundlegendere Erläuterungen zu Konzepten
wie Screening oder auch Stichworten wie
Adverse Selection oder Monitoring, die gerade dem neuinteressierten Leser das Verständnis der übergeordneten theoretischen
Überlegungen sicherlich erleichtern würden.
Die prinzipiellen Ausführungen dieses Kapitels enden mit der Frage, inwiefern durch die
Anwendung von Screeningverfahren Bewerber ermutigt oder abgeschreckt werden, sich
gerade bei diesem Unternehmen zu bewerben. Auch hier wird durch Berechnung dargelegt, dass Unternehmen mit Screeningverfahren deshalb für einige Bewerber attraktiv
sind, weil sie aufgrund des annahmegemäß
produktiveren Personals in der Lage sind höhere Löhne zu zahlen. Ergänzt wird das Kapitel durch einen Anhang, der die zuvor überwiegend verbal skizzierten Zusammenhänge auch (mathematisch) modelltheoretisch fundiert. Insgesamt ist die dargelegte
Argumentation überzeugend und anhand der
gesetzten Voraussetzungen bzw. Zahlenbeispiele auch unmittelbar einsichtig. Fraglich
erscheint einzig, inwiefern realitär davon
ausgegangen werden kann, dass Bewerber
und Unternehmen sich im Rekrutierungsvorgang derart intensiv von monetären Aspekten
leiten lassen. So spielen bei Einstellungsentscheidungen – allen Vorgaben und Vorsätzen
zum Trotz – nichtquantifizierbare Attribute
des Bewerbers eine nicht eben geringe Rolle.
Das dritte Kapitel befasst sich mit der Entlohnung von Mitarbeitern. In einer begrüßenswerten Ausführlichkeit werden elementare Kernfragen von Kosten/Nutzen von Entlohnung erörtert, die auch die Möglichkeit
der nicht-monetären Entlohnung umfassen.
Deutlich wird hier, dass die Personalökonomik keineswegs auf vermeintlich „wirklichkeitsfremde“ (mathematische) Kalküle begrenzt ist, sondern eine methodisch einheitliche Alternative zu i.w.S. psychologischmotivationstheoretischen Überlegungen darstellt. Im Weiteren widmet sich das Kapitel
der Problematik der richtigen Kombination
von variablen und fixen Entgeltbestandteilen.
Erstere werden als output- zweitere als in-
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putorientierte Entlohnung charakterisiert.
Auch an dieser Stelle spielt das Informationsproblem, in Form eines zuweilen schwer
festzustellenden Output, eine zentrale Rolle.
Eingängig wird anhand von Zahlenbeispielen
dargestellt und diskutiert, dass es z.B. hinsichtlich der „Arbeitsmotivation“ oder dem
qualitativen Arbeitsergebnis einen Unterschied macht, welche der obigen Entgeltsystematiken das Einkommen bestimmen. Auch
wenn die Beispiele bewusst einfach gehalten
sind, so vermitteln sie doch einen sehr wohl
auch praxisrelevanten Einblick in die Strukturen individueller Kosten-Nutzenüberlegungen bzgl. des zu erwartenden Arbeitseinsatzes. Das letzte Kapitel befasst sich
mit der Weiterentwicklung des Unternehmens. Exemplarisch wird aus der Sicht des
Unternehmens bzw. aus der des Mitarbeiters
erörtert, inwiefern eine Investition in Sachbzw. Personalvermögen von der Entscheidung des jeweils anderen beeinflusst wird.
Anhand elementarer spieltheoretischer Erwägungen wird aufgezeigt, wie etwa durch
Transferzahlungen eine anreizschädliche Situation in eine anreizverträgliche gewandelt
werden kann, in der Investitionen in beide
Vermögensgrößen tatsächlich erfolgen können. Insgesamt stellt der Band eine in jedem
Fall lesenswerte und vor allem längst überfällige Einführung in die Personalökonomik
dar. Wenn auch nur zwei i.e.S. personalwirtschaftliche Aufgaben aufgegriffen werden,
so vermittelt das Buch doch einen gesamtgesehen gut gelungenen Einblick in die (Denk-)
Systematik personalökonomischer Vorgehensweise.
