Grundlagen (Teil 1) Außenwirtschafts(straf)recht – Ein Tanz auf der Rasierklinge für Leitungspersonen? Unternehmensbezogene Sanktionen und Konsequenzen • Geldbuße: § 30 OWiG (ggf. mit § 130 OWiG) • Verfall: § 73, 75 StGB; § 29 a OWiG, § 36 AWG, • Widerruf bestehender Genehmigungen im Exportbereich • Nichterteilung zukünftiger Ausfuhrgenehmigungen wegen „Unzuverlässigkeit“ • Nichtgewährung von Verfahrenserleichterungen • Negative Publizität • Kosten/finanzielle Nachteile Rechtsanwalt Dr. Ulrich Wastl Rechtsanwalt Dr. Philippe Litzka Vortrag anlässlich des Zollforum Bayern 2009 am 15.07.09 (München) sowie 16.07.09 (Nürnberg) Westpfahl&Spilker § 30 OWiG Geldbuße gegen juristische Personen und Personenvereinigungen (1) Hat jemand 1. als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs, […] 5. als sonstige Person, die für die Leitung des Betriebs oder Unternehmens einer juristischen Person oder einer in Nummer 2 oder 3 genannten Personenvereinigung verantwortlich handelt, wozu auch die Überwachung der Geschäftsführung oder die sonstige Ausübung von Kontrollbefugnissen in leitender Stellung gehört, § 17 OWiG Höhe der Geldbuße […] (4) Die Geldbuße soll den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, übersteigen. Reicht das gesetzliche Höchstmaß hierzu nicht aus, so kann es überschritten werden. eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen, durch die Pflichten, welche die juristische Person oder die Personenvereinigung treffen, verletzt worden sind oder die juristische Person oder die Personenvereinigung bereichert worden ist oder werden sollte, so kann gegen diese eine Geldbuße festgesetzt werden. […] (3) § 17 Abs. 4 und § 18 gelten entsprechend. Westpfahl&Spilker Westpfahl&Spilker 1 Grundlagen (Teil 2) § 130 OWiG Verletzung der Aufsichtspflicht in Betrieben und Unternehmen Folgen für natürliche Personen • Zivilrechtliche Haftung, § 823 Abs 1. und 2 BGB, § 93 AktG, § 43 GmbHG (1) Wer als Inhaber eines Betriebes oder Unternehmens vorsätzlich oder fahrlässig die Aufsichtsmaßnahmen unterlässt, die erforderlich sind, um in dem Betrieb oder Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, die den Inhaber treffen, handelt ordnungswidrig, wenn eine solche Zuwiderhandlung begangen wird, die durch gehörige Aufsicht verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre. Zu den erforderlichen Aufsichtsmaßnahme gehören auch die Bestellung, sorgfältige Auswahl und Überwachung von Aufsichtspersonen. • Verlust des Arbeitsplatzes (2) […] • Negative Publizität (3) […] • Strafrechtliche Folgen, § 34 Abs. 1, 2, 4, 6 AWG (u.U. mit Urkundsdelikten) • Steuerstrafrechtliche Folgen, §§ 370, 373 AO • Geldbußen wegen Ordnungswidrigkeiten: § 33 AWG; § 130 OWiG Westpfahl&Spilker Westpfahl&Spilker Exportkontrollrecht Strafrecht Grundlagen (Teil 3) Maßnahmen zur Haftungsvermeidung Strafrechtliche Ermittlungsmaßnahmen • Organisatorische Voraussetzungen - Schaffung einer Organisation im Unternehmen, die die Einhaltung der Exportvorschriften sicherstellt Schaffung von unternehmensinternen Abläufen zur Exportkontrolle, insb. Exporthandbuch ständige Kontrolle dieser Abläufe • Personelle Voraussetzungen - • Kenntnisverschaffung in der Exportkontrolle (Ausfuhrabfertigung, Außenwirtschaftskontrolle, Spontanhinweise) • (Präventive) Überwachung der Telekommunikation • Invasive Maßnahmen, Durchsuchung Ausfuhrverantwortlicher Leiter der Exportkontrolle Weiterbildung der befassten Mitarbeiter Überwachung der befassten Mitarbeiter Westpfahl&Spilker Westpfahl&Spilker 2 Urteil des BGH vom 15.11.2001 – Rechtliche Beurteilungen/Objektiver Tatbestand Exportkontrollrecht Strafrecht • Der Tatbestand der Untreue gemäß § 266 StGB wird bejaht. • Anforderungsprofil an den subjektiven Tatbestand (Vorsatz/Fahrlässigkeit) • Es liegt der Missbrauchstatbestand vor, definiert dahingehend, dass durch das Können im Außenverhältnis das Dürfen im Innenverhältnis überschritten wird. • Exporthandbuch und Compliance-Programm