2013-23 Abitur Geschichte (Bayern) – 2013 – Aufgabe III Historische

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Abitur Geschichte (Bayern) – 2013 – Aufgabe III
Historische Komponenten europäischer Kultur und Gesellschaft
1
Erläutern Sie wesentliche Wirkungen des Imperium Romanum für die geistige
Entwicklung Europas! (18 BE)
2
(44 BE)
2.1 Analysieren Sie die Bildquelle M 1 und interpretieren Sie diese im Hinblick auf
das Selbstverständnis des Monarchen in der Zeit bis zum 11. Jahrhundert!
2.2 Erarbeiten Sie aus der Textquelle M 2 die Darstellung König / Kaiser Heinrichs IV. und überprüfen Sie diese auf ihre Vereinbarkeit mit dem traditionellen
Bild vom Monarchen bis ins 11. Jahrhundert!
2.3 Prüfen Sie, inwieweit als Ergebnis der religiös-politischen Auseinandersetzungen zwischen Papst und Kaiser im 11.–12. Jahrhundert von einer beginnenden
Trennung von geistlicher und weltlicher Gewalt gesprochen werden kann!
3
„Ohne die Ideen der Aufklärung keine Demokratie“!
Setzen Sie sich anhand geeigneter Beispiele in Bezug auf unsere moderne
Demokratie mit dieser Behauptung auseinander! (28 BE)
4
Bearbeiten Sie eine der drei folgenden Teilaufgaben! (30 BE)
a) zu Halbjahr 11 / 1:
Erörtern Sie die These, dass die im 19. Jahrhundert in Deutschland entstehende Industriegesellschaft für den Einzelnen zwar die Fesseln der Ständegesellschaft löste, dafür aber neue Fesseln entstehen ließ!
b) zu Halbjahr 11 / 2:
An Ihrer Schule findet ein Zeitzeugengespräch mit einem Überlebenden des
Holocaust statt. Ein Mitschüler /eine Mitschülerin äußert in der Diskussion
die These: „Kein ,normaler‘ Deutscher konnte vom Holocaust etwas mitbekommen.“
Verfassen Sie auf der Basis Ihrer historischen Kenntnisse einen Diskussionsbeitrag, in dem Sie kritisch Stellung zu dieser These beziehen!
c) zu Halbjahr 12 /2:
In einer Internet-Diskussion taucht folgende Position auf: „Die USA als
Weltmacht – eine Erfolgsgeschichte!“
Setzen Sie sich mit dieser These auseinander!
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Material
M 1: Thronbild Karls des Kahlen, um 870
Horst Fuhrmann / Florentine Mütherisch (Hrsg.): Das Evangeliar Heinrichs des Löwen und das mittelalterliche Herrscherbild, München 1986 (Bayer. Staatsbibliothek Ausstellungskataloge 35),
Tafel 3 (Kat.-Nr. 2)
Anmerkung: Bei den Figuren links und rechts außen handelt es sich um Allegorien mit Füllhörnern.
Hinweis: Eine Farbabbildung des Bildes zum Downlaod finden Sie
unter www.stark-verlag.de/geschichte/95761-2013/
M 2: Aus einem Geschichtswerk aus der Zeit Kaiser Heinrichs IV.
(Ende 11. Jh.)