Hagen, 21.3.2001
*
Michael D. Mroß*
Dipl.-Kfm. Michael D. Mroß, Jg. 1969,
Abteilungsleiter Personal in einem
Non-Profit Unternehmen.
Doktorand am Lehrstuhl für BWL, insbes. Personalwirtschaft und Unternehmenskommunikation,
Fachbereich
Wirtschaftswissenschaft, FernUniversität Hagen.
Rezensionen (ZfP 2/2001)
Hans G. Nutzinger und das Berliner
Forum zur Wirtschafts- und Unternehmensethik (Hg.): Wirtschafts- und
Unternehmensethik: Kritik einer
neuen Generation: Zwischen Grundlagenreflexion und ökonomischer
Indienstnahme
dnwe schriftenreihe, folge 5
ISBN 3-87988-366-1, Rainer Hampp Verlag,
München u. Mering 1998, 260 S., DM 48.50,
EURO 24.80
Das Ziel dieses Sammelbandes ist die Diskussion und Kritik der etablierten Ansätze
der Wirtschaftsethik sowie ihre konstruktive
und innovative Weiterentwicklung. Er gliedert sich in drei Teile, wobei der erste Teil
grundlegende Fragen der Wirtschaftsethik
untersucht, der zweite konzeptionelle Fragen
klären will und der dritte sich der Praxisorientierung zuwendet.1 Die gemeinsame Basis, auf der die unterschiedlichen Ansätze basieren, wird im Vorwort von Hans G. Nutzinger vorgestellt. Sie besteht in der Erkenntnis, dass in einer Gesellschaft mit stark
ausdifferenzierten Subsystemen die Ethik
nicht mehr primär beim einzelnen Akteur anzusetzen hat, sondern vor allem bei den institutionellen Arrangements auf der Ebene von
Wirtschaft und Unternehmen.
Den Anfang der Aufsätze zu grundlegenden
Fragen der Wirtschaftsethik macht der Beitrag von Olaf J. Schumann, der aus radikal
konstruktivistischer Perspektive Fragen der
Wirtschaftsethik untersucht. Es handelt es
sich bei diesem Aufsatz um eine gute Darstellung der bisherigen wirtschaftsethischen
Debatte und ihrer Hauptvertreter unter besonderer Berücksichtigung der theologischen
Konzepte, die in der Regel nicht ausreichend
gewürdigt werden. Man hätte sich gewünscht, dass die konstruktivistischen An1
Aus Platzgründen wird im Folgenden nur
jeweils ein Artikel aus jedem Teil exemplarisch besprochen. Eine ausführliche Rezension zu allen Beiträgen kann im Internet
eingesehen werden unter:
www.uni-erfurt.de/maxwe/personen/hollstein....
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sätze, die eine interessante Bereicherung der
Diskussion darstellen, näher ausgearbeitet
und zu konkreteren Fragestellungen und
möglicherweise sogar Antwortskizzen weiterentwickelt würden.
Der Beitrag von Matthias König „Ebenen der
Unternehmensethik“ will die Diskussion
zwischen den drei wichtigsten Schulen zur
Unternehmensethik, die sich jeweils mit den
Namen Steinmann, Homann und Ulrich verbinden lassen, anregen, indem er gemeinsame Oberthemen, welche jeder unternehmensethische Ansatz behandeln müsse, identifiziert. Hierzu zählt er:
 die Beschreibung moralischer Probleme,
als Ausgangspunkt wirtschaftsethischer
Überlegungen;
 die Begründungsebene, bei der es um ein
begründetes Moralprinzip geht;
 die Anwendungsebene, welche die strukturellen Hindernisse einer Unternehmensethik untersucht, und
 die Umsetzungsebene, welche sich auf die
spezifische Problemsituation bezieht.
