Einfach – lecker Gesunde Ernährung mit Fernsehköchin Sarah

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AUSGABE 04/2015
perspektiven
MAGAZIN FÜR BILDUNG UND GESUNDHEIT
Einfach – lecker
Gesunde Ernährung mit
Fernsehköchin Sarah Wiener
und der SRH
MENSCHEN
BILDUNG
GESUNDHEIT
„Manni“ hilft
Beistehen statt dabeistehen
Blaues Wunder im OP
Assistenzarzt mit syrischen Wurzeln behandelt
in seiner Freizeit kranke Flüchtlinge.
In brenzligen Situationen einzugreifen, erfordert
Zivilcourage. Die lässt sich lernen.
Mit einem neuen Verfahren lassen sich
schwierige Knochenbrüche heilen.
Liebe Leserin, lieber Leser,
linge. Seine syrischen Wurzeln helfen ihm nicht nur
sprachlich, seine Patienten besser zu verstehen.
Wie man lernen kann, mit Zivilcourage
durchs Leben zu gehen, erfahren Sie auf Seite 10.
Den guten alten Gipsverband, auf dem sich
der gesamte Freundeskreis verewigen kann, kennen
wohl die meisten von Ihnen. Der ist in der Praxis
noch nicht passé, für schwierige Ausgangslagen
gibt es allerdings längst Alternativen. Eine der neuesten: Heilen mit Blaulicht. Gebrochene Knochen
werden mit Kunststoff verbunden und unter blau­
em UV-Licht ausgehärtet. Das SRH Wald-Klinikum
Gera ist eine der ersten Einrichtungen, die diese Innovation einsetzen. Mehr dazu auf Seite 20.
zwischen Essen und Ernähren können Welten liegen. Dieses alte Sprichwort bringt das Thema unserer aktuellen Titelgeschichte auf den Punkt: Was
macht eine gute Ernährung aus? Und wie bringen
wir sie daheim, aber auch in unseren Krankenhäusern und Hochschulen auf den Tisch? Dazu hat die
SRH zusammen mit Starköchin Sarah Wiener eine
Gesundheitskampagne gestartet. Was es damit auf
sich hat, lesen Sie auf Seite 16.
Um Engagement und Anteilnahme drehen
sich in dieser Ausgabe gleich mehrere Beiträge. Auf
Seite 6 stellen wir Ihnen Manhal Al-Ani, genannt
„Manni“, vor. Der junge Assistenzarzt am SRH Zen­
tralklinikum Suhl versorgt in seiner Freizeit Flücht­
Eine spannende Lektüre wünscht
Ihr
Christof Hettich
Hamburg
SRH im Überblick
Die SRH ist ein führender Anbieter von Bildungs- und GesundheitsBerlin
dienstleistungen. Sie betreibt private Hochschulen, Bildungszentren,
Hannover
Schulen und Krankenhäuser. Mit 11.000 Mitarbeitern betreut die
Magdeburg
SRH 700.000 Bildungskunden und Patienten im Jahr und erwirtschaftet einen Umsatz von 800 Mio. Euro. Der Unternehmensverbund
die Lebenschancen ihrer Kunden zu verbessern.
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Kluge Köpfe, die etwas bewegen möchten, finden im Karriere­center
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Mörlenbach
Heidelberg
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Berufliche Rehabilitationszentren
Bad Wimpfen
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Karlsbad
Stuttgart
Calw
Kliniken
Medizinische Versorgungszentren
Offenburg
Paraguay
Freiburg
Asunción
2
Neresheim
Sigmaringen
Pfullendorf
Oberndorf a. N.
Riedlingen
Lörrach-Zell
Bad Säckingen
Friedrichshafen
Bad Saulgau
München
Titelfoto: Christian Kaufmann, Foto: Ulrike Klumpp
mit Sitz in Heidelberg. Ziel der SRH ist es, die Lebensqualität und
Cottbus
Hamm
steht im Eigentum der SRH Holding, einer gemeinnützigen Stiftung
Inhalt
MENSCHEN
Nur nie aufgeben
Monika Kienle will eigentlich bei einem Autounfall helfen. Dann landet die junge
Mutter selbst mit lebensgefährlichen Verletzungen im Krankenhaus.
„Manni“ hilft
Manhal Al-Ani arbeitet in Suhl als Assistenzarzt und kümmert sich in seiner Freizeit
um Flüchtlinge – Menschen, die aus dem Land seiner Eltern kommen.
Gründer aus Leidenschaft
Schon mit sieben wusste Artur Steffen, dass er mal sein eigener Chef sein will.
Mit 28 hat der SRH Absolvent nun sein zweites Unternehmen gegründet.
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6
8
6
BILDUNG
Beistehen statt dabeistehen
Ein Verletzter liegt an einer einsamen Straße, Betrunkene belästigen eine Frau –
hier einzugreifen, erfordert Zivilcourage. Die lässt sich lernen.
Alles auf einmal
E-Mails hier, Telefonate dort, dazwischen Konferenzen, Papierkram & Co. Wie Mit­
arbeiter und Unternehmen den Alltag gestalten, damit Multitasking nützlich bleibt.
Nachrichten
Ausgezeichneter Schulhof der Zukunft / Ergotherapeut werden an neuer
SRH Fachschule / Selbstorientiertes Lernen an neuer Oberschule
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Fotos: Roger Hagmann, Delf Zeh; Illustration: Chiara Lanzieri
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GESUNDHEIT
Einfach – lecker
TV-Köchin Sarah Wiener und die SRH zeigen in einer neuen Gesundheitsaktion, wie
mit regionalen und saisonalen Bio-Zutaten gesunde Ernährung gelingt.
Blaues Wunder im OP
Blaulicht blinkt nicht nur oben auf dem Rettungswagen. Mit ihm lassen sich auch
Knochenbrüche heilen.
Nachrichten
Suhler Babystation im TV / Dreifache Gefäßkompetenz in Gera / Spatenstich für ein
neues Bettenhaus
Leben im Takt
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Menschen, die auf ein Spenderherz warten, benötigen eine intensive Betreuung.
Das SRH Kurpfalzkrankenhaus Heidelberg ist darauf spezialisiert.
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Nur nie
aufgeben
Monika Kienle will eigentlich bei
einem Autounfall helfen. Stattdessen
landet die junge Mutter selbst mit
lebensgefährlichen Verletzungen
im Krankenhaus – und muss sich
mühsam zurück ins Leben kämpfen.
Text Frank Hidien Fotos Patrick Schmidt
An den 25. Mai 1995 wird sich Monika Kienle ihr Leben
lang erinnern. Obwohl: Das gravierende Ereignis des Tages ist aus ihrem Gedächtnis gelöscht. Die damals 25-Jährige fuhr mit Freunden nach einem Polterabend nach
Hause. Da sah sie es: ein anderes Fahrzeug, das gegen einen Baum geprallt war. Sie hielt an, ihre Freunde eilten
gleich zum Unfall – und an mehr erinnert sie sich bis heute nicht mehr. „Wahrscheinlich bin ich zum Kofferraum
gelaufen, um ein Warndreieck zu holen. In dem Moment
fuhr nach den Erzählungen meiner Freunde ein fremdes
Fahrzeug in das Unfallauto und wurde auf mein eigenes
Auto geschleudert. Ich wurde durch den starken Aufprall
meterweit durch die Luft geworfen.“
Monika Kienle erlitt einen Beckenbruch, ihr linker
Oberarm war zertrümmert, das linke Knie gebrochen.
Die Verletzungen am Kopf waren besonders schwer:
Schädelhirntrauma, ein Blutgerinnsel im Gehirn, der Sehnerv am linken Auge war durchtrennt. Ihr Hausarzt kam
4
perspektiven 04/2015
Koma-Patientin
sofort zum Unfallort. „Er soll mich aufgrund der schweren Verletzungen nicht erkannt haben.“
Im Krankenhaus Heidenheim versetzte man die
junge Frau in ein künstliches  Koma, mehrere Opera­
tionen folgten. Auch an diese Zeit hat Monika Kienle
keine Erinnerungen. „Ich hatte nur eine Art Traum, dass
meine Verwandten mich besuchten und ich nach ihrer
Verabschiedung ans Fenster ging, um ihnen noch zu
winken. Aber das wäre natürlich unmöglich gewesen.“
Nach zwei Wochen beendeten die Ärzte das künstliche
Koma. „Aus den Erzählungen meiner Mutter weiß ich,
dass ich kaum sprechen konnte, da ich durch den Mund
intubiert worden war.“ Ihre Stimmbänder sind bis heute
beeinträchtigt.
ohne zu zögern wieder Ersthilfe bei einem Unfall leisten.
Jener 25. Mai ist für sie eine Art zweiter Geburtstag.
So wie damals gibt ihr auch heute ihre Familie viel Kraft.
Tochter Franziska ist zwölf, ihr Sohn Michael inzwischen
22 Jahre alt. Er arbeitet als Schornsteinfeger. „Und weil
er noch zu Hause lebt, habe ich sowieso immer das
Glück im Haus.“ Ein künstliches  Koma wird
mittels Schmerz- und Schlafmitteln herbeigeführt. Der Patient
wird damit gegen stressbehaftete
Reize von außen abgeschirmt,
um die Erholung des Körpers zu
unterstützen.
Bei einem Wachkoma kommt es
aufgrund schwerer Hirnschädigungen zu einem Zustand, in
dem der Patient zwar Wachheit
zeigt (offene Augen), jedoch kein
Bewusstsein nachzuweisen ist.
Patienten mit einem Locked-inSyndrom haben ein ungestörtes
Bewusstsein, sind jedoch aufgrund einer fast kompletten Lähmung der Muskulatur bewegungsunfähig. Eine Kommunikation ist über Augenbewegungen
möglich.
Energisch durchgebissen
Bereits nach acht Wochen konnte die junge Mutter von
Heidenheim in das SRH Fachkrankenhaus Neresheim verlegt werden. „Hier konnte ich in der Nähe meines Sohnes sein, um den sich damals meine Mutter kümmerte.“
In der auf schwerste Schädelhirntraumata spezialisierten
Einrichtung wurde Monika Kienle noch einmal klar, dass
sie noch Glück im Unglück hatte: „Ich hätte auf beiden
Augen blind sein können, immer noch im Koma liegen
oder schwere Schädigungen davontragen können.“ Der
Austausch mit den vielen Schwerstverletzten hat ihr
Kraft gegeben – neben ihrem Glauben und der Fürsorge
ihrer Familie.
Nach acht Wochen kam Monika Kienle zur Reha
ins SRH Klinikum Karlsbad-Langensteinbach bei Karls­
ruhe. Sechs Monate mühsames Training folgten. „Vor
Schmerzen habe ich geschwitzt und geweint, aber es
half.“ Den Rollstuhl konnte sie irgendwann gegen Krücken eintauschen, und nach und nach gelang der Weg
zurück ins normale Leben. Bereits ein gutes Jahr nach
dem verheerenden Autounfall startete Monika Kienle
ihre Umschulung bei der AOK zur Bürokauffrau – in ihrem alten Beruf als Drogistin konnte sie aufgrund der
Schwerbehinderung nicht mehr arbeiten.
Menschen
„Vor Schmerzen
habe ich geschwitzt und
geweint, aber es half.“
Monika Kienle,
Patientin am
SRH Fachkrankenhaus Neresheim
Das SRH Fachkrankenhaus Neresheim
Seit 1995 in Trägerschaft der SRH, ist das SRH Fachkrankenhaus Neresheim (zwischen
Aalen und Nördlingen in Baden-Württemberg) mit 50 Betten, 16 Intensivbehand-
Von vorne angefangen
lungsplätzen und einem eigenen OP auf die Behandlung von schwersten Schädel-
„Mit 27 Jahren musste ich zusammen mit jungen Leuten
wieder die Schulbank drücken“, erinnert sich Monika
Kienle. Sie paukte Mathematik, lernte Stenografie und
kämpfte mit ihren Konzentrationsproblemen und ihrem
schwachen Kurzzeitgedächtnis als Folgen des Unfalls.
Aber sie bestand die Prüfung früher als ihre Mitschüler,
ein Jahr wurde ihr erlassen, weil sie ja bereits eine Ausbildung hatte.