als Beleg für den subjektiven Tatbestand • Tatbestandserfüllung durch Übernahme unvertretbarer Risiken und damit Verletzung der Vermögensinteressen des Kreditinstituts wird bejaht. • Verstößen gegen die Anforderungen des § 18 KWG kommt Indizwirkung in Richtung auf pflichtwidriges Handeln im Sinne des § 266 StGB zu. • Ausdrückliches Abrücken von der Interpretation eines Urteils des gleichen BGH-Senats (vom 06.04.2000, BGHSt 46, 30) durch die Praxis, wonach bei Verletzung des § 18 KWG Rückschlüsse auf das Eingreifen des Untreuetatbestandes unzulässig sein sollten. Unterschiedliche Ansätze strafrechtlicher Praktiker • Unreflektierte Übernahme von standardisierten Compliance Programmen als Gefahr der Bildung neuer - vermeintlich - objektiver und sicherer Standards • Handlungsanweisungen (SOP’s) bei Durchsuchungen • Email-Verkehr als Beweisquelle Westpfahl&Spilker Westpfahl&Spilker Urteil des BGH vom 15.11.2001 – Rechtliche Beurteilungen/Subjektiver Tatbestand • Im Falle massiver Verstöße gegen § 18 KWG wird seitens des BGH der Vorsatz bei Verwirklichung des Untreuetatbestandes bejaht. • Dass für das Kreditinstitut durch den Täter ein Erfolg des Engagements gewünscht wird, steht der Annahme vorsätzlichen Handelns nicht entgegen. • Die diesbezüglichen Formulierungen des BGH lauten: „Allein auf die Vermögensgefährdung muß sich das Wissenselement beziehen (BGH, wistra, 1993, 265; NSTZ 1999, 353). Das Wissenselement des Schädigungsvorsatzes fällt folglich nicht deshalb weg, weil der Bankleiter beabsichtigt, hofft oder glaubt, den endgültigen Schaden abwenden zu können. Erforderlich ist vielmehr nur, daß der Bankleiter zum Zeitpunkt der Kreditgewährung die Minderwertigkeit des Rückzahlungsanspruches im Vergleich zu der ausgereichten Darlehensvaluta gekannt hat. Dazu freilich reicht bereits seine Kenntnis, der die Vermögensgefährdung begründenden Umstände und das Wissen, daß die Forderung nach allgemeinen Bewertungsmaßstäben nicht als gleichwertig angesehen wird, mag er selbst sie auch anders bewerten (BGH, wistra 1993, 263). Dementsprechend muß sich auch das Billigungselement des bedingten Vorsatzes auf die schadensgleiche Vermögensgefährdung beziehen.“ Westpfahl&Spilker Auszug aus einem „Code of Conduct“ eines Pharmaunternehmens: „Das für die Anwendungsbeobachtung ausgereichte Honorar muß angemessen sein. In der Regel wird davon auszugehen sein, dass pro Patientenerhebung nicht mehr als maximal DM 50.- bis DM 100,- vergütet werden.“ Westpfahl&Spilker 3 Text einer unternehmensinternen Handlungsanweisung bei Durchsuchungen: „Fertigen Sie möglichst zwei Kopien aller Geschäftsunterlagen, von denen die Beamten eine Kopie verlangen – eine für die Beamten und eine für die Gesellschaft. Für alle Informationen in den Kopien oder Unterlagen, die sie gefertigt haben, ist Vertraulichkeit zu beanspruchen. Dies geschieht, wenn irgend möglich, durch Anbringen eines Vermerkes „Vertraulich“ auf den beschlagnahmten Dokumenten“ Westpfahl&Spilker Westpfahl&Spilker Email eines Rechtsanwalts an einen anderen Rechtsanwalt/Steuerberater vom 04.01. (!): „Beigefügt erhalten Sie den wunschgemäß rückdatierten Vertrag, der den Stand unserer Verhandlungen per 03.01. beschreibt.“ Westpfahl&Spilker interne Email einer Mitarbeiterin an den Außendienst eines Pharmaunternehmens: „Beiliegend sende ich Ihnen die Einladungen für das […] Symposium. Wie besprochen, dürfen Sie pro Gebiet 6 Ärzte einladen. […] Im Zusammenhang mit der finanziellen Unterstützung unserer Gäste möchte ich eine wichtige Angelegenheit ansprechen. Die gesetzlichen Bestimmungen (Antikorruptionsgesetz) besagen, dass wir keine Kosten für Begleitpersonen übernehmen dürfen. Bitte weisen Sie die Ärzte darauf hin. […] Sollten Sie sich dennoch gezwungen sehen, eine Begleitperson zuzulassen, müssen wir € 500,00 für Transfer, Hotel und Verpflegung verlangen. Die tatsächlichen Kosten betragen € 1.000,00.“ Westpfahl&Spilker 4 Fazit: Wer zu spät kommt, ... Westpfahl&Spilker 5