Zu 1: Alle drei Ansätze seien sich darin einig, dass moralische Probleme in der unternehmerischen Praxis entstehen, die mit der
Betriebswirtschaftslehre nicht gelöst werden
können. Hierbei werden die Ursachen von
Homann in einem Defizit der Rahmenordnung verortet, von Steinmann in einem Defizit der Rahmenordnung und des Marktes und
von Ulrich in einem Rationalitätsdefizit bei
alleiniger Anwendung der ökonomischen Rationalität. König weist nach, dass durch diese
Ursachendefinition sowohl Homann als auch
Steinmann nur zu einer reaktiven unternehmensethischen Perspektive fähig sind, ohne
die spezifischen Potentiale der Unternehmensethik nutzen zu können. Allein Ulrich
versucht durch die Integration von Ökonomie
und Ethik einen moralischen Maßstab zu ermitteln.
Zu 2: Auf der Begründungsebene wird zur
Erfassung der moralischen Probleme ein ethisch begründetes Moralprinzip mit Allgemeingültigkeitsanspruch entwickelt, damit
moralische Probleme nicht Ergebnis persön-
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licher und damit beliebiger Überzeugungen
sind. Dieser allgemeingültige Maßstab sei
bei Homann und bei Steinmann nicht gegeben.
Zu 3: Die Anwendungsebene stellt die Ebene
dar, auf der das allgemeine Moralprinzip für
die allgemeine Situation interpretiert wird.
Hierbei geht es um die Identifizierung struktureller Hindernisse, auf die die drei unternehmensethischen Ansätze ganz unterschiedlich antworteten. Homann definiere ein Primat der ökonomischen Ansprüche vor den
ethischen Ansprüchen auf der Unternehmensebene, während Ulrich ein Primat der
ethischen Ansprüche postuliere. Nach Meinung Königs sind beide Auffassungen untauglich, da es um eine Vermittlung zwischen beiden gehen müsse. Schließlich benötige die ethische Reflexion reale Anwendungsbedingungen, das heißt, strukturelle,
kulturelle und personelle Voraussetzungen in
den Unternehmen. Hierzu gehörten beispielsweise eine bestimmte Unternehmenskultur, Ethikkommissionen, die Entwicklung
moralischer Urteilsfähigkeit bei den Akteuren usw. Diese Voraussetzungen würden von
den drei Ansätzen kaum diskutiert.
Zu 4: Die Umsetzungsebene soll eine Vermittlung der aus der Begründungs- und Anwendungsebene stammenden Prinzipien mit
den konkreten Problembereichen ermöglichen und somit zu konkreten Lösungen für
Praxisprobleme gelangen. Auf dieser Ebene
kann es nicht mehr um unbedingte normative
Vorschriften gehen, sondern nur noch um
konkrete Vorschläge, die in Abhängigkeit der
jeweiligen Situation variieren können. Da bei
Homann die Unternehmensethik auf der ordnungspolitischen Ebene verbleibt, würden
von ihm keine Vorschläge für die Umsetzungsebene gemacht. Bei Ulrich werde der
Schritt vom allgemeinen Moralprinzip zur
Umsetzung ohne den Zwischenschritt über
die Anwendungsebene versucht, so dass es
bei ihm zum logischen Fehlschluss vom Sollen zum Sein komme mit einem moralischen
Rigorismus, der den konkreten Problemlagen
nicht gerecht werden könne. Lediglich bei
Steinmann würden konkrete Vorschläge für
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Organisation, Personalwirtschaft usw. entwickelt, allerdings oftmals nicht systematisch
aus der Begründungs- und der Anwendungsebene abgeleitet.
Die von König vorgeschlagene Unterscheidung der Ebenen kann zu einer besser gegliederten Diskussion zwischen den einzelnen Schulen führen und stellt auch einen
sinnvollen Mindestanspruch für unternehmensethische Ansätze dar. Die Diskussion
der einzelnen Ansätze in Bezug auf die jeweiligen Ebenen ist hinsichtlich der Beschreibung der moralischen Probleme und
der Begründungsebene sehr gut gelungen, in
Bezug auf die Anwendungs- und die Umsetzungsebene etwas holzschnittartig geblieben.