Trotz des Unfalls, der Spätfolgen und der langen
Reha ist Monika Kienle eine lebensbejahende, fröhliche
Frau. Sie ist mit sich selbst im Reinen und würde heute
hirntraumata sowie Hirnschädigungen spezialisiert. Das bedeutet, dass – anders als
in vielen anderen Kliniken – schon während der Intensivphase, sogar oft bei noch beatmeten Patienten die Rehabilitation losgehen kann. Je früher das passiert, desto
besser für den Heilungserfolg. Zur Mobilisierung der Betroffenen setzt die neurologisch-neurochirurgische Klinik modernste Therapiemethoden ein. Als eine von wenigen Einrichtungen in Deutschland bietet das Fachkrankenhaus, das in diesem Jahr
20-jähriges Jubiläum feierte, auch computerassistierte Therapiesysteme.
www.fachkrankenhaus-neresheim.de
5
Menschen
Flüchtlingsarzt
„Manni“ hilft
 Dr. Manhal Al-Ani behandelt
den Sohn eines irakischen Chris­
ten auf der Pädiatrie-Station im
SRH Zentralklinikum Suhl.
Manhal Al-Ani arbeitet am SRH Zentralklinikum Suhl als
Assistenzarzt und kümmert sich in seiner Freizeit um Flüchtlinge –
Menschen, die aus dem Land seiner Eltern kommen.
 Al-Ani untersucht die Kinder
einer sechsköpfigen syrischen
Familie, welche seit mehreren
Monaten in einem Zimmer im
Flüchtlingsheim wohnt.
Text Kirstin von Elm Fotos Roger Hagmann
„Wer bist du eigentlich?“ – über diese Frage eines syri­
schen Flüchtlings hat Manhal Al-Ani vor Kurzem zum ers­
ten Mal nachdenken müssen. Der 29-jährige deutsche
Arzt mit dem arabischen Namen arbeitet am  SRH Zentralklinikum Suhl. In seiner Freizeit dolmetscht er für die
vielen Arabisch sprechenden Menschen, die in den letzten
Monaten in der thüringischen Stadt angekommen sind
und oft medizinisch versorgt werden müssen. „Die Leute
wundern sich immer, wenn ich sie auf Arabisch anspre­
che“, sagt Al-Ani, dessen Eltern aus Syrien stammen.
Er selbst ist in Deutschland geboren und aufge­
wachsen. Und deshalb liegt die Antwort auf die Frage
nach seiner Identität für ihn auch eigentlich auf der Hand:
„Ich bin ein deutscher Moslem. Außer wunderschönen
Sommerferien in der Kindheit hat mir Syrien nichts gege­
ben.“ Seine Schulzeit hat Al-Ani in Arnsberg im Sauerland
6
verbracht. Dort betreiben seine Eltern seit vielen Jahren
eine Arztpraxis. Studiert hat er – wie sein Vater und seine
beiden älteren Brüder – in der Slowakei, nicht zuletzt ein
Zugeständnis an den hohen Numerus clausus, der Abitu­
rienten den Zugang zum Medizinstudium hierzulande oft
erschwert. Eigentlich schade, findet der angehende HalsNasen-Ohren-Arzt, der am Zentralklinikum auf seinen
Facharzttitel hinarbeitet. „Mit 18 Jahren hat man schließ­
lich nicht immer nur seine Noten im Kopf, und ein guter
Arzt braucht auch noch andere Fähigkeiten.“ Schon als
junger Mann habe er zum Beispiel gerne handwerklich
gearbeitet und an Fahrrädern oder Mofas geschraubt.
Während seines Medizinstudiums – „übrigens kei­
nen Deut leichter als in Deutschland“ – hat Al-Ani zwar
ganz bewusst auch praktische Erfahrungen auf anderen
medizinischen Fachgebieten wie Chirurgie und Kinder­
Das  SRH Zentralklinikum
Suhl ist mit 603 Betten, 21
Fachdisziplinen und sechs zerti­
fizierten Zentren das größte
Krankenhaus Südthüringens.
Pro Jahr werden rund 30.000
Patienten stationär und etwa
45.000 ambulant behandelt.
Die Klinik ist Akutkrankenhaus
und akademisches Lehrkranken­
haus des Uniklinikums Jena.
www.zentralklinikum-suhl.de
perspektiven 04/2015
heilkunde gesammelt. Doch Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde
ist für ihn einfach das perfekte Betätigungsfeld. Einerseits
kann er seine Patienten hier auch konservativ, also nichtope­
rativ behandeln. „Aber trotzdem hat man auch anspruchs­
volle OPs und kann mit seinen Händen arbeiten“, sagt er.
Für Suhl hat sich der junge Assistenzarzt 2014 ganz be­
wusst entschieden, weil er hier bei einem sehr breiten
Spektrum an Operationen assistieren kann und, anders
als in anderen Kliniken, wöchentlich im OP-Saal steht. Er
freut sich über den Teamgeist und den freundschaftli­
chen Umgang untereinander. „Die meisten Kollegen nen­
nen mich einfach Manni“, erzählt er lachend.
Verständnis für Spannungen
Auch wenn Suhl mit seinen rund 36.000 Einwohnern im
August wegen einer gewaltsamen Auseinandersetzung
unter Asylbewerbern in die Schlagzeilen geriet, kann AlAni die angeblich gerade in Ostdeutschland voranschrei­
tende Ausländerfeindlichkeit nicht bestätigen. Im Gegen­
teil: „Ich bin sehr stolz darauf, Deutscher zu sein, wenn
ich sehe, wie hilfsbereit die Menschen hier sind“, sagt er.
Allerdings findet er es wichtig, die vielen Flücht­
linge möglichst rasch zu integrieren: „Diese Menschen
sind jetzt hier, und viele werden auch bleiben“, sagt er.
Davon könne sein Heimatland Deutschland profitieren,
voraus­gesetzt Zuwanderung und Eingliederung werden
gut organisiert. Hier sieht er durchaus noch Defizite, die
schlimmstenfalls – wie im Sommer – in Aggression und
Gewalt enden können. So leben im Erstaufnahmelager
in Suhl derzeit 1.800 Menschen aus verschiedensten Na­
tionen und mit unterschiedlichen Religionen auf engem
Raum zusammen. Fast alle haben Schlimmes erlebt und
sorgen sich um ihre Zukunft oder um zurückgelassene An­
gehörige. „Das ist so, als ob Sie 1.800 Fans von verschie­
denen Fußballclubs in ein Haus stecken, wo sie den gan­
zen Tag lang nichts zu tun haben und nicht wissen, wie
es morgen für sie weitergeht“, verdeutlicht Al-Ani, „jeder
würde in so einer Situation reizbar werden.“
einrichtung würde er
sich zusätzliche Dol­
metscher dringend
wünschen. Denn auf­
grund von Verständi­
gungsproblemen schi­
cken die Einsatzkräfte
dort immer wieder
Menschen als Notfälle
ins Krankenhaus, die
eigentlich nur eine
Schmerz­tablet­te oder
etwas Ruhe bräuchten.
Nicht zuletzt
durch die gemeinsame
Sprache kommt „Man­
ni“ Al-Ani den Flücht­
lingen sehr nah. Viele
seien schüchtern und
verängstigt, oftmals so­
gar traumatisiert, weiß
er aus vielen Gesprä­
chen. Aber sie tauen
schnell auf, zeigen Freude und Dankbarkeit, wenn man
ihnen Verständnis entgegenbringt: „Ich bin überzeugt,
dass sie sich gut in unsere Gesellschaft integrieren werden­,
wenn man ihnen offen begegnet“, sagt er. Im Kleinen lie­
ße sich das schließlich schon heute im Krankenhaus beob­
achten, wo Ärzte verschiedener Nationen und Reli­gionen
tagsüber Patienten versorgen und abends als Freunde
zusammen ausgehen. Ein syrischer Arzt, der Anfang des
Jahres als Flüchtling in Suhl ankam, wird bald im Zentral­
klinikum anfangen, sobald er seine Berufserlaubnis erhal­
ten hat. Der Vertrag ist bereits geschlossen. Manhal AlAni freut sich auf die Verstärkung. Der Mediziner spielt im
Flüchtlingsheim mit einem
syrischen Jungen.
Von hier kommen die meisten Asylbewerber
Rund jeder zweite Asylbewerber spricht Arabisch
Gemeinsame Sprache schafft Nähe
Nicht zuletzt Verständigungsprobleme sorgen auf allen
Seiten für Frust und Stress. In seiner Freizeit betätigt sich
der junge Arzt, der fließend Arabisch spricht, deshalb im
Krankenhaus und im Flüchtlingsheim als Dolmetscher. Ne­
ben den Flüchtlingen aus Syrien sprechen auch Menschen
aus dem Irak und einigen afrikanischen Ländern Arabisch.
Auch wenn ihm der ehrenamtliche Einsatz viel
Freude macht, stößt Al-Ani zeitlich regelmäßig an seine
Grenzen: „Wir sind hier im Krankenhaus nur drei Arabisch
sprechende Kollegen. Wenn die anderen im Urlaub oder
verhindert sind, dann glüht mein Piepser“, sagt er. Vor al­
lem in der Medizinstation des voll belegten Erstaufnahme­
Sonstige
Syrien
24,9 %
41 %
Serbien 5 %
Irak
6,1 %
Afghanistan
7 %
Albanien
16 %
Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, 9/2015
7
Gründer aus Leidenschaft
Schon als Siebenjähriger weiß Artur Steffen, dass er später sein eigener
Chef werden will. Mit 28 hat der Berliner SRH Absolvent bereits sein zweites
Unternehmen gegründet.
Artur Steffen vor einem
Werbeplakat für sein neues
Unternehmen: MedLango
bietet Dolmetscherdienste
für ausländische Patienten
in Deutschland an.
Text Liane Borghardt Foto Espen Eichhöfer
Bananen, zuerst fallen ihm Bananen ein, wenn er an sei­
ne Anfangszeit in Deutschland zurückdenkt, sagt Artur
Steffen und lacht sein kurzes, tiefes Lachen. Sieben Jahre
ist er alt, als er 1995 mit seinen Eltern aus der heutigen
kasachischen Hauptstadt Astana nach Berlin zieht. Bana­
nen hat er bis dahin noch nie gegessen, und er kann
nicht genug davon bekommen. Die Hälfte der Großfami­
lie lebt schon in Berlin, Aussiedler aus Kasachstan und der
Ukraine, „mit Migrationswurzeln, aber deutscher Identi­
tät“, erklärt Steffen. Trotzdem ist dem Jungen Artur erst
8
einmal alles fremd. Früchte, Süßigkeiten – für seine
Klassenkame­raden ist es normal, dass alles immer ver­
fügbar ist. „Ich kam aus einer ganz anderen Kultur“,
erinnert sich der 28-Jährige. Aus einer, in der schon von
Grundschul­kindern Disziplin verlangt wird. „Du musst ler­
nen, damit später etwas aus dir wird“, mahnten die Er­
wachsenen ihre Kinder in Kasachstan und meinten damit
vor allem materiellen Wohlstand. „In Deutschland heißt
,etwas aus sich machenʹ auch glücklich zu werden“, sagt
er. Der Wunsch der eigenen Eltern war für ihn normal,
perspektiven 04/2015
Unternehmertum
„Es ist toll, in einer
Firma zu arbeiten, die
man selbst
geschaffen hat.“
Artur Steffen,
Gründer und Geschäftsführer von MedLango
der der Deutschen gefiel ihm. Heute hat Artur Steffen
bereits seine zweite Firma gegründet, die Liste seiner be­
ruflichen Stationen ist lang. Um diese Leidenschaft zu
verstehen, muss man tatsächlich zwei Jahrzehnte zurück­
blenden, zu den prägenden Eindrücken seiner Kindheit.
Früh auf eigenen Füßen
Fleißig, selbstständig sein, das lernt Artur Steffen schon
als Kind. Die Eltern arbeiten viel, die Mutter als Allgemein­
medizinerin an der Berliner Charité, der Vater in der eige­
nen urologischen Praxis. Nach der Schule ist der Sohn
allein zu Hause und macht sauber. Von den abend­lichen
Tischgesprächen behält er vor allem eines zurück: Wäh­
rend die Mutter etwa über die Arbeitsbelastung im Kran­
kenhaus klagt, entscheidet der Vater selbst über die Öff­
nungszeiten. „Mir schien es einfacher, sein eigener Chef
zu sein“, erinnert sich Steffen.