1
1. Nachdem Kaiser Heinrich [III.] mit seligem Tod aus diesem Leben geschieden war,
übernahm sein Sohn Heinrich IV., den er zu unseligem Geschick in diesem Leben
hinterlassen hatte, durch gemeinsame Wahl das Reich des Vaters. Da er es aber als
erst fünfjähriger Knabe nicht geziemend regieren konnte, übernahm seine Mutter
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Agnes, die ehrwürdige Kaiserin, auf Geheiß der Fürsten die Fürsorge für ihn und das
Reich. Allein da im Laufe der Zeit der Knabe wohl an Alter, aber keineswegs an
Weisheit vor Gott und den Menschen zunahm und aufgebläht von königlichem Hochmut kaum mehr auf die mütterlichen Ermahnungen hörte, entriß ihn der ehrwürdige
Erzbischof Anno von Köln mit Gewalt seiner Mutter und ließ ihn mit aller Sorgfalt,
wie es sich für den kaiserlichen Sproß gehörte, erziehen, wobei er weniger den Vorteil des Königs als den des Reiches im Auge hatte. Denn er wußte sehr wohl, daß ein
unverständiger König sein Volk verdirbt, die Staaten aber unter dem Regiment der
Klugen gedeihen, und er wußte auch, daß ebenso wie Tugend manch niedrig Geborenen auszeichnet, Laster den Hochgeborenen verunehren, wenn es an Lehre und guter
Sitte mangelt. Aber nachdem der König die Einfalt der Kindheit hinter sich gelassen
hatte, in das Jünglingsalter, diesen Tummelplatz aller Schandtaten, eintrat […], ließ
er den steilen und engen Pfad zur Rechten liegen und wählte die abschüssige breite
Straße zur Linken als Weg. Er entsagte völlig dem Tugendpfad und beschloß, nur
noch seinen Begierden zu folgen. […]
14. Über einen seiner engsten Vertrauten, dessen Namen ich ebenso wie die vieler
anderer absichtlich verschweige, habe ich eine Geschichte erfahren, die ich hier einflechten möchte, weil sich in ihr zwei bedeutende Laster des Königs zeigen, nämlich
seine Grausamkeit und seine Wollust. Selbst kein geborener Sachse nahm dieser
[Vertraute des Königs] eine Sächsin zur Frau, eine Jungfrau ebenso schön wie edel.
Der König selbst erlangte für ihn die Einwilligung der Eltern und der König wohnte
auch persönlich der Hochzeit bei; man kann allerdings zweifeln, ob er das mehr zur
Ehre des Bräutigams tat oder aus Liebe zur Braut. Noch hatte diese ihre bräutliche
Scham und Scheu nicht abgelegt, als der König alle Scham von sich warf und den
Bräutigam selbst aufforderte, sie zu seinem Lager zu senden. […]
15. All diesen Untaten fügte er noch ein Übel hinzu, das den alten Lastern erst rechten
Bestand gab und zum Anlaß manches neuen wurde. Die Bischöfe nämlich bestellte er
nicht nach dem Maß ihrer Verdienste entsprechend den Vorschriften des Kirchenrechts, sondern wer ihm die größere Geldsumme gab oder seine Schandtaten besonders bereitwillig guthieß, der war eines Bistums würdiger als jeder andere. Wenn er
jemandem auf diese Weise ein Bistum verliehen hatte, ein anderer ihm aber nun mehr
Geld bot oder seine Taten noch mehr lobte, ließ er jenen ersten […] absetzen und den
zweiten, als sei dieser ein Heiliger, an seiner Stelle weihen. Daher kam es, daß damals
viele Städte zur gleichen Zeit zwei Bischöfe hatten, von denen aber keiner des bischöflichen Namens würdig war. Das Bistum Bamberg, ebenso reich an äußeren Gütern
wie verehrungswürdig ob der Gelehrsamkeit seines Klerus, verlieh, vielmehr verkaufte er für eine unermeßliche Summe an einen Wucherer, der sich besser darauf
verstand, die verschiedenen Geldsorten zu schätzen, als den Text eines Buches – ich
will gar nicht einmal sagen, zu verstehen oder auszulegen – auch nur richtig zu lesen.
Brunos Buch vom Sachsenkrieg, Kapitel 1, 14.15. In: Quellen zur Geschichte Kaiser Heinrichs IV.