Der Beitrag von Bert van de Ven untersucht
die Frage, inwiefern Unternehmen kommunikative und rationale Beziehungen zu ihrer
Umgebung unterhalten und eine moralische
Verantwortung haben. Er weist auf der einen
Seite eine interessante Variante auf der Begründungsebene mit Rekurs auf die Ethik
von Levinas auf und beleuchtet auf der Anwendungsebene die prinzipielle Offenheit
marktlicher und kommunikativer Prozesse,
welche die strategische Verantwortung von
Unternehmen im besonderen Maße herausfordern.
Der zweite Teil „Konzeptionelles“ wird mit
dem Beitrag von Marcus Beiner eingeleitet,
der sich mit der Verbindung von Diskursund Wirtschaftsethik befasst und als Ausgangspunkt seiner Überlegungen die Diskursethik gewählt hat. Dieser Beitrag stellt
eine neue Interpretationsweise des wirtschaftlichen Handelns, insbesondere des
Preissystems, aus Sicht der Diskursethik vor.
Die daraus abgeleiteten Ergebnisse für die
Wirtschaftsethik, die sich aus dieser Interpretation ergeben, bleiben aber noch relativ unkonkret.
Der Beitrag von Ulrich Thielemann entwickelt eine integrative Wirtschaftsethik im
Anschluss an Peter Ulrich als Kritik an anwendungsorientierten und funktionalistischen Ansätzen. Ihm geht es darum den
Trend zur „Gestaltung“ von Wirtschaftsethik
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zu durchbrechen durch eine Hinwendung zu
theoretischen Fragestellungen. Leider bleibt
die Darstellung der integrativen Ethik in der
berechtigten Kritik der beiden anderen Ansätze stecken und läuft dadurch ein wenig ins
Leere, weil sie sich auf einer ganz anderen
Ebene bewegt als die kritisierten Ansätze.
Hier wäre die Unterscheidung in unterschiedliche Ebenen, wie sie König im gleichen
Band vorschlägt, hilfreich gewesen.
Der Beitrag von Stefan Kyora entwickelt zunächst eine Managementethik auf der Basis
von empirisch erhobenen Einstellungen von
Managern und liefert dann eine ethische Begründung hierfür. Als Managementethik versteht er eine Ethik, die sich um Entscheidungskriterien für Managern bemüht und
sich hierbei nicht auf äußeren Druck oder
Appelle beschränkt, sondern an Problemlösungsverfahren und Denkweisen von Managern anknüpft.
Anhand zweier Beispiel (Brent Spar und RU
486) zeigt Kyora in einem ersten Schritt auf,
dass sich in diesen beiden Fällen die betroffenen Manager am Kriterium der gesellschaftlichen Akzeptanz orientierten. Mit
Hinweis auf empirische Untersuchungen
zeigt Kyora, dass die meisten Manager ein
neo- bzw. ordoliberales Weltbild hätten, das
davon ausgeht, dass die Politik die Rahmenordnung schafft, innerhalb derer die Akteure
ihre Interessen verfolgen können. Konflikte
würden als politische Konflikte verstanden,
die aufgrund einer defizienten Rahmenordnung entstünden. Die Manager versuchten
sich nicht moralisch zu verhalten, sondern
strebten gesellschaftliche Akzeptanz an. Als
Verfahren würden nicht Dialoge oder Diskurse mit Betroffenen, sondern Verfahren in
Anlehnung an politische Entscheidungsprozesse bevorzugt.