Mit 14 Jahren putzt er fürs Taschengeld die väterli­
che Arztpraxis. Später fotografiert er Touristen am Berliner
Fernsehturm, fährt Pizza aus und wirbt für die „Berliner
Zeitung“. 500 Passanten am Tag ansprechen, „die Akqui­
se von null auf hundert“, das macht ihm Spaß. „Man hat
eine Strategie und weiß nicht, ob sie aufgeht.“ Er mag
die Herausforderung und spricht von einer „Challenge“.
Der junge Mann wählt seine Worte mit Bedacht.
Entfernte osteuropäische Färbung, hier und da ein Angli­
zismus. Die Eltern schicken ihren Sohn ab der neunten
Klasse auf eine englische Privatschule, die Berlin British
School. Hier glauben sie ihn besser aufs Berufsleben vor­
bereitet. Das Abitur macht Steffen zusammen mit Kindern
von Anwälten, Diplomaten und Top-Managern. Sein Geld
gibt er für Markenkleider aus, er will zur „Elite“ gehören,
reich werden. Sein schneller Blick für Chancen legt eine
Karriere im Investmentbanking nahe. Ein Wirtschaftsstudi­
um in London sowie Praktika bei großen Bankhäusern fol­
gen. Und plötzlich beginnt Artur Steffen zu zweifeln. Die
Bestverdiener um ihn herum erscheinen ihm „gar nicht so
glücklich“. Auch der Job erfüllt ihn nicht. „Banker ist ein
anderes Wort für Verkäufer“, sagt er. Statt Menschen et­
was zu verkaufen, will er sie lieber beraten.
Menschen
Mutig in Marktlücken
 Retas Medical Assistance
Nach dem Studium bewirbt er sich in Russland als Broker
für Getreide. Doch eine Hitzewelle legt den Handel lahm.
In seiner Ratlosigkeit besinnt Steffen sich auf ein echtes
Interesse, den Medizintourismus. Um sein Studium zu fi­
nanzieren, hat er wohlhabende Russen als Übersetzer
zu Fachärzten begleitet. Für russische Privatpatienten ist
Deutschland Ziel Nummer eins. Steffen ergreift die Chan­
ce: Er zieht den Vermittlungsdienst  Retas für russische
Patienten in deutsche Krankenhäuser hoch, baut in nur
sechs Monaten ein Callcenter auf. Beseelt vom ersten Er­
folg weiß er wieder, was er eigentlich will: ein eigenes
Unternehmen professionell planen, aufbauen und führen.
Genau das lernt er, zurück in Deutschland, im Stu­
diengang Entrepreneurship an der SRH Hochschule Ber­
lin, seinem „Befreiungsschlag“, wie Steffen die Zeit an
der Hochschule nennt. Seine zweite Geschäftsidee führt
die erste fort: ein Dolmetscherservice für ausländische
Patienten. Für Steffen auch ein persönliches Anliegen: In
einer Sprache nicht hundertprozentig zu Hause zu sein,
kennt er aus eigener Erfahrung. Patienten aus einer ande­
ren Kultur sind nervös, die Ärzte unter Zeitdruck – eine
unselige Mischung. Mit seiner Masterarbeit, in der er sei­
ne Geschäftsidee ausarbeitet, wird Steffen zum „Experten
für das eigene Thema“, seit August ist die Online-Platt­
form  MedLango freigeschaltet.
Mittlerweile arbeitet Steffen mit rund 800 Dol­
metschern in 40 deutschen Städten zusammen, beschäf­
tigt sieben Mitarbeiter. Ein Einzelkämpfer ist der Jungun­
ternehmer nicht. „Viele Träume lassen sich nur mit einem
Team verwirklichen“, sagt er. Zwei Räume seiner Dreizim­merwohnung in Berlin-Charlottenburg hat er zum
Büro umfunktioniert, für den Rückzug ins Private bleiben
ihm zehn Quadratmeter. Die Einschränkung fällt ihm
nicht schwer. „Glück“, sagt er, „bedeutet für mich, von
meiner Selbstverwirklichung leben zu können.“ Bingo. organisiert für russische Patien­
ten die Behandlung in deut­
schen Krankenhäusern. Mit
seiner ersten Firma finanzierte
Gründer Artur Steffen sein Mas­
ter-Studium Entrepreneurship
an der SRH Hochschule Berlin.
www.retas.ru
Beim Hamburger Gründerwett­
bewerb Startups@Reeperbahn
mit mehr als 100 Bewerbern
schaffte es Artur Steffen jüngst
mit  MedLango, ­seiner Dol­
metscher-Vermittlung für aus­
ländische Patienten, unter die
ersten fünf Platzierten.
www.medlango.com
Für Unternehmenslustige
Die SRH Hochschule Berlin ermöglicht Studenten mit dem viersemestrigen Masterprogramm Entre­
preneur­ship, eine Geschäftsidee praktisch umzusetzen. Experten begleiten sie dabei. Außerdem vermitteln
sie Kontakte zu Kapitalgebern oder helfen, Fördergelder zu beantragen. Dank kleiner Studiengruppen
können individuelle Fragen im Gründungsprozess diskutiert werden. Ebenso tauschen Absolventen sich
über das Ehemaligen-Netzwerk der Hochschule mit anderen Gründern sowie Dozenten aus. Das Studium
beginnt zum Wintersemester, Unterrichtssprache ist Englisch.
Studium  Entrepreneurship
www.srh-hochschule-berlin.de  9
Bildung
Zivilcourage
Beistehen statt dabeistehen
Ein Verletzter liegt nachts an einer einsamen Landstraße, Betrunkene
belästigen eine Frau – in solchen Situationen einzugreifen, erfordert
Zivilcourage. Die lässt sich lernen.
Text Kirstin von Elm
10
hilfsbedürftige Mädchen. Doch selbst auf dem Dorf, wo
die Menschen sich besser kennen, boten rund 70 Prozent
der Passanten keinerlei Unterstützung an. Bundesweit
sorgt der Bystander-Effekt regelmäßig für traurige Schlagzeilen, wenn mal wieder das Opfer eines Angriffs oder
Unfalls einfach sich selbst überlassen wurde.
Wegschauen ist nur allzu menschlich
Wer nicht an dieser Barriere im Kopf scheitern will – sei
es, um als potenzieller Helfer im richtigen Moment aktiv
zu werden oder um als Opfer im Ernstfall erfolgreich Hilfe
einzufordern –, der müsse zunächst die psychologischen
Zusammenhänge verstehen, erklärt Professor Musolesi.
Denn der Bystander-Effekt speist sich weniger aus Bosheit
oder Gleichgültigkeit als vielmehr aus drei sozialpsychologischen Komponenten. Da wäre zunächst die Verantwortungsdiffusion: „In Gruppensituationen sinkt das Verant-
Foto: pixelaway – Fotolia
Ein Mädchen sitzt weinend am Straßenrand, am Knie eine
blutige Schürfwunde. Sie ist ganz allein – und das bleibt
sie auch: Die meisten Passanten, darunter sogar Mütter
mit Kindern, laufen einfach vorbei, ignorieren sie. Es klingt
hart, doch Prof. Dr. Frank Musolesi, Dekan der Fakultät für
Angewandte Psychologie an der SRH Hochschule Heidelberg, wundert die mangelnde Anteilnahme kaum. Seit
Jahren untersucht der Professor die verschiedenen Facetten prosozialen Verhaltens. Zum Glück war das Kind nur
der Lockvogel in einem Feldversuch, den seine Studenten
2014 durchgeführt haben, die Wunde war nicht echt.
Das Experiment belegt einmal mehr: Je anonymer
das Umfeld, desto ausgeprägter der sogenannte Bystander-Effekt. So bezeichnen Psychologen das Phänomen des
tatenlosen Vorbeigehens oder Dabeistehens in einer offensichtlichen Notsituation. Ähnlich wie bei anderen Versuchen ignorierten mehr als 90 Prozent der Städter das
perspektiven 04/2015
Zivilcourage
Die  SRH Fachschule für
Sozialwesen ist eine der 23
Fachschulen der SRH. Seit mehr
als 30 Jahren werden hier Jugend- und Heimerzieher ausgebildet. Im Rahmen eines Theaterprojekts drehten Fachschüler
ein Video zum Thema Zivilcourage, das der SWR 2014
zeigte (www.swrfernsehen.de,
„Spur des Verbrechens Teil 1“ in
die Suchfunktion, ab Minute 21)
www.fachschulen-soziales.de
wortungsgefühl drastisch, da jeder die Verantwortung bei
den anderen sieht“, erklärt der Heidelberger Psychologe.
Ein weiteres Hemmnis sei die weitverbreitete Angst, etwas falsch zu machen und sich zu blamieren. Gleichzeitig
wirke die Untätigkeit der anderen selbstverstärkend, nach
dem Motto: Wenn niemand eingreift, ist die Situation
wohl harmlos – in der Psychologie auch als pluralistische
Ignoranz bezeichnet.
Wer versteht, was im Kopf abläuft, wird bei einer
Notsituation bereitwilliger helfen. Und auch als Opfer lässt
sich mit diesem Wissen besser Hilfe einfordern. Der wichtigste Tipp: Umstehende gezielt ansprechen. „Zeigen Sie
mit dem Finger auf die Person, die Sie meinen, und formulieren Sie Ihren Hilferuf möglichst konkret“, rät Frank
Musolesi. „Zum Beispiel: ‚Sie da, mit der blauen Jacke, ich
werde bedroht, rufen Sie schnell die Polizei.‘ So kann sich
keiner hinter den anderen verstecken oder den Ernst der
Lage ignorieren.“ Theoretisch ist jeder Bürger sogar zur
Hilfe verpflichtet. Wer bei Unglücksfällen oder bei „gemeiner Gefahr oder Not“ nichts unternimmt, obwohl das erforderlich und zumutbar wäre, muss laut § 232c Strafgesetzbuch sogar mit bis zu einem Jahr Gefängnis rechnen.
Verbündete suchen
Wie man sinnvoll Hilfe leistet, ohne sich selbst in Gefahr
zu bringen, vermitteln zum Beispiel Zivilcourage-Trainings,
wie sie in vielen Städten regelmäßig stattfinden. In Heidelberg bietet etwa der Verein Kommunale Kriminalpräven­
tion Rhein-Neckar unter der Regie einer Theaterpäda­
gogin und zweier Präventionsexperten von der Polizei
Heidelberg solche Trainings an. Auch Firmen oder Institutionen können Kurse für Mitarbeiter buchen. Schüler des
SRH Berufsbildungswerks Neckargemünd haben bereits
mehrfach an so einem Zivilcourage-Kurs teilgenommen.
Bildung
Wie ein Training aussehen kann, zeigt ein Video, das
Schüler der  SRH Fachschule für Sozialwesen in Heidelberg zusammen mit der Landesschau des Südwestrundfunks gedreht haben. In der Ausbildung der angehenden Jugend- und Heimerzieher an der Fachschule
spielen Zivilcourage und Konfliktverhalten eine wichtige
Rolle. Der Film zeigt, wie die Kursteilnehmer in der Gruppe verschiedene Situationen durchspielen, die sich täglich
und überall ereignen können: Zwei Männer belästigen
eine Frau, auf dem Bahnsteig prügeln sich Jugendliche,
ein Zeuge versucht, Hilfe zu rufen.
Oberste Regel: Nicht den Helden spielen, sondern
sich möglichst Verbündete suchen. „Sagen Sie ganz klar,
worum es geht, damit sich Ihre Mitstreiter auf die Situa­
tion einstellen können“, rät Kursleiter Reiner Greulich von
der Polizei den Teilnehmern. So lassen sich Aufgaben
beispielsweise sinnvoll verteilen: Der kräftige junge Mann
hier kommt am besten gleich mit, und die Dame in der
roten Jacke ruft die Polizei.
Gerade in einer aufgeheizten, gewaltbereiten
Situa­tion ist es zudem wichtig, die Täter nicht weiter zu
provozieren, sondern sich dem Opfer zuzuwenden und
ihm zu signalisieren: Ich helfe dir. Auf keinen Fall sollte
man auf den aggressiven Tonfall der Täter eingehen:
„Bleiben Sie unbedingt beim Sie, das schafft Distanz“, rät
Kriminalhauptkommissar Greulich. So lässt sich bei anderen potenziellen Helfern zugleich der kontraproduktive
Eindruck vermeiden, persönlich in die Situation verwickelt
und deshalb allein für Hilfe verantwortlich zu sein.