Die Briefe Heinrichs IV. – Das Lied vom Sachsenkrieg – Brunos Sachsenkrieg – Das Leben Kaiser
Heinrichs, hrsg. u. übers. v. Franz-Josef Schmale u. Irene Schmale-Ott, 5. Aufl. Darmstadt:
Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2006 (Frhr. v. Stein GA XII).
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Lösungsvorschläge
r 1.
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Erläutern (AFB II) bedeutet, dass Sie historische Sachverhalte durch Wissen
und Einsichten in einen Zusammenhang einordnen und durch weitere Beispiele
oder Zusatzinformationen illustrieren sollen. Klären Sie dazu den Begriff „geistige Entwicklung“. Darunter kann man z. B. Wissenschaft allgemein, Philosophie, Rechtslehre oder Religion subsumieren. Der Begriff „wesentlich“ fordert
von Ihnen, sich auf die wichtigsten Entwicklungen zu konzentrieren, die Sie dann
nicht nur nennen, sondern ausführlicher darlegen müssen.
Das Imperium Romanum beeinflusste die Entwicklung des geistigen Europas
auf verschiedene Art und Weise. Dazu gehört erstens die christliche Prägung
der Kultur Europas. In den ersten Jahrhunderten nach Christus verbreitete sich
die neue Religion im Mittelmeerraum, von den Römern teilweise geduldet, teilweise auch verfolgt. Zwar waren die Römer anderen Kulten gegenüber im Allgemeinen tolerant, aber die christliche Verabsolutierung des eigenen Gottes,
die im ersten Gebot formuliert ist, stand im Widerspruch zur römischen Gleichsetzung des Kaisers als obersten Gott. Mehrfach wurden die Christen als Sündenböcke Opfer staatlicher Verfolgungswellen, weil die Herrscher Roms auf
diese Weise von inneren Problemen und äußeren Gefahren ablenken konnten.
Da auf diese Weise die Ausbreitung des Christentums nicht gestoppt werden
konnte, verkündete Kaiser Galerius (236 / 245 – 312) schließlich die religiöse
Toleranz. Kaiser Konstantin (ca. 280 – 337) förderte das Christentum weiter
und stellte es in den Mailänder Vereinbarungen (313) den anderen Kulten im
Reich gleich, er selbst ließ sich noch auf dem Sterbebett taufen. Damit war das
Christentum an der Spitze des römischen Staates angekommen. Kaiser Theodosius I. (347– 395) verbot schließlich alle heidnischen Kulte und machte das
Christentum zur Staatsreligion. Denn der christliche Monotheismus – der
Glaube an einen Gott – schien gut geeignet zu sein, die monarchische Herrschaftsform als die Herrschaft eines Einzigen zu legitimieren; dazu passte
auch, dass nach der Bibel alle Herrschaft von Gott eingesetzt und Ungehorsam
gegen die Herrschaft deswegen unvereinbar mit Gottes Willen sei (Römer 13,1).
Daraus ergibt sich ein zweiter Einfluss des Imperium Romanum auf die geistige
Entwicklung Europas: Die enge Verbindung und die wechselseitige Durchdringung von Kirche und weltlicher Herrschaft im Mittelalter und darüber
hinaus. Diese Verflechtung begann zur Zeit der Franken, als der karolingische
Hausmeier Pippin (I.) mit Unterstützung durch die Päpste in Rom der Herrschaft
der heidnischen Merowinger ein Ende setzte. Durch die Salbung Pippins wurde
die Königsherrschaft sakralisiert, was durch die Verbindung von König- und
Kaisertum noch gestärkt wurde. Die römischen Kaiser „deutscher Nation“ sahen
sich in der Tradition des römischen Kaiserreiches als von Gott legitimierte
Herrscher und Schutzherrn der Kirche.
Dem Imperium Romanum verdanken wir drittens die kulturelle Kontinuität
antiker Bildung. Besonders der römische Gelehrte Boëthius (ca. 480 – 524)
machte sich um die Weitergabe der antiken Wissenschaft und Bildung ver2013-26
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