In einem zweiten Schritt begründet Kyora die
Vernünftigkeit des Kriteriums „gesellschaftliche Akzeptanz“ im Rahmen politischer
Entscheidungsprozesse. Er unterscheidet es
zunächst von „Bargaining“, das nicht den
Respekt vor der Meinung und den Interessen
des Anderen in Form von Grundrechten voraussetzt, und von moralischen Dialogen, da
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bei politischen Entscheidungsfindungen nicht
verlangt werde, dass jede Meinung und jedes
Interesse in einem potentiell unbegrenzten
moralischen Dialog überprüft werde. Ziel sei
daher nicht der Konsens, sondern die Pluralität unterschiedlicher – aber akzeptabler –
Überzeugungen. Kyora verteidigt die Pluralität gegen verschiedene Argumente, die dagegen ins Feld geführt werden, mit Hinweis auf
Popper (Pluralität ist notwendig, um Wissensfortschritte zu erreichen) und auf Wong
(Pluralität ist notwendig, weil die menschliche Urteilskraft begrenzt ist). Als Ergebnis
dieser Überlegungen kann gesellschaftliche
Akzeptanz als Orientierungskriterium in moralisch bedeutsamen Konflikten definiert
werden, wobei die Diskussion, die solchen
Entscheidungen vorausgehe durch gegenseitigen Respekt geprägt sein müsse und die
gewählte Maßnahme keine Grundrechte beeinträchtigen dürfe.
In einem letzten Abschnitt weist Kyora darauf hin, dass in der Praxis das Haupthindernis für ethische Entscheidungsprozesse in
Unternehmen darin liege, dass sich Unternehmen nur selten als politische Akteure verstünden. Die Vorstellung, dass Ethik oder
politische Ansprüche allein in der Rahmenordnung abgegolten werden könnten, wird
von Kyora mit Hinweis auf die Tatsache,
dass Unternehmen zunehmend Adressaten
politischer Forderungen würden, zurückgewiesen. Das Kriterium der gesellschaftlichen
Akzeptanz will Kyora nicht über eine zunehmende Verrechtlichung in die Entscheidungsprozesse der Unternehmen einführen,
sondern über alternative Konfliktbewältigungsmodelle wie z.B. Mediationsverfahren,
da diese besser mit den ordoliberalen Vorstellungen der meisten Manager zu vereinbaren seien. In der Ausgestaltung solcher Verfahren sieht er die Aufgabe der Unternehmensethik.
Insgesamt stellt dieser Beitrag einen originellen Beitrag zur Praxis der Unternehmensethik dar, der den zunächst problematischen
Ausgangspunkt vom Sein zum Sollen argumentativ aufhebt. Der letzte Schritt bei der
Entwicklung dieser Managementethik vom
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Kriterium der gesellschaftlichen Akzeptanz
zu den Mediationsverfahren erfolgt allerdings etwas schnell und könnte besser begründet sein. Auch dürfte sich eine liberale
Managementethik nicht darin beschränken,
die Begründung für die Einführung von Mediationsverfahren zu liefern.
Der Beitrag von Gerrit Popkes eröffnet den
dritten Teil des Sammelbandes, der sich um
die Praxisorientierung dreht. In ihm geht es
um „Globalisierung und unternehmerische
Verantwortung“, wobei Popkes eine verständigungsorientierte, tugendergänzte Individualethik als Gegengewicht zu institutionellen
Wirtschaftsethiken fordert. Leider reduziert
sich die Analyse unternehmerischen Handelns in der Situation der Globalisierung
letztlich auf einen moralischen Appell. Popkes verlässt hiermit die gemeinsame Plattform, die in der Einleitung von Nutzinger definiert worden war und die in der Erkenntnis
besteht, dass Wirtschaftsethik nicht beim
einzelnen Akteur, sondern an den institutionellen Arrangements anknüpfen sollte.
Der Beitrag von Tobias Gößling befasst sich
mit moralischen Kommunikationsprozessen,
mit Hilfe derer Individuen ihre moralischen
Präferenzen gegenüber Unternehmen artikulieren. Der Beitrag geht von der Harmonisierbarkeit von moralischen und ökonomischen Ansprüchen aus, die als gleichberechtigt betrachtet werden. Diese allzu optimistische Prämisse sollte aber nicht dazu verleiten, die Vorschläge zur Optimierung der unternehmerischen Kommunikationsprozesse
zu verwerfen. Allerdings lassen sich sicher
nicht alle ethischen Probleme in und mit Unternehmen auf diese Weise lösen.