Wer ein Zivilcourage-Training besuche, sei anschließend zwar nicht automatisch gerüstet für jeden Fall, so
Reiner Greulich. Doch kritische Situationen in einem
­sicheren Umfeld durchzuspielen, kann der erste Schritt
zu mehr Zivilcourage im Ernstfall sein. Eingreifen ist nicht selbstverständlich
Helfer gefragt, keine Helden
Schon Kleinigkeiten können ausreichen, um eine Straftat zu verhindern und
Umfrage unter 1.800 Bundesbürgern über 16 Jahre:
„Wie würden Sie bei einem gewaltsamen Übergriff reagieren,
etwa wenn ein Mann im Bus verprügelt wird?“
­potenzielle Opfer zu schützen. Niemand muss den Helden spielen, aber einfach
wegsehen ist keine Lösung. Deshalb empfiehlt die Polizei:
 Ich helfe, ohne mich selbst in Gefahr zu bringen.
 Ich fordere andere aktiv und direkt zur Mithilfe auf.
 Ich beobachte genau und präge mir Täter-Merkmale ein.
 Ich organisiere Hilfe unter Notruf 110.
 Ich kümmere mich um Opfer.
 Ich stelle mich als Zeuge zur Verfügung.
42 %
„Kommt drauf an.“
15 %
„Ich würde eher nicht
eingreifen.“
38 %
„Ich würde eher
eingreifen.“
5 %
„Ich weiß nicht.“
Mehr unter: www.polizei-beratung.de ( Themen und Tipps  Zivilcourage)
Quelle: Roland Rechtsreport 2011
11
So klappt Multitasking besser
 Routinen helfen: Nur Aufgaben
zeitgleich machen, die sich stark
vereinfachen lassen, etwa beim Telefonieren nur offensichtliche SpamMails löschen.
 Gut planen: Aufgaben, die in zwei
Minuten erledigt sind, sofort in An-
griff nehmen, andere notieren und
sich später vornehmen.
 Tätigkeiten bündeln: Mails beispielsweise konzentriert am Stück
bearbeiten. Für andere Aufgaben
dann Outlook schließen und Anrufbeantworter anschalten.
den Urlaub. Statt drei Wochen am
 Für Abwechslung sorgen: HerStück genügt schon eine Woche,
ausfordernde Aufgaben mit ein­
um aufzutanken.
fachen Jobs wie Kopieren oder
­Abheften abwechseln. Das steigert  Arbeit im Büro lassen: E-Mails
und Anrufe stören das Privatleben,
die Leistungsfähigkeit.
das man zur Erholung benötigt.
 Viele kurze Pausen einschieben:
Das gilt für Arbeitstage wie auch für
Multitasking im Job
Bildung
Alles auf einmal
E-Mails hier, Telefonate dort, dazwischen Konferenzen, Papierkram, Fristen.
Wie Mitarbeiter und Unternehmen den Berufsalltag gestalten können, damit
Multitasking nützlich bleibt.
Text Susann Lorenz Illustrationen Chiara Lanzieri
Der Feierabend rückt näher, der Tag war ausgefüllt mit
verschiedensten Aktivitäten, aber so richtig vorangekommen ist man nicht, das wichtigste Projekt liegt immer
noch brach. Dieses unbefriedigende Gefühl dürften die
meisten Menschen kennen. In der Fülle von Aufgaben
geht manchmal der Blick für das Wesentliche verloren. Im
„Stressreport Deutschland 2012“ der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin geben 58 Prozent der Befragten an, dass ihre Tätigkeit oft die gleichzeitige Betreuung verschiedenartiger Aufgaben verlangt. Damit steht
 Multitasking auf Platz eins der Arbeitsanforderungen.
Die meisten Arbeitnehmer schaffen es irgendwie,
mit vielen simultanen Anforderungen zurechtzukommen.
Ohne die richtigen Rahmenbedingungen und Strategien
für Multitasking und Selbstorganisation drohen jedoch
Leistungsabfall und Stress. „Die menschliche Informa­
tionsverarbeitung hat ihre Grenzen. Gleichzeitig mehrere
anspruchsvolle Aufgaben mit dem besten Ergebnis zu erledigen, funktioniert eigentlich nicht“, sagt Prof. Dr. An­
dreas Zimber, der an der SRH Hochschule Heidelberg lehrt
und forscht.
 Aktuelle Schwerpunkte seiner Arbeit sind die
Anforderungen moderner (Büro-)Arbeit und Strategien zur
erfolgreichen Bewältigung. Studien mit Berufstätigen und
Studenten zeigen: Die am häufigsten beschriebenen Konsequenzen von Multitasking sind Veränderungen in der
Arbeitsleistung und der erlebten Beanspruchung. Je komplexer und schwieriger eine Aufgabe ist und je länger sie
dauert, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Leistung und Produktivität leiden. Es passieren häufiger Fehler, und die Ergebnisqualität sinkt. Bei mittelschweren
Multi­taskinganforderungen dagegen nehmen Beschäftigte
ihre Leistungen eher positiv wahr.
Parallele Aufgaben verlangen zusätzliche kognitive
Kapazitäten, vor allem im Arbeitsgedächtnis. Menschen
kompensieren, indem sie sich stärker anstrengen und
20 Minuten sind nötig,
um nach einer Ablenkung
wieder die volle Konzentration für
die ursprüngliche Tätigkeit
aufzubringen.
über sich hinauswachsen. Kurzfristig wirkt Multitasking
aktivierend und kann sogar positive Emotionen hervor­
rufen. „Stress entsteht nur, wenn Mitarbeiter keinen
Handlungsspielraum haben, also nicht aktiv Einfluss auf
die Bearbeitung nehmen können, oder wenn die Ressourcen nicht ausreichen“, sagt Professor Zimber.
Zu den langfristigen Folgen von Multitasking seien
dagegen noch viele Forschungsfragen offen. Die bishe­
rigen Ergebnisse zeigen aber, dass die Gesundheit leidet,
wenn hohe Anforderungen über längere Zeit bestehen
bleiben und Erholung ausbleibt.
Mehrere komplexe Aufgaben in
einem bestimmten Zeitraum
­parallel erledigen, so definieren
Wissenschaftler  Multi­
tasking. Das geht über das
­verbreitete Verständnis hinaus,
zwei Dinge gleichzeitig zu tun,
wie zum Beispiel Auto zu fahren
und dabei ein Gespräch zu führen. Aus dem Arbeitsalltag ist
Multitasking nicht wegzudenken, obwohl das Gehirn dies
nur eingeschränkt leisten kann.
Freiräume machen leistungsfähig
Damit es so weit nicht kommt, müssen Unternehmen und
Mitarbeiter am selben Strang ziehen. Zunächst sind Arbeitgeber gefragt, die passenden Rahmenbedingungen
für Multitaskingsituationen zu schaffen. Am wichtigsten
ist es, dass Führungskräfte regelmäßig mit den Beschäftigten kommunizieren. „Mitarbeitergespräche sind dafür da,
Ziele und Anforderungen genau festzulegen und auf die
Kompetenzen von Mitarbeitern abzustimmen. Dabei wird
häufig vergessen, den erforderlichen Zeitaufwand zu definieren“, betont Jörg Hasenclever, L­ eiter der Crestcom
Führungsschulen Deutschland, die bundesweit Businessund Managementtrainings für F­ ührungskräfte anbieten.
Das sei allerdings unverzichtbar, ­da­­mit Beschäftigte ihre
Aufgaben eigenverantwortlich planen und priorisieren
Die Ergebnisse der neuesten
Forschung sind im Ratgeber
 „Multitasking. Komplexe
Anforderungen im Arbeits­
alltag verstehen, bewerten
und bewältigen“ zusammengefasst.
(Andreas Zimber, Thomas Rigotti, Verlag Hogrefe, Reihe Managementpsychologie, Band 1,
2015, 163 Seiten, 29,95 Euro)
13
Bildung
Multitasking im Job
können. Dazu gehört auch die Frei­heit, Arbeitszeit flexibel einzuteilen. Nicht überall möglich, aber unerlässlich
für die Konzentration sind Einzel­büros. Zumindest sollte
die Möglichkeit gegeben werden, einen persönlichen Arbeitsbereich abzugrenzen oder sich zurückzuziehen.
Ist die optimale Struktur gegeben, liegt es am
­Mitarbeiter, eine individuelle Strategie für Multitasking zu
entwickeln. Der erste Schritt zur Besserung ist die Beobachtung der eigenen Arbeitsweise. „Das läuft in der Regel
darauf hinaus, dass Zeitdiebe identifiziert werden“, sagt
Andreas Zimber.
Wer die eigenen Schwächen kennt, kann sie gezielt
angehen und das Verhalten langfristig ändern. Ganz oben
auf der Maßnahmenliste für Selbstorganisation steht: Prioritäten setzen. Aufgaben müssen nach Notwendigkeit und
Dringlichkeit sortiert und gegebenenfalls delegiert werden.
„Viele Menschen verwechseln interessante und angenehme Dinge mit notwendigen und wichtigen“, weiß Hasenclever. Im Training rät er Führungskräften sogar, das Wichtigste zuerst zu tun und alles andere gar nicht. Das wäre
der Idealfall. Aber auch schon eine stärkere Konzentration
auf Prioritäten bringt enorme Fortschritte.
Erholung muss sein
Sind die Aufgaben klar, geht es darum, die verfügbare
Zeit ergebnisorientiert einzuteilen. Wie viel Zeit wird wann
und wofür investiert? Was kann delegiert werden? In einem realistischen Arbeitsplan sind Pufferzeiten unerlässlich, um Unvorhergesehenes abzufedern.
Der gefährlichste Gegner für das Einhalten des Arbeitsplans sind Ablenkungen. „Durchschnittlich alle elf
Minuten erfolgt eine Störung. Um wieder in die ursprüngliche Arbeit zurückzufinden, dauert es ganze 20 Minuten“,
schätzt Hasenclever. Unterbrechungen ganz zu vermeiden, ist utopisch, aber sie können mit einfachen Maßnahmen kontrolliert und reduziert werden (siehe Tipps S. 12).
„Mails haben zum Beispiel eine hohe Anziehungskraft und
sind deshalb schlecht für das Zeitmanagement. Ein paar
Nachrichten lesen, das geht zwar schnell. Häufig ergeben
sich daraus aber neue Aufgaben, die aus der aktuellen
und wichtigen Tätigkeit herausreißen“, warnt Zimber. Besser sei es, je nach Bedarf zwei- oder dreimal täglich Mails
bewusst zu bearbeiten.
Das Arbeitsgedächtnis wird durch Multitasking
stark beansprucht und sollte deshalb regelmäßig entlastet
werden. Neurowissenschaftler empfehlen, im Arbeits­
ablauf bewusst zwischen anspruchsvollen Aufgaben und
einfachen Routineaktivitäten zu wechseln. Durch das ausgewogene Verhältnis von Beanspruchung und Erholung
14
Analysieren Sie:
Wie viel Zeit wird wann
und wofür investiert?
Was kann delegiert werden?
In einem realistischen Arbeitsplan
sind Pufferzeiten unerlässlich,
um Unvorhergesehenes
abzufedern.
werden Ressourcen wiederhergestellt. Das beste Mittel
zum Erholen bleiben regelmäßige Pausen, die laut
Andreas Zimber aktiv geplant werden sollten bezüglich
Zeitpunkt und Dauer. Häufige kurze Pausen von fünf bis
zehn Minuten seien am besten geeignet, um Ermüdung
entgegenzuwirken.