Der folgende Aufsatz von André H. J. Nijhof
und Katharina J. Srnka, der ebenfalls Harmonisierungsstrategien zwischen ökonomischen und moralischen Ansprüchen zum
Thema hat, expliziert zunächst, von welcher
ethischen Theorie ausgegangen wird. Es
handelt sich um eine Ethik der Fürsorge,
nach der der Einzelne nicht nur für sich
selbst, sondern durch Mitgefühl und Anteilnahme auch für seinen Nächsten sorgen soll.
Für Manager seien die Nächsten alle von ih-
Rezensionen (ZfP 2/2001)
ren unternehmerischen Entscheidungen betroffenen Personen.
Fünf Strategien zum Umgang mit Konfliktsituationen zwischen moralischen und ökonomischen Ansprüchen werden von den Autoren herausgearbeitet, wobei die ersten beiden, nämlich die Vernachlässigung entweder
der moralischen oder der ökonomischen Verantwortung keine unternehmensethischen
Optionen darstellen. Die dritte Strategie der
Nutzung sozial-dynamischer Mechanismen
bezeichnet die Umwandlung der Konfliktsituation in eine win-win-Situation mit Hilfe
von Kommunikation. Als Beispiele werden
externe Beiträge (z.B. Subventionen oder
Unterstützung durch Medien oder Aktionsgemeinschaften), der Aufbau von Reputation,
der zu Marktvorteilen führt, die Steigerung
der Motivation für die Mitarbeiter und das
Abwenden negativer Reaktionen seitens der
Gesellschaft (Produktboykotte usw.) aufgeführt. Ziel all dieser Kommunikationsprozesse sei die Möglichkeit der Übernahme moralischer Verantwortung ohne wirtschaftliche
Nachteile.
Die letzten beiden Strategien sollen Freiräume für verantwortliches Handeln schaffen.
Diese sollten entweder durch die Verlagerung auf ein höheres Niveau, also durch die
Schaffung oder Änderung einer entsprechenden Rahmenordnung, entstehen oder durch
Zusammenarbeit auf dem gleichen Niveau.
Bei der Verlagerung auf ein höheres Niveau
solle das Unternehmen aktiv auf die Gestaltung der Rahmenordnung hinwirken, welche
die Bedingungen für moralisches Handeln
für alle Beteiligten verbessern soll. Eine Zusammenarbeit auf dem gleichen Niveau erscheine dann vielversprechend, wenn auf
diese Weise Sanktionen durch die Rahmenordnung vermieden werden können (z.B.
durch Selbstverpflichtungserklärungen).
Die vorgestellten Strategien werden didaktisch sehr anschaulich am Beispiel der Konfliktsituation von Shell in Nigeria beleuchtet.
Leider werden die Kosten der Kommunikationsprozesse, die für das Unternehmen entstehen, nicht näher berücksichtigt. Diese
könnten aber eine Erklärung dafür sein, wa-
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rum die Konfliktsituation in Nigeria nicht
mit Hilfe der sozial-dynamischen Mechanismen gelöst werden konnte.
Im letzten Beitrag des Bandes untersuchen
Katharina J. Srnka und André H. J. Nijhof
die Motive von Managern für sozial verantwortliches Handeln. Für unternehmensethisches Handeln allerdings sei letztlich das
Gewissen und die moralisch Intuition des
Einzelnen gefordert; ein Fazit, was angesichts der ausführlichen theoretischen Analyse der sozialen Verantwortung etwas mager
erscheint.
Insgesamt bietet der Sammelband interessante Perspektiven auf neue Entwicklungen der
Wirtschafts- und Unternehmensethik.
Erfurt, 26.4.2001
*
Bettina Hollstein*
Dr. Bettina Hollstein, Jg. 1966, Wissenschaftliche Kollegsreferentin am MaxWeber-Kolleg der Universität Erfurt, Am
Hügel 1, 99085 Erfurt.
Arbeitsgebiete: Wirtschaftsethik, Umweltökonomie, Arbeit und Ehrenamt.
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