Die Theorie im persönlichen Alltag praktisch um­
zusetzen, ist eine Herausforderung, weiß Zimber. Rückschläge sind dabei ganz normal. „Davon sollte sich aber
niemand entmutigen lassen.“ Dieser Beitrag erschien zuerst im Magazin „Gesundheitsmanager“,
Ausgabe 4/2015.
perspektiven 04/2015
Nachrichten
Bildung
NACHRICHTEN
Ausgezeichneter Schulhof der Zukunft
Ein Baumhaus mit Zugang für Rollstuhlfahrer, ein Seilparcours, eine Malwand, ein Garten mit Duftpflanzen und
eine „Sitzarena“ – der Schulhof der SRH Stephen-Haw­
king-Schule in Neckargemünd ist alles andere als eine eintönige Betonwüste. Das fanden auch die Stiftung Lebendige Stadt und die Deutsche Umwelthilfe. Sie zeichneten
den neu gestalteten Pausenhof als einen von bundesweit
zehn Gewinnern ihres Wettbewerbs „Schulhof der
Zukunft 2015“ aus. Überzeugt hat die Jury, dass der
Schulhof gemeinsam mit den Kindern so geplant und
gebaut wurde, dass sich Schüler mit und ohne Körperbehinderung ganz nach ihren eigenen Bedürfnissen auspowern oder ausruhen können. Auch die Pflege wird von
den Klassen übernommen. So wird der Pausenhof künftig
im Unterricht seinen festen Platz bekommen, zumal er so
angelegt ist, dass die Schüler dort den Wechsel der Jahreszeiten miterleben und nachvollziehen können. Die
SRH Stephen-Hawking-Schule wird die 2.000 Euro Preisgeld in bewegungsfördernde Spiele investieren.
Auf dem barrierefreien Schulhof der SRH Stephen-Hawking-Schule finden Kinder mit und
ohne Körperbehinderung Plätze zum Spielen, Verstecken oder Klönen.
www.stephenhawkingschule.de
Fotos: SRH
Ergotherapeut werden an
neuer SRH Fachschule
Ergotherapeuten unterstützen Menschen,
die durch Behinderung oder Krankheit körperlich oder geistig eingeschränkt sind,
zum Beispiel nach einem Schlaganfall oder
bei Demenz. Oder sie helfen Kindern über
Lernschwierigkeiten, Entwicklungsverzögerungen und Koordinationsschwächen hinweg. Sie sind also sehr gefragt und haben
einen abwechslungsreichen Beruf. Die dreijährige Ausbildung dafür bietet die SRH
Schulleiterin Susanne Breuer und Simon Ruf,
jetzt auch in Heidelberg an. Dort hat die
Geschäftsführer SRH Fachschulen GmbH
SRH zum 1. Oktober die Domus Therapiae
Fachschule für Ergotherapie übernommen. „Die Fachschule ist eine ideale Ergänzung für
unser Ausbildungsangebot in der Metropolregion Rhein-Neckar. Gleichzeitig profitieren
unsere neuen Mitarbeiter und Fachschüler von den Kooperationsmöglichkeiten mit den
SRH Kliniken und Hochschulen“, sagt Simon Ruf, Geschäftsführer der SRH Fachschulen
GmbH. Die Domus Therapiae Fachschule wurde 1994 als erste Ergotherapeutenschule in
Heidelberg gegründet. Derzeit lernen dort 41 Fachschüler.
www.fachschulen-gesundheit.de
Selbstorientiertes Lernen an
neuer Oberschule
In Dresden war die SRH mit der SRH Montessori-Grundschule bisher schon mit einem Bildungsangebot für Erstbis Viertklässler präsent. Pünktlich zum Start des Schuljahres 2015/2016 ist nun auch eines für Schüler der
Klassen fünf bis zehn an den Start gegangen. Die neue
SRH Oberschule Dresden bildet bis zum Realschulabschluss aus und stellt selbstorganisiertes, forschendes,
vernetztes und praxisbezogenes Lernen in den Mittelpunkt. Über ein Lerntagebuch und wöchentliche Rückblicke üben die Kinder beispielsweise selbstorientiertes
Lernen ein, fächerverbindender Unterricht und Arbeiten
in Projekten öffnen ihren Blick für Zusammenhänge und
das große Ganze. Schüler, die im Anschluss das Abitur
machen möchten, können ab 2021 das angegliederte
Berufliche Gymnasium besuchen. Zurzeit lernen die
Schüler der Oberschule in den Räumen der Montessori-Grundschule. 2017 sollen sie in die Lockwitzer Schule,
die bis dahin umfangreich saniert wird, umziehen.
www.srh-oberschule.de
perspektiven 03/2015
15
Gesundheit
SRH Aktion zu gesunder Ernährung
 Sarah Wiener, 53, ist eine
der bekanntesten Köchinnen
Deutschlands und setzt sich für
eine nachhaltige regionale und
saisonale Küche und Lebensmittelproduktion ein. Aus dem Fernsehen kennt man sie etwa durch
ihre „Kulinarischen Abenteuer“Reisen auf ARTE oder „Kerners
Köche“ im ZDF. Sie führt eine
Catering-Firma und das Sarah
Wiener Café und Restaurant in
Berlin, vertreibt nachhaltige Lebensmittel und betreibt einen Biohof in Brandenburg. Jüngst hat
ihre Stiftung zusammen mit der
Krankenkasse Barmer GEK die Initiative „Ich kann kochen!“ gestartet, die Kinder für gesunde Ernährung und Kochen begeistern will.
16
perspektiven 04/2015
SRH Aktion zu gesunder Ernährung
Gesundheit
Einfach – lecker
Krankenhausküche neu gedacht: TV-Köchin Sarah Wiener und die SRH
zeigen in einer gemeinsamen Initiative, wie mit regionalen und saisonalen
Bio-Zutaten gesunde Ernährung gelingt.
Text Ulrike Heitze
Dunkellila und goldgelb glänzt es in der Riesenpfanne auf
dem Edelstahlherd. Auberginen- und Kartoffelwürfel
brutzeln leise in etwas Rapsöl vor sich hin. Nebenan kochen Zwiebeln, Tomaten, Oregano, Thymian und Chili zu
einer dicklichen Masse ein. Ein Koch vermischt Petersilie
und frische Minze mit Honig – das Dressing für einen
bunten Obstsalat. Ein Hauch von Toskana liegt in der Luft.
In der Großküche des SRH Zentralklinikums Suhl
entstehen an diesem Morgen im November zwei Dutzend
vegetarische Haupt- und Nachspeisen aus vorwiegend
­saisonalen und regionalen Bio-Zutaten: geschmorte Auberginen mit Tomaten und Esskastanien, Kürbis-KartoffelRagout mit Bergkäse und Kürbiskernen, aber auch Exo­
tischeres wie marokkanische Linsensuppe und gekochter
Spinat mit indischem Käse. Unterm Strich wohl kaum davon etwas, was man sich gemeinhin unter Krankenhauskost vorstellt. Und doch werden genau diese Gerichte in
den kommenden Monaten in elf SRH Krankenhäusern regelmäßig auf dem Speiseplan stehen. Wer möchte, kann
sich vor Ort Rezeptkarten fürs Nachkochen mitnehmen
oder sie aus dem Internet herunterladen (siehe S. 19).
Fotos: Andreas Friedrich / fredmcfar.com
Frisch, regional, saisonal & bio
Die Gerichte machen den Kern der aktuellen Gesundheits­
initiative der SRH aus: In Zusammenarbeit mit Fernseh­
köchin Sarah Wiener haben die SRH Kliniken erstmals eine
vegetarische Bio-Menüserie speziell fürs Krankenhaus entwickelt. „Die SRH ist 2016 seit einem halben Jahrhundert
im Gesundheitswesen tätig. Daher wissen wir, dass eine
ganzheitliche Betrachtung des Patienten wichtig ist, und
dazu gehört eben auch eine gesunde und abwechslungsreiche Ernährung“, erklärt Werner Stalla, Geschäftsführer
der SRH Kliniken. „Mit der Aktion möchten wir das Bewusstsein für dieses so wichtige Thema schärfen und zudem zeigen, dass nachhaltige Küche auch in der Gemeinschaftsverpflegung möglich ist.“
Geboren worden war die Idee zur gemeinsamen
Sache auf dem Deutschen Stiftungstag in Hamburg. „Die
SRH als Stiftung war dort ebenso zu Gast wie Sarah Wiener mit ihrer Stiftung. Und im Gespräch zeigte sich, dass
Sarah Wiener (3.v.l.) mit SRH Team (v. l.: Andreas Rausch,
Ilona Hohnhäuser, Werner Stalla, Simone Kuhn, Frederic Hachmeister)
wir eine ganz ähnliche Sicht auf unsere Verantwortung in
der Öffentlichkeit haben“, berichtet Simone Kuhn, Leiterin
Marketing und Förderstiftung bei der SRH Holding. „Warum also nicht unsere Kompetenzen zusammentun?“ Im
November gab es in den SRH Kliniken bereits eine ganze
Woche lang täglich eine Sarah-Wiener-Mahlzeit zur Auswahl, bis Mai 2016 dann einmal wöchentlich.
„Ich finde, dass gerade kranke Menschen eine
­gesunde und schmackhafte Nahrung verdienen. Jeder, der
mal krank war, weiß, wie man sich da fühlt und was einen wieder aufbaut“, meint Fernsehköchin Wiener, die
sich sehr für einen nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln und Ressourcen einsetzt (siehe Interview S.18).
Deshalb kommen im Rahmen der SRH Aktion ausschließlich frische regionale und saisonale Bio-Zutaten
zum Einsatz. Die Menü-Auswahl ist so gestaltet, dass sie
ebenso in einem Restaurant zu finden sein könnte. Alles
wird frisch zubereitet. „Bei der Zusammenstellung bin ich
zum einen nach dem gegangen, was ich persönlich in so
einer Situation gerne essen würde“, erklärt Sarah Wiener.
„Zum anderen sollte es bekömmlich sein und gleichzeitig
Kraft geben.“ Und nicht zuletzt müssen alle Speisen in ei-
So wird Ernährung vollwertig
Die Deutsche Gesellschaft
für Ernährung rät:
1. Abwechslungsreich essen.
Nur mit einem variantenreichen
Speiseplan bekommt man alle
Nährstoffe, die der Körper
braucht. Tipp: Überwiegend
pflanzliche Lebensmittel wählen.
2. Reichlich Getreidepro­
dukte und Kartoffeln.
Brot, Getreide, Nudeln, Reis (alles am besten aus Vollkorn) und
Kartoffeln enthalten viele Vitamine, Mineral- und Ballaststoffe.
3. Fünfmal Obst und
Gemüse am Tag.
Ideal: fünf Portionen – jeweils
eine gut gehäufte Hand voll –
Obst und Gemüse pro Tag.
Möglichst frisch, nur kurz gegart, hin und wieder auch als
Saft oder Smoothie.

17
NACHGEFRAGT
SRH perspektiven: Was ist für Sie eine gute
Ernährung?
Sarah Wiener: Vor allem muss sie sinnlich, schmackhaft und
köstlich sein. Unser Handicap dabei ist: Wir haben verlernt zu
schmecken. Unser Geschmacksgedächtnis kennt nur noch
künstliche Aromen, die unsere Wahrnehmung manipulieren.
Wir kennen gar nicht mehr den wahren Geschmack vieler Dinge. Und wir lassen unsere Kinder
schon mit so einem Nachteil ins Leben starten.
Was muss sich ändern?
Die Grundvoraussetzung ist, dass wir wieder selbst und frisch kochen. Mit frischen Lebensmitteln.
Anders haben Sie gar nicht unter Kontrolle, was in Ihrem Essen steckt.
Und Bio für alle?
Haben wir denn eine Wahl? Wenn man sich mit Herstellungsweisen unserer Lebensmittel befasst,
sieht man schnell, dass dafür rund um den Globus massenweise Ressourcen verschleudert und
Existenzen zerstört werden. Den Preis für unsere billigen Lebensmittel zahlen vor allem andere.
Nicht zuletzt die nachfolgenden Generationen. Deshalb müssen wir viel mehr ökologisch produzieren. Nur das ist nachhaltig.
4. Milch täglich, Fisch
zweimal pro Woche, Fleisch
und Eier seltener.
Milchprodukte (bis zu einem
Viertelliter pro Tag, fettarm) liefern wichtiges Calcium, Seefisch
(nachhaltiger Herkunft) bringt
Jod, Selen und Omega-3-Fettsäuren. Fleisch und Wurst auf 300
bis 600 Gramm pro Woche begrenzen. Weißes Fleisch (BioGeflügel) ist unterm Strich gesünder als rotes (Rind, Schwein).
ner Großküche umsetzbar sein. Denn Gerichte in wirklich
großen Stückzahlen herzustellen, ist etwas ganz anderes
als für das heimische Esszimmer oder für ein Restaurant.
Vom Frühstück bis zum Abendessen benötigen die
SRH Kliniken allein für die Patienten 6.000 Mahlzeiten
täglich. Zählt man die Klinikmitarbeiter sowie die Belegschaft und die Kunden an den Bildungseinrichtungen hinzu, so hat die SRH Dienstleistungen GmbH, die die meisten SRH Küchen unter ihren Fittichen hat, stolze 13.000
Mahlzeiten pro Tag zuzubereiten.
5. Fett sparen.
Nicht mehr als 60 Gramm Fett
pro Tag bei Frauen, 80 Gramm
bei Männern. Statt tierische Fette
(enthalten viel von den für Herz
und Kreislauf schädlichen gesättigten Fettsäuren) lieber pflanzliche nehmen (ideal: un­gesättigt).
Fast Food, Fertig­gerichte, Milchund Süßwaren enthalten meist
mehr Fett als vermutet.
Akribische Vorplanung nötig
6. Zucker und Salz in Maßen.
Lebensmittel und Getränke mit
viel Zucker sollte es nur hin und
wieder geben (Limit: 50 Gramm

18
„Wir haben im Vorfeld für jedes Gericht der Menüserie
alle Fertigungsschritte durchspielen müssen“, berichtet
Frederic Hachmeister, der das Catering bei der SRH
Dienst­leistungen leitet. Deshalb fand im November auch
der eingangs beschriebene Kochmarathon mit allen SRH
Klinikküchenchefs statt. „Wir mussten klären, wie die
Zutaten vom Lieferanten kommen und welche Arbeitsschritte bei uns nötig sind“, erklärt Hachmeister. Die
Bio-Gerichte erfordern zum Beispiel etwas mehr Zeit und
zusätzliche Handgriffe, etwa weil es längst noch nicht
alle Bio-Gemüse frisch gewürfelt im Großhandel zu kaufen gibt. „Und dann ging es natürlich darum, welche
Mengen an Gemüse, Kräutern und Gewürzen benötigen
wir eigentlich pro Gericht? Dies von den Zutaten für eine
Portion durch ­reines Multiplizieren auf 300 Mahlzeiten
hochzurechnen, funk­tioniert erfahrungsgemäß nicht.“
Die größte Herausforderung beim Bekochen von
Patienten sind allerdings die Strecken und Zeiten, die ein
Gericht von der Küche bis zum Krankenbett zurückzulegen hat. Der Gast sitzt schließlich nicht wie im Restaurant
gleich vor der Küchentür. Je nach Klinik ist das Essen 30
bis 90 Minuten unterwegs, bis es den Patienten erreicht.
Und dort soll es dann ansehnlich, schmackhaft und nahrhaft sein. Dank modernster Küchentechnik lassen sich solche Hürden inzwischen gut nehmen. So werden Gerichte
zum Beispiel nur halb fertig gegart, dann schnell stark
­abgekühlt, um den Garprozess zu stoppen. Erst auf dem
Weg zum Patienten wird die Mahlzeit in speziellen Servierwagen oder alternativ in den Stationsküchen auf den
Punkt gegart. „Das Verfahren ist anspruchsvoll“, stellt Cateringchef Hachmeister fest. „Aber wir haben Spezialisten,
die ein Händchen für das richtige Timing haben. Dennoch
mussten wir für alle Gerichte austesten, wie weit vorgegart werden muss und wie groß unsere Spielräume sind.“
Im Zuge der Aktion sind nun alle SRH Klinikküchen
nach Bio-Standard zertifiziert. Das bedeutet etwa, dass
Bio- und konventionelle Lebensmittel strikt getrennt voneinander gelagert werden müssen. Die Bio-Qualität der
Zutaten wird beim Einkauf durch das sechseckige Bio-Siegel nach EG-Öko-Verordnung gewährleistet.
„Mengenverpflegung ist ein wirklich komplexes
Thema“, weiß auch Sarah Wiener als Chefin eines Catering-Unternehmens. „Und es besteht immer Kostendruck.
Umso höher ist es der SRH anzurechnen, dass sie sich
auch hier für eine nachhaltigere Ernährung einsetzt.“
Studierende für gute Ernährung begeistern
Aber nicht nur in den SRH Krankenhäusern hat gesunde
Ernährung einen hohen Stellenwert, sondern auch in
den Bildungsunternehmen. An der SRH Fernhochschule
Riedlingen beispielsweise ist sie folgerichtig Schwerpunktthema im Bachelorstudiengang Lebensmittelmanagement
und -technologie. In der Mensa „Cube“ der SRH Hochschule auf dem Heidelberger SRH Campus haben Studierende und Mitarbeiter schon seit Jahren täglich auch
mindestens ein vegetarisches Gericht zur Wahl.
Und die SRH Fachhochschule für Gesundheit Gera,
die Spezialisten für den Wachstumsmarkt Gesundheit
ausbildet, verankert das Thema „Gesundheit leben“ bei
Studierenden und Mitarbeitern durch monatliche Aktionen. So veranstalten beispielsweise die angehenden Medizinpädagogen einen Gesundheitstag mit Gemüse und
gesunden Dips. Regelmäßig zum Semesterstart gibt es ein
gesundes Frühstück von Studenten für Studenten. Ein anderes Mal stehen einen ganzen Monat lang für alle kostenlos frisches Obst oder Ingwer- und Zitronentee bereit,
perspektiven 04/2015
Foto: Andreas Friedrich / fredmcfar.com
„Wir haben verlernt
zu schmecken.“
SRH Aktion zu gesunder Ernährung
begleitet von Rezepten für den Studentenhaushalt. Bleibt
die Frage, warum sich die Menschen mit gesunder Ernährung überhaupt so schwertun. Warum lässt einen der innere Schweinehund immer wieder zu Fast Food statt zum
Apfel greifen? Waltraud Eggstein, Leiterin der SRH Fachschulen für Diätassistenz in Heidelberg, sieht zwei Ursachen: „Zum einen ist es immer schwierig, Verhalten zu
ändern.“ Wer nicht schon von klein auf mit vollwertiger
Ernährung vertraut ist, für den ist es im Erwachsenenalter
schwierig, sich neue Gewohnheiten zuzulegen. Viele
wüssten gar nicht mehr, wie gesunde E­ rnährung geht.
Und: „In unserer Überflussgesellschaft haben wir die Verlockungen ständig vor der Nase. Hier ein Schokoriegel,
da ein Softdrink. Alles ganz einfach zu haben. Da fällt
es schwer, immer Nein zu sagen.“ Mit der Gesundheits­
aktion der SRH und Sarah Wiener gibt es nun ein paar
Verlockungen mehr – nur diesmal gesunde. Zucker pro Tag), Gleiches gilt
für Salz. Lieber zu Kräutern und
Gewürzen greifen.
7. Viel trinken.
1,5 Liter Flüssigkeit am Tag sollten es mindestens sein. Ideal:
Wasser und energiearme Getränke wie ungesüßte Früchte- und
Kräutertees. Gezuckerte Getränke
und Alkohol dagegen nur gelegentlich und in kleinen Mengen.
Gesundheit
9. Nieder mit der Hast.
Körper und Geist haben mehr
vom Essen, wenn man sich Zeit
dafür nimmt. Das fördert auch
das Sättigungsgefühl.
10. In Bewegung bleiben.
Wer gute Ernährung mit aus­
reichend Sport (30 bis 60 Mi­
nuten pro Tag) kombiniert,
­behält sein Gewicht besser unter Kontrolle und bleibt fit.
8. Schonend zubereiten.
Geschmack und Nährstoffe
­bleiben besser im Essen, wenn
die Lebensmittel bei niedrigen
Temperaturen möglichst kurz,
mit wenig Wasser und wenig
Fett gegart werden.
Quelle:
Deutsche Gesellschaft für
Ernährung
www.srh-kliniken.de
„Mit der Aktion
möchten wir das Bewusstsein
für das so wichtige
Thema ‚Gesunde Ernährung‘
schärfen.“
Werner Stalla,
Geschäftsführer der SRH Kliniken
PIKANTE
KICHERERBSEN
MIT FRISCHEM
GEMÜSE UND
SESAM
Zutaten:
2 Zucchini
2 Paprika gelb
4 Tomaten
2 Zwiebeln
6 EL Sesam, ungeschält
6 EL Rapsöl
1 Dose Kichererbsen (Abtropfgewicht 800 g)
2 TL gemahlener Kreuzkümmel schwarzer Pfeffer aus der Mühle
1 TL gemahlener Zimt
unbehandeltes Salz
1 Prise getrockneter Chili
6 EL Sauerrahm
So geht’s:
1. Das Gemüse waschen, putzen – beziehungsweise pellen – und in haselnussgroße
Würfel schneiden. Den Sesam in einer Pfanne trocken anrösten.
2. Das Öl in einem Topf erhitzen und das Gemüse sowie die Gewürze darin anrösten.
100 ml Wasser dazugeben und bei geschlossenem Deckel auf kleiner Flamme etwa
20 Minuten köcheln lassen.
3. Die Kichererbsen dazugeben und bei offenem Deckel so lange einkochen, bis sich
eine sämige Soße ähnlich einem Ragout bildet. Mit Pfeffer und Salz abschmecken.
Fotos: Lutz Jaekel, SRH
4. Die Kichererbsen auf Tellern anrichten, mit Sauerrahm garnieren und mit dem
Sesam bestreuen.
Die Rezepte zu allen Hauptgerichten aus der SRH Aktion zum
Im Vorfeld kochten die Küchenchefs alle Gerichte
zur Probe, um die richtigen Mengen und Garzeiten
zu finden (rechts: das Kürbis-Kartoffel-Ragout).
Herunterladen und Nachkochen:
www.srh-kliniken.de/sarah-wiener-bei-srh.html
19
Gesundheit
Neues Verfahren bei Knochenbrüchen
Blaues Wunder im OP
Chefarzt Oberbeck im
Nachsorge-Gespräch
mit seinem Patienten
Siegfried Hilbert
20
Foto: Jens Voigt
Blaulicht blinkt nicht nur oben auf dem Rettungswagen. Mit ihm
lassen sich auch Knochenbrüche heilen. Das SRH Wald-Klinikum
Gera ist bundesweit eine der ersten Einrichtungen, die mit dieser
Methode arbeiten.
Neues Verfahren bei Knochenbrüchen
Gesundheit
Illustrationen: IlluminOss Medical, Inc.
Text Julian Kerkhoff
Ein ausgiebiger Spaziergang, der Gang zum Supermarkt
um die Ecke oder die Arbeiten im Haushalt – für die meisten Menschen sind solche Aktivitäten selbstverständlich.
Siegfried Hilbert dagegen weiß seine Mobilität jeden Tag
aufs Neue zu schätzen. Was es nämlich bedeutet, plötzlich nicht mehr laufen zu können, ist dem 79-Jährigen im
vergangenen Jahr schmerzlich bewusst geworden. „Ich
ging mit meinem Hund spazieren und knickte mit meinem
linken Fuß um. Es gab einen lauten Knacks, und das war
es dann“, erinnert sich der Rentner. Der Hausarzt stellte
einen Wadenbeinbruch fest und schickte ihn ins Krankenhaus. „Nie hätte ich gedacht, dass man sich so leicht die
Knochen brechen kann“, sagt Siegfried Hilbert.
„Im hohen Alter werden die Knochen poröser, und
damit steigt auch das Risiko für Knochenbrüche“, erklärt
Prof. Dr. Reiner Oberbeck, Chefarzt der Klinik für Unfall­
chirurgie am SRH Wald-Klinikum Gera. „Mittlerweile ist
mehr als jeder zweite Knochenbruch-Patient bei uns älter
als 60 Jahre“, so Oberbeck. Dabei reichen bei älteren
Menschen oft schon kleinere Unfälle. Ursache ist häufig
die im Alter deutlich höhere Sturzgefahr verbunden mit
einer dünneren Knochenstruktur, der sogenannten  Osteoporose. Das ist eine Erkrankung des Skelettsystems,
die häufig ältere Menschen trifft und die Knochen schleichend ihrer Festigkeit beraubt. Sehr selten kann auch ein
Tumor den Knochen befallen und seine Stabilität so beeinträchtigen, dass er schon bei Normalbelastung bricht.
Wenn solche Brüche dann operiert werden müssen, wird es mit herkömmlichen Methoden oft schwierig.
„Sowohl bei Osteoporose als auch bei Tumorerkrankungen bieten die Knochenstrukturen aufgrund ihrer geringen Dichte häufig nicht genügend Halt, um einen Bruch
in herkömmlicher Weise mit Schrauben, Nägeln und Platten zu stabilisieren“, erklärt der Chefarzt. Bei alten Menschen kommt hinzu, dass hier die oft 15 bis 20 Zentimeter
langen Operationswunden wegen schlechter Durchblutung, Vorerkrankungen wie der Blutzucker-Krankheit oder
einfach wegen der dünnen und schlecht belastbaren Haut
nicht gut heilen. Auch diese Faktoren können zu schweren Komplikationen führen. Zudem besteht die Gefahr
von Verletzungen an Blutgefäßen und Nervenbahnen.
Füllungen wie beim Zahnarzt
Auch bei Siegfried Hilberts altersporösen Knochen und
seiner durch frühere Operationen geschädigten Haut kamen die gängigen Maßnahmen nicht infrage. Doch statt
einer Stahlplatte mit vielen Schrauben bekam Hilbert als
einer der ersten Knochenbruch-Patienten in Deutschland
eine neue Behandlungsmethode: die Intramedulläre
 Osteoporose ist eine chronische Erkrankung, bei der sich die
Knochenmasse viel schneller als
normal verringert. In der Folge
werden die Knochen zunehmend
porös und können dadurch bereits bei alltäglichen Belastungen
brechen. Besonders gefährdet
sind die Wirbelsäule, der hüftnahe Oberschenkel und der Unterarm. In Deutschland sind 26 Prozent der über 50-Jährigen von
Osteoporose betroffen, insgesamt 7,8 Millionen Menschen.
Von diesen erleiden jedes Jahr
vier bis fünf Prozent eine Fraktur.
So funktioniert das innovative Blaulicht-Verfahren
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Bei einer Blaulicht-OP wird zu Beginn
des Eingriffs zunächst der gebrochene
Knochen bis über die Bruchlinie hinaus
mit einem Bohrer geöffnet. Dabei entsteht ein knöcherner Kanal. In ihn wird
der zusammengefaltete Ballon-Katheter eingeführt und innerhalb des Knochenhohlraums bis hinter den Bruch
geschoben.
Im zweiten Schritt wird der Ballon-Katheter mit dem flüssigen Spezialkunststoff aufgefüllt. Hierdurch dehnt sich der
Ballon aus, bis er den gesamten Knochenhohlraum ausfüllt und so den Knochen von innen heraus stabilisiert.
Nun wird mithilfe eines im Katheter
befindlichen Lichtleiters UV-Licht bis ans
Ende des Implantats geleitet. Dieses
führt eine photochemische Reaktion
herbei, unter der der flüssige Kunststoff
innerhalb von sechs bis zehn Minuten
vollständig aushärtet. Den Knochen stabilisiert jetzt eine feste Plastikschiene,
die quasi knochenhart ist.
Im letzten Schritt der Operation wird
der Lichtleiter aus dem Knochen entfernt, sodass nur der ausgehärtete Plastikkörper im Knochen verbleibt. Dann
kann die Wunde verschlossen werden.
21
Gesundheit
Neues Verfahren bei Knochenbrüchen
Polymerosteosynthese, bei der die gebrochenen Knochenteile durch Kunststoff stabilisiert werden. Hierzu wird ein
Spezialballon in den Innenraum der Knochen eingebracht.
Dieser wird anschließend mit Kunststoff aufgefüllt und
mit blau schimmerndem UV-Licht ausgehärtet, sodass aus
dem flüssigkeitsgefüllten Ballon ein passgenauer, stabiler
Kunststoffkörper entsteht, der den Knochen stabilisiert
(Grafik S. 21). Ein Vorgang, der in der Zahnmedizin bereits
Prof. Dr. Reiner Oberbeck,
Chefarzt Unfallchirurgie
seit 50 Jahren in ähnlicher Weise für die Aushärtung von
Kunststofffüllungen zur Anwendung kommt.
Gegenüber herkömmlichen Verfahren hat die
„Blaulicht-OP“ einige Vorteile: Es sind keine großen Schnitte mehr nötig. Zudem bieten die Kunststoff-Implantate
auch bei Brüchen Halt, bei denen Nägel und Schrauben
nur unsicher verankert werden können. Wenn nötig, können Schrauben und Platten eingebracht werden, die dann
nicht im Knochen, sondern im Kunststoff fest verankert
werden. Und da, wo keine zusätzlichen Halterungen aus
Metall nötig sind, muss das Kunststoff-Implantat nicht
mehr aus dem Körper entfernt werden. Weitere Operationen werden dem Patienten so erspart. „Als der Chefarzt
mir dieses Verfahren vorschlug, habe ich gar nicht lange
überlegen müssen und gleich eingewilligt. Ich hab doch
Vertrauen in die Ärzte hier“, bekräftigt Siegfried Hilbert.
Auch der Chefarzt ist von dem noch jungen Blaulicht-Verfahren begeistert. „Die Einsatzmöglichkeiten kristallisieren sich zunehmend heraus“, beobachtet Reiner
Oberbeck. In Gera wird die Methode seit wenigen Monaten angewandt, zwölf poröse Knochenbrüche konnten
bereits damit gekittet werden.
Patienten mit ansonsten stabilen Knochen und guten Weichteilen können auch weiterhin mit den etablierten OP-Verfahren gut versorgt werden, so Oberbeck. Zudem kommen die Kunststoff-Implantate auch nicht für
alle Knochen infrage. So beschränkt sich die Anwendung
aktuell auf bestimmte Brüche an Ober- und Unterarm,
Wadenbein und Becken. Und schließlich sei die aufwendi-
22
Prof. Dr. Reiner Oberbeck
demonstriert an einem
gläsernen Modellknochen
die Wirkung des Blaulichts.
ge Methode derzeit auch noch relativ teuer. „Ich bin aber
zuversichtlich, dass Blaulicht-OPs dank des medizinischen
Fortschritts günstiger werden und auch bei anderen Brüchen Anwendung finden“, sagt Oberbeck, in dessen Unfallklinik rund 2.400 Unfallopfer pro Jahr operiert werden.
Für Siegfried Hilbert jedenfalls war das BlaulichtVerfahren ein voller Erfolg. Schon zehn Tage nach dem
Unfall konnte er wieder wie gewohnt laufen. Zurück blieben bei ihm statt langer Narben lediglich kleine Wund­
male­. „Vor Kurzem erst habe ich wieder eine ganze Woche lang jeden Tag auf der Leiter gestanden und Äpfel
gepflückt“, freut sich der Rentner. „Und gleich gehe ich
noch eine Runde mit dem Hund.“ www.waldklinikumgera.de
So lässt sich Osteoporose vorbeugen
Auf regelmäßige körperliche Betätigung achten. Vor allem Krafttraining
kann das Osteoporose-Risiko senken.
Genügend Calcium zu sich nehmen. Besonders Milch, Sojabohnen,
Mineralwasser, Brokkoli, Nüsse, Grünkohl und Rucola helfen, Zähne und
Knochen stabil zu halten.
Vitamin-D-Mangel vermeiden, etwa durch ausreichend Sonnenlicht oder
Lebensmittel wie Hering, Lachs und Sardinen, aber auch Avocado und Eier.
­Vitamin D wird benötigt, um Calcium in die Knochen einbauen zu können.
Übermäßigen Alkoholgenuss vermeiden, denn dieser hat eine schädliche Wirkung auf Zellen, die für den Aufbau von Knochensubstanz zuständig sind.
Mit dem Rauchen aufhören, weil Tabakrauch die Knochendichte verringert.
Quelle: Dachverband Osteologie e. V.
Foto: SRH
„Die Einsatzmöglichkeiten
des noch jungen Verfahrens
kristallisieren sich
zunehmend heraus.“
perspektiven 04/2015
Nachrichten
Gesundheit
NACHRICHTEN
Suhler Babystation im TV
Fachärztin Esther Hannes-Simon begleitete die
Dreharbeiten und gab fachliche Auskunft
Klein, niedlich und hilfsbedürftig – Babys
lassen Herzen höher schlagen. Deshalb
sind Geburtsstationen in Krankenhäusern
beliebte Drehorte. Gleich zwei TV-Sender
waren deshalb in den vergangenen
­Monaten zu Gast in der Geburtsklinik des
SRH Zentralklinikums Suhl. Sie wollten
den Alltag in einer Geburtsklinik doku­
mentieren. Den Anfang machte RTL II mit
Dreharbeiten für das Format „Die Baby­
station – Jeden Tag ein kleines Wunder“.
Die Sendung begleitet werdende Mütter
während der Geburt und zeigt die ersten
Schritte als Familie. Der Sender SAT.1 wie­
derum filmte für seine Reportagereihe
„24 Stunden“ vor allem den Arbeitsalltag
des Klinikpersonals. „Es war spannend,
Fotos: SRH, Eva Teicher / SRH
Dreifache Gefäßkompetenz in Gera
Aller guten Dinge sind drei:
Das Gefäßzentrum am SRH
Wald-Klinikum Gera ist von
den Deutschen Fachgesell­
schaften für Angiologie
(DGA), für Radiologie (DRG)
und für Gefäßchirurgie
(DGG) zum zweiten Mal in
Folge seit 2010 zum Inter­
disziplinären Gefäßzentrum
gekürt worden. In Thürin­
gen ist das Gefäßzentrum in
Gera derzeit die einzige Ein­
richtung mit einem solchen
Oberarzt Tobias Kroeßner untersucht bei einer
Dreierzertifikat. Es garantiert
Patientin die Bauchschlagader per Ultraschall.
Patienten mit Erkrankungen
der Arterien oder Venen eine fachübergrei­
trum eine Mindestzahl von 800 Gefäß­
fende Zusammenarbeit von Gefäßchirur­
patienten jährlich versorgen kann und eine
gen, Internisten und Radiologen. Je nach
Betreuung rund um die Uhr sichergestellt
Stadium der Krankheit, dem Alter und dem
ist. Insgesamt gibt es deutschlandweit 41
Allgemeinzustand können Betroffene so
Einrichtungen, die von der DGA, der DGG
medikamentös, mittels minimalinvasiver
und der DRG als Interdisziplinäre Gefäß­
Katheterverfahren oder operativ behandelt
zentren geführt werden.
werden. Darüber hinaus wird durch die
Zertifizierung bescheinigt, dass das Zen­
www.waldklinikumgera.de
bei den Dreharbeiten dabei zu sein – auch
für die Eltern und unsere Mitarbeiter,
­denen wir für ihre Bereitschaft sehr dan­
ken“, sagt Klinikumssprecher Christian
­Jacob. Bei RTL II wurden die in der Klinik
gedrehten Folgen im September ausge­
strahlt. Der SAT.1-Beitrag wurde Anfang
Dezember gezeigt. Im SRH Zentralklini­
kum Suhl kommen pro Jahr rund 750 Kin­
der zur Welt. Mit dem Perinatalzentrum
Level 1 für die Versorgung von Frühchen
und der breiten interdisziplinären Zusam­
menarbeit bei der Behandlung von Babys
und Kindern ist das SRH Zentralklinikum
Suhl in Südthüringen einzigartig.
www.zentralklinikum-suhl.de
Spatenstich für
neues Bettenhaus
Viel Platz, modern und hell – so soll das neue Betten­
haus am SRH Krankenhaus Bad Saulgau einmal aus­
sehen. Die SRH investiert daher 7,7 Millionen Euro in
den Umbau. Das Gebäude und die Patientenzimmer
werden modernisiert. Künftig werden maximal zwei
Pa­tien­ten gemeinsam untergebracht. In jedes Zimmer
ist ein Bad integriert. „Sowohl im medizinischen Be­
reich als auch bei der Gestaltung der Räume legen wir
großen Wert auf hochwertige Ausstattung. Das gilt
auch für kleine Standorte“, erklärt Werner Stalla, Ge­
schäftsführer der SRH Kliniken. Nach dem Spatenstich
im Oktober entsteht in Bad Saulgau bis zum Frühjahr
2017 ein neues Bettenhaus mit drei Etagen, insgesamt
52 Betten für Patienten der Fachabteilungen Innere
Medizin und Chirurgie sowie Therapieräumen. Ebenso
investiert die SRH in die medizintechnische Ausstat­
tung: Künftig erweitern ein Computertomograf und
eine neue Röntgenanlage die Behandlungsmöglichkei­
ten. Derzeit betreut das SRH Krankenhaus Bad Saulgau
jährlich etwa 16.000 Patienten.
www.kliniken-sigmaringen.de
perspektiven 03/2015
23
Gesundheit
Kunstherz
Leben im Takt
Menschen, die auf ein Spenderherz warten, benötigen
eine intensive Betreuung. Das SRH Kurpfalzkrankenhaus
Heidelberg ist darauf spezialisiert, Patienten vor und nach
einer Transplantation zu betreuen – insbesondere, wenn
sie ein Kunstherz haben.
Text Melanie Rübartsch Fotos Martin Leissl
Einige Jahre hat Suzana Visic
auf ein neues Herz warten
müssen. Ein Kunstherz half,
die Zeit zu überbrücken.
Heute lebt sie gut mit einem
Spenderorgan.
24
20 Minuten auf dem Trimmrad. So lange hält Suzana Visic
inzwischen durch. Auch die Spaziergänge im Park des SRH
Kurpfalzkrankenhauses Heidelberg werden immer länger.
Bisweilen beschwert sich sogar ihr Mann, sie gehe zu
schnell. „Das habe ich ganz lange nicht erlebt“, lacht die
43-Jährige.
Schritt für Schritt kämpft sie sich in den Alltag zurück, entdeckt ein völlig neues Lebensgefühl. Ein Leben,
in dem ein gesundes Herz in ihrer Brust klopft – ganz
­ruhig, ganz gleichmäßig. Am 28. Juli 2015 hat Suzana
­Visic ein neues Herz bekommen. Dieses Datum steht nun
gleich­berechtigt mit ihrem Geburtstag im Kalender.
Bereits mit 27 erhielt die Stuttgarterin die Diagnose Herzschwäche. Damals war der Defekt noch mit Medikamenten gut im Griff zu halten. Doch ihr allgemeiner
Gesundheitszustand verschlechterte sich, das Herz wurde
schwächer. Mit 39 Jahren kam sie nach einem Herzinfarkt
zum ersten Mal ins Herzzentrum an der Uniklinik Heidelberg – und auf die Warteliste für ein Spenderherz.
Dieses Jahr im April brach sie erneut zusammen,
musste per Helikopter nach Heidelberg gebracht werden.
Aufgrund der Herzschwäche waren viele ihrer Organe bereits schwer beeinträchtigt. Die Ärzte in Heidelberg rieten
ihr dringend zu einem  Kunstherzen – es sollte die
Funktionen der restlichen Organe und ihre Gesamtkons­
titution stabilisieren. „Das Kunstherz war Voraussetzung
dafür, dass Suzana Visic eine Transplantation überhaupt
gut überstehen konnte“, erklärt Dr. Philipp Ehlermann.
Der Kardiologe leitet die Innere Medizin des SRH Kurpfalzkrankenhauses und ist zugleich in der Uniklinik Heidelberg
tätig, einem der größten Herztransplantationszentren in
Deutschland. Beide Krankenhäuser arbeiten Hand in Hand,
wenn es um schwere Herzerkrankungen geht. Patienten,
die in der Uniklinik behandelt werden, werden in der Regel vorher und nachher auf der anderen Seite des Neckars
im Kurpfalzkrankenhaus engmaschig betreut. „Wir sind
unter anderem darauf spezialisiert, Kunstherzpatienten zu
versorgen“, betont Dr. Ehlermann – eine Disziplin, die viele andere Kliniken aus Mangel an Praxis eher scheuen.
Für Suzana Visic folgte im Sommer dann die gute
Nachricht: Ein Spenderherz war gefunden. Sie erinnert
sich noch genau an das überwältigende Gefühl, als sie
nach der Transplantation aus der Narkose aufwachte. „Es
fühlte sich überhaupt nicht wie ein Fremdkörper an. Es
passte einfach – und es hat vor allem so normal geschlagen.“ Suzana Visic hat insgesamt beinahe ein halbes Jahr
in den beiden Krankenhäusern verbracht – den Großteil
davon in der SRH Klinik. Sie lobt die persönliche Betreuung in dem übersichtlichen 102-Betten-Haus. „Als ich
nach der Transplantation wieder hierhin verlegt wurde,
perspektiven 04/2015
Kunstherz
empfing man mich beinahe wie ein Familienmitglied“,
­erinnert sie sich. „Diese Wohlfühlatmosphäre und das
hohe Vertrauen, das ich in die Ärzte hatte, haben sicher
besonders dazu beigetragen, dass alles so gut geklappt
hat.“
Warten mit einem Kunstherzen
Rund 20 Herztransplantationen stehen in der Heidelberger Uniklinik pro Jahr auf dem OP-Plan. Fünf bis sechs der
Patienten hatten zuvor ein Kunstherz – so wie Heinrich
Brixius. Der 60-Jährige hat seit Ende Juli ein künstliches
Herz, seit September wird er in der Kurpfalzklinik betreut.
Nach einer Herzmuskelentzündung vor elf Jahren hatte
sich seine Herzfunktion Schritt für Schritt verringert. Niere
und Leber waren bereits in Mitleidenschaft gezogen.
„­Zunächst wollte ich kein Kunstherz, heute bin ich sehr
dankbar dafür“, sagt er. „Was nützt mir schließlich später
die Transplantation, wenn die Niere bis dahin so kaputt
ist, dass ich dreimal pro Woche zur Dialyse muss.“
 In Sachen Kunstherz arbeiten die Ärzte des SRH Kurpfalzkrankenhauses unter anderem
mit dem Modell Berlin Heart Excor: Mit diesem System können
beide Herzkammern gleichzeitig
unterstützt werden. Vier daumendicke Schläuche werden
Gesundheit
durch eine Öffnung im Brustkorb direkt mit den großen Blutgefäßen am Herzen verbunden.
Außerhalb des Körpers sind die
Schläuche mit zwei Kompres­
soren verbunden, die das Blut
über die Schläuche pulsierend in
den Blutkreislauf pumpen.
„Zunächst wollte ich kein
Kunstherz, heute bin ich sehr
dankbar dafür.“
Heinrich Brixius,
Patient
Viele Menschen in der Warteschleife
1.815
1.491
1.315
Quelle: Eurotransplant, 2015
Leber
Niere
40
35
34
459
425
417
10.931 Wartende auf Organe
10.526 Wartende auf Organe
10.325 Wartende auf Organe
Pankreas
2012
2013
2014
Lunge
Herz
972
904
842
7.645
7.671
7.717
So viele Personen benötigten ein neues Organ
Die Kompressoren, die Blut
durch sein Kunstherz pumpen,
muss Heinrich Brixius immer
dabeihaben. Dank der Rollen
kann er trotzdem mobil sein.
25
Gesundheit
Kunstherz
Sein Herz wird von rund 15 Kilogramm schweren Akkus
angetrieben. Die schiebt Heinrich Brixius auf einem Trolley
vor sich her – und bleibt daher weitgehend mobil. „Man
gewöhnt sich daran“, versichert er. Ebenso an die Schläuche und an das monotone „Klick-Klack“ des Geräts. Seit
2014 steht er auf der Warteliste für ein Spenderherz.
Nach der Kunstherz-OP kam es zu einem Schlaganfall, weil sich trotz maximaler Blutverdünnung wiederholt Gerinnsel im Kunstherzen gebildet hatten. Den
Schlaganfall hat Brixius fast vollständig weggesteckt, doch
der Zeitdruck für eine Transplantation stieg dadurch. Daher stellte das Herztransplantationsteam der Uniklinik für
ihn bei Eurotransplant einen Antrag auf High-Urgent-Status (HU), der von einem unabhängigen Gutachterteam
auch genehmigt wurde.
Bis ein Spenderherz zur Verfügung steht – und das
kann bei dem großen Mangel an Organen noch viele Monate dauern –, muss sich Brixius jetzt im nahen Umkreis
der Klinik aufhalten. „Bis eines gefunden ist, das zu meiner Blutgruppe und meiner Körpergröße passt, bleibe ich
also im Zweifel im Kurpfalzkrankenhaus“, fasst der ehemalige Bauleiter zusammen. Das Klinikteam weiß, wie die
Schlaucheingänge im Brustkorb zu versorgen sind, die
Kompressoren gewechselt werden oder welche Komplikationen auftreten können. Die Fachleute kennen die mög­
lichen Wechselwirkungen von Medikamenten.
Immer weniger Transplantationen
So viele Organe wurden jeweils* verpflanzt
Herz
246
239
224
Lunge
287
278
230
1.190
1.146
1.186
Niere
677
665
648
Leber
Pankreas
2013
2014
2015
96
84
84
2.501 transplantierte Organe
2.418 transplantierte Organe
2.373 transplantierte Organe
*2013 bis 2015, jeweils Januar bis September, ohne Transplantationen nach
Lebendspende (2015 vorläufige Zahlen).
Quelle: Deutsche Stiftung Organtransplantation, 2015
Notstand bei Spenderorganen
„Zurzeit sind Kunstherz-OPs noch eher die Ausnahme. Das
könnte sich aber bald ändern“, prophezeit Kardiologe Ehlermann. Grund ist, dass sich das Verhältnis zwischen Herzpatienten und Spendern zunehmend verschlechtert. 2015
wurden nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation in den ersten neun Monaten 224 Herztransplantationen durchgeführt (siehe Grafik oben). Dem gegenüber
standen laut Eurotransplant Ende September 781 Menschen, die auf ein Organ warteten. „Für eine optimale Versorgung bräuchten wir im Grunde zehnmal so viele Herzen
wie in Deutschland verfügbar sind“, kalkuliert Ehlermann.
„Die Warterei ist das Schlimmste“, sagt Brixius,
„man muss mental wirklich stabil sein.“ Er hat sich einen
festen Tagesrhythmus geschaffen und versucht, sich immer
neue Ziele zu setzen. Das hat auch Suzana Visic geholfen.
„Ich wollte wieder gehen können, ohne nach zwei Schritten Luft holen zu müssen“, sagt sie. Außerdem möchte sie
schon bald wieder in ihren Job als Versicherungskauffrau
zurück. Jetzt geht sie erst einmal für drei bis fünf Wochen
in die Reha nach Bad Schönborn. „Und dann freue ich
mich riesig auf meine Wohnung in Stuttgart, die ich ein
halbes Jahr nicht gesehen habe“, strahlt sie. Auch die werde sie bestimmt mit ganz neuen Augen sehen. So wie sie
derzeit alles um sich herum viel intensiver wahrnimmt. 26
SRH Kurpfalzkrankenhaus
Das SRH Kurpfalzkrankenhaus in Heidelberg ist ein Fachkrankenhaus für Innere Me­
dizin, Neurologie und Dialyse. Es hat 102 Betten und zwölf Dialysestellplätze und beschäftigt 200 Mitarbeiter.
Das Hämophiliezentrum der Klinik gehört zu den bundesweit größten für die Behandlung von Bluter-Krankheiten. Eine weitere Besonderheit ist die Spezialeinheit für
die neurologische Frührehabilitation, in die Patienten nach Schlaganfall und anderen
Schädigungen des Nervensystems aufgenommen werden. In einer interdisziplinären
Intensivstation können jederzeit kritische Fälle versorgt werden. Die Klinik ist akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Heidelberg.
www.kurpfalzkrankenhaus.de
perspektiven 04/2015
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Impressum
Herausgeber:
SRH Holding (SdbR), Bonhoefferstraße 1, 69123 Heidelberg, Internet: www.srh.de
Nils Birschmann, Direktor Kommunikation
Redaktion (SRH) und Kontakt:Christiane Wolf, SRH Holding, Telefon: 0 62 21/82 23-123, Fax: 0 62 21/82 23-06123,
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Redaktion und Gestaltung:Siccma Media GmbH, Köln, Internet: www.siccmamedia.de
Redaktion: Ulrike Heitze, Julian Kerkhoff, Liane Borghardt, Kirstin von Elm, Frank Hidien, Susann Lorenz, Melanie Rübartsch
Art-Direction: Ulrich Schmidt-Contoli
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Erscheinungsweise:
vier Ausgaben pro Jahr (28.000 Exemplare)
Alle Rechte vorbehalten. Reproduktion nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Herausgebers und der Redaktion.
Für unverlangt eingesandtes Material übernimmt die Redaktion keine Gewähr.
Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 4. Dezember. Die nächste Ausgabe von perspektiven erscheint im März 2016.
27
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Illustration: Ulrich Schmidt-Contoli, Fotos: SRH Klinikum Karlsbad-Langensteinbach
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Therapiesitzungen Barrieren ab